1921 / 231 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Oct 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Not ist groß, und die Wo 3 ĩ ser es 1 i nt und das Glück unseres Volkes Abg. Thiel (S. Vp): Wir haben vom Standpunkt der Volks partei teinen Anlaß gehabt, in Zeiten 6 dagegen grundsãtzlich Einspruch zu erheben, daß durch außer- ordentliche Maßnghmen der innere Friede erhalten wird Vir haben aber die Verordnung des Reichspräsidenten mit starken Bedenken gelesen, weil uns die Fassung verschiedener Auslegung fahig schien und sie zur dann dem inneren Frieden dienen kann 2 sie mit größter Sorgfalt und Maßhaltung angewendel wird. Sehr wahr! wechts. Wir haben mit großem Schmerz gelesen, daß die Erläuterungen der zuständigen Stelle vor den Bressevertretern darauf hinausliefen, daß man wohl die äußere Form der Neutralität much rechts und links gewahrt habe daß der Reichspräsident aber keinen Zweifel daran lossen wolle daß die Verordnung sich ihrer Tendenz nach gegen die Rechts parteien 26 wie gesagt wurde, gegen die nationalistischen Kreise des Volkes richte. Wir glaubten erst an ein Mißverständnis und waren deshalb bestürgt, im „Vorwärts“ zu lesen? „Das Kichtigste an der Verordnung wird der Geist sein, in dem sie ausgeführt wird. Die Verordnung ist in der Form' neutral und richtet sich theoretisch gegen jeden, der die Republik angreift, aber die Umstände ihrer Entstehung beweisen deutlich, daß sie praktisch gegen den Rechts bolschewismus dient; wir zweifeln nicht daß das auch die Absicht der. Regierung ist.“ Mit dieser Faffung hätte man sich noch abfinden können, wenn man unter Rechts bolschewismus das verstanden hätte, womit unsere Fraktion nie etwas gemein gehabt hat und wovon auch der Führer der Deutsch⸗ nationalen gestern ostentativ abgerückt ist. Wenn aber der Begriff der Rechtsbolschewisten so ausgelegt worden ist, daß die Verordnung iich gegen die Rechtsparteien richtet, und wenn man sich die Verbote der Berliner Zeitungen ansieht, die sogar mit Ver— fehlungen von drei Blättern aus der Zeit vor der Verordnung begründet wurden, dann muß man doch fragen, ob nicht die ausführenden Behörden sich allzu leicht über eine einseitige Anwendung der Verordnung hinweggesetzt haben. In einem Falle ist ein Verbot erlassen worden wegen Abdrucks eines Aufsatzes aus der „Nationalliberalen Korrespondenz “. Der Lokalanzeiger wurde verboten, weil er und zwar mit abfälligen Bemerkungen eine Notiz gebracht hatte aus einem Blatt gegen dessen . Verbot selbst wir nichts einzuwenden hätten. Dieses Verbot des „Lokalanzeigers“ mußte jedem, der sich ein ruhiges Urteil be— wahrt hatte, als einsach unmöglich erscheinen, und ich bedaure aufs tiefste, daß die entscheidenden Stellen sich das ruhige Urteil nicht bewahrt haben. (Sehr wahr, rechts. Den Aus führungen des Reichs lauzlers gegenüber wollen wir uns mal mit einigen Bei⸗ vielen vor Augen halten, was in der Kommunistischen Presse an Verhetzungen geleistet wird. Danach werden wir erkennen, daß es Aufgabe der entscheidenden Stellen gewesen wäre, solcher Art 'der Verhetzung unter allen Umständen mit den Mitteln der Verord— nung ein Ziel zu setzen. In der „kommunistischen Jugendinter⸗ nationgle“ finden wir eine geradezu empörende Stelle worin das junge Proletariat aufgefordert wird, mit der Waffe in der Hand zu kämpfen. Es heißt dort: „Hexan an die Konterrevolution! R Auge, Knie auf die Brusti“ (Hört! hört! rechts Die „Rote Fahne hat in eißtem Artikel über die Demonstration in Berlin darauf hingewiesen, daß jemand auf dem Helm des Großen Kaisers. sitzend die Rote Fahne geschwungen habe. (Hört! hört! rechts.) Wer in solchen Handlungen und ihrer Verherr— lichung durch die Presse nicht eine Aufreizung, eine äußerst gefähr⸗ liche Störung des inneren Friedens erbfickt, der hat kein Gefühl für das, was in weiten Kreisen des Volkes Gott sei Dank noch an Ehrfurcht besteht für die Vergangenheit. (Lebh. Beifall rechts.) In dem Chemnitzer Kommunistenblatt wurde eine Hetze gegen w ahẽd⸗ betrieben, in dem Augenblick, wo alles darauf ankam, die sen Brand⸗ herd nicht noch weiter zu schüren. Redner zitiert entsprechende Sätze aus den Artikel des Blattes. Im Geschäftsordnungs⸗ Ausschuß des Preußischen Landtags, als es sich um die Genehmi⸗ gung zur Strafverfolgung gegen, den Abg. Friesland handelte ist festgestellt worden, daß die Bezirksleitungen von der komm! nistischen Zentrale ein Rundschreiben erhalten haben, worin fol— gendes steht: „In allen Bezirken, in denen Parlamentsmitglieder die unter dem Schutz der Immunität stehen, vorhanden find, haben diese für die im Bezirk erscheinenden Parteizeitungen als verantwortliche Redakteure zu zeichnen. Die Bezirks leitungen haben die Aufgabe, mit den in Frage kommenden Genossen sofort K i waf (Hört! hört! rechts.) * Hier wird also die Immunität der Abgeordnet ogenũ um dadurch den Bl äattern Schimpffreiheit zu geben, . 33 konnten in den politisch erregten Zeiten nicht verboten werden, während Blätter der Rechtsparteien in weitestem Maße verboten dorden sind und. auch selbst nach erfolgter Untersuchung diese Verbote als seichecht bestehend erkannt wurden. Aber nicht hlo die kommunistische und unabhängige Presse hat in dieser X gehetzt, sondern auch in einem, Aufsatz des Hauptorgans der Sozial⸗ demokratie, der von einem Mitglied dieses Hauses verfaßt ist, heißt 85 U. a.. „Wenn die Helfferich, Ludendorff und Graf Westatp erst Bekanntschaft mit der Laterne gemacht hätten“ (Hört! hört! rechts) und weiter:. „Wir sind viel zu anständig, diesem Gesindel gegen⸗ über gewesen (Ghört hört! rechts). Wenn an diese Aufforderung, jemand an den Laternenpfahl zu hängen, die Bemerkung geknüpft wird, „weg mit dem Gesindel“, so kann ich nicht anerkennen 26 , Sie (zu den Sozialdemokraten) berechtigt waren sich über Lor setze bei anderen zu beschweren. (Lebh. ustimmung rechts.) Nun wende ich mich zu dem Vorgehen der zuftändigen Stellen gegenüber öffentlichen Verxanstaltungen der Deut schen zolkspartei. In Hannover wollte die Ortsjugendgruppe der dortigen Dentschen Volkspartei eine Sedanfeier veranstalten, auf telephonische Anfrage antwortete der Oberpräsident Noske, er könne die Iren t n nicht verbieten, rate aber der Partei, jede Serausfoderun ! unterlassen. Schließlich beschloß man, die Feier . ö engeren Kreise zu veranstalten. Am September burt aber die Sozialdemokratie eine sozialdemokratische . veranstalten mit großem Festgepränge unter gitfahr an voter Fahnen, deren antirepublikanischer Charakter . Reichsfahne gegenüber doch etont werden müß . . r er . in anderen Stãdte n ung vieler Kreise nicht gerin ĩ ine sghale Anwendung. gerechnet hatten. 8 . Denn emen Chemnitz die zuständige Behörde einen vom Jugendbund der deutschen Volkspartei geplanten Lichtbilder vortrag verboten . über den Friedensvertrag handeln sollte. Begründet wurde das , . damit, daß es bei der aufgeregten Stimmung der Arbeite? massen zu Unruhen kommen könnte, da die Veranstalter reaktlo⸗ näre, Gesinnung erkennen ließen. Wenn man die Aufklärung über die 6 Hes Friedensvertrages, die in diesem Hause von fast allen Partüien gebilligt ist, als reaktionäre Maßnahme be⸗ zeichnet, dann weiß ich nicht, wie man unser Volk dazu erziehen soll, die Tasten zu tragen, die zur Erfüllung des Vertrages ot. wendig sind, (Beifall rechts Die Gründe, wesche für die Ver⸗ ne. . werden, sind ganz unzureichend und nur diktiert von der tücksicht auf die Masse. Es scheinen nur solche Vortrãge zugelassen zu werden, die einer günstigen Beurteilung der Links= ref sicher sind. War es denn nicht richtiger, die angedrohten Demonstrationen zu verbieten, als die . Versammlungen gegen welche die Demonstraitonen sich richten sollten? Verboten , . 3. B. die „Jugendtagung des Deutschnationglen Handels⸗ ver andes in Thüringen. Die vorgesehenen Vorträge sollten die Befürchtung nahe legen, den inneren Frieden zu stören. Fest⸗ gelegter Leitsatz der Vorträge war: Die Kaufmannsjugend will zu ganzen Mannern werden, will an sich arbeiten durch ihre Arbeit im Leben und Beruf und in der Gewerkschaft unserem Volt dienen dem sie sich aufs innigste verbunden fühlt. (Hört! hört!) Wer das verbietet, der hat die Ruhe und Besonnenheit ver⸗ loren, die in so aufgeregten Zeiten nötig ist. Gegen das Verbot wurde Einspruch erhoben. Der Reichsminister des Innern ent⸗ schied seine Aufhebung, diese erfolgte aber in Thüringen nicht.

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nehmen? Die Disziplin in den Massen hat sich vollkommen ge⸗

Verstöße

. mit Stegerwald! Nänner niedergeschrien, die auf verfassungsmäßigem Wege in die , . gekommen ann 7 ; in Cuxhaven, in Kiel, wo gegen die verfassungsmäßi tz⸗ ö geg rfassungsmäßige schwarz gegangen wurde, lösen im Volke eine Stimmung aus, daß man nicht versteht, warum dagegen ; ; griffen wird. In nichtsoziaglistischen Kreisen hat man alle Auf— reizung vermieden, hat unzählige Veranstaltungen, die im Freien stattfinden sollten, in geschlossene Räume verlegt, man hat die schwarz⸗ weiß roten Fahnen eingezogen, aber wir müssen fordern, daß solche Rücksichtnahme nicht zur Regel werden muß und daß 21 ersash ge bighn Rechte nicht mir einem Teil des Volkes alten Soldaten, die nur die Kameradschaft pflegen und zur Eini⸗ gung des Volkes beitragen wollen, sind gleichfalls ö Schwie⸗ rigkeiten gemacht worden. Die Deutsche Volkspartei hat angesichts . k ö . durch die Linksradikalen an g die Interpellatio ich ie sie die i . pellation gerichtet, wie sie die bürgerliche ichern will. Der Abg. Dittmann sagte gestern auch die Deutsche Volkspartei habe es verurteilt, daß die Deutschnatio nalen . Morde an Erzberger gehetzt hätten. schließt sich aber keineswegs der Auffassung an, da Deutschnationale Volkspartei in Anklagezustand ö. weil sie zu diesem Morde gehetzt habe. . Deutschnationalen seien schuld an Erzbergers Tod. alle rernstesten Besorgnisse, wenn mit? derartigen, alles Maß über⸗

. ö gefährlichster Weise vergiftet wird Sehr richtig! rechts.) politischen Brunnenvergiftung wehre und noch ärf 3 bi

; ziftu h schärfer als bisher den Kampf gegen rechts führe. Vom are , e, ,, punkt aus konnte Herr Scheidemann mit der Rede des Reichs⸗

man viel ungünstigere Schlüsse daraus ziehe

Ziel einer Kanzlerrede . Důiehf unse rem politischen Zustande voranstellen. Der Reichskanzler hätte den wilden Ausschreitungen

handhabenden Behörden Einhalt gebiet üss j

1 e halt ge

und Schatten auf alle ,, . Eindruck nicht entziehe , J . ichen, daß aus dieser Rede mehr der Partei⸗ Die Rede des nigen, die erwarteten, daß der oberste Beamte Re; ; Ausschreitungen von links ö o r ,

sollen, die durch texroristische Gewaltakte so großen, ihre Existenz

niederschmetternden Eindruck machen, wenn d i i iederschn zen, er Reichskanzler nicht ein einziges Wort der Verur e ver 38 i J rteilung des Revolverattenttats in 3 gerichtet. des Versprechens einer Abänderun des Ver 5 Tragens den Uniform erscheint uns dringlich. z , , m ,,, den Mittelstand begrüßen wir. . über das ätte ich vom Reichskanzler auch ein Wort gebs tei ichen gegen dd e g Richtertum. e n ., ,, er den Schutz der Republik behalten wi 5 . ir uns vor, und . J inverstanden, daß der Antrag dem Ausschuß über⸗ solch präsidenten,

25. Stiftungsffest mit Kommers und Ball begehen. In weit⸗ gehendstem Maße war Rücksicht darauf genommen worden, daß diese Tagung unter keinen Umständen irgendjemand verletzen könnte. Als die erste Veranstaltung vor ich gehen sollte, erlebte nan es, daß Volksmassen von dem Saale Besitz eigrijfen hatten. Andere beschimpften auf der Straße die Teilnehmer. Die Polizei versagte vollständig. Der Ball mußte abgesagt werden, weil ein Herr auf der Polizei zu Protokoll gegeben hatte, wenn er nicht verboten würde, würde er durch die Flrbeiterschaft gesprengt werden. (Hört! hört! rechts, Zurufe links. Man sieht, wie sicher sich diese nicht auf dem Boden der Verfassung stehenden Kreise sind. Die anitlichen Organe haben entweder nicht den Willen oder nicht die Macht, friedliche Bürger im Rahmen der Verfassung und selbst der Verordnung zu schützen. In Frankfurt a. Oder, in Guben und in unzähligen anderen Städten ist Aehnliches vorgekommen. Als Grund wußte man immer nur das eine an— zuführen, daß die Veranstaltungen aufreizend wirken könnten. Dazu kamen die Störungen von erlaubten Veranstaltungen, gegen⸗ über denen die Selbsthilfe der Arbeiterschaft unter den auf— reizendsten Redensarten angedroht wurde. Vor allem sind hier die Vorgänge in Potsdam zu erwähnen, wo die dorthin beorderten Massen die zur Versammlung sich begebenden jungen Leute mißhandelten und schließlich zwei unbeteiligte Reichswehr⸗ soldaten angriffen. Noch empörender war das Ereignnis in Will⸗ mersdorf bei Bernau, wo das einzuweihende Kriegerdenkmal zer⸗ stört und Leute im Silberhaar halbtot geschlagen wurden. (Pfui⸗ rufe rechts, Lärm links.) Der Redner führt weitere Beispiele von Störungen und Verboten volksparteilicher Veranstaltungen an und bemerkt dazu; Wohin wir auch sehen, überall dasselbe Bild. Die behördlichen Organe haben es in den meisten Fällen nicht für notwendig erachtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutze friedlicher Bürger zu treffen. Ein Erntefest auf einem ländlichen Orte wurde durch radikale Elemente gestört, die Teilnehmer wurden verhöhnt und verspottet und schließlich griff man sich einige Landleute heraus, denen man ein rotes Tuch ümband und sie so durch den Ort führte. (Hurufe rechts: Pfui Teufel ) Es erscheint geradezu lächerlich, in wie weitgehendem Maße bei ähnlichen Vor⸗ fommnissen die Polizeibehörde dem Willen der Masse entgegen⸗ kommt. Ein solches Verhalten der Behörden zeigt, daß sie nicht fähig sind, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Der Redner kommt dann auf die anläßlich der Preissteigerung der Lebenesmittel herrschende Erbitterung der Stadtbevölkerung gegen die Landwirte zu sprechen und richtet an die Regierung die dringende Aufforderung, für ausreichende Aufklärung der breiten Massen über die wahren Gründe der Teuerung zu . Von einer Bewucherung durch die Landwirte könne im allgemeinen nicht die Rede sein. Von den Sozialisten werde nicht nur in der PBresse, sondern auch in öffentlichen Reden eine starke Hetze gegen rechts getrieben, die von außerordentlich schädigenden Folgen sein muß. Der Redner führt verschiedene Beispiele für diese Be⸗ . an und weist besonders auf die Vorkommnisse im Siegerlande hin, wo durch die Stillegung von Elektrizitäts- und Gaswerken durch demonstrierende Massen ein Schaden von vielen Millionen Mark angerichtet worden sei. Man sähe also, daß Kundgebungen der linken Seite außerordentlich tief in die wirt— schaftliche Existenz eingreifen und dadurch der Möglichkeit der Er— füllung der uns auferlegten Lasten immer neue Schwierigkeiten in den Weg legen. Welche Maßnahmen will die Regierung er⸗ greifen, um die Geschädigten zu entschädigen? Wie vermögen die Linksparteien die Verantwortung für solche Vorgänge zu über⸗

lockert. Ein Demonstrationszug mit roten Fahnen und Sowjet-⸗ sternen in Schwerte in Westfalen verlangte die Absetzung be⸗ stimmter Polizeibeamten und ließ sogar Rufe erschallen, die auf eine Tötung dieser Beamten hinausliefen. (Hört, hört! rechts.) Es müssen durchaus Maßnahmen ergriffen werden, um solche. zu vermeiden und ihnen vorzubeugen. Bei einer

bessert werden kann, wenn

und Herren! große Fülle von Einzelvorkommnissen der letzten Wochen vorgebracht. Ich habe nicht die Absicht, auf alle diese einzelnen Vorgänge hier zurückzukommen. Ich bin dazu auch schon deswegen nicht in der Lage, weil es vielfach Angelegenheiten sind, die vor das Forum der einzelnen Landesregierungen gehören. hohen Hause vor, in denen über die Ausschreitungen, von denen der Herr Vorredner sprach, Auskunft gefordert wird. Material über diese Anfragen von den Landesregierungen erfordert. Es ist mir bisher nur zum Teil zugegangen. Sobald es mir voll— ständig vorliegt, wird es, wie sich versteht, dem hohen Hause mit—⸗ geteilt werden. ö

Ich habe nur die Absicht, auf das, was der Herr Vorredner aus— geführt hat, mit ein igen kurzen allgemeinen Bemerkungen zu ant worten. l; J Der Herr Vorredner hat ohne Zweifel darin vollkommen recht, daß in den letzten Wochen sich zahlreiche Vorgänge zugetragen haben, die für jedermann, mag er mehr rechts, mag er mehr links stehen, außer= ordentlich beschwerlich und bedrückend gewesen sind. Unser öffent⸗ liches Leben ist aufs äußerste aufgewühlt gewesen, und wir haben in einer großen Zahl von Orten mißliche und überaus unliebsame Ge— schehnisse erlebt. Aber wir wollen doch auch der Pflicht der Objek. tivität nachkommen und uns darüber klar sein, daß wir alle diese imliebsamen Vorkommnisse allein der Untat von Griesbach zu ver= danken haben. (Sehr wahr! links und in der Mitte. Erregter Widerspruch bei den Deutschnationalen Was haben wir im vorigen Jahre aus Anlaß des sogenannten Kapp-Putsches erlebt? Zurufe rechts) Lassen Sie mich bitte ruhig sprechen. Als der Kapp— Putsch damals vor sich ging, haben wir die Folgeerscheinung erlebt, daß eine Linkébewegung auftrat, die weit darüber hinausging, den von rechts kommenden Putsch abzuwehren. Das ist immer in solchen Lagen der Fall. Wenn die äußersten Extreme von rechts eine gewalt tätige Unternehmung machen, sei es in der Form des Putsches, sei es in der Form des Attentats, so ist immer die Folge, daß in den Kreisen der Arbeiterschaft die Besorgnisse wachsen und daß dann un⸗ besonnene Elemente über die notwendigen Abwehrmaßregeln hinaus

1

einzelner Volkskreise. Nur dann ist damit zu rechnen, daß unser. Stgarsautorxität start bleibt und unsere innerpolitische Lage ge, wir die Gesinnung mehr in der Richtung einer ruhigen Duldsamkeit auch gegenüber dem politischen Gegner erziehen. Wir Verfassung die arbeitswilligen Volksgenossen sich zusammenfinden und die politischen Parteien zusammenarbeiten können. an seinem Teil soll alles daran setzen, um die augenblicklich wieder mit Elektr zität geladene Stimmung hüben und drüben zu ent spannen.

verstehen. gegen unterbleiben, denn die Erinnerung an die Fahne, unter der

jemand im Felde gestanden hat, kann nicht durch Verbote und scharfe Gewaltakte aus dem Herzen gerissen werden. politischer Gegner der Sozialdemokratie würde es unter keinen Umständen den Sozialdemokraten verwehren, wenn sie neben der Reichsflagge ihre rote Fahne noch hochhalten. Wer andere Ideale im Herzen trägt, den darf man nicht als Lump und Landes verrater ansehen, stellt.

lauben, daß nur auf dem Boden der

Jeder

Die Linke muß die Rechte, die Rechte muß die Linke

Die Hetze gegen die schwarzweißrote Fahne müßte

Ich als

wenn er sich auf den Boden der Verfassur

Vena?) . Reichsminister des Innern Dr. Gradnauer: Meine Damen Der Herr Vorredner hat im Verlauf seiner Rede eine

Es liegen mehrere Anfragen aus dem Ich habe das

sozialistischen Kundgebung an der Porta Westfaliea ist die Autori⸗ ts: strei ĩ ; ñ tät des Staates durch die Beschimpfung der Träger verantwort⸗ . . ö

licher Aemter angegriffen worden, es wurde gerufen: „Weg mit der bayerischen Regierung! Weg mit der ö Regierung! Nieder mit der Reaktion“ So werden

Aehnliche Vorgänge

Handelsflagge mit gefährlichen waltakten ö.

nicht in schärfster Weise einge⸗

werden. Den kameradschaftlichen Vereinigungen der

und Vrsammlungsfreiheit schützen und das Eigentum

Die Deutsche Volkspartei

man die ü ; tzen müsse, Wir weisen das mit Ent⸗ behauptete, die

zurück. Der Abg. ir haben die

Scheidemann

chreitenden Zumutungen die politische Atmosphäre in diesem

Scheidemann erwartete vom Reichskanzler, daß er der

anzlers zufrieden sein, aber vom allgemeinen Standpunkt muß . Was müßte das Die Regierung müßte bei das Einigende dem Trennenden

er Massen und den die Staatsgewalt nicht mehr unparteiisch

Teile des

—— ö ) Volk 8 i 7 Sehr richtig! rechte es gleich verteilen

Man kann fich aber dem

istaatsmann sprach. (Sehr richtig! rechts Reichskanzlers war eine . fürchte

reitu vo ts r Der Reichskanzler at mit keinem Wort erwähnt, wie diejenigen ,,, edrohenden Sachschaden erlitten

haben. Es kann nur einen

n hat. Seine Rede hat sich ausschließli Lebhafte Zustimmung rechts.) 3. e fr

Die angekündigte Hilfsaktion für Die Ausführungen des Reichs⸗ eamtentum berühren sympathisch. Sehr gern

Unsere Stellung zu dem

Wir versprechen uns aber nicht allzuviel von einem

en Gesetz und auch nicht von Verordnungen des Reichs⸗

Die Ortsgruppe Chemin des genannten Verbandes wollte ihr

autorität nicht untergraben wird durch systemgtische Ter yoratte

wenn nicht dafür gesorgt wird, daß die Staatz⸗

in den letzten Wochen nicht vorgekommen wären, wenn eben nicht die fluchwürdige Tat von Griesbach geschehen wäre. (Sehr wahr! links und in der Mitte. Crregte Zurufe bei den Deutschnationalen) Nein, meine Herren, das möchte ich ausdrücklich sagen, das ist eine grundfalsche Auffassung und eine Verkehrung der Wahrheit, wenn Sie immer in Ihrer Presse schreiben und hier immer behaupten, daß die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten den Anlaß für diese Vorkommnisse gegeben hätte. Nein, die von einem Teil Ihrer Gu den Deutschnationalen Richtung veranlaßte Gewalttätigkeit von Griecbach, sie hat die Verordnung des Reichspräsidenken erst not. wendig gemacht. (Lebhafte Zustimmung links und in der Mitte. Erregte Zurufe rechts) Ich spreche hier, von dem ehrlichen Willen geleitet, die Erhitzung der Geister nicht zu vermehren. lebhafte Zurufe von den Deutschnationalen) Man kann ja keinen ö aussprechen, ohne daß Sie in leidenschaftlicher Weise dazwischen⸗ ahren. eine Hetze! Lebhafte Gegenrufe n,, Der Herr Abg. Thiel hat sich nun dahin ausgesprochen, daß die Handhabung der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten eine solche gewesen sei, daß es hätte scheinen müssen, als sei sie gegen alle diejenigen gerichtet, die nicht zu den Regierungsparteien gehhren. Das hat weder in der Absicht der Reichsregierung gelegen, noch ist es auch derart gewesen. am 1. September ich hatte an ber Herausgabe der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten persönlich nicht mitgewirkt, ich war bamals nicht in Berlin hört, hört! und Zuruf won den Deutsch— nationalen: Das ist verfassungsmäßiges Regimeh, daß ich am 4. September, nachdem ich zum ersten Male Gelegenheit hatte, im Reichsrat über die Dinge mich zu äußern, bereits ausdrücklich erklärt habe, daß nach meiner Auffassung die Verordnung sich nicht gegen Parteien richten solle, sondern gegen Elemente, die in der Weise sich verhielten, daß dadurch der öffentliche Friede schwer gefährdet werde. Ich habe an einer anderen Stelle meiner bamaligen Aus— führungen gesagt, ich wolle die Verordnung in allen den Fällen zur Anwendung bringen, in denen ich glaube, daß in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise vorgegangen wird, in allen den Fällen, von welcher Seite es auch sei. . . ö Meine Herren! ich mich habe leiten lassen, als mir bie schr unangenehme Aufgabe übertragen war, diese Verordnung zur Durchführung zu bringen Vört, hört! bei den Deutschnationalen) Ja, meine Herren glauben Sie denn, es machte irgendeinem Menschen Vergnügen, solche Dinge zu betreiben, mit denen sich leider unser deutsches Volk jetzt allzu r . fu Glauben Sie denn, daß es einem Manne, er sein Leben lang im Zeitungswesen macht, Gazetten zu genieren. , , ,, freiheit gezeitigt hat und die Gefahren, die von gewisser Seite herauf beschworen wurden, haben leider die ; i J se Verordnung und ihre Aus. Ausnahmegesetzen. die sie herausfordern. Glocke des Präsidenten.)

Emeute

(Fortgesetzte Zurufe von den Deutschnation alen: Das ist

1 J,. ö

Ich möchte daran erinnern, daß ich bereits

Das sind die Grundsätze gewesen, von denen

Aber die Ausartungen, die die Preß⸗

macht. Kein Mensch hat Freude an solchen Die allein tragen die Schuld an solchen Dingen, (Sehr wahr! links. Gegenrufe rechts. =

(Fortsetung in der Zweiten Beilage)

Arbeiterpartei Deutschlands“, nicht wieder aufgehoben worden. Meine

zun Deutschen Reichsanzeiger und

Nr. 231.

Gortsetzuxg aus der Ersten Beilage)

Dr. Gradnauer, Reichsminister des Innern: Meine h Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Thiel hat einige Einzel⸗ fragen behandelt. Er hat die kommunistischen Zeitungen erwähnt und ö Aeußerungen dieser Blätter zitiert, in denen zur Gewalt aufgefordert . wird. Ich kannte bisher die erwähnte Aeußerung eines „kommunistischen Jugendblattes“ nicht. Wenn sie mir aber bekannt geworden wäre, kann es für mich kein Zweifel sein, daß sie unter die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten gefallen wäre und daß dagegen vorgegangen werden müßte. Es ist gar kein Zweifel, daß die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten durch das Treiben der sogenannten rechtsbolschewistischen Organe veranlaßt worden ist. Nachdem die Verordnung da war, war es meine Pflicht und die Pflicht der Behörden, die Verordnung gegen jeden anzuwenden, der gegen sie verstieß. Das ist auch von mir aus geschehen. Ich habe in einer ganzen Anzahl von Fällen zu meinem großen Bedauern zum Verbot kommunistischer Blätter schreiten müssen. (Zurufe rechts.) Bitte sehr! Daraufhin sind und ich begrüße das Vertreter der kommunistischen Partei zu mir gekommen, haben mit mir eine Aussprache gehabt und haben mir gesagt, sie seien selbst der Auf⸗ fassung, daß persönliche Beschimpfungen und Aufforderungen zur Ge⸗ walt nicht in ihre Presse hinein sollten. Die Herren haben mir die Zusicherung gegeben, hierfür zu sorgen. Daraufhin habe ich eine Milderung hinsichtlich des Verbotes verschiedener kommunistischer Blätter veranlaßt, nicht für alle Blätter. Es sind auch Verbote einiger Blätter, besonders von der sogenannten „Kommunistischen

Damen und Herren! Ich kann mich nur darüber freuen, wenn sowohl auf Seiten der extremen Rechten wie auf Seiten der extremen Linken ein sachlicher Ton in der Presse Platz greift, so daß es nicht mehr notwendig ist, die Verordnung überhaupt zur Anwendung zu bringen. Ein anderes Moment will ich aus der Rede des Herrn Ab— geordneten Thiel herausgreifen. Er hat eine Aeußerung einer sozia⸗ listischen Korrespondenz vorgebracht, in der ausgeführt sein soll, daß es bedauerlich sei, daß die Führer der Kriegszeit, Männer wie Tirpitz und andere, damals nicht mit Gewalt beseitigt worden seien. Ich erinnere mich dieses Artikels auch. Ich habe ganz unzweifelhaft in der Erinnerung, daß der Sinn dieses Artikels ein ganz anderer war (Widerspruch rechts), als es der Herr Abgeordnete Thiel auf Grund des aus dem Zusammenhang genommenen Zitates hier dargelegt hat. Ich stelle ausdrücklich nach meiner Erinnerung fest, daß in jedem Artikel ich glaube, er war in der „Sozialistischen Korrespondenz“ veröffentlicht worden ausdrücklich erklärt wurde, daß jede Gewalt auch für die Gegenwart abgelehnt wird. (Hört, hört! bei den Sozialisten. Große Unruhe und Zurufe rechts.) Meine Damen und Herren! Was nun die allgemeine Hand— habung der Verordnung betrifft, so ist meine Meinung darüber folgende. In den ersten Tagen dieses Monats, noch unter dem unmittelbaren Eindruck der furchtbaren Tat von Griesbach und bei der Befürchtung, daß uns für die allernächste Zeit noch schwere Gefahren entstehen könnten, ist allerdings an manchen Orten in einer Weise gegen Zeitungen und auch gegen Versammlungen vorgegangen worden, die man nachher, als die Wogen sich mehr geglättet hatten, nicht mehr für notwendig hielt. (Erregte Zurufe rechts.) Meine Damen und Herren! Es ist auch vollständig begreiflich (andauernde lebhafte Zurufe von den Deuischnationalen) aber, meine Herren, ich muß mich außerordentlich wundern, wie diese Herren von rechts jetzt mit einer unglaublichen Leidenschaftlichkeit für die Preßfreiheit und die Redefreiheit eintreten (wiederholte Zurufe und Unruhe rechts), die Herren, die jahrzehntelang eine brutale Ausnahme⸗ politik vertreten haben. (Entrüstete Zurufe von den Deutschnationalen.) Das können Sie doch nicht leugnen! (Große Unruhe bei den Deutsch⸗ nationalen. Rufe links: Heuchler! Glocke des Präsidenten.) Reichsminister des Innern Dr. Gradnauer: Meine Damen

ausdrücklich bemerkt worden, daß bei leichteren Verstößen der Erlaß einer Verwarnung zu emfehlen sei.

sprechungen mit den Veranstaltern versucht werden, dahin zu wirken, s daß Burgschaften für einen gesetzmäßigen Verlauf der Versamm⸗ lungen übernommen werden, damit von einem Verbote abgesehen

werden kann.

zwischen den Veranstaltern und zwischen den Vertretern der Arbeiter⸗ schaft die Dinge geordnet worden sind und dann auch einen guten Verlauf genommen haben.

darauf hingewiesen worden, daß die Tatsache, daß unruhige Elemente eine Veranstaltung stören wollen, keinen Grund für ein Verbot ergeben kann, daß es vielmehr in diesen Fällen Pflicht der Polizei⸗

gleichen grundsätzlich nicht zu verbieten sind. Ferner ist dabei erklärt worden, daß die Benutzung der schwarzweißroten Farben allein ein

Sweite Beilage

Preußischen Staatsanzeiger

221

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Hinsichtlich der Versammlungs—⸗ erbote ist den Ortspolizeibehörden zur Pflicht gemacht worden, zu⸗ ächst sorgfältig zu prüfen, ob wirklich die Besorgnis bon Erörterungen er nach 5 4 verbotenen Art besteht. Es soll möglichst durch Be!

r Meine Herren, ist möchte auch zu meiner Freude feststellen, daß n sehr vielen Fällen, wo zunächst Veranstaltungen bedenklich er— chienen waren, dann doch durch eine gütliche, verständige Aussprache

Es ist ferner in den erwähnten Rundschreiben ausdrücklich

behörde ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutze der Ver— anstaltungen zu treffen. Dabei ist auch betont worden, daß landwirt⸗ schaftliche Veranstaltungen, Bauernpferderennen, Erntefeste und der⸗

Verbot nicht rechtfertigen kann.

Meine Herren, ich glaube, daß aus diesen Richtlinien hervorgeht, daß sich das Reichsministerium des Innern aufs äußerste bemüht hat, die Schwierigkeiten, die sich gezeigt hatten, möglichst herunter⸗ zudrücken, möglichst auszugleichen. Ferner haben ja auch die be— troffenen Personen die Möglichkeit gehabt, sich an den Beschwerde— ausschuß des Reichsrats zu wenden.

Wenn ich noch einige Worte über das Kapitel der Aus⸗ schreitungen sagen soll, von denen der Herr Vorredner gesprochen hat, so kann ich nur sagen, daß das, was da vorgekommen ist, soweit es erwiesen ist manches ist ja auch phantastisch übertrieben worden (Sehr richtig! links) und entspricht überhaupt nicht der Wahrheit —, aber soweit diese Dinge wirklich vorgekommen sind, soweit die durch die Behörden angestellten Ermittlungen dazu führen werden, daß sich die Dinge so verhalten, wie sie der Herr Vorredner dargestellt hat, so kann gar kein Zweifel darüber sein, daß solche Dinge aufs ent— schiedenste mißbilligt werden müssen.

Meine Herren, der preußische Herr Minister des Innern und auch andere Regierungen haben ja Anweisungen gegeben, damit diese Er⸗ scheinungen beseitigt werden, damit der Schutz solcher Veranstaltungen, die berechtigt sind, die sich in geordneten, friedlichen Bahnen bewegen, unbedingt gewährleistet wird. Ich für meinen Teil richte gerade auch an die Arbeiterschaft das lebhafte Ersuchen, daß sie alles dazu bei⸗ tragen möge, wie es ja auch schon seitens der Gewerkschaften und der politischen Parteien der Arbeiterschaft geschehen ist, um die un⸗ besonneren Elemente zu zügeln und sie vor solchen Ausschreitungen zu bewahren. (Abg. Graf v. Westarp: In Görlitz ist das Gegenteil geschehen Denn, meine Herren, darüber wollen wir uns klar sein, solche Ausschreitungen, wie sie hier und da bedauerlicherweise vor⸗ gekommen sind (Zurufe rechts: In Görlitz, sind nur Wasser auf die Mühlen jener Herren rechts, und das kann nicht die Absicht der Arbeiterbewegung sein, durch Gewaltakte, durch terroristische Aus— schreitungen das öffentliche Leben zu beunruhigen (Hurufe rechts: Ist

in Görlitz geschehen) und reaktionäre Bestrebungen zu unterstützen. Nein, meine Herren, mit Selbsthilfe terroristischer Art soll von keiner Seite gearbeitet werden, und es ist die unbedingte Pflicht der Behörden, daß sie dafür Sorge tragen, daß solche Akte verhindert werden. Es ist die Aufgabe des Staates, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Meine Herren, das ist in der heutigen Zeit nicht leicht. (Zurufe rechts) Ja, bei der Art, wie Sie oder vielleicht nicht zu Ihnen gehörende, aber rechts von Ihnen stehende Kreise sich bewegt haben, ist es nicht leicht, die Ruhe und Ordnung im Staate aufrechtzuer⸗

und Herren! Ich habe mich bemüht, nach Möglichkeit eine über⸗ mäßige oder gar ungerechte Handhabung der Verordnung des Reichs

präsidenten zu verhindern. Soweit es irgend möglich war, habe ich Verbote, die mir nicht berechtigt erschienen, aufgehoben. Allerdings,

meine Herren, will ich dabei sagen, daß ich dabei nicht zu weit gehen durfte, weil ich auch auf die Landesregierungen Rücksicht zu nehmen

hatte. Wir haben ja gerade auch in den Verhandlungen mit Bayern gesehen, wie schwer es ist, die Verhältnisse in jedem ein zelnen Lande pollständig zu überschauen. Sehr richtig! rechts) Es ist daher von mir nach Möglichkeit vermieden worden, in solchen Fällen, wo in diesem oder jenem Lande ein Verbot eingetreten ist, das ich persõnlich vielleicht für nicht notwendig hielt, nun unbedingt einzugreifen, sondern ich habe in diesen Fällen dem Reichsratsausschuß, der ja doch als eine objektive Körperschaft anerkannt werden muß, die Ent⸗

scheidung überlassen. . Meine Damen und Herren! Ich habe aber auch allgemeine

Richtlinien für die Behörden in das Land gehen lassen. Ich erlaube

mir, Ihnen diese Richtlinien hier mitzuteilen, damit Sie deutlich sehen, wie die Dinge von uns gehandhabt worden sind. Ʒunächst ist ein Rundschreiben vom 30. August d. J. zu erwähnen, in dem aus; geführt worden ist, daß es nicht der Zweck der Verordnung sei, eine sachliche Kritik der republikanisch demokratischen Staatsform zu der⸗ hindern, sondern daß nur grobe Ueberschreitungen einer solchen Kritik, die zu Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze auffordern oder die ver⸗ fassungsmäßigen Organe und Einrichtungen des Reichs in einer den inneren Frieden des Reiches gefährdenden Weise derichllich machen, ein Verbot rechtfertigen. Dabei solle auch in soweit auf die gesamte Tendenz einer Zeitschrift Rücksicht genommen werden, als ein ein⸗

maliger Verstoß nicht so schwer zu e . sich im allgemeinen im Rahmen der Verfügung hält.

In einem welteren Schreiben vom J7. September, das 2 . ist bei

n. darauf Rüclsicht um eine unbedeutende Zeitung mit geringem eit verbreitetes Organ handelt, und es ist

Grund der inzwischen gemachten Erfahrungen ergangen ist,

dem Verbote von Druckschriften empfohlen worde zu nehmen, ob es sich Leserkreis oder um ein w

beurteilen ist, wenn die Schrift

halten. (Erneute Zurufe rechts) Aber trotzdem muß das Bestreben dahin gehen, daß alle Kreise der Bevölkerung sich den Grundsatz vor— halten, daß der Staat in geordneter Weise diese Aufgabe zu besorgen hat und nicht irgendwelche einzelne Gruppen, denn das würde ja zum Kampfe aller gegen alle führen! (Sehr richtig! bei den Demokraten und Sozialdemokraten) Das ist also der allgemeine Grundsatz, der hier aufzustellen ist. (;uruf rechts: Und die Praxis?) Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Schluß ein allgemeines Wort aus den Erlebnissen der letzten Wochen heraus sagen. Es war wieder eine Zeit schwerer Beunruhigung, die wir durchlebt haben, es war eine unerfreuliche Zeit. (Zuruf rechts) Nein, Herr Abgeordneter, nicht dank der Regierung, sondern dank Ihrer Tätigkeit! (Erneuter Zuruf rechts) Ich habe den Ein— druck, als ob die Debatte, die wir gestern und heute führen, so lebhaft sie auch stellenweise geworden ist, im wesentlichen doch eine Art Rückblick auf unerfreuliche Wochen bedeutet. Tatsächlich ist im öffentlichen Leben draußen, wie mir scheint, bereits eine gewisse Ent⸗

fach über den Luxus, der draußen im Alltagsleben, im gewöhnlichen Leben, bei den Schiebern und ähnlichen Existenzen getrieben wird, aber, meine Herren ich muß das aus tiefster Ueberzeugung sagen wir im politischen Leben, der eine mehr und der andere weniger, haben auch eine Schuld zu tragen, auch wir treiben einen Luxus, der ebenso schlimm ist wie jener andere. (Lebhafte Zustimmung.)

anderen (Zuruf rechts: Scheidemann h, unter Verächtlichmachung und Herunterreißung der anderen (andauernde Zurufe rechts)

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Meine Herren, Sie dürfen mir Zwischenrufe machen, soviel Sie wollen, die Schuld auf Ihrer Seite wischen Sie mit Ihren Zwischen—

ufen doch nicht rein! (Lebhafte, Zustimmung links) Es ist ja chon manchmal das Wort gespeochen worden: Die Erscheinungen

bieser Zeit sind so, daß man an unserem deutschen Volke verzweifeln könnte. (Sehr wahr! rechts) Wahrlich, so ist es auch nach dem, was

Man spricht viel⸗

vir erlebt haben. (Erneute Zustimmung rechts.)

2 Vas ist der Luxus einer überhitzten, leidenschaftlichen und bis zu Gewalt— tätigkeiten gehenden Kampfesweise! (Erneute Zustimmung) Das

können wir nicht brauchen in einem Volk, das sich in so trauriger Lage wie wir befindet. Es ist gänzlich unverständlich, daß ein Volk, das im Weltkriege so Gewaltiges geleistet, dann aber so traurige Schicksale erlebt hat, nicht die Kraft besitzt, mit Würde seine Lage zu tragen. Wir sollten uns alle zur ruhigen, sachlichen Besonnen— heit zurückfinden, wir sollten unsere Meinungsverschiedenheiten, die Interessenkämpfe in würdiger Weise auskämpfen (sehr richtigh, damit wir nicht mehr alles das nötig haben, was wir in den letzten Wochen erlebt haben. Ich für meinen Teil will mein Möglichstes dazu bei⸗ tragen, an welcher Stelle ich auch stehe, um eine solche Entwicklung der Dinge in der Richtung der Ruhe und Besonnenheit und des vernünftigen Ausgleichs herbeizuführen. (Zustimmung.) Ich bitte Sie auch alle, mich darin zu unterstützen. Wir können solche Zustände nicht weiter gebrauchen, wenn wir nicht dem völligen Untergang ver— fallen wollen. Jeder muß daran mitwirken, daß es besser werde! (Lebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten und links) Die letzten Wochen waren höchst unerfreulich. Sorgen wir dafür, daß wir zu besseren Zeiten kommen! (Lebhafter Beifall bei den Deutschen Demokraten und links. Zurufe rechts.)

Thüringischer Staatsminister Freiherr v. Brandenstein: Die Darstellung des Vorredners über das Verbot der Tagung der deutschnationalen Handlungsgehilfen in Weimar kann ich nicht unwidersprochen lassen. Er hat die Hauptgründe für das Verbot anzuführen vergessen. Die Erregung der Bevölkerung durch die Ermordung Erzbergers war so groß, daß wir ganz besonders darauf achten mußten, daß diese Erregung nicht noch weiter geschür werden konnte. Ein solcher Fall lag aber bei der Veranstaltung des deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes vor. Die Tagung sollte am 3. und 4. September in Weimar stattfinden, und es sollte der ganze Gau Thüringen daran teil⸗ nehmen, der sich nicht nur auf das Land Thüringen beschränlt, sondern auch auf den preußischen Regierungsbezirk Erfurt erstreckt. Die Tagung sah auch eine Sedanfeier vor (Lärm rechts) und am Abend des 3. September sollte ein Fackelzug stattfinden. (Große Unruhe rechts, Rufe: Kommunistische Umzüge!!! Am nächsten Tage sollte eine Versammlung unter freiem Himmel auf dem Goethe⸗Schiller⸗Platz vor dem Nationaltheater stattfinden, also vor dem Gebäude, in der die Weimarer Verfassung beschlossen worden ist. Wegen des Sedanfestes haben wir das Verbot nicht vorge⸗ nommen, für so dumm halten wir die Deutschnationalen nicht, daß sie das glauben könnten. (Unruhe rechts, Ruf: Varteimensch!) Wir hatten in Thüringen schon öfter solche Veranstaltungen erlebt und wir mußten in Weimar dafür sorgen, daß ein derartiges Fest nicht den Charakter annahm, daß die Tendenz sich gegen die Republik richtete. (Fortgesetzter Lärm und Widersprüche rechts, Vizepräsident Dr. Rießer bittet um Ruhe, alle Zwischenrufe von rechts oder links trügen nicht zur Beruhigung bei. Der Redner spricht unter trotzdem andauerndem großen Lärm weiter, so daß seine Ausführungen nur zum Teil verständlich werden.) Es waren Kundgebungen gegen die Republik zu befürchten. (Sehr richtig! links, Widerspruch rechts) Eine Regierung muß an alles denken (Gelächter rechts) und auch an die Folgen, die eintreten können. Jedenfalls war die Erregung damals in den republikanischen Kreisen in Thüringen und Weimar so groß, daß es unsere Pflicht war eine solche Veranstaltung zu verhindern. Die Verhältnisse haben sich inzwischen zum Teil geändert, aber damals war die Lage so, daß die Regierung unverantwortlich gehandelt hätte, wenn sie die Veranstaltung erlaubt hätte. Es wäre besser gewesen, wenn unter dem damaligen Druck der Verhältnisse der deutsch⸗ nationale Handlungsgehilfen⸗Verband von der Veranstaltung ab⸗ gesehen hätte. (Lärm rechts Man will hier Märtyrer konstruieren und behaupten, daß man zu unrecht behandelt sei, gerade die Kreise, die sich nicht genug tun konnten. in Ausschreitungen gegen die Republik, beschweren sich nun über ungerechte Behandlung. Der Staat wäre ein Nachtwächter, der nicht gegen solche Angriffe auf den republikanischen Gedanken einschreiten wollte. (Großes Gelächter rechts.)

Abg. Koch (Dem): Einer der Vorredner hat seine Aus⸗ führungen damit begonnen, daß er erklärte, diese Debatte könne nur leidenschaftlich sein. Ich bin entgegengesetzter Ansicht, ich bin der Meinung, daß die Leidenschaften oder deren Bekundung in einer Zeit so erregter Spannunß vor den Toren dieses Hauses Halt machen müsfen. (Sehr wahr) Ich bin der Meinung. daß wir durch eine überlegene leidenschaftslose Behandlung der Ange— legenheit unser Volk zur Mäßigung und zur Besonnenheit zurück⸗ zuführen suchen. (Beifall. Ich sehe es als eine der schwersten Folgen der Ermordung Erzbergers an, daß in einer Zeit, wo die allerschwersten außenpolitischen Probleme unser Volk bewegen, wo die Zukunft Oberschlesiens noch gefährdet ist und wirtschaftlich

spannung der Gemüter und Verhältnisse eingetreten. (Zuruf rechts) Ich bin der Meinung, daß die Verordnung des Herrn Reichs— Land gebracht hat. Wären wir nicht in dieser Weise verfahren, Schlimmeres erlebt! (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten) Ich hoffe, meine Herren, daß wir in der

Lage sein werden, die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten in der kommenden Zeit möglichst wenig, wenn überhaupt noch zur An—

wendung bringen zu müssen.

präsidenten und ihre Durchführung einen großen Nutzen für unser

dann hätten wir davon bin ich fest überzeugt unendlich viel

Das wäre der große Erfolg dieser Verordnung, daß weite Kreise der Bevölkerung von der überhitzten Leidenschaft mehr zur Sachlichkeit zurückkehren. (Lebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten) Bei all dem Unglück, in dem unser Volk lebt, ist es doch eine Vermehrung dieses Unglückes, daß so weite Kreise vorhanden sind, die nicht mehr in der Lage sind, sachlich zu denken und sachlich zu kämpfen (sehr richtig bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten. Zurufe rechts, daß so weite Kreise unter Verdächtigung der Motive der

vielleicht eine katastrophale Entwicklung eintreten kann, der Blick des Volkes und dem Anschein nach auch des Parlaments abgelenkt wurde von unseren schweren außerpolitischen und wirt- schaftlichen Sorgen (sehr richtig!, so daß verantwortliche Männer, wenn auch ganz wider ihren Willen, in die Gefahr kommen, in innerpolitische Steitigkeiten verwickelt zu werden. Ich will mich darum auch meinerseits von Uebertreibungen und beweislosen Behauptungen fernhalten, ich will auch nicht den Herren von der Rechten vorhalten, in welchem Umfang ihre Presse und Agitation dazu geführt hat, Erregung gegen die leiten⸗ den Männer des Staates hervorzurufen. Wer wie ich jahrelang die persönliche Verunglimpfung durchgemacht hat, hätte ja Anlaß dazu, aber das führt zu keinem Ergebnis. Der Kern der ganzen Schwierigkeiten liegt viel tiefer, er liegt in letzter Linie darin, daß in einer Zeit, wo unser Volk sich von der schweren Kriegskatastrophe noch nicht erholt hat, wo Hundert⸗ tausende von Menschen aus ihrer Existenz, ihrer Weltanschauung herausgerissen sind, es Leute gibt, die es für richtig halten, das ganze Volk in zwei große Lager zu zerlegen und den Entscheidungs⸗ kampf zwischen rechts und links anzukündigen. (Sehr richtig! Wenn ein Vertreter der Deutschnationalen Partei sagt, 3 es nunmehr an der Zeit sei, den großen Entscheidungskampf zwischen

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