1921 / 234 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 Oct 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Meine Damen und Herren, wir wollen doch aber im übrigen mag man auch an der Organitationsform dies und jenes aus— zusetzen haben nicht die große politische Bedeutung außer acht lassen, die es haben würde, wenn ein solches Abkommen mit Frankreich zustande käme. (Sehr richtig Ich ge⸗ höre nicht zu den Sanguinikern, die aus dieser oder jener in urbanen Formen gehaltenen Verhandlung zwischen uns und den ehemaligen Feindstaaten gleich die Hoffnung schöpfen, daß nun die Morgenröte einer friedlichen Annäherung gekommen sei und nãchstens der Bruderkuß erfolgen würde. Ach nein, wenn die Franzosen zu solchen Abmachungen schreiten, dann ist es selbstverständlich ihr eigenes Interesse, was sie dazu treibt. (Sehr richtig) Aber die Geschichte der Kulturvölker zeigt uns doch, daß solche kommerziellen Verein⸗ barungen und der kommerzielle Austausch schließlich auch Wirkungen in politischer Beziehung auslösen. Von diesem Gesichtspunkt aus, sage ich, ist es von größter Bedeutung, daß eine solche Abmachung zustande tommt.

Es ist hier, gerade auch von den Kritikern, über die verheerende Wirkung gesprochen worden, welche die uns auferlegten Ver—⸗ pflichtungen auf un sere Währung gehabt haben. Herr Dr. Pinkerneil hat in dieser Beziehung mit Recht gesagt: wir müssen dazu gelangen, an Stelle der Goldleistungen Sachleistungen zu machen. Nun, das ist gerade der Inhalt, der tiefe Sinn dieses Abkommens. Ich halte es für eine Sache von größter Be— deutung, wenn unserer Industrie wenigstens in erheblichem Maße die Möglichkeit gegeben wird, auf einige Jahre Beschäftigung zu finden, und daß der jetzige Zustand gemildert wird, daß wir einmal zu einer Hochkonjunktur gelangen mit voller Beschäftigung der Arbeiterschaft und bald darauf herabsinken in mangelnde Betriebstätigkeit und in Arbeitslosigkeit. Wenn daher dieses Abkommen dahin führt, daß unsere Industrie, unser Gewerbe, unser Handwerk auf einen gewissen Bestand von Arbeiten rechnen kann, so ist das nach melner Ansicht von größter Bedeutung für unsere eigeme Wirtschaft. Darüber hinaus hat es dann die große Wirkung, daß wir nicht mehr genötigt sind, Papier⸗ mark zu drucken, um Dollars zu bezahlen. .

In diesem Zusammenhange ist nun auch die Frage der Börse behandelt worden. Ich stimme mit der Kritik darin überein, daß den Hauptteil der Schuld an dem neuerlichen Rückgang unserer Mark eben die in dem Ultimatum auferlegte Verpflichtung trägt, in Dollar zu bezahlen. Daraus ergibt sich eben im natürlichen Laufe der Dinge ein Sinken der Mark. Nun ist es ein Unsinn, wenn in chauvinistischen , . des Auslandes die Meinung ver— breitet wird, dieses Sinken der Mark sei zurückzuführen auf absicht⸗ liche Machinationen der deutschen Regierung, die es dahin kommen lassen wolle, daß Deutschland dem Bankrott zueile, damit es seiner Leistung den ehemaligen Feinden gegenüber enthoben sei. O nein, meine Herren, wenn die deutsche Regierung solche Absichten und Ansichten hätte, dann wäre es ja das Törichtste, was sie tun könnte, wenn sie zu einem solchen Abkommen schritte, wie wir es mit Frankreich schließen wollen, das gerade darauf hinausläuft, nach Mög—⸗ lichkeit das zu leisten, wozu wir uns verpflichtet haben. Denn diesen Willen hat die Reichsregierung, und die Preußische Regierung steht in dieser Beziehung hinter ihr: wir wollen nach Möglichkeit ver⸗ suchen, das zu tun, wofür wir unsere Unterschrift gegeben haben.

Aber, meine Herren, eine Frage, die namentlich auch die anderen

sich vorlegen müssen und die ja auch, wenn wir die Stimmen von drüben sorgfältig verfolgen, dort immer mehr in den Vordergrund tritt, ist die, ob nicht die anderen selber sich im Wege stehen, wenn sie darauf drängen, daß bis zum letzten Heller und Pfennig, bis auf den Punkt des i dieses Ultimatum zur Ausführung gelangt. Ich sage: aus dieser Not, aus dem Zwange, auf dem internationalen Markte Dollar zu kaufen, entspringt der immer mehr zunehmende Glaube, daß es mit unserer Mark weiter bergab gehen müsse. Wenn man diese Ansichten als durchaus ehrlich gemeint an— erkennen muß, dann folgt daraus auch, daß wir den Erscheinungen, die wir an unserer Börse sehen, mit Vorsicht gegenübertreten müssen. Nie · mand wird Freude haben an diesen Erscheinungen. Sie zeigen fich nach zwei Richtungen. Einmal in dem Tun derjenigen, die den Glauben an die Mark verloren haben und sich nach Möglichkeit Sachwerte zu schaffen suchen in irgend einem Besitz; daneben die anderen, die in blinder Spekulationswut und Jagd nach dem Gelde kaufen, um wieder zu verkaufen und Nutzen zu ziehen aus dem allgemeinen Elend, Leute, vielfach aus dem Privatpublikum, die gar— nicht wissen, wo die Aktiengesellschaft gelegen ist und was sie be— treibt, deren Papiere sie sich anschaffen, die nur darauf rechnen; das Papier wird steigen, ich werde Vorteil und Verdienst haben.

Gegenüber dem Treiben namentlich der letzteren Kreise ist nun in der Oeffentlichkeit nach dem Börsenkommissar gerufen worden, und auch hier in der Debatte hat ja der Börsenkommissar eine besondere Rolle gespielt. Was der Börsenkommissar eigentlich allen diesen Dingen gegenüber tun soll, ist uns zum allerwenigsten gesagt worden (Zuruf bei den Kommunisten: Bude zumachen, haben wir gesagt , und wenn etwas gesagt ist, ja, meine Herren, dann ist von ihm etwes gefordert worden, wozu er nach den Gesetzen des Reichs lein Recht hat.

Mit Grazie hat Frau Ludewig die Frage geltst. Sie will den Börsenkommissar einfach hinauswerfen. Sie vergißt, daß wir ein Reichsbörsengesetz haben, in dessen 52 den Einzelstaaten auferlegt ist, einen Börsenkommissar anzustellen zur Ueberwachung der Aus— führung des Reichsbörsengesetzes, jene Bestimmungen Über die Börsenordnung, die Börsenehrengerichte, den Ausschluß von der Börse, den Terminhandel, die Zulassung von Wertpapieren und was sonst noch in Betracht kommt. Diese Funktionen, die in dem Gesetz umrissen sind, sind dem Boörsenkommissar zugewiesen und wir haben gar kein Recht dazu, den Börsenkommissar zu streichen, ganz abgesehen davon, daß wir uns bei solchen Anträgen auch mal die rechtliche Seite nach einer anderen Richtung hin überlegen sollten. Was erreichen Sie denn, wenn Sie sagen: wir wollen das Geld für den Börsenkommissar sparen? Sie können ihn im Etat streichen oder nicht. Er hat das Necht, sein Gehalt zu verlangen, denn durch seine Anstellungsurkunde ist ihm eben dieser Rechtsanspruch geworden. Man sollte es doch unterlassen, solche Anträge zu stellen, die nur ein Lufthieb und eine Demonstration sind.

Ich würde es auch für sehr unheilvoll halten, wenn einem einzelnen Beamten solche Rechte übertragen würden, in dieses große Getriebe, wie es unsere Börse nun doch mal darstellt, mit will⸗ kürlichen Anordnungen einzugreifen und die Diktatur des Börsen⸗ kommissars aufzurichten. Wenn Uebelstände vorhanden sind, von

nistisch und nationalistisch die Dinge ansehen, und wenn dag Ausland selbst auf solche Art zu der Erkenntnis kommt, wie es sich in das eigene Fleisch mit den Auflagen schneidet, die es uns Deutschen im Ulti⸗ matum und im Friedensvertrage von Versailles gemacht hat. (Sehr richtig) Je mehr diese Erkenntnis wächst, und je mehr man da am eigenen Leibe verspürt, um so mehr dürfen wir, glaube ich, hoffen, daß auch der Gedanke einer Revision dieser Bestimmungen in der Menschheit Platz greifen wird. gebe, deshalb möchte ich auch diejenigen, die heute von solchem Pessi⸗ mismus in bezug auf die Beurteilung unserer Valutaverhãltnisse befallen sind, doch mahnen, sich zu fragen, ob nicht doch, wenn dieser Zeitpunkt kommt, ihre Kalkulation falsch gewesen sein kann, und ob sie nicht eventuell aus ihrem jetzigen Treiben und ihrem jetzigen Ver⸗ halten außerordentlichen Schaden davontragen werden.

werden müssen, dann kann es nicht anders geschehen als durch Gesetz und allgemeingültige Verordnung, und es ist ganz selbstverständlich, daß dabei die Beobachtungen und Erfahrungen, die der Börsen« kommissar in seiner täglichen Berührung mit dem Börsenwesen sammelt, eine gewichtige Rolle spielen. Ich kann Ihnen mitteilen, daß in dieser Beziehung ernste Verhandlungen mit dem Reiche statt⸗ finden, und daß gerade die preußische Regierung, da in Preußen die größten Börsen gelegen sind, ganz hervorragenden Anteil daran hat. Mit einer Eisenbartkur kann allerdings kaum geholfen werden.

Ich will auf einen der wichtigsten Punkte hier noch eingehen, der auch in der Debatte hervorgetreten ist, auf den Handel in De visen, denjenigen Papieren, bei denen gerade infolge der Reparationen die größte Schädigung unseres Landes entstehen kann wenn wirklich solche Machinationen im Gange sind, wie vielfach ge⸗ sagt wird. Infolgedessen ist der Ruf laut geworden: Zurück zur Devisenordnung! Herr Dr. Grund hat schon mit guten sachlichen Gründen augeinandergesetzt, weshalb wir die Devisenordnung gerade im Interesse unseres Wirtschaftslebens aufgehoben haben. Manche Exportindustrien können sehr wohl ihre ganzen Devisen abliefern, weil sie keine Rohstoffe om Auslande zu kaufen brauchen. Andere Industrien müssen Rohstoffe vom Auslande beziehen und brauchen dazu Devisen.

Man hat weiter vorgeschlagen, es solle vbrgeschrieben werden, daß die Preise beim Export nur in fremden Devisen festgelegt werden dürfen. Abgesehen von dem Interesse des deutschen Exporteurs und der deutschen exportierenden Industriellen, dem man mit einer solchen Vorschrift das Risiko der Devisenschwankungen auferlegt, kommt hier in Betracht, daß im Auslande heute 60 bis 80 Milliarden Mark deutsche Noten und deutsche Wertpapiere öffentlicher Korporationen schwimmen. Wenn man dem Ausland die Möglichkeit nimmt, mit diesen deutschen Noten seine Einkäufe in Deutschland zu bezahlen, dann ist es ganz selbstverständlich, daß diese Noten und Wertpapiere weiter im Auslande laufen, daß ihre Verkaufs. möglichkeit dort herabgedrückt wird und daß infolge⸗ dessen unsere Mark immer mehr nach unten geht. Was wir vielleicht auf der einen Seite durch eine solche Vorschrift ge⸗ winnen, indem wir Devisen hereinbekommen, verlieren wir auf der anderen Seite, indem derartige Wirkungen auf dem internationalen Markt dadurch ausgelöst werden.

Ernster zu nehmen sind Vorschläge, die darauf hinausgehen, das Privatpublikum von dem Ankauf von Devisen und Noten zurückzudrängen. Ich bin allerdings der Meinung, daß der Private, der sich Devisen verschafft, nichts weiter wie eine Jobberei damit begeht (sehr richtig); er will nichts weiter, als mühelos daraus verdienen und sich den allgemeinen Niedergang zunutze zo machen. Es sind in dieser Be—⸗ ziehung Vorschläge gemacht worden. Man wird eingetragene Firmen selbstverständlich von diesem Geschäfte nicht ausschließen können. Man wird aber wohl den Gedanken erwägen können, ob nicht der Bankier genötigt werden soll, bei jedem Verkauf von Devisen an Private eine Bescheinigung sich darüber von den Privaten in zwei Ausfertigungen ausstellen zu lassen, daß er diese Devisen gekauft hat, und daß eine dieser Ausfertigungen an das zuständige Finanzamt geht. Nach meiner Auffassung liegt, abgesehen von den wenigen Fällen, in denen der Private ernsthaft Devisen braucht, bei solchem Ankauf von Devisen immer die Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz vor, da der Betreffende das Papier gekauft hat, um es wieder zu ver— kaufen und zu verdienen. Ich bin der Meinung, wenn der Bankier verpflichtet wird, solche Bestimmungen innezuhalten, daß viele Privat personen ihre Finger von solchem Tun lassen werden.

Meine Damen und Herren, des weiteren ist die Frage zu průfen, ob nicht überbaupf in unserem Effektenhandel dem Bankier vorgeschrieben wird, daß er dem Privatpublikum nur gegen Kassa verkaufen darf. (Sehr richtig) Das würde zu einem sehr wesentlichen Teil die Spekulation des Privatpublikums zurückdrängen. Des weiteren fällt unter die Fragen, die einer ernsten Er— örterung bedür fen, der Handel mit unnotierten Wertpapieren Es ist ganz un zweifelhaft, daß auf diesem Gebiet sich mancherle Mißstände abspielen, da dieser Handel zum wesentlichen ohne öffent⸗ liche Kontrolle vor sich geht.

Ich bin des weiteren der Meinung, daß mancheg von dem zu⸗ treffen wird, was der Abg. Clarfeld in Bezug auf manche Typen und Gestalten an unseren Börsen gesagt hat. Er bezog sich dabei auf Darstellungen, insbesondere im „Berliner Tageblatt“, die auch die ‚B. 3. am Mittag“ in der letzten Zeit gegeben hat. Ich suche mit Entschiedenheit auf unsere Börsenvorstände dahin zu wirken, daß sie bei Vergebung von Börseneintrittskarten

zurückhaltender werden und diejenigen Elemente, von denen hier gesprochen worden ist, von der Schwelle der Börse zurückweisen. Ich meine, daß unsere Börsenvorstãnde

von der Börse Elemente zurückweisen und nicht Geschäfte mit Elementen machen sollten, hon denen Unter den Linden gegrüßt zu werden ihnen sicherlich sehr unangenehm wäre.

Ich habe mich des weiteren mit dem Zentralverband des Deut— schen Bank und Bankiergewerbes in Verbindung gesetzt und eine Reihe von Vorschlägen zur Erörterung gestellt, und ich hoffe, daß der ernste Versuch gemacht wird, gegen Auswüchse einzuschreiten. Aber, meine Damen und Herren, wenn wit auch diese Auswüchse beseitigen, so bleibt trotz alledem das große Problem, das in dieser Entwertung unserer Mart liegt, doch noch immer bestehen (hört! hörth, und es wird erst eine Besserung eintreten, wenn die Leute, die den wirtschaftlichen Zusammenhang der Dinge kennen und deren Stimmen sich mehr und mehr auch im Ausland erheben, das Uebergewicht gegen diejenigen gewinnen, die rein politisch und chauvi⸗

Weil ich diese Hoffnung nicht auf—

In Zusammenhang mit dieser Frage der Währung steht die

denen man glaubt, daß sie im Interesse der Deffentlichkeit beseitigt

Gefahr des Ausverkaufs, die ebenfalls in der Debatte

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a * besprochen worden ist. Sie ist vorhanden, und ich habe mich deshanz an den Ausschuß der preußischen Handelskammern in einem Schreiben gewandt und ihn gebeten, die Handelskammern auf dieses Gebiet und auf die Schädigungen aufmerksam zu machen, die aus dem Sinken des deutschen Wechselkurses sich ergeben können; ich habe sie ersucht, nach Möglichkeit darauf zu halten, daß eine den vaterländischen Inter essen dienende Preiskalkulation stattfindet, und sie darauf auf merksam gemacht, daß, wenn hier nicht den öffentlichen Interessen Gerechtigkeit geschieht, eventuell mit einem Cingreifen des Reicheg zu rechnen ist.

Es itz der Wunsch ausgesprochen worden, daß die Handels, kammern nach Möglichkeit bei allen Fragen des wirt schaftlichen Lebens zur Mitarbeit herangezogen werden möchten. Ich habe mich nach dieser Richtung hin bemüht, und Sie können glauben, daß ich, der ich aus der Tätigkeit bei einer Handelskammer hervorgegangen bin, die Bedeutung der Handels. kammern für unser öffentliches und unser Wirtschaftsleben zu schätzen weiß. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, daß die Handels.; kammern wieder anfangen, mehr in den Vordergrund zu treten, nach. dem sie während des Krieges vielfach durch die Berufsverbände zurück. gedrängt waren. Sie werden, glaube ich, um so mehr wieder in den Vordergrund treten, je mehr wir wieder eine wirkliche Wirtschafte. politik treiben können.

Es ist nach dem Handelskammergesetz gefragt worden. Ich habe dem Hause wiederholt mitgeteilt, daß es ausgearbeitet und den Handelskammern zur Begutachtung zugegangen ist. Wir warten darauf, ob im Reich das Gesetz über den definitiven Wirtschaftsrat, über die Wirtschaftsprovinzen verabschiedet wird. Sollten sich in dieser Beziehung erhebliche Schwierigkeiten herausstellen, so daß man auf Jahre hinaus mit einer Verzögerung rechnen kann, dann wird zu überlegen sein, ob wir nicht doch das Handelskammergesetz in Preußen mit den nötigen Reformen bald vor den Landtag bringen,

Es ist dann sowohl von Herrn Esser wie von Herrn Dr. Grund bon dem Meßwesen in Preußen gesprochen worden. Sie wissen, daß sich in Königsberg, Breslau und Frankfurt a. Main derartig Messen aufgetan haben. Als die ersten Anregungen auf diesem Ge— biete an die Oeffentlichkeit traten, erhoben sich Stimmen, die im Hinblick auf die Erfahrungen, die wir vor dem Kriege gesammelt hatten, sich gegen derartige Messen wendeten; sie sagten, daß das einzig Richtige die Konzentration des Meßwesens sei, wie sie sich vor dem Kriege in Leipzig herausgestellt hatte. Ich habe mich auf einen andern Standpunkt gestellt. Ich bin der Meinung, daß uns die große Umwälzung durch die Kriegsfolgen vor so Ungeheures, Neues, im wirtschaftlichen Leben bisher nicht Dagewmesenes gestellt hat, daß, wenn sich aus der freien Initiative der Kaufmannschzft heraus neue Wege gesucht werden, um wieder emporzukommen, der Staat kein Recht hat, ihnen in den Arm zu fallen. Und ich muß sagen: nach den Erfahrungen, die mit den drei genannten Messen gemacht sind, gewinnt es den Anschein, als ob sich die Dinge heute tatsächlich anders stellen wie vor dem Kriege, und als ob diese Messen tatsächlich eine wirtschaftliche Bedeutung zu gewinnen im Begriff sind. Gewiß, man wird aus einem kürzeren Abschnitt nicht definitid schließen können. Auch der glänzende Ausfall der jetzigen Herbst⸗ messen darf uns nicht davon abhalten, weitere Beobachtungen anzu⸗ stellen, denn dieser glänzende Ausfall hängt gerade mit dem augen= blicklichen Aufleben unseres Exports wegen unserer Währungsverhält nisse zusammen. Aber ich habe doch den Gedanken, daß für be— stimmte Interessengebiete und Handelsgebiete in diesen Messen auch ein dauernder Wert erhalten bleiben wird.

Meine Damen und Herren, ich habe diese Messen auch finanziell, soweit der Handelsminister dazu in der Lage war, zu unterstltzen versucht. Wenn nun jetzt 10 Millionen für diese drei Messen und für die weitere geplante Messe in Köln in den Etat eingestellt sind, so können Sie sich denken, daß der Ressortminister gern alles Geld entgegennimmt, das ihm gegeben werden soll, um wirtschaftliche Belange zu unterstützen. Aber die Finanzlage des Staates muß auch Berücksichtigung finden. Ich habe vom Staatsministerium den Auftrag erhalten, hier ausdrücklich zu erklären, daß es sich die Beschlußfassung über die Verwendung dieser 10 Millionen vorbehalten muß; die Staatsregierung ist der Meinung, daß wir angesichts der finanziellen Lage des Landes neue Aufgaben nur übernehmen dürfen, wenn es sich um Lebensnotwendigkeiten des Staates handelt. Wir werden in der Beziehung noch weitere Verhandlungen pflegen. .

Die ständige Ausstellungskommission für das Meßwesen, wie sit von der deutschen Industrie eingesetzt ist, hat in den letzten Tagen in München eine Versammlung gehabt. Es sind gerade aus den preußischen Messen heraus, insbesondere von Frankfurt a. M. Vor schläge gemacht worden, wie man die Meßreklame, die große Summen verschlingt, für Inserate, insbesondere auch im Ausland, für Plakate und dergleichen konzentrieren und auf diese Weise billiger machen könne. Die Vertretung der Leipziger Messe hat sich mit Entschieden - heit gegen eine solche Kooperation gewendet. Die ständige Aus⸗ stellungskommission ist zu einem Ergebnis nicht gelangt, sondern hat die Verhandlungen vertagt. Wir werden abzuwarten haben, zu welchem Ergebnis sie in ihrer neuen Tagung im November kommt, und werden eventuell dazu schreiten müssen, unsere preußischen Messen zusammenzufassen, um so ihre Interessen gemeinsam auch im Ausland zu vertreten. (Sehr guth Bei dieser Gelegenheit wird dann auch die Frage zu prüfen sein, ob und inwieweit hier eiwa Mittel auf⸗ gewen det werden können.

Die Anträge und Anregungen, die in bezug auf das Verkehrs wesen gegeben worden sind, werden unserer ernsten Beachtung unler⸗ liegen. Dazu gehören insbesondere jene Anträge, die sich auf unsere Seeschiffahrt beziehen. Die Anträge, die darauf hinausgehen, eine genügend unterrichtete seemännische Jugend heranzuziehen, be— gegnen sich mit den Bestrebun gen des Ministeriums. Ebenso werden wir uns bemühen, für unsere Seehäfen zu wirken. Wenn hier

die Befürchtung ausgesprochen wurde, daß insbesondere der Hafen

Em den durch die Kanalprojekte Oldenburg = Dörzen, Bramsche⸗=

Bremen bedroht seien, so bin ich der Meinung, daß diese Gefahren

doch noch außerordentlich weit im Felde liegen und bei den jetzigen

Verhältnissen in absehbarer Zeit nicht daran zu denken ist, diese

Kanäle zu bauen. Dahn kommt, daß der Rhein Schelde anal an

die Wand geschrieben steht. Sollte dieser Kanal zur Ausführung ge⸗

langen, so werden wahrscheinlich selbst diejenigen, die jene Projekte

jetzt zu fördern suchen, sie sehr skeptisch an sehen.

Es ist auf den Wagenm angel hingewiesen und um Abhilfe

gebeten worden. Mancherlei Klagen wurden ausgesprochen, ing

besondere über die Gestellung von Wagen für die Kartoffel

belie fernung. Klegen über Wagenmgngel behen wir in jcken

Terbst gehabt, wenn die Notwendigkeit der Versorgung mit Winker⸗ hausbrand und die Notwendigkeit der Versorgung mit landwirtschaft⸗ lichen Produkten, Nahrungsmitteln, zusammentrifft. Ich gebe aber zu, daß in diesem Jahr die Verhältnisse ganz annormal liegen. Wie sehr dies der Fall ist, werden Sie sehen, wenn ich Ihnen darüber einige wenige Zahlen mitteile, Zahlen, die auch auf eigentümliche Gruppierungen in un serm Wirtschaftsleben hinweisen. Es sind in diesen Jahre im September angefordert worden mehr gegenüber dem Vorjahr für den Transport von Düngemitteln 164 35 Wagen, für Kartoffeln 87 . und für Getreide 310 35. (Hört, hört! rechts.) Diese Anforderung für Getreide hängt mit der Lockerung unserer Getreidebewirtschaftung zusammen, die den Landwirten die Ablieferung eines gewissen Pflichtquantums auferlegt. Wir können uns darüber freuen, daß gegenüber mancherlei Befürchtungen, die vorher gehegt waren, in diesem Maße nach den Transportmitteln Nachfrage gehalten worden ist. Wir werden es auch dem Herrn Reichsemährungsminister nachfühlen können, der das größte Gewicht darauf gelegt hat, daß nach Möglichkeit diesen Wagenanforberungen für den Getreidetrans⸗ port nachgekommen wurde. Denn wenn dem Landwirt das Getreide nicht jezt abgenommen wird, können wir nicht wissen, was aus so manchem Zentner wird, wenn er lagern bleibt. Die Gefahr, daß dann Getreide eventuell zur Viehfütterung verwendet wird, ist sehr groß. Die großen Anforderungen für Dünge mittel scheinen mir ein Be⸗ weis dafür zu sein, daß die Hoffnung, die wir gehegt haben, daß nämlich, wenn wir die Getreidebewirtschaftung lockern, von der Land⸗ wirtschaft wieder dazu übergegangen werde, dem Boden mehr Dünge⸗ mittel zuzuführen, und daß unsere Wirtschaft wieder intenswer be⸗ trieben werde, der Erfüllung entgegengeht. (Sehr richtig) Es trifft das zusammen mit den Berichten, die wir aus der Düngemittel industrie und aus der Kaliindustrie selbst über die Lage haben.

Natürlich konnte in dem Maße, wie hier Anforderungen an bas vorhandene Eisenbahnmaterial gestellt werden, die Eisenbahnver⸗ waltung ihnen nicht nachkommen. Ich will übrigens bemerken, daß in den für die Getreidetransporte angeforderten Wagen auch noch Wagenmengen stecken, die insbesondere von Hamburg an—= gefordert sind, weil Hamburg mit Getreide und Mais derartig über⸗ führt war, daß es notwendig war, den Hamburger Hafen zu ent— lasten und ihm eine möglichst große Wagenzahl für die Getreide⸗ transporte zu stellen. Ich sage, diesen Anforderungen konnte man nicht entgegen sein. Es ist versucht worden, zu leisten, was geleistet werden konnte. Es sind aber gegen das Vorjahr zur Verfügung ge⸗ stellt worden für den Transport von Düngemitteln 47 35, für Ge⸗ treide 75, ) 983, und nun kommt die Kehrseite für Kartoffeln ist eine Wenigerzurverfügungstellung gegen das Vorjahr im Sep tember von 13,9 935 zu verzeichnen. (Hört, hört) Es sind daher die Klagen, die hier erhoben worden sind, zahlenmäßig durchaus be⸗ rechtigt; aber ich kann in dieser Beziehung mitteilen, daß inzwischen auch hierin ein Wandel eingetreten ist. Die Wagengestellung für Kartoffeltransporte beläuft sich heute pro Tag auf 4500 Wagen, während für Getreide nur noch 3500 Wagen täglich von der Eisen bahnverwaltung gestellt werden. Ich hoffe, daß wir damit wieder auf diesem Gebiete zu normalen Verhältnissen kommen, so daß die Besorgnis, die insbesondere bei der Bergarbeiterbevölkerung vorhanden

ist, daß sie vor Eintritt des Frostes mit Kartoffeln nicht mehr ver⸗

orgt werden würde, hinfällig wird.

Meine Damen und Herren, in Anknüpfung an die Etattitel über bie Gewerbeaufsicht ist das Unglück in Oppau in die Debatte gezogen worden, ein Ereignis, an dem auch die preußische Staats⸗ regierung den allerlebhaftesten Anteil nimmt. Es ist hierbei von allen Seiten der Wunsch geäußert worden, die preußische Gewerbeaufsicht möge darauf hinwirken, daß in den analogen preußischen Betrieben derartige Unglücksfälle vermieden werden. Selbstverständlich sind wir, als wir von dem Oppauer Unglück hörten und die näheren Einzel⸗ heiten erfuhren, in Beratungen darüber eingetreten, ob etwa für Preußen Vorbeugungsmaßregeln zu ergreifen seien. Wir werden aber selbstverständlich den Gang der Untersuchung abwarten müssen, um zu sehen, worauf in Wahrheit die unmittelbare Ursache des Oppauer Unglücks zurückzuführen ist.

Wenn in dem Antrage der Herten Schumann und Genossen insbesondere von den Leunawerken gesprochen worden ist und hier die Gefahren ausgemalt worden sind (Unruhe links), die aus dem bortigen Akkord nnd Antreibersystem entständen, so, meine Damen und Herren, bin ich der Meinung, daß gerade das Akkord⸗ system, wie es in den Leunawerken besteht, und wie es uns dargestellt ist, sehr günstig abweicht von dem Akkordsystem, wie wir es sonstwo kennen gelernt haben. (Zuruf links: Wer hat das mitgeteilt?! Dieses Akkordsystem beruht darauf, daß, wenn z. B. der Akkordlohn so be⸗ rechnet ist, daß er einer Arbeitszeit von 100 Stunden entspricht, die in Rede stehende Arbeit in dieser Zeit aber nicht geleistet wird, dem Arbeiter unter Umständen trotzdem ein über den 100Stundenlohn hinausgehender Lohn gezahlt wird. Dieses Akkordsystem ist außerdem verbunden mit einem sogenannten Gütesystem, nach dem be- sondere Prämien dafür gezahlt werden, daß die Arbeit besonders gut, also nicht mit übertriebener Hast hergestellt ist. Und nicht nur die Direktion, sondern auch der Betriebsrat des Leunawerks ist der Meinung, daß dieses System durchaus empfehlenswert sei, daß für die Arbeiterschaft daraus ein Grund zur Beunruhigung nicht vorliege. Es haben in dieser Angelegenheit im Leunawerk Verhandlungen wischen Direktion, Betriebsrat, Vertretern der Presse und anderen stattgefunden. Ich habe einen Artikel des Halleschen sozialdemo⸗ kratischen Blattes, der ‚Vglksstimme“ vor mir, überschrieben: Leuna, kein Explosionsherd“. Dieser Artikel kommt zu dem Schluß:

Wir selbst ziehen aus den Darlegungen der Direktion und vor allem des Betriebsrats diese Schlußfolgerungen: Mit der Ein⸗ führung des Prämiensystems ist infolge des angewandten Gütever⸗ fahrens die Betriebssicherheit des ganzen Werks gesteigert worden. Nicht vermeiden lassen sich die üblen Eigenschaften einer kapita⸗ listischen Entlohnungsmethode, die den Egoismus des einzelnen zu einer Gefahr für ihn selbst werden läßt. Ohne jeglichen Unfall wird es aber niemals in der Industrie, namentlich in der chemischen, abgehen.

Und an einer anderen Stelle heißt es:

Nach der uns gegebenen Aufklärung haben wir festgestellt, daß für das Leunawerk eine ähnliche Katastrophe, wie sie sich in Oppau ereignet hat, nicht zu befürchten ist.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden uns

solche Artikel nicht abhalten, unsere Pflicht zu tun und darauf zu sehen, daß alles, was nach dem Stande der Technik geschehen kann, im Leunawerk und in ähnlichen Werken verlangt wird. Aber ich

vbjektiv prüfe, den Eindruck, daß denjenigen, bie jetzt; in manchen Hallenser Blättern Lärm schlagen und furchtbare Gefahren an die Wand malen, es nicht so sehr darauf ankommt, unsere Arbeiter an Leib und Leben zu schützen, sondern darauf, aus diesen Dingen Kapital für ihre politische Aktion zu schlagen. (Sehr richtig! rechts So liegen die Dinge. (Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten) Nach den Märzunruhen ist ein friedliches Verhältnis in die Leunawerke eingezogen, und es gibt Leute, die keinen Gefallen daran haben, daß ein solches friedliches Verhältnis dort besteht ssehr richtig! rechts), daß die Gewerkschaften, daß die Arbeiterführer mit der Direktion zusammenarbeiten. Solche Artikel werden geschrieben, um dieses Verhältnis zu stören. (Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten: Sie wollen aus solcher Katastrophe politisches Kapital schlagen! Sie haben wohl selbst Aktien vom Leunawerk?) Sie werden doch nicht erwarten, daß ich auf solche schmutzigen Anwürfe eingehe. (Erneute Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.

Meine Damen und Herren, dann ist die Art der Organisation unserer Gewerbeaufsicht einer Erörterung unterzogen worden. Ich habe schon im Ausschuß betont, und ich wiederhole ausdrücklich, daß der Versuch, den wir mit der Einstellung von Arbeitern in die Gewerbeaufsicht gemacht haben, durchaus erfreuliche Erfolge gezeitigt hat. Ich bin der Ueberzeugung, daß mit diesem System fortgefahren werden muß. Frau Hanna wünschte von ihrem Standpunkt aus in erster Linie, daß die Zahl der weiblichen Assistenten vermehrt werde, und sie hat darüber geklagt, daß in einem Jahr ein Kommissar meines Ministeriums eine andere Ansicht in dieser An⸗ gelegenheit vertreten habe als sie in diesem Jahre geäußert ist. Gott, ja, das mag möglich sein. Es kommt sogar vor, daß ein Mensch in einem Jahre seine eigene Ansicht ändert, wenn es sich um rein sachliche Dinge handelt. Maßgebend sind in dieser Beziehung die Schlüsse, zu denen man letzten Endes kommt, und Frau Hanna hat selbst das erkenne ich an betont, wir sind in Armut geraten, der Staat ist nicht mehr reich, wir haben uns daher Beschränkungen aufzuerlegen. Und die Mittel, die mir auf diesem Gebiete der An⸗ stellung von Arbeitern zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Da mußte ich mich umsehen, was am notwendigsten ist, und die Mittel da hingeben, wo die notwendigsten Aufgaben zu befriedigen sind. Ich bin nun der Meinung, daß zwölf männliche Arbeitskräfte zu wenig sind, und daß diese männlichen Arbeitskräfte in ein festes Anstellungs⸗ verhältnis überführt werden müssen. Deshalb bemühe ich mich, in erster Linie nach dieser Richtung hin zu wirken. Ich bin des ferneren der Meinung, daß wir, nachdem es in mehreren Bundesstaaten schon geschehen ist, dazu übergehen müssen, Handels inspektoren anzustellen, und die Mittel, die mir hier erwachsen, will ich auch nach dieser Richtung hin verwerten. Wenn sich auf der anderen Seite herausstellt, daß die Zahl der weiblichen Arbeiterinnen von 1 300 000 auf 700 00 zurückgegangen ist, dann wird mir auch Frau Hanna zu⸗ gestehen, daß eine gewisse Berechtigung darin liegt, wenn wir sagen: Die Vermehrung der weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten ist nicht so dringlich, wie die Anstellung derjenigen, von denen ich eben ge⸗ sprochen habe. (Zuruf) Frau Hanna, ich weiß, daß Sie sich sehr für die Frage der Gast, und Schankwirtschaften und ihrer Kontrolle interessieren. Wir sind aber des Glaubens, daß wir mit den Kräften, die wir haben, diese Aufgabe mit bewältigen können. Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon gesagt, als Ressortminister habe ich das größte Interesse daran, recht viel Geld zu bekommen, aber ich muß mich auch nach der Decke strecken, ich bin auch Staats⸗ minister und habe als solcher die Gesamtinteressen des Landes, auch die finanziellen, wahrzunehmen.

Des weiteren sind die Fragen des Handwerks in ausgiebiger Weise im Ausschuß und im Plenum zu Gehör gekommen. Ich habe immer den Standpunkt vertreten, daß unser Handwerk ein not— wendiges und wertvolles Bindeglied in unserer Gesellschaft, gerade in unserer zerrissenen Zeit ist (sehr gut! beim Zentrum und rechts) und daß wir alle Ursache haben, unseren Handwerkerstand in seiner Existenz festzuhalten. Wenn man früher aus verschiedenen Theorien heraus die Meinung vertreten hat, daß das Handwerk ein absterben⸗ der Stand sei, daß er allmählich zugrunde gehen werde, und wenn man vor allem auch im Kriege die Ansicht vertreten hat, daß für das Handwerk später kein Raum sein würde: nun, gerade die Erfahrun- gen, die wir nach dem Kriege gemacht haben, beweisen uns, wie unser Wirtschaftskörper geradezu nach einem solchen Stand, wie es der Handwerkerstand ist, schreit. (Sehr gut! im Zentrum und rechts.) Verhältnismäßig hat gerade der Handwerkerstand mit am schwersten unter dem Kriege gelitten; der Handwerker wurde herausgerissen aus seiner Arbeitsstelle, er stand vielleicht allein da, vielleicht wurde aber auch noch der zurückgebliebene Geselle herausgezogen, sein Geschäft wurde dann aufgelöst, die Kundschaft verlief sich. Er ist zurück— gekommen und hat doch wieder sein Handwerk und sein Geschäft auf⸗ bauen können. (Sehr richtigl im Zentrum und rechts.) Einen besseren Beweis für die Notwendigkeit und Berechtigung dieses Standes wie diese Erscheinung kann es nicht geben. Gewiß sind mancherlei Schäden aus dem Kriege zurückgeblieben. Soweit die Staatsmacht in der Lage ist, helfend einzugreifen eins dieser Gebiete ist ja besonders das Genossenschaftswesen, das auch Herr Esser behandelt hat —, soll es geschehen. Das Genossenschaftswesen ist gerade ein Gebiet, dessen wir uns mit besonderer Liebe annehmen.

Es ist des weiteren auch über den Nachwuchs in unserem Gewerbe, insbesondere im Handwerk, gesprochen worden. Es ist gestritten worden über die Meisterlehre, die Fabrik lehre, die kursorische Lehre. Ich gebe Frau Hanna zu, es sind Miß— stände auf diesem Gebiet vorhanden, und dies hat auch Herr Abgeord⸗ neter Esser zugestanden. Solche Dinge, wie sie in den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten geschildert worden sind und wie Frau Hanna sie vorgetragen hat, können nicht aus der Welt geschafft werden, aber wir müssen uns hüten, zu verallgemeinern. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links) Ich habe nicht diesen Vorwurf erhoben. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß diese Fragen so objektiv wie möglich besprochen werden müssen. Wir sollen nicht verallgemeinern, und ich bin der Meinung, daß, wenn es sich um eine so gestellte Frage handelt: Meisterlehre oder Fabriklehre? dann für die Be⸗ dürfnisse insbesondere unseres Handwerks, vielleicht aber auch unserer Industrie, die Meisterlehre immer noch diejenige ist, die den Vorzug verdient (sehr richtig), die am vielseitigsten und gründlichsten den jungen Mann ausbildet und ein Lehrsystem ist, bei dem doch auch gewisse sittliche Momente mitsprechen. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts. Zuruf links) Wir werden solche Auswüchse, wie sie von Frau Hanna geschildert worden sind, durch die Gewerbe⸗ aufsicht, durch die Gewerbedeputationen der Magistrate, insbesondere

sprochen das gehört sich nicht, daß der Lehrling etwa in der Zeit, wo er in der Lehre ist, etwas lernen soll, zum Kinderwiegen ede zum Kartoffelschãlen benutzt wird. (Sehr richtig) Aber ich glaube, darin wird Frau Hanna mit mir übereinstimmen: wenn, wie es vielfach noch der Fall ist Gott sei Dank! —, die Lehrlinge in die häusliche Gemeinschaft des Meisters aufgenommen sind in; einmal der Lehrling in der freien Zeit fortgeschickt wird, um Bot zu holen, von dem er selbst mitißt, dann wird es dem jungen Mann auch nichts schaden. Sehr richtig! und sehr gut! rechts) Nar darf das nicht zum System werden, und es darf dabei nicht vergessen werden, aus welchem Grunde der Lehrling zu dem Meister in die Lehre gekommen ist. ; Es ist selbstverständlich, daß diese Lehre ther Ergänzung durch ein gutes Schulwesen, ein gutes Fa h⸗ und Fortbildungs⸗ schulsystem findet. Ich danke dem Hause ganz außerordentlich für ben Eifer, mit dem von allen Seiten bei dieser daushaltsberatung 8 Ausschuß, hier im Plenum mit Ratschlägen, Voeschlagen und An⸗ tegungen mitgewirkt worden ist, um unserem gewerbliche n Schulwesen zu nützen. Mit Recht hat Frau Abgeordnete Hanna und Herr Abgeordneter Pinkerneil darauf hingewiesen, daß wir in unserer Armut gerade wegen dieser Armut eine solche gule Ausbildung unseres Nachwuchses gebrauchen, weil wir das, was wir an materiellen Gütern verloren haben, durch Tüchtigkeir und Persönlichkeit ersetzen müssen. (Sehr richtigh . Wenn Herr Abgeordneter Christange sich dann darüber bekla gt hat, daß in diesem gewerblichen Schulwesen keine Fach aufsict vathanden ist, so kann ich den Vorwurf nicht fin zerechtfert zr! achten. Wir haben in jedem Regierungsbezirk allerdings nar einen Aufsichtsbeamten für das Fortbildungsschul und Fachschulzoesen, und wir können infolgedessen mit der Reform, die darin besteht ö. elemente in diese Aufsicht zu bringen, nur langsam votgehen, j nach⸗ dem Plätze frei werden. Aber ich mache ihn darauf aufmerksam daß gerade in jüngster Zeit in Lüneburg, dann in Koblenz die betreffender Posten mit Fachmännern besetzt worden sind. Als es sich darum han⸗ delte, auf Grund des Gesetzes von Groß Berlin das Provinzialschul- kollegium umzugestalten, eine Abteilung für das Fachschulwesen einzu⸗ richten, sind zwei gewerbliche Lehrer und eine gewerbliche Lehrerin in die Schulaufsicht berufen worden. Nun hat allerdings Herr Christange gesagt: Ja, Handelslehrer, die führen nicht die Schulaufsicht. Die Dinge liegen so, daß wir in jedem Regierungsbezirk, wie gesagt nur einen Schulaufsichtsbeamten haben, abgesehen von den großen Ver⸗ hältnissen wie in Berlin, wo eine ganze Reihe von gewerblichen Schulen verschiedener Art vorhanden sind. Die Handelsschulen sind an Zahl in der Regel geringer als die anderen Schulen. Da werden Sie mir zugeben, daß es naheliegt, den betreffenden Fachaufsichts⸗ beamten aus derjenigen Schulart zu wählen, die in stärkstem Maße in dem betreffenden Regierungsbezirk vorhanden ist, und so kann es und wird es kommen, daß nicht in solchem Maße, die der Abgeordnete Christange es gefordert hat, Handelslehrer in die Schulaufsicht hinein. kommen. Aber wenn, wie in Berlin, zahlreiche Handelsschulen vor. handen sind, wo wir mehrere Personen in der Schulaufsicht gebrauchen, habe ich auch einen Handelslehrer in die Schulaufsicht berufen.

Dann ist des weiteren auch geklagt über die Steuer- belastung des Gewerbes, insbesondere des gewerblichen Mittelstandes durch die Gewerbesteuer. Wir haben uns im vorigen Jahre schon eingehend über diesen Punkt unterhalten. Ich habe mich für meinen Teil bemüht, gewisse Milderungen herbeizu= führen, und der Finanzminister und ber Minister des Innern sind in gleicher Richtung tätig gewesen. Wir werden aber nicht vergessen dürfen, daß wir dann auch vewpflichtet sind, den Gemeinden für ihre Aufnaben in bezug auf das Schulwesen die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Es bedarf einer organischen Reform unserer Kommunalbesteuerung, um unseren Gemeinden solche Mittel zuführen zu können. Ich gebe aber zu: die Auswüchse in der Gewerbe besteuerung, die hier geschildert sind, müssen bekämpft werden, und wir werden nach Möglichkeit daran arbeiten, sie zu beseitigen.

Nun noch zwei Angelegenheiten mehr persönlicher Art! Einmal der Fall Rahardt, den Herr Abgeordneter Holzamer gestern hier behandelt hat. Herr Abgeordneter Holzammer hat der Aufsichtsbehörde also dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg, den Vorwurf ge⸗ macht, daß sie resp. der Kommissar, den der Oberpräsident eingesetzt hat, in dem Augenblick, als Rahardt Demokrat geworden sei, in ihrer Revisionstätigkeit nachgelassen habe. Das ist ein unerhörter Vorwurf, den ich mit aller Entschiedenheit zurückweise. Herr Ab⸗ geordneter Holzamer hat allerdings gleich hinterher gesagt: die Ver⸗ fehlungen des Rahardt gehen ja bis zum Anfang des Krieges zurück. Damit widerspricht er sich selbst; denn damals war ja Rahardt noch nicht Demokrat, damals war auch noch eine andere Regierung.

Dann hat Herr Holzamer gesagt, es sei damals ein Flug⸗ blatt von seiner Partei verbreitet worden, und die Regierung habe es unterlassen, auf dieses Flugblatt einzugehen. Es ist richtig, ein solches Flugblatt ist damals verbreitet worden, aber, wie ich hervorheben will, Herr Holzamer bekennt sich heute zu diesem Flugblatt damals ließ man es anonym und ohne Angabe des Herausgebers oder eines Druckers erscheinen. (Hört! hört! im Zentrum und rechts Die Vorwürfe, die in diesem Flugblatt gegen Herrn Rahardt erhoben sind, beziehen sich auf Dinge, in denen der Handelsminister und die Aufsichts behörde überhaupt keine Kompetenz haben, sie beziehen sich auf Vor⸗ kommnisse in Privatgesellschaften, die die Handwerker gebildet haben, die außerhalb des Rahmens der Handwerkskammer stehen. Wenn nun Herr Holzamer und seine Genossen über diese Dinge authentisch unterrichtet waren, dann verstehe ich nicht, weshalb sie nicht im Interesse der Reinlichkeit des Handwerks, dessen sie sich jetz; mit einem Male so annehmen, damals nicht das Material dem Staatsanwalt unterbreitet haben, (lebhafte Zu⸗ stimmung in der Mitte und links), statt in anonymen Flugblättern solche Vorwürfe zu erheben. Das erste ist aber nicht geschehen. Ich sagte: dieses Flugblatt bringt überhaupt keine Dinge, die mit der amtlichen Tätigkeit des Herrn Rahardt als Handwerks⸗ kammerpräsident etwas zu tun haben. Aber Herr Rahardt stand in einer Reihe von öffentlichen Ehrenämtern, in die er vom Staat und seinen Organen berufen war. Deshalb war es ganz selbst⸗ verständlich, daß wir uns trotzdem für diese Dinge interessierten; und wir haben der Herr Oberpräsident hat das getan Ver— suche unternommen, um etwas Authentisches zu erfahren. Wir haben aber nichts feststellen können. Er hat den Herrn Polizei—⸗ präsidenten ersucht, Ermittelungen anzustellen. Von keiner Seite ist man ihm jedoch mit authentischem Material zur Hand gegangen.

auch durch die Mitwirkung der Eltern nach Möglichkeit zu beseitigen

Kemwinne doch, wenn ich solche Stimmen höre und wenn ich die Dinge

suchen müssen. Freilich Frau Hanna hat bon dem Marktkorb ge= 1 ;

Herr Abgeordneter Clarfeld hat auch die Frage aufgeworfen, weshalb denn die Dinge so lange ohne Beanstandung durch die Behörden