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einmütig auf diesen Standpunkt, dann wird es die gre hen Mengen der Wähler von dem Ernst der Lage überzeugen. er Finanz⸗ minister hat im Staatsrat mit Recht darauf hingewiesen, daß das Reich uns aus der Misere helfen muß. Das ist kein Betteln beim Reich. Denn kein anderer deutscher Staat hat unter dem Kriege so gelitten wie der preußische. Alles, was im Westen, im Lsten, in Schlesien verloren ist, war preußisch. Nachdem das Ultimatum einmal angenommen ist, haben alle Kreise des Volks, auch die Parteien, die das Ultimatum abgelehnt haben, nunmehr die heilige Pflicht, den ernsten Versuch der Erfüllung zu machen. Nichts Schlimmeres könnte uns passieren, als wenn nach der An⸗ nahme des Ultimatums bei unseren Gegnern ernstliche Zweifel an unserem guten Willen entstehen würden. Die Sozialdemo⸗ kraten wollen der Deutschen Volkspartei keinen Platz in der Re⸗ gierung einräumen, weil darin nur die Parteien vertreten sein dürften, die das Ultimatum angenommen haben. Aber sie sitzen mit der Demokratischen Partei zusammen in der Regierung, ob⸗ wohl deren Mehrheit im Reichstag gegen das Ultimatum gestimmt bat. (Sehr richtig! rechts) Preußen muß in dieser ernsten Lage das Rückgrat und der Eckpfeiler des Reiches bleiben. Wir freuen uns, daß in der Rheinprovinz alle Bestrebungen nach einem selb⸗ ständigen Staat zurückgestellt sind, und bedauern um so mehr die Absplitterungsbestrebungen in der Provinz Hannover, die jede Rücksichtnahme auf den, gemeinsamen Staat vermissen lassen. (Sehr gut! rechts.) Die jetzige Zeit ist viel zu ernst, als daß wir uns solchen Luzus leisten . Die neulichen Aus⸗ führungen des Abg. Leinert über dle Mittel, die von den Führern der welfischen Bewegung angewendet werden, haben, überall starken Eindruck gemacht. Die Länder können nicht gedeihen ohne das Reich, aber auch das Reich kann nicht ohne Rücksicht auf die Länder bestehen. Erfreulich ist der Erfolg des Finanzministers in der Konferenz der einzelstaatlichen Finanzminister, daß im Reiche die Interessen der Einzelstaaten zu ihrem Rechte lommen sollen. Bisher hat das Reich nicht immer die nötige Rücksicht darauf genommen. Das Landessteuergesetz muß demgemäß ge⸗ ändert werden, ohne daß wir die Interessen des Reichs verletzen wollen. Reich, Länder und Gemeinden sind in verzweifelter Finanzlage, und dieses Problem kann nur gemeinsam gelöst werden. Das Reich darf nicht neue Steuerquellen erschließen, ohne Rücksicht auf die Länder zu nehmen. Der neue Staatshaus⸗ haltsplan zeigt zwar eine gröere Uebersichtlichkeit und Einfach⸗ heit⸗ bietet aber noch immer für viele eine Art Geheimwissenschaft. Die Betriebsverwaltungen müssen ein klares Bild ergeben, ob sie mit einem Ueberschuß oder einem Fehlbetrage abschließen. Daß die Bergverwaltung mit einem def h abschließt, ist doch der Montanindustrie gegenüber geradezu eine Blamage! Die neuen Steuern werden wir objektiv prüfen, so bald sie uns vorliegen, Die Aufforderung zur Sparsamkeit unterschreiben wir, aber bei der Erfüllung kultureller Aufgaben, bei den Ausgaben für Jugend⸗ erziehung usmö. soll man doch nicht zu sparsam sein. In der staat⸗ lichen Zentralverwaltung sind massenhaft Beamte mit Geschäften überhäuft, die in die Lokalinstanzen gehören. In den staatlichen Verwaltungen muß industrieller gearbeitet werden.“ In der Er⸗ werbslosen ir serge geht man auch noch immer nicht e bel, genug zu Werke. Bei der Lieferung der Holzhäuser an Frankrei muß man den Zwischenhandel ausschalten. Das Abgeordneten⸗ haus ist dazu da, praktische Politik zu machen, nicht aber Partei⸗ politik zu treiben. ;
Abg. Dr. Me yer⸗Ostpreußen (Komm ); Auch dieser Etat beweist, daß Preußen ein Klassenstaat ist. Die Gesundung der Finanzen ist unmöglich. Der Kapitalismus ist bankerott geworden.
Aus den Arbeitern soll erpreßt werden, was die Entente an Mil⸗
liarden von Deutschland fordert. Wir zählen in Preußen eine Million Erwerbslose. Für sie stehen im Etat 590 Millionen. Für die ganze Kriegsbeschädigtenfürsorge enthält der Etat lumpige sßß Millionen, i die , ,, der Tuberkulose eine ganze Million! Ebenso erschreckend, ja beschämend niedrig sind die anderen sozialen . bestimmten Etatsummen — und diese sollen nun noch beschnitten werden! Das Ministerium des Innern reilich Kerbraucht nicht weniger als 3,8 Milliarden; das Polizei⸗ wesen erfordert 8 Milliarden! Die „Schupo“ ein Instrument zur Unterbringung von Offizieren und zur Niederhaltung der Arbeiter⸗ schaft, die Milliarden aufzehrt, hätte längst beseitigt und aus dem Etat gestrichen werden 3 In die Zusammenhänge zwischen amtlichen Einwohnerwehren und Orgesch sollte auch die Regierung schärfer hineinleuchten. Zur Bespitzelung der Arbeiterschaft und ür Lockspitzeleien gibt der Minister des Innern nahezu jährlich 9 Millionen ink aus. (Vizepräsident von Kries rügt diese Ausdrucksweise als gegen die Ordnung des 9 verstoßend.) Im Justizetat sind auch derartige Positionen enthalten; haben wir hoch nicht nur eine Klassen⸗, sondern geradezu eine Rachejustiz gegen die Arbeiter. Die Bevölkerung wendet sich mit Verachtung von dieser Justiz ab. Die Staatsanwälte schrecken selbst vor J,. hebung der Immunität der Abgeordneten nicht zurück. Im . Scholem haben die Untergebenen des Herrn Dominieus sich Ver⸗ logenheit zuschulden kommen lassen. Dem verantwortlichen Leiter eines solchen Ressorts sollte man ins Gesicht speien. Bize g rasident von Kries ruft den Redner zur Ordnung, ebenso den Abgeord⸗ neten Paul Hoffmann wegen eines die Aen gerung seines Partei⸗ genossen unterstreichenden Zwischenrufs.) Herr Braun forderte Aufhebung des Belagerungszustandes in Ostpreußen, aber sein Parteigenosse Libbring mißbraucht den Belagerungszustand zur Unterdrückung der Arbeiter. Die Kritik des Herrn Braun ist nur eine Scheinkritik, die Partei des Herrn Braun will die Ar⸗ beiterinteressen vertreten, geht aber in allen Fragen mit der Rechten zusammen. (Unruhe bei den Sozialdemokraten. Wer hat denn die Mittel für die Mörderzentrale bei der Reichswehr bewilligt? Trotz aller Zwangsmaßnahmen ö unsere Partei gewachsen und wird weiter wachsen. Die Gewerkschaften wollen erst jeden Streik genehmigen, obwohl sie wissen, 9 Streiks eine Notwendigkeit sind. Ter große Entscheidungskampf wird und muß kommen. Wie die russischen Konterrevolutionäre jetzt nach Paris und Reichenhall gehen müssen, um ihre parlamentarischen Sitzungen abzuhalten, so wünschte ich, daß die preußischen Landtagsabgeordneten und deutschen Reichstagsabgeordneten, soweit sie konterrevolutionär sind, recht bald nach Honolulu flüchten müssen, um ihre Tagungen abzuhalten. EStürmische Heiterkeit.)
Abg. Leid (U. Soz.): Die politische Rolle Preußens tritt immer mehr zurück. Entscheidend ist das Reich. Oberschlesien und das Ruhrrevier gehen Preußen nahe an, und doch fällt die Ent⸗ scheidung von Reichs wegen. Für die Arbeiter dürfte es klar sein, welche Rolle die kommunistische Partei im gl ssete , spielt. Es kommt ihr nicht auf den Kampf gegen die Kapitalisten an, sondern sie bekämpfen ihre eigenen Klassengenossen. Wer das Ulti⸗ matum kennt, weiß, daß dessen Forderungen im wesentlichen bereits unterschrieben waren. Die Entwaffnung hat die sozialdemokratische Partei selbst immer verlangt, wir haben keinen nlaß, uns dieser Forderung zu widersetzen, sondern müssen für ihre Durchführung sorgen. Im Reichstag haben Deutschnationale und Kommunisten wieder einmal zusammen gestimmt, und zwar aus denselben Motiven. Meine Partei wird die Regierung Wirth nur nach ihren Taten beurteilen. Die Kulturaufgaben sind Aufgaben der Länder
eblieben. Der Finanzminister meint die Kultur- und sozialen
lufgaben nicht mehr so reichlich wie bisher erfüllen zu können. Aber für die Schutzpolizei sind nicht weniger als zwei Milliarden in den Etat eingestellt worden. Die Schutzpolizei findet unsere schärfste Kritik durch die vielen Auswüchse, die sich ein Teil der⸗ selben hat zuschulden kommen lassen. In der scheußlichsten Weise sind von einzelnen Beamten Personen mißhandelt worden. Viele frühere Offiziere haben in der Schutzpolizei Unterschlupf gefunden und machen sie sich im alten militürischen Geiste zunutze. So wächst sich die Schutzpolizei zu einer öffentlichen Gefahr aus, z. B.
den Razzien auf Freibadende. Wir verwahren uns gegen einen
„Schutz der Bevölkerung“. Im Internierungslager in
S stad' für einige hundert Ausländer 105 Bewachungs— vorhanden. Das nennt man Sparsamkeit! Die Pilze⸗ und Beerensammler sollen höhere Gebühren zahlen, als ob ste die Kapitalisten wären. Durch den Geheimfonds von 300 000 Æ im Ministerium des Innern werden Spitzel gezüchtet; wir werden wie
im vorigen Jahre die Streichung dieses Fonds beantragen. Wir wünschen die baldige Vorlegung des neuen Gemeindeverfassungs⸗ gesetzes. Das Beslätigungsrecht für Gemeindebeamte, das viel- ach mißbraucht wird, muß beseitigt werden. Wir wenden uns erner gegen die jetzt beliebte Rechtsprechung, die eine Klassenjustiz ist, ja in den letzten Wochen eine Justizschande geworden ist, die uns im Auslande diskreditiert. (Lärm rechts, Zustimmung links.) Schon vor dem Kriege sprach die ausländische Presse von der preu⸗ ßischen Schandjustiz; was soll sie jetzt erst sagen? Wir verlangen die Beseitigung der Ausnahme⸗ und Sondergerichte. Wir prote⸗ stieren gegen 86 Anordnung des Reichsfinanzministers, daß die Erwerbslosenunterstützung an diejenigen nicht gezahlt wird, die durch einen Streik erwerbslos . sind. An die Kommunal⸗ verbände sollen 38 Millionen Mark für die ür e ige erding ge⸗ geben werden, eine Summe, die sich durch die eigenen Ausgaben der Gemeinden auf ewa 50 Millionen erhöht. Wenn man die Hälfte dieses Geldes für die Vorbeugung verwenden würde, könnte man mehr Segen stiften. Aber der Staat läßt erst schuldig werden und straft dann. Wir verlangen endlich die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat. Eine Pflicht des Staates, die Kirche mit Geld zu unterstützen, kann heute nicht mehr anerkannt werden. Das heutige republikanische . wird genau so kapitalistisch verwaltet wie das frühere monar istische. Wenn die Grundsteuer sich zu einer Belastung breiter Schichten auswachsen soll, können wir ihr nichtezustimmen. Das Vermögen der Hohenzollern sollte man endlich restlos für die Kriegsschulden beschlagnahmen. Die ganze , Steuergesetzgebung wird wiederum die Tendenz haben, die breiten Schichten zu belasten. Die Lasten müssen aber im wesentlichen von den Bes tze nel getragen werden; sollen die Arbeiter mitsteuern, so muß der Reallohn erhöht werden. Die Arbeitermassen müssen sich nicht gegenseitig zerfleischen, sondern sich einig den Kapitalisten entgegenstellen. Beifall bei den Unab⸗ , . Sozialdemokraten.)
Abg. Oe ser (Dem.): Der Abg. v. d. Osten hat heute der Ausräumung von Hader, Zank und Streit das Wort geredet und eine Politik der Tatsachen zu treiben empfohlen. War das bloß eine oratorische Leistung oder lag ein Fraktionsbeschluß vor? Der müßte allerneuesten Datums sein, denn Herr v. Graefe ist noch jüngst ganz entgegengesetzt verfahren, und die deutschnationale He läßt von ö Gesinnung auch nicht ein Fünkchen erkennen, sie greift in der giftigsten Weise alles an, was von irgendeiner autoritativen Stelle aus geschieht oder gesagt wird. Ich wäre sehr erfreut, wenn der Einfluß des erg v. 8d. Osten sich durchsetzte; gewinnt es die Rechte über sich, objektive Politik zu treiben, so wird der Einfluß auf die andere Geite nicht ausbleiben. (Heiterkeit.) ; fällt unser politisches Gewicht nicht in die Wagschale, weil das deutsche Volk nicht versteht, sein moralisches Gewicht zur Geltung zu bringen, weil wir in Zank und Streit befangen sind. Der Streit über die Schuld am Kriege und am Kriegsausgang bringt uns jetzt nicht voran, wir müssen lernen, die Entscheidung darüber der Geschichte zu überlassen, und müssen die Tatsachen nehmen, wie sie sind. Hanz gewiß ist die völkerrechtliche Grund⸗ lage des Friedensvertrages, die Zusage vom 5. November 1918,
e 53 worden, können wir uns jetzt nicht auf dem Boden der
atsache zusammenfinden, daß wir die furchtbaren Folgen unserer Nie . tragen müssen und zugleich solange unsere Stimme für die Gerechtigkeit erheben, bis uns diese geworden ist. Aus der jetzigen Notlage uns herauszuwinden, wird nur möglich sein, wenn wir die alte deutsche Methode des gegenseitigen Haders aufheben. Ich bin der letzte, der die Parteigrenzen verwischen möchte, aber innerhalb dieser Grenzen gibt es gesamtdeutsche Interessen und Verpflichtungen. In Preußen haben wir ja jetzt eine latente Regierungskrisis. Man ruft nach einer breiteren Regierungsbasis. Wir leben ja im Zeitalter der kollektiven Leistungen. Selbst ein Bismarck oder Cavour würde eine Wendung nicht im Handumdrehen herbeiführen können. . muß unsere ganze Politik gegenwärtig auswärtige Politik sein. Wie soll die be⸗ trieben werden bei dem schnellen Wechsel in den auswärtigen Aemtern, und wenn die Führung im Ministerium nicht ersetzt wird durch eine starke und feste Tradition im Parlament. Das ist ja das Unglück, daß die auswärtige Politik in Deutschland vom Parlament ausgeschlossen gewesen ist. Das Ultimatum ver⸗ pflichtet nicht bloß die Parteien, die dafür gestimmt haben, sondern das ganze Voll. Wenn in jeder auswärtigen Frage jede Partei Stellung nimmt und sie nach innerpolitischen Gesichtspunkten be⸗ handelt, dann werden wir schwer zur Einigung kommen. Schlagen wir also an die eigene Brust und bekennen wir uns schuldig. Die Ablehnung des Ultimatums wäre gleichbedeutend gewesen mit einer Aufforderung an die Entente, sich das zu holen, was wir ihr ver⸗ weigern. Ob die Landwirtschaft, deren Förderung wir natürlich uns angelegen sein lassen müssen, wirklich eine Autokratie herstellen kann, ist mir zweifelhaft. Seit 1879 ist eine staatliche Begünstigung der landwirtschaftlichen Produktion erfolgt, ohne dieses Ziel zu er⸗ reichen. Ich gebe aber zu, daß durch tatkräftiges Eingreifen unter Führung der Regierung wesentliche Vorteile erreicht werden können, habe immer bedauert, daß dieses Eingreifen noch nicht erfolgt ist. Wenn wir vom Ausland das beziehen müssen, was wir doch im Inlande haben könnten, so liegt ein schwerer Fehler vor. Möge uns der Landwirtschaftsminister ein Programm vorlegen, wodurch die deutsche Landwirtschaft auf die größte technische Höhe gebracht wird. Ich habe es immer als eine der vorzüglichsten wirtschaft⸗ lichen Taten der früheren Reichsregierung betrachtet, daß sie in einem bestimmten Augenblick vor die Bergarbeiter hintrat, ihnen e,, Verpflichtungen auseinandersetzte und die Bergarbeiter ver⸗ an aßtz, ihre Leistungen zu vergrößern. In meiner Verwaltung als Eisenbahnminister habe ich intensiv daran gearbeitet, die Ver⸗ wendung der Kohle möglichst wirtschaftlich zu gestalten. Erfreu⸗ licherweise erklärte sich der Finanzminister bereit, Ersparnisse herbei⸗ zuführen. Ich muß darauf hinweisen, daß heute in der Oeffentlich⸗ keit das bloße Reden von Ersparnissen absolut nicht mehr verfängt. (Sehr wahr!) Man muß die Sache praktisch anfassen. Wenn dem Finanzminister die volle Verantwortung zufällt, so muß auf der anderen Seite auch das Haus die volle finanzielle Verantwortung empfinden, denn ohne diese ist es unmöglich, den Etat in Ordnung zu bringen und zu halten. Auf die Erträge der Preußischen Forstverwaltung wird die Lieferung von über 20 9009 Holzhäusern an die Entente stark einwirken. Was die Ueberweisungen vom Reich betrifft, so beurteilen Sachver⸗ verständige das Aufkommen an Umsatzsteuern sehr hoch, und die Einkommensteuer wird bei allgemeiner gerechter Veranlagung in Stadt und Land auch sehr hohe Erträge bringen. Es ist aber doch nicht möglich, festzustellen, wie hoch diese sein werden. Dagegen hätten wir gern gehört, wie der Finanzminister sich seinen Plan denkt, den Etat ins Gleichgewicht zu bringen. Niemand von uns ist ein Schwärmer für neue Steuern. Das Reich wird aber kaum so viel Ueberschüsse geben, um unser Defizit zu decken, und wir müssen diese Sorge selbst tragen. Hinsichtlich der Grundsteuer halte ich den früheren Satz für zu hoch, und wir werden mit Rücksicht auf die vom Reich eingehenden Beträge eine Grundsteuer in dieser Söhe vermeiden können. Auch meine politischen Freunde sind der Meinung, daß bei den persönlichen Ausgaben im einzelnen nicht gespart werden kann. Eine andere Frage ist aber, ob nicht all⸗ mählich durch Umgestaltung der Verwaltung Ersparnisse erzielt werden können. Diese Möglichkeit ist vorhanden und muß aus⸗ . werden. Ich habe schon seinerzeit im Auftrag der Regierung die Frage untersucht, ob die jetzigen Zentralbehßrden Preußens noch in demselben Umfang und derselben Zusammensetzung not⸗ wendig seien, weil doch unsere Verwaltungsaufgaben geringer ge⸗ worden sind durch die ,, , so vieler Aufgaben an das Reich. Ich weiß sehr wohl, welche Sommern eiten dabei in Be⸗ tracht kommen und kenne auch die Widerstände gegen diese Neue⸗ rung. Vielleicht hat aber dieser Gedanke gewisse Vorzüge. Weiter wird entschieden werden müssen, ob die jetzige Zahl der Ministerien aufrechtzuerhalten ist oder nicht. Es ist schon betont worden, daß wir uns bei der Finanzlage in sozialpolitischen Ausgaben starke Zurückhaltung auferlegen müssen. Was kann nun aber ein Volks⸗ wohlfahrtsministerium leisten, wenn es keine entsprechenden Mittel hat? Die Frage ist auch, ob das Landwirtschaftsministerium nicht anders organisiert werden kann. Vei der Eisenbahn haben wir
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ausgezeichnete Erfolge damit gehabt, daß wir eine . von Arbeiten mittleren und unteren Beamten ir trugen, die bisher von höheren Beamten geleistet wurden Es gibt unter den Unterbeamten Leute 7 die Talent unz Charakter 66 um auch schwere Aufgaben zu . Eine Wiedergesundung unserer Wirtschaft kann nur durch ehr. leistungen und Zusammensassung der Kräfte erfolgen, wir müssen uns einmal . auf welchem Wege die Mehrleistungen zu. stande kommen sollen. Die Erfahrungen mit der Zwang wirtschast können uns nicht verleiten, diesen Weg zu betreten. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Zum Wiederaufbau der get müssen wir dem einzelnen die Möglichkeit geben, seine Kräfte zu betätigen. Au bei den Steuern muß eine Steuerpsychologie von oben herab be obachtet werden; denn nur dann kann man hohe Erträge heraus- holen, wenn dem einzelnen noch ein k Vorteil bleibt, und in der Wirtschaft ist es genau so. Auf Zwang können wir niemals aufbauen, es muß dem einzelnen ein Vorteil bleiben, wenn er mehr leiftet als die anderen. Dann noch ein Wort über Sber— schlesien. Das Wort des Reichskanzlers, daß wir Oberschlesien der Entente zu treuen Händen übergeben haben, enthält gleich eine furchtbare Anklage. Deutschland ist entwaffnet und wehrlos. Nun wird Oberschlesien überfallen und die Bevölkerung ange len Immer wieder stehen wir vor der entsetzlichen Tatsache, baß die Entente vom deutschen Volk unendliche Leistungen verlangt, aber ihm in demselben Augenblick die Möglichkeit nimmt, diese Leistungen zu vollbringen. Ich exinnere auch an die Zollgrenzen, die unsere Hirt aft ruinieren. Seit dem Waffenstillstand ist eine Fülle wirtschaftlichen Blutes aus Deutschland herausgenommen worden, so daß wir fast blutlos sind, und doch sollen wir immer mehr leisten. Sind die Vorgänge in Oberschlesien so furze Zeit nach dem Weltkrieg nicht erschükternd? Wäre unser Polt einig und geschlossen, was es leider nicht ist, so stände wohl manches anders. Das ist der Punkt, wo eingesetzt werden muß. Nur wenn wir gelernt haben, daß wir auch . Inte ressen haben außerhalb der Parteien, daß wir als Deutsche uns auch dem Auz. land gegenüber einig und geschlossen verhalten, dann können wir Anspruch auf volle Gerechtigkeit erheben, und diese verlangt, daß Oberschlesien, jo wie die Abstimmung es gelehrt hat, bei Deutsch= land . (Lebhafter Beifall.)
Ministerpräsident Stegerwald: Meine Damen und Herren! Zu den technischen Fragen des Ctats, die hier bemängelt wurden, werde ich nicht Stellung nehmen. Das wird entweder durch die Vertreter der einzelnen Ressorts geschehen oder aber im Aug— schuß. Der Herr Landwirtschaftsminister wird im Verlauf des morgigen Tages die Fragen streifen, die heute an ihn gerichtet worden sind und soweit das gegenwärtig möglich ist, auch einige allgemeinere und programmatische Ausführungen machen.
Der Herr Abgeordnete von der Osten hat gemeint, daß die Reichsregierung und auch die preußische Regierung gegenüber Ober⸗ schlesien nicht ihre Pflicht und Schuldigkeit voll getan hätten. Er hat allerdings zugegeben, daß die Verhältnisse, wie sie in Ober schlesien seither gelagert waren, auch für die Reichsregierung und für die preußische Regierung sehr schwierig waren.
In der Hauptsache haben sich die entscheidenden Vorgänge in Oberschlesien — und alles andere war ja dann Begleiterscheinung — entweder kurz vor Annahme des Ultimatums abgespielt oder aber kurz nachher. Ich erinnere nur an die Auseinandersetzung, die nach Annahme des Ultimatums zwischen London und Paris erfolgt ist, und dann an die große Rede, die Briand in der französischen Kammer gehalten hat. In dieser Situation, kurz vor Annahme des Ultimatums und unmittelbar danach, war die Lage für die Reichsregierung wie für die preußische Regierung derartig schwierig, daß damals nicht sehr viel mehr für Oberschlesien hat geschehen können, als tatsächlich geschehen war. Ich bin mir also nicht bewußt — und ich glaube, auch demgegenüber die Reichsregierung in Schutz nehmen zu sallen —,, daß Pflichtverletzungen gegenüber Oberschlesien vorliegen. Gegenwärtig ist die Stellung des fran⸗ zösischen Generals Le Rond umstritten. Vieles von dem, was früher behauptet worden ist, wird bestritten, daß es sich so abgespielt habe, und es wird zu klären sein, wie sich die Dinge in der Tat abgespielt haben, damit von seiten der Reichsregierung das Erforder⸗ liche, wenn es nötig ist, geschieht. Ich werde heute abend diese Frage wie auch eine Reihe von anderen Fragen mit dem Herrn Reichskanzler besprechen, und ich werde nicht verfehlen, eingehend auf diese Dinge hinzuweisen, damit taßtsächlich Oberschlesien und Deutschland vor aller Welt sein Recht wird. (Lebhafter Beifall) Tatsache ist, daß seither die Entente ihre Pflicht gegenüber Ober— schlesien nicht erfüllt hat. (Lebhafte Zustimmung) Es ist mit Recht ausgesprochen worden, daß die Entente Treuhänder für Ober ⸗ schlesien gewesen ist. Da hatte sie die Verpflichtung, die polnischen Insurgenten zurückzuweisen oder, wenn sie nicht selbst die Krat aufzubringen glaubte, dann war es ihre Verpflichtung, Deutschland freie Hand zu lassen, damit es seinerseits deutschen Boden ver leidigen konnte. (Bravoh Was da noch geschehen kann in der gegen . wärtigen Stunde, darüber werde ich mich heute abend ausführlich mit dem Herrn Reichskangler unterhalten.
Es ist dann die Verwaltungsreform gestreift und gefragt worden, wie es damit stehe. Das Probinzialautonomiegeseß ist ja seit längerer Zeit den Provinziallandtagen zur Begutachtung zugestellt worden. Das Gesetz über die Landgemeindeordnung it fertig, und das Gesetz über die Städteordnung wird in kurzer Zeit mit den Vertretern des Städtetages besprochen werden, und erst dann, wenn die Gesetze über die Landgemeindeordnung und über die Städteordnung fertig sind, ist es möglich, die Gesetze über die Provinzialordnung und über die Kreisordnung auszuarbeiten. Diese Gesetze werden der Reihe nach im Laufe dieses Sommers zur öffentlichen Diskussion gestellt werden. Ich glaube, daß dann im Herbst der Landtag nach der Richtung hin seine Arbeiten mit der Beratung der Verwaltungsreform wird beginnen können
Erst dann, wenn die Verwaltungsreform abgeschlossen ist, ers dann, wenn feststeht, welche Aufgaben dem preußischen Gesamtstaate verblieben sind, welche Aufgaben eventuell auf die Provinzen delegiert werden, welche Aufgaben den Kreisen und den Städten zufallen, erst dann kann man meines Erachtens mit Erfolg an eine etwaige Ver änderung oder an eine etwaige Reform der preußischen Zentralinstanzen herantreten. Wenn man das vorher machen würde, würde das nur Stückwerk bleiben, und es ist nichts gefähr⸗ licher, als an einem großen Staate und seinen Zen tralinstanzen all. Augenblicke herum zu epperimentieren. Darum bin ich der Meinung daß erst die großen Verwaltungsreformgesetze durchgeführt werden müßten, ehe wir überlegen können, welche preußischen Ministerien eventuell überflüssig sind, wie eine einfachere Gliederung der Aufgaben der Ministerien vorgenommen werden kann, wie die Zustandigkeit einfacher geregelt werden kann usw. Ich stimme insofern mit dem Herrn Abgeordneten Oeser ganz überein, daß heute durch die unklaren Zuständigkeiten, wie sie insbesondere bei den verhältnismäßig jungen Reichsministerien vorhanden sind, ausnahinsweise seitens
zelnen Ressorts, seitens der Beamten, aber auch seitens des breiten *. uns viele Kraft vergebens verbraucht wird, weil niemand weiß, . Stelle er sich zweckmäßig wenden kann, und wo er eine e ite Antwort erhält. Es wird darauf hingearbeitet werden ae. paß CGinfachheit und klare Zustände geschaffen werden, damit . ö befriedigenden Ergebnissen kommt. . Herr Abgeordnete Braun hat gemeint, daß der Herr Finanz⸗ ninister sich bei seinen Darlegungen etwas einseitig auf das Reich rerlasen habe, und er hat hinzugefügt, daß das Reich gegenwärtig in einer schwierigen finanziellen Lage sei, und daß der preußische Etat sich daher bei der Ausgleichung seines Etats nicht so einseitig bas Reich anlehnen dürfe. In dieser Einseitigkeit hat sich der Herr dinanzminister nicht geaußert. . Der Herr Abgeordnete Braun wind das auch ohne Zweifel bestätigt finden, wenn er das Stenogramm machliest. Hierbei ist aber noch folgendes zu bedenken. Es ist erst inge Tage vocher, ehe der derr Finanzminister hier geredet hat, Eat Reichsfinanzmin isterium endgültig besetzt worden. Solange es cher noch nicht endgültig besetzt war, und solange das Reich nicht in 'hna sagen konnte, wie es sich ungefähr das Reparationsprogramm berle, solaage war es für den Finanzminister des größten Staates eine Unmöglichkeit, hier vor dem Lande ein ganz klares Finanz⸗ program m zu entwickeln. Die Dinge fließen außerordentlich stark neinender, weil wir auf Grund des Reparationsprogramms — darauf komme ich gleich noch zu sprechen — vor eine völlig neue Situation zestelt worden sind. (Z;uruf bei den Kommunisten: Amnestie! — große Heiterkeit
Goweit ich die Dinge übersehe, werden die Haushalte der Länder nur etwa auf folgender Basis in Ordnung gebracht
erden können. Einmal kann es dadurch geschehen, daß ein größerer Unteil aus der Einkommensteuer den Ländern zufließt, als es gegen⸗ wärtg auf Grund des Landessteuergesetzes der Fall ist. Zweitens bird die Grundsteuer zur Durchführung gelangen müssen, und zwar wohl als Anteil für die Länder wie auch für die Gemeinden. An ber Grundsteuer müssen meines Erachtens sowohl die Länder wie auch ie Gemeinden partizipieren. Wenn aber auf diese Art und Weise eine Grundsteuer zustande kommt, dann ist kein Mensch in der Welt imstande, zu verhindern, daß eine Grundsteuer vom Reich aus zur Durchührung gelangt. Nach meiner Auffassung muß nach der gegen⸗ irligen Steuerverteilung, nach der Verteilung der Steuerstoffe und zer Steuergebiete die Grundsteuer den Gemeinden und den Ländern horbehalten werden, und es wird dann Aufgabe sein, dahin zu streben, aß eine möglichste Ausgleichung der Grundsteuer in den verschiedensten ändern erfolgt, und daß dabei den Gemeinden die Möglichkeit gelassen bird, aus der Grundsteuer Einnahmen zu ziehen. Drittens wird s nohrendig sein, daß die eine oder andere kleinere Steuer erhöht ird oder die eine oder andere kleinere Steuer neu zur Einführung zelangt. Nur diese Möglichkeit sehe ich gegenwärtig, die Haushalte her einzelnen Länder ins Gleichgewicht zu bringen. Zu diesem Zwecke haben wir kürzlich im Aeltestenrat auch darüber gesprochen, daß der seemalige Etat als Uebergangsetat angesehen werden möge, damit m Laufe des Sommers zwischen dem Reiche und den Ländern eine Abgrenzung der Steuerhoheit und der Steuerergebnisse herbeigeführt berden kann, damit, wenn der diesmalige Etat beraten ist, dann für hen Herbst der neue Etat rechtmäßig vorgelegt werden kann, und Hamit die Provinzial⸗ und Kreisdotierungen neu vorgenommen werden bnen und die großen Kommunen, besonders die Großstädte, ein klares Bild bekommen, wie sie in Zukunft wirtschaften können.
Der Herr Abgeordnete Braun hat dann gefragt, wie es mit der fegierungsumbildung stehe. Ich stehe auf dem Standpunkt, en ich auch kürzlich nach der Regierungsumbildung im Reich und nach er Annahme des Ultimatums bereits in der Oeffentlichkeit vertreten cbe, daß die Umbildung der Regierung in Preußen politisch erwünscht nd schließlich auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist. Diese nicht bertrete ich auch heute noch, und zwar insbesondere aus fol⸗ enden Erwägungen:
Wir stehen gegenwärtig vor den größten sozialen und wirtschaft⸗ chen Umwälzungen, vor so großen, daß sich der weitaus größte Teil s deutschen Volkes davon noch gar keine Vorstellungen gemacht hat.
cht richtig) Der politische Teil der Revolution ist zwar auch ch nicht vollständig abgeschlossen, hat aber doch bereits einen be— immten Abschluß erreicht. Dagegen nimmt der soziale und wirkt— haftliche Teil der Umwälzung erst seinen Anfang. (Wiederholte stimnung) In den letzten Hy Jahren haben wir in unserer entlich Finanzwirtschaft immer nur auf Pump, nur auf Zukunfts- sechsel gearbeitet, und so geht es naturgemäß nicht mehr weiter. Wir ztten im Reiche vor dem Kriege eine Schuldenlast von etwa Uillatden Goldmark, heute dagegen von etwa 300 Milliarden sahiermark. (Hört! Hörty Wir hatten vor dem Kriege im Reich, enn man von den durchlaufenden Posten absieht, von der Reichspost, ö Neichseisenbahn, der Reichsjustizberwaltung usw., die sich in Ein- hne und Ausgabe ziemlich ausgleichen, eine jährliche Normal. nnahme von gut 2 Milliarden. Nun müssen wir in Zukunft an Entente allein nahezu das Eineinhalbfache jährlich dessen abführen, as bor dem Kriege unsere gesamten Reichseinnahmen betrugen, und ä lommt dann noch, daß unsere Ausgaben füt Kriegsbeschädigte hrlich wischen 6 und 3 Milliarden Papiermark betragen. Vergegen˖ halle man sich: vor dem Kriege die Schuldenlast des Reichs von Nillierden, heute ca. 300 Milliarden, ferner, daß wir jetzt nach dem rige ungefähr das Eineinhalbfache dessen, was wir vor dem Kriege Rei an Einnahmen hatten, allein an die Entente abführen, daß J. deln noch 6 bis 8 Milliarden für Kriegsbeschädigte aufbringen . so werden wir zu der Erkenntnis kommen, daß so, wie ehedem 3 gemacht worden ist, in den nächsten Jahrzehnten keine Politik gin macht werden kann, daß wir infolgedessen vor ganz großen 1 ö und wirtschaftlichen Umwälzungen stehen, die, wenn sie inner⸗ . 1 Vollslõrpers ohne neue Zuckungen durchgeführt werden * n den allerbreitesten Schichten des deutschen Volkes getragen —ͤ n müssen. (Sehr richtig! — Unruhe und Zurufe bei den
nmnnisten . diesen Erwägungen heraus, nicht aus kleinlichen Partei⸗ ee aus kleinlichen, engen Parteibetrachtungen heraus, habe ö gleich nach Annahme des Ultimatums, nach Umbildung j I , ,. gesagt, daß diese Vorgänge im Reich, wenn sie achen 3. sollen — denn wenn wir nicht ernsthaft den Versuch ger Der. en, alles aufzubieten, um unsere deistungs ch igkeit vor an ue demonstrieren, dann hätten wir am 10. Mai nicht Ja . ö ssehr guth uns zwingen, nachdem wir Ja gesagt 2 erernstesten Versuch zu machen, aus unserer Wirtschaft em n . nur herauszuholen ist, und das ist nur möglich, e breiten Schichten des deutschen Volkes lernen, daß ihre
Lebenshaltung sich nicht mehr auf dem gleichen Niveau wie vor dem Kriege bewegen kann. (Große Unruhe und lebhafte Rufe bei den Kommunisten: Hört, hört! Das kommt uns sehr zugute) — Mit agitatorischen Schlagworten können Sie hier keine Politik machen (lebhafte Zustimmung — andauernde Zurufe und Unruhe bei den Kommunisten, und wenn es darauf ankommt, zu demonstrieren, wie die Lebenshaltung früher gewesen ist, so habe ich für meinen Teil nichts dabei zu befürchten. Ich für meinen Teil habe in meinem Leben nicht besser gelebt, wie der größte Teil der Herren da drüben. (Fortdauernde, große Unruhe bei den Kommunisten) Es kommt nicht darauf an, was man gerne möchte, sondern darauf, was man kann. Aber es ist selbstverständlich, daß, wenn ein 60 Millionen Volk ernsthaft den Versuch zeigen soll, diesen Krieg zu liquidieren, dazu nicht die paar oberen besitzenden Schichten diese Summe allein aufbringen können, sondern die breiten Massen des Volkes auch leider in starkem Maße mit herangezogen werden müssen. (Erregte Zurufe von den Unabh. Soz. und Kom⸗ munisten. — Glocke des Präsidenten. — Andauernde Unruhe links.) Es ist leider naturnotwendig, daß die allerbreitesten Schichten herangezogen werden müssen, und daß es nicht geht, wenn nicht die Einsicht in diese Zusammenhänge in den breitesten Schichten geweckt wird. Insbesondere bin ich der Ansicht, daß wir mit Regierungs⸗ experimenten auf schmaler Basis in den nächsten zehn Jahren nicht vorgehen dürfen. Ich erörtere diese Dinge nicht aus einem eng— herzigen parteipolitischen Gesichtspunkt heraus, wie ich nochmals betone, sondern aus dem Gesichtswinkel, wie wir in den nächsten zehn Jahren unser Volk zu den allergrößten Opfern bringen, damit nicht in verhältnismäßig kurzer Zeit die Existenz des deutschen Volkes der Geschichte angehört. Aus diesen Erwägungen stehe ich auf dem Standpunkt, daß eine Regierungsbildung auf breiter Basis notwendig ist. (Zuruf links: Breite Basis nach rechts h zur Regierungsumbildung nicht sehr viel tun. Das habe ich auch bereits am Tage nach der Regierungsumbildung im Reich und der Annahme des Ultimatums einer Vertretung der sozialdemokratischen Partei gegenüber ausgesprochen. Ich habe damals gesagt: Ich bin ursprünglich von fünf Parteien dieses Hauses zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Ich habe dann eine Woche lang versucht, die Mehrheitssozialdemokratie zur Teilnahme an der Regierung zu be⸗ kommen. Das ist mir nicht gelungen. Danach stand ich vor der Frage, ob ich wieder resultatlos zurücktreten und damit die Re⸗ gierungsbildung wieder auf den Stand bringen soll, auf dem sie war, als ich gewählt wurde. Das habe ich damals abgelehnt und in solcher Lage eine Regierung auf schmaler Basis unter Ergänzung durch einige Beamte gebildet. Dann ist mir vorgeworfen worden, das Ministerium Stegerwald sei ein Ministerium des Wortbruchs. Darauf habe ich mein Mandat der Landesbersammlung zurück⸗ gegeben. Nun ist es ganz selbstverständlich, daß ich, nachdem ich ein zweitesmal vor einer ganz anderen Parteigruppierung gewählt bin — ich persönlich —, in diesem Augenblick eine Regierungs⸗ bildung mit Einbeziehung der Mehrheitssozialdemokraten nicht tätigen kann. Nun müssen erst einige Voraussetzungen geschaffen werden. Das habe ich einigen sozialdemokratischen Herren bereits vor Wochen gesagt. Die erste ist, daß sich eine Mehrheit des Hauses darüber zusammenfindet und sich verständigt, auf welcher Basis eine Regierung gebildet werden soll; die zweite Voraussetzung ist, daß sich die gleiche Mehrheit darüber verständigt, wer künftig Ministerpräsident sein soll. Eyst wenn diese beiden Voraussetzungen geklärt sind, ist die Stunde gekommen, wo der Ministerpräsident die Initiative ergreifen kann. Solange diese beiden Voraussetzungen nicht geklärt sind, ist es mir unmöglich, etwa zurückzutreten und der Welt oder dem Lande das Schauspiel zu geben, daß wiederum wochenlang um eine künftige Regierungsbildung gefeilscht wird. (Sehr richtigg in der Mitte) Erst müssen diese beiden Voraussetzungen gellärt sein. Wenn diese Mehrheit im Hause vorhanden ist, die sich über die Basis der Re⸗ gierungsöbildung und darüber, wer künftig Minister⸗ präsident sein soll, einig ist, bleibe ich keine Minute länger mehr an dieser Stelle. Aber solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, glaube ich es dem Lande und der Welt schuldig zu sein, hier auszuharren, um nicht wieder erneut das Schauspiel zu bieten,
Initiative zur Regierungsumbildung muß also von den Parteien aus⸗ gehen, die sich zu einer Koalition zusammenfinden wollen, und erst in einem späteren Stadium kann ein Ministerpräsident selbst eingreifen und neben den parteipolitischen Strömungen auch die allgemeinen staatspolitischen Gesichtspunkte, die bei der Regierungsbildung mit be⸗ rücksichtigt werden müssen, zur Geltung bringen. (Ruf links: Amnestie! — Große Heiterkeit; Ueber die Amnestie hat sich in den letzten Tagen der Reichstag unterhalten, und über das, was der Reichstag beschlossen hat, besteht, glaube ich, auch für den Preußischen Landtag keine Veranlassung, hinauszugehen. (Sehr richtig) Der Reichstag hat Pbeschlossen, auf Grund eines mehrheitssozialistischen Antrages, daß gegenüber den sogenannten Mitläufern, die von Sondergerichten ver⸗ urteilt worden sind, die durch Sondergerichte verhängten Strafen nach⸗ geprüft werden sollen, und daß der Reichspräsident gegenüber diesen Mitläufern weitgehend von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen soll. Aber diejenigen, die glauben, mit Macht gegen den Staat an⸗ kämpfen zu sollen, können in der gegenwärtigen Stunde keinen Anspruch erheben, Gnade von dem Staate erwiesen zu bekommen. (Suruf links: Abschaffung der Sondergerichte, des Ausnahmezustandes ) Die Sonder⸗ gerichte werden meines Erachtens noch nicht abgeschafft werden können. Denn wenn man sie abschaffte, dann wäre das ein indirekter Anreiz, eine Einladung (große Unruhe und Zurufe links), in weiterem Maße künftig zu wiederholen, was kürzlich in Mitteldeutschland passiert ist.
Ich stehe also auf dem Standpunkt, daß nach dem Rezept der Vorkriegszeit in den nächsten 10 Jahren in Deutschland keine Politik gemacht werden kann. Die Mehrheitssozialdemokratie hat nach ver⸗ schiedenen Richtungen hin umlernen müssen, weil sie allerdings heute auch ganz andere Voraussetzungen vorfand, als sie sie jahrzehntelang in Deutschland gesehen hat, und auch die anderen Parteien werden nach mancher Richtung hin umlernen müssen. Denn nur wenn ein Opfer⸗ geist auf allen Seiten vorhanden ist, der frei ist von parteipolitischer Enge, nur dann ist es möglich, unser deutsches und preußisches Volk aus dem Elend unserer Tage herauszuführen. Und das ist es, was letzten Endes das deutsche Volk und auch das preußische Volk im gegenwärtigen Stadium von seiner Regierung und seiner parlamen⸗ tarischen Vertretung erwartet. (Beifall.)
Finanzminister Saemisch: Meine Damen und Herren! Nach den Worten des Herrn Ministerpräsidenten glaube ich, im allge⸗ meinen nicht nötig zu haben, nach dem gegenwärtigen Stande de
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Nun kann ich aber persönlich in der gegenwärtigen Lage
allgemeinen Erörterung selbst noch das Wort zu ergreifen. Ich möchte nur einer Pflicht der Höflichkeit genügen, wenn ich mir erlaube, einige Worte zu sagen. Es ist von dem Herrn Abgeordneten von der Osten eine formelle Anfrage an mich gerichtet worden, und zwar hat er das Wort „formell“ unterstrichen, und ich glaube ihm auf diese Anfrage eine Antwort schuldig zu sein, wenn auch die Antwort eigentlich aus dem, was der Herr Ministerpräsident ausgeführt hat, herauszulesen war. Die Frage lautete: Ist der preußische Finanzminister bereit, dafür einzutreten, daß die Ertrags⸗ steuern den Tändern und Gemeinden überlassen werden* Wie gesagt, die Antwort ist namens des preußischen Staatsministeriums bereits erteilt worden, und es ist selbstverständ— lich, daß ich auf dem Boden der Erklärung des Herrn Minister⸗ präsidenten stehe. Ich kann aber noch etwas hinzufügen und die von dem Herrn Ministerpräsidenten in bezug auf den Willen der Staats regierung abgegebene Erklärung dahin ergänzen, daß ich mitteile, was ich nach dieser Richtung hin bereits getan habe. Es ist dem hohen Hause bekannt, und ich habe in meinen Ausführungen davon gesprochen, daß zur Mitwirkung bei der Neugestaltung der Reichs- steuergesetzgebung und zur Mitwirkung bei einer ganzen Reihe von Fragen, die damit zusammenhängen, ein Ausschuß von sechs Landes⸗ finanzministern eingerichtet worden ist. Dieser Ausschuß wird bereits im Laufe dieser Woche zusammentreten und die Beratungen mit dem Reichsfinanzministerium beginnen.
Ich habe nun bei einer Vorbesprechung zum Ausdruck gebracht, daß es mir notwendig erscheint, daß auch die Länder, wie ich das bereits in meiner Etatsrede ausgeführt habe, die ihnen verbliebenen Steuerquellen bis zum letzten autschöpfen. Nach dem Landeßsteuergesetz gehören zu den den Ländern verbliebenen Steuerquellen die Ertragsteuera; also das Gebiet ist durch das Landessteuergesetz klar umrissen. Ich bin nun der Meinung, daß, wenn die Länder, insbesondere wenn Preußen den Versuch macht, neben den Gemeinden auf diesem Gebiete für sich noch etwas herauszuholen, damit eine absolute und relative Erhöhung der Grundsteuern herbeigeführt wird. Eine solche Erhöhung der Grund⸗ steuern ist zweifellos von wirtschaftlichen Folgen der mannig⸗ faltigsten Art begleitet, über die wir uns ja demnächst zu unter halten haben werden. Ich halte es nun nicht für angängig, daß ein Land mit einer solchen Maßnahme für sich allein vorgeht; denn Folgen, die zu wirtschaftlichen Differenzierungen führen, sind innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets nicht wohl erträglich. Deshalb bin ich an meine Herren Kollegen mit dem Vorschlag herangetreten, daß wir Länder uns zusammensetzen sollten, also nicht unter Be⸗ teiligung des Reichs, sondern unter dem Vorsitz eines von uns — und uns darüber unterhalten sollten, bis zu welchem Grade, in welchem Maße und nach welchen Gesichtspunkten etwa eine höhert Anspannung der Grundsteuer möglich sein wird.
Ich glaube, in dieser positiven Erklärung, die ich abgegeben habe, liegt eine hinreichende Beantwortung der von dem Herrr Abg. von der Osten gestellten Frage.
Abg. Bie ster (Deutsch⸗Hannoveraner) polemisiert gegen den Abg. Leinert, der neulich die Deutsch⸗Hannoversche Partel schar angegriffen habe, und beruft sich, um die Glaubwürdigkeit dei Angaben des Abg. Leinert zu erschüttern, auf ein gegen diesen ergangenes Gerichtsurteil, in welchem ausgeführt sei, daß auch die Angaben Leigerts nicht durchweg erweislich wahr gewesen ien. Weiter beruft sich der Redner auf ein früher von dem Ministerpräsidenten Hirsch abgegebenes, die Welfen erheblich gün= stiger beurteilendes Zeugnis. Die Deutsch⸗Hannoveraner beharrter bei ihren staatsrechtlichen Forderungen nach wie vor und würden eine Abstimmung über die staatsrechtliche Form Hannovers be
antragen, sobald die —ᷓ . Verhältnisse in Deutschland es g statten. Wir wollen gute Deutsche, aber keine Preußen sein.
Hierauf wird Vertagung beschlossen.
Abg. Leinert sersönlich; Der Abg. Biester beruft sich zu Unrecht auf das erwähnte Urteil der hannoverschen Strafkammer. Er hat nicht angegeben, um was es sich gehandelt hat. ch hatte damals einen politischen Gegner angezeigt, der mich einen Ehr⸗ abschneider genannt hatte. Der Mann ist in erster Instanz zu 14 Tagen Gefängnis, vom Landgericht zu 500 A Geldstrafe verurteilt worden, weil u. a. auch 9 erklärt hatte, daß mir an einer Bestrafung des Gegners mit Gefängnis nichts liege. Daß ich falsche Behauptungen mn, hätte, ist nicht richtig, es ist nur nachher von meinem Gewährsmann das mir itgeteilte nicht vollständig aufrechterhalten worden. Auch waren diese Um⸗
wie wir es nach den Wahlen wochenlang erlebt haben. (Bravoh Die stände keineswegs Gegenstand der Beweiserhebung.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 1 Uhr. (An⸗ fragen, kleine Vorlagen, Fortsetzung der allgemeinen Aus⸗ sprache über den Staatshaushalt.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Arbeitsstreitig keiten.
Vom Reichsarbeitsministerium wird dem W. T. B.“ mitgeteilt: Bei den Verhandlungen, die am 3. Juni 1821 im Reichsarbeitsministerium mit den Vertretern der Arbeit geber und Arbeitnehmer des Waldenburger Berg⸗ baubezirks geführt werden sind, wurde eine Verein⸗ barung getroffen, die im Sinne des Schiedsspruchs vom 18. Mai 1921 zunächst eine Lohnerhöhung gewährt und eine weitere im Anschluß an die bevorstehende Aenderung des Kohlensteuergesetzes in Aussicht nimmt. Die Parteien haben sich die endgültige Stellungnahme zu dieser Vereinbarung noch vor⸗ behalten, doch ist zu hoffen, daß auf dieser Grundlage ein baldiger Abbruch des Streiks erfolgen wird.“ — In Ergänzung dieser Mit⸗ teilung wird aus Waldenburg gemeldet, die Streikleitung habe bereits bekannt gemacht, daß die Arbeit heute, Dienstag, wie der aufgenommen werde. Gleichzeitig erließ sie einen Aufruf an die Bergarbeiter, in dem sie sich gegen das Treiben der Kommuni sten wendet, den Ausstand noch weiter auszudehnen.
Aus Graz wird dem W. T B. gemeldet; Auf Veranlassung des Verbandes der Metallindustriellen in Steier mark wurde gestern früh der Betrieb der Aktiengesell⸗ schaft Adolf Finee K Co. in Gram gesperrt und die Arbeiterschaftentlassen. Anlaß dazu war der Umstand, daß die Arbeiterschaft einen mißliebigen Betriebsassistenten und einen Arbeiter — letzteren aus Gründen volitischer Meinungeverschieden⸗ heit — nicht arbeiten lassen wollte und deren Entfernung verlangte.
Wie . W. T. B.“ zufolge Londoner Blätter melden, muß mit der Möglichkeit einer 211, Arbeitsein⸗ stellung in der englischen Maschinenindustrie ge— rechnet werden. Dadurch würde die Zahl der Arbeitalosen um weitere 11 Millionen vermehrt werden.
Nach den W. T. B.“ übermittelten Blättermeldungen aus Prag ist es nach 24 stündigen Verhandlungen zu einer Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Metallindußtrie gekommen. (Vgl. Nr. 120 d. Bl.)
Aus Buenos Aireg wird dem W. T. B.“ telegraphiert. die Vereinigung der Hafengrbeiter babe beschlossen, die Arbeit heute wieder aufzunehmen. (Val. Nr. 28 d. B.)