1921 / 270 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Umfang von der ausländischen Zufuhr unabhängig zu machen, während wir bei der Phosphorsäure immer noch auf die Zufuhr von Rohphosphaten angewiesen sind. Neben dieser Zufuhr von Rohphosphaten, die natürlich bei dem heutigen Stande der Valuta fast zur Unmöglichleit geworden ist, haben wir von Anfang an auch die Einfuhr von Thomasmehl besonders gepflegt und wir werden, sobald wir solche Möglichkeiten haben, diese Tendenz auch weiter wirksam aufnehmen.

Was die Frage des Herrn Abg. Gerauer hinsichtlich des Rhenaniaphosphats angeht, so ist es ihm nicht unbekannt, daß das ein neues Düngemittel ist, das seine praktische Erprobung eigentlich in größerem Umfang im Wege von Feldversuchen noch nicht ge⸗ funden hat. Aber es wird den Herren der Landwirtschaft nicht unbekannt sein, daß Herr Geheimrat Remy in Bonn in umfang⸗ reichem Maße Versuche auf Parzellen und in Gefäßen gemacht hat, die bisher durchaus erfolgversprechend sind. Ich möchte aber nicht so weit gehen, diese Versuchsergebnisse heute schon als Grundlage für eine endgültige Beurteilung des Rhenaniaphosphats zu be⸗ nutzen. Ich bin der Meinung, daß diese Frage in praktischen Feld⸗ versuchen noch weiter geklärt werden muß. Ich werde die Frage des Rhenaniaphosphats auf die Anregung des Serrn Abg. Gerauer in, dem zuständigen Düngerausschuß des Ernährungsministeriums besonders zur Diskussion stellen und bei der weiteren Behandlung auch die Praxis entsprechend beteiligen.

Die Stickstofffrage ließt ja augenblicklich gimstiger, wie ich schon ausgeführt habe. Trotz des so beklagenswerten Unglückes von Oppau dürfen wir doch nach meiner ungefähren Schãtzung damit rechnen, daß wir im laufenden Düngerjahr immerhin mit einer einheimischen Produktion von etwa 28 bis 290 000 Tonnen reinen Stickstoffs werden rechnen können. Das sind also ganz erhebliche Mengen, in denen ja auch das schwefelsaure Ammoniak einen nicht unerheblichen Prozentsatz ausmacht. Alles, was an schwefelsaurem Ammoniak erzeugt wird, werden wir versuchen, unter die ein⸗ heimische Landwirtschaft zu bringen, sofern wir nicht durch gewisse Verpflichtungen des Friedensvertrages auch in der Richtung etwas behindert sind.

Nun darf ich mir gestatten, meine Damen und Herren, zu den Anträgen der Frau Abg. Agnes und Genossen hinsichtlich der Erhöhung der Mehlration und der Erhöhung der Getreideumlage von 27 Millionen auf 335 Millionen kurz Stellung zu nehmen.

Wie ich als bekannt voraussetzen darf, wird die Bevölkerung im laufenden Wirtschaftsjahr in demselben Umfange wie im ab— gelaufenen Wirtschaftsjahr mit Mehl und Brot beliefert. Sie er⸗ hält Mehl und Brot unter Zugrundelegung einer täglichen Mehl⸗ ration von 200 Gramm pro Kopf. Darüber hinaus kann sie sich im freien Verkehr und darin liegt ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr mit Mehl und Brot ohne Beschränkung auf die Kopfmenge versorgen. Unruhe und Zurufe bei den Kommuniften.) Daß bei einer Beschaffung des Mehrbedarfes, was die Menge anlangt, irgendwelche Schwierig⸗ keiten hervorgetreten sind, ist nicht bekannt geworden. Von diesem Gesichtspunkt aus besteht daher auch kein Anlaß, die tägliche Ration von 200 Gramm, die der Bevölkerung durch die öffentliche Bewirtschaftung zugeführt wird, zu erhöhen.

Der Antrag der Frau Agnes zielt auch wohl weniger darauf ab, die Versorgung der Bevölkerung mit einer größeren Menge sicherzustellen; er strebt vielmehr an, daß der Bevölkerung eine größere Menge zu den öffentlichen, verbilligten Lieferpreis zur Verfügung gestellt wird, da die Deckung im freien Verkehr zu diesen Preisen allerdings nicht möglich ist.

Um die Bedeutung des Antrages nach dieser Richtung hin vollkommen zu würdigen und klarzustellen, darf ich in die Erinne⸗ rung zurückrufen, daß zur Deckung der täglichen Mehlration von 200 Gramm im gesamten Wirtschaftsjahr rund 41 Millionen Getreide erforderlich sind chört! hört! rechts), von denen 293 Mil⸗ lionen aus dem Inlande im Wege der Umlage aufgebracht werden, während der Rest aus dem Auslande eingeführt wird. (Hört, hört: auf der äußersten Linken. Der Preis, zu dem die Reichsgetreide⸗ stelle das Getreide oder das Mehl abgibt, ist so berechnet, daß er die Kosten des Umlagegetreides deckt und einen kleinen Ueberschuß für die Mehrkosten des eingeführten Auslandsgetreides abwirft, die im übrigen, wie Ihnen bekannt ist, durch Verbilligungszu⸗ schüsse abgedeckt werden. An Verbilligungszuschüssen sind im Haus⸗ halte 1921522 für die Zeit vom 16. August 1921 bis zum 31. März 192, also für 795 Monate des Wirtschaftsjahres, etwas über 333 Milliarden Mark bewilligt. (⸗Hört, hört! rechts) Diese Beträge werden aber bei der außerordentlichen Entwertung der deutschen Mark bei weitem nicht ausreichen. Sie werden eine weitere beträcht⸗ liche Erhöhung erfahren müssen, wenn die Verbilligung über das Ende des Etatjahres hinaus bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres, also für die Zeit vom 1. April bis 15. August 1922, fortgesetzt werden soll.

Der Antrag der Frau Agnes bedeutet letzten Endes, daß lünftig für weitere 60 Gramm Mehl täglich Verbilligungs⸗ zuschüsse durch das Reich gezahlt werden sollen. Der Mehrbedarf an Getreide, der durch die 60 Gramm entsteht, ist für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember mit 537 500 Tonnen, für die Zeit vom J. November bis 15. August 1922, also bis zum Ende des Wirtschaftsjahres mit etwas über 1 Million Tonnen Getreide zu veranschlagen. Dieser Mehrbedarf könnte nur auf zwei Wegen beschafft werden: entweder durch Einfuhr oder durch freien Aufkauf im Inland. (Zuruf auf der äußersten Linken: Durch Mehr⸗ ablieferung!) Auf dieses letzte Moment komme ich nachher noch!

Beide Wege erscheinen nicht gangbar. Die Kosten der Mehreinfuhr von rund 1 Million Tonnen Getreide aus dem Auslande würden unter Zugrundelegung des Preises für Auslandsweizen von Anfang November mit etwas über 12000 M die Tonne über 12 Milliarden Mark ausmachen. Die Devisen für diesen Betrag können nicht aufgebracht werden. Schon die Beschaffung der Devisen für die zur Ausgabe der Tagesration von 200 Gramm erforderliche Einfuhr von 2 Millionen Tonnen bereitet bei dem Tiefstand der deutschen Mark immer größere, zurzeit fast unüber⸗ windbare Schwierigkeiten. Wollte man nun andererseits die eine Million Tonnen Getreide aus dem Inlande entnehmen, so würde man damit eine außerordentliche Preissteigerung im Inlande herborrufen und binnen kürzester Frist bewirken, (Zuruf von der äußersterr Linten) daß die Inlandsgetreidepreise, die sich insbe⸗ jondere für die Hauptfrucht, den Roggen, noch sehr erheblich unter den Auslandsgetreidepreisen bewegen, die Auslandsgetre idepreise erreichen. Dies würde die Wirkung haben, daß die Eindeckung des Mehrbedarfs über ) Gramm hinaus für die Bevölkerung nur

mit weit größeren Opfern als bisher möglich wäre. [Zuruf von den U. Soz.: Höher als der Weltmarktpreis kann er doch nicht werden Das wollen wir ja gerade verhindern, Frau Wurm! Wiederholte Zurufe von den Kommunisten) Der Unierschied ist sehr erheblich. Augenblicklich ist allerdings der Preis für das Auslandsgetreide etwas zurückgegangen. Immerhin wird man 110090 bis 12000 4 annehmen können, während der inländische Roggenpreis zurzeit auf etwa 6009 * steht. Wenn wir so ver⸗ fahren würden, würde das die Wirkung haben, daß die Eindeckung

eines Mehrbedarfs über 200 Gramm hinaus für die Bevölkerung

weit kostspieliger wäre als bisher.

In dem einen, wie in dem andern Falle müßten, wenn der bisherige Abgabepreis der Reichsgetreidestelle für Mehl und Getreide beibehalten werden sollte das liegt ja im Sinn des Antrages des Frau Agnes sehr hohe Mehrbeträge aus Reichs. mitteln für die Verbilligung bereitgestellt werden. Bei dem er⸗ wähnten Auslandsgetreidepreis Anfang November von über 18 000 M für die Tonne Weizen würde sich die Verbilligung aktion für die 60 Gramm bis zum Ende des Haushaltsjahres um über 5 Milliarden Mark und bis zum Ende des Wirtschafts jahres um über 10 Milliarden Mark erhöhen. (Hört! Hört! rechts) Selbst wenn man den ganz unwahrscheinlichen Fall annimmt, daß man die 1 Million Tonnen Getreide aus dem Inlande beschaffen kõnnte und lediglich Roggen kaufen würde, und daß sich die Anfang November für Roggen gezahlten Preise von rund 6000 4. für die Tonne nicht steigern würden, so würden doch bis zum Ende des Saushalts jahres ? Milliarden Mark und bis zum Ende des Wirt⸗ schaftsjahres 3. Milliarden Mark an Verbilligungskosten aufgewandt werden müssen. Solche Mittel aufzuwenden, verbietet die Finanz⸗ lage des Reiches, ganz abgesehen davon, daß auch allgemeine finanz⸗ und wirtschaftspolitische Erwägungen zu einem Abbau der Verbilligungsaktion drängen.

Die Antragsteller scheinen dies selbst erkannt zu haben, da sie nachtrãglich einen Antrag auf Abänderung des Getreideverkehrs⸗ gesetzes dahin eingebracht haben, daß die in dem Gesetz über die der Landwirtschaft auferlegten Umlage vorgesehenen Menge von 2,5 Millionen Tonnen auf 3,5 Millionen Tonnen erhöht werden solle. Auch von verschiedenen anderen Seiten ist vorgeschlagen worden, den Mehrbedarf an Getreide durch Umlage zu beschaffen. In diesem Falle würden die Anschaffungskosten durch den bisherigen Abgabepreis der Reichsgetreidestelle gedeckt, mithin weitere Verbilligungszuschüsse nicht erforderlich werden.

Der Gedanke einer solchen Erhöhung der Umlage erscheint aber bei näherer Prüfung undurchführbar. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum) In dieser Hinsicht darf ich daran erinnern, wie bei der Beratung des Gesetzes über die Getreidewirtschaft im laufenden Wirt⸗ schaftsjahre erst nach langen Kämpfen eine Einigung über die höhere Umlage erzielt worden ist. Die außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich inzwischen aus der Untewerteilung der Umlage ergeben haben, haben erneut bewiesen, daß mit den 255 Millionen Tonnen die äußerste Grenze dessen erreicht ist, was nach Lage der Verhältnisse im

Umlageverfahren aufgebracht werden kann. (Hört! Hört! rechts und

in der Mitte.) Bei Erlaß des Gesetzes ist im übrigen klar zum Aus—= druck gekommen, daß über die Umlage hinaus eine zwangsweise Ab⸗ lieferung von Getreide von der einheimischen Landwirischaft nicht ge⸗ fordert werden soll. Die mit dem Gesetz eingeschlagene Politik hat sich bisher bewährt. Nach dem Gesetz waren bis zum 15. Oktober b25 000 Tonnen, bis zum 15. Dezember 1 250 0090 Tonnen abzu⸗ liefern. Die tatsächlichen Ablieferungen auf die Umlage haben einen sehr erfreulichen Umfang erreicht und das Oktobersoll schon weit über⸗ schritten. Sie belaufen sich jetzt eiwa auf die Hälfte der Umlage, die erst am 15. Dezember d. J. fällig ist. (Hört: Hört rechts Die landwirtschaftlichen Körperschaften und Organisationen haben sich fast überall für eine möglichst schnelle Ablieferung des Umlagegetreides in anerkennenswerter Weise eingesetzt. Die Voraussetzungen für das Aufkommen der Umlage würden auf das äußerste gefährdet werden, wenn man den Versuch machen wollte, nachträglich die Umlage zu er⸗ höhen. Die Beteiligten würden darin nicht mit Unrecht einen Bruch

Zusicherungen sehen, die ihnen bei Beginn des Wirtschafts jah res gemacht worden sind. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte) Auch muß nach Lage der Verhälinisse eine glatte Unterverteilung einer etwaigen Mehrbelastung als eine Unmöglichkeit bezeichnet werden, Ich sehe hiernach keinen Weg, auf dem dem Antrag der Frau Agnes ent⸗ sprochen werden konnte und möchte schließlich auch noch darauf hin⸗ weisen, daß die Mehlration von 200 Gramm, die gegenwärtig zu dem verbilligten Preise zur Ausgabe gebracht wird, genau so groß ist, wie die Ration, die das ganze vorige Wirtschaftejahr hindurch zur Ausgabe gelangt ist.

Noch ein kurzes Schlußwort zu dem Antrage Müller (Franken) auf eine an dere Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Reichsgetreide⸗ stelle. Ich darf dazu darauf hinweisen, daß bereits jetzt eine aus⸗ reichende Vertretung der Verbraucherschaft im Aufsichts rat der Reichs⸗ getreidestelle gegeben ist, und zwar 165, darunter 7 Mitglieder der Städte und 6 Arbeitnehmer, und daß aus diesem Grunde und im Hinblick auf den ganzen großen Apparat eine Erweiterung des Auf⸗ sichtsrats an sich unerwünscht ist, da er den ganzen Apparat kost⸗ spieliger und komplizierter gestaltet. Je größer der Apparat, um so teurer und unübersichtlicher ist die ganze Abwicklung der Geschäfte. Sehr richtig! rechts) So sehr ich wünschen möchte, eine Vermehrung nicht eintreten zu lassen, so möchte ich doch vom Standpunkt des Er⸗ nährungsministeriums aus besondere grundsätzliche Bedenken gegen die Annahme des Antrages nichts geltend machen. (Bravo rechts und im Zentrum.)

Abg. Remmele (Komm.): Die bisherige Debatte hat zweifellos ergeben, daß wir vor einem völligen Zusammenbruch unserer Ernährungspolitik stehen. Darüber sind wir uns alle einig; der Streit geht nur um die Frage: Wer ist schuld an der Ernährungskatastrophe? Darüber scheinen sich auch die beiden kleinbürgerlichen Parteien unserer Regierungskoalition nicht ganz einig zu sein. Die Sozialdemokratie läßt durch den Abg. 8 eine geharnischte Kriegserklärung an die Junker er ehen, denen sie Mammonismus und Habsucht vorwirft; aber dieselbe Sozial⸗ demokratie sitzt in der . die als Landwirtschaftsminister einen sehr nahen Verwandten dieser wn, estellt hat. Das Zentrum ließ durch seinen Vertreter, Herrn 3 eine Buß⸗ predigt an die Gandwirte halten. , kann man wohl sagen, 6 beide Parteien darin einig find, daß nur die Zwangswirtschaft uns aus der gegenwärtigen Situatlon retten ann. Ist dem aber so, dann hat Herr Hermes zurückzutreten, denn er vertritt geradezu den entgegengesetzten Stanbpunkt. Daß Herr Hermes zu gleicher Zeit auch noch das ', me,, . übernommen hat, ist eine ganz logische Entwicklung der Dinge;

als Ernährungsminister Bankerott gemacht hat, wohl als der geeignete Minister angesehen, Banlerott des Reiches

nachdem er wird er um auch den

durchzuführen.

X

Herr Hermes hat der Linken vorgeworfen, ste arbeite nur Phrasen und Schlagworten. Demgegenüber muß ich sagen: sein⸗ Rede vom Freitag war nichts weiter als eine Sammlung von Phrasen und Schlagworten, Herr Hermes sprach davon, daß wi unsere Getreidepreise den Westmarktpreisen anpassen müssen. Will er dementsprechend auch die Gehälter und Löhne den Weltmartt= gehältern und löhnen anhassen? Ich bin überzeugt, wenn unser. Arbeiter mit einer solchen Forderung kämen, würde er keine ander. Antwort haben, als sie mit blguen Bohnen zu füttern. Früher wurden bei uns die polnischen Arbeiter mit Recht als Lohndrücker angesehen: heute sind die deutschen Arheiter, in Industrie sowohl wie in Landwirtschaft, solche Lohndrücker, denn ihr Lohn ist der niedrigste der ganzen Welt; in der Textil industrie z. B. bleibt er sogar noch hinter dem der japanischen Kulis zurück Herr Hermes hat gesagt, der Kartoffelpreis wäre durch sein Ministerium im Einverständnis mit den , auf 590 M festge etzt worden. Was hat denn eine solche Festsetzung für einen Zweck, wenn die Landwirte dafür nicht liefern? Oder hat man mit einer solchen Fesistellung nur den Wucher feststellen wollen, der mit den Kar⸗ toffeln getrieben wird? (Sehr gut! bei den Kommunisten.) Wollt man wirklich den Kartoffelwucher bestrafen, dann müßte man asse unsere Gefängnisse und Zuchthäuser leermachen, um die Rar, toffelwucherer überhaupt unterbringen zu können. Der Streit Dreht sich, heute um die Frage: Zwangswirtschaft oder freie Wir,. schaft. Aber was man hier im allgemeinen unter Zwangswirtscheft versteht, und was man im Kriege als solche ausgegeben hat, das war weder ein Zwang, noch eine Wirtschaft. Sehr 64 bei den Lommunisten) Diese Ziwangswirtschaft beschränkte sich lediglich au die Feststellung der Preise, während sie auf jeden Eingriff in die Wirtschaft selbst vollkommen verzichtet und außerdem auch nur ein— zelne Produktionszweige in die Preisfestsetzung einbezog. Eine wirkliche 3 hätte nicht nur die Landwixtschaft, son. dern auch alle Industriezweige, die mit ihr zusammen hängen, um fassen müssen. Ebenso berlogen wie das Wort von, der zwang, wirtschaft ist das von der freien Wirtschaft. Was Sie snach ref darunter verstehen, . ,, e, ö. de n nn ö.. zahlungsfähig sind, ausgebeutet werden sollen, währen dis an— . 1 gehen kuf. Ihre „freie Wirtschaft bedeutet nichts weiter als die K und den Untergang des ganzen Volles. Zuruf rechts: Wie in . Es wird nicht lange dauern, dann wird 23 wie für 5 J. fe fen , Hilfsaktion nötig sein. Im übrigen weiß das russische Volk, daß nicht i . der Not schuld ist, sondern unabwendbare ,,, wie sie in Rußland sich in re elmäßigen Zwischen= räumen einzustellen pflegen, und deshalb ist Ihre Hoffnung auf den Sturz der Sowjetregierung hinfällig. Was die graf des iefe⸗ rungsstreiks anlangt, so liegt mir hier ein vertrau iches Rund

reiben des e e en eff he Landbundes vor, in dem als re min gegen die näuen Steuern ein Lieferungsstreik in Aussicht genommen und in dem auch schon genause Anweisungen für seine Durchführung gegeben werden. Was hat un ere llein⸗ bürgerliche Regierung zur Abwehr, dieser June heraus fo rdernm getan? Wenn von seiten der Arbeiter derartige Pläne propagiert würden, so säßen diese Arbeiter schon längst. hinter Schloß und Riegel, hier aber sieht man dem volksfseindlichen Treiben dieser Junker mit verschränkten Armen zu. Das kann im Staat der Wucherer und Ausbeuter nicht wundernehmen. Diese Sabotage der Großagrarier hat natürlich Einfluß auf die Produltion; wir haben einen Rückgang der Produktion an Getreide und ,,

ein Dri 1d nahezu die Hälfte gegen den Ernteertrag bon um ein Drittel und nahez ö

und . . . das Reich. Das Volk wird sich schließlic g di rungen 5 die man ihm heute noch verweigert.

i Kommunisten.) K ö , bei *. e ich (komm. Arbeitsgemeinschaft): Ne nn, schaft ist in Wahrheit gar keine solche gewesen. Das ö die landwirtschaftlichken Arheiter auf den großen Gütern ö. 1 Kontroll- und Mitbestimmungsrecht haben müssen, um dee 2 tage der Großgrundbesitzer zu vereiteln. Wir wissen gang geen daß. Kartoffein nach dem Auslande verschoben werden.! 4 ö. schläge der Unabhängigen gehen nicht weit genug. Wegen 2 wird kein Richter die Agrarier, seine Klassengengssen, en,,

Abg. Bachmeier (Bayer. Bauernbund): Man . ni her Landwirtschaft einseitig für die Notlage verantwortli , Die Ansicht der Mehrheitssozialdemokratie, Daß die gien mm, schaft ein Allheilmittel sei, ist unrichtig. Wir 4 e. jahrelang unter der Zwangswirtschaft gelitten. An n hir Preisen ist nicht der Landwirt, sondern der wilde . i. ö Niemand kal erwartet, daß das Brot des Armen, die 3 i je solche Preise erreichen würden. Wir können ,, 9. überwiegende Teil der Landwirte das Gebaren e,, , . sich einzefne Landwirte zuschulden kommen lassen. Im 9 3 it die Milchwirtschaft n n n , ö erlich

en, erst allmählich hebt sie sich wi . 3 8 , Sache des Vaterlandes ,, im Vertrauen zusammenzugrbeiten, um auch vor dem . . bestehen zu können. Den Antrag, betreffend ,, . 6 Kartoffeln, werden wir ablehnen, stimmen aber . J e 3. des Konzessionszwanges auch für den , zu. . Debatten find hier nutzlos, wenn nicht die Produttion g wird. Dazu nere, 6 Landwirte alles tun, Kräften steht. (Beifall.

Abg. Krüger-Hoppenrade D- Nat): Wir sind un ö. bewußt, daß eine tiefgreifende Aenderung der gegen hi . schwierigen Ernährungsverhältnisse eintreten muß, 8 uns die von links angeführten Gründe für die jetzigen Sch 6 leiten nicht sämtlich zu eigen machen können, Der een , Remmele scheint die Besserung von einer Einführung 2 kommunistischen Wirtschaft zu erwarten. Er will also 9 ů6 leidenden Steine statt Brot bieten. In einer ganzen Anza fa. Kreisen ist das Markenbrot erheblich billiger als in Berlin. 94 die Reichsgetreidestelle Nehl mit 165 pro Zentner an die an Berlin, diese wieder den Zentner mit 180 M an den Gwoßhä

und dieser mit 135 A an den Bäcker abgibt, so darf diese 3

teuexung nicht dem Produzenten zur Last gelegt werden. uf r g der Zwangswirtschaft hat in vieler Beziehung ö, gebracht, auch an den teuren Fleischpreisen in den Großstädten . die Landwirte unichuldig. Die Verteuerung erfolgt auch hier . dem Wege vom Händler zum Verbraucher. Die Anbaufläche . Kartoffeln hat sich nicht nur nicht verringert, sondern sie ist u

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage) ö ö

über

was in unseren

Nol⸗

zm Dentschen Reichsanzeiger und

Nr. 27.

Sweite Beilage

Berlin, Freitag, den 18. November

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Breu ßtichen Staats anzeiger

1521

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3. k (Fortsetzung in der Zweiten Beilage)

2'h ob Hektar gestiegen. Die Landwirte haben sich nach Freigabe der Kartoffeln nach räften bemüht, eine möglichst gute Ernte zu erzielen. r die Ernte ist von vielen anderen Faktoren aßb— hängig, an denen auch der beste Wille unter Umständen scheitern lann und muß. Erhebliche Mengen von Kartoffeln sind waggon⸗ weise zum Preise von 46, 47 AM abgegeben worden. Dann aber lamen die Scharen der Aufkäufer der Großindustrie und der Verbraucher und überschwemmten die Ueberschußgebiete und trieben die Preise ganz naturgemäß hoch. Aus den mit der Eisen⸗ bahn beförderten Kartoffelmengen 9e hervor, daß von einem o großen Mangel, wie er immer geschildert wird, nicht die Rede ein kann, Es waren zum mindesten genügend Kartoffeln im Lande. Es fragt sich nun, wo diese abgeroflten Kartoffeln ge⸗ blieben sind. Festgestellt worden ist in einem Falle, daß 11009 Zentner über die Westgrenze gegangen sind, un zwar auf Grund einer Ausfuhrerlaubnis der alliierten Ausfuhrämter in Ems. Es fragt. sich auch, die nach den besetzten Gebieten gesandten Kartoffeln auch im Rheinlande geblieben find. Pei dem Valutaunterschied sind Verkäufe in das Ausland erklärlich; die Holländer kaufen z. B. den , . Kartoffeln für eine Mark. Auch die kolossal gestiegenen Eisenbahnfrachten verteuern die Kar— toffeln, und nicht zuletzt ist die Verteuerung durch die Geld⸗ entwertung eingetreten. Die Landwirte betrachten die Dinge durchaus ohjektiß, das beweisen auch einwandfreie Zeugen; der „Vorwärts“ stellte z. B. am 24. August ki. daß die Fleischpreise diel stärker gestiegen seien als die Viehpreise, also der Handel den Gewinn gehabt hat. Auf diese unnatürliche Spannung zwischen den Vieh⸗ und i ,. haben auch die preußischen Minister des Innern un . Ernährung hingewiesen, und endlich haben die Unabhängigen selbst am 22. September an den Magistrat von Berlin eine Anfrage wegen der im Verhältnis zu den Viehpreisen viel . gestiegenen ö im Kleinhandel gerichtet. Die ‚Vossische Zeitung. hat. auf Die Devisen pekulationen durch russische, polnische und galizische Spekulanten hingewiesen. (Hört, hört! rechts) Ebenso hat das „Berliner Tageblatt“ darauf hin⸗ gewiesen, wie Leute aus dem Osten oder sogar aus der Grenadier⸗ traße, die man bekanntlich die jüdische Schweiz nennt, sich in den Devisenhandel an der Börse eingedrängt haben. Alle Bedarf⸗ artikel der Landwirtschaft sind im Preise koloffal gestiegen, die Kleie z. B. für die Viehfütterung von 4,50 Æ auf 200 Æ, eine Nähmaschine, die im Frieden 50 M kostete, kostet jetzt über 13 0h9 4. Wie kann man da behaupten, daß Landwirte böswillig die Preise hochtrieben? Von solchen Landwirten, die Wucher treiben, sagen wir uns los. Wir haben mit Erfolg die Landwirte aufgeklärt und aufgefordert, opferwillig alles herzugeben. So hat der Landbund in verschiedenen Provinzen den Zentner Kartoffeln für 25 bis 390 M abgegeben, also geradezu verschenkt. Widerspruch int. Ich beweise Ihnen das, und verlange, daß Sie es anerkennen. , links) Im Freistcat Sachsen ist allerdings die Aktion der andwirte von der Regierung durch Beschlagnahme der Kartoffeln ber einträchtigt worden. Auch in Hannover, in Bayern und sonst sind Kartoffeln billig abgegeben worden. Mit Kritik ändert man asler⸗ dings die Dinge nicht, wir wollen praktische Vorschläge zur Ver⸗ besserung machen. An Rußland können wir uns natürlich kein Beispiel nehmen. Zunächst müssen wir den wilden Handel in . beseitigen; in dem Antrag der Bayerischen Volkspartei

ie Konzessionierung des Kartoffelhandels vermisse ich aller⸗ dings die Sicherung des alten ehrlichen Handels, und in dieser binsicht muß der Antrag verbessert werden. Ferner muß jede Ausfuhr unterlassen und durch scharfe Ueberwachung verhindert werden, die Wagengestellung muß verbessert werden, die Ver⸗ bindung zwischen den Erzeugern und Verbrauchern muß erleichtert werden. Oft konnten die landwirtschaftlichen Genossenschaften nicht an die Verbraucher herankommen. Als im Kreise Guben die Landwirtschaftliche Genossenschaft die Kartoffeln mit 40 anbot, wurden sie ihr nicht abgenommen. Wenn die Kommunisten uns nach russischem Muster mit Gewalt drohen, so lassen wir uns das nick gefaslsn, wir werden den Gewalttätigkeiten rechtzeitig zu be⸗ gegnen wissen, wir denken nicht daran, uns von den Kommunisten überlaufen zu lassen. (Unruhe links.) Der Weizen der Kommu⸗ nisten blüht allerdings nur auf dem Boden der Unzufriedenheit, aber niemals in einem geordneten Land; nur ein Staatswesen, das am Boden liegt, kann solchen Kommunismus hahen. Durch die ewigen Parteisfreitigkeiten bessern wir nichts,. (Widerspruch f der Linken; Gegenrufe rechts.) Die wirtschaftlichen Ver—

hältnisse der Arbeiterschaft waren unzweifelhaft vor dem Kriege

besser als jetzt. (Sehr richtig! rechts; Unruhe und Zwischenrufe auf der äußersten Linken; Glocke des Präsidenten.) Wenn Sie kr Linken; der Landwirtschaft immer wieder längst widerlegte orwürfe machen. so ereichen Sie damit nit does Kieri= e. Venn unser Volk nicht dazu kommt, daß es sich eine solche Be⸗ handlung seiner wichtigsten Lebensinteressen verbittet. 2 in mmen wir nicht aus der Not verans Nur derb Ceme we Arbeit können wir zu einer besseren Zukunft gelangen. Wenn die politischen Parteien, die jetzt im Reichstag vertreten find, nimh u dieser Erkenntnis kommen, dann wird boffentlich das deutsche Volk dies einsehen. Sie (zur Linken) werden dann sehr schlecht abschneiden, Sie werden ch r e r, ablegen müssen über die Ver⸗ hetzung, die Sie getrieben haben. Wir sehen dem Urteil des Volles . entgegen. (Lebhafter Beifall rechts; Zwischen⸗

tufe links.

Abg. Fran Schuch (Soz): Der Vorredner hat uns borgeworfen, wir kämen immer dann mit Anklagen, wenn wir nicht weiter wüßten. (Sehr richtig! rechts) Wir werden aher immmer in den Vordergrund rücken, daß Sie zur Rechten) die eigentlich Schuldigen an dieser Not sind. Die usführungen der lezten Redner könnten den Anschein erwecken, als ob 'es sich hier nicht um die Not des Volkes, sondern um die Not der Landwittschaft sondelt. Wie diese Not der Landwirtschaft beschaffen ist, geht aus lusführungen in einem landwirtschaftlichen Blatte hervor, wo u. a. Fagt wird, daß die Sicht nach Turus die Landwirte wie einc

Krankheit ergriffen habe.

bringen, bas sie aug der Roß des Volkes gewonnen hahen. con im August und September ist der Reichsernãhrungsminister uf die Folgen hingewiefen worden, die sich aus einem Versagen der artoffelbelieferung ergeben müßten. Die Art, in der der Reichs⸗ etnzhrungsminister am Freitag über die wirtschaftliche Not des

olles sprach, war so, daß wir einen derartigen Ton in diesem

usammenhang nicht mehr zu hören wünfchen. (Sehr richtig! re ür . a. auch darauf hingewiesen, daß

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it die Gegenfrage gestattet: Sind denn auch die Gehälter und Wähng in nur annäherndem Verhältnis gestiegen, wie die Kaufkraft der Mark gesunken ist? Das ist nicht der Fall. die bestbezahlte Atbeiterfategorie erhalt etwa Soͤh . pro Woche. Vie Folg der hirtschaftlichen Not der breiten Masse ist die, daß die Arbeiter Ueberstunden leisten, und daß fie stalt 8 Stunden kg Stunden zu arbeiten sich gezwungenermaßen bereit erklären. Die Folge hier⸗ . ist eine neue Erbitterung und Zerklüftung der

iterschaft. gerade die Gefahr der Durchbrechung des Awtstzindentages ab⸗

len müssen, indem wir für eine Entlohnung sorgen, die den

eestiegenen Lebens mittelpreisen einigermaßen entspricht. Davon,

Die Landwirte, besonders die Groß⸗ grundbesitzer, kaufen alles Mögliche auf, um nur das Geld unter⸗

Den Herren von links möchte ich sagen, daß wir

daß die Landwirtschaft etwa freiwillig Lohnzulagen mit Rücksicht auf die Preissteigerungen gemacht hat, hat man nicht das Genngste gehört. Die Einmietung der Kartoffeln ist durchaus nicht allein zu dem Zweck geschehen, um im Frühjahr Vorräte zu haben, sondern man spekuliert auf höhere Preise. Vielfach sind die Lieferungs⸗ verträg« nicht gehalten worden, nicht ein einziger Zentner wurde geliefert. Man ließ die Leute hungern und ' stellte sich auf den Standpunkt: Ihr könnt uns ja verklagen. Die Bewucherung der Arbeiter wird sich schwer rächen, das arbeitende Volk kann das nicht länger dulden. Leider gibt es noch viele Leute, die sich an der Not des Volkes bereichern. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Damit sind die Interpellationen erledigt.

Eingegangen ist ein Antrag Bartz (Komm):

Die Erklärungen des Reichsministers Dr. Hermes zu den vorliegenden Interpellationen entsprechen nicht den Anschauungen des Reichstags. Der Reichstag mißbilligt das Verhalten des Dr. Hermes.

Dieser Antrag findet zwar die notwendige Unterstützung von 20 Abgeordneten bei den Unabhängigen Soz, und den Kommunisten, wird aber dann gegen die Stimmen der beiden kommunistischen Parteien und der Unabhängigen Soz. abgelehnt.

Die Anträge zu den Ernährungsfragen werden dem Volkswirtschaftsausschuß überwiesen.

Vizepräsident Dr. Be]! schlägt nunmehr vor, die nächste Sitzung auf Freitag, 1 Uhr, anzuberaumen mit der Tages⸗ ordnung: Anfragen; Gesetzentwurf über den Weltpostvereins— vertrag; Gesetzentwurf, betreffend Notstandsmaßnahmen für Rentenempfänger aus der Invalidenversicherung; Inter⸗ pellation, betreffend das Verbot der Landung russischer Schiffe im Stettiner Hafen; Bericht des Rechtsausschusses über die Anträge, betreffend Aufhebung der Ausnahmeverord= nungen.

Abg. Koenen (Komm.) beantragt zur Geschäftsordnung, auch den Amnestieantrag seiner Partei mit auf die Tagesordnung zu r, Zur Begründung seines Antrags führt er aus: Seit Sonnabend sind politische Gefangene im Hungerstreik. Alle diese Männer, die vorher unbestraft waren, sind nur wegen politischer Vergehen eingesperrt worden. Es ist unbedingt notwendig, morgen die ö zu behandeln. Die Familien der Gefangenen, unschuldige Frauen und Kinder dürfen nicht dem Hunger und dem Elend preisgegeben werden.

Abg. Ledebour (U. Soz) bittet, dem Antrag Koenen statt⸗ zugeben. Es handle sich ja heute gar nicht um eine . Entscheidung, ß nur um die Möglichkeit, morgen über das Schicksal von Männern zu sprechen, die aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen.

Abg. Marx (Zentr.): Der Amnestieantrag ist von der Kom— mission abgelehnt worden, er wird wohl auch hier zur Ablehnung kommen, weil burch die Form die Möglichteit ber Annäahn dre, gi hen ist, Es handelt sich hier nur um eine Demonstration. Der Aeltestenrat hat heute eine Reihe eiliger Dinge für morgen auf die Tagesordnung gesetzt. Herr Koenen hätte mit seinem Antrag schon im Aeltestenausschuß kommen sollen; er hat nur gefragt, ob der Amnestieantrag mit den Anträgen auf Aufhebung der Ver⸗ ordnungen des Reichspräsidenten zusammen beraten werden werde.

Das ist verneint worden und ihm gesagt worden, darüber 3 ein besonderer Kommissionsbericht erstattet. Darauf hat Herr Koenen gar nichts mehr geäußert. Nachdem wir uns im Aeltestenrat über die Tagesordnung geeinigt haben, sehen wir uns nicht ver⸗ anlaßt, zumal wir keinen Nutzen von der Debatte erwarten, diese Dinge noch auf die Tagesordnung zu setzen.

Abg. Lede bour (U. Soz.): Der Vorfall mit dem Hunger⸗ streik ist uns erst nach der Sitzung des Aeltestenrats zur Kenntnis gekommen. (Bewegung rechts.) Das ist eine Tatsache, die Sie (rechts) nicht zu begrinsen brauchen; Sie zeigen nur den Mangel an menschlichem Gefühl.

Abg. Koenen (Komm.): Wir haben unsern Antrag gestellt, um dem Reichstag die Gelegenheit zu geben, den Opfern der Klassenjustiz zu helfen. Die praktische Möglichkeit dazu ist gegeben, wenn dem Amnestieantrage eine Form gegeben wird, die die Frei⸗ lassung ermöglicht. Die zugesagte Nachprüfung der Urteile der Ausnahmegerichte, die bis zum 1. April erfolgen soll, hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt können zahl— reiche Opfer der Justiz zugrunde gegangen sein. Es scheint aber, daß Sie dies wollen.

Der Antrag Koenen wird gegen die Stimmen der sozialistischen Parteien abgelehnt.

Abg. Mumm (D. Nat) beantragt, auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung die erste Lesung des Schulgesetzes zu setzen. Der Gesetzentwurf sei bereits am 22. April 1951 dem Reichstag zu⸗ gegangen, so daf also. 7 Monate verstrichen seien, ohne daß die erste Beratung stattgefunden habe.

Der Antrag Mumm wird gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei abgelehnt. Es bleibt bei der vom Vizepräsidenten vorgeschlagenen Tages⸗ ordnung.

Schluß nach 753 Uhr.

Preußischer Landtag.

66. Sitzung vom 17. November 1921, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Nachdem eine große Reihe vom Eingaben aus Beamten— kreisen zur Ortsklasseneinteilung ohne Erörterung dem Staats— ministerium als Material überwiesen worden sind, wird die Vorlage wegen Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Belzig und Treuenbrietzen in allen drei Lesungen gleich⸗

falls ohne Debatte erledigt und unverändert angenommen. ir ersten Lesung steht sodann der Gesetzentwurf über die Aenderung der Gesetze, betreffend die Ablösung von Reallasten.

Der Entwurf will folgende, mit dem Tage der Verkündung des Gesetzes in Kraft tretende Bestimmung treffen:

„Bis zum Erlaß eines Gesetzes, durch das die in den Gesetzen über die Ablösung von Reallasten getroffenen Vorschriften über die Ermittlung des der Ablöfsung zugrunde zu legenden Jahreswertes anderweit geregelt werden. können Reallaflen nur abgelöft werden, wenn zwischen den Berechtigten und den Verpflichteien äber die Höhe 3. . zugrunde zu legenden Jahreswertes Einverständnis

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. ) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlautz wiedergegeben sind.

Der Entwurf trägt den Charakter eines Sperrgesetzes und will für den ganzen Staat eine Einheitlichkeit herbeisühren. Das Necht, auf AÄblösung anzutra en, soll nicht beschränkt werden, es soll aber verhütet werden, daß die Beteiligten gezwungen sind, zu Sätzen abzulösen, die den heutigen Werten nicht ent⸗ sprechen.

Abg. Müller⸗Hameln (Soz): Die Reallasten tagen als ein Stück Vergangenheit wie eine alte Ruine in die Gegenwart hinein und entsprechen dem modernen Geist nicht mehr. Man soll sie sobald wie möglich beseitigen. Daz ist unser grundsätzlicher Standpunkt. Im gegenwärtigen Moment aber, wo die Äblösung durch die Verpflichtelen unter Umständen angesichts der Umwertung? alser Werte, der Ent⸗ wertung der Mark für die Berechtigten Uungeheueren Schaden zur Folge haben könnte, sind wir dagegen. Wir begrüßen die Vor⸗ lage, halten sie aber für erweiterungsbedärftig und werden chent. in der zweiten Lesung eine Aenderung dahin beantragen, daß die Ab- lösung von Reallasten verboten wird, bis die Ablösung des Real— gemeindevermögens durchgeführt ist. Wenn die Besitzenden ihrer Verpflichtungen ledig werden sollen, müssen auch gleichzeitig ihre bezüglichen Vorrechte aufhören. Mit dem „Einverständnis“ ist nicht viel gewonnen; man weiß ja, wie leicht, namentlich in kleinen Orten und auf dem platten Lande, durch Vetternschaften u. dergl. eine folche Vorschrift umgangen werden kann.

Die Vorlage wird an den Rechtsausschuß überwiesen, ebenso ein Gesetzentwurf, betreffend Ergänzung der Verordnung über die Zwangsauflösung der Familiengüter und Hausvermigen vom 19. November 1926, der Familiengüterverordnung in der Fassung vom 30. Dezember 1520 und des Gesetzes über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen vom 23. Juni 1925.

Es folgt die erste Beratung eines Ges etzentwurfs, betreffend die Einfühung der Grundsätze der Ver— hältniswahl für die Wahl der Vertrauens männer des Ausschusses zur Wahl der Schöffen und Ge— schworenen

Abg. Dr. Ro senfeld (Soz) wünscht nicht, daß in die Wahl der Laienrichter politische Gegensãtze hineingetragen werden, das würde für die Rechtsprechung zu unerhörten Mißständen führen. Anderer⸗ seits seien Vorkehrungen zu treffen, um 'eine ordnungsmäßige Zu⸗ sammensetzung des Richterkollegiums zu gewährleisten, und das fei nur durch die Verhältniswahl möglich. Redner befürwortet die Ver⸗ weisung der Vorlage an den Ausschuß für Rechtswesen.

Das . beschließt entsprechend.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über den Sitz des Landes kulturamts für die Provinz Sch leswig-Holstein.

bg. Brecour (Soz.): Bei der Auswahl des Sitzes des Landeskulturamts Schleswig Holstein muß man darauf Bedacht nehmen, daß. Kiel namentlich durch den Zusammenbruch unserer Marine notleidend geworden ist, auch in anderer Hinsicht ist ein niet Amt in Kiel besser zu organisieren als in Schleswig, wohin dieses Landes kulturamt nach der Vorlage gelegt werden soll. Auch die Eisenbahnverbindungen sind nach Schleswig mangelhaft, so daß den— jenigen, die mit diesem Amt zu tun haben werden, große Kosten und Zeitaufwendungen zugemutet werden würden. Kiel dagegen ist bereits der Sitz der verschiedensten Aemter, die mit dem Landeskulturamt zu tun haben werden. Würde Schleswig gewählt werden, fo müßten auch sonstige Provinzialanstalten dorthin verlegt werden. Redner be⸗ antragt Ueberweisung. der Vorlage an den Hauptausschuß.

Abg. Dr. Leidig (Dp): Schleswig ist die alte Nesidenz des Landes und wird von den Dänen als Mittelpunkt des Landes be— trachtet. Nachdem in letzter Zeit eine Reihe von Behörden Schles⸗ wig genommen worden sind, muß man die ser Stadt eine neue Unter—⸗ stützung zuteil werden laffen. Schleswig wurde früher es liegt schon etwas lange zurück —, vor 2660 Jahren, das Hamburg des Nordens genannt. Wir dürfen Dänemark gegenüber keine Schwäche zeigen, indem wir eine Behörde nach der andern aus der Nordmark wegnehmen. Dieses Land ist deutsch und muß deutsch bleiben, unter⸗ stüzen wir wenigstens das Deutschtum durch diese kleine Maßnahme.

Abg. Hoff (Dem.): Kiel ist geeigneter als Schleswig. Will man konsequent sein, dann muß man das Landeskulfüramt nicht nach Schleswig, sondern in das noch gefährdetere Flensburg legen.

Abg. Dr. Dryander (Dnat.): Wir sind bereit, die schweren Ausfälle der Stadt Kiel auszugleichen, die sie durch den Ausfall rer Kriegshafens erlitten hat. Sache der Reichsregierung ist es aller? dings, die Eisenbahnverbindung nach Schleswig erheblich zu ver— bessern. In Schleswig-Holstein liegen noch große Flächen, die urbar zu machen sind, und das gerade ist die Aufgahe des Landeskulturamts. Aus dänischen Zeitungen geht hervor, daß südlich der Grenze eine große Propaganda getrieben wird. Gerade durch Fördernng des Siedelungs⸗ und Meliorationswesens können wir dem entgegenarbeiten. Ich 6 deshalb dringend, als Sitz dieses neuen Amies Schleswig zu wählen.

Abg. Schmedding (8) spricht sich auch für Ausschußberatung aus, hält aber den Landmirtschaftlichen Ausschuß für geeigneter als den Hauntausschuß. Nach seiner Meinung schienen die gewichtigeren Gründe für Schleswig zu sprechen.

Um 4 Uhr wird die Verhandlung unterbrochen und zur Abstimmung über die Anträge zur Vertrauensfrage für das neue Kabinett geschritten.

In namentlicher Abstimmung wird der von den vier Koalitionsparteien gestellte Antrag: „Der Landtag billigt die Erklärung der Regierung und spricht ihr das Vertrauen aus“ mit 198 gegen 99 Stimmen angenommen. Damit erledigen sich die von den Deutschnationalen und gemeinsam von den Unabhängigen Sozialisten und Kommunisten beantragten Miß⸗ trauens voten. ;

In der Fortsetzung der ersten Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Errichtung eines Landes⸗ kulturamts für Schles wig-Holste in, tritt

Abg. Brecour (Soz.) dem Abg. Dr. Leidig entgegen. Abg. Jürgen sen (U. Soz.) erklärt sich namens seiner Fraktion für Kiel als Sitz des Landeskulturamts.

Mit den Stimmen der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei und des Zentrums, wird die Vorlage an den Land! wirtschaftsausschuß überwiesen.

Die Novelle zum Gesetz, betreffend die Be steue⸗ rung des Hausierbetriebs, wird ohne Erörterung dem Ausschuß für Handel und Gewerbe überwlesen.

In der ersten Beratung der Vorlage wegen Ueber— tragung der Steuerverwaltung der jüdischen Syna⸗ gogengemeinden auf die Reichsfinanzbehörden findet eine Erörterung nicht statt.

ö gleicher Weise wird ein Gese entwurf über die Erhöhung der Katasterfortschreibungsgebühren in erster Lesung erledigt.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs zur Aenderung des Feld⸗ und For stpolizeigesetzeg der