mir gegen deutschnationale Widerstnde in das Landwirtschafts⸗ ministerium berufen worden. (Hört, hört! links) Und wenn Herr Warmbold nicht in meiner Amtszeit mit der, nach Ansicht der Deutschnationalen, notwendigen Gründlichkeit und Sachlichkeit seine ganzen Kräfte in den Dienst der Landwirtschaft stellen konnte, so trägt mit dazu bei die Haltung, die die Deutschnationale Partei damals eingenommen hat. (Sehr richtig! links) Sie hätte nur das Gesetz über die Selbstverwaltung der Domänen, das gerade seinen Urheber in Herrn Warmbold hat, nicht abzulehnen brauchen, dann hätte Herr Warmbold damals schon zu meiner Zeit Gelegen⸗ heit gehabt, seine ganze Sachlichkeit und Gründlichkeit auf dem Gebiete der Landwirtschaft zu zeigen. (Sehr gut! links.) Aber, meine Herren, gerade die Ausführungen des Herrn deutschnationalen Redners und noch mehr die Ausführungen in der deutschnationalen Presse gegen den Herrn Minister Dr. Wendorff zeigen ja, daß die Angriffe, die seinerzeit gegen mich als Landwirtschaftsminister gerichtet wurden und die dahin gingen, ich sei nicht Fachmann, ich verstände davon nichts, ich hätte keinen Sinn für die Land⸗ wirtschaft, sich nicht so sehr gegen den Nichtfachmann und nicht gegen meine angebliche Nichtsachverständigkeit, sondern gegen meine Parteizugehörigkeit richten. Denn Herr Wendorff ist Fachmann; das werden Sie nicht bestreiten können. (3urufe rechts) Nein, nicht theoretisch, Herr Abgeordneter Graef, sondern auch praktisch: er hat sich zweifellos sehr viel mehr in der praktischen Landwirt- schaft betätigt als Sie, Herr Abgeordneter Graef. Heiterkeit) Jedenfalls werden Sie mir das nicht auch abstreiten können. Und gleichwohl wird heute bereits nicht nur hier, sondern viel mehr noch in der deutschnationalen Presse ganz der gleiche Ton gegen Herrn Wendorff angeschlagen, wie er seinerzeit üblich war, als ich noch das Landwirtschaftsministerium führte. uruf rechts. Das ist ein Beweis, meine Herren, daß nicht mehr oder weniger Fach⸗ kenntnis, sondern die Parteizugehörigkeit der betreffenden Minister da maßgebend ist. (Zurufe rechts.)
Meine Herren, ich komme jetzt mit wenigen Worten auf die vom Herrn Abgeordneten Winckler angeschnittene Beamtenfrage, Ich hätte eigentlich angenommen, daß meine Erllãrung in dieser Beziehung klar war, so klar, daß man eigentlich dazu keines weiteren Kommentars bedarf. In bezug auf die Ausführungen, die ich über das Verhalten der Beamten im Amte gemacht habe, bestehen ja auch wohl keine Zweifel, und ich darf annehmen, daß auch die Herren von der Deutschnationalen Partei mir darin zu⸗ stimmen; jedenfalls hat ihr erster Redner an dieser Fassung keinen Anstoß genommen. Er wünschte lediglich einige Klar⸗ stellungen in bezug auf meine Ausführungen, die das Verhalten der Beamten außerhalb ihres Amtes betrafen. Meine Damen und Herren, ich glaube, auch diese, insbesondere wenn man sie mit meinen Ausführungen über das Verhalten der Beamten im Amte zusammenhält, waren durchaus klar, so klar wie sie nach Lage der Sache sein können. Es heißt nämlich:
„Auch außerhalb des Amtes muß sie — d. h. die Beamtenschaft —
unbeschadet der durch die Reichsverfassung gewährleisteten
Freiheit ihrer politischen Meinungsäußerung bei ihrem Ver⸗
halten stets der besonderen Pflichten eingedenk sein, die ihr
gegenüber dem Staate und der Regierung obliegen. Meine Damen und Herren, wie die Beamten das im einzelnen ausführen, ist Sache des Taktes und läßt sich auch nur im konkreten Falle beantworten, darüber lassen sich im einzelnen eingehende Anweisungen nicht geben. (Unruhe rechts.) Das war früher so und wird auch in Zukunft so sein. Es ist selbstverständ⸗ lich, daß keinem Beamten verwehrt ist, außerhalb des Amtes seine politische Auffassung zu vertreten, zu vertreten in der Weise, wie es eigentlich unter gesitteten Menschen üblich sein soll. Aller⸗ dings meine ich — um nur diesen einen Fall anzuführen —: wenn es vorkommt, daß ein Beamter hier und da außerhalb seines Amtes, in politischen Versammlungen oder sonst irgendwo, z. B. am Stammtisch, sich in wüsten Beschimpfungen gegen die Re⸗ gierung, die Regierungsorgane oder die Verfassung sich ergeht, dann steht das nicht im Einklang mit den Pflichten, die er als Beamter hat. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Eine entschiedene sachliche Vertretung seiner Ansichten, vielleicht auch seiner monarchistischen Ansichten wird nicht verwehrt; das fällt nicht unter diese Bestimmung. Das gewährleistet jetzt im Gegen⸗ satz zu früher die freie vepublikanische Verfassung dem Beamten.
Meine Damen und Herren, die Ausführungen des Herrn Ab⸗ geordneten Winckler über Oberschlesien treffen ja nicht meine Rede, sondern sie waren in der Hauptsache gegen die Reichs⸗ regierung gerichtet. Ich muß aber, weil ich, wie ich gestern aus⸗ führte, es im Interesse Preußens wie des Reiches liegend erachte, daß ein gutes Verhältnis zwischen Preußen und dem Reiche be⸗ steht, von dieser Stelle aus den entschiedensten Einspruch dagegen einlegen, daß die Tätigkeit des Herrn Reichskanzlers in dieser Weise herabgesetzt wird. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und links. Meine Herren, ich will ganz dahingestellt sein lassen, was zu der ungünstigen Entscheidung über Oberschlesien geführt hat. (Zuruf rechts: Rathenau Sie sagen: Rathenau. — Ich will nicht im breiteren ausspinnen, ob nicht Ausführungen, wie sie in einem Artikel eines prominenten Abgeordneten der Deutschnatio nalen Volkspartei vorgekommen sind, und die in politisch bewegter Zeit von der „Waffenkammer Deutschlands“ reden, ob derartige Unvorsichtigkeiten nicht wesentlich zu einer ungünstigen Entscheidung über Oberschlesien beigetragen haben. (Sehr richtig! links) Ich will andere Aeußerungen, die in dieser kritischen Zeit in der ganz rechtsstehenden Presse veröffentlicht worden sind, nicht weiter erwähnen. Ich bin aber der Auf⸗ fassung, daß diese Aeußerungen nicht dazu beigetragen haben, die Reichsregierung in ihrem zweifellos vorhandenen Bestreben, die Entscheidung über Oberschlesien für uns günstig zu gestalten, zu unterstützen. Aber ich muß auf das eine hinweisen: es ist ein ganz unhaltbarer Vorwurf, wenn hier erklärt wird — der Herr Abgeordnete Oeser hat das schon mit Recht und mit aller Schärfe zurückgewiesen — der Reichskanzler sei an der Entscheidung über OVerschlesien schuldig. Ich sehe ganz davon ab, daß durch eine solche Beschuldigung gegen den ersten Beamten des Reiches ge⸗ wissermaßen alle die Leute, die in der unerhörtesten Weise gegen uns gearbeitet haben, wie z. B. Korfanty, bis zu einem gewissen Grade exkulpiert werden. (Unruhe rechts. Ich weise darauf hin, daß der ganze Vorwurf dadurch hinfällig wird, daß über das Schicksal Oberschlesiens in der Tat im Oktober 19158 entschieden worden war. (Sehr wahr! links. — Zuruf rechts.) — Die Doku⸗ mente liegen vor. — Daß die deutsche Heeresleitung sich bewußt
war, daß die Front nicht mehr zu halten war (Unruhe rechts), und sie Hals über Kopf den Waffenstillstand wünschte, ist ihnen ja so bekannt, daß ich die Dokumente nicht vorzulegen brauche. Jedenfalls steht fest, daß die oberste Heeresleitung damals von der Reichsregierung darauf hingewiesen wurde, daß das Ab⸗ schließen des Waffenstillstandes Hals über Kopf eventuell auch den Verlust der östlichen Landesteile mit sich bringen könnte, und auf die Frage, ob gleichwohl der Waffenstillstand abgeschlossen werden sollte, haben Hindenburg und Ludendorff zurücktelegra⸗ phiert: Es ist abzuschließen. (Sehr richtig! links) Meine Herren, tatsächlich ist damals schon Oberschlesien, und zwar ganz Oberschlesien, aufgegeben worden, und tatsächlich suchte die Zivil⸗ regierung schließlich aus dem Zusammenbruch zu retten, was noch zu retten war, und es ist gelungen, das Verhängnis noch ein ganz wenig milder zu gestalten, als es nach den damaligen An⸗ weisungen die Herren der obersten Heeresleitung geschaffen haben. (Sehr richtig! links) So liegen die Dinge.
Wenn Herr Abg. Winckler gegenüber den Bestrebungen der Entente, uns immer weiter herunterzudrücken, meinte, selbst wohl⸗ wollende Leute aus dem Auslande hätten uns geraten: widersteht doch wenigstens einmal — meine Herren, wir haben einmal wider⸗ standen. (Sehr gut! links) Es gab eine deutsche Reichsregierung, die einmal widerstand, die ein stolzes Wort in London aussprach. Diejenigen, die es aussprachen — ich will hier nichts gegen sie sagen — sie glaubten, in der Situation ihre Pflicht gegenüber dem Lande zu tun, sie wurden mit Jubel in Berlin begrüßt. Für dieses einmal ausgesprochene Wort fühlen heute noch die rheinischen Städte die militärischen Sanktionen (Unruhe rechts), fühlen heute noch die rheinischen Wirtschaftskreise, die monatelang unter den wirtschaftlichen Sanktionen schwer gelitten haben, die Folgen dieses einmaligen „Nein“. Schließlich wurde dieses Nein“ später, um die Sanktionen nicht noch schlimmer zu gestalten, durch ein „Ja“ ersetzt. Sie sehen: aus dem, was ich Ihnen nur kurz skizziert habe, ergibt sich die Situation, in der wir uns befinden.
Daraus rechtfertigt sich auch meine Aeußerung, die ich in dem Artikel getan habe, den Herr Abg. Winckler anzug, daß wir nicht Gewalt gegen Gewalt setzen können. Wenn wir das täten, wären wir von vornherein verloren. Wer nicht gewohnt ist, nach dem Gefühl zu handeln, sondern wer nüchtern die Tatsachen ansieht, wie sie vor uns liegen, der muß mir doch zustimmen, wenn ich sage, wir würden geradezu eine komische Figur heute in der Welt machen, wenn wir versuchen wollten, Gewalt gegen Gewalt zu setzen. (Sehr richtig! links.)
Meine Herren, wir sind — ich lasse dahingestellt, wie es dazu gekommen ist —, ich fasse lediglich als nüchtern denkender Politiker die Tatsachen ins Auge.. Die Tatsache ist, wir sind wehrlos und können eben nur noch mit der Kraft unserer Idee gegen die Bedrücker von auswärts kämpfen. Wer das nicht erkennt, der sieht eben die Tatsachen nicht, wie sie sind. Das kann wohl der eine oder andere Politiker aus parteipolitischen Gründen tun, aber kein verantwortlicher Politiker; er stehe, an welcher Stelle er auch stehe. (Sehr richtig! links.) Ich meine, wer so ruhig und nüchtern die Tatsachen sieht, und danach seine Politik einstellt, der handelt nach meiner Auffassung — pielleicht nicht nach Ihrer Auffassung — national, der handelt aber zweifellos
nach der Auffassung aller politisch Unvoreingenommenen durchaus
im nationalen Interesse unseres am Boden liegenden Vaterlandes. (Sehr richtig! links) Der Nationalismus in Ihren Kreisen und
in den extremen Rechtskreisen gibt uns keinen Ausweg aus dieser
furchtbaren Situation, in der wir uns befinden. Derjenige, der die Tatsächen ruhig sieht, wie sie sind, und versucht, in dieser Situation wenigstens noch das Beste für unser Volk und Land herauszuholen, der handelt im wahren Sinne national. Deswegen habe ich auch in dem Artikel geschrieben: nicht der deutsche Nationalismus kann den fremden Nationalismus bekämpfen, sondern wir müssen eben das gesunde nationale Empfinden an die Stelle dieses überhitzten Nationalismus setzen. Wenn Herr
Abg. Winckler meinte, die Idee, von der ich sprach, hätte schon
vor dem Kriege versagt, meine Herren, so möchte ich hier das eine aussprechen: ich wünschte, die Idee, die ich vertreten und
auch in dem Artikel vertreten habe und auch heute vertrete, hätte
vor 1914 nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt mehr Geltung gehabt, das furchtbare Unglück, das über Deutschland, über die ganze Welt gekommen ist, wäre uns erspart geblieben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. — Zuruf rechts: Er⸗ zählen Sie das den Franzosen! Ich erzähle es allen, die es hören wollen. (Lachen rechts) Ich begreife es, daß Sie es nicht hören wollen. Darin sind Sie ebenso unbelehrbar wie die Nationalisten, die auf der anderen Seite in diesen Tönen reden. Ich halte die Hoffnung aufrecht, daß die Idee der Menschlichkeit, die Idee der Versöhnung der Völker und der Hochhaltung der nationalen Eigenheit jedes Volkes letzten Endes doch noch siegen wird und daß insbesondere die Völker aus dem furchtbaren Blut⸗ bad, durch das sie gegangen sind, aus dem furchtbaren Unglück, das über die Welt gekommen ist, das eine lernen werden: Nie wieder darf es dahin kommen! (Lebhafter Beifall bei den Soz)
Inzwischen ist von den Unabhängigen und Kom mun isten folgender Antrag eingegangen:
„Die Zusammensetzung der Staatsregierung widerspricht den Interessen des werktätigen Volkes und stellt den Versuch dar, die Arbeiterklasse darüber zu täuschen, wo ihre wirklichen Gegner sitzen, die ihren Widerstand gegen die wirtschastliche Verelendung und gegen die erstarkende politische Reaktion brechen und die Ab⸗ wälzung der Steuerlasten von den Kriegsschuldigen auf die not⸗ leidenden Klassen erreichen wollen. Der Landtag versagt daher dem Staatsministerium das Vertrauen.“
Das Haus beschließt, daß bei der zweiten Redner⸗ garnitur nur je eine halbe Stunde geredet werden soll.
Abg. Schulz ⸗Neukölln (Komm.) kritisiert die Haltung der Sozialdemokratie. Während Herr Krüger von der Sozialdemo⸗ kratie eg hat, das Ministerium Stegermald sei ö hat Herr Braun wertvolle Leistungen dieses Ministeriums entdeckt. Der jetzige Handelsminister Herr Siering hat beim Antritt der Regierung Stegerwald gesagt:; „Der e Versuch mußte den Nachweis bringen, daß die Sozialdemokraten und die Deutsche Volkspartei nicht vor einen Wagen zu spannen sind.“ Heute sehen wir, daß Herr Siering die Heutfhhe Vollspartei liebt. Es gibt ja auch käufliche Liebe, das würde allerdings durchaus der Haltung der Rechtssozialisten entsprechen. (Redner erhält wegen dieser ö einen Ordnung ruf) Die Rechtsseziglzemo⸗ kratie hat so etwas wie politisches Dirnentum eig. Erst auf Dringen der Arbeiter mußte das Wort „Klassenkampf“ in das Görlitzer Programm aufgenommen werden. Klassenkampf ist den Rechtssozialisten etwas verhaßtes. Sie denken gar nicht den Kampf nach rechts zu führen. Herr Hergt hat auf dem Parteitag in München erklärt, daß bei der großen rechten
Politik der Deutschnationalen — iheren Kon Arariweh, hat allerdings mit dazu beigetragen, daß das Abstin
Koalition selbstverständlich die Deutsche Volkspartei dabei sen muß. So wie die Rechtssozialisten sich entwickeln und die Aich bis zur Deutschen Volkspartei ausgedehnt haben, wird es nh lange dauern, daß sie inhrünstig die Herren von der Deut nationalen Volkspartei umschlingen. Dann ist der Grundfatz be. Herrn Braun . der Klassen. verwirklicht. Die g. ierung hat in ihrer Erklärung weni r rich gesan Den, der Sozialisie rung, die die Rechts sozialisten früher g Glanzpunkt herausgestellt haben, wird nach dem Verlangen de deutschen ö eine reine Kapitalisierung des Reiches durchgeführt werden. Herr Siering hat bei sprechung der Erklärung des Ministeriums Stegerwald bellag daß das Wort „Sozialisierung“ keine Aufnahme gefunden h n der Erklärung des Ministeriums Braun ist von dem Von
zialisierung uch das allermindeste zu merken. Die Sozsgl. demokraten meinen wohl, daß das Work . und ing vielmehr die Tat der Sozialisierung nunmehr endgültig abet; werden kann. Herr Braun sollte weniger nationalistische Kin anschlagen und sich erinnern, daß in Oberschlesien das deut und das polnische Proletariat in der schändlichsten Weise au gebeutet worden ist. (Sehr richtig! links) Trotz alledem nicht als nationalistische Albexnheiten aus dem Munde der Recht sozialisten. Von Amnestie für die revolutionären Arbeiter haben wir von Herrn Braun leider nichts gehört. Es kann gar leine Rede davon sein, daß die preußische ih das Recht hat, n Mörder des Ministerpräsidenten Dato sestzu alten, genau so, n Dominicus in der schändlichsten Weise das Asplrecht niederttit (Vizepräsident Dr. v. Kries erteilt dem Abg. Schulz einen zweit Ordnungsruf.) Als der Abg. ‚ n davon spricht. daß der Li präsidenk seinen Ausführungen anscheinend nicht folge, und einen Diener bitten werde, ihm ein Glas Wasser zu holen, er tönen von den bürgerlichen Parteien, stürmische Schlußpuj⸗ Während der Vizepräsident bemüht ist, sich Gehör zu verschassen gehen die letzten Worte des Redners unter stürmischen Schluß, . der Mehrheit verloren.
Abg. Herold (Zentr.): Es war nicht unsere Absicht noch ein mal in die Debatte einzugreifen, nur die unerhörten Angriff welche der Abg. Winckler, der Vorsitzende der Deutschnationale Fraktion, gegen den Reichskanzler Dr. Wirth gerechtet hat, geben mir Veranlafsung, als Reichstagsabgeordneter einige Worte daran zu erwidern. Der Abg. Winckler erhebt den Vorwurf, daß durch z Politik des Reichskanzlers Oberschlesien verloren gegangen ß (Lebhafte Pfui⸗Rufe im Zentrum)] Ich glaube, es ist ein Ve brechen am Volke und am ganzen Lande, wenn hier ein Abgeon neter dem ersten Beamten des Reichs den Vorwurf macht, daß ga die Veranlassung gewesen sei, daß Oberschlesien verloren ging. olkspartei, der früheren Konser
1
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mungsverhältnis in Oberschlesien nicht noch befriedigender ausstt ohne diese Politik wäre vielleicht in Oberschlesien das Votum ein timmig zugunsten Deutschlands ausgefallen. Wir haben di . immer bekämpft, die es zur Folge gehaht hat, daß ; 39 vH. der Bevölkerung für Polen ausgesprochen haben und nn kommen Sie daher und wollen den Reichskanzler dafür verantwor lich machen. Aber nicht nur die frühere Politik von der recht Seite, auch ihre jetzige Stellungnahme hat die Anschauungen de Entente in bezug auf Oberschlesien sehr stark beeinflußt. (Sehr gu im Zentrum und links. Gerade der. Reichskanzler Dr. Wirth h vom ersten Augenblick seiner Tätigkeit an seine ganze Politil ni Rücksicht / auf . eingestellt; seine Erfüllungspolitil, sin die er sich mit aller Kraft einsetzts, hatte nur den Zweck, Oher schlesien uns zu erhalten. Wenn däs nicht in vollem Umfange ge lungen ist, so liegt das gewiß nicht an dem Reichskanzler; aber n ist gewiß, wenn die Politik der Deutschnationalen Volkspartei folgt worden wäre, dann wäre vielleicht ganz Oberschlesien Pele zugesprochen worden. (Große Unxuhe rechts, lebhaite Zustimmm im übrigen Hause.) Man soll doch wirklich nicht von Patriotismü— und dergleichen sprechen, wenn man den ersten Vertretet h deutschen Volks für diesen Ausgange die Schuld beimißt und nich der Entente und ihr allein die Verantwortung dafür zuschreß wenn es so gekommen ist. Der Abg. Winkler hat weiten sein b dauern darüber ausgesprochen, daß der Reichskanzler Dr. Wir den Kampf gegen e. geführt hat. Ist es nicht gerade dn Verdienst des jetzigen Reichskanzlers, daß er einen bollstãnd j Ausgleich auf diesem Gebiete geschaffen hat? (Gelächter recht Es scheint wirklich, als wenn die Deutschnationale Boll partei si ihre Agitation gegen die Reichsregierung neuerdings um Mater verlegen ist und nun zu solchen Hilfsmitteln greift. Si bonn solche Angriffe gegen den Reichskanzler doch ihren , im Reichstage überlassen. Solche Behauptungen hat ein Mitglie dieser Partei im Reichstage noch nicht aus ͤusprechen gewagt, ne . dort doch etwas besser oxientiert sind. Man bekemmt gerade den Eindruck, als wenn die Herren besorgen. daß ihre Anhing chaft im Lande kleiner werden könnte, so da sie deswegen mi k offerieren mien die mit den Tatsachen direkt in Widerspruch e. Aber selbst Ihre Anhänger im ,, werden soviel Einsicht haben, daß sie den hier ausge sprochen Worten keinen Glauben schenken werden und Ihre d,, dieser Beziehung keinen Ersolg haben wird. (Lebhaster Beifall i Zentrum.) ; . J Abg. Möbuch U. Soz): Das neue Kabinett in, . des Preußis en Stagtes seine Begründung verde nken. MI . man auch für das Reich geltend machen, und so wird , die Arbeiterklasse auf einen ähnlichen Vorgang im. 6 9 nächst gesaßt machen müssen. Seit ihrem ersten , 9. 4. August i914 sind die Rechtssozialisten immer weiter nah ö gerückt und die Erlösung vom kapitalistischen Elend siest Arbeiterschaft in immer nebelhaftere Ferne verschwinden, a Weimar hat die Deutsche Volkspartei die Reichs ver a un abnelehnt. sie bekennt sich zum Monarchi mus, 1 alledem fallen die Rechtssgzialisten auf die plumye 3 = falle Linein! Sie scheinen sich allen Exnstes einzubilden, da
den Kapitafriesen Stinnes, der auch Minister aufkauft, m n
koͤnnen. Für diese modernsten Mehrheitssozialisten muß auh? neuer mr n gn Maßstab gefunden werden; es sind . ö. Handlanger von Stinnes. Das Proletariat verlangt nah i. seit und Einigung, und gerade in dieser Zeit tnnendli chen l scafts ammers, in dieser Zeit rapider En wertung der , kraft kommt man dem arbeitenden Volk mit einer chen, 3. Kompromißrolitikk Not tut uns ein allgemeines , programm der Arbeiterschaft gegen die Junker und gel
Stinnes; die Rechtssozialisten aber gehen tatsichlich m it Elin
gegen die Arbeiterschaft. Auf die Taten“ die er Regiernn 3 man gespannt alt, Herr Braun empfiehlt , Politik der Stetigkeit; es ist ja lange her, daß er auf denen Flügel seiner Partei stand. Nicht eine Politik der un brauchen wir, sondern eine neue Revolution. — Und n. wird ja schon der Hunger das Proletariat auf die Straße zw
Abg. Heilmann (Soz): Die Deutschnatjonalen benin ihr Mißtrauensvotum damit, daß ein Eo iel demplrat h i. Spitze des neuen Kabinetts ö. und verwechseln e , wieder einmal das nationale Interesse mit dem Partei . Das Schicksal Oberfchlesiens ist keineswegs eine nationgn! Frage. Jedes Volk hat einen berechtigten Selbsterh al tung 4 ber jedem andern Volke seine Rechte läßt, der aber ö. . Sberschlefien als Konsequenz verlangt, daß auch die Len r Rechte dort nicht mit Füßen getreten werden dürfen. in große Koalition hatte nicht alle meine Parteigenossen a n Selle. Viele hötten der alten Koalition den Vorzug. r n, sederzeit evtl. Hilfe von links oder von recht; lätte ö. können. Was der Abg. Obuch über eine neue nn, bat, steht mit dem Programm der U. Soz; im Rei in, Widerspruch. Wo war denn die einmütige Altion der el. flaffe in ben 5 Monaten der Aera Stegerwald? Die Henn hat am 9. November sehr elegisch darüber geleitartikelt.
GFortsetzung in der Zweiten Beilage)
un Deutschen Reichs
Nr. 267.
. ('Fortsetzung aus der Ersten Beilage) giü
wir es darauf ankommen lassen, daß sich ein neues bürger⸗ liches Kabinett Stegerwald⸗-Dominieus bildete? Noch ute hat, Herr Winckler dem verflossenen Kabinett Stegerwald blutige Tränen nachgeweint. Im neuen Ministerium hat unsere Fraktion wenigstens einigen Einfluß. Der Streit darüber wird in der Arbeiterbewegung einen schweren Schaden nicht anrichten, wenn die Tonart Leid die Oberhand behält; schlimmer stände es, wenn die Tonart Obuch obsiegte. Nach der Zurücknahme oder Unannehmbarmachung des Angebots des Reichsverbandes der Industrie werden wir die Forderung der Erfassung der Sachwerte mit aller Kraft zu erkämpfen uns bemühen. Hermann Müller Franken ist erst durch den Moskauer Krassin mit Stinnes und seinem Generaldirektor bekannt geworden (große Heiterkeit), aber niemals wird meine Partei so intim mit Herrn Stinnes ver— kehren, wie die russische föderative Sowjetrepublik. (Große Heiterkeit, Während bej den Kommunisten alle Augenblicke eine neue Partei entsteht, haben wir den gefunden Grundsatz, daß die Minderheit sich der Mehrheit et. Hättet Ihr (zu den Kom⸗ munisten) immer diesen Grundsatz aufrecht erhalten, so wäre es nicht zu der Zersplitterung der k ekommen. (Großer Lärm links.) Wir werden die Regierungskoalition ehrlich unter⸗ stützen. Nicht Liebe zur Deutschen Volkspartei, nicht Freude an der Macht des Herrn Stinnes hat uns zu dieser Koalition ge⸗ trieben, sondern lediglich der Wunsch, die Arbeiterklasse nicht ganz aus der Macht der preußischen Regierung ver⸗ drängt zu sehen. Wir wünschen, daß die Re⸗ gierung stark. sei, insbesondere wünschen wir dies dom Kultusminister. (Abg. Schulz⸗Neukölln: So eine Gemeinheit! Heiterkeit; Wir haben uns die Koalition nicht nach unserem Geschmack aussuchen können, aber das alte Shakespearewort hat recht: Die Not schafft sonderbare Ech gg e gh Stürmische Helterkeit) Damit will ich nicht sagen, daß die Minister Schlaf⸗ gesellen sind, sondern, daß es die Not ist, welche dieses Kabinett gebildet hat. Auch die Reichsregierung, die von den Unabhängigen unterstützt wird, wird nicht die Nöte des Bolkes mit einem Schlage beseitigen können. Nach dem Prinzip des kleineren Uebels gefällt uns dieses Kabinett besser als das Kabinett Stegerwald⸗ Dominieus. Die Einheitsfront wird von allen Seiten gefordert, dieser Gedanke scheint aber keineswegs einheitlich zu sein. Die Kommunisten wollen die internationale ö gegen die
Verräter der Arbeiterinteressen, Abg. Winckler fordert die nationale Einheitsfront, durch die sosort Millionen von BVolksgenossen davon ausgeschlossen werden. Die Einheitsfront der Mittelparteien, wie sie Abg. Oeser proklamiert hat, scheint mir die größere Möglichkeit zu sein. Aber nicht unter allen Umständen wollen die Unab⸗ hängigen etwas von der Einheitsfront mit den Kommunisten wissen. Bei der Feier des 9. November haben sie eine Gemein⸗ schaft mit ihnen abgelehnt, weil sie mit diesen Leuten schlechte Erfahrungen gemacht haben, hinsichtlich ihrer Bündnisfahigkeit. In lichten Augenblicken geben sie zu, daß die Kommunisten die besten Brüder auch nicht sind. Die Politik der Einheit in der Mitte ist möglich, wenn sie auf dem Boden der Demokratie steht. Die Theorie, daß man mit Parlamentsmehrheiten allein nicht regieren kann, kommt lediglich der kommunistischen Stagnation zugute, den Räteschwärmern, den Anhängern der Dittgtur. lr reich hat ist. Das deutsche Volk muß lernen, in Ehren unterzugehen. ir wollen nicht, daß das deutsche Volk untergehe, sondern verkörpern den Willen des demokratischen lebensfähigen Deutschlands. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) ö
Abg. Baecker⸗Berlin (D. Nat: In das Verhältnis der Zentrumspartei zum Reichskanzler Dr. Wirth möchten wir uns nicht einmischen. Wir weisen aber darauf hin, daß auch im Reichstag ein Zentrumsabgeordneter gegen Dr. Wirt gestimmt hat, so ganz einhellig scheint also die Meinung nicht zu sein. Nun hat Abg. Herold dem Abg. Winckler gegenüber behauptet, er habe die Schuld an dem Verlust Oberschlestens nicht, der Entente, sondern dem Reichskanzler zugeschoben, Das ist eine völlig un⸗ zulassige Unterstellung, die bei den parlamentari chen Erfahrungen des Abg. Herold ganz unverständlich ist. Das Wort Wincklers hat nur der Betätigung der deutschen Politit gegolten, die in keiner Weise den schmählichen Rechtsbruch der Entente in Oberschlesien gerecht geworden ist. Diese beiden Dinge mußte Abg. Hereld aus⸗ einanderhalten können. (Sehr xichtig! xechts.) uch Minister⸗ präsident Braun hat den Reichskanzler Wirth gegen hisere Vor⸗ würfe in Schutz genommen. Nach unserer Ueberzeugugg hat aller⸗ dings Dr. Wirth nicht eine Politik getrieben, die uns berschlesien erhalten konnte. Abg. Heilmann will den nationglen deu . Hedanken hochhalten. Darin sind wir uns alle einig den deutschen Gedanken wollen wir alle pflegen, aber für die pylitische Durch⸗ setzung nationaler Notwendigkeiten genügt dies nicht, ondern wir müssen auch den Willen eines Volkes zu Abwehr stählen und das vermissen wir bei der Politik der Sozialdemokrat Denken Sie an die ungarische Nation, die eine Erleichterung der schweren Friedensbedingungen erlangt hatte. Die Waffe des Rechts ist in den letzten Jahren immer in verlogener Undrehung gegen uns gewandt worden. Seit Versailles eine Niederlage ö. der andern. Sehr richtig! rechts) Gegenüber der Darstellung des Herrn Ministerpräsidenten über den Zusammenbruch möchte ich das eine betonen: Vergessen Sie nicht die Revolution. Der Reichskanzler Birth hat gespiZß den Willen gehabt, Oberschlesien zu retten, aber was er dachte, war Illusfion. Wir wünschen, daß wirklich in solchen Dingen wie Sbe rschle ien einmal Taten zu, sehen sind. Heute haben wir ein starkes Nationalgefühl sehr viel nötiger als . Eine Versöhnung der Völker kann nur kommen, wenn man in Deutschland wieder eine aktive Politit macht und wenn wir uns * nicht zu pafsiven Kadawer machen. In der Erklärung der Regierung bezüglich der Beamten besteht ein Wider sprgc. Bis⸗ matck 9. gesagt? Jeder Beamte hat das volle Recht, sich gegen die Politik! feiner Regierung zu erklären. (Lachen links; Wir werden darauf achten wie Sie die Bestimmungen in die Tat um⸗ ö. und wenn Sie versuchen wollten, Beamte in ihren ver= assungsmäßigen Rechten zu schmälern, werden wir zum utze der Beamten zur Stelle sein. Höhn ische Rufe und Lachen links.) Im 1 werden die preußischen Gerichte der Regierung zeigen, wo die Grenzen der Verfassung sind. Die Gewalt- und Ausnahme⸗ gesetze müsfen aufgehoben werden. Meine Freunde bedauern auf⸗ richtig, daß die Art, wie diese Koalition zustande gekommen ist und die 3 wie die Regierung . ein ausgesprochenes Ministerium Braun aussieht, es uns nicht leicht machen wird, mit der Deutschen Volkspartei künftig die guten Beziehungen zu pflegen wie bisher.
Dem neuen Landwirtschaftsminister müssen wir unser Mißtrauen . i ] Rede, die der Prinz Max von Baden spät auf Veranlassung der
aussprechen. Wir können auch nicht in dem Minister Sierin 6. 5 sehen. Wir glauben nicht, daß die Industrie . das Handwerk Vertrauen zu Herrn Siering haben werden. Neben den parteipolitischen Qualitäten sind fachliche, sachliche Eigen- schaften als Nebenfache berücksichtigt worden. Die vielen Krisen, die der Preußische Staat hatte, hat er nur überwunden, wenn sich in ihm die Kräfte zusammenfanden, die auf derselben Grundlage der nationalen Ueberzeugung standen. Ohne eine Zusammen⸗ sassung der nationalen Kräfte werden wir aus dem Elend nicht herauskommen. (Stürmischer Beifall rechts, höhnische Rufe links.)
Ministerprässent Braun: Meine Damen und Herren!
Einige Ausführungen des Serrn Vorredners zwingen mich zu
wenigen Worten der Entgegnung. Soweit er Angelegenheiten der
Zweite Beilage
Berlin, Montag, den 14. November
einzelnen Ressortminister berührt hat, werden diese Herren bei der Beratung ihres Etats oder vielleicht schon früher Gelegenheit nehmen, ihre Auffassung dem hohen Hause mitzuteilen. Ich will nur auf wenige Ausführungen eingehen, die sich auf meine gestrigen und heutigen Darlegungen bezogen.
Der Herr Abgeordnete Baecker meinte, ich hätte in meinen heutigen Ausführungen, die ja nur zur Abwehr des von Herrn Abgeordneten Herold zutreffend charakterisierten Angriffs des Herrn Abgeordneten Winckler auf den Reichskanzler dienten, ver— gessen, daß die Revolution den Zusammenbruch im November 1913 ausgelöst oder wesentlich dazu beigetragen hätte. (Sehr richtig! bei der Deutschnationalen Volkspartei) — Herr Abgeordneter Baecker, das paßt zwar in das Lexikon der deutschnationalen Agi⸗ tation hinein, aber es steht mit der historischen Wahrheit nicht im Einklang. (Widerspruch bei der Deutschnationalen Volkspartei.) — Warten Sie ab! — Die Revolution brach am 9. November aus, als eben alles zusammenbrach. (Zuruf bei der Deutschnatio⸗ nalen Volkspartei: In Kiel am 5. November!) — In Kiel einige
Tage früher! — Aber am 28. September 1918 richtete der Ober— befehlshaber Generalfeldmarschall von Hindenburg an die Reichs⸗ regierung jenes bekannte Telegramm, in dem dargelegt wird, daß die Kraft der Front zu Ende sei, daß binnen 48 Stunden Waffen stillstand geschlossen werden müsse. (Hört, hört! links) Da war von Revolution noch keine Rede, und in dem Telegramm ist auch keine Rede von dem Dolchstoß von hinten, den Sie später erfunden haben, und dergleichen Dingen mehr. (Zuruf bei der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei: Auch keine Rede von Unterwerfung unter feindliche Bedingungen! — Von dieser Unterwerfung ist sogar die Rede gewesen. Ich will Ihnen das an Hand des Telegramms nachweisen. In dem Telegramm wurde verlangt, daß sofort eine neue Regierung gebildet werde, und zwar eine mehr liberale Regierung als vorher; denn man hatte nicht das Vertrauen, daß die alte Regierung in der schweren Situation etwas Besseres für unser Land herausholen würde. Deswegen verlangten gerade die Herren von der Obersten Heeresleitung sofort eine andere Regie— rung. Diesem Wunsche wurde stattgegeben. Der neue Reichs kanzler Max von Baden sah, in welcher ungünstigen Situation er sich durch dieses Telegramm befand, durch dieses offene Ein— geständnis der Obersten Heeresleitung, daß die Kraft des deutschen Heeres zu Ende wäre. (Widerspruch bei der Deutschnationalen Volkspartei.) Er fragte bei der Obersten Heeresleitung an, ob tatsächlich so schnell ein Waffenstillstandsangebot hinausgehen sollte. Darauf telegraphierte Hindenburg am 3. Oktober zurück, die Oberste Heeresleitung bleibe auf ihrer am Sonntag, den 28. Sep⸗ tember gestellten Forderung der sofortigen Herausgabe des Friedensangebots an unsere Feinde bestehen. Infolge des Zu⸗ sahnmenbruchs der macedonischen Front, der dadurch notwendig gewordenen Schwächung der Westreserven und infolge der Unmög⸗ lichkeit, die in den Schlachten der letzten Tage eingetretenen sehr erheblichen Berluste zu ersetzen, bestehe nach menschlichem Ermessen keine Aussicht mehr, dem Feinde den Frieden aufzuzwingen. (3u⸗ ruf bei der Deutschnationalen Volkspartei: Aufzuzwingen!! — Das Telegramm ist noch nicht zu Ende. — Der Gegner seinerseits führe ständig neue frische Reserven in die Schlacht. (Hört, hört! links.) Noch stehe das deutsche Heer festgefügt und wehre sieg⸗ reich alle Angriffe ab. (Hört, hört! bei der Deutschnationalen Volkspartei. — Wo ist der Dolchstich von hinten? Warten Sie ab! — Die Lage verschärfe sich aber täglich und könne die Oberste Heeresleitung zu schwerwiegenden Entschlüssen zwingen. Gört, hört! links) Unter diesen Umständen sei es geboten, den Kampf abzubrechen (hört, hört! links), um dem deutschen Volke und seinen Verbündeten nutzlose Opfer zu ersparen. (Hört, hört! links) Jeder versäumte Tag koste Tausenden von Soldaten das Leben. (Sehr richtig! bei der Deutschnationalen Volkspartei.) Daraufhin ist zurücktelegraphiert worden, die Dinge lägen so, daß der Friede für uns vernichtend werde, wenn wir nicht noch wenigstens 14 Tage Zeit gewinnen. Darauf hat die Oberste Heeresleitung telegraghiert: Gleichviel wie es kommt, es muß ab⸗ geschlossen werden! — (Hört, hört! links. — Widerspruch und Zu— rufe bei der Deutschnationalen Volkspartei: Den Wortlaut vor⸗ lesen! Weiterlesen) Ich bitte Sie, Sie haben doch das Material in der Presse gelesen; tun Sie doch nicht so, als ob es Ihnen nicht bekannt wäre. Diese Telegramme find doch veröffentlicht worden. (Zurufe bei der Deutschnationalen Vollspartei: Ihre Darstellung ist vollkommen irreführend! — Meine Derstellung ist⸗ irreführend? Ich habe den Wortlaut des Telegramms vorgelesen, aus dem hervorgeht, daß arp 28. September 1918 unsere Kraft zu Ende war, daß es nichts anderes mehr gab, als Waffenstill⸗= stand und Friedensangebot. (Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei) — Sie sagen: keine Revolution zu machen. Nein, meine Herren, die Revolution war die zwangsläufige Folge des totalen Zusammenbruchs. (Sehr ear bei den Sozialdemokraten. — Lebhafter Widerspruch bei der Deutschnationalen Volkspartei.) — Ihr Redner hat am Vormittag mit Recht hervorgehoben, daß der Parlamentarismus durch derartige fortgesetzte Unter⸗ brechungen der Redner nicht gerade gehoben würde; aber die Extreme von links und rechts scheinen ziemlich konform zu gehen. Ich habe Ihren Kedner ruhig angehört und kann wohl verlangen, daß man auch mich ruhig anhört. .
Es ist ganz irreführend, wenn der Abgeordnete Baecker die
Obersten Heeresleitung im Reichstage gehalten hat, um wenigstens einigermaßen den Anschein aufrechtzuerhalten, als ob es noch nicht vollständig mit uns zu Ende sei, als Bemeis dafür hinzustellen vetsucht hat, daß wir noch nicht fertig waren. Da ist die „Post“, Iht Parteiorgan, seinerzeit sehr viel ehrlicher gewesen, die damals schrieb, wenn jetzt die Oberste Heeresleitung behaupte, das Tellgramm vom 28. September sei ein Irrtum gewesen: Nun, dann ist kein Irrtum so verhängnisvoll fijt das deutsche Vater⸗ and gewesen als dieser Irrtum. (Zuruf bei der Deutschnatio⸗ nalen Volkspartei: Dos war ein falscher Zungenschlag der „Post“h
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anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
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— Sie sagen, das ist ein falscher Zungenschlag; jedenfalls ist ez Tatsache.
Wenn nun angesichts dieser Tatsachen der Abgeordnete Baecker meint, es käme darauf an, nicht nur den deutschen Ge⸗ danken zu haben, sondern man müßte ihn propagieren, man müßte den Willen haben, ihn durchzusetzen, man müßte den Villen haben, auch Widerstand zu leisten, — den Willen in allen Ehren. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die den Willen nicht eine ganz erhebliche Bedeutung im Leben des einzelnen, auch im Leben der Völker zuschreiben. Aber wenn ich einen Willen habe und ihn durchsetzen will, dann frage ich erst, ob ich die Mittel habe, ihn durchzusetzen. Wenn mir die Mittel fehlen, dann ist es ein ganz unsinniges Unternehmen, einen Willen durchsetzen zu wollen, zu dessen Durchsetzung mir jederlei Mittel fehlt. Des⸗ wegen würde es irreführend sein und unserm Volke nichts nützen, wenn wir ihm den Willen suggerierten, Widerstand zu leisten, und ihm nicht die Mittel geben könnten, diesen Widerstand mit
Erfolg durchzusetzen. Das Beispiel der Türkei und Ungarns kann
für uns nicht in Frage kommen. Diese Länder haben eine ganz andere geographische, wirtschaftliche und sonstige Lage. Wir können uns nicht wie der Türke hinlegen, mit türkischem Vflegnia die Beine über Kreuz schlagen, die Pfeife rauchen und abwarten, was kommt. Wir sind auch nicht wie Ungarn ein vornehmlich agrarisches Land, das die Lebensmittel, die es braucht, in seinem eigenen Lande erzeugen kann, was die Hauptsache für die Auf⸗ rechterhaltung des Volkes ist, und deshalb vom Auslande unab— hängig ist. Deswegen sage ich, ein solcher Vergleich hinkt; es kommt die soziale, die wirtschaftliche, die geographische Lage iy Frage. Der Wille zum Widerstand in allen Ehren, er wohnt viel⸗ leicht bei uns allen, bei jedem, ich glaube, jeder Partei des Hauses, geht wider den Strich, ruhig hinzunehmen, was dort über uns verhängt wird. Aber es geht in solchen Dingen, wie ich am Vormittag schon sagte, nicht nach dem Gefühl, sondern hier mu der nüchterne und ruhige Verstand sprechen. Zurufe links und rechts.) All die Dinge, die der Herr Abg. Baecker in der Bresse, in Versammlungen und hier im Hause vorgetragen hat, bringen uns aus der prekären Situation, in die unsere Feinde uns ver⸗ setzt haben, nicht heraus. Wir hoffen, daß die Zeit kommt, wo unsere Situation mit der Kräftigung unserer Wirtschaft sich stärkt, und wo wir schließlich zu einer Revision der Verträge kommen werden, die jetzt auf uns lasten. Durch starke Worte erzielen wir das aber nicht, sondern nur durch eine kühl abwägende, die Tat⸗ sachen nicht außer acht lassende, ruhige und vernünftige Politik. Wenn hier von Illusionspolitik gesprochen worden ist, so glaube ich, daß sie mehr auf Ihrer Seite liegt als auf der Seite, wo man ruhig mit den Tatsachen rechnet. (Lebhafte Zurufe rechts und links.)
Nun noch einige Worte zu der Beamtenfrage. Der Herr Abg. Baecker meinte, die Erklärung in meiner Rede über die Aufgaben und die Pflichten der Beamten sei so gefaßt, daß man mit jedent Wort eigentlich einen Beamten an den Galgen bringen könnte. Meine Damen und Herren, ich glaube, der Herr Abg. Baecker lebt doch noch gar zu sehr in der Gedankenwelt der vor— revolutionären Zeit. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Da brachte man es allerdings selbst bei einer den Beamten noch viel mehr entgegenkommenden Fassung von Anweisungen und Instruktionen gleichwohl in der Praxis fertig, jeden Beamten an
Galgen zu bringen, der sich politisch unliebsam machte. Wenn jetzt Serr Abg. Baecker mit Emphase ausruft, die Deutschnatis⸗ kale Volkspartei würde zum Schutze der Beamten zur Stelle sein, ss konstatie re ich mit Vergnügen diesen Fortschritt. Früher waren Sies nicht zur Stelle, wenn ein Beamter wegen Betätigung sozial⸗ demokxatischer oder freisinniger Gesinnung gar — während des lturkampfs — auch wegen Zentflimsgesinnung infam diszipliniert und gemaßregelt wurde. (ehr richtig! bei den Sozialdemtzkraten) Wenn Sie jetzt bei unberechtigten Diszipli= nierungen, die nach meiner Auffassung nach den jetzigen Ber= fassungsverhältnissen unmöglich sind, für den Schutz der Beamten eintreten ö so ist das ein Fortschritt, den ich nur mit Freuden begrüßen kann. (Bravoh
. Mg. Dr. Leidig D x Auch meine g betrachten die Ereigniess vom Novemb 18 als ungemein schmerzvoll und (als den Interessen des deut Volkes widersprechend. Heute aber
ilt es, der Not des Tages Ju begegnen und zu dem ernsten Ver⸗
uch zu schreiten, aus der Notlage, in die uns die Vergangenheit der letzten Jahre gebracht hat, zu retten, was zu retten ist. Wir sehen heute und sind überzeugt, daß der Staatswagen im Reiche und in Preußen mit immer rasenderer Eile dem Abgrund ent⸗ gegenrollt. Der Kurs des Dollars ist heute 298; die Entscheidung über Oberschlesien drückt auf unsere ,. unsere Politit, unser nationales Empfinden in schwerster Weise. Der Ausverkauf
Deutschlands zeigt uns, daß unsere Wirtschaft sich dem Ende zu⸗
neigt. Da haben wir von der Deutschen Volkspartei uns gesagt,
es wäre geradezu landesverräterisch, wenn wir nicht versuchten,
mitzuhelfen, um aus dieser Not herauszukommen, auch wenn wir nur ein wenig mithelfen können. Gewiß ist das Zusammenwirken von vier Parteien, die in ihren Programmen in unendlich vielen Phnkten auseingndergehen, kein Zufammenarbeiten in einheit- lichen Ideen; aber ich habe aus den interfraktionellen Verhand⸗ lungen die Ueberzengun mitgenommen und deshalb auch meine . den Rat zur Beteiligung gegeben, daß bei allen vien arteien der ehrliche Wille vorhanden ist, in fachlicher Arbeit den Versuch zu machen, aus der Not und über die Not des Tages hin . men. Wer uns dabei helfen will, ist uns willkommen. Jede Partei hält dabei an ihren Zielen fest, bie Deutsche Volks« , denkt nicht daran, von ihrem Programm auch nur ein itelchen aujzugeben. (Hört, hört! rechts 5 Auch die Sozial demokratie gibt sicherlich von ihrem , nichts auf. Mit- bestimmend bei der ganzen Aktion ist ussser Glaube gewesen, daß die geradezu übermenschlich drückende Not in den nächsten Monaten dazu führen muß, nach dem Vorbilde egen, auch int Reiche die gleiche Koalition zu bisden. Wir müssen sie haben, sie ist die einzige Möglichkeit, die Schwierigkeiten zu überwinden, die uns die nächssen Mongte bringen werden. Selbstverständlich erwarten 6. 5 ein m . in dem i i . sind, da alle Fra achlich gewertet werden ustim Unser W her ri. ist in kritischer Lage. 5 es Jjeber gesehen, wenn von acht Ministern fünf 3 Volkspartei gehörten 1 aber es ist eben
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