vorgeschrieben ist, sind ordnungsgemäß ausgeführt worden. Wie die „Agence Havas“ mitteilt, nahm die Reparations— om miisfion Kenhtnis von der pünktlichen Erfüllung dieser Verpflichtungen durch die deutsche Regierung und teilte der⸗ selben ihre Befriedigung darüber mit, daß sie jetzt schon Vor⸗ kehrungen für die Einlösung der ausgegebenen Schatzwechsel getroffen hat. Rußland.
Offizielle Meldungen bestätigen der Morning Post“ zu⸗ folge die Ernennung Litwinoffs zum bolschewistischen Unter⸗ sekretär für auswärtige Angelegenheiten an Stelle von Karachan. Die Ernennung soll jedoch nur eine Vorbereitung für die Er— setzung Tschitscherins durch Litwinoff als Volkskommissar für Auswärtiges sein.
— In Petersburg haben in Verbindung mit der Ein⸗ stellung der Brotverteilung die Unruhen stark zugenommen. Wie die „Berlingske Tidende“ mitteilt, ist es an mehreren Stellen der Stadt zu blutigen Zusammenstößen gekommen. Trotz des von der Sowjetregierung ausgeübten Terrorismus halten die unzufriedenen Arbeiter öffentliche Versammlungen ab, in denen die Sopjetregierung scharf angegriffen wird. Der Petersburger Sowjet hat Befehl erteilt, daß sämtliche Führer von gegenrevolutionären Arbeitern verhaftet werden sollen. Bisher hat es sich als unmöglsch erwiesen, den Befehl
uszuführen. Wie unsicher sich die Sowjetregierung fühlt, geht daraus hervor, daß die Eisenbahnzüge auf der Strecke zwischen St. Petersburg und Moskau nicht mehr halten, und daß die Züge von Militärs mit Maschinengewehren begleitet werden. Aus allen Teilen Rußlands wird eine Ausbreitung der gegenrevolutionären Bewegung im Innern des Landes gemeldet.
Griechenland.
Die „Nea Himera“ meldet, daß sich die Griechen und Jugoslaven auf einen Vorschlag von Belgrad hin entschlossen haben, bei der alba nesischen Regierung einen energischen Schritt zu unternehmen, damit die unaufhörlichen Heraus⸗ forderungen, die in Epirus zu Tage träten, endlich aufhörten. Falls Albanien bei seiner jetzigen Haltung beharre, würden die griechische und jugoslavische Regierung Maßregeln ergreifen, um der Bevölkerung beizustehen.
Amerika.
Die erste Rate der durch Vermittlung der Vereinigten Staaten an die Alliierten zu leistenden deutschen Repara⸗ tionszahlung in Höhe von 45733 000 Dollar ist dem „Reuterschen Büro“ zufolge gestern in den Besitz der Federal Reserve Bank gelangt. Die dentsche Regierung ergänzte vor⸗ gestern durch Vermittlung von vier New Yorker Bankinstituten die Einzahlung. Die Banken, die Deutschland vertraten, sind Hallgarten Co., Speyer & Co. sowie die Equitable Trust Co. und die Guaranty Trust Co. Die Zahlungen erfolgten durch Banküberweisungen.
— Der amerikanische Senat nahm gestern den Gesetz⸗ entwurf über die Marineausgaben, die sogenannte Naval Bill Appropriation, an, indem er die Summe von 494 Millionen Dollar bewilligte und den Zusatz des Senators Borah guthieß, der den Präsidenten Harding beauftragt, eine Konferenz von Vertretern Amerikas, Englands und Japans einzuberufen, um die Abrüstungsfrage zu erörtern.
Asien.
Nach einer Kabelmeldung der „Chicago Tribune“ aus Peking hat der Generalstabschef der japanischen Streitkräfte in Wladiwostok, General Komura, das russisch⸗japanische Ver⸗ mittlungskomitee unterrichtet, daß er die Absicht hahe, innerhalb eines Monats japanische Truppen zu einer Expedition in die Küstenprovinzen auszuschicken. In der russischen Antwort wurde gesagt, daß ein solches Vorgehen als unmittel— bare Verletzung des russisch⸗japanischen Vertrags von 1905 an⸗ gesehen werden müsse.
Preußischer Landtag. W. Sltzung vom 1. Juni 1921, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger ).)
Vizepräsident Dr. von Kries eröffnet die Sitzung nach 12 Uhr und teilt dem Hause mit, daß der Staatshaushalts⸗ plan dem Landtage zugegangen ist. Des. ferneren rügt er auf Grund des Stenogramms der gestrigen Sitzung einen während der Rede des Abg. Katz gefallenen Zwischenruf des Abg. Müller⸗Hameln und die Erwiderung des Abg. Katz darauf, wobei sich beide Frechheit und Unverschämtheit vor⸗ geworfen haben, als ungehörig.
ur Geschäftsordnung beantragt .
3 4 ö eyer⸗Ostpreußen Komm) den Bericht des Rechtsausschusses über die Sondergerichte auf die heutige Tages⸗ ordnung zu setzen. Jeden Tag wehren sich die meistens auf viele Jahre Hut , lautenden Urteile dieser Schandjustiz. Lebhafte Pfuirufe bei den Kommunisten, große Unruhe.) Pflicht dieses Hauses ist es, hiergegen Stellung zu nehmen, oder aber zum wenigsten vor aller Oeffentlichkeit zu sagen, daß Sie diese Schand⸗ juftiz beibehalten wollen. (Großer Lärm, Abg. Paul Hoffmann wird wegen eines ungehörigen Zurufes zur Ordnung gerufen.)
Da Abg. Dr. Re genborn (D. Nat) gegen diesen Antrag Einspruch erhebt, ist die heutige Beratung nicht möglich. Großer Lärm links, Ruf von den Kommunisten: Zuhälter der Schand⸗ justiz! Vizepräsident Dr. v. Kries ruft den unbekannten Zwischen⸗ rufer zur Ordnung, Ruf von den Kommunisten: Wir alle halten
den Ruf aufrecht! über das Wahl⸗
Der Gesetzent wurf n,, wird ohne Aussprache dem Ver⸗
assungsausschuß überwiesen. . af f 6 des Abg. Kloft (ir) wird dessen Antrag auf Annahme eines Gesetzes, betreffend Erhebung von Nach⸗ tragsumlagen durch Gemeinden und Gemeindverbände, an den Gemeindeausschuß zurückverwiesen. . . Darauf wird die gestern abgebrochene Aussprache über die große Anfrage der Sozialdemokraten über die Vorlegung eines Gesetzes zur Aßänderung des Kom⸗ mungal⸗, Kreis⸗ und, Provinzialabgaben⸗ gesetzes in Verbindung mit dem Antrag Altegoer (tr.) Iber die Realsteuern und ihre Erhebung durch die Gemeinden erg ng, (Dem) .: Wir sind damit einverstanden, daß diese Frage dem Gemeindegusschuß überwiesen wird. Ueber die gestrige Erklärung der Regierung, daß alsbald eine Novelle zum
alabgabengesetz eingebracht werden wird, sind wir 5 . es r nicht nur einer solchen Gesetzesänderung,
) Mit Aus der durch Sperrdruck hervorgehrbenen Reden der e gr niehr Wortlaute wiedergegeben sind.
sondern einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen dem Reich und den Gemeinden. Das schließt nicht aus, daß die dringendsten Notstände der Gemeinden durch eine Novelle beseitigt werden. Bei der Uebertragung der Steuerhoheit auf das Reich ist den Interessen der Gemeinden sehr wenig Rechnung getragen worden. Die Gemeinden müssen in den Eine gesetzt werden, ihre Kulturaufgaben, die sie bisher vorbildlich erfüllt haben, weiter zu erfüllen. Dazu ist eine gesunde Finanzpolitik erforder⸗ lich. (Beifall.) J
Abg. Leid (U. Soz): Um den Bankrott der Gemeinden ab⸗ zuwehren, sind andere Mittel notwendig als nur eine Aenderung von Gesetzen. Für das Finanzelend der Gemeinden sind einzelne Parteien nicht verantwortlich zu machen, denn es ist in allen Ge⸗ meinden gleichermaßen vorhanden. Im Kriege sind den Ge⸗ meinden ungeheure Lasten aufgebürdet worden, die ihnen das Reich nicht zurückerstattet hat. Der Mahnruf an die Gemeinden zur Sparsamkeit muß ungehört verhallen, weil die Gemeinden ihre Ausgaben schon auf das Minimum der notwendigen Ver⸗ waltungsausgaben beschränkt und für soziale Zwecke nichts mehr übrig haben. Die Gemeinden müssen in die Lage gebracht werden, die Steuern nach sozialen Gesichtspunkten zu schaffen und die höheren Einkommen höher zu besteuern. Wenn allerdings der Antrag Altegoer die Erwerbsstände nicht durch Steuern gefährdet haben will und wenn er darüber die Berufsvertretungen erst hören will, dann bedeutet er peradegu eine Gefahr, denn jeder Er⸗ werbsstand erklärt heute, nicht einen Pfennig mehr zahlen zu können. Die Wohnungsluxussteuer in Berlin haben zum Beispiel die Rechtsparteien durch Sabotage verhindert. Eine Aenderung des Kommunalabgabengesetzes wünschen wir nach der Richtung, daß die Gemeinden in der sozialen Staffelung jeder Steuer freier werden. Aber auch solche kleinen Flickereien können den Ge⸗ meinden noch nicht helfen, es muß vielmehr dafür gesorgt werden, daß die , , und Konsumtionsfähigkeit gesteigert wird. Erst wenn das Wirtschaftsleben wieder in Gang kommt, werden die Quellen fließen, aus denen geschöpft werden kann. Aber gerade die kapitalistischen Kreise wollen alle Produktions⸗ gebiete dem Privatkapital erhalten und den Gemeinden nicht aus⸗ liefern. Dem Antrag Altegoer, wie er hier vorliegt, werden wir im Ausschuß mit aller Entschiedenheit den Kampf ansagen.
Abg. Dr. Bredt (Wirtschaftspartei)h: Der große Wert des Tommunalabgabengesetzes liegt darin, daß er in großzügiger Weise Reichs, Staats- und Kommunalabgaben in ein Syste m hineinbringen soll. Die direkten und n , , auch die indirekten Steuern sollten dem Reiche überlassen bleiben, die Realsteuern aber und sonstigen Abgaben den Ländern und Gemeinden. Die neue Reichssteuergesetzgebung hat die Abtrennung beseitigt. Der organische ne,, . muß nun wieder hergestellt werden. Derjenige, der die Aufgabe Preußens zuerst in die Debatte ge⸗ 23 at (Abg. . unmittelbar vor dem Redner) sieht nun, was er angerichtet hat. Die alte Einrichtung der Provinzial⸗ landtage war, da sie mit Fachmännern 6 , waren, eine durchaus brauchbare und geeignete. Heute stellen sich die einzelnen Organe als gegenseitige Konkurrenten hin. Länder und Gemeinden ver⸗ fügen jetzt nur noch über Steuern, die im Reichstag durchgefallen find. Die ungeheure Vermehrung des Beamtenapparates ist zum größten Teil schuld an dem enormen Geldbedürfnis der Ge⸗ meinden. Einzelne Einrichtungen, wie die Wohnungsämter usw., sind zu enormen Riesenapparaten angewachsen, Un ersuchungsver⸗ fahren gegen einzelne Beamte beanspruchen riesige Aufwendungen an Personal und Ausgaben, und es kommt nichts bei der ganzen Sache heraus. Ist der Grundbesitz wieder gesundet, dann mag er auch tüchtig bezahlen. Einstweilen ist er dazu noch nicht wieder in der Lage. ; ö .
Abg. Le inert (Soz): Ich würde mich an der Aussprache nicht beteiligen, wenn nicht der Abg. Katz gestern Vorgänge aus dem Hannoberschen Stadtparlament hier angeführt hätte. Dabei hat er Behauptungen aufgestellt, die nicht der Wahrheit ent sprechen. Nicht richtig ist es, daß die Sozialdemokratische Partei in dem Stadtkollegiüm die Mehrheit besitzt. Herr Katz ist auf Grund der sozialdemokratischen Liste zum Stadtverordneten gewählt worden, dann ist er zu den Unabhängigen übergetreten, ohne sein Mandat niederzulegen, und als er sich in seiner neuen Partei nicht durchsetzen konnte, trat er zu den Kommunisten über. (Heiterkeit Es ist so weit gekommen, daß in einer der letzten Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung ein Vertreter der Rechtsparteien erklärt hat: Herr Katz, wenn Sie keine andere Partei mehr finden, bitte kommen Sie zu uns herüber. (Große Heiterkeit) Unxichtig ist es, daß die Stadt Hannover die Spar⸗ kasse über Gebühr für städtische Einrichtungen in Anspruch ge⸗ nommen habe. Im Gegenteil, sie ist unter ihrer Befugnis ge⸗ blieben, bis zu 35 * der Einlagen für städtische Zwecke zu ver⸗ wenden. Herr Katz will mit seinen falschen Behauptungen bei der Vevöllerung das Vertrauen in die Gemeindeeinrichtungen untergraben, um nach Münchener Muster in Hannover eine Räte⸗ republik zu errichten. Dann soll ich Vorsitzender der Orgesch in Hannover sein. Als ich zum Präsidenten dieses Hauses gewählt wurde, riefen mir die Kommunisten zu; Orgesch⸗General! Bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten wird dies wieder⸗ holt. Die Hannoversche Einwohnerwehr ist beseitigt worden, ihre Waffen sind restlos abgeliefert. (Lachen bei den Komm.) Wenn Herr Katz sonstige Waffenlager kennt, so müssen diese anderen Zwecke dienen. (Sehr gut.) Diese dürften dann nicht den Zwecken Liner Einwohnerwehr und dem Schutze der Republik dienen, sondern zu gegenteiligen Zwecken verwendet, werden. Nun ist in Hannover wie in andern großen Städten infolge des Krieges Moral und Sicherheit stark vermindert, die Polizei kann nicht überall sein, und deshalb haben wir eine kommunale Einrichtung
etroffen, die bei Nacht die Bevölkerung vor Räubern und Dieben chützt, (Lachen bei den Komm) Nur wenn Sie (zu den Komm ) sich mit Räubern und Dieben . erklären, können Sie diese Einrichtung bekämpfen, der Sie den größten Widerstand entgegensetzen. Diese Einrichtung — die Leute sind mit Gummi⸗ knüppeln bewaffnet — ist von allen Parteien mit Ausnahme der Kommunisten, die, abgefehen von ihrem Mundwerk, keine Rolle bei uns spielen, getroffen worden. Für diesen Ortsschutz haben wir natürlich ein Büro, das von einem Mitgliede des Magistrats geleitet wird, der Ortsschutz hat keinen Genergl, keinen Kom⸗ mandeur, keinen Mann, der in irgendwelcher Weise militärische Vrgangenheit hätte. Er ist keine Orgesch, kein eingetragener Verein und keine politische Organisation. Das Recht, lediglich gegen Diebe und Räuber vorzugehen, muß, solange der Staat nicht die nötigen Machtmittel hat, jeder Stadt über assen bleiben. (Lebhafte 36 , im ganzen r mit Ausnahme der äußersten Linken.) ährend des Kapp⸗ utsches war Herr Katz von dem früheren Oberpräsidenten in Schutzhaft gesetzt, weil sein Wirken außerordentlich gefährlich gewesen war. Ich habe dann in jenem Augenblick, als in Rhein land ⸗ Westf len die aller⸗ schwierigste Situation bestand, es als Staats kommissar im Interesse der Erhaltung unserer Republik nicht für zweckmäßig erachtet, Herrn Katz freizulassen. (Lärm bei den Komm.) Die Kommuniftische Partei sollte nicht mehr das Schlagwort Orgesch gebrauchen, es ist abgebraucht; die Lächerlichkeit tötet auch die Kommunistische Partel. Als die Gefahr vorüber war, habe ich sofort Herrn Katz aus der Haft entlassen, ich würde guch jeden andern, der die Republik stürzen will, verhaften lassen. Die Kommunistische Partei war ja in dem Sturz der Republik mit Derrn Kapp völlig einig, nur wollte dieser eine schwarz⸗weiß⸗rote Monarchie, die Kommunisten wollten die rote Sowjetrepublik. Ich habe übrigens Herrn Katz nicht in Haft, genommen, er saß schon in Haft. Gerade dadurch haben wir in Hannover Ruhe bekommen und nur geringe Verluste an Menschenleben gehabt; Herr Katz sprach auch von einer Milchsteuer in Hannover, Bei der heutigen Aufhebung der Zwangswirtschaft für Milch und Butter haben die Städte das Recht erhalten, ihrerseits die Ver⸗ teilung der Milch zu gewährleisten. Die landwirtschaftlichen Organisationen verlangten einen Stallpreis von 2 M für die Milch. Wir setzten deshalb den Milchpreis auf 2,92 * für die
Stadt Hannover fest. Um aber die Milch für die Bedürftigen
zu verhilligen, schlugen wir noch 28 Pfennig darauf, so daß der Preis 320 M beträgt. Wir werden daraus einen Fonds von . Millionen bekommen, aus dem wir den Milchpreis für die edürftigen um 1 A verbilligen können. (Hört, hört! Herr Katz folgert hieraus eine ungeheuerliche Säuglingssterblichkeit, während diese Einrichtung gerade getroffen ist, um die Säuglings— sterblichkeit zu vermindern. Solche Einrichtungen sind mir lieber, als die Versuche mit der Sowjetrepublik, wo nicht nur die Kinder und Kranken, sondern auch Männer und Frauen und Gesunde in großen Massen sterben. (Hu, hu! bei den Komm) Abg. Katz (Komm.): Der Ortsschutz in Hannover ist eine Orgesch⸗Organisation nur mit anderem Namen. Welche Ruhe und Ordnun soll denn aufrechterhalten bleiben? Doch nur die kapita— listische Ruhe und Ordnung, und ein Sozialdemokrat stellt sich an die Spitze dieser Organisation. Angeblich will man sich vor Dieben und. Mördern schü en. . bei den Sozialdemokraten: Dazu gehörst Du auchh s sind jetzt alles Leute, die durch die kapita⸗ listische Wirtschaftsordnung auf diese Bahn getrieben sind. (Stür⸗ mischer 6 Herr Leinert ist jetzt allerdings Oberbürger— meister und hat es nicht mehr nötig, zu stehlen. (Stürmisches, lange andauerndes Gelächter. Diese Orgesch⸗-Organisation dient nur zur Niederknüppelung der revolutionären Arbeiter. Beim Kapp-⸗Putsch ist Herr Leinert gemeinsam mit einem Kappisten— general tätig gewesen, das Generalkommando ist immer im Ein— verständnis mit Leinert gewesen. Für die Milchsteuer in Han⸗ nover müssen nicht nur die wohlhabenden Schichten, sondern auch die ganze Arbeiterschaft beitragen, um nur eine kleine Zahl der Allerbedürftigsten billiger versorgen zu können. Das ist systema⸗ tischer Kriegermord. Zahlen muß der am meisten, der die meisten Kinder hat und am meisten Milch verbraucht. (Gelächter. Eine Staffelung des Milchpreises ist von den Sozialdemokraten abge— lehnt worden, Herr Leinert kann auf seine Leistungen stolz sein. Abg. Le inert (Soz); In Hannover 6 es Milch nur auf Milchkarten, aber ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Schichten, denn wir haben keine , Milch. Wenn die Aermsten und Bedürftigsten sich ,. eine Milch kaufen können, wird Leben und Gesundheit der Bevölkerung gefährdet. Auf die logischen Gedankenstriche des Herrn Katz kann ich nicht eingehen. (Ruf bei den Kommunisten: Erwerbslose! Wir haben in Hannover für die Erwerbslosen mehr getan, als andere Städte. Als die Absicht be⸗ stand, einen Freistaat Hannover zu errichten, trat man von welfischer Seite an mich heran, Frähtben? dieser Republik Hannover zu werden. &eebhaftg Hört, hört!! Diese Tatsache ist nicht weg⸗ zuleugnen. Meine Tätigkeit den Welfen und hin n gegen⸗ über ging dahin, die eßn rlichkeit dieser Politik aufzudecken. Die Kommunisten erfreuen sich der besonderen Fürsorge, Ansehens und besonderer Liebe bei den Welfen. Ich freue mich, daß ich die . beschworen habe. (Unruhe bei den Welfen.) Die Tatsache, daß Escherich in Hannover gesprochen zt. beweist nichts, das haben alle Parteien Cemgch besonders häufig die Kommunisten. Abg. Biester (D. enn Herr Leinert hat sich als Retter des Reiches hingestellt. Wir aber wissen, daß er sich den Posten als Staatskommissar ohne Einwilligung seiner Parteifreunde er⸗ schlichen hat. Ihm waren die Ereignisse, die den Kapp⸗Tagen vor⸗ angingen, als ,, seiner Partei bekannt, er wußte, daß das Hindenburg⸗Bataillon und andere Bataillone anrückten. Das Blut, das in Hannover geflossen ist, ist auf, das Konto des Herrn Kollegen Leinert zu setzen. (Lebhaftes Hört, hört! Großer Lärm.) Herr Leinert hat uns mit dem Brustton der Ueberzeugung in unglaublicher Weise verdächtigt, wir hätten zur Entente in Be— ziehungen gestanden. Als Zeuge in einem Prozeß, bei dem auch Herr Leinert anwesend war, kann ich mitteilen, daß vom Gericht einwandfrei festgestellt worden ist, daß alle 6 Behauptungen Leinerts eben nur Behauptungen sind. (Lebhaftes Hört, hörth Ihnen fehlt jede Grundlage. Dann ist eine Mappe verloren⸗ gegangen, die in die Hände des Herrn Leinert gegangen ist. Jeder r r. Mensch hätte einen derartigen Funddiebstahl durch Zu⸗ rückgabe der Mappe aus der Welt geschafft. Jedenfalls ist uns durch nichts bewiesen, daß wir Beziehungen zur Entente unter⸗ halten hätten. / . Abg. Leinert: Abg. Biester hat die ungeheuerliche Be⸗ hauptung auge test ich sei an den Vorkommnissen in Hannover schuld, und
(Lebhafte Bewegung, ,. und Widerspruch.) Ich wer⸗
stehe nicht, wie Herr Biester eine solche kommunistische Lüge, die in Hannover verbreitet worden ist, hier aufwärmen kann, um den Kommunisten zu nützen. Das ist jedenfalls sehr merkwürdig. Daß ich von dem Hindenburg-Bataillon nichts wußte, kann ich ein⸗ wandfrei nachweisen. bg ach ruft: Lügen⸗Leinert! präsident Garnich ruft den Abg. Katz zur Ordnung.) Abg. Blank der Zentrumsvertreter für Hannover, wird mir bestätigen, daß i ihm, als er bei mir anläutete, erklärte, ich wisse absolut nichts davon. Ich erfuhr erst von dem Einrücken, als bor dem Gewerk⸗ schaftshaus eine , ,, gehalten wurde, ich saß auf dem Rat⸗ haus und konnte nicht überall sein. (Zuruf von den D. Hann. :
sei unwahr, daß mir das Amt des Präsidenten der Hannoverschen Republik angetragen worden sei, so mag er doch noch eine kleine Achtung vor dem Eide haben, unter dem ich vor Gericht das Ent⸗ egengesetzte festgestellt habe. Zwei Vertreter der Welfischen Partei ern U mir, es sei nicht mehr aufzuhalten, von allen Seiten kämen Deputationen und die Leute vom Lande, die hannoversche
öffentlich erklärt, man habe mir die . geboten, sie hätten aber nicht einmal den kleinen Finger bekommen. (Zuruf; Wo bleibt die Staatsanwaltschaft wegen Hochverrats?) ) die ganze Geschichte vor Gericht zunichte gemacht. Sie sehen, daß in Hannover die Zeiten sehr ernst waren, und ich verdenke es Herrn Biester nicht, wenn er jetzt aus dieser verunglückten Sache mög⸗ lichst noch etwas zu retten sucht, und mich als den Schuldigen hinstellt. Welfische Delegierte sind auch in Mainz für die Wieder⸗ herstellung eines selbständigen Hannovers eingetreten. (Lebhaftes Hört, hört!! und in Versailles wurde mir diese Wiederhersteltung nahegelegt. (Hört, hört.) Ich glaube, daß es der Würde eines Abgeordneten nicht entspricht, einem andern nachzusagen, er habe einen ö. tahl begangen. Die Briefe sind mir von einem Mitgliede der Preußischen Landesversammlung in meiner Eigen⸗ schaft als Mitglied der Preußischen Landesversammlung über— geben worden, von einer Mappe weiß ich nichts. Es geht mich auch nichts an, wo die Briefe herstammen. Es ist selbstverständlich, daß ich sie politisch ausnutzte. Das Bekanntwerden dieser Briefe hat bewirkt, . die Deutsch⸗Hannoveraner bei den Reichstags⸗ wahlen 40 600 Stimmen gegenüber den Landtagswahlen verloren haben.
und Preuß (Dem.) wird die Debatte geschlossen.
Gemeindeausschuß verwiesen. . Es folgt die Beratung des Antrags Lüdicke (D. Natl.)
Stärkung der Selbständigkeit der Verwal⸗ tungsbezirke in Groß-Berlin und die. Be⸗ schränkung der Zentralgewalt, in Verbindung damit die Beratung eines Antrages der Deutschen Volkspartei über denselben Gegenstand.
Abg. Koch⸗Berlin (D. Nat): Die Finanzen Groß⸗Berlins sind durch die Kriegs- und Nachkriegszeit in größte Unordnung geraten, daher kam der Plan, einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines Groß⸗Berlin hier einzubringen, der dann auch mit größter Beschleunigung durchberaten wurde. Am 4. April 1914 hatte die Stadt Berlin überhaupt keine schwebende Schuld, die Vororte nur eine solche von etwa 14 Millionen Mark. Diese schwe bende Schuld
Auch die übrigen Schulden Berlins sind ins Ungeheure gewachsen. Am 1. Oktober 1926, als Groß⸗Berlin in die Erscheinung trat,
stiegen die Schulden der Stadt in einem halben Jahre um
städtischen in der inen ĩ Gört, hört! rechts, Zwischenrufe links.) Linken ihre des schlechtesten Valutastandes hat die Stadt für 80) lionen Lebensmittel, Hülsenfrüchte, Speck und Gefrierfleisch an⸗ ggckauft und ungeheure Verluste daran erlitten.
behandelt worden.
Stadtverwaltung unter dem Terror der Betriebs- und Arbeiter⸗ räte steht.
gemacht werden, lediglich um der sozialistischen 36 willen.
as Blut der Erschossenen käme auf mein Haupt.
Vize⸗
Das sagt er mit eiserner Stirn) Wenn Herr Biester sagt, es
Republik müsse errichtet werden. Der Generalsekretär Berger .
Die Amnestie hat
Auf Antrag der Abg. Bru st (tr.), v. Ca m pe (D. Vp)
Die zur Beratung stehenden Gegenstände werden an den
auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die
wuchs bis zum 1. April 1919 auf 745 Millionen. (Hört, hört! Ruf von den Kommunisten: Durch Eure frevelhafte Kriegspolitik)
1859 Millionen, also mehr als in fünf Kriegsjahren vorher. Am 1. April 1920 haben die Schulden der Stadt Groß⸗Berlin die 5 Milliarden überschritten und werden im Laufe des Jahres auf 6 Milliarden anschwellen. Ein ganzes Jahr lang hat Groß⸗Berlin ohne Etat gewirtschaftet, der Etat wurde erst am Anfang März vorgelegt. So bietet die Berliner Stadtverwaltung ein einzig⸗ artiges Bild. Der Etat schließt mit einem Anleihebedarf von 1263 239 914 M ab; Berlin kann nun solche Anleihe aber gar nicht aufnehmen, denn es hat keinen Kredit mehr. Im abgelaufenen Jahr sind 1,55 Milliarden verbraucht worden, für die keine Ein⸗ nahme vorhanden war. Woher ist das Geld gekommen? Herr Katz hat mir gesagt, die Sparkassen seien ausgeräubert worden und die Reichssteuern seien nicht abgeliefert, sondern vorläufig für städtische Zwecke verwandt worden. In der Stadtyerordnetenversammlung bekommt man keine Antwort, woher der Kämmerer das Geld ge⸗ nommen hat. Noch trauriger wird der Haushalt für das neue Jahr werden. Die wichtigsten Kulturaufgaben müssen zurück⸗ gestellt werden. Das sind die Folgen der Revolutionswirtschaft. Dhne jede 8 sind die 5 bis 6 Millionen für die Mehr⸗ forderungen der Schwerarbeiter bewilligt worden. Die Vorlage des Magistrats sagt einfach: Deckung dafür ist nicht vorhanden.“ Hört, hört! rechts) Für die Volksbühne hat die Stadt eine Bürg⸗ schaft von 8 Millionen übernommen, für die Kinderpflege sind 15 Millionen bewilligt. Das sind insgesamt 29 Millionen, die an einem Tage gestern bewilligt sind ohne jede Deckung! — Die Straßenbahnen erfordern Zuschüsse. Wie es in einem kommunali⸗ sierten agrarischen Betrieb aussieht, ö die Rieselfelder. Die landwirtschaftlichen Betriebe weisen im Etat, nicht
Rechnung, einen. Fehlbetrag von 15 Millionen auf. Die Herren von der gefallen lassen müssen, daß wir ihnen Stadtverwaltung vorhalten. Zur 6. 11⸗
sich in der
werden Sünden
Der kommunali⸗ sierte und soziallsierte Speck Heiterkeit) ist ohne jede Sachkenntnis Große Mengen Kartoffeln konnte die Stadt nicht absetzen, weil der freie Handel billiger war. Das städtische Anschaffungsamt hat aus der Sparkasse 15 Millionen entnommen, um alle möglichen Dinge anzukaufen und damit dem privaten Handel Konkurrenz zu machen. Es ist ein Projektemachen ohne Ende. Plakatwesen, Friedhöfe — alles mögliche wird kommunali⸗ siert. Die Stadt beschäftigt 5000 Arbeiter zu viel. (Fortgesetzte Unruhe und Zwischenrufe links. Das ist nur möglich, weil die
Für die städtischen Betriebe müssen Generaldirektoren angestellt werden, weil die Herren Stadträte nicht genügend aus⸗ gebildet sind. Stadtschulrat Paulsen hat in den wenigen Wochen, seit er in Berlin Schulmonarch — (zur Linken: Verzeihung! Schulpräsident) ist, gezeigt, daß er seinem Amte so wenig ge⸗ wachsen ist, daß noch mehrere andere Schulräte angestellt werden müssen. Bei der Einteilung der Bezirke ist auf die geschichtliche Entwicklung keinerlei Rücksicht genommen, die Selbständigkeit der Gemeinden ist vollständig zerstört worden. Das Gesetz Groß Berlin enthält darüber Kautschukbestimmungen. Die früher blühenden selbständigen Ortschaften sind jetzt in den Bankerott Groß Berlins hineingerissen worden. Das Gesetz Groß Berlin mußte schleunigstt an wird die Folgen dieser Versündigung sehen. (Beifall rechts,)
Abg. Hirsch (Soz ): Die Rede des Abge. Koch war ein Konglomerat! von längst widerlegten Behauptungen. Hier rächen sich die alten Sünden der Rechten. Hätte diese bei- zeiten der Notwendigkeit einer Einheitsgemeinde Berlin Rech— nung getragen, dann wäre das Gesetz wohl besser geworden. Dieses Gesetz hat die Fehler, die jedes Kompromiß hat. Es ist aber zweckmäßig, nicht jetzt schon diese Fehler ausmerzen zu wollen, sondern abzuwarten, wie sich die in dem Gesetz geschaffenen Organe entwickeln. Die Angriffe des Abg. Koch treffen zum größten Teil die frühere Verwaltung Berlins, auf die die Sozialdemokratie keinen Einfluß hatte. An den traurigen Finanzverhältnissen trägt nicht die sogenannte sozialistisch⸗kommunistische Berliner Verwaltung die Schuld, die nur in der Phantasie des Herrn Koch besteht. Die Deutschnationalen haben ja selbst alles ausgeboten, um einen Un⸗ abhängigen zum Bürgermeister zu machen. Die Zahlen des Abg. Koch stimmen nicht. Wie können Sie, Herr Koch, es mit Ihrer Pflicht als Stadtverordneter vereinbaren, die falsche Behauptung iufzustellen, Berlin sei um das Doppelte überschuldet? (Abg. Koch: Das sind die Zahlen des Kämmerers!! Wenn der Kämmexer wirklich Ihnen, so etwas gesagt hätte, dann verdiente er, nicht ine Stunde länger auf seinem Platze zu bleiben. (Beifall bei den Soz. und U. Soz. Berlin hat zum Glück einen besseren Kredit, und die angeblich sozialistisch⸗kommunistische Verwaltung vird Berlin schon wieder auf die Höhe bringen. Die schlechte Finanzlage Berlins ist hauptsächlich verschuldet durch den Krieg nd seine Folgen; diese Finanzlage ist aber im ganzen nicht chlechter als die der meisten deutschen Städte. Wenn Herr Koch kine Ahnung hätte von der sicheren Finanzlage der Volksbühne, dann würde er die Bürgschaft nicht bemängeln. Mit der Be⸗ hilligung der notwendigen Summen für die Schwerarbeiter und ür ö konnte natürlich nicht gewartet werden. Die weiteren Ausführungen des Abg. Koch zeigten, daß er auch das Betriebsrätegesetz nicht kennt. Wie kann ein Berliner Stadt⸗ berordneter nach dem Eingreifen der Staatsaufsicht rufen und so die Interessen seiner Gemeinde verletzen? Zu einer Aenderung zes kaum in Kraft getretenen Gesetzes Groß Berlin ist der Zeit⸗ bunkt noch nicht gekommen. Mit solchen Anträgen will man nur zerhindern, daß die Berliner Verwaltung in Ruhe arbeiten kann. ie Abgrenzung der Befugnisse von Zentrale und Bezirken werden ir in Berlin selbst am besten vornehmen, und wir wollen uns abei vom Ueberzentralismus fernhalten. Der Antrag der Volks⸗ jartei enthält an sich beachtenswerte Vorschläge, aber wir lehnen n dennoch ab, weil jetzt der Zeitpunkt zu so einschneidenden ende rungen noch nicht gekommen ist. Wir lehnen beide Anträge
(Beifall bei den Soz.)
Zu dem Antrag der Deutschnationalen:
„Der Landtag wolle das Staatsministerium beauftragen, dem Landtage unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, . den den unhaltbaren Zuständen in der neuen Stadtgemeinde Herlin abgeholfen und den in den, Verwaltungsbezirken vereinigten ' zemeidnen eine wirkliche Selbständigkeit durch Beschränkung der Zentralgewalt gegeben wird, und hierbei auch zu prüfen, in' wie weit der räumliche Umfang der neuen Stadtgemeinde Berlin zu beschränken ist“, aben die Abgeordneten Dr. von 6 Dr. Leidig, n Eynern und die übrigen Mitglieder der D. Vp. volgende Zusätze beantragt:
6 . BVerwaltungsbezirke oder die gegebenenfalls an deren . tretenden geschichtlichen Gemeinden bilden n en . öffentlichen Rechts, die zu der Stadtgemeinde Groß Berlin enn, und 26 im allgemeinen ne sind. Als Selbst⸗ 7 . tungsangelegenheiten sind den Bezirken mindestens zu . 53 2) das höhere und niedere Schulwesen mit Aus—⸗ h,, es n ne, b) das Straßenbau⸗ und Flucht⸗
ö. n 3 für, örtliche Wohnstraßen sowie die Straßenreini⸗ ö. ) g, ö. ie Verwaltung der in dem Bezirk gelegenen vor⸗ ü gen er H enöllerung des Bezirks dienenden Anstalten. Die 6. , altung der den Bezirken übertragenen Selbst= 9 al nn enn n, erforderlichen Mittel werden teils 1 ihnen zu überlassende Steuern, teils durch nach festen und 3 h smnsbigzn Grundstzen . bemessende Dotationen der Stadt⸗ . e Groß Berlin au gere: Außer den Selbstverwal⸗ ö ug augelegenheiten sind den Organen der Bezirke städtische u bre gen gf genhhe ten in weitem Umfange ie gli zuzu⸗ . als solche kommen in erster Linie das Wohnungswesen, . Fürsorgäwesen und die Jugendwehren in Betracht.“
Abg. Dr. Leidig (D. V: Man darf neue, unerprobte ge—
davon nichts verstehen oder sich infolge ihrer Unerfahrenheit nur sehr langsam hineinarbeiten können. Wir stehen in dem neuen Groß Berlin jetzt vor dieser Tatsache und ulffe⸗ damit rechnen, so wenig man auch aus der Unerfahrenheit einen Vorwurf zu konstruieren beabsichtigt. Es kommt hinzu, daß «sich in Berlin die politische Leidenschaft, das politische Agitationsbedürfnis und die Widerstandslosigkeit gegen die Ruf der Straße noch stärker be⸗ merkbar machen als anderswo. Wir stehen in Berlin jetzt vor einem Chaos. Seit fast zwei Jahrzehnten stehe ich in der Kom⸗ munalverwaltung und ⸗vertretung in Groß Berlin und habe mit großer Freude mitgearbeitet; meine Tätigkeit als Stadtverordneter von Groß Berlin aber ist für mich geradezu eine Qual, nicht deshalb, weil wir dort in der Minderheit sind, sondern weil die dortige Verwaltung in unverantwortlich leichtsinniger und leicht⸗ fertiger Weise geführt wird. Es ist eine Karrikatur der Selbstverwal⸗ tung. (Zuruf des Abg. Dr. Weyl) Gegen einen so parteiischen Vor— sitzenden wie den Dr. Weyl muß man alle geschäftsordnungsmäßigen Mittel anwenden, um ihm zu zeigen, daß er nicht mit uns Schind⸗ luder spielen kann. (Zuruf links: Gut gebrüllt, Lswel) Das Gesetz über Groß Berlin ist nicht mit übermäßigem Aufgebot von Ge— dankenreichtum hergestellt worden. Diesen Vorwurf muß man be⸗ sonders gegen die Staatsregierung erheben. Es ist unmöglich, eine Stadtvertretung von 225 Mitgliedern so in alle Einzelheiten der Verwaltung einzuführen, wie es in Kommunen von 100009 oder 200 000 Seelen möglich ist. Jetzt ersticken wir geradezu in Kleinigkeiten; soll nicht ein völliger Stillstand eintreten, so muß reformiert werden. Das ist gar keine Parteifrage, sondern eine bittere Notwendigkeit. Wie sich der Reichstag von einer ähnlichen Fülle von Kleinarbeit befreit hat, indem er die ganze Uebergangswirtschaft ständigen Ausschüssen überwies, muß auch für Groß Berlin das gleiche vorgesehen werden. Bis zur Reform der Gemeindegesetzgebung überhaupt können wir damit nicht warten; der für die neuen Aufgaben passende Rahmen muß in Groß Berlin vorher geschaffen werden. Für diesen Zweck deutet unser Antrag die Richtlinien an, er versucht, auf dem Boden des nun einmal bestehenden 8 die Voraussetzungen für eine gesunde Arbeit zu schaffen. ie Stadtverordnetenversammlung von Groß Berlin faßt ihre Beschlüsse nicht nach sachlichen, ö f. nach parteiprogramatischen, vielleicht parteiagitatorischen Gesichts⸗ punkten. Ein Mindestmaß von Tätigkeit für die Bezirke muß gesetzlich festgelegt werden. Bei der jetzigen Organisation ist der F iff der ehrenamtlichen Tätigkeit ungemein erschüttert, feines Inhalts fast ganz beraubt worben. Bei einer Seelenzahl von 4 Millionen ist das Wort Einzelgemeinde Schall und Rauch. Es uh innerhalb dieses weiten Bezirkes dezentralisiert werden, wir müssen die Einheitsgemeinde aus Untergemeinden zusammensetzen. Die. i n n allein tuts nicht, wenn nicht Männer mit vollem Pflichtbewußtsein dahinter stehen. Gewiß hat uns die Reichssteuer⸗ gesetzgebung und die traurige Finanzlage in diese so ungemein schwierigen Verhältnisse gebracht; aber wenn wir überhaupt hoffen dürfen, zum Wiederaufbau zu gelangen, sind wir geradezu ver⸗ pflichtet, Deutschland und dem Auslande zu zeigen, daß das große Femeinwesen Berlin nicht dem Chaos und dem Untergang preis⸗ gegeben, sondern wieder aufgerichtet werden wird. Ich beantrage Ueberweisung der Anträge an den Gemeindeausschuß.
2b Dr. Faßbender (3) empfiehlt die Verweisung an einem besonderen Ausschuß von 271 Mitgliedern.
Hierauf wird die Beratung abgebrochen.
Ohne Erörterung wird der Antrag des Abg. Dr. Me yer⸗ Ostpreußen (Komm.) auf Abänderung des 5 70 der Geschäftsordnung, betr. Vertagung oder Schluß einer Besprechung, dem Ich n Libn än dr ausschuß überwiesen.
Ein Antrag der Abg. Frau Ege (Soz.), auch den Antrag Siering auf Annahme eines Hhesb de on; über das Sebammenwesen in gleicher Weise sofort dem Bevölkerungs⸗ ausschuß zu überweisen, wird nach längerer Erörterung zuruͤck⸗
Präsident Leinmert schlägt vor, die nächste Sitzung morgen um 18 Uhr abzuhalten mit der Tagesordnung: 1. Entgegennahme einer Er lärung des Staatsministeriums über den Staatshaus⸗ haltsplan für 1921, 2. Antrag des Fustizministers auf Erteilung der Genehmigung der Strafverfolgung des Abg. Scholem (Komm.) wegen Hochverrats, 3. Rest von heute.
Abg. Dr. Meyer ⸗Ostpreußen beantragt, morgen an erster Stelle den Bericht des Rechtsausschusses über die Sondergerichte zu besprechen, um darlegen zu, können, in welcher gemeinen, arne, Weise a Sondergerichte wirtschaften, vor die der Ab. Scholem gestellt werden soll. .
Präsident Leinert: Sie dürfen das nicht sagen, daß die Sondergerichte in gemeiner, infamer Weise wirtschaften. (Stür⸗ . ie n, bei den Kommunisten.)
Abg. Dr. Meyer (fortfahrend): Ich bedauere, daß mir nicht 6 schärfere Ausdrücke zur Verfügung stehen. Sie (nach rechts) wollen unbegreiflicher Weise also nicht, hören, wie diese Gerichte arbeiten, Sie wollen ohne weiteres ein Mitglied dieses Hauses diesen Gerichten überliefern.
Abg. Ei fshr nz (Soz.): Der Vorredner weiß ganz genau, daß das , . arlament diese Sondergerichte nicht abschaffen kann. ine Besprechung der g selbst halten auch wir für dringend notwendig, wenn auch nicht an erster Stelle.
Dr. Mener: Diese Aeußerung des Abg. eine e f, Halbheit, wie alles, was die Fecht ß ialisten tun, es h an cheinend eine Sympathieerklärung für die em nen han, in Wirklichkeit eine Verbeugung vor der kapitalistischen Mehrheit. Das Abgeordnetenhaus kann wenigstens verhindern, daß diesen Sondergerichten eine neues Opfer zugeführt wird.
Der Antrag Meyer wird abgelehnt, da die bürgerlichen Parteien dagegen stimmen. 5 1z6 Uhr.
Siering ist
Parlamentarische Nachrichten.
Der Agltestzenrat des preußjschen Landtages be— sprach am Mittwoch vor Beginn der Vollsitzung die Geschaäͤftslage. Der Finanzminister wird am heutigen Donnerstag den Staatshaus⸗ haltsplan einbringen. Er wird dazu lediglich finanztechnische Aus— führungen ohne politischen Charakter machen. Das e will sich dann bls Montag nn Am Montag und Dienstag soll die erste Beratung des Haushaltsplans stattfinden. Es sollen zwei Redner⸗ reihen sprechen. Darauf soll der Haushaltsplan dem Hauptausschuß überwiesen werden. Um diesem Zeit für kräftige Förderung der Arbeiten zu geben, sollen für die weiteren Tage der Woche keine Vollsitzungen tattfinden. Man will auf, alle he den Haushalts⸗ Han Hor Eintritt in die Sommerferien, die voraussichtlich um Mitte Juli beginnen werden, verabschieden.
Statistik und Volkswirtschaft.
Arbeitsstreitig keiten.
Zum Aus stand der ,,,, in Po ts dam vgl. Nr. 122 d. Bl.) teilen hiesige Blätter mit, daß, da die Straßen⸗ bahner entgegen der Aufforderung des Magistrats gestern die Arbeit nicht wieder aufgenommen ab ihnen wegen Vertragsbruchs die fristlose Kündigung zugestel tt worden ist. Der Beschluß, im Ausstand zu verharren, wurde von den Straßenbahnern mit 124. 34m 2 Stimmen angenommen. Die Straßenbahner ver⸗ suchen die Arbeiter des Elektrizitätswer ks in Potsdam in den Ausstand ö . In dieser Hinsicht ist bereits seit einigen Tagen eine lebhafte Propaganda im Gange. In den übrigen stäͤdtischen Betrieben herrscht dagegen keine große Geneigtheit, in den Sympathieausstand einzutreten. Sollte es zur Arbeitseinstellung im Elektrizitätswerk kommen, so wird der Bürger—⸗
altige Organisationen nicht Leuten in bie Hände geben, die
Die englischen Eisen bahn⸗ und Trangrort⸗ arbeiter baben, wie W. T. B.“ aus London erfährt, be⸗ schlossen, das Verbot der Kohlenbeförder nung wvollständig aufzuheben.
Nach einer von W. T. B.“ übermittelten Stefanimeldung aus Rom sind die Staatsbeamten in ine Reihe gon Einzelausständen eingetreten, da der Finanzminister die Befriedigung ihrer Gehalts forderungen mit Rücksicht auf die Lage der Staatsfinanzen abgelehnt hat. Die Eisenbahner und gewisse Klassen anderer Beamten haben sich dem Ausstand nicht gef le en. Die Regierung hat Maßnahmen getroffen, um der Lage zu begegnen. Giolitti wurde gestern in Rom erwartet.
In der Schweiß, wo die Metallarbeiter in Aus⸗ stande sind, lehnte, wie W. T. B.“ aus Bern erfährt, der Metallarbeiterverband in der i , . den Vermittlungsvorschlag des eidgenössischen Arbeitsamts und den Abbruch des Ausstands ab.
Nach einer Havasmeldung aus Buenos Aireg wird die Arbeit in den Häfen trotz des von den Arbeiterverbänden erklärten Ausstands fortgeführt. Die Agitatoren dauern sort.
Einer weiteren von ‚W. T. B. wiedergegebenen Havasmeldung aus Kalkutta zufolge sind ungefähr 5005 Dockarbeiter und Arbeiter der maritimen Werften von Howrah in einen Lohnausstand eingetreten.
Kunst und Wissenschaft.
Die. g hysikalisch⸗ an n , Klasse der pvreußischen Akademie der Wissenschaften hielt am 2. Mai eine Sitzung, in der Herr Fick über Gewichts- und Querschnittsbestimmung en berichtete, die er im Anschluß an seine Versuche über die Gelenkformentwicklung an den Muskeln zweier Hunde ausgeführt hat. Es ergaben sich kennzeichnende Unter⸗ schiede zwischen Vierfüßler und Mensch sowie Beispiele für die Tätigkeitsanpassung der Muskeln.
In der an, demselben Tage abgehaltenen Sitzung der p sophisch⸗histerischen 1E ff. sprach Herr W. S über das Tocharische. Die Herausgeber der „Tocharischen Sprachreste“, Sieg und Siegling, haben das sachliche und gram⸗ matische Verständnis der von ihnen beröffentlichten Texte in solchem Umfang und so überzeugend erschlossen, daß die Ergebnisse ihrer Arbeit ven dem eigentümlichen Formengufbau dieser neuen Indg— germanensprache ein fast vollständiges Bild gewähren. Die sprach. geschichtliche Einordnung ihrer Erkenntnisse wird man 4 mit rechtem Erfolge erst dann versuchen können, wenn au die Denkmäler der Mundart B in gleich zuverlässiger und pollständiger Bearbeitung zugänglich sein werden. — Herr Seckel sprach über die karthagische Inschrift 61, 25045 — ein firchenrecht liches Denkmaldes Mon—⸗ ta nismus?“ Es wurde gezeigt, daß das neuerdings gefundene Inschriftenfragment, das zu ergänzen und zu deuten bisher nicht ge⸗ lungen ist, ein Synodaldekret der montanistischen Kirche Afrikas ent. hält. Weiter wurde versucht, die Inschrift, von der nur ein Drittel der Zeilen erhalten ist, dem Sinne nach wiederherzustellen. — Herr Diel s legte eine Abhandlung von Professor Dr. M. Wellmann, Die Georgika des Dem okritos, vor. Dieser merkwürdige Neupythagoreer, der in hellenistischer Zeit (lum 200 v. Chr.) eine ganz neue, romantisch gefärbte Richtung der Natur— forschung eingeieitet hat, die fortan das Altertum bis ins Mittelalter hinein beherrscht und, in mancher deutschen Sage widerklingt, ist auch Verfasser eines kulturgeschichtlich wichtigen Werkes über Landwirtschaft, das vielfach dem Abderiten zugesprochen wurde. Mit Hilfe der hisher unausgenutzt gebliebenen arabischen Fachliteratur gelingt es, den Nachweis zu af een, daß dies Buch neben dem Werke des Karthagers Mago eine ähnliche zentrale Stellung ejngenommen hat wie auf dem naturwissenschaftlichen und chemisch technischen Gebiete sein Sympathiebuch, sein Zauberbuch und seine Ba SIKR. — Vorgelegt wurde der 10. Band der mit Unter⸗ stüͤtzung der Akademie von Richard Foerster herausgegebenen Werke des Libanius (eipzig 1920).
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Die Wiener Akademie der Wissenschaften wählte Dr. Karl Kupelwieser zum Ehrenmitglied r f n n 9 1 . een, . 9 . . essor Montelius zum Ehrenmitglied der philosophisch⸗historischen Klasse, die Prosessoren Rubner und Correns n korres .
dierenden Mitgliedern der mathematisch⸗naturwissenschaftlichen Klaffe,
Verhaftungen von
Die wissenschaftliche Literatur Dänemarks eit, 1914 9, die von den deutschen Bibliotheken bisher wegen der schlechten Valuta nicht beschafft werden konnte und in allen wissen. schaftlichen Kreisen stark vermißt wurde, ist jetzt als Geschenk der Dänischen Akademie der Wifsenschaften bei ber Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft eingetroffen. Die um⸗ fangreiche Sendung umfaßt die n ü. Werke aller Wissenschafts⸗ gebiete, zum Teil in mehreren Cremplaren, welche nach dem Willen der Schenkerin auf die Bibliotheken Berlin, München, Leipzig, Kiel und. Göttingen verteist wurden. Für diese Hilfe und tatkräftige Förderung des Gedankens der internationalen Zusammenarhelt kann i n , Akademie des Dankes der deutschen Wissenschaft ersichert sein.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperruugs⸗ maßregeln.
Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfun
der Tuberkulsse beabsichtigt, den Bericht über die r n lungen des vom 19. bis 21. Mai in Bad Elster abgehaltenen Deu tschen Tu berkulesekongresses gedruckt herauszugeben. Die Vorträge werden ausführlich, die Erörterung in gekürzter Form . Selbstberichten der . gebracht werden. Der Um⸗ ang des Berichts ist auf 15 bis 20 Druckbogen veranschlagt, der . s wird sich bei Herstellung von 500 Stück auf etwa 30 Æ, bei 0 Stück auf gtwa 20 6 stellen. Die Vorträge geben für viele 6 der Tuberkulosebekämpfung und behandlung einen Ueber- blick über den ge enwärtigen Stand der Forschung und Erfahrung. Der Kongreßbericht dürfte sich deshalb zur Anschaffung für Aer 3 . für . . der . . a , , empfehlen. . ellungen werden bis zum 20 Jun an die Geschä
Berlin W. 9, Königin⸗Augusta⸗Straße 7, erbeten. in .
Verkehrs wesen.
Ueber die Postpaketbestellung auf dem Lande teilt der ,, , a , einer Anfrage der Abge⸗ ordneten Dr. Graf von Bernstorff und Alpers (beutsch⸗hann. P.) dem Reichstage mit: Nach 5 36 der Postordnung vom 28. Juli 1917 mit Nachträgen ist die ostverwaltung ght ewöhnliche und eingeschriebene Pakete sowie Wertpakete bis 1600 4 im Land⸗ hestellbezirk den Empfängern ing Haus bestellen zu laffen, sowest die Sendungen im einzelnen nicht über 5 wiegen, in der Landbesteller⸗ te gj untergebracht oder durch andere Vorkehrungen gegen Nässe usw. ö. werden können. und soweit der auf den Sendungen etwa lastende a
nahmebetrag 1000 . nicht übersteigt. Hinsichtlich der Wert. Nachnahmegrenze 6. die Hie n enn 22 —
eigneten Verhältnissen (genügende Sicherheit der Straßen ufw bi Zustellung bis zu Beträgen von bo00 „ zuzulassen. Die in durch den Empfänger wird nur für Sendungen verlangt, bei denen die angeführten Voraussetzungen nicht zutreffen; i 6. dieser Art wird dem Empfänger die Paketkarte, bei Nachnahmesendungen bon höherem Betrage ein e g j 8zettel mit der Aufforderung zugestellt, die Sendung am 6 tschalter abzuholen oder einzulöfen.
bund auch seinerseits in Abwehrmaßregeln eintreten.
Eine besondere Abtragegebühr wird ; der Pakete seit 1. Oltober h 19ng niht ö. die 5 6