1921 / 260 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

(Fortsetzuna aus dem Hauptblatt.)

Deutscher Reichstag.

140. Sitzung vom 4. November 1921, Nachmittags 1 Uhr.

Bericht des Nachrichtenbũros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Auf der Tagesordnung steht zunächst eine große Anzahl kleiner Anfragen.

Die Abgg. He rgt (D. Nat.) und Genossen haben bereits am 27. September eine Änfrage an die Regierung gerichtet wegen des Verbots unpolitischer. Regimen tefelern und der Störung solcher Feiern durch linksradikale Elemente In der Anfrage wird Bezug Jenommen auf Vorkommnisse in Berlin · Ban tow Herford, Arnsberg, Forst i. Laus., Lassan (Regierungsbezirk Anklam). Ergänzend wird heute von deutschnationalet Seite angefragt, was die Regierung zu un gedenke, um derartigen Vorkommnissen ein Ende zu machen, zachdem sich seit Einbringung der Anfrage doch genügende Zeit zur prüsung des Materials ergeben habe. . Regierungsvertreter Kusenzer erwidert, daß auf die über die anzelnen Fälle bei den Regierungen der einzelnen Länder gestellten Anfragen noch keine Antworten eingegangen feien, so daß noch kein Material zur Beantwortung der Anfrage vorliege.

Abg. D. Mumm (D. Nat) nimmt in einer Anfrage Bezug auf den Reichstagsbeschluß vom 2. August 1920, worin die Reichs⸗ gierung ersucht wird, in geeignet 4 Weise darauf hinzu⸗ virken, daß der Masseneinwanderung fremdstämmiger Elemente ins⸗ besondere über die Ostgrenze gewehrt werde. Nach einer Meldung zer Vossischen Zeitung? hätten nun bei Kuretreibereien an der Berliner Börse im September in vorderster Reihe russische, volnische und galizische Spekulanten gestanden. Was tue die Reichs regierung angesichts des unheilvollen Börsenspiels, der ungemeinen Weohnungsnot und der Seuchengefahr, um dem Reichstagswillen Geltung zu verschaffen?

Ein Regierungsvertreter erwidert, daß zur Ausführung des Reichstagsbeschlusses Maßnahmen der Länder bereits getroffen oder angekündigt seien. Die preußische Regierung sei ersucht worden, Fich über die in, der Anfrage enthaltene Mitteilung zu äußern. Da gber das Material noch nicht vollständig eingegangen sei, könne eine Ant— wort heute nicht erteilt werden. .

Abg. Graf v on We st arp (D. Nat.) fragt an wegen Zurück ziehung der polizeilichen Genehmigung eines , von Dr. Wild⸗ grube, der am 2. September in Bresden vom Deutschen Offitzierbund angesetzt worden war und zum Thema hatte: „Die Lüge von Deutsch⸗ lands Schuld am Weltkriege“.

. Regierungsvertreter Lüenzer: Die Beschwerde der Ortsgruppe

Dreaden des Deutschen Offizierbundes gegen das Verbot des Vor— trags don Dr. Wildgrube hat der zuständige Reichsratsausschuß am 17. Oktober als unbegründet zurückgewiesen. Die Ent⸗ scheidung stützt sich darauf, daß Br. Wildgrube bekanntlich zu den rechtsradikalen Rednern gehört und daher die sächsische Negierung mit Recht die Besorgnis hegte, daß er sehr scharfe Kritik an den jetzigen Zuständen üben und seine Zuhörer in starke Erregung bringen würde. Es stand dahei zu befürchten, ga gerade in den damaligen Tagen, wo die politischen Leidenschaften infolge der Ermordung Erzbergers auch in den Kreisen der Rechten sehr hoch

gingen, aus dem Kreise der Zuhörerschaft heraus die Organe und

Einrichtungen des Staates in einer dessen inneren Frieden gefähr— denden Weise verächtlich gemacht werden würden. Nachdem der

Beschwerdeausschuß des Reichtrats das Vorgehen der fächsischen Regierung als berechtigt anerkannt hat, ist der Vorwurt der Gesetz widrigkeit unbegründet. Die Retchsregierung hat daher keinen Anlaß

zum Kinschreiten. . Auf die ergänzende Anfrage des Abg. Frafen Westarp, ob die Reichsregierung heabsichtige, Merkmale aufzustellen, wer zu den rechts⸗

radikalen Rednern gehört, deren Vorträge verboten werden sollen,

eder ob sie endlich dem unerhörten Ausnahmegesetz vom 28. Sep⸗ tember d. J. ein Ende machen wolle, wenn es weite Kreise der Bevölferung unter ein Ausnahmerecht stelle, ersolgt keine Antwort.

Ab. Schiele (D. Nat.) fragt an wegen der Vorkommnisse bei

einem Demonstrationszug in Hameln am 15. September wegen der Verhaftung von vier Arbeitern wegen Landfriedensbruch. Die Ver⸗ hafteten seien infolge des Zuges freigelassen worden. Der Demon⸗ strationszug habe die Oeffnung e de rer fe. erjwungen und sei mit den befreiten Gefangenen im Triumph durch die Stadt ge⸗ zogen. Oberregierungsrat Dr. Mettgenberg: Zu dieser Angelegen⸗ heit ist bereits am 30. Septemher in Beantwortung einer Anfrage Hergt erklärt worden, daß die Reichsjustizerwaltung mit dem yreußi⸗ Ischen Justizminister in Verbindung getreten sei, dessen Mitteilungen damals wiedergegeben wurden. Die Verhinderung bon Gewalttaten und Ausschreitungen, wie sie bedauerlicherweise in den letzten Wochen in größerer Anzahl vorgekommen sind, ist Sache der Landesregierungen. Die ,,, hat vor einigen Wochen schon die Landesregierungen ersucht, gegen , Vor⸗ kommnisse nachdrücklich einzuschreiten. Die Drtapolizeibehörden sind demgemäß insbesondere in Preußen entsprechend angewiesen worden, und es kann ein Nachlassen der Ausschreitungen, die von der Reichsregierung aufs schärfste verurteilt werden, feftgestellt werden.

Abg. Lambach (D. Nat.) fragt an wegen einer von der tschecho⸗slowakischen Presse verbreiteten. Nachricht, daß tschecho⸗ slowakische Angestelltenorganisationen die Ausweisung aller jener Handelzangestellten gefordert haben, die nicht Staatsbürger der tschecho⸗ slowakischen Republik sind.

Geheimrat Margugrd: Der deutsche Gesandte in Prag hat unverzüglich nach Auftauchen jener , , eine Anfrage an die ,, Regierung gerichtet, ob diese Nachricht zutreffe, und bejahendenfalls auf die go gen für tschecho⸗sowakische Angestellte in Deutschland aufmerksam gemacht. Die tschechische Regierung hat darauf erwidert, daß der Bericht absolut unrichtig ist. Die dentsche Gesandtschaft in Prag hat in Fällen von Entlassung deutscher Arbeiter und Angestellten bei der tschecho⸗slowakischen Regierung stets Ent⸗ gegenkommen gefunden. Es darf daher behauptet werden, daß die Befürchtungen der deutschen Angestellten in der Tschecho⸗Slowakei sich als unbegründet erweisen werden. . ;

Eine weitere Anfrage der de ut schnatinalen Fraktion, die 39 Fälle rechtswidriger Bedrohungen und Gewalttaten gegen rechtsstehende Kreise aufführt, wünscht von der Reichsregierung Aus= kunft, wann nunmehr endlich vorbeugende Maßnahmen ergriffen würden, um diesem verbrecherischen Treiben ein Ende zu machen. Die Antwort der Regierung, die Kommissar Oberst 4. D. ner gibt, lautet dahin, daß das tatsächliche Material über die angeführten Fälle noch nicht zur Hand ist. Eine fe, , d, was die Reichsregierung zu tun gedenke, um die passive Resistenz der Länder zu brechen, wird nicht beantwortet.

Eine Anfrage der Abgg. Frau Behm (Anat.) und Ge- nr fügen, führt darüber Beschwerde, daß eine bereifg begonnene Gedächtnisfeier am Grabe der Kaiserin, die der evangelische Arbeiter⸗ verein Moabit und ee, . deutschnationaler Arbeitergruppen am 23. September veranstaltet hatte, unmittelbar vor der zu haltenden Bedächtnisrede verboten worden ist. Die Regierung läßt erwidern, daß der preußische Finaniminister als Vertreter des Eigentümers des (Grund und Bodens von Sanssouci‚ Versammlungen auf diesem Besitz bereits im Juni d. J. von seiner vorherigen besonderen Er—= laubnis abhängig gemalht hat. Die Veranstalter haben es unter— lastin, die Genehmigung einzuholen. Das Perbot ist erfolgtz als die Behörde zufällig von der Feier Kenntnis erhielt, und ist dem deiter der ,, insolgedessen zu jpät übermittelt worden. Das Verbot der Polizeibehörde ist nicht zu beanstanden, eine Verletzung des Ver— sammlungsrechts und der Verfassung kommt nicht in Frage.

Eine Anfrage der Abgg. Obermeyer und Jan sche k Soz.) protestiert dagegen, daß Bauten der Bergmannssiedlung Reckling⸗

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

bausen bon zwei festbesoldeten Beamten der staatlichen Bergwerkk— gesellschaft in Gladbach nebengmtlich gegen besondere Vergütung ausgeführt werden. In der Antwort der Regierung wird, sest= gestellt, daß es sich um Bergmannswohnungen im Geschäftsbereich der Bergmannesiedlung Botiroy⸗Buer⸗Gladbach (nicht Reckling⸗ hausen) handelt, Deren Ausführung den staatlichen Zechen⸗ betrieben zusällt. Mit der Bauleitung sind in diesem Falle die staatlichen Berginspektionen 2 und 5 in Gladbeq beauftragt worden, in deren Auftrag wieder die in der Anfrage erwähnten beiden Baugewerksmeister die Bauleitung im Rahmen ihres Amtes ausüben. Für die entstehenden Unkosten erhalten die Berginspektionen eine Ver⸗ ütung, die mit der Treuhandstelle vereinbart ist. Ob die beiden Baugewerksmeistern aus diesen Beträgen eine Sondervergütung er⸗ halten, ist Sache ihrer ver gfscten Dienststellen. Die Arbeiten selbst sind , ere, eee. ausgeführt. ; .

Auf eine Anfrage der Abgg. Sim on- Schwaben und Gruber Soz.), die sich auf eine angebliche Einfuhr Südtiroler Weine durch Dr. Heim und Dr. Schlittenbauer bezieht, wird erwidert, daß den genannten Herren eine Sondereinfuhrgenehmigung für solche Weine nicht erteilt worden ist und die Weineinsuhr überhaupt nicht statt⸗ gefunden hat. ö

Abg. Beythien (D. K wünscht Aenderung des Margarinegesetzes, die Bestimmung, daß Butter und Margarine nicht in denselken Räumen feilgehalten und verkauft werden dürfe, sei längst überholt. Ein Regierungsvertreter erklärt, daß diese Be⸗ stimmung nicht mehr gelte. Weitere Maßnahmen seien zurzeit nicht notwendig. ;

Eine weitere Frage des Abg. Be yt hien (D. Volksp.) auf Auf⸗ hehung der Kakaowirischaftsstelle wird dahin beantwortet, daß diefe noch nicht möglich sei, der Reichswirtschaftsrat habe sich dahin ge⸗ äußert, 9. diese Stelle vorläufig weiter bestehen müsse, bis die Kakaoeinfuhr endgültig geregelt sei. ö

Auf eine Frage des Abg. Hoch (Soz) erklärt ein Vertreter des Reichsfinanzministers, ein Gesetzentwurf, betreffend Kürzung der Ruhegehälter und Wartegelder sowie der Nebenbe üge bei Ver⸗ sorgungsberechtigtel, die ein Einkommen aus gewinnbringender Be⸗ schäftigung außerhalb des Reichs- und Staatsdienstes beziehen, liege dem Reichsrat vor. Der Reichsrat aber habe wegen dringlicherer Arbeiten auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung die Beratung bis⸗ her zurückstellen müssen. ö. ö.

Abg Fries (Komm) fragt nach der Ruhegehalts zahlung für 3. n, . Reichskanzler Dr. Fehrenbach und sonstige frühere

inister.

Ein Vertreter der Regierung erklärt: Dem ehe⸗ maligen Reichskanzler Fehrenbach wurde unter . der Hälfte seiner Sachwalterzeit ein Ruhegehalt vom Reichsrat au Grund des Beamtengesetzes genehmigt, ebenso dem Stellvertreter des Reichs- kanzlers von Payer sowie den Ministern Koch, Dr. von Krause und Dr. Scholz. Alle Pensionen vor und nach dem 9. November sind nur gewährt worden, wenn ein Rechtsanspruch bestand, d. h. wenn das Amt mindestens zwei Jahre von dem Betreffenden bekleidet ge⸗ wesen ist oder wenn sie sich zehn Jahre im Dienste befunden haben. Bei früheren Ministern handelt es sich um den Grafen Posadoweky, Dr. Wallraff und Dr. von Delbrück. Teuerungszuschläge sind, wie bei . Pensionären, unter Zugrundelegung der Gesetze berechnet worden. .

Abg. Hart leib (Soz.) fragt nach der Ausfuhr von Laufdecken und Vollgummireifen für Kraftwagen aus Italien.

Regierungsrat von Nutius: Eine unmittelbare Kompensation von italienischer Seite für die von Deutschland gewährte Einfuhr von Laufdecken und Vollgummireifen für Kraftwagen zu verlangen, erübrigt sich aus dem Grunde, weil die Einfuhr bon Gummiwaren nach tal & frei ist. Dafür wurden itglienischerfeits Konzessionen auf anderen Gebieten eingeräumt. Die Befürchtung, daß durch das Wirtschaftsabkommen mit Italien zahlreiche in der deutschen Gummi⸗

industrie beschäftigte Arbeiter arbeitelos werden, wird nicht eteilt, . Auf Anfrage des Abg. Joos (3) über die unzureichende Veteranenheihilfé von 160 M erwidert ein Regierungsvertreter,

weil u. a, die Lage der deutschen Kautschukindustrie zurzeit nicht eine en, ist. , so schwere Befürchtung gerechtsertigz erscheint.

*

e starp (Dnat,) bringt eine große Reihe von

Fällen zur Sprache, bei denen gegen rechtstehende Kreise Be⸗ Drohungen und Gewalttaten begangen worden sind, und fordert EGin⸗ leitung der Strafverfolgung.

Ein Vertreter der Regierung vermag keine Auskunft

zu geben, weil kein Material vorliege. (Große Unruhe rechts.)

Abg. Graf We st arp (Dnat.) weist in e, ,, darauf hin, daß nunmehr siebrig derartige Falle von ihm vorgebracht worden seien. Er fragt, ob von diesen siebzig Fällen nicht wenigstens über einen Fall Maßnahmen der Regierung gekroffen worden selen, damit diesem verbrecherischen Treiben Einhalt getan werden Fönne.

„Der Regierungsvertreter erklärt, daß bei den siebzig Fällen jan fl h Bundesstaaten in Betracht kämen. Derartige Vor⸗ gänge seien also nicht ganz leicht aufzuklären. Wenn die Regierung dem Reichstage eine Erklarung gebe, so müßten einwandfreie Unter lagen dafür vorhanden sein. Es treffe nicht zu, daß absichtlich Ant- worten nicht eingegangen seien. (Lachen rechts) In einzelnen Fällen sei eine Antwort eingegangen, wenn es gewünscht werde, stände die Regierung zu einer derartigen Einzelbeantwortung zur Verfügung.

Abg. Graf We st arp (Dnat.) weist darauf hin, daß feine An⸗

frage sechs Wochen ast sei, trotzdem bestehe die Rechts- und Schutz⸗ losigkeit weiter. een links.) Eine weitere An frage des Abg. Graf West arp befaßt sich mit einer Reihe von Fällen, in denen der Sozialdemokratie angehörige amtliche Vertreter von Behörden sich an Gewalttätigkeiten gegen rechtzstehende Kreise teils selbst beteiligt, teils folche entgegen J amtlichen Verpflichtungen nicht verhindert, teils aus Beforgnis vor derartigen Ereignissen ungerechtsertigterweise gesetzmãßige Unter⸗ nehmungen verboten haben. :

Der Regierungsvertreter vermag auch diese Anfrage wegen Mangels an Maferial nicht zu beantworten.

Schließlich agg Abg. Graf Westarx (D. Nat.) nach Maß nahmen, um zu verhindern, daß rechtsstehende Arbeiter und Angestellte wegen ihrer Gesinnung aus der Arbeitsstelle verdrängt werden.

Ein Vertreter der Regierung erklärt, daß Erhebungen veranlaßt worden sind, das Ergebnis aber noch nicht vorliege. Eine Anfrage des Abg. Tam bach (D. Nat) bezieht sich auf die ir ichen orkehrungen für den Schutz des Reallohns, welche angesichts der Annäherung der deutschen Preise an die Weltmarkt⸗ preise vom Reichstage verlangt und vom Reichswirtschaftsminister vor drei Monaten zugesagt sind. Es wird gefragt, was die Reichs= regierung tun will, um das gegebene Versprechen einzulösen und das deutsche Wirtschaftsleben dadurch vor unnötigen und unnütz ver— schärften Lohn⸗ und Gehaltskämpfen zu bewahren.

Die von dem Vertreter der Reichsregierung er— a nher ist im Zusammenhange auf der Presseempore icht zu ehen.

Zwei Anfragen der Sozialisten und der Unabhängigen Sozialisten bringen die „Verabredungen zur Sprache, welche zwischen dem Deutschen Stickstoffyndikat und Vertrefungen der ausländischen Stick. stoffindustrie über die Absatzverteilung getroffen sind und den Iweck haben, den Verkaufspreis des Stickstoffs in Deutschland nicht unter den Weltmarktpreis sinken zu lassen. Es wird darin eine ungehörige Verteuerung insbesondere des großen Bedarfs der Landwirtschaft an Stickstoffdüngemitteln erblickt.

Der Kommissar des Reichsministers für Ernährung und Land⸗ wirtschaft Dr. Heu kam p erklärt: Ällerdings ist auf dem Weltmarkt ein greßes Angebot von sticftoffhaltigen Düngemitteln vorhanden. deren Preis den Köchstpreis für den im Inland erzeugten Stickstoff um das Zwei bis Dreifache übertrifft. Die Erfahrungen des letzten Jahres haben elehrt, daß die Landwirtschaft zu den Auslandspreisen keinen Stickstoff kauft. Bei den erwähnten Ver⸗ abredungen hat das Deutsche Stickstoffsyndikat beruhigende Er— klärungen abgegeben. Das Abkommen ist ohne jeden Einffuß auf die Preise des von der deutschen Jandwirtschaft benötigten Stickftoffs. Eine Einfuhr von stickstoffhaltigen Düngemitteln wird auch im laufenden Düngerjahr voraussichtlich unnötig sein, eventl. wird die Reichs⸗ regierung Maßnahmen zur Verhütung der Uebervorteilun der deutschen Landwirtschaft treffen und nach wie vor bestrebt kKlirer

Beteiligung des Redakteurs Phi

die Versorgung der Landwirtschaft zu erträglichen Preisen zu gewähr⸗ leisten. Aus Entgegenkommen gegen die chilenische Regierung war es notwendig, die Einfuhr von Chilesalpeter zu gestatten.

Eine Anfrage der Deutschnationalen hat die Rückerstattung der

im Wege des Lohnabzugs zuviel erhobenen Steuern zum Gegen— stande. Sie beklagt die langsame Behandlung der Rüqerstattungs— fälle, fordert beschleunigte Veranlagung der größeren Steuerzahler und sofortige Erstattung an die besonders bedürftigen kleinen Steuer⸗ ahler. . 26. Der Vertreter des Reichsfinanzministers er⸗ widert, daß die Reichefinanzverwaltung von Anfang an bestrebt ge— wesen ist, die Veranlagung für 1920 so rasch wie möglich durchju⸗ führen, damit die Erstattung der zuviel einbehaltenen Beträge baldigst erfolgen könnte. Die Finanzämter sind angewiesen, in Fällen, wo es sich um besonders bedürftige und in Not befindliche Steuerpflichtige handelt und sich aus der verzögerten Rückzahlung besonders schwere Härten ergeben, auf Antrag der ,, . deren Veranlagung vorwegzunehmen. Schon diese Anordnung hat die rasche Durch— führung der Einkommensteuerveranlagung außerordentlich erschwert. Zur möglichsten Beschleunigung der Veranlagung muß unter allen Umständen davon abgesehen werden, durch neue Anordnungen die rasche Durchführung der Veranlagung den Finanzämtern unmöglich zu machen.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Hertz (0. Soz.) wird durch den Vertreter der Regierung die Auskunft gegeben, daß auf die Gesamtumlage von 243 Millionen Tonnen Getreide, wovon zum 15. Oktober und zum 15. Dezember je ein Viertel ab— zuliefern ist, bis zum 2. November auf die erste Rate rund 63 000 Tonnen abgeliefert worden sind, und zwar 77 728 Tonnen Weizen, 834 674 Tonnen Roggen, 49 683 Tonnen Gerste und 1718 Tonnen Hafer. Die rechtzeitig abgelieferte Menge 56. 39 Prozent der Gesamtumlage. Ueber den Durchschnitt haben . ert Preußen, Braunschweig, Lübeck, Mecklenburg⸗Strelitz, Anhalt, Oldenburg, Waldeck und Baden, n e als die eiforderlichen 25 Prozent haben abgeliefert: Hohenzollern, Bremen und Hamburg. Diese Zahlen sind noch nicht endgültig, Im ganzen ist das bisherige Ablieferunge⸗ ergebnis befriedigend. Gegen alle säumigen Ablieferer unverzüglich mit der Festsetzung des Geldersatzes vorzugehen, sind die Länder vom

Reiche ersucht worden, ihre Kommunabwerbände anzuweisen.

Eine Anfrage der Abgg. Malke und Graf Westarp (D Nat) derlangt die strafrechtliche Verfolgung des TLandfriedensbruchs, der am 28. August in Zielenzig aus Anlaß des Angriffs sozialdemokratisch⸗ kommunistischer Elemente auf den dort abgehaltenen Landbundtag erfolgt ist.

Oberregierungsrat Dr. Nettgeęn berg erklärt: Die , ,, gehört nicht zur Zuständigkeit der Reichsjustizwerwaltung; der Reichs. justizminister ist indessen um Information gebeten worben und hat mitgeteilt, daß an dem gengunten Tage der vom Landbundtage ver= anstaltete Festzug von den Teilnehmern der gleichzeitigen Versamm⸗ lung von Angehörigen linksstehender Parteien überfallen worden ist, daß Menschen und Tiere roh mißhandelt wurden, daß die schwarz⸗ weißroten Fahnen und die Blumengewinde von den Wagen herunter. gerissen und die Landjäger beschimpft und tätlich angegriffen wurden. Es ist gegen die Angreifer die gerichtliche Voꝛruntersuchung eröffnet. Bisher ist nicht sest fl Dahn es sich um einen planmäßigen Angriff

egen die Veranstaltung des Landbundes gehandelt hat oder ob nur Rlusschreitungen ungezügelter Elemente vorliegen; es haben sich unter den Angreifern Jugendliche in . Anzahl befunden. Für eine

ippsborn aus Frankfurt a. O. mit

hetzerischen. Reden hat sich bisher nichts ergeben. Die vom pier f. Minister des Innern erbetene . steht noch aus.

Auf, die ergänzende Anfrage des Abg. Grafen Westarvy, ch die Reichsregierung von ihrem Aufsichtsrecht in bezug auf die Aug. führung der i r. dem preußischen Minister gegenüber Ge⸗ brauch gemacht habe, erfolgt eine Antwort nicht.

in einem Nachtragsetat auch für die Veteranen geforgt werden soll. . SHiermit sind von den insgesamt 45 Anfragen, die auf der heutigen Tagesordnung stehen, 25 erledigt. Die weitere Erledigung von , wird für heute ,,,, .

Die Interpellation der Sozialiften, betreffend die „Deutschen Werke“, wird in der geschäftsordnungs— mäßigen Frist von der Regierung beantwortet werden.

Das Haus tritt nunmehr ein in die erste Lesung der neuen Steuer vorlagen. .

Reichsminister der Finanzen Dr. Hermes: Meine Damen und Herren! In der Rede, die der damalige Reichsminister der Finanzen und Reichskanzler Dr. Wirth vor diesem hohen Haust am 1. Juni d. J. gehalten hat, ist auf die ungeheuren Lasten hin gewiesen worden, die uns das Londoner Ultimatum auferlegt hat. Es ist dabei betont worden, daß alles versucht werden müsse, durch die Tat zu beweisen, daß unsere ganze Leistungsfähigkeit in den Dien der Erfüllung unserer Verpflichtungen gestellt werden soll.

Diesem Gedanken suchen die Ihnen vorgelegten Gesetzenhwärht Rechnung zu tragen. Bei Aufstellung des Entwurfes ist davon aus— gegangen worden, daß jede vorhandene Steuerquelle bis aufs Aeußerste ausgenutzt werden müsse, daß aber jede Ueberspannung der steuer lichen Belastung zu einem Zusammenhruch unseres Wirtschaftslebens führen und damit die Quellen verstopfen müßte, aus denen die Gin⸗ nahmen fließen sollen. Ich bin mir bewußt, daß die Steuern, über die Sie beschließen sollen, die ungeheuerlichste Belastung darstellen, die je einem Volke zugemutet worden ist. Gigantisch wie der Kampf, den das deutsche Volk vier Jahre lang gegenüber einer Welt geführt hat, sind auch die Folgen für uns, die wir schließlich der Uebermacht in diesem Kampfe erlegen sind. Ich habe aber die Zuversicht, daß die neuen Steuerlasten, die jetzt vom deutschen Volke verlangt werden müssen, getragen werden können, wenn alle Kräfte, die im deutschen Volke ruhen, vereinigt und zur höchsten Leistung angespannt werden. In dieser Beurteilung der Leistungsmöglichkeit glaube ich mich in Uebereinstimmung zu befinden mit den Faktoren, die bisher in eine Prüfung der Gesetzentwürfe eingetreten sind. Die Entwürfe weichen nur in wenigen Punkten von der Stellung ab, die der Reichs wirtschaftsrat und der Reichsrat zu ihnen genommen haben. Die Gesetzentwürfe gehen grundsätzlich keine neuen Bahnen; sie wollen ihr Ziel durch den Ausbau der bestehenden Steuergesetzgebung erreichen Dies ist, wie bei früheren Finanzreformen, so auch jetzt, der Finanz verwaltung zum Vorwurf gemacht worden, meines Erachtens gu Un⸗ recht. Die Anregungen, die über neue Steuerquellen und Steuerformen zutage getreten sind, waren gahlreich; sie haben das lebhafte Interesse und das Streben weiter Kreise unseres Volkes gefunden, an der Gesundung unserer Finanzen mitzuwirken, und ich möchte nicht un ter⸗ lassen, von dieser Stelle aus allen Beteiligten den Dank für ihre Mitarbeit. auszusprechen. Alle Anregungen sind gründlich und vor⸗ urteilslos geprüft worden, sie haben zum Teil wertwolle Gedanken ent⸗ halten, deren Verwirklichung vielleicht einer späteren Zukunft vor⸗ behalten ist. Die nähere Prüfung hat aber doch eygeben, daß im gegen⸗ wärtigen Augenblick auf ihre Verfolgung verzichtet werden muß. Die neuen Einnahmen müssen möglichst rasch und ohne erhebliche Stö⸗ rungen des Wirtschaftslebens zum Fließen gebracht werden. Dies kann aber nur dann geschehen, wenn der Zusammenhang mit der be—

stehenden Steuergesetzgebung gewahrt und Experimente vermieden werden. ö . ; ö . '

. 1

1602s in Aussicht genommen werden, da junsächst die Veranlagung der

vergesehen, daf im Jahre 1922 über die im Gesetze vom 2. Dezember

wvesentlich erhöhte Ueberweisungen ergeben werden. Außerdem ist den

werden können.

denn diese nun durch höchste Velastun des Steuer ahlers auf ·

Was nun die Ihnen vorgelegken Geseentwürfe im einzelnen enlangt, so sind sie insofern nicht vollständig, als der Entwurf eines Gesetzes wegen Aenderung des Kohlensteuergesetzes noch aussteht. Ein solcher Entwurf. ist bereits dem Reichsrat vorgelegt und auch von ihm angenommen, seine Einbringung in den Reichstag mußte aber zurück. gestellt werden, da in zwischen der Reichskohlenrat bestimmte Vor- schläge über die Veredelung der Kohlensteuer gemacht hat. Es erschien zweckmäßig, mit Rücksicht auf diese Vorschläge den Entwurf noch einmal überzuprüfen. Das wird mit der gebotenen Beschleuni⸗

gung geschehen, und ich hoffe, alsbald in der Lage zu sein, Ihnen auch diesen Entwurf vorlegen zu können.

Zu den Einzelheiten der Gesetzentwürfe Stellung zu nehmen, möchte ich mir heute versagen. Die Ausschußberatungen werden hierzu ausreichende Gelegenheit bieten. Ich möchte aber das eine

hervorheben, daß die Gesetzentwürfe das Ziel verfolgen, einen ge⸗ rechten Ausgleich zwischen der Belastung des Verbrauchs und der Belastung des Besitzes zu schaffen. Dabei darf ich es im Hinblick auf die Erfahrungen der letzten Zeit dahingestellt sein lassen, ob die Scheidung von Steuern unter dem Gesicht punkte der Verbrauch und Besitbelastung nach ihrer tatsächlichen Wirkung überhaupt noch Berechtigung hat. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Bleibt man bei dieser Scheidung, dann sind bezüglich der Belastung des Verbrauchs die Erhöhung der Umsatzsteuer und die in Aussicht genommene Erhöhung der Kohlensteuer besonders hervorzuheben.

Ich verkenne nicht, daß gerade diese beiden Steuern in ihrem neuen Gewande eine außerordentliche Belastung der deutschen Wirt. schaft und jedes einzelnen Haushalts bringen werden. Aber auf den die Grenze des Möglichen erreichenden Ausbau dieser Steuern kann wegen des bedeutenden geldlichen Ergebnisses nicht verzichtet werden. Den Hauptteil der Besitzsteuern bildet die Vermögenssteuer. Sie ist notwendig geworden, um den Gedanken, der im Reichsnotopfer ent⸗

halten war, aber durch die inzwischen eingetretene Geldentwertung

nicht hat verwirklicht werden können, in einer den veränderten Ver bältnissen angepaßten Weise zur Durchführung zu bringen. Zu diesem Zweck soll eine laufende Vermöõgenssteuer erhoben und von drei zu drei Jahren nach einem Maßstabe veranlagt werden, der den jeweiligen Wert der Vermögen richtig erfaßt und damit sowohl den Ver⸗ änderungen in dem Bestande der Vermögen als auch in ihren Wert. berhältnissen Rechnung trägt. An Stelle des in Wegfall kommenden Teiles des Reichsnotopfers soll auf die Dauer von 15 Jahren ein Zuschlag zur Vermögenssteuer treten, der so bemessen sein muß, daß er einen vollwertigen Ersatz für das Reichsnotopfer darstellt. Neben dieser Vermögenssteuer wird eine laufende Ver mögen gzuwachssteuer und eine einmalige Besteuerung des Vermögens)uwachses aus der Nachkriegszeit vorgeschlagen.

Die Durchführung dieser Steuern wird die Steuerverwallung dor neue große Aufgaben stellen. Die Steuerbehörden sind schon jetzt mit der Durchführung der bestehenden Gesetze in einer Weise belastet lsehr richtig! rechts), die die höchsten Anforderungen an sie stellt.

Deshalb mußte bei der Aufstellung der Entwürfe auf deren möõglichst einfache Gestaltung sowie darauf Bedacht genommen werden, daß für die Aufarbeitung der jetzt vorhandenen und, wie ich betonen möchte, durch den Gang der Gesetzgebung zum Teil selbst veranlaßten Rückstände einige Zeit zur Verfügung bleibt. Deshalb konnte auch die erstmalige Veranlagung der Vermögenssteuer erst für das Jahr

EGinkommensteuer und der Umsatzsteuer für die Jahre 1920 und 1921 sowie die endgültige Veranlagung des Reichsnotopfers durchgeführt sein müssen. Da aber mit der Heranziehung des Besitzes nicht big 1923 zugewartet werden kann, ist im Vermögen gsteuergesetzen twurf

120 vorgesehene beschleunigte Entrichtung des Reichanotopfers hinaus ein weiterer Teil des Reichsnotopfers, namentlich bei den Grwerbsgesellschaften, einzuheben ist.

Nicht minder wichtig als die Schaffung neuer Steuern ist die richtige und rasche Veranlagung und Erhebung der bestehenden Steuern. Sehr nichtig Ich habe bereits erwähnt, daß hier erheb⸗ liche Rückstände vorhanden sind. (Zustimmung bei den Deutschen Demokraten) Auf die Umrsachen dieser Verzögerungen will ich heute nicht eingehen. Ich kann aber versichern, daß ich mit allem Nachdruck und mit allen Mitteln auf eine rasche Erledigung der laufenden Veranlagungsarbeiten hinwirken werde. (Bravo) Ich erwarte dabei von allen Beamten der Reichsfinanzverwaltung opferwillige Mit⸗ arbeit und darf, insoweit gesetzgeberische Maßnahmen in Betwacht lommen, wohl auch auf die Unterstützung dieses hohen Hauses rechnen. Einen besonderen Erfolg für die Steuerveranlagung veorspreche ich mir von dem neu eingerichteten Buch- und Betriebsprüfungodienst. Eine Denkschrift hierüber wird Ihnen zugleich mit dem dritten Nachtragsetat vorgelegt werden. In diesem Nachtrag sind für den genannten Zweck rund 25 Millionen Mark angefordert, die sich für bag. Jahr 1922 voraussichtsich auf 50 Millionen Mark erhöhen werden. Ich betrachte diese Ausgaben als werbende im vollsten Sime des Wortes; denn die Buch und Betriebsprüfung wird ein Vielfaches des Aufwandes, den sie erfordert, durch ein erhöhtes Steueraufkommen einbringen und gleichzeitig dazu beitragen können, a, . Steuermoral günstig zu beeinflussen. (Sehr richtig! nks.

Auf die Bedürfnisse der Bänder und Gemeinden ist in dem Ge— setzentwurf weitgehend Rücksicht genommen. Trotz wesentlicher Er⸗ höhung der Körperschaftssteuer und der Umsahsteuer ist das Be⸗ teiligungsberhältnis der Länder und Gemeinden an diesen Ueber- weisungssteuern underändert geblieben, so daß sich bei diesen Steuern

Ländern und Gemeinden im Kapitalverkehrssteuegesetz, bei der Ge⸗ werbean schaffungssteuer und bei der Krafifahrzeugsteuer ebenfalls eine Beteiligung zugestanden worden. Damit ist aber auch bei de⸗ Finanzlage des Reiches die Möglichkeit, die Länder und Gemeinden n Reichssteuern zu beteiligen, erschöpft.

Der Notlage der Kleinrentner ist im Vermögenssteuergesetz Rechnung getragen. Se sollen unter gewissen Voraussetzungen nicht nur von der Vermögenssteuer befreit werden können, sondern es soll ihnen sogar das bereits erstattete Reichsnotopfer wieder erstattet

Ueber den Mehrertrag der vorgeschlagenen Steuern kann in Zeiten des schwankenden Geldwertes kaum eine Voraussage gemacht werden, die auf unbedingte Richtigkeit Anspruch erheben dürfte. Immerhin glaube ich bei vorsichtiger Schätzung den Mehrertrag mit 40 bis 42 Milliarden Mark veranschlagen zu dürfen.

Meine Damen und Herren! Sie werden mit Recht fragen, ob

nationalen.)

zubringende Summe überhaupt ausreicht, um unsere Verpfsichtun gen aus dem Friedensrertrag und dem Ultimatum zu erfüllen. (Sehr richtig rechts) Ich muß diese Frage verneinen. (GHört, hört! rechts) Sie werden diese Unmöglichkeit aus dem Ihnen bereits angekündigten dritten Nachtrag zum Reichshaushalt entnehmen können. Dieser derschiebt das bisherige Bild des Reichshaushalts vollkommen. Bisher waren an Ausgaben aus dem ordentlichen Etat 4853. Mil- liarden bewilligt. Daju werden nunmehr neu 65,8 Milliarden an⸗ gefordert (lebhafte Hört, hört⸗Rufe und Bewegung), so daß die Ausgaben des ordentlichen Etatz für das Jahr 1921 sich auf rund 1141 Nilliarden belaufen. (Anhaltende Bewegung.)

Ein Blick in den Nachtrag gibt sofort die Erklärung für diese Ausweitung der Ausgaben. Es werden unter anderm angefordert: ,L Milliarden für die Ausführung des Friedenewertrages, 29 Mil⸗ liarden für die Erhöhung der Teuerungsguschläge letztere lediglich für die eigentliche Reichsverwa ltung und die Zuschüsse an die dãnder 6,5 Milliarden an Mehrüberweisungen an die Länder und Gemeinden. Die übrigen Forderungen treten gegenüber diesen . e n m. weit zurück.

innahmen stehen nun di Riese n aus dem ordentlichen Eiat gegenüber? . e,,

Nach den bisherigen Einnahmeansätzen für das Rechnungsjahr 1921 wurden 442 Milliarden envartet, nach den Ansätzen des dritten Nachtrags werden weitere 15 Milliarden ewwartet, so daß sich zu⸗ sammen 61.2 Milliarden an Einnahmen für das Rechnungsjahr 1921 ergeben. Es bleibt also im ordentlichen Haushalt allein ein Fehl⸗ betrag von 53 Milliarden Mark. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Abg. Hoffmann Berlin: Das nennt sich ordentlicher Haushalt! Deiterleit Ohne die Kontribution hat der ordentsiche Haushalt 1921 einen Ueberschuß von 2 Milliarden, denen die Ausgaben für die Kontribution in Höhe von 55 Milliarden gegenübergestellt sind.

Was den außerordentlichen Haushalt (Heiterkeit) anlangt so sind durch die Neuaufstellung des dritten Nachtrags wesentliche Aenderungen eingetreten. Von den Kosten für die Ausführung des Friedensvertrages, die mit 25,5 Milliarden eingestellt waren, sind rund 20 Milliarden auf den ordentlichen Haushalt übergegangen. Dafür aber weist eine andere Reihe von Ausgabeposten sehr starke Erhöhungen auf. Von den Mehrausgaben entfallen allein 19 Milliarden auf die Reichseisenbahnen. Hierin sind indessen 16,9 Milliarden Mark enthalten, die zur Einlösung der schwebenden Schulden der früheren Eisenbahnstaaten diesen zur Verfügung zu stellen sind, also Abschlagszahlungen auf die Kaufschuld für den Er⸗ werb der Reichseisenbahnen darstellen. Der Rest des hiernach bei der Eisenbahnverwaltung noch verbleibenden Mehrbedarfs von 21 Milliarden ist auf die gewaltige Teuerungswelle zurũckzuführen, die seit einigen Monaten eingesetzt hat, und deren Ausgleichung durch Tariferhöhungen für 1921 noch nicht im vollen Umfang durchgeführt werden kann. Der Gesamtzuschuß des Jahres 1921 zu den Betriebs⸗ verwaltungen wird sich auf 37,) Milliarden stellen. (Hört, hört! bei den Deutschnationalen.) Insgesamt wird sich der ungedeckte Betrag des außerordentlichen Haushalts 1921 von bisher 42 Milliarden auf 57 Milliarden erhöhen.

Der Anleihebedarf des Reiches für das Rechnungsjahr 1921 beläuft sich demnach insgesamt auf die gewaltige Summe von 110 Milliarden Mark. Der Mehrbedarf der durch eine geplante weitere Erhöhung der Beamtenbezüge usw. zu erwarten ist, ist hierbei noch nicht berücksichtigt. (Hört, hörth . /

Wie sich der Reichshaushalt des Jahres 1922 gestalten wird, läßt sich heute bei der Unsicherheit der Verhältnisse nur mit allem Vorbehalt sagen. Die Schätzungen, die in dieser Richtung von der Reichsfinanzberwaltung vorgenommen worden sind, ergeben sich aus folgenden Hauptzahlen, in denen die Wirkungen der kommenden Be⸗ soldungsvorlage noch nicht mit einbegriffen sind.

Für das Rechnungsjahr 1922 rechnet man zurzeit mit laufenden Einnahmen in Höhe von 97,7 Milliarden, Ausgaben im allgemeinen ordentlichen Haushalt 69 Milliarden, Ausgaben im ordentlichen Kontributionshaushalt 7763 Milliarden (Zuruf rechts: Viel zu wenigh ich komme darauf noch Ausgaben im allgemeinen außerordent⸗ lichen Haushalt A Milliarden, Ausgaben im außerordentlichen Haus⸗ halt für die Kontribution (Ausgleichsverfahren usw) 12 Milliarden.

Der außerordentliche Haushalt soll nur noch Ausgaben enthalten, die nach gefunden finanzpolitischen Grundsätzen aus Anleihen be stritten werden dürfen. Die Hauptrolle spielen darin die einstweilen auf 19 Milliarden Mark veranschlagten Zuschüsse zu Eisenbahn und Post; sie stellen Vorschüsse aus allgemeinen Reichsmitteln an die Betriebsberwaltungen dar und sind von diesen aus ihren eigenen Einnahmen zu verzinsen und zu tilgen.

Der ordentliche Haushalt für die allgemeine Reichs verwaltung ohne Betriebsverwaltungen und Kontributionen soll für 1922 nach

Durchführung, der Steuerborlagen bereits einen Ueberschuß von

28, Milliarden Mack ergeben: N,)7 Milliarden Einnahmen, Ho Milliarden Ausgaben. Dieser Ueberschuß wird aber völlig ver⸗ schlungen durch die ordentlichen Ausgaben von Kontributionen hört, hört! links), die einstweilen mit 77,6 Milliarden Mark angesetzt sind (Zuruf rechts: Kurs?! ich komme gleich darauf so daß sich hierdurch ein Fehlbetrag von 48,9 Milliarden ergeben würbe. Durch den Bedarf im außerordentlichen Haushalt der Kontributionen von 12 Milliarden erhöht sich dieser Fehlbetrag im Kontributionshaushalt auf 60,9) Milliarden Mark.

Bei diesen vorläufigen Schätzungen ist von folgenden Gesichte⸗ punkten ausgegangen. Es wird angenommen, daß aus den be⸗ stehenden Steuergesetzen im Jahre 1922 zu den bisher veranschlagten 38 Milliarden rund 2 Milliarden Mehrerträge sich ergeben, wozu dann noch 33595, Milliarden aus den neuen Steuern kommen sollen. ö. Rest verteilt sich auf sämtliche Einnahmen des ordentlichen

ats.

Bei der Ausgaben des ordentlichen Haushalts ist hervorzuheben, daß die infolge der Erhöhung der Einnahmen aus verschiedenen Steuern vorzunehmenden Ueberweisungen an die Länder und Ge⸗ meinden für das Reich eine Mehrausgabe von 12 Milliarden bedingen werden. Bei den außerordentlichen Ausgaben des Reiches werden auch im nächsten Jahre die Zuschüsse zu den Verkehrs derwaltungen noch eine wesentliche Rolle spielen. .

Die schwerste Belastung für den Reichshaushalt wird aber auch im kommenden Rechnungsjahr 1922 der Haushalt der Kontribution bilden, durch den ja überhuapt die ganze Finanznotlage des Reiches bestimmt wird. (Hört, hört! und sehr richtig! bei den Deutsch· Wie hoch die Summen, die infolge des Friedens⸗ vertrages zu leisten sind, sich belaufen werden, ist nur mit großen Vorbehalten zu schätzen. Die Unsicherheitsfaktoren in der Rechnun

des Kontributionsetatg sind besonders groß und zahlreich. grun ͤ

liegt das in der Gestaltung des Kontributionshaushasts an sich. Er weist neben den zwei Goldmilliarden fester Annuitäten noch die variable Größe von 23 93 der Ausfuhr auf. Bei den außerordentlichen Aus gaben des Kontributionsetats sind vor allem die Beträge des Aus⸗ gleichs verfahrens zu erwähnen.

Ist schon die auf Gold gestellte Grundsumme variabel, so wird erst recht der Voranschlag erschwert durch den noch viel unsichereren Faktor der Geldentwertung. Die Geldentwertung ist erfahrungs⸗ gemäß im Innern eine andere als nach außen hin, und es kommt so⸗ nach darauf an, wie groß das Maß der direkten Sachleistungen sich gestaltet, und wie groß andererseits die Summe ist, die in Devi sen abgeführt werden soll, der letztere Betrag steht unter dem gewaltigen Druck der Valutaschwankungen, ein Druck, der im voraus überhaupt nicht berechnet werden kann. Man muß sich also mit Durchschnitts⸗ schäätzungen helfen, um überhaupt zu einer greifbaren Zahlengröße zu kommen. Bei der vorhin mitgeteilten Berechnung ist eine Gold⸗ leistung von 3,3 Milliarden und ein dutchschnittlicher Entwertungs⸗ faktor von 20 angenommen. Guruf von den Deutschnationalen: Heute ist er 600 Hierbei würde sich, wie vorhin dargelegt, ein Gesamt⸗ fehlbetrag im Kontributionshaushalt von 60,7 Milliarden Mark er. geben. Bei einem Entwertungsfaktor von 30 würde der Fehlbetrag sich auf 939 Milliarden Mark und bei einem Entwertungsfaktor von 40 auf 126,9 Milliarden Mark erhöhen. (Zuruf von den Deutsch⸗ nationalen: Heute ist er o) Dabei ist dieser letztere Entwertungs⸗ faktor durch die Entwicklung der letzten Tage bereits weit überholt. ö Zuruf von den Deutschnationalen: Heute ist er 60

is 70

Meine Damen und Herren, diese Zahlen sprechen für sich; ich habe ihnen nichts hinzuzufügen, sondern möchte sie nur der ganzen Welt zur ruhigen, vorurteilslosen Würdigung mitteilen.

Die Reichsregierung steht gleichwohl auf dem Standpunkt, daß alles geschehen muß, um unseren Verpflichtungen aus dem verlorenen Kriege soweit als möglich nachzukommen. Guruf von den Deutsch— nationalen: Soweit als möglich) Sie schließt sich nicht der Auf⸗ fassung jener an, die etwa der Meinung sind, die neuen Steuern seien zwecklos, weil sie letzten Endes doch zu keinem abschließenden Erfolge führen können. (Zuruf von den Deutschnationalen: Sie decken noch nicht einmal den inneren Etat) Auch das deutsche Wirtschaftsleben hat nach dem Zusammenbruch nicht aus Verzweiflung oder Trotz die Hände in den Schoß gelegt, sondern hat in rastloser Arbeit mit aller Energie ungesäumt mit seinem Wiederaufbau begonnen.

Die Reichsregierung legt deshalb die Gesetzentwürfe, die heute zu Ihrer Beratung stehen, mit der dringenden Bitte vor, sie auf dem raschesten Wege ihrer Erledigung zuzuführen. Denn nur so kann der ernste Wille des deutschen Volkes bekundet werden, daß es alles, was in seinen Kräften steht, zu tun entschlossen ist, um der eigenen Ruhe und der Ruhe der Welt willen.

Meine Damen und Herren, ein wirksamer Ausweg aus unserer ungeheuren Finanznot wird sich erst dann finden, wenn sich bei unseren einstigen Gegnern die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß im Interesse ihrer eigenen Völker die durch die Entscheidung über Ober⸗ schlesien wesentlich verschärfte Lage des deutschen Volkes durch eine vernünftige Anpassung seiner Verpflichtungen an seine deistungs⸗ fähigkeit erträglich gestaltet werden muß. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Schon mehren sich im Auslande die Stimmen einsichtsvoller Männex, die darauf hinweisen, daß auf dem bisherigen Wege die Riesenaufgaben, die sich aus der Liquidation des Weltkrieges ergeben, nicht zu lösen sind. (Zuruf von den Deutsch⸗ nationalen: Wir können, wenn wir wollen!“ Das sind die ersten Anzeichen wirtschaftlicher Weltvernunft, die sich unter dem Druck der Tatsachen zeigen. In welcher Zeit allerdings diese Erkenntnis sich verdichten und in die Tat umsetzen wird, vermögen wir heute nicht zu übersehen. (Sehr richtig! bei den Deutschnationalen) Inzwischen bleibt uns nur die Möglichkeit, alle Anstrengungen zur größtmöglichen Leistung zu machen. (Lachen bei den Deutschnationalen.)

Eine wirksame Unterstützung erhoffe ich in dieser Richtung vor dem Ergebnis der Verhandlungen, die mit Vertretern der Industrie des Handels und der Landwirtschaft wegen einer Kredithilfe von der früheren Reichsregierung eingeleitet worden sind und die im gleichen Sinne von der gegenwärtigen Reichsregierung fortgeführt werden. Ich habe das feste Vertrauen zu den beteiligten Kreisen, daß sie sich der unerhörten Not des Vaterlandes nicht versagen (Lachen bei den Kommunisten und bei den Unabhängigen Sozialdemokraten) und bald Entschließungen fassen werden, die geeignet sind, nicht nur dem Auslande die Opfewwilligkeit aller deutschen Wirtschaftskreise zu zeigen, sondern auch innerpolitisch den so notwendigen Ausgleich herbeizuführen.

An diesem hohen Hause liegt es nun, durch die Tat zu be— weisen, daß es auch seinerseits als die berufene Vertretung des deutschen Volkes bereit ist, den von mir vorgezeichneten Weg zu gehen. Ich weiß, daß die vorgelegten Gesetzentwürfe an die politischen An⸗ schauungen aller Parteien Anforderungen stellen; ich weiß aber auch, daß dieses hohe Haus sich seiner Verantwortung vor dem deutschen Volke bewußt ist. Die Erledigung der Vorlagen duldet keinen Auf— schub. Einzelne Gesetzentwürfe müssen aus technischen Gründen unbedingt am 1. Januar 1922 in Kraft treten. Ich darf deshalb an dieses hohe Haus die ernste und dringende Bitte richten, die Be— ratungen über die Entwürfe noch in diesem Jahre zu Ende zu

führen.

Die Aufgabe, die Sie zu lösen haben, ist eine gewaltige; doch der gemeinsame Wille, dem Lande zu dienen, wird auch einen Weg finden. Möge die Not des Reiches hinwegführen über Partei anschauungen und Parteikämpfe, und mögen Ihre Beratungen eine Quelle des inneren Friedens und der uns so bitter nötigen inneren Festigung werden, zur allmählichen Gesundung unseres heute aus tausend Wunden blutenden gemeinsamen Vaterlandes! (Bravo! im Zentrum. .

Die Rede des Ministers wurde mit großer Aufmerksam— keit und stellenweise mit lebhaften Hört! . ö Rufen . genommen und erntete zum Schluß Beifall. Als der Minister davon sprach, daß alle Erwerbsstände sich der großen Not des Vaterlandes nicht verschließen würden, ertinte bel der äußersten Linken lebhaftes Lachen.

Vizepräsident Dr. Bell der das 3 zustimmte. Nächste Sitzung Montag, 1 Uhr: Fortsetzung der der ,, Li m. e nn, ,

Schluß 31 Uhr.

schlug hierauf Vertagung vor,