1921 / 231 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Oct 1921 18:00:01 GMT) scan diff

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er tritt ein für die Wiederkehr der alten Farben was wir heute führen als des Reiches Banner, ist uns verhaßt nicht weil es ein Symbol darstellt alter, längst erfüllter Ideale sondern weil es in sich birgt den gelben Judenstreifen. t

Meine Verren! Ich frage Sie: Hat diese ganze Rede, die Sie

ich noch einzeln ansehen können, irgend etwas mit einer nationalen

Feier zu tun? (Sehr gut! links und im Zentrum.) Davon ist ja

gar keine Rede. (Zuruf von den Deutschnationalen) Ja, zwei

Stunden hat die Rede gedauert, und darin ergeht sich e

in solchen Schmähungen der Zeichen der neuen Republik. (Erneute

Zurufe von den Deutschnation alen) Meine Damen und Herren! Sie

werten von mir auf keinerlei Zwischenrufe hinfort mehr eine Antwort

bekommen. Ich will aber nur eines sagen: Ist es nicht geradezu unglaublich, wenn man solche Leistungen sieht an Schmähung von

Srmbalen des neuen Volksstaates und gegen die Träger der Regierung,

Dim dann im selben Atemzug auf diesem Parteitag von dem Herrn Abgeordneten Dr. Hergt behauptet wird, sie pflegen die Gemeinschaft der ersten Kräfte? Wie diese Gemeinschaft aussieht, meine Herren das sehen Sie in den ungeheuerlichen Beschimpfungen gegeniiber Trägern der heutigen staatlichen Autorität. ; Es liegt mir jenes Blatt vor, das gerade im Süden bei dem Parteitag Ihre Fahne besonders hoch gehalten hat. Lesen Sie, was da geleistet wird. (Zurufe von den Deutschnationalen: Welches Blatt?) * Die „Augsburger Abendzeitung“. Lesen Sie den Satz: Aber auch der Haß und die grenzen lose Verachtung gegen alles, was Demokratie und Republik heißt, wird größer und größer. Ihn zu vertiefen, wird unsere Antwort sein auf das Verbot des Tragens der Uniform. ; Lesen Sie den andern Satz: Herr Ebert aber ist nicht vom Volke gewählt, sondern von einem Haufen bolschewistischen Straßengesindels, das ihn zum ; Volksbeauftragten erkor, ein feiner Auftraggeber. (urufe von den Deutschnationalen) Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Ist das der Gemeinschaftsgeist der ersten Christen? (Große Unruhe und gegenseitige Zurufe. Glocke des Präsidenten.)

Reichskanzler Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Die gemeinsame Arbeit, von der wir sehr gern sprechen, ist gewiß eine schwere, gefahrvolle, eine unsäglich schwere Arbeit nach der ungeheuren Katastrophe des Krieges, die das ganze deutsche Volk getroffen hat. Ist das nicht das Tragischste in der ganzen Geschichte, vor allem in der Geschichte der Arbeiterwelt aller Länder, daß in dem Augenblick wo in Deutschland die Arbeiterwelt zu großer politischer Bedeutung gekommen ist, die Früchte ihres Fleißes in Form der Kontributionen den Allüerten zufließen müssen? Das ist ein tragisches Geschick Sehr richtig! links Aber wir müssen Politik machen, wir müssen ehrlich und aufrichtig Leistungen aufbringen, die an die Grenze dessen gehen, was ein Volk überhaupt tragen kann, ohne wirtschaft⸗· lich zusammenzubrechen.

Meine Damen und Herren! Diese Frage der Leistung ist die grundentscheidende Frage unserer ganzen Politik. Hier scheiden sich die Geister. (Sehr wahr! bei den Deutschnationalen. Gegenrufe links) Es wird mir damit nur wiederholt, was der Herr Abg. Dr. Hergt in München bezüglich der Frage der Politik zum Ultimatum ausgeführt hat. Er hat dort gesagt:

Für uns gibt es keine Erfüllung, keinen Versuch zur Erfüllung des Ultimatums. (Lebhafte Rufe links: Hört, hört! Alle diese Stellen werden aber überholt durch die Rede, die ein anderer Ihrer Wortführer gehalten hat, der damals ausführte: Die Absicht, den praktischen Beweis der Unerfüllbarkeit zu bringen ist verbrecherischer Wahnsinn. . Ich habe nicht geglaubt, daß je in einem Volke der ehrliche Wille, zu leisten und auf dem Wege der praktischen Betätigung vorwärts zu kommen, als verbrecherischer Wahnsinn bezeichnet worden ist. (Andauernde gegenseitige Zurufe.) ö. Neine Damen und Herren! Ich will aber die Akten darüber schließen. (Abg. Dr. Helfferich: Wer hat das denn gesagt? Rufe links: Helfferich) Nein, das hat der Herr Abgeordnete Edler v. Braun gesagt. (Große Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ich komme nochmals auf die Frage der nationalen Feiern zurück. Die Verordnung über das Tragen von Uniformen wird erscheinen. Ich habe, wie ich ganz offen sage mit Absicht einige Tage damit zurückgehalten, weil ich der Meinung

bin, daß diese Frage nicht unter scharfen parteipolitischen Auseinander⸗ setzungen gelöst werden kann. Ich bitte Sie aber nun, meine Damen und Herren, wenn bei solchen Feiern, seien es nationale Gedenktage seien es Regimentsfeiern, Ruhmestaten der alten, jetzt verschwundenen Armee gefeiert werden, alles daran zu setzen, daß Ausführungen r vermieden werden, die geeignet sind, in unserer heutigen kleinen Armee die schwerste Verstimmung hervorzurufen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei) War es notwendig, daß bei jener bekannten Feier im Stadion ein General in einer Rede sagte:

Mit der alten Armee ist der Charakter der Truppe zugrunde

gegangen.

(Hört, hört! links und im Zentrum) Das war eine Verletzung der Gefühle der jetzt in der Reichswehr tätigen Soldaten. (Cebhafte Rufe links und im Zentrum. i Wider 89 spruch rechts) Es hat Bitterkeit und Verstimmung hervorgerufen, daß man einen solchen Tag ausgenützt und die Männer verletzt hat (Unruhe rechts), die heute unter dem Waffenrock der Republik dem e Vaterlande dienen. (Zustimmung links. Unruhe und Zurufe

haben die Herren drüben (zu den Deutschnationalem kein Verständnis nämlich für die Würde und für die Ehre derjenigen, die heute die Sorge tragen müssen, obwohl Sie doch einst kennen gelernt haben daß an der Regierung zu sein auch Sorge bringt. Der Herr Abgeordnete Dr. Hergt hat hernach mit sehr lebhaften Worten dersucht mir aus meinen Reden Unrichtigkeiten vorzutragen. Ich nehme es Ihnen (zu den Deutschnationalen) nicht übel, daß Sie meine Reden sorgfältig lesen (Heiterkeit); sie sind zweifellos beachtet worden. Aber ich möchte Ihnen nur eines sagen: Tun Sie doch dann auch nicht so entsetzt, wenn Ihnen Dinge passieren, die auf Irrtum beruhen.

Was für ein Aufwand ist aus der Sache da unten bei Darmstadt in Ihren Zeitungen gemacht worden? Ich habe mich sofort dafür inter⸗ essiert, habe mich an das hessische Staatsministerium gewandt und um Aufschluß gebeten. Darf ich Ihnen den Bericht über den Vorgang im Schloß Heiligenberg in Jugenheim vortragen, den das hessische

Am 31. August, zu

die Verhetzung in unserem deutschen Volke verfolgen können, eine Verhetzung, die alle diejenigen, die damals in schwerer Bedrängnis unseres Volkes die Verantwortung übernommen haben, verunglimpft, sae wie Freiwild ausgibt, sie verhöhnt und verspottet, nicht nur ihre Arbeit als Politiker angreift, sondern sie in einer persönlichen Weise berunglimpft, die notwendigerweise zu einer Atmosphäre führen mußte in der der politische Mord nicht zur Unmöglichkeit wird. .

Arti el in der „Deutschen Tageszeitung“ nachzulesen, der vorhin eine Rolle gespielt hat, der unterzeichnet ist mit Dr. H., oder wie er geheißen hat. (Abg. Dr. Helfferich: Ich pflege mit meinem Namen zu ee, ehe im Unterschied zu Bitte, werden Sie nur nicht gleich nervös! (Abg. Dr. ich: Soll Dr. H. ich sein? Dann , Sie es . * . haben mich nur zu früh unterbrochen. Es heißt dort als Einleitung zu diesem Artikel: „Aus katholischen Kreisen Bayerns wird uns

* Deiterkeit Die Frage ist vorher erörtert worden. Ich bitte alle die, die sich nicht von Leidenschaft allein führen lassen, den Artikel

nen. katholischen Empfindens liegt sch in rechts) Alles ist ein Mißverständnis, meine Herren. Nur für eines Artikel mit . . stammend“ bezeichnet! e mich geschämt als Katholik und Christ, daß eine Ihrer führenden ö. einen derartigen Schmähartikel mit einer solchen Einleitung rsieht. . Vir ern, ,, in der Oeffentlichkeit antworten, um Ihnen zu zeigen, wohin das führt, wenn führende Zeitungen Ihr Art derartiges Material aufnehmen. ,, , enn lraten: Das führt zum Mord Würdigen Sie diesen Artikel, und Sie werden dann auch einmal an die Brust schlagen und sich sagen: hier ist die Atmo sp häre vorbereitet, aus der für unser Volk und Vaterland das größte Unheil hervorgehen kann. (Sehr richtig! im Zentrum. Zuruf links: Das wollen die doch! Unruhe und Zuruf rechts: Was steht in dem Artikel y 5. J

n, . die ich im Ueberwachungsausschuß gemacht habe, Schloß Heilie. . : im v wo ich vom Proletariat und vom Bürgertum ge prochen habe 6 Staatsministerium uns geschickt hat? (Zurufe links) von den Deutschnationalen: Was steht in k ö

war, wegen der Ermordung des Abgeordneten Erzberger zu demonstrieren. Nachdem ihnen durch den Bewohner des Schlosses,

Görkes bekanntgegeben wurde, daß Helfferich am Tage zuvor vom Schlosse abgereist sei, versammelten sich die Arbeiter und Arbeiterinnen im Schloßhofe. Abgeordneter Dr. Helfferich: Wie sind sie denn hineingekommen? Stürmische Heiterkeit in der Mitte und links) Dort, wo Sie herauskamen! (Andauernde Heiterkeit) Der Führer, ein Arbeitersekretär aus Darmstadt, hielt eine Ansprache. (Abgeordneter Dr. Helfferich: Der war zufällig dal Zuruf links:

Genau wie Sie zufällig nicht da waren! Heiterkeit. Abgeordneter

Tr. Helfferich: Weil ich zum Parteitage nach München war! Zu⸗

rufe. Glocke.)

Der Führer, ein Arbeitersekretär aus Darmstadt, hielt eine Ansprache, worin er den Mord an Erzberger als einen politischen Mord geißelte,

Abgeordneter Dr. Helfferich: Und Helfferich als den Mörder be⸗

zeichnete. Lebhafte Rufe links: Sehr richtig! Zurufe bei den

Deutschnationalen. Abgeordneter Dr. Helfferich: Ich danke Ihnen

(nach links) für diese Bestätigungh insbesondere hierbei Helfferich und Ludendorff heftig angriff und die Arbeiter und Volkegenossen aufforderte, bei einer etwa ein— tretenden Reaktion die demokratische Republik zu schützen.

(Abgeordneter Dr. Helfferich: Ach, du lieber Gotth Gendarmeriewachtmeister, die sich sofort auf das Schloß begaben, um die Bewohner vor eventuellen Gewalttaten zu schützen, wohnten

der Versammlung bei.

(Hört, hört! links und Heiterkeit) Es kam aber zu keinerlei Störung der öffentlichen Ordnung oder sonstigen Gewalttaten

(urufe rechts. Abgeordneter Dr. Helfferich: „Die Nürnberger

. Heiterkeit

merkwürdig, wie in einer Versammlung, wo eine rote Fahne auf⸗

gezogen ist, das Vorhandensein von Gendarmeriewachtmeistern Heiter⸗

keit auslösen kann! Der Bericht fährt weiter fort:

Es kam aber zu keinerlei Störung der öffentlichen Ordnung oder

sonstigen Gewalttaten und persönlichen Beleidigungen der Be⸗

wohner. Der Zug löste sich friedlich auf.

(Heiterkeit und Zurufe bei den Deutschnationalen) Haben Sie es

vielleicht anders erwartet? (Große Heiterkeit) Der Bericht des

hessischen Staatsministeriums ist vom Herrn Staatsprãsidenten

Ulrich unterzeichnet, der es von jeher ausgezeichnet verstanden hat,

mit hohen Herrschaften zu verkehren. (Heiterkeit. Zuruf bei den

Deutschnationalen: Ich bitte, das doch nicht so scherzhaft zu nehmen,

Derr Reichskanzler)h Ich nehme die Sache nicht scherzhaft. Aber

es ist doch ein Segen in der Politik, wenn man ein derartiges fried⸗

liches Schriftstück verlesen kann. Warum sollte ich nicht auch einmal einen Bericht verlesen, der Vergnügen macht. Man ist doch sonst sehr kritisch aufgelegt, wenn es sich um Berichte handelt, die anderen

unangenehm sind. .

Meine Damen und Herren! Es liegt mir fern und ich habe

niemals den Wunsch gehabt, Ihnen hier Material von einem solchen

Umfange vorzubereiten und vorzulegen und Ihrer Würdigung unter⸗

ziehen zu lassen, wie es vorhin in den Gesprächen angegeben worden

ist, die wir vertraulich mit den Herren der Deutschnationalen geführt haben. Wie oft hat Herr Dr. Hergt das Wort von zentnerschwerem

Material wiederholt! Wenn ich und ich kann das jederzeit be⸗

legen, ich brauche nur jeden in diesem Hause zum Zeugen aufzurufen

das Material, das die Beschimpfungen angeht, die nur gegen die

Mãnner, die jetzt an der Regierung sind, vortragen wollte, müßten

. ,, . mindestens acht Stunden halten. Guruf bei

den Deutschnationalen: Beschimpfungen von lin

, , schimpfung nks oder woher?) Ich

Seit Annahme des Ultimatums haben wir mit steigender Sorge

(Sehr

wahr! links) Ich bitte Herrn Dr. Helfferich, nur einmal jenen

Fraktionskollegen von Ihnen)

Nein! Sie eschrieben.“ (Abg. Dr. Helfferich: Dazu gehöre ich allerdings nicht!

inmal würdigen zu wollen. Welche ungeheuerliche Diskreditierung li daß man einen derartigen seiner Aufreizung zur Gewalt als „aus katholischen (Sehr richtig! im Zentrum) Ich

(Sehr gutt

im Zentrum. Zurufe von den Deutsch⸗

GGuruf von den Sozialdemo⸗

s

Nun kommt der Herr Abgeordnete Hergt und will mir die Aus—= .

meinen Worten und habe aus meiner politischen Ueberzeugung

so lautet der Bericht vom 15. September dieses Jahres

niemals ein Hehl gemacht.

nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr, zogen große Arbeitermassen aus Jugenheim und den umliegenden Ortschaften und Fabriken mit einer roten Fahne auf das Schloß Heiligenberg, um vor dem Reichstags⸗ abgeordneten Helfferich, welcher auf Schloß Heiligenberg zu Besuch

Prinz v. Hohenleuben, und dessen Schwiegervater Geheimrat

. nach Schlesien, sondern das iese und das ist der badischen Staatsanwaltschaft geglückt zu lähmen und einige ihrer Hauptführer dingfest zu machen. Von ,.

wird, braucht nicht von vornherein Mit Lachen und allein mit Reden

Tagen Gelegenheit bieten, diese Frage zurückzukommen. richtung und ihrer Diener werden wir die umformen müssen, daß sie dem Gebot der Stunde, der Gefahr des

3 *.

Auch heute noch sfehd. ich zu Sen Worken. Ich will mil abe erlauben, Ihnen den Sinn noch einmal zu wiederholen. Ich habe mir in der Zwischenzeit die Akten aus den JZeitungsmeldungen über Ihren Parteitag zusammengestellt.

Ehe ich die Rede gehalten habe, hat der Herr Abg. Hergt gesagt jetzt sei die Kriegserklärung des gesamten deutschen Proletariats . Ihre Partei (zu den Deutschnationalen) erfolgt. (Zuruf von den Deutschnationalen: Sehr richtig) Sie sagen: Sehr richtig! Ja, wer gehört denn zu diesem Proletariat? Haben Sie denn auch die Kriegserklärung der christlichen Arbeiterwelt darin gesehen? (Zuruf von den Deutschnationalen: Er hat doch von marxistischen ge— sprochen! Große Heiterkeit links) Vom gesamten Proletariat! (Zuruf von den Deutschnationalen: Lesen Sie doch den Satz vorherh

Noch ein zweites. Hat nicht einer Ihrer Herren, den Sie doch besonders begrüßt haben, gesagt, jetzt sei die große Stunde der Ent—⸗ scheidung zwischen rechts und links da? Guruf von den Deutsch— nationalen: Jawohl) Ist nicht unsere Arbeit und gerade die der nächsten Tage darauf gerichtet, diese gewaltige Kluft in unserem Volke, daß es auseinanderbrechen sollte in eine Rechte und eine Linke, die sich unversöhnt gegenüberstehen, zu verhüten; ist das nicht gerade der Sinn unserer Politik gewesen, dieses größte aller Unglücke für unser Volk zu verhüten? (Lebhafte Justimmung links, bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum. Zurufe und Unruhe bei den Deutschnationalen) Diese Politik, meine Herren, die neben den Besitz hier dort die Arbeiter stellt, die Proletarier, diese Politik wäre das größte Verhängnis für unser Vaterland. (Sehr richtig! links und im Zentrum. Zuruf von den Deutschnationalen: Die haben Sie proklamierth Ich hoffe, daß alle, die guten Willens sind, eine solche Kluft zu vermeiden, daß alle, die guten Willens sind, sich in dieser Auffassung der politischen Pflichten eines Volkes von Ihnen (Gu den Deutschnationalen) abwenden werden. (Zuruf von den Deutschnationalen: Sie halten die beste Rede gegen die Ver⸗ ordnung, die man sich denken kann! Lachen und Zurufe links.) Ich wüßte nicht, was das mit der Verordnung zu tun hätte. Wir sehen die Frage der Fortführung unserer Politik gewiß als eine ernste und zu Besorgnissen führende Frage an. Meine Damen und Herren! Der Herr Interpellant der Unabhängigen hat in seiner Rede gewiß vieles Material beigetragen, das uns diese Besorgnisse vermehren kann. Die Besorgnisse, die ich seit Monaten hatte, die genährt waren durch Nachrichten aus dem Süden, daß in dieser teigenden Verhetzung von rechts, die sich vor unseren Augen voll⸗ zogen hat, neue Gewalttaten der Republik und der Verfassung schaden könnten, haben uns alle in der Reichsregierung erfüllt. Es ist ein Unding, zu meinen, daß etwa die Verordnung, die am 29. August erschienen ist, von heute auf morgen gekommen wäre. Seit Wochen waren wir von den Besorgnissen getragen, von denen ich vorhin gesprochen habe. Es ist interessant: Man mag das oder jenes im einzelnen bemängeln und es ist auch manches richtiggestellt, was behauptet worden ist in Anklagen der Sammlung von reaktionären Elementen, die zu Gewaltstreichen ausholen wollten, (Zurufe von den Deutschnationalen: Wo denn?) ich behaupte aber, daß das, was allein der badische Staatspräsident Trunk in Karlsruhe uns bekanntgegeben hat, mehr gewesen ist, als was wir überhaupt nur befürchtet haben. (Sehr richtig! links. Wiederholte Rufe von den Deutschnationalen: Datum h Ich sage nun: Die Geheimorganisationen, die dort aufgedeckt worden sind, und ihre Verfolgung ist in den Dänden der badischen Staatsanwaltschaft. Das Gericht wird darüber zu befinden und durch ein öffentliches Gerichtsverfahren festzustellen haben, wie weit die Geheimbündler mit dem Mord in Griesbach in Zusammenhang zu setzen sind. ke, ,, , nnn, Ich habe gestern Gelegenheit gehabt, einem Referat eines be— berufenen Mannes über das Material, das da zusammengetragen ist, beizuwohnen. Dieses Material bestätigt unsere Befürchtungen, daß die Fäden der Geheimorganisation sich auch nach Oberschlesien er— streckt haben. (Lebhafte Zustimmung links) In Oberschlesien hat uns nicht seit gestern, seit Monaten nicht nur die Sorge das Herz bewegt, ob dieses deutsche Land durch den Spruch der Alliierten uns zufallen soll oder nicht, sondern unsere Arbeit ist auch darauf ge⸗ richtet, dieses Land nicht ben polnischen Banden preisgegeben zu sehen. Wir danken denen, die ihre Heimaterde dort oben auch mit der Waffe in der Hand verteidigt haben. (Beifall) Es war ihr Recht, und es hat sich gezeigt, daß in den Kämpfen, insbesondere um den Annaberg, der alte deutsche Mannesmut der Selbstwehrleute unvergleichliche Triumphe wieder gefeiert haben. (Erneuter Beifall) Aber so sehr die Taten des Selbstschutzes anzuerkennen sind, so sehr wir die Toten be⸗ trauern, die die Kämpfe dort gebracht haben, so schmerzlich ist es, daß sich nun an die Reihen edler Kämpfer, die ihr Leben für ihr Vater⸗ land gegeben haben, gerade diese Geheimorganisationen mit ihren verbrecherischen Elementen herangemacht haben. (Sehr richtig! links.) Es sind dem badischen Staatspräsidenten Vorwürfe erwachsen, gerade von rechtsstehender Seite, daß er nur diese Statuten der Geheim⸗ organisation der Oeffentlichkeit mitgeteilt hat. Ich bin dazu nicht be⸗ rufen, und das Material ist mir nicht ausgehändigt, die weiteren Einzelheiten der Untersuchung mitzuteilen. Allein, meine Damen und Herren, es handelt sich um eine größere Geheimorganisation zum Sturze der Verfassung. (Hört, hört! links. Hu, hu! rechts. Lachen und erregte Zurufe links) Nicht darum kann es sich jetzt handeln, Mitteilungen über diese Organisation zu machen, über ihre ; son Ziel unserer Politik war das, Geheimorganisation in ihren Fäden und in ihrer Zentrale =

wie von Bayern das ist meine feste Ueberzeugung, und der Nach⸗

weis ist in diesen Papieren enthalten ist der Versuch in Vor⸗ bereitung gewesen, einen neuen Kapp⸗Putsch in Deutschland zu inszenieren. (Stürmische Rufe links: Hört, hört! Lachen xechts Große anhaltende Unruhe. Glocke des Prasidenten

Reichtkanzler Dr. Wirth! Ich habe bisher gemeind meine

Damen und Herren, daß die Justiz auf seiten der Rechten noch wegen ihrer Gerechtigkeit in Schutz genommen wirb. Die Unter-

uchung, die geführt wird, die insbesondere von Baden aus geführt 6. Lächerlichkeit zu verfallen. werden w ĩ ie i off hinter uns liegenden reaktionären e,, n . ereitete, nicht Herr werden. Ich glaube, es wird sich in wenigen anläßlich der Beratung von Gesetzen auf Zum Schutze der Republik, ihrer Ein⸗ politischen Paragraphen so

(Bravo! bei den Sozialdemokraten.

Landes gerecht werden.

(Brabol links und im Zentrum)] Der

Justizminister und andere, die dazu berufen sind, werden Gelegenheit nehmen, im Verlauf der Debatte dazu Stellung zu nehmen. Meine Damen und Herren! So sehr wir uns bestreben müssen, bie Auswüchse nach allen Seiten hin zu bekämpfen, so sehr aber müssen wir uns davor hüten, nun Anklagen zu erheben, die die Gesamtheit von Dienern irgendeiner unserer großen öffentlichen Organisationen betreffen. Es wird davon gesprochen, in welchem Maße die Politik der jetzigen Reichsregierung sabotiert wird. Meine Damen und Herren! Nach Annahme des Ultimatums hatten wir zwei Aufgaben zu erfüllen: solche, die nur von unserem Willen abhängen, und solche, die abhängen von den Menschenkräften des ganzen deutschen Volkes. Was möglich war zu erfüllen, sofern es von unserem guten Willen abhängt, das haben wir erfüllt. Es war schmerzlich, ins⸗ besondere für die jetzigen Angehörigen der Reichswehr, die Be= dingungen des Ultimatums zu erfüllen. Der Auszug von verdienten Offizieren aus der Reichswehr durch die Reduktion der Armee, die Auslieferung der Waffen, der Geschütze, der Munition durch Zer⸗ störung des Materials war eine Aufgabe von einer Größe und auch pon einer Schmerzlichkeit für die Diener der ehemaligen Armee, die man unbedingt würdigen muß. Ich stelle nur fest, daß nach Annahme des Ultimatums alle Stellen der Reichswehr und ich habe mich an manchen Plätzen und durch manche persönliche Be— sprechungen überzeugen können mit bestem Willen erfüllt haben, was möglich war. Ich sage also, es ist unrecht, wenn man nun der Gesamtheit der Diener unserer Reichswehr irgendwie nach der Richtung hin einen Vorwurf machen will, sie hätten die Politik der Reichsregierung sabotiert. Davon kann keine Rede sein. Wir haben auch die Festungen im Osten entwaffnet, wie es vorgeschrieben war. Pünktlich und genau sind die Termine eingehalten worden. Vom deutschen Volk sind die Termine eingehalten worden, aber die Alliierten haben in der Erfüllung ihrer Termine sich bedenkliche Verzögerungen zuschulden kommen lassen. (Lebhafte Zustimmung.) Ein Zweites. Das Beamtenheer in Deutschland zerfällt in die Beamten des Reiches und in die der Länder. Die Länder ins—⸗ besondere haben die Justizhoheit, sie haben selbständige Justiz⸗ ministerien, und ich muß mich streng hüten, da Urteile zu fällen, wo dies Sache der Landesregierungen ist. Es ist Sache der Landes regierungen zu entscheiden, inwieweit sie glauben, daß in ihren Justizberwaltungen Mängel vorhanden sind. Wir werden ja in wenigen Tagen Gelegenheit haben denken Sie insbesondere an die Frage der Umbildung der preußischen Regierung im preußischen Abgeordnetenhaus darüber Debatten zu hören. Ich will nicht in den Fehler verfallen, diesen Debatten vorauszueilen. Aber wenn wir heute unser ganzes Beamtenheer in Deutschland überschauen, wenn wir ihre wirtschaftliche Lage, auch die wirtschaftliche Lage der Offiziere der bestehenden kleinen Armee wie der alten Armee, ansehen, so müssen wir natürlich auch manchen Unmut begreifen. (Sehr richtig! im Zentrum) Die wirtschaftliche Lage der Beamten denken Sie dabei nicht nur an die mittleren und unteren, denken Sie auch an die Notlage der höheren Beamten ssehr richtigh, macht es verständlich, wenn mancher Unmut entsteht, wenn manches harte Wort über den neuen Staat, über die Republik fällt. Manche wollen eben nicht einsehen, daß zwischen vorgestern und heute die ungeheuer liche Katastrophe des verlorenen Krieges steht. (Sehr richtig! in der Mitte und links) Das auf das Konto des neuen Staates zu setzen, was an großen Hoffnungen, an kulturellen Gütern, an Familien⸗ traditionen leider zerstört worden ist, ist die größte Ungerechtigkeit. Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links.) Meine Damen und Herren! Wir werden uns vielleicht in kurzem mit Fragen von gigantischem Ausmaß zu beschäftigen haben. Wir werden die Frage zu erwägen haben, wie wir bei all den ras chen, wucherischen Preissteigerungen von heute auf morgen weite Schichten unseres Volkes durch den kommenden Winter bringen wollen. (Sehr richtig) Ich glaube heute schon sagen zu können, daß die Stunde gekommen ist, wo wir für die mittleren Schichten, für diejenigen, die nicht mehr im Produktionsprozeß stehen, die nur iiber ein be⸗ scheidenes Einkommen auf Grund einer Lebensarbeit verfügen, sei es, indem es aus dem Kapital fließt, sei es, indem es aus Renten fließt, unter allen Umständen eine große Aktion der Hilfe vor dem Unter⸗ gehen unternehmen müssen. (Bravo! Zuruf von den Fmommu· nisten: Die Arbeitslosen) Dazu gehören auch die Arbeitslosen. Diese Aktion, meine Herren, ist dringlich und muß in kurzem, wenn der Reichstag wieder zusammentritt, Sie hier beschäftigen. Ich weiß, was ich damit ankündige: die Frage der Ausgabe von Milliarden Aber sie müssen gebracht werden trotz allem, was uns drückt, um in diesem Winter unser Vaterland vor den schwersten Schädigungen sozialer Arb zu bewahren. ö. ; Wenn . nun daran denke, daß auch in der Beamtenschaft gewiß weitgehende Verstimmung über die wirtschaftliche Notlage or- herrscht fragen Sie die höheren und höchsten Beamten des Reiches pie über eine zahlreiche Familie verfügen so muß ich doch eines anerkennen und ich anerkenne das, was ich ausführe, im Namen der gesamten Reichsregierung wenn wir in unseren Ministerien umschauen, wenn wir die Arbeit überblicken, die seit dem Tage des Zusammenbruchs geleistet worden ist, insbesondere wieder in den letzten Monaten, so haben wir allen Anlaß, dem ganzen deutschen Beamtenstande wegen seiner Leistungen Worte des Dan kes für dieses Wirken auszusprechen. (Lebhaftes Bravo in der Mitte und rechts) Wir müssen aber an die Beamtenschaft nicht nur die Bitte, nicht nur die Mahnung, sonderm die bestimmte Forderung richten, daß im Dienst und den Untergebenen gegenüber der Gedanke, daß etwa eine partei politische Agitation im Sinne der Unterwühlung der Republitł und bes Staates unternommen werden könne, keinen Platz haben . (Sehr richtig! in der Mitte und links.) Gegen derartige Umtrie . müssen wir gesichert fein. Wir können keinem unserer Beamten 6 ̃ j in Deutschland die Freiheit, sich politisch Herz sehen. Wir geben jedem in Der e 8 3 in irgendeinem Sinne zu äußern und zu betätigen (Unruhe er el. nationalistisch oder national das sind zwei a,,. . meine Herren! (Sehr gut bei den Soʒialdemok raten) Wir ge 9. shnen er auch die Freiheit, sich nakicnqglistisch zu fue. Wir gewähren auch denen Freiheit, die ein ge, nistisches Ideal auf demokratischer Grundlage durch Arbei j Eggemeinschaft erstreben. Eachen rechts) innerhalb der Volkegemeinschaft e ren , en, n,, Bundern Sie sich darüber, daß im neuen deutschen , , sowohl der Nationalist, der verstiegene Chaupinist, sich äußern 3. wie auch der andere, der einer nach unserer Meinung 1 Theorie nachhängt? Wir haben leinen Anlaß, irgend ö z. Mund zu verbielen. Nur gegen eins wehren wir uns, daß im . demokratischen Volksstaat der Appell an die Gewalt die a in einer solchen Frage bringen soll. (Sehr richtig! bei den Deutsch

man außerordentlich weit kommen bei noch so sehr gespannten

die Träger der Theorie der Gewalt, inshesondere gegen die, die den politischen Mord verherrlicht haben, muß sich die ganze Wucht der— jenigen Parteien richten, die die Verfassung von Weimar in der Tat nicht als eine Episode, sondern als ein großes Werk ansehen, das in schwerer Stunde unseres Vaterlandes geboren wurde. (Bravo

Ich habe während der letzten Tage noch die Verherrlichung zum Morde in rechtsgerichteten Organen gefunden. Auch die Kreuzzeitung war von solchen Anwandlungen nicht frei. Nein, meine Damen und Herren, der Mord in Griesbach war nicht die Tat eines Tell, nicht eine Tat, die irgendwie mit großen GEreignissen der Geschichte in Zusammenhang gebracht werden kann Zuruf), sie war eine Tat feiger Mordbuben. (Sehr wahr! links und im Zentrum. Zurufe links. Gegenrufe rechts.)

Meine Damen und Herren! Wir werden im Laufe der Debatte Gelegenheit haben, auf die heutigen Ausführungen noch zurück— zukommen. Die Politik, die wir in diesen Tagen miteinander fest⸗ zulegen haben, die getragen ist von der Sorge, ob wir den Winter überstehen können oder nicht, diese Politik apelliert an alle Kräfte unseres Volkes, die willens sind, neben der materiellen Wohlfahrt unseres Volkes auch dem politischen Ideal zuzustreben und die deutsche Republik vor Gewalt und vor Untergang zu bewahren. (Lebhaftes Brabo.) 3

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137. Sitzung vom 1. Oktober 1921, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *))

Präsident Löbe eröffnet bei schwach besuchtem Hause die Sitzung und teilt mit, daß der Untersuchungsausschuß für das Unglück in Oppau aus acht Personen bestehen solle. Er fordert die Fraktionen auf, je einen Vertreter zu benennen. Eine Interpellation der Deutschnatio⸗ nalen über den Stand der deutschen Valuta wird von der Regierung innerhalb der geschäftsordnungs— mäßigen Frist beantwortet werden.

Darauf wird die gestern abgebrochene Aussprache ü ber die innere Politik fortgesetzt. Mit den Interpellationen und Anträgen wird noch verbunden ein von den Kom mu niste n gingebrachter Entwurk eines Am nestiege letze 8.

Abg. Marx th, Der Gang der gestrigen Verhandlungen hat mich geradezu erschreckt. Wir Deutsche ringen um unsere Existenz und greifen nach dem Strohhalm, um uns zu retten und wieder zur Anerkennung in der Welt zu kommen. Wir wissen nicht, wie lange unsere wirtschaftliche Not dauern wird und ob wir der Gefahr Herr werden. Und in solcher Situation haben wir hier Zeit, uns die Köpfe heiß zu machen durch gegenseitige Be⸗ schuldigungen und Verdächtigungen. (Lebhafte Hustimmung.) Wir sind doch hier vereint, um gemeinsam des Volles und des Reiches Wohl und Wehe zu beraten (Zuruf: So müßte Wirth reden!), und dabei sollten wir doch Rücficht nehmen auf unsere Weltanschauung. Wenn jemand dem Ertrinken nahe ist, dann steht er sich nach einer Rettungsplanke um, und nach einer solchen Planke müssen wir jetzt bei den schweren staatlichen Krisen fassen. Wir sollten uns nicht mit München, sondern mit den gegebenen Tatsachen abfinden. Nach langen, mühsamen, opferhereiten Kämpfen in Weimar haben wir eine Verfassung für das Deutsche Reich mit großer Mehrheit angenommen. Mit gutem Willen kann

Gegensätzen. An dieser Verfassung müßssen wir festhalten⸗ wenn wir Ruhe und Ordnung im Innern bekommen sollen. Wir vom Zentrum haben mit aller Entschiedenheit daran festgehalten und lehnen zur Zeit jede Aenderung ab. Natürlich sind Verfassungen nicht für die Emwigkeit gegründet, aber es muß eine Zeit der Ruhe sein, und in ahsehbarer Zeit ist gar nicht an eine Aenderung der Verfassung zu denken. (Lebhafte Zustimmung). Wir werden namentlich allen Versuchen auf eine gewaltsame Aenderung ent⸗ gegentreten, und wir widersetzen uns diesen Versuchen mit aller Entschiedenheit und mit derselben Kraft, ob nun diese Versuche von rechts oder Links kommen. Von beiden Seiten sind sie gleich auti⸗ national. (Sehr richtig! Die Herren von der Deutschnationalen Partei nehmen für sich das Nationale in Anspruch und wollen als Hüter der Staatsordnung angesehen werden. Nehmen Sie (nach rechts) es mir nicht übel, Sie mögen guten Willens sein, aber einen Fehler haben die Herren, sie haben feinen Sinn für die realen Dinge, für die einmal gewordene Entwicklung der Tatsachen. Niemand verlangt eine Gesinnungsänderung, aber das muß die Republik verlangen, daß man ihre Verfassung anerkennt und hoch⸗ hält. Das ist eine einfache Notwendigkeit für den Staat. Geifall.) Es ist nicht richtig. was Herz Hergt sagte, daß durch die Verordnung von der deutschnationalen Partei verlangt werde, die Gesinnung zu ändern. Das würde direkt der Verfassung widersprechen, eine Gesinnungsänderung wird keineswegs durch die Verordnung er⸗ zwungen. Das eine aber hätten die Herren erkennen müssen: wie verträgt es sich mit nationaler Gesinnung, wenn in den Ihnen nahestehenden Zeitungen und in den von Ihnen herausgegebenen Broschüren von Anfang an bis in die neueste Zeit gegen vie Republik und gegen die Träger der öffentlichen Re⸗ gierungsgewalt, die nun mal auf durchaus verfassungs⸗ mäßigem legalen Wege in ihre Aemter gekonmgn sind, Sturm laufen, bald mit Hohn, bald mit Spott, hald mit Verleum⸗ dungen und Verdächtigungen aller Art, mit Anekdoten und Er⸗ zählungen? Sie vergiften das Volkshewußtsein (lebhafte Zu⸗ stimmung), sie vergiften die Seele des Volkes in weitzn, Kreisen und führen damit Gefahren für die Zukunft. herbei. Win haben doch nun einmal staatsrechtlich einwandsfrei das neue Deutsche Reich gegründet. Wer das Recht eines deutschen Bürgers in Anspruch nehmen will, hat für den Fortbestand des neuen Staates zu sorgen. und darf ihn nicht absichtlich herabsetzen und unterminieren. TLebhafter Beifall) Nun nennt man die Verordnung ein Ausnahmegesetz und vergleicht sie mit denr Sozialistengesetz. Ich will. mich be⸗ mühen, nicht boshaft zu werden, aber es hat für die Deutsch⸗ nationalen etwas überaus Bedenkliches, an Ausnahmegesetze zu erinnern. (Sehr richtig!! Es gibt kaum ein Ausnahmegesetz, an dem nicht gerade die Konservativen einen außerordentlich leben⸗ digen Anteil genommen haben. Die Verordnung ist gar lein Ausnahmegesetz im Sinne des Soʒialistengesetzes. Zuruf rechts: Aber die Anwendung! Darauf komme ich noch. Die Verordnung richtet sich nicht gegen bestimmte Personen und Klassen, Das Sozialistengesetz war ein Ausnahmegesetz, es richtete sich ganz naturgemäß gegen bestimmte Personen, Klassen und Einrichtungen. Diese Verordnung richtet sich aber gegen alle Staatsbürger, wenn die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt werden, wie An⸗ reizung zu gewaltsamer Beseitigung der republikanisch deme⸗ kratischen Verfassung, zu Gewalttaten gegen Personen des öffent⸗ lichen Lebens, zu Ungehorsam gegen die Gesetze. Ist etwa . frühere Staat ohne solche Verordnungen ausgefommen, der doch seit langen Jahrzehnten ruhig bestand, und in einem ganz neuen Staatswesen sollten wir ohne diese Verordnungen auskommen. Es sind. Vorschriften für außergewöhnliche Fälle, und . ein Notwehrgesetz des Staates. das er haben muß, soll er seine . . behaupten. Diese Verordnungen sind ausdrücklich als Notwe zx aftionen der Regierung aufgezogen. Nun sagt man, die Voraus setzungen dazu seien nicht gegeben. Hier brauche ich nur auf das gefttern mitgeteilte Materigl zu ver veisen. Es (in seiner Gesamtheit erschreckend, traurigerweise in Kreisen, die sich national nennen.

Von einer pflichtbewußten Regierung muß derartiges unter allen

Umständen zurückgewiesen werden. (Sehr richtig!! Schon seit

Monaten ist ganz bewußt und systematisch auf die Beseitigung im

öffentlichen Leben stehender Personen hingearbzitet worden, so daß

die Regierung verpflichtet war, einzugreifen, und ihre Pflicht verletzt

hätte, wenn sie die Verordnung nicht erlassen hätte. Der Reichs⸗

kanzler hat nur pflichtgemäß seines Amtes gewaltet, als er die

Verordnung dem Reichspräsidenten zur Unterschrift vorlegte.

(Beisall in der Mitte und links. Wir haben zu der Regierung

das Vertrauen, daß sie, wenn die Voraussetzung für den Erlaß

der Verordnung weggefallen ist, die Berordnung aufheben wird.

Wir schenken der Regierung und dem Reichskanzler das Vertrauen,; daß sie auf Grund der Verordnung gerecht vorgehen werden, und

sind bereit, die Regierung bei der Durchführung der Verordnung

zu unterstützen. Die Zentrumspartei steht, das kann ich hier er⸗

klären, geschlossen hinter dem Reichskanzler Dr. Wirth. Wir sind

auch der Ansicht, daß, nachdem die Vereinbarungen mit Bayern

zustandegekommen sind, kein Anlaß vorliegt, die Aufhebung des

bayerischen Ausnahmezustandes besonders zu beantragen. Un⸗

verständlich ist es mir, wie man dem ziesch Kan ler angesichts der

Verhandlungen mit Bayern den Vorwurf eines schwächlichen und

unrühmlichen Rückzuges machen kann. Wie denkt sich der Abg.

Hergt denn das Verfahren mit den Bundesstaaten? Soll einfach

von Berlin aus dekretiert werden, soll man über wohlerwogene

Gründe Bayerns einfach hinweggehen? Wir danken dem Reichs⸗

kanzler dafür, daß seine mühsamen Verhandlungen mit Bayern

zu einem guten Ende geführt haben. Ich komme nun zur Aus⸗

ührung der Verordnung. Wir verlangen, daß die Verordnung

völlig unparteiisch und gleichmäßig angewendet wird, sobald die

Voraussetzungen gegeben sind, und wir fordern, daß die Straf⸗

androhungen zur Anwendung kommen, ohne Ansehung der Person,

in gleicher Weise gegen rechts und links. Wer wollte leugnen,

daß unmittelbar nach dem Erlaß der Verordnung Fehler vor⸗

gekommen sind, so daß erlassene Verbote wieder aufgehoben werden

mußten. An die Instanzen, die mit der Ausführung der Ver⸗

ordnung zu tun haben, werden allerdings erhebliche Anforderungen

in bezug auf Urteilsfähigkeit gestellt werden müssen, um den

richtigen Weg zu finden. Wir denken gar nicht daran, ernsthafte Veranstaltungen, die der Pflege des Nationalbewußtseins dienen,

verbieten zu wollen. Aber solche Feiern müssen eben auch wirklich von reinem nationalen Einpfinden durchweht sein.. Aber es kann doch nicht gelengnet werden, daß man bei jo manchen angeblich nationalen Feiern das Empfinden nicht los⸗ werden konnte, daß mit ihnen etwas ganz anderes bezweckt wurde, als reines edles Nationalbewußtsein zum Ausdruck zu bringen. (Sehr richtig! in der Mitte und links. Auch das Tragen einer Uniform kann unter Umständen geradezu aufreizend wirken. Die Folgen der reaktionären Bestrebungen verspüren wir im Rhein⸗ fande ganz besonders. (Sehr richtig) Nach dem Mord an Erz⸗ berger hat die Entente erklärt, daß man wohl die wirtschaftlichen Sanktionen aufheben könne, nicht aber die militärischen. Sie zur Rechten) haben die Veranlassung dazu gegeben, daß die Entente so vorgeht. Es ist antinational, wenn Sie Anlaß zu Vorgängen geben, die uns in Paris und London vorgehalten werden. Es ist ein Mangel an Vernunft, zu vergessen, daß wir ein geschlagenes Volk sind. Wir müssen doch darauf Rücksicht nehmen und müssen uns ernsthaft überlegen, was wir tun. Wir müssen den Tatsachen Rechnung tragen. (Lebhafte Zustimmung in ber Mitte und links) Ich meine, in einer so gespannten Zeit wie der jetzigen, sollte man doch das Verständnis für Ruhe und Ordnung vorwiegen lassen und alles vermeiden was irgendwie aufreizend wirken kann. Die Herren von der Deutschnationalen Partei sollten doch einmal nachprüfen, ob man in ihnen nahe⸗ stehenden Kreisen tatsächlich vichtig vorgeht. Wenn ein Mann wie der General v. Heeringen sich genötigt gesehen hat, am 10. September ganz ernsthaft vor dem Vorgehen gewisser auf der rechten Seite stehender Organisationen zu warnen, gibt das doch zu denken. Die geradezu wahnsinnige Hetze gegen rzberger hat die Atmosphäre geschaffen, die schließlich zu Gewalttaten anreizen mußte. Wenn man derartige Beschuldigungen gegen Erzberger erhebt, wie z. B. die, er sei von der Entente bestochen worden, so mußte das naturgemäß Haß erzeugen. Wenn nicht bald ein Riegel vorgeschoben wird, können wir Folgen erwarten, die dem Erzbergerfall gleichzustellen sind. Wir vom Zentrum sind nicht ge—⸗ willt, um das Vaterland hochverdiente Männer Gefahren aus— setzen zu lassen. Wir halten die Aufrechterhaltung der Verord⸗ nung auch aus diesen Grunde für notwendig. Sehr richtig! im Zentrum. Ein Zwischenruf hat gestern die nationale Zuner⸗ lässigkeit des Reichskanzlers in Frage gestellt. Ich nehme an, daß dieser Zwischenruf unüberlegt und vom Augenblick eingegeben war. Aber gegen diese Verdächtigung erhebe ich doch namens meiner Freunde mit aller Entschiedenheit Widerspruch und weise sie mit Entrüstung zurück. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Der Reichskanzler ist in den Staatsdienst eingetreten auf wiederholtes lebhaftes, ja geradezu gewaltsames Drängen unserer Fraktion. (Sehr richtig! im Zentrum.) Es war kein Ehrgeiz von ihm, ebenso wenig wie bei Erzberger. Man muß doch beachten, mas das heißt, in so schwieriger Zeit die Zügel der Regierung in die Hand zu nehmen, wo es heißt, traurige und ernsteste Pflicht mit⸗ zuerfüllen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Dem Reichskanzler ist seine Ausführung über das Proletariat vorgehalten worden. Kenn das deutsche Volk aber rechts und links guse inanderfällt, so würde die Folge der Bürgerkrieg seint. Dieser Gefahr kann nur durch eine vernünftige und ruhige Politik der Mitte gesteuert werden. Das Zentrum hat seit jeher diese Politik vertreten. Zu= sammengesetzt aus verschiedenen Be rufsständen und Interessen, hat das Zentrum seit jeher seine politischen Entschlüsse für den Ausgleich der verschiedenen Interessen int Vaterlande eingesetzt. Wir haben eben die verschiedensten Stände und Berufe im Vater⸗ fande, damit müssen wir rechnen. Da kann eine stetige, ruhige Politik nur durch gerechten Ausgleich zwischen allen diesen Inter⸗ essen getrieben werden. Das Zentrum hat auch das Bestreben, daß in der Regierung diese verschiedenen Meinungen vertreten sind. Es kann fich ich stelle das mit Stolz und Genugtuung fest das Zeugnis ausstellen, daß es noch nie aus der Re⸗ ierung ausgetreten ist, sondern treu die schweren Lasten der Regierung immer weiter getragen hat alle Jahre hindurch seit der Revolution. (Sehr richtig! im Zentrum) Wir haben uns große Opfer auferlegt, und wenn noch einmal der Zentrumspartei der Vorwurf gemacht werden sollte, sie setze die Partei über das Vaterland, dann werden wir diesen Vorwurf nicht irgendwie zurückzuweisen brauchen, sondern dann werden wir die Blätter der Geschichte aufschlagen und zeigen, was Zentrums männer für des Volkes Wohlfahrt getan haben in drangvoll schwerer Zeit und wie sie die Pflichten auf sich genommen haben, die das Volk von ihnen verlangte. Das ist nationale Tat und treue Pflichterfüllung. (Beifall im Zentrum). Lediglich für meine Person sage ich, aber ich kenne auch die Stimmung meine Freunde, daß der Augenblick kommen kann, wenn diese Angriffe gegen leitende Männer des Zentrums so fortgesetzt werden wie in den letzten Wochen, wo wir sagen: nun ist unsere Geduld auch zu Ende. (Sehr richtig im Zentrum.) Dann mößsen andere, die es viel besser wissen, die Zügel der Regierung und die Arbeit übernehmen und sich diesen unangenehmen Konflikten aussetzen. Wenn das Vaterland uns ruft, wollen wir unsere Pflicht tun, aber es kann doch die Zeit kommen, wo auch der Mensch einmal in den Vordergrund tritt und das Pflichtbewußtsein sich sagt, daß man sich nicht herunterziehen lassen und dem Volk als Verräter hinstellen lassen darf, obwohl man für das Volt die größten Opfer gebracht hat. Der Augenblick verlangt Opfer von jedem von uns, zwar nicht die Aufgabe der UHeberzeugung, aber gemeinsames Verständnis für die verschiedenen We tanschauungen. Wir müssen uns die Hände reichen und gemeinsam den Gefahren gegenüber stehen als ein einig Volk von Brüdern. In glücklicheren Zeiten können wir unsere Widerstände ausfechten, aber angesichts unserer Gegner müssen wir sagen: wir wollen

i Ausnahme der durch Syerrdruck hervorgehobenen Reden

nationalen und auf der außersten Linken] Das ist der Kernpunkt. Gegen

1

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

politisch arbeiten und Opfer bringen; das ist schwer, aber die