1921 / 270 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

jortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Deutscher Reichstag.

145. Sitzung vom 17. November 1921, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbũros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Auf der Tagesordnung stehen zunächst Interpella⸗ tionen. Die Interpellationen der Abgg. Mumm und Ge⸗ nossen (D. Nat.), betreffend die Bekämpfung der Schund⸗ und Schmutzliteratur, der Abgg. Graf v. Kanitz und Ge⸗ nossen (D. Nat.), über die Wirtschaftslage in Ostpreußen, und der Abgg Arnstadt und Genosfen (D. Nat), be= treffend die Ratifizierung der Wiesbadener Protokolle ohne Zustimmung des Reichstages, werden nach den Erklärungen der Regierungsvertreter innerhalb der geschäftsordnungs⸗ mäßigen Frist beantwortet werden. Ohne Debatte wird in allen drei Lesungen der Gesetz⸗ entwurf über Abänderung der Bekannt⸗ machung über ausländische Wertpapiere an⸗ genommen Erstreckung des Ausfuhrverbots für ausländische Wertpapiere auch auf Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungs⸗ scheine). Der Gesetzent wurf über das Verfahren in Versorgungssachen wird ohne Aussprache in erster Beratung dem Ausschuß für die Kriegsbeschädigtenfürsorge überwiesen.

Die am Freitag abgebrochene Besprechung über die Interpellationen der Deutschnation alen wegen Aufhebung der Zwangswirtschaft für landwirtschaftliche Produkte und wegen Getreideverschiebung sowie der Fnter⸗ pellation der Sozialdemokraten wegen der Warenpreissteigerung und Wuchers wird fortgesetzt. In Ver⸗ bindung damit werden die Anträge der Unabhängigen Sozialist en über die Kartoffelregelung (Ausdehnung des Umlageverfahrens auf den Karboffelderkehr) und Erhöhung der täglichen Mehlration auf 260 Gramm, über die Regelung des Getreideverkehrs, auf die sich auch ein Antrag der So zialdemokraten bezieht (Stellung von Mitgliedern in der Geschäftsabteilung der Reichsgetreidestelle durch die Arbeiterorganisationen), sowie ein Antrag der bayeri schen Volk spa rtei und des Zentrums über die Genehmi⸗ gungspflicht sür den Aufkauf von Getreide und Kartoffeln beim Erzeuger beraten.

Abg. He pp (D. Vp.): Wenn insbesondere von der linken Seite den sach ichen Gründen, die von sachverständiger Seite vor⸗ gebracht worden sind, so wenig Verständnis entgegengebracht wird, so, wird es sehr schwer sein, über die grundlegenden wirtschaft⸗ lichen Fragen eine Einigung zu erzielen. Das liegt aber wohl auch gar nicht im Interesse jener Seite des Hauses, denn dadurch würde ja die gesamte Grundlage ihrer Politik, insbesondere die Gegnerschaft gegen die Landwirtschaft, zunichte gemacht werden. (Unruhe links.) Wir müͤssen der Landwirtschaft dankbar sein, daß lie trotz der dauernden Hetze Ruhe und Ordnung zu bewahren verstanden hat. Der Minifter hat mit Recht darauf hingewiesen, wo die wahren Gründe der Teuerung zu suchen sind. Ünsers ganze Wirtschaftslage ist die Folge der sogenannten Erfüllungs⸗ politik des jetzigen abinetts. Es ist nun nicht richtig, die Land⸗ wirtschaft aus dem Zusammenhang mit der sanzen Wirtschaft

heraus zunehmen. Mit der Intensiwierung der . die wir uns ja besonders angelegen sein lassen wollen, ist eine enge ce und innigere Verknüpfung der Landwirtschaft mit den! übrigen Zweigen unseres Wirtschaftslebens eingetreten. Für die Teuerung kommt auch der Ausverkauf Deutschlands in Betracht. Nicht nur kommen die Ausländer nach Deutschland und kaufen uns hier aus, sondern das Unerhörte ist Tatsache geworden, daß deutsche Veschäftsleute, die man hier ruhig unter die Rubrik der Schieber stellen kann, ins Ausland gehen und dort ihre Ware billig an⸗ bieten. Ich habe hier einen Ausschnitt aus einer holländischen Zeitung, wo ein deutscher Kaufmann annoneiert, daß eine Reise nach Deutschland unnötig sei. Es ist ein Berliner Fabrikant, der lich im Zentralhotel im Haag aufhält und seinen ganzen Vörrat zu niedrigen Preisen anbietet. Das ist das Schamloseste, was ich mir denken kann. Die Regierung sollte ihr besonderes Auge rn⸗ merk darauf richten, wie es gelingt, diesen Ausverkäufen endlich mal ein Ende zu machen. Dann einige Worte zu der speziellen Frage der Teuerung auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Er⸗ zeugnisse. Durch die Zwangswirtschaft sind die Preise künstlich niedrig gehalten worden, und nachdem diese allmählich beseitigt ist, müssen fie natürlich auch den Weg gehen, den die Erzeugnisse der Induftrie schon seit Monaten gegangen sind, mit anderen Worten, auch hier muß eine Anpassung der Preise an die Pro⸗ puttionskosten eintreten. Die Produttionskosten der Landwirtschaft sind ganz außerordentlich gestiegen, insbesondere auch die n sur. Düngemittel 1913 lostete das Kilo Ammoniak 1365 Mark, jetzt 1446 Mark; das Kilo Kalkstickstoff 1,20 Mark, jetzt 1,96 Superphosphat 230, heute 8 Mark. Aehnlich sind die Preise für Futtermittel gestiegen, z. B. Hosiete 1913 der Zentner Kleie 4,560 Mark, heute 2h) Mark, also eine Steigerung von 35490 z. Hört, hört!) Schließlich muß es auch dem Dümmsten klar werden, daß die Landwirtschaft, wenn sie ihren Betrieb aufrechterhalten will, durch Heraufsetzung der Kosten ihrer Erzeugnisse den gestiegenen Produktionskosten Rechnung tragen muß. Die Brotpreise sind auch deshalb gestiegen, weil das Reich nicht mehr in der Lage ist, die Verbilligungsaktion durchzuführen; wir können nicht mehr 107 Milliarden für die Brotberbilligung bereitstellen. Was die Preisbildung auf dem freien Markt betrifft, so hat hier die Land⸗ wirtschaft nür ganz geringen Einfluß, der Einfluß der Landwirt⸗ schaft auf den Getreidehandel, befonders auf die Produktenbörse, ist außerordentlich klein, und auch hier wieder zeigt sich der Zu⸗ sammenhang zwischen unserer ganzen wirtschaftlichen Lage und den Preisen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. In dem Maße, wie namentlich in den letzten Wochen die Mark im Werte ge⸗ sunlen ist, sind die Getreidepreise an der Produktenbörse in die Höhe gegangen. Zur Kartoffelfrage ist mit Recht darauf hin⸗ gelbiesen worden, daß neben einer immerhin geringeren Ernte doch in erster Linie die Mängel im Transportwesen an der augen⸗ blicklichen Notlage schuld gewesen sind. Wir bedauern lebhaft, daß das Reichsverlehrsministerium dieser Frage nicht rechtzeitig die nötige Sorgfalt zugewandt hat, obwohl von maßgebenden Stellen, insbesondere aus Kartoffelhändlerkreisen, rechtzeitig auf den Mangel an Tranzportmitteln hingewiesen worden ist. Redner verliest Stellen aus einem Briefe eines Berliner Kartoffelhändlers au die Handelskammer und das Verlehrsministerium, der vom 258. September dnutiert ist, worin auf die drohende Katastrophe hingewiesen wird mit dem Benterken, daß schon damals in den Kreisen Stolp und Rummelsburg in Pommern mehrere 10660 Waggons fehlten. Auch die landwirtschaftlichen Großorganisationen haben rechtzeitig das Ministerium aufmerksam gemacht. Wegen der schlechten Ernte in Holland mußten die westlichen Ver raucher ihren Bedarf aus dem Osten decken. Vom Ministerium haben wir nun die beruhigende , . erhalten, daß unsere Ernte⸗ menge vollauf genügt zur Ernährung unseres Volkes. Von demo⸗ kratischer Seite liegt eine Anfrage an die Negierung vor, die von einem angedrahten Lieferstreik der Landwirte spricht. Ich kann nicht verxsehen, wig von einer bürgerlichen Partei, die doch immer⸗ hin noch gewisse Beziehungen zum Lande hat, eine solche Anfrage

Mit Ausnahme der dur

Man könnte diese

gestellt wird. Jedenfalls möchte ich meinen Berufsstand ganz energisch dagegen verwahren, daß hier von einem Lieferstreik ge⸗ sprochen werden könnte. Die Zudcterknappheit hat ihren Grund in erster Reihe ebenfalls in dem , . der Transportmittel, ferner darin, daß die Zucrwarenindustrie an einem wahren Hunger nach Zucker leidet, und ferner in der Taktik der Reichs⸗

den Zucker zurückhält. Eine Freigabe rechtzeitig vor Weihnachten würde die ! i bessern. Die Angriffe gegen die Landwirtschaft Knud unberechtigt und, müssen entschieden zurückgewiesen werden. Die Sozialdemo⸗ kratie hat am wenigsten ein Recht, der Landwirtschaft dargus einen Vorwurf zu machen, daß sie sich jetzt auch organisiert. Die Land⸗ wirte sind zu der Erkenntnis gekommen, daß es ohne Organisation nicht geht, und werden sich durch nichts von dem nunmehr be⸗ schrittenen Wege abbringen lassen. Die Landwirte haben übrigens eine ganze Menge Nahrungsmittel zu mäßigen Preisen, teilweise sogar unentgeltlich an die Verbraucher abgegeben. So hat der Landbund eine Million Zentner Kartoffeln zum Preise von 25 bis 30 Mark pro Zentner geliefert, und die Stadt Breslan hat durch die Landwirte 5009 Zentner Weizenmehl zu einem fehr mäßigen Pxeise erhalten. Bedauerlich ist, daß das Zentrum hat erklären lassen, es werde, wenn im nächsten Jahre dieselben Schwierigkeiten auftauchen, sich für ein Umlageverfahren für Kartoffeln einsetzen. Es ist ein gründlicher Irrtum, anzunehmen, daß durch die Zwangswirtschaft die Versorgung der Verbraucher stchergestellt werden wird. Eine Zwangswirtschaft würde nur eine Verringe⸗ rung der Produktion zur Folge haben. Die Erfahrung hat ge⸗ lehrt, daß die Festsetzung von Richtpreisen, die kaum die Ge⸗ stehungskosten decken, nur dem Zwischenhandel und dem Schleich handel Vorteile bringt. Ganz entschieden müssen wir uns dagegen wenden, wenn, wie dies durch ein Wuchergericht in der Provinz Hannover geschehen ist, Landwirte verurteilt werden, die für Kar⸗ toffeln mehr als 490 Mark genommen haben. Durch derartige Bestrafungen wird die Versorgung überhaupt in Frage gestelkt. Unzweckmäßig sind auch Ausfithrverbote für einzelne Kreise. Das ö in Hessen hat eine Verordnung über eine Kartoffelumlage erlassen. Das ist eine Durchbrechung der Einheit der Gesetzgebung. Dem Antrage der Unabhängigen auf Ein⸗ führung eines Kartoffelumlageverfahrens können wir nicht zu⸗ stimmen. Wir müssen aus den Erfahrungen lernen, die uns e gt haben, daß Zwangsmaßnahmen zu einem systematischen Rückgange der Erzeugung geführt, haben. (Widerspruch links.) Auch mit Rücksicht auf die ftaatliche Autorität lehnen wir eine solche Zwangsmaßnahme ab. In den „Sozialistischen Monats⸗ heften“ hat sich auch ein Sozialdemokrat über die bürokratische Zivangswirtschaft sehr abfällig geäußert. So wird dort erklärt, daß die Bürokratie das ganze Ernährungswesen nur als eine Frage der Erfassung angesehen habe. (Hört! Hört! rechts) Ob eine Erhöhung der täglichen Mehlration möglich ist, das zu ent— scheiden muß der Reichsregierung überlassen werden. Den weiteren Antrag der Unabhängigen auf Erhöhung der Umlage für Getreide von 25 auf 375 Millionen Tonnen lehnen wir ab. Die Landwirtschaft kann nicht mehr ,, als ihr jetzt vor⸗ geschrieben ist. Der Sinn des jetzigen Umlageverfahrens war doch der, daß nach Erfüllung der daraus sich ergebenden Ver⸗ . die Landwirtschaft von weiteren zwangsweisen Liefe⸗ rungen befreit sein sollte. Die Erweiterung der Ümlage ist gar nicht durchführbar, weil der überwiegende Teil der Tandwirt⸗ schaft darüber hingus kein Getreide besitzt. Die Teuerung können wir nur durch Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion verhüten. Wir brauchen eine genügende Menge von Produktions- mitteln und Sicherung der Arbeit auf dem Lande vor dem Streif, auch die Sicherung der Arbeit in den Industriebetrieben, die für die , arbeiten. Die Stillegung der Leunawerke im März durch die Unruhen bewirkte einen FProduktionsausfall an Stickstoff von 35 009 Tonnen im Werte von 78 Millionen Mark. Das bedeutete für die Landwirtschaft einen Verlust von 120 090 Tonnen Getreide. (Hört! Hört! rechts. Unruhe links.) Wir sind bereit, an der Abhilfe für die Not des Vaterlandes mit zua beiten. (Beifall rechts, Ruf links: So sehen die Herren aus!) . ̃ ö

Abg. Trieschm ann (Dem): Es ist eine Versündigung am Volke, daß die schwierige Lage seiner Ernährung sowie seiner äußeren Politik parteipolitisch ausgenutzt wird. (Sehr wahr!) Es ist nicht wahr, daß, wie die Abg. Frau Wurm in der letzten Sitzung sagte, die Landwirtschaft kein Verständnis für die Not des Volkes habe. Unser Volk ist sehr leicht vergeßlich und vergißt, was Folge des verlorenen Krieges sein muß. Gegen die Bürger— lichen, auch die demokratische Partei, ist der Vorwurf erhoben, daß durch Aufhebung der Zwangswirtschaft dem Schiebertum Tür und Tor geöffnet sei; aber gerade unter der Zwangswirtschaft hat das Schiebertum und Wuchertum geblüht, und gerade deshalb war die demokratische Partei für die Aufhebung der Zwangswirtschaft. Auch die Preissteigerung läßt sich durch die Zwangswirxtschaft nicht verhindern, während der Zwangswirtschaft wurden schon für die Kartoffeln im Schleichhandel 50 bis 60 Mark ezahlt. Wir müssen vor allem die Produktion heben. Wer . das ganze Wirtschaftswesen durch Zwang regeln zu können, soll nur an Rußland denken. Als Landwirt weiß ich wirklich nicht, wie das Umlageverfahren die Kartoffelversorgung verbessern sollte; im Begenteil, die Versorgung würde verschlechtert werden. Zunächft kommt dieser Antrag zu spät; denn viele Landwirte, namentlich die kleinen, haben ihre Kartoffeln sämtlich auf den Markt ge⸗ bracht, und was soll mit den Landwirten geschehen, die wegen einer Mißernte keine Kartoffeln zur Verfügung haben? Deshalb können wir diesen Antrag nicht annehmen. Die Preisentwicklung ist durch die Stockung des Transportwesens ungünstig beeinflußt worden; dazu kam die Nervosität der städtischen Bevölkerung, die sich mit einmal für die Dauer eindecken wollte, und schließlich boten auch die, Aufkäufer der Industrie die höchsten Preise an. Nach den Erklärungen des Ministers zur Getreideversorgung ist ja bereits zwei Drittel der Sollmenge eingegangen. In den be— setzten Gebieten wird es aber den Landwirten schwer werden, das letzte Drittel aufzubringen, und ich möchte daher diesen gegen⸗ über Nachsicht empfehlen. Ob eine Erhöhun der Mehlration möglich ist, muß dem Ministerium . werden. Die heutige Zeit ist nicht dazu angetan, um Bürger und Bauern gegen einander aufzureizen, sie sollen vielmehr gemeinsam arbeiten. Ich kann Ihnen die Zusicherung geben, daß wir Land⸗ wirte bereitwillig alles tun werden zur Sicherung der Volks= ernährung. (Beifall. Vor allen Dingen wird es notwendig sein, den Siedlungsgedanken praktisch zu verwirklichen, wir müssen unser Augenmerk auf die Beschaffung von Neuland richten. Man wird es im Volk nicht verstehen, daß in dieser schwierigen Zeit noch so viel unkultivierte Strecken vorhanden sind. Es muß . eine Stelle geschafsfen werden, vor der aus dieses große Werk in Angriff genommen wird. Nach meiner Ansicht könnte diese Stelle das im Abbau begriffene Reichsministerium für Ernährung sein. Arbeiten in Verbindung bringen mit der Ar— beitslosenfrage, mit der Wohnungsfrage und damit auch mit der Ernährungsfrage überhaupt. Ein Gesetzentwurf muß ausgearbeitet werden mit dem Grundgedanken: darch Arbeit zur Wohnung, durch Arbeit zur Siedlung und damit auch zur Ernährung des Volles. Gibt man dem Arbeiter die Möglichkeit zu einer selb— ständigen Existenz, dann werden sich viele in den Dienst der Sache stellen. Wir haben im Deutschen Reich mehr als 3 Millionen Hektar Moor- und Gedland, das der Kultur erschlofsen werden kann. Man fragt sich vergeblich, warum wird dieses Werk nicht endlich in Angriff genommen, damit der Notstand beseitigt wird und die Nahrungsmittel, die wir noch vom Ausland beziehen müssen für 60 Millionen Menschen in unserm eigenen Vaterland erzeugt werden können. Bei Durchführung dieses Gedankens würde man auch der Wohnungsnot beträchtlich steuern können. Wenn man 400 000 Siedlern auf diese Weise eine Existenz schaffen kann, so sollte man endlich ans Werk gehen. Ich bin auch der Ueberzeugung, daß weite Schichten deutscher Arbeiter, die nicht

weiterer ee, en Verhältnisse erheblich

Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im rtlaute wiedergegeben sind.

mehr unter den Schikanen der Polen in dem abgetretenen Ober⸗ schlesten arbeiten wollen, dann nach Deutschland zurückkehren

zuckerwirtschaftsstelle, die den Preis gewaltsam niedrig hält und

werden und 3 ern aus Süd- und Mitte ldeu kschly G

die einst an die Gtenze gingen, um Pioniere des Deutsch tums sein. (Beifall.)

Reichswirtschaftsminister Schmidt: Meine Damen n Herren! Die Interpellanten haben bewegte Klagen über enorme Preissteigerung geführt, die wir in den letzten Mona zu verzeichnen haben, und sie haben sehr recht mit ihrer weite Beschwerde, daß diese Preissteigerung nicht in allen Fällen en objektive Begründung findet. Ich bedauere, daß wir diese Pre steigerung in den letzten Monaten zu verzeichnen haben, sehe mit banger Sorge der Zukunft entgegen; denn ich weiß, dn diese Preissteigerung noch nicht ihren Abschluß gefunden h

Es ergeben sich natürlich für unser Wirtschaftsleben nicht m auf dem Gebiete des Lebensmittelmarktes, die eingehend hier) sprochen worden sind, sondern auch sonst auf dem Warenmtz ganz unbegründete Preissteigerungen, die ihre Rückwirkung unser gesamtes Wirtschaftsleben ausüben, es in seinen Tie erschüttern und politisch eine Erbitterung und Erregung in g Bevölkerung hervorrufen, die zu beklagen ist.

Die Ursachen der Preissteigerung sind im Laufe g Debatte durchaus richtig dargestellt worden. Wir haben eh Preissteigerung, die auf die Entwertung unserer Mark zurtz zuführen ist, die unmittelbar in der Preisbildung zum Ausdtn kommt bei allen Waren, die vom Ausland eingeführt wern Hiergegen kann keine Regierung erfolgreiche Maßnahng ergreifen, es sei denn, daß sie in unserer Finan zgebarung, der Gestaltung des Wertes unserer Zahlungsmittel auf dem Au landsmarkt eine Besserung erreichen können. Die Rückwirlun ergibt sich auch für diejenigen Waren, die wir zum Teil in n heimischen Wirtschaft selbst erzeugen, den zur Deckung M inländischen Bedarfs aber noch erforderlichen Rest aus dem An lande beziehen müssen. Auch da solgt natürlich der Inlandaspreh der Ware in sehr schnell aufsteigender Tendenz dem des Arn landsmarktes. Es gilt das auch von solchen Waren, die zu eingn erheblichen Teil aus Rohstoffen hergestellt werden, die wir m aus dem Auslande beziehen können. Auch da sind die gleich preistreibenden Tendenzen zu verzeichnen, wie bei denjenigen Waren, die wir unmittelbar aus dem Ausland beziehen. Es hn sich ergeben, daß die Preisentwicklung auf dem Inlandsmatß mäßiger ist, als bei den Auslandswaren. Ich halte das für ein sehr glücklichen Umstand und wäre froh, wenn wir in der En wären, diese Preisdifferenz aufrechtzuerhalten. Denn es ist nih begründet der. Meinung möchte ich hier Ausdruck geben = daß die Inlandspreise bei der stark sinkenden Tendenz unsen Zahlungsmittel auf die Höhe der Auslandspreise steigen.

Bei der Bildung der Preise der heimischen Produkt handelt es sich doch um eine sachliche Kalkulation der tatsächlichn Herstellungskosten mit einem Zuschuß einer gering bemessenn Gewinnquote. Wenn wir auf dieser Grundlage die Preise af

ja

berechtigt erhoben werden.

Es ist mit Recht darauf hinge liesen worden, daß der gjegen wärtige Preis für Kartoffeln nichts mehr mit den Produktions, kosten zu tun hat und auch nicht mit einer mäßigen Gewinnqunh begründet werden kann.

Ich möchte auch die Herren von der Landwirtschaft und de Vorredner bitten, das anzuerkennen und diese Frage ehr 2bjektiver zu beurteilen. Ich weiß aus der Debatte und der Tagespresse, welche Erklärungen für die Preistreiberei beigebracht werden. Es ist gewiß bedauerlich, daß die Landwirte angereij werden, hohe Preise zu fordern. Ich weiß, daß es sehr vich Landwirte gibt, die es durchaus für unberechtigt halten, daß Er⸗ zeugerpreise für Kartoffeln von 80, 90, ja sogar 100 Mark fir den Zentner gewährt werden. Das ist eine durchaus ungesunde Erscheinung. (Sehr wahr) Diese Erscheinung sollte meiner An— sicht nach jeder objektiv denkende Landwirt, der nicht skrupelle⸗ die Konjunktur auszunützen sucht, ebenso verurteilen, wie alt anderen Kreise der Bevölkerung. (Sehr wahr! links) Das he deutet bei einem Erzeugerpreis von 100 Mark, wie wir ihn heut zu verzeichnen haben, ungefähr das 40⸗fache der Preise, wie wir sie vor dem Kriege gehabt haben. Ich verurteile eine solche Prei steigerung. .

Aehnlich verhält sich die Preissteigerung auch für Weizen, mehl, wo wir gegenwärtig das 30⸗fache des Preises vor den Kriege zu verzeichnen haben.

Der Inlandaspreis findet nun leider einen sehr starken Antuit nicht nur auf dem Lebensmittelmarkt, sondern auch auf dem übrigen Warenmarkt, durch den planlosen Einkauf eines großen Teiles der Bevölkerung. (Sehr richtig Ich verstehe ja ä leitenden Gesichtspunkte, von denen heute der Verbraucher aut= geht. Jeder sagt sich: Der Preis geht weiter in die Höhe; wird also vom Standpunkt des Käufers das beste sein, wenn er so bald wie möglich seinen Bedarf im Voraus deckt. Natütlih wird ein solcher Andrang auf den Warenmarkt nur dazu führen, daß wir auf dem Inlandsmarkt einen Mangel an Waren zu ver— zeichnen haben, daß in allen Geschäften aufgekauft wird, deß unnötigerweise Waren im Haushalt angesammelt werden ind nun bei dem Mangel an genügenden Vorräten zu gleicher Zit auch eine preisaufwärtsbewegende Tendenz in die Erscheimm tritt. Wir treiben also durch diesen Aufkauf abermals die Preise noch über das Stadium hinaus, das schon durch die Entwertun unserer Zahlungsmittel eingetretenn ist. Ganz unleidliche Zustände das haben ja auch die einzelnen Redner hier ausgeführt haben sich auch in den Gren zbezirlen herausgebildet. Wir haben geradezu ein Leerkaufen unsere dortigen Warenversorgungsstätten und als nottvenidge Folge dahon eine erhebliche Preissteigerung, die noch viel mehr zu beklagen s Wir haben festgestellt, daß beispielsweise im Monat September nicht weniger als rund 121 0090 Personen äber die dänische Grenz gekommen sind, um hier Einkäufe zu machen. (Hört, hört! rechte Das ist nicht nur voltswirtschafflich sehr übel für uns, für diz Deutsche Reich, sondern in demselben Maße auch für die dänisch BVolkswirtschaft, weil dort eine ganz unsolide und untragbar Konkurrenz geschafefn wrd, die auch politisch die unangenehmftn Rückwirkungen zeitigt. Die Aussichten für die künftige Geschäfth lage werden unter solchen Umständen die denkbar schlechtesten, denn ich befürchte, daß sehr bald nach diefem künstlichen Hina treiben der Konjunktur eine Zeit der schweren Geschäftskrise ein tritt, die wieder mit einer großen Arbeitslosigkeit verbunden ii Sehr richtig! rechts) Was in unseren Kräften steht, müssen wir

deshalb tun, um diese Erscheinungen zu beseitigen, denn solhe sprunghaften Konjunkturen schaden uns nur; sie nützen vielleich

bauen könnten, würden viele Klagen beseitigt sein, die hen

ehen, die sich solcher Vergehen schuldig machen. Ich darf auf

haben. Im Kalenderjahr 1920 sind bei den deutschen Wucher⸗

diesen wurden 1635 an die ordentlichen Gerichte verwiesen. Von

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m einzelnen momentan, haben aber für die Allgemeinheit keinen

zuernden Wert.

Was den Grenzverkehr anlangt, so möchte ich auf das hin—⸗ eisen, was vom Reichswirtschaftsministrium und von anderen inisterien unternommen worden ist, um diesem ungeregelten

zerkehr zu hemmen:

1 Die Landesfinanzämter sind angewiesen worden, die von ihnen für den kleinen Grenzverkehr gewährten Ausfuhr⸗ erleichterungen einer sofortigen Nachprüfung zu unter⸗ ziehen und ihre Zurückziehung vorzunehmen, soweit die veränderte Wirtschaftslage es erfordert.

2 Der Reichskommissar für Aus⸗ und Einfuhrbewilligung hat seine örtlichen Beauftragten ermächtigt, die von ihm erteilte Ermächtigung, die Ausfuhr gewisser Waren ohne Ausfuhrbewilligung zuzulassen, für den kleinen Grenz⸗ verlehr außer Kraft zu setzen. Wo derartige Beauftragte nicht vorhanden sind, hat der Reichskommissar die Auher⸗ kraftsetzung selbst vorgenommen, soweit es zur Abstellung von Uebelständen erforderlich war.

3. Der Reichskommissar hat die Zurückziehung der in den

Ladengeschäften einiger Grenzstädte zur Benutzung im kleinen Grenzverkehr erteilten Sammelausfuhrbewilligung

veranlaßt.

4. Da durch die unter Ziffer Z erwähnte Zurückziehung der Ermächtigung des Reichskommissar, die Ausfuhr gewisser Waren ohne Ausfuhrbewilligung zuzulassen, das Textil⸗ gewerbe nicht berührt wurde, weil hierfür eine größere Anzahl von Waren das Ausfuhrverbot formell aufgehoben war, hat das Reichswirtschaftministerium durch Ver⸗ ordnungen zunächst für die badisch⸗schweizerische Grenze, dann auch für die westliche Reichsgrenze und die deutsch⸗ dänische Grenze und schließlich durch die Bekanntmachung vom 5. November 1921 für die gesamte Reichsgrenze die Ausfuhr aller Waren des 5. Abschnittes des Zolltarifs im kleinen Grenzverkehr ohne Bewilligung der zuständigen Stellen verboten;

5. Zur Verhinderung der Entblößung der Ladengeschäfte von Gegenständen des täglichen Bedarfs durch reisende Aus- länder auch im Inneren des Reichsgebietes ist vom Reichswirtschaftsministerium zur Sicherung der Bedarfs⸗ deckung der inländischen Bevölkerung ein allgemeines Ver⸗ bot der Ausfuhr von Gegenständen des täglichen Bedarfs im Reise verkehr erlassen worden. Die bisherigen Ausfuhr⸗ erleichterungen für den Reiseverkehr sind, soweit sie diesem Verbote widersprechen, aufgehoben worden.

6. Ein Erlaß allgemeiner Ausfuhrverbote unterliegt zurzeit der Prüfung der zuständigen Stellen. Dem Erlaß solcher Berbote stand bisher die Haltung der Interalliierten Rheinlandkommission entgegen, welche ihre Ausdehnung auf das besetzte Gebiet ausschloß und sie damit zur Unwirksam⸗ keit verurteilte.

J. Auf dem Gebiete der Ueberwachung des Warenverkehrs hat das Reichsfinanzministerium für die Verstärkung der Grenzüberwachung an den gefährdeten Grenzstrecken durch

Heranziehung von Zollbeamten aus dem Innendienst unter

3uhilfenahme von geschulten Kräften des Reichsbeauftragten für die Ueberwachung der Ein- und Ausfuhr gesorgt sowie außerdem die Ueberwachungsorgane auf die sich aus der derzeitigen Wirtschaftslage ergebende Gefahr einer ver⸗ mehrten Umgehung der Ausfuhrbestimmungen hingewiesen und zur verschärften Ueberwachung des Verkehrs an⸗ gewiesen. Sie sehen, wir haben eingegriffen. Mir ist berichtet worden, doß ein Tel der üblen Zustände bereits durch diese Maßnahmen beseitigt worden ist, wenn ich auch nicht der Ueberzeugung bin, deß wir bei der großen Differenz der Preislage des Inlandes ju der des Auslandsmarktes diese Zustände restlos beseitigen lõnnen.

Der Herr Minister Hermes hat bereits darauf hingewiesen, was geschah, um Wuchererscheinungen und Preisüberhebungen zu belãmpfen. Als Herr Minister Hermes diese Ausführungen machte, it hier im Hause der Widerspruch erhoben worden, daß unsere Gerichte doch nicht in genügender Weise gegen Personen vor⸗

de Etatistit der Wuchergerichte vom Jahre ihd0 hinweisen, die erzbt, daß die Zahl der Strafverfahren und der zur Aburteilung lommenden Personen ziemlich umfangreich sind, und die Gerichte aüf diesem Gebiete doch eine sehr ersprießliche Tätigkeit ausgeübt

gerichten gegen 27 524 Personen Verfahren anhängig geworden, darunter gegen X 583 wegen Schleichhandels und gegen 4587 wegen Preistveiberei und Ueberschreitung von Höchstpreisen. Von

den ibrigen wurden 2397 freigesprochen. Verurteilt wurden 23 492 Personen. Davon erhielten 11 920 Geldstrafen und von diesen wiederum 8612 solche bis zu 1000 Mark. Zu Freiheitsstrafen burden No0 Personen verurteilt, davon 5686 bis zu einem Monat BHefängnis. Nicht ganz 0,32 8 erhielten 1 Jahr und mehr Ge⸗ sängnis, und 24 Personen wurden zu Zuchthaus verurteilt. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenvechte erfolgte in ß, die Ein⸗ siehung der Waren in 4481 Fällen.

Also legen die Dinge doch nicht so, daß man den Gerichten den Vorwurf machen kann, in der Bekämpfung des Wuchers sei nichts geschehen.

Ich möchte mich nicht zu der Frage äußern, die immer bei allen Lebensmitteldebatten im Reichstag auftaucht, ob der Handel wer ob die Erzeuger den größten Nutzen haben. Ich sage: der erbraucher hat einen sehr starken Schutz, um sich gegen über⸗ mäßige Breisbildung dez Handels zu wehren, in der Organi— htion seiner Konfumgenossenschaften. Wenn er seine Waren in der Konsumgenossenschaft einkauft, kann er mit Sicherheit darauf rechnen, daß ihn kein übermäßiger Preisaufschlag seitens des Handels bedrückt. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß der reis Handel nicht viel über die Preise der Konsumvereine hinaus- geht, zum Teil sogar auf gleicher Höhe mit ihnen steht. Das wãre ein Anhalt dafür, daß seitens des Handels übermäßige Preis⸗ uufschläge im allgemeinen nicht vorhanden stnd. Aber es ist un⸗ bestteitbar, daß wir in der Preisbildung beim Erzeuger meiner

cht nach doch eine fehr ungesunde Tendenz der vollständigen

rung zu verzeichnen haben, die sehr zu bedauern ist. Sehr wahr! links.)

Ich habe es auch gerade im Hinblick auf unsere gegenwärtige wirtschaftliche und politische Lage unangenehm empfunden, daß der Zentralverband des deutschen Großhandels in letzter Zeit sich bemüht, dahin zu wirken, daß die Wucherverordnung aufgehoben wird. Der gegenwärtige Zeitpunkt scheint mir dazu der un⸗ geeignetste zu sein, und ich glaube, ein wirklich ehrbarer Kauf⸗ mann braucht diese Wucherverordnung nicht zu fürchten und ist jederzeit gegen eine Anwendung dieser Strafbestimmungen ge⸗ schützt, wenn er sich auf reellen Bahnen im Handel und Verkehr bewegt. (Zustimmung links.)

Ich bedauere es auch, daß der Einzelhandelausschuß des deutschen Industrie⸗ und Handelstages Abänderungen in der Preistreibereiverordnung verlangt. Diese Wünsche gehen im wesentlichen darauf hinaus, daß bei der Feststellung eines an⸗ gemessenen Preises nicht mehr die Gestehungskosten plus einem angemessenen Gewinn die Grundlage sein sollen, sondern die Aus⸗ nutzung der Marktlage, unter Umständen also auch der Notmarkt⸗ lage. (Hört! Hört! links.) Das sind Anforderungen, die in Ver⸗ braucherkreisen das Mißtrauen und die Unzufriedenheit sehr stark steigern und berechtigte Vorwürfe gegen andere Erwerbsschichten erheben lassen. Ich möchte bitten, daß man mit solchen Anforde⸗ rungen vorsichtiger ist und an den Empfindungen anderer Er⸗ werbsschichten nicht achtlos vorübergeht.

Im Zusammenhang damit möchte ich einiges über die Lebens⸗ haltung eines großen Teils unserer erwerbstätigen Bevölkerung sagen. Ich habe sehr oft im persönlichen Verkehr, hier und da auch in der Presse die Meinung angetroffen, daß wir gegenwärtig eigentlich in der Lebenshaltung nicht weit ober auch gar nicht gegen die Lebenshaltung vor dem Kriege zurückstehen. Das ist ein großer Irrtum. (Sehr richtig! links) Dieser Irrtum, der uns auch in unserer Außenpolitik außerordentlich gefährlich wird, steigert sich, wenn Fremde aus dem Ausland herkommen und die Dinge in Deutschland oberflächlich betrachten. Wenn man in Berlin W auf den Straßen herumläuft und danach die Lebens⸗ gewohnheiten des Volkes taxiert, wird man immer zu einem Trug schluß kommen. Wenn man das Volk kennen lernen will, dann muß man nicht in sehr zweifelhafte Lokale hineinblicken, die leider üppiger emporgekommen sind als es uns lieb ist, sondern man soll das Volk aufsuchen in seinem Heim lsehr richtig! links), man soll es in seiner Armut beobachten da, wo es die Armut zu ver⸗ bergen hat. (Zustimmung links.)

Welcher Druck auf die Lebenshaltung unserer Bevölkerung ausgeübt wird, dafür ist ein Beweis der starke Rückgang im Fleischkonsum. Nach den statistischen Ergebnissen über die beschau⸗ pflichtigen Schlachtungen haben wir im ersten Halbjahr 1921 im Vergleich zum Jahre 1913 einen Rückgang des Fleischverbrauches, der aus den Schlachtungen umzurechnen ist, von 60 vH zu ver⸗ zeichnen. (Hört! Hört! links. Das ist ein ganz erheblicher Druck auf die Lebenshaltung der erwerbstätigen Bevölkerung. Noch krasser tritt das in die Erscheinung, wenn ich mir die Einfuhr⸗ zahlen für Vieh ansehe und in Vergleich stelle zu den Zahlen des Jahres 1913. Wir hatten im Jahre 1913 eine Rindvieheinfuhr von rund 260 000 Stück; im Jahre 19290 ist die Einfuhr auf 36 000 Stück zurückgegangen. An Schweinen hatten wir im Jahre 1913 eine Einfuhr von 148 000 Stück; sie ging im Jahre 1920 auf 73 000 zurück. An Schafen wurden eingeführt im Jahre 1913 23 000 im vorigen Jahre haben wir nur 175 Stück eingeführt. Im Jahre 1913 haben wir 8500 000 Gänse eingeführt, im Vorjahre 257 000. (Hört! Hört! links.) Nur beim Fleisch und bei den Fleischwaren haben wir eine starke Zunahme gegenüber dem Jahre 1918 zu verzeichnen. Wir hatten 1913 eine Einfuhr von 63 809 Tonnen und im Jahre 1920 eine Einfuhr von 222 000 Tonnen. Aber auch diese erhöhte Einfuhr an Fleisch und Fleisch⸗ waren deckt das große Manko nicht, das in der geminderten Vieh⸗ einfuhr und in der geminderten Schlachtung zum Ausdruck kommt. Darüber kommt niemand hinweg, und es wird gegen wärtig besonders notwendig sein, das gegenüber denjenigen Herren zu unterstreichen, die unsere Wirtschaftslage studieren und sich ein Urteil über die wirtschaftliche Lage der deutschen Bevölkerung bilden sollen.

Lassen Sie mich noch ein paar andere Einfuhrwaren auf dem Lebensmittelmarkt erwähnen, die auch darauf hindeuten, wie stark wir die Einfuhr gedrosselt haben und wie sehr die Lebenshaltung der Bevölkerung zurückgegangen ist. Wir hatten an Obst und Dörrobst im Jahre 1913 rund 545 000 Tonnen eingeführt, im Jahre 1920 112000 Tonnen. Die Einfuhr an Südfrüchten betrug im Jahre 1913 318 000 Tonnen, im Vorjahre 588 000. Wir hatten an Kolonialwaren eingeführt im Jahre 1913 544 000 Ton⸗ nen und im Vorjahre 241 000 Tonnen. An Eiern haben wir ein⸗ geführt im Jahre 1918 171 000 und im Vorjahre 4654 Tonnen. Weiter ist eingeführt an Milch im Jahre 1913 52 000 Tonnen, im vorigen Jahre 31 000 Tonnen, an Butter und Käse 1913 79 000 Tonnen, im Vorjahre 30 000 Tonnen.

Alle diese Zahlen beweisen, wie stark der Einfluß der enorm hohen Preise auf die Gestaltung der Lebenshaltung unsever Be⸗ völkerung ist. Wenn sich die Damen und Herren das einmal ver⸗ gegenwärtigen, so werden sie auch verstehen, wie hart das Urteil draußen im Volke ist, wenn die Lebenshaltung noch weiter ein⸗ geschränkt werden muß. Denn diese Einschränkung muß bei den enorm hohen Preisen eintreten, weil die Löhne und Gehälter mit den Preisen für die Lebenshaltung noch nicht in Einklang kommen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Das Aufreizende ist, daß wir noch immer nicht am Ende der Preissteigerung sind. Gegenüber diesen Tatsachen gibt es kein Verschleiern. Es muß da, wo Wucher und skrupellose Ausnutzung der Notlage des Volkes vorliegen, eingegriffen werden, es muß rücksichtslos gegen diejenigen vorgegangen werden, die aus der Notlage des Volkes reiche Gewinne ziehen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Die Stellung der Verbraucher sehe ich in ber freien Wirt⸗ schaft durch die Organisationen der Genossenschaften gestärkt, auf die ich an dieser Stelle hinweisen möchte. Die Genossenschaften, die zugleich eine Konkurrenz gegen den Handel bilden, können die übermäßigen Preistreibereien im Handel unterbinden. Diese Erziehung schätze ich höher ein als die durch Strafgesetze. (Zuruf rechts) In diesen Organisationen können die Verbraucher Selbst⸗ hilfe üben.

hinzuzufügen. Während des Krieges hat die Landwirtschaft wieder⸗

holt betont, sie werde dafür Sorge tragen, eine unmittelbare Ver⸗

bindung zwischen Produzenten und Verbrauchern herbeizuführen

und alle Bestrebungen zu unterstützen, die das Ziel haben, über⸗

mäßige Preistreiberelen in den Zwischenstufen des Handels

unmöglich zu machen. Ich spreche die Hoffnung aus, daß die

Landwirtschaft nun auch wirklich mit Ernst an diese Aufgaben

herangeht und damit den Beschwerden entgegentritt, die auch jetzt

wieder von seiten der Verbraucher erhoben werden, daß nämlich

die Erfüllung dieses Versprechens zu wünschen übrig läßt. (Bei=

fall links.)

Abg. Gerauer (Bayer. Vp.) : Ich bedauere, daß solche

Interpellationen dazu benutzt werden, den Gegensatz zwischen Stabt und Land zu vertiefen. Auch wir verurteilen ez, wenn Berufs- genossen die Not der Verbraucher ausbeuten. Die hohen Preise werden aber nicht durch die Landwirtschaft verschuldet. Die Ernte an Kartoffeln ist diesmal in vielen Teilen des Landes schlecht ge⸗ wesen, dazu kommt, daß die fruchtbaren Gebiete der Provinzen Posen, Westpreußen uns fehlen. Weiter ist zu beachten, daß wir Kartoffeln an ,, und Belgien liefern müssen, daß infolge des niedrigen Valutastandes die Einfuhr aus Holland fehlt, und daß wir unsere notleidenden Brüder in Desterreich nicht im Stich lassen durften. Die bayerischen landwirtschäftlichen Organisationer haben bereits im September einen Aufruf an die Landwirte er⸗ lassen, nach Möglichkeit Kartoffeln an die Verbraucher abzugeben, und haben einen Richtpreis von 40 bis 45 M festgesetzt. Dem Verkehrsministerium kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß es nicht genügend vorgesorgt hat. Der Kartoffelmangel ist zu einem sehr erheblichen Teil auf die ungenügende Wagengestellung en Die Wagenverteilung durch die Eisenbahnbehörde ieß außerordentlich viel zu wünschen übrig. Zu der schenden Verbitterung zwischen Verbrauchern und Erzeugern hat die mangel⸗ hafte Gestellung von Güterwagen in erster Linie beigetragen. Der Vorwurf, die Landwirte hielten Kartoffeln zuruck, ist völlig unberechtigt. Die Landwirte haben kein Interesse an der Zurück⸗ haltung, denn das Ueberwintern ist ein großes Risiko. Ungerecht ist es auch, die Landwirte der aer f ih , n bezichtigen. Die Landwirte haben gar keine Zeit zu solchen Schiehungen, die Schiebungen werden von anderer Stelle aus besorgt. Die Einführung eines , . lehnen wir ab, weil es die Versorgung durchaus nicht bessern, die Produktion aber ganz sicher hemmen würde,. Unsere vornehmste Aufgabe muß es sein, die lanpwirtschaftliche Produktion zu heben, um uns mög- lichst vom Auslande unabhängig zu machen. Dazu ist es notwendig, daß ausreichend Saatgut aus dem Osten nach allen Teilen Deutschlands geleitet wird. Auf das K muß das Schiebertum bekämpft werden. Wir verlangen Konzessionierung des Getreide⸗ und Kartoffelaufkaufs und bitten das Haus, unsern entsprechenden Antrag (den Antrag hat auch das Zentrum unter⸗ zeichnet) einstimmig anzunehmen. An die Reichsregierung richte ich das dringende Ersuchen, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß der Landwirtschat die erforderlichen Düngemittel n. werden. Hieß es früher: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser“, so sage ich heute: „Unsere . liegt in der deutschen Land⸗ wirtschaft.“ (Lebhafter Beifall.) .

Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Dr. Hermes: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu einigen Ausführungen, die im Laufe der Debatte gemacht worden sind, kurz Stellung zu nehmen und mich im Anschluß daran auch zu den beiden Anträgen von Frau Agnes und Genossen zu äußern. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Schlack auf die Frage der Freigabe des Zuckers hingewiesen. Ich darf hierzu bemerken, daß sein Wunsch auf weitere Freigabe des Zuckers inzwischen er⸗ füllt worden ist, und daß die Zuckerwirtschaftsstelle nach Be⸗ sprechung mit dem Reichsernährungsministerium ein Drittel der Zuckerproduktion bis zum Ende dieses Jahres freigegeben hat. Ich darf damit annehmen, daß der Wunsch, der hier geäußert worden ist, in Erfüllung gegangen ist. (Zurufe links und Zuruf von den Soz.: Zu welchem Preise? Zu 700 Mark für den Doppelzentner Verbrauchszucker. Er wird schon in den Verkehr kommen. Meine Damen und Herren, wir müssen bei dem Ueber⸗ gang aus der gebundenen in die freie Virtschaft immer etwas Geduld haben. Der Zucker ist freigegeben und Sie werden ihn bekommen. (Zuruf links Aber es muß gerade auch bei der Frage der Zuckerversorgung immer wieder darauf hingewie sen werden, daß die Frage der Waggongestellung äußerst schwierig ist und auch hier sich hindernd bemerkbar gemacht hat.

Der Herr Abgeordnete Schlack hat weiter den Wunsch ge⸗ äußert, daß dje von mir erwähnte Vorlage zur Verschärfung der Konzessionierung des Handels für Kartoffeln auch auf Getreide ausgedehnt werden möchte. Diese Frage unterliegt der Erwãgung, und ich hoffe, daß es möglich sein wird, auch diesem Wunsche bis zu einem gewissen Umfang Rechnung zu tragen .

Ich möchte dann noch meinen ersten Aus führungen hinzu⸗ fügen, daß inzwischen der Versuch des Reichsernãhvungs⸗ ministeriums, im Wege der unmittelbaren Beziehung zwischen Er⸗ zeugern und Verbrauchern Abschlüsse über Kartoffellieferungen zu tätigen, gewisse Erfolge gezeitigt hat. Es ist gelungen. 13 Mil lionen Zentner auf diese Weise sicherzustellen. Die Aktion geht weiter, und ich hoffe, daß wir auf diese Weise noch weitere Kar toffelmengen sichern können. (Zuruf Inks.)

Was die Ausführungen des Herrn Abg. Gerauer angeht, so habe ich sie vom Standpunkt der Förderung der landwirtschaft⸗ lichen Produktion besonders begrüßt. Ich unterschreibe voll⸗ kommen, was er über die Bedeutung guten Kartoffelsaatguts gesagt hat, und ich darf hierzu bemerken, daß gerade die Frage der Saatkartoffelzüchtung die ernsteste Aufmerksamkeit des Reichs⸗ ernährungsministeriums immer gefunden hat und daß wir durch die inzwischen erfolgte Angliederung des Kartoffelforschungs⸗ instituts an die Biologische Anstalt in Dahlem eine festere, sichere Grundlage für die intenside Bearbeitung aller dieser Probleme geschaffen haben, und wir hoffen, daß gerade die Tendenz, die die Forschungsanstalt in Verbindung mit Dahlem verfolgt, viel mehr als bisher für die Praxis zu arbeiten, daß diese Tendenz in einer vorteilhaften Auswirkung auch für die landwirtschaftliche Produktion sich zeigen wird.

Ich bin vollkommen mit dem Herrn Abg. Gerauer ein⸗ verstanden, wenn er die Bedeutung der Kunstdüngererzeugung und Kunstdüngerverwendung so nachdrücklich unterstreicht. Wir haben im Reichsernährungsministerium diese Frage besonders bearbeitet und es ist nicht das erstemal, daß wir eine Dskussion über diesen Gegenstand führen. -

Was die Frage des Thomasmehls anlangt, so ist es natürlich völlig ausgeschlossen, daß wir unsere Hand dazu geben, daß Thomasmehl ins Ausland geliefert wird. Int Gegenteil, wir haben in den letzten Jahren erhebliche Mengen von Thomas mehl von dem Ausland ins Inland herangeholt. Gerade die Phosphorsäurefrage ist das Gebiet der Kunstdüngererzeugung Deutschlands, das noch die meisten Unvollkommenheiten aufweist.

lu mitzung der Konjunktur und einer übermäßigen Preissteige⸗

1 Diesen Ausführungen habe ich noch einen dringenden Wunsch

Es ist uns beim Stickstoff gelungen, uns in sehr erheblichem