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Zuschüsse von den Ländern erhalten. Den Anträgen des Zentrums stimmen wir zu, alle anderen Anträge lehnen wir ab.
Abg. Schwarzer (Bayer. Vp): Auch wir haben volles Verständnis für die Notlage der Sozialrentner. Bei den un⸗ geheuren Anforderungen, die an das Reich gestellt werden, müssen wir uns aber auch hier im Rahmen des Möglichen halten. Des⸗ halb werden leider auch die Ausschußvorschlage der Notlage der Renäner nicht voll gerecht. Ob sich das Bedürftigkeitsprinzip, das jetzt zum ersten Male in die Sozialversicherung eingeführt wird, be⸗ währen wird, läßt sich nicht voraussagen. Tatsache ist, daß schon etzt, in den beteiligten Kreisen ö laut werden. Diese Befürchtungen werden hoffentlich nicht gerechtfertigt werden, da ia den Sozialrentnern selbst die Mitwirkung bei der Prüfung der Bedürftigkeitsfrage zugestanden ift. Den Arbeitsminister bitte ich, die in Betracht kommenden Behörden anzuweisen, bei der Aus= legung und Durchführung des Gesetzes jede Härte und Schikane zu vermeiden. Die Mittel ren. in erster Linie das Reich tragen; die Städte dürfen nur deshalb und insoweit zur Aufbringung herangezogen werden, daß sie an einer möglichst sparsamen Wirt⸗ schaft mit Reichsmitteln interessiert sind. Vielfach werden die Städte aber höchstens 10 * tragen können. Die Länder aber sind nicht in der Lage, irgendeinen Kostenanteil zu übernehmen. Die Anträge der Unabhängigen und Kommunisten, die nur der Agitation dienen, lehnen wir ab. Wir stimmen der Gesetzes⸗ vorlage vorbehaltlos zu und wünschen, daß möglichst bald auch den Rentnern aus der Unfallversicherung und den Kriegs—⸗ beschädigten geholfen wird.
Abg. . Wackhwitz (Komm.) wendet sich gegen den Vor⸗ wurf, daß die kommunistischen Anträge nur Agitationszwecke ver⸗ jolgen. Einen solchen Standpunkt in einer so brenzligen Frage verstehe ich einfach nicht, und ich verstehe es noch weniger, wenn man gegen unsere Forderungen finanzielle Bedenken geltend macht. Wenn Sie (nach rechts; für sich etwas durchsetzen wollen, dann fragen Sie auch nicht danach, ob das Reich in der Lage ist, Ihnen das zu geben, was Sie fordern, oder Sie schlagen 4 mit der Faust auf den Tisch, und mit dieser Taktik sind Sie au bis jetzt immer auf Ihre Kosten gekommen. Aber ich fage Ihnen; wenn Sie unsere Anträge ablehnen, dann können Sie sich darauf verlassen: wir werden uns schon in der allernächsten Zeit erneut mit der Frage befassen müssen, und dann werden Sie doch das bewilligen müssen, was Sie heute ablehnen wollen. (Beifall links.)
Abg. Hoch (Soz.): Wir sind uns alle darin einig: es handelt sich hier un ein Noigesetz, durch das nur das Allerschlimmste und Unerträglichste beseitlgt werden soll, und wir wissen, was hier geleistet werden soll, ist durchaus ungenügend. Um so mehr sollten wir uns darin zusammenfinden, dem Gesetz einen möglichst weiten Geltungskreis zu geben und nicht, wie es der Abg. Thiel getan hat, durch allerhand juristische Spitzfindigkeiten seinen Geltungs⸗ bereich nach Möglichkeit einzuschränken. Das ist dasselbe unglück⸗ selige Bestreben, das von Schaffung der Angestelltenversicherung an darauf , d,. ist, die ö von der Arbeiterschaft zu trennen. (Widerspruch und Zuruf des Abg. Thiel). Sie Gum Abg. Thie) scheinen ir ih gar keine Ahnung zu haben, daß es sich hier um ein . Gesetz handelt, sonst würden Sie mit uns darin übereinstimmen, daß ein solches Gesetz möglichst weit ausgelegt und angewendet werden muß. (Beifall bei den Soz.
Abg. Bachmeier (Bayer. Bauernbund) stimmt dem Gesetz⸗ entwurf zu, bemerkt. aber, daß die Gemeinden kaum neue Lasten tragen können.
Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich mich noch kurz zu einigen Anträgen und Anfragen äußere. Zu dem Antrag Arnstadt und Genossen und ju den Anträgen Bartz und Genossen habe ich mich bereits einleitend ausgesprochen. Der Herr Abgeordnete Karsten hat dann den Antrag auf Drucksache 3009 vertreten. Auch nach diesem Antrage scheidet die Feststellung der Bedürftigkeit für die gesetzgebende Aktion, um die es sich jetzt handelt, aus. Darin kann die Regierung den Antrag stellern nicht folgen. Das Entscheidende in dieser Frage ist die Tat⸗ sache, daß wir jetzt für die Fürsorge öffentliche Mittel in Anspruch nehmen. In dem Augenblick, in dem wir das tun, ganz gleich, wie hoch die Summe ist, entsteht die Pflicht, auch die Bedürftigkeit fest⸗ zustellen.
Dann hat der Hert Abgeordneie Karsten geglaubt, daß die Organisation der Fürsorge doch wohl schwerlich den Aufgaben gewachsen sein würde. Ich habe dazu zu erklären, daß auch die Reichsregierung mit einer völligen Neuorganisation der Fürsorge rechnet. Auch wir sind der Meiming, daß die jetzt vorhandene Organisation der Armenpflege für die Zwecke, um die es sich hier handelt — und es werden ihrer im Laufe der nächsten Zeit wahr⸗
scheinlich noch mehr sein — nicht hinreicht. Auch geht das Empfinden
unseres Volkes dahin, daß diese Dinge nicht auf dem Wege der bis⸗
herigen Armenpflege erledigt werden können. (Sehr wahr! auf der
äußersten Linken.)
Dann hatte der Herr Kollege Karsten noch gemeint, ich hätte doch nur mit „mageren Worten“ die Gesetzesvorlage begründet. Meine Damen und Herren! Ich habe nicht das Bedürfnis gehabt, eine lange Rede zu halten, nachdem der Bericht des Ausschusses über alle zu behandelnden Fragen das nötige Bild schon ausführlich gibt. Ich habe geglaubt, daß das Bedürfnis nach einer längeren Rede auch hier im Hause nicht bestände. (Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Ich glaube sagen zu können, daß das Bild, das das hohe Haus uns diesen Nachmittag geboten hat, ein Beweis dafür ist. (Sehr richtig) Ich glaube auch, daß man draußen im Lande mehrt Wert auf die Tat als auf Worte legt. (Zurufe links.) Sie sagen: Aber wirklich Taten! Sie meinen also, daß die Taten dieses Gesetzes noch nicht genügten. (Sehr wahr! links.) Gemessen bloß an dem Bedürfnis — das wird Ihnen jeder zugeben — genügen sie nicht. Wir haben das auch im Ausschuß oft genug betont; aber ich habe bereits im Ausschuß darauf hingewiesen und tue es jetzt nochmals, daß auch die Renten, die wir zu Friedenszeiten zahlten, keinen vollen Ersatz für Lohn und Verdienst boten. Auch damals sind diese Rentenbezüge nur Beihilfen gewesen und nichts mehr.
Dann noch ein Wort zu dem Antrag 3020, Becker (Arnsberg) und Dr. Becker (Hessen). Dem Punkt 1 dieses Antrages kann die Regierung zustimmen. Zu Punkt 2 muß ich feststellen (Glocke des Präsidenten), daß mit dem Wort Versicherungs unternehmen nicht die Sozialversicherungen des Reiches gemeint sind. Da handeli es sich nicht um Unternehmungen, sondern um öffentliche Einrichtungen.
Dan bin ich genötigt, auf Ausführungen des Herrn Abgeordneten Koch zurückzukommen. Er hat nach meinen Notizen ausgeführt, das Reichsfinanzministerium habe im Ausschuß die Erklärung abgegeben, daß nichtzahlungsfähigen Gemeinden Beihilfen vom Reich gewährt werden sollen. In dieser Fassung, wie der Herr Abgeordnete Koch es auszeführt hat, kann die Aeußerung nicht gefallen sein. (Abg. Bartz: Auch das nicht einmal) Wenn überhaupt eine derartige Erklärung erfolgt ist, Herr Kollege Bartz, ist sie erfolgt unter der Voraussetzung der Drittelung der Kostenaufbringung, wie sie damals in der Regierungsvorlage vorgesehen war. Das Reich kann über die Zahlung von 80 Prozent der Kosten, wie es auch hier im Gesetz vor— gesehen ist, auf keinen Fall hinausgehen.
Ich möchte darguf auf⸗
merksam machen, daß ein Vertreiet des Reichsrates in den Ver⸗ handlungen des Ausschusses, als er von der Belastung der Länder sprach, ausdrücklich erklärt hat, daß die Länder auch jetzt noch eventuell genötigt sein würden, für nicht zahlungsfähige Gemeinden einzutreten.
Dann ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Ausdruck und der Angestelltenversicherung' in g 1 auch auf die in Ersatzkassen ver- sicherten Angestellten Anwendung finde. Ich glaube, der Streit ist ziemlich theoretischer Natur gewesen. Allzuviel Leute, auf die diese Streitfrage Anwendung finden würde, wird es schwerlich geben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich glaube folgendes sagen zu können: Soweit Ersatzkassen reichsgesetzliche Renten zahlen, würden sie unter das Gesetz fallen; wenn es sich aber um Renten aus reiner Privat versicherung handelt, kann das Gesetz meines Erachtens nicht angewandt werden. Ich bin aber der Meinung, daß wir derartige Fragen, soweit es notwendig ist, noch in den Aus— V regeln. (Sehr wahr! bei den Sozialdemo-⸗ raten.)
Abg. Thiel (D. Vp.) erwidert dem Abg. Hoch, daß die An⸗ gehörigen von ö nach dem Wortlaut nicht unter dieses Gesetz fallen könnten. Der preußische Handelsminister habe dagegen triftige Einwendungen erhoben. Aus sozialen Gründen ei dies zu bedauern, es müßten aber andere Wege für die Angehörigen dieser Kassen gefunden werden. Herr Hoch dürfe ihm nicht mangelndes ö. Gefühl vorwerfen. Es komme nicht darauf an, schäblonenhaft für alle dasselbe zu schaffen, sondern jedem das Seine zu geben.
Abg. Adolf Hoffmann (tomm. Arb.-⸗Gem.) wendet sich gegen eine Bemerkung des Abg. Andrä, daß er, Hoffmann, doch iwas von . estohlenen Mitteln hätte abgeben follen. Herr Andrs hat dann allerdings sich verbessert, daß aus den Mitkein, die mir gestohlen sind, etwas hätte abgeben sollen. Mir sind angeblich Brillanten für Hunderttausende gestohlen worden, die ich nie besessen habe. Gelächter und biff n rechts) Ich bin es , von politischen Gassenjungen mit Kot beworfen zu werden. Mir ist nur ein Anzug und ein Ueberzieher gestohlen worden, das andere war nur die neue Wäsche meiner Frau, die ich einige e en zuvor geheiratet hatte. (Große Heiterkeit.) Die verlogene Presse hat aber den Anschein erwecken wollen, als hätte ich Hunderttausende besessen. Was hätte es für Nutzen gebracht, diese Summen zu verteilen, wo hier Milliarden not⸗ wendig ind. .Wenn Sie nicht Milliarden vergeudet hätten, so hätten Sie die Mittel für die Arbeits invaliden. Für die Ab= ien der deutschen Fürsten sind Millionen ausgegeben, Silber⸗ chätze sind nach Holland geschafft worden, 12 Milliarden sind für die Reeder, Millionen und aber Millionen sind für die Reichs⸗ wehr, für die Kirche usw, hingegeben worden aber für die Rot der Arbeiter ist lein Geld da. Diese Heuchelei wird im Volke . . . . 3 Volk ö Elenb gr h und
z werden ihnen nachgeworfen, das ist ei fü das deutsche Bolt. , n. H
Abg. Andrs Zentr. ) Ich habe vorhin in meiner Rede davon gesprochen, daß die Familienangehörigen die Verpflichtung hätten, für ihre Familienangehörigen zu sorgen. Ich habe da wörtlich gesagt: Die moralische Verpflichtung der Familien⸗ angehörigen, für ihre Angehörigen zu sorgen, besteht auch für die heutige Zeit. Da machte der Abg. Hoffmann, dem tatsaͤchlich der Witz — der berühmte Hoffmannsche Witz GHeiterkeitj — gus⸗ gegangen zu sein scheint, den Zuruf: Das hee, Sie Wilhelm erzählen sollen. Ich meine: Jeder Mensch mit gesunden Sinnen muß doch sagen, das ist gar klein h n en n Witz. (Zuruf und allgemeine Diterleit, unter der die nächsten Worte völlig verloren gehen) Im übrigen möchte ich Herrn Hoffmann sagen: Ich freue mich außerordentlich, wenn es ihm gut geht, * da es ihm gut geht Zuruf: Er ist doch Kommunist, ich freue mch auch, wenn es Kommunisten gibt, die in der Lage sind, ihren Nebenmenschen etwas abgeben zu können — freiwillig natürlich. (Große , Herr Hoffmann hat vielleicht schon mal gehört, daß in Wien der bekannte Abraham a Santa Elara mal eins Bußpredigt gehalten hat, in der er sagte, die Frauen und Jung⸗ frauen von Wien seien es nicht werk auf den Karren hinaus⸗ n zu werden. Darauf haben die sich beschwert, und er hat ich veranlaßt gesehen, am nächsten Sonniag die Sache richtig ö stellen und das hat er in der Form etan, daß er sagte, ie seien es wert, auf dent Karren aus der Stadt hinausgefahren * werden. Er überließ also die Auslegung den Wienern, und o mache auch ich es mit meinen Ausführungen über die Geistes—⸗ blitze des Herrn Hoffmann. (Beifall und große Heiterkeit)
Abg. Adolf Hoffmann: In Wirklichkeit war der Witz folgendermaßen: Ein Geistlicher hatte von der Kanzel herab ge—
predigt, die Fürsten seien es wert, daß man sie anspucke. Als er
widerrufen mußte, hat er am nächsten Sonntag erklärt, er nehme seine erste , , . und sage, die Fürsten seien wert, daß man sie anspuckt. (Allgmeine Heiterkeit.) .
Es folgt dann die Abstimmung.
Unter Ablehnung aller übrigen Anträge stimmt das Haus dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung unter Annahme der emeinsamen Abänderungsanträge des Zentrums und der Deutschen Volkspartei zum § 2 und unter Annahme eines Antrages der Sozialdemokraten, wonach den Rentnern für das dierte und jedes weitere Kind eine Erhöhung „der UÜnter— stützung von 600 S6 gewährt wird, zu.
Abgelehnt werden ö. die von den Unabhängigen Sozialisten. eingebrachten Entschließungen, die Gesetzentwürfe über vierteljährliche Neufestsetzung ber Renten aus der Sczialver icherung und über durchgreifende Fürsorge⸗ ,,. für alle Sozialrentner und Sozialhilfsbedürftigen
ngen.
. der sich sofort anschließenden dritten Beratung ver⸗
miß
Abg. Thiel (D. Vp.) noch eine Klarstellung darüber, ob auch die in Privatkasfen versicherten Angestellten, wie zum Beispiel die der Privateisenbahnen, nach 5 14 des Gefetzes über die Ange⸗ stelltenversicherung unter dieses Gesetz fallen.
Ministerialdirektor Mülder erklärt, daß diese Personen nicht unter das Gesetz fallen. .
. Abg. Thiel meint trotzdem, daß nach dem Wortlaut des Angestelltenverficherungsgesetzes diese Bersonen unter das Gesetz fallen müßten.
Reichs arheitsminister Dr. Brauns: Alle sirittigen Fragen sollen durch die Ausführungsbestimmungen geklärt werden, und zwar möglichft in entgegenkommendem Sinne.
Abg. Thiel ist durch diese Erklärung nicht befriedigt und stellt den Antrag, daß Angehörige von Versicherungsbereinen auf Gegenseitigteit unter das Gesetz fallen.
Die Abgg. Karsten (U. Soz.), Hoch (Soz.) und Erkelen 3 (Dem.) sprechen gegen diesen Antrag.
Abg. Andre (Zentr. meint, daß die Frage geprüft werden müsse, ob nicht in diesen, Fällen der Unternehmer eintreten müsse; solange diese hRiechts fra ge nicht geklärt sei, könne der Antrag nicht angenommen werden.
Der Antrag Thiel wird gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien abgelehnt. Die Vorlage wird nach den Be⸗ schlüssen der zweiten Lesung im einzelnen angenommen.
Vor der Gesamtabstimmung verliest
Abg. Bartz (Komm.) eine längere n, , seiner Partei, worin hervorgehoben wird, daß die bürgerlichen Parteien und die Mehrheitssozialisten die Anträge der Kommunisten zu Falle ge⸗ bracht und damit bewiesen hätten, daß sie keine Spur K Verständnisses hätten (Unruhe rechts) Die Not und das Elend der Invalidenrentner werde durch dieses Gesetz nicht beseitigt.
Die Kommunisten würden die Forderungen der Rentner h nenem mit allem Nachdruck vertreten. (Beifall bei 9
Kommunisten.) . ö .
Vizepräsident Dr. Rießer erklärt, daß er die Verlesung dieser Erklärung nicht zugelasfen hätte, wenn er vorher gewu hätte, daß sie Angriffe auf Parteien enthielte, auf die diefe nich mehr antworten könnten. (Beifall.)
In der Gesamtabstimmung wird darauf das Gesetz ein⸗ 6. angenommen. Große Heiterkeit erregt es, daß auch ie ger Linke dafür stimmt.
Nunmehr geit t Vizepräsident Rieß er folgende Tages ordnung vor für Sonnabend, 12 Uhr: Gesetzentwurf zur Er änzung des Gesetzes über die Angestelltenversicherung, Aus, 1 über Erwerbslosenfürsorge, Interpellation der Kommunisten über Landungsverbot für die russischen Schiffe, Ausschußberichte über die Anträge auf Aufhebung der Aus; nahmeverordnung des Reichspräsidenten. Ein Antrag der Kommunisten, auf die morgige Tagesordnung ihren Antrag auf Bestellung eines achtgliedrigen Untersuchungsausschusseß für die , ,. zu setzen, wird abgelehnt. Ueber die Reihenfolge der auf der morgigen Tagesordnung stehenden Gegenstände entspinnt sich eine längere lebhafte Geschäfts⸗ ordnungsdebatte, die zu guterletzt noch einen Hammel prung ö macht über die Frage, an welcher Stelle der Tages, orbnung die Anträge über Aufhebung der Verordnung bes Reichspräsidenten beraten werden sollen. Dabei stimmen 11 mit ja, 4 mit nein, das Haus ist also beschlußunfähig, da Zentrum, Demokraten und Mehrheitssezialisten nicht mit⸗ flimmen. (Große Heiterkeit) Der Präsident bestimmt dem— nach selbständig die Reihenfolge der Tagesordnung.
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Preußischer Landtag.
67. Sitzung vom 18. November 1921, Mittags 12 Uhr. Gericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger)
Auf der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen.
Eine Anfrage der , rin, Sozialisten bringt die Wirk⸗ samkeit des Leiters des städtischen Lyzeums in Nordhausen, Bohnen— ir zur Sprache, der in öffentlicher Versammlung es als seine erzieherische Aufgabe bezeichnet habe, den Kindern Haß gegen andere Völker einzuflößen, der ferner ,,, habe, es gehöre zu . weiteren zlufgaben, die Republik zu bekämpfen und die Autorität ihrer Regierung zu untergraben. ö
Der Vertreter der Staatsregierung erklärt, daß der Direktor Dr. Bohnenstedt schon im vorigen. Jahre vom . ialschulkollegium einen scharfen Verweis erhalten hat, und aß 1j Grund seiner Aeußerungen in öffentlichen Versammlungen ein förmliches Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet ist.
Eine Anfrage der Sozialisten, welche die Geschäftsführung des Bürgermeisters Dr. Grommes in Ghrenbreitstein kritisiert und ihm insbesondere die nicht ordnungsmäßige Vemaltung von Gefangenen geldern vorwirft, verlangt die Entsendung eines Hesonderen Kommissars zur Untersuchung der Geschäftsführung des Genannten.
Die Antwort des Regierungsvertreters ist auf der Presse⸗Empore nicht zu verstehen. .
Auf eine Anfrage der Mitglieder der Wirtschafts⸗ partei wird seitens des Vertreters des Staats— ministeęriums erwidert, daß die Bekämpfung des Straßen⸗ handels Gegenstand dauernder Aufmerksamkeit der Polizeiverwaltung ist, daß, soweit möglich, den Auswüchsen durch Verordnungen ge— steuert werde, daß aber ein radikales Vorgehen . don un⸗ erwünschten Folgen begleitet sein würde. Eine restlose Bessernng
werde erst nach Wiederkehr normaler Verhältnisse eintreten. Für Groß Berlin sei eine Verordnung ausgearbeitet und dem Magisttat
zur Justimmung vorgelegt.
Gegen die Wahl der Kreisausschußmitglieder des Kreises Neiden= burg und gegen das Wahlverfahren haben sozialdemokratische Kreik—= tarsmitglieder Einspruch erhoben. Darauf ist von der Staats ampalt⸗ schaft in Allenstein ein Strafverfahren wegen Beleidigung des LandK rats angestrengt worden. Der Abg. Ne u mann⸗Ostyreußen (Ser) fragt, wie sich das Staatsministerium zur Beschwerde der Kreistags , stellt und wie es das Verhalten des Staatsanwalts be= urteilt.
Die deutichnationagle Fraktion bat Linen Beritt des preußischen Stagiskommissars für die öffentlicke Srdnung üter haverische Verhästnisse zum Gegenstand einer Anfrage gemacht. Die Verlesung des betreffenden Berichts durch den Reichskanzler im lleber. wachun gsausschuß des Reichstages habe berechtigte Erregung in Bayern hervorgerufen, da ein unbefugter Eingriff in bayeriscke Hoheitsrechte vorzuliegen schien.
Stagtssekretär im Staatsministerium Göh le: Die Täti kel des preußischen Siagtskemmissars in Bayern hat sich guf die Feft, stellungen im Mai 1920 beschränkt und seine dortige Tätigkeit bat Ramit ihren Abschluß gefunden. Die unmittelbare Mitteilung de Ergebnisses der Ermittlungen an den Reichskanzler war notwen: i geworden. Der Staatskommissar hat geglaubt, daß in der Ginzishmn don Erkundigungen an Ort und Stelle die Vornahme von Amte= handlungen nicht zu erblicken fei. Es ist Anlaß genommen worden, erneut zu prüfen, ob es zweckmäßig sei, die jetzige Organisatien zubehalten. Dabei hat sich die Verwaltung Überzeugt. daß ine Aenderung eintreten muß. Die bezüglichen Verhandlungen werden voraussichtlich in naher Zeit zum Abschluß kommen. .
Von den ö wird angefragt, wie z kommt, daß hei Regierung in Oppeln seit einiger 3 zwei Sherregierungöraͤte, die bereits pensioniert waren, als Angestellte weiterbeschäftigt werden.
Der Vertreter des St aatsm in isteriu m s erwidern, daß die beiden Beamfen im Sgmmer 1519 in den Ruhestand Herscht worden sinz, daß aber bei der Lage der Verhältnisse in Dber che darguf Bedacht zu nehmen war, einen Perfonenmech ein stweilen h dermeiden. Auf, den guggeplünderken, un gon den Pächtern infelg? des polnischen Aufftandes verlassenen Domaͤnen habe eine Notlage vorgelegen, der Rechnung getraget werden mußte. Deshalb selen die beiden Beamten hier wiederum zur Verwendung gelangt, ihre Wiederbeschäfligung sei aber nur vorübergehend.
5 Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaut wiebergegeben sind.
(Fortsetzung in der Zweiten Beilage)
Schlange auf dem Lande eine Kapuzinerpredigt an
Presse melne
zm Deut schen Reichsan
Sweite Beilage
Verlin, Sonnabend, den 19. November
zeiger und Preuß ischen Staatsanzeiger
1921
Nr. 271. 228
633 (Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Auf eine Anfrage der deutschhannoverschen Abg. Meyer Bilkau und Genossen wegen der unzureichenden Gesteslung bon Fisenbahnwagen für den Kartoffel versand in der Propin; Hannover wird durch den Regierungsvertreter erwidert, daß die Ge stelung der Wagen andauernd Gegenstand befonderer Aufmerksamkest der Venvaltung sei. Schen am 12. Oktober fei angeordnet worden, die Kartoffeltransporte bis auf weiteres vor allen anderen Trans porten zu bevgrzuzen. Dadurch sei bereits eine erhebliche Besserung eingetrelen. Die Klagen über Wagenmangel hätten in leßter Zeit benommen. Es sei gelungen, 0 bis 60 33 des angemeldeten Vedarf, der den tatsächlichen stets erheblich übersteige, zu befriedigen.
Hierauf setzt das Haus die gemeinse m: Beratung der Großen Anfragen und der Anträge über' die Fartoffelversorgung fort.
Abg. Tim bertz (Soz): Die gestern vom 66 gehen die Koalitionsparteien und gegen die er enn e e lenn. sobenen Vorwürfe verdienen schärfste Zurückweifung. Ware draußen semand mit ähnlichen Behguptungen gekommen, fo würde ich ihn àls einen ganz gewissenlosen Demagogen bezeichnen. So wie er konnte nur jemand sprechen der durch Klassenegoismus und Parteihaß jeden Sinn für Qbjektivitst verloren hat. Er hat uns nachgefagt, der Streit um die Ministersessel sei uns wichtiger gewesen, als die Be⸗ seiligun der angeblichen Kartoffelnot. as ist ein ganz unerhörter Vorwurf. Ich habe hier seinerzeit den Reichsernährungsminifter Dr. Hermes angegriffen, weil er sich nicht früher mit der Reichs— berwaltung wegen der Gestellung von Eisenbahnwagen in Verbindung 'setzt habe. Er hat jetzt erklären lassen, er habe sich auch schon im — 1 s ugust und September darum gekümmert, und es blelbt jetzt nur noch bie Frage zu beantworten, warum nicht raschere Befferung eingetreten ist. Die Wagengestesllung wie die Tarifermäßigunzen find Reichs⸗ siche; für . bleibt in der e d nur die Tätigkeit der n b rt aj r Gesinnungsgenossen des Herrn Schlange übrig, im . ie Abwehr der Hungerpolitik hinzuwirken, die von diefen selben Landwirten getrieben worden ist. Wir wissen ja, wie sehr die Illzemeine Moral gelitten hat. Wenn auf dem Lande ganz systematisch die Autorität der Revublik untergraßen wird, wenn gegen ihre Bemmten, die sich als Republikaner bekennen, eine solche Hetze wie B. gegen den jetzigen Königsberger Reglerungspräsidenten, den kin n Rechtsanwast und Notar Bolck aus Tilsit getrieben wird, so ist es kein Wunder, daß die Bevölkerung auf dem Lande auf die An. gidnungen der Staatsbehörden pfeift. Dadurch wir die Stimmung dotbereitet, wo derartige unglaubliche Zustände möglich werden. Aus unseren Vorschlägen wegen schleunigster Normierung von Richtzreisen zurch die Preihrüfungsstellen, die dann die Wuchergerichte als Grund⸗ lage für ihr Vorgehen hätten nehmen können, ist nichts geworden. Der Fartoffelpreis, der vorige Woche 110 M0 betrug, ist jegßt in den Industriegebieten bereits auf 130 A6 hergufgegangen (Hört, hörth linsere Justiz versagt hier nach sehr oft. Plünderungen bon Lebens nittelgeschäften wie in Neukölln sollten eine Warnung 6 Man wundere sich nicht, wenn die Fabrikarbeiter, die sich für den Winter kinen Kartoffelvorrat haben hinlegen können, zur Selbsthilfe greifen. Von Vohwinkel gehen Nacht für Nacht 26 bis 25 Waggons mit Fartofseln nach Ohligs im besetzten Gebiet; es ist die allgemeine Annahme, daß sie von da weiter verschoben werden. Im Bezirk Hmeln haben Demonstrationen so einschüchternd auf die Landwirt- hrft gewirkt, daß man dort Kartoffeln für 40— 45. 6 haben kann. Ich habe aus der Presse nicht entnehmen können, 3 Herr Kolle ne . ie Landwirtschaft gehalten hat. Er hätte dort lieber in der Bestimmung eines gerechten Preise; mit gutem Beispiele vorangehen sollen. Durch den scham⸗ lesen Wuchergeist sind breite Massen der Bevölkerung in die aller⸗ Lenbste Lage gekommen. Ich hoffe, daß die Darlegungen des Abg. Niller⸗ Fulda in der „Germania“ beachtet werden, in denen er eine sttenge Kontrolle des Exportes verlangt. Hinter Schlanges Be— . daß nur der Waggonmangel die Aufrechterhaltung des breises berhindert hat, müssen wir ein großes Franereichen machen. Als ein pommerscher Landwirtz mit einer westfälischen Gemeinde wecks Kartoffellieferung verhandelte und nach dem Preise gefragt unde, antwortete er: Mir sind S3 6 geboten worden, Zu diesem reise können sie tausend Zentner Kartoffeln bekommen.“ Die Stadt hatte keine Kartoffeln, sie hat die tausend Zentner zu 83 6 ge- nommen. Da sehen Sie, wo der Wucher steckt! Es ist festzustellen, daß die Beteuerungen von der rechten Seite nur Glauben verdienen, wenn wir sehen daß Taten dahinter stehen; die haben wir bis jetzt bermißt. Die Parkeien des Hauses haben getan, was sie konnten. Vit haben gewarnt, die Warnungen sind vergeblich gewesen. Geben Sie uns nicht die Schuld, wenn diese bergeblichen Warnungen sich in EGrylosionen entladen, sondern den schamlosen Wucherpreisen der landwirtschaft. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) . Abl. Gronowski Gentr): Unsere Selbstachtung zwingt uns, auf die Darlegungen des Abgeordneten Schlange zu antworten. Wenn meine Rede Ihnen nicht gefallen hat, so bin ich und meine Partei nicht schuld daran, sondern schuld if Ihr verdorbener Ge⸗ szmac. Ich muß gestehen, daß der Herr Kollege Schlange Cstern nen Schlangen tanz aufgeführt hat. Ich habe auch die Rede Ihres Fraktionskollegen Dr. Krüger nachgesesen. Er führt , . über bas Ülimafum von London, über den schlechten. Valutastand, über In Verlust von Oberschlesien und zum Schluß sagt Herr Dr, Urürer: Rur wenn wir einig sind, dann kann es uns besser gehen. Irst unsachlich reden, sämtkiche Koalition ghar teien herausfordern und in wird zur Einigkeit aufgerufen. Wenn wir dazu schweigen, pürde die Jentrumsfraktion die größte ll ch Unkerlassungssünde bedehen. Sie von der Rechten müßten gelernt haben, aß es manch⸗ al Leute gibt, denen mit Vernunfisgründen nicht beizukommen ist, Vir wollen Frieden mit allen Parteien, aber die Zentrumspartei till keinen Kirchhofsfrieden. Wir haben vor 8 Tagen, erlebt, daß ler Vorfihende der Deutschnationalen Volkspartei unz für den Ver= ust. Dberschlesieng Verantwortlich gemacht hat. Das sind. Ver. lchtiunzen' ögwilliger Art. Männer der Zentrumspartei sind es tewesen, die sich in den lebsen 3 Jahren mutig auf den , .
esert haben. ÜUnsere Führer find Jahrzehnte lang von Ihnen 1 aß ückgedrückt n e haben aber soviel hach rechts planmäßig zurückgedrückt 1 . er e g
liehe zum Vaterland, daß sie bie von Ihnen ilssenen Posstioncn e en um dem. deutschen Volke den größten zu ersparen. Ich zweifle nicht, daß die landwirtschaftliche ere Work für' Wort nachdruckte und von den ehrlichen und anstandigen Banern gehilligt würde. Durch die gestrige Rede s Abgeordneten Schlange bin ich beinghe stolz; geworden; im ersten il hat er sich und seine Freunde so hingestellt, als wem sie eine Hemeinschaft von Engeln und Heiligen selen. (Widerspruch, rechts. e lerfe Nein, Herr Nippel. Sie gehören nicht dazu. (Heiter, ik. An. Rippel? Sie find ein ganz fanatischer Engel) Das t die best' Nummer. Im ersten Teil streute Herr Schlange Weih⸗ nuch für seine Landleute, im zweiten Teil hielt er eine Rede, die sicht nur meine Rede vom 19. Oktober Wort für Wort un terstrich wdern in ihrer Kritik noch darüber hinausging,. Wie man da men Widerspruch innerhalb der Zentrumspartei konstruieren kann, gie mit unbegreiflich. zus der Cänzen Nede habe zich entnempien, ß dech ein, groß. Werbekrgft in. der Zentrumgidee steckt. Ich habe nichts verallgemeinert, dapor sind wir im Zentrum
Schimpf
. IF ez huch n der Landwirt eit. (Heiterkeit habe festrestellt, daß auch in der Landwirt⸗ ft es eine 53 Rn . Menschen gibt, deren Hände Ln Wuchergeschäften befubelt worden sind Aber gerade im
esse des 5. ichen Handels fordern wir gegen Wucher un
Schiebertum Anwendung der Zuchthausstrafe. Darin gehen wir voll⸗
kommen einig, die Angriffe der Rechten gegen die Koalitions— regierungen unh gegen das Zentrum lagen vollkommen daneben oder hatten zur Absicht, bei den ostpreußischen, pommerschen oder brandenburgischen Landwirten das Zentrum und seine Redner zu ver⸗ hetzen. Nun hat Abgeordneter Schlange eine Unterscheidung zwischen Gronowski und Kaulen konstruiert. Kaulen hat aber nur als e m das unterstrichen, was ich tags zuvor gesagt. habe Nur hinsichtlich des Begriffes Tagespreis und Angeber besteht zwischen uns eine kleine ahweichende Meinung Wenn Sie im übrigen über die sogenannte Uneinigkeit innerhalb, der Jentrumsparkei und Fraktion spotten, so will ich nur auf die Zusammenstellung bei der Deutschnationalen hinweisen; Hergt, Walraff, Helfferich. (Sehr gut) Es darf nicht erlaubt sein, weder für Produzenten noch für Händler, nach dem. Grundsatz Wirtschaft zu treiben: Du kannst nehmen, was du kriegen kannst. Wenn wir diese Moral aufkommen lassen, bann sind wir wert, als Kulturvolk für erledigt betrachtet zu werden. Dieser Grundsatz ist der brutale Kampf aller gegen alle, er ist für das deutsche Volk verhängnisvoller als alle Forderungen unserer Feinde. Ich weiß, daß in meiner Fraktion kein einziges Mitglied ist, das dazu eine abwegige Meinung hat. Raffen Sie ich gleichfalls dazu auf und mancher politischs Streit wird über— lüfsig. Wucher bleibt Wucher, ob ich ihn fordere oder ob ich die Wucherpreise . Tragen. Sie diesen Gedanken hinaus in die landwirtschaftlichen Kreise, wie wir ihn, in die Industrie⸗ und Arbeiterkreise tragen, dann kommen wir einen Schritt weiter. In dieser Hinsicht treiben wir Cmeinschaftliche Politik, eg können ich doch die Parteien in Deutschland nicht dauernd zerfleischen. — Der Spott über meinen Beifall bei der Mehrheitssozialdemokratie war deplaciert. Ich rede nicht, um von rechts oder links Beifall zu bekommen, wir sprechen die Wahrheit aus, deutlich und klar, und zwar deshalb, weil wir das Volk dazu erziehen wollen, Gottes und bes Staates Gesetze zu achten, Vaterlandsliebe und Nächstenliebe hochzuhalten. Da braucht man bei den Deutschnationalen keine Himmelfahrtsnase 6 (deiterkeith, wenn ein Zentrumsredner Beifall von links bekommt. Bei vielen Abstimmungen haben wir , daß Deutschnationale und Kommunisten sich zusammen⸗ 66 haben, indem sie green 8er und, Verfassungen stimmten. er Ministerwechsel ist nicht an diesen Zuständen . sondern die Schamlosigkeit der Parasiten, die Wucherpreise nehmen und sich 36. Kosten des deutschen Volkes bereichern. Nicht die Regierung ha das Volk zum Verhungern gebracht, sondern die Saboteure, die die Maßnahmen der Regierung zu vernichten verstehen. (Sehr wahr.) In Ihren Kreisen 3 rechts) gibt es einen bestimmten Ehren- fode: Wenn 6 Parasiten finden, so rücken Sie doch gesell⸗ schaftlich und alös Männer von dieser Gefellschaft ab. (Sehr richtig.) Ich schätze die Herren so hoch ein, ö ich glaube, daß sie sich zu diesem Erziehungsmittel bekennen werden. Wenn Arbeitervereine und Gewerkschaflen Kartoffeln einkaufen, so geben sie sie auch wieder zum Selbstkostenpreis an ihre Mitglieder ab; das ist etwas wesent⸗ lich anderes, als was die Deutschnationalen in Pommern, Schlesien und Brandenburg getan haben Sie henutzen dig billige , abgabe zur schäbigen Parteiggitation. Ich finde keinen wohlwollen⸗ deren Ausdruck dafür. Im übrigen scheint es mit der Werbekraft der Deutschngtionalen Partei schlecht bestellt zu sein, wenn mon zu olchen Mitteln greift. Die gemeinsame Not des deutschen Volkes 16. wir gemeinsam tragen Bewußt Opfer hringen für das zanze Volk und Vaterland, das ist der richtige deutsche Gemeinschaftsgeist, wie wir ihn in der Zentrumspartei verstehen und uns bemüht haben, ihn zu pflegen. Wenn man mir Demagogie vorwirft, so frage ich; Wer lebt denn von Demagogie? Wir haben uns immer bemüht fachlich zu bleiben, Sie aber ziehen Dinge heran. die nicht zur Sache gehören. Wir fürchten weder den Kampf gegen xechts noch gegzn links, wir sind aber satt der Angriffe, und eines Tages können Sie erleben, deß eine Partei in Deutschland, die bisher Amboß war, auch Hammer sein kann. (Große Unruhe rechts. Zu⸗ ruf: Ist das nicht Demagogie?! Herr Kollege Bäger, ausgerechnet Sie nehmen Sachlichkeit für sich in Anspruch. Das 6 als wenn ein notorischer Trunkenbold vom Blauen Kreuz spricht. Große Heiterkeit Wenn Sie sachlich uns entgegentreten, so werden wir ebenso e li antworten, aher gegen Beschimpfungen müssen wir uns wehren. (Ruf rechts; Sie schimpfen jg frtwährend) Diese Beschimpfungen werden wir nicht dauernd stillschweigend ertragen, das kann ich Ihnen namens meiner Freunde sagen. (Lebhafter Bei⸗ fall im Zentrum und links.)
Abg. Klausner (I. Soz,); Abgeordneter Schlange hat kein Verständnis dafür, was Preis und was Wucherpreis ist. Da ö. man nicht sagen, daß unsere Vorwürfe nicht angebracht seien. Die Deutschnationalen haben kein Verständnis für die Notlage des Volkes. Den Deutschnationalen sind die gegenwärtigen Zustände angenehm, um der Regierung Schwierigkeiten bereiten zu können. Daß die Regierung einen Teil der Schuld mitträgt, kann niemand bestreiten, sehen wir doch, daß nach Aufhebung der Zwangspwirtschaft die Wuchervolitik angestiegen ist. Der Betriebsrat der Mansfelder Gewerkschaft hat die Gründung einer Organisation verlangt, die der Arbeiterschaft die Kartoffeln . Aufschlag vermittelt. achtenswerte Vorschlag ist lohend anzuerkennen. Die Folge war aber, daß man überhaupt keine Kartoffeln mehr zur Verfügung stellte. Auch verwendet die Landwirtschaft vielfach, die Kartoffeln für die Spiritusbrennerei. Auch das beweist, daß die Deutschnationalen kein Verständnis für die Not des Volkes haben.
Abg. Held (D. Vp): Es sind genügend Kartoffeln geerntet worden. Als aus einigen Teilen des Landes Nachricht über schlechtere Ernte einlief, setzten die Auffäufe ein, und der ganze Handel ver⸗ stopfte. Die Regierung muß den Zustand abstellen, daß einzelne Produzenten nicht das Risiko laufen, mit dem Strafgesetzbuch in Follision zu kommen. Man wittert überall Wucherhre se, auch da, wo keine sind. Deshalb ist vom Reichslandbund die Weisung heraus- gezeben worden, daß die einzelnen Mitglieder von größeren Verkäufen Abstand nehmen möchten, gerade wegen dieses Risikos. Man muß auch von der , darauf hinwirken, daß die Landwirte mit ihren Produkten herauskommen. . . ö. uhr Riedel (Dem): Abgeordneter Schlange meint, quantitativ seien Kartoffeln genügend vorhanden, nur die Transportkrise sei an ber Not schufd. Ich warne vor biefem Schlagwort, die Transport- verhältnisse sind in diesem Jahre wesentlich besser gewesen als in dem porhergehenden Jahre, das beweisen die Ziffern über die geleisteten Achsenkilometer, aber dadurch, daß die Entfernungswege beim Kartoffelversand weiter ausgedehnt sind als früher, ist eine Er- schwerung eingetreten. Die Demeralisation hat Käufer und Ver⸗ käufer ergriffen. Es sind hier viele Kartoffelreden gehalten worden, ohne daß guch nur eine Kartoffel dadurch mehr guf den Markt ge— kommen wäre, wohl aber sind die Kartoffeln inzwischen wieder teurer geworden. Wir syollten uns zusammenfinden zu prgktischer Tat, den Etat endlich verabschieden, damit im Preußischen Staate wieder ge—⸗
wirtschaftet werden kann. . Damit schlient die Erörterung. Es folgen die Schluß⸗
worte der Antragsteller.
Abg., Jacoby-⸗Raffauf (Zentr): Wenn jedes in der großen Kartoffel debatte des. Plenums besprochene Wort eine Tonne Kartoffeln geliefert hätte, die sofort nach dem Westen abtransportiert worden wäre, dann wäre dort die wirklich Ehr große Kartoffelnot behoben. Im Westen muß fürs laufende Jahr die Kartoffel die Hauptnahrung bilden, da dort kein Gemüse oder nur sehr knapper Vorrat davon vorhanden ist und auch alle anderen Lebensmittel nur sehr knapp bemessene Menge aufweisen. Die Behauptung, daß die
d Bevölkerung zur Ernährung 7 Millionen Tonnen bedarf und
Dieser be⸗
6 Millionen Tonnen zur Saat benötigt werden, ist nicht ernst zu nehmen. Der Wagenmangel und die döllige Mißernte im Westen
haben eine so große Kartoffelnot hervorgerufen, daß die Erregung und
Besgrgnis der Bevölkerung im Westen durchaus berechtigt und be— greiflich ist. Die Produktionskosten sind im Westen bedeutend höher als im Osten, darum ist unser Antrag eingebracht worden, die Re⸗ ierung zu ersuchen, uf, die Reichsregierung einzuwirken, daß die Lisenbahntarife für Speisekartoffeln wesentlich herabgesetzt werden, um einen Ausgleich zwischen den Landesteilen mit Kartoffelüberschuß und mit großem Kartoffelbedarf herbeizuführen. Der Landwirtscha;t einseitig die Schuld für die hohen Preise ihrer Erzeugnisse zu— zuschiehen, ist unberechtigt. Schon seit den Kriegsjahren ist es der . Fehler, daß man die Produktion der . einzwän gt at, ohne gleichzeitig die Produktionsmittel zu erfassen. Je höher und billiger die Produktion, desto größer und billiger die Ration. Kein Beruf in Deutschland ist derartig mit Hindernissen und Zwangs— gesetzen belegt worden, wie die Landwirtschaft. Für das Velre ste hat man jetzt ein Umlageverfahren eingeführt. Im Westen, besonders in den Bezirken Trier und Coblenz hat die große Trockenheit und die Mißernte die Landwirte qußerstand gesetzt, . Umlagesoll zu er— füllen, denn ein Schelm gibt mehr als er hat. Ich mache von dieser Stelle aus den Staatskommissar für Volksernährung darauf guf—= merksam, dort so rasch als möglich eine Prüfung vornehmen zu lassen, damit die Landbevölkerung, die die Umlage nicht aufbringen kann, bor Strafen geschützt wird. Die Opferwilligkeit der Landwirtschaft wird mit Unrecht angezweifelt. Wenn ein Landwirt 100 Zentner Brotgetreide zur Getreideumlage beisteuert, legt er gleichzeitig 20 009 Mark auf den Altar des Vaterlandes nieder, das macht bei 2½. Millionen Tonnen Getreide ungefähr 19 Milliarden. Ebenso werden die Kartoffeln im Saargebiet mit 40 Franken pro Zentner ) Mark, in Luxemburg mit 35 Franken — 700 Mark pro Zentner gekauft. Trotzdem gibt der deutsche Landwirt seine Kartoffeln der deut⸗ schen Bevölkerung zu einem achtfach niedrigeren Preise ab. Sind das keine großen Opfer? Es muß eine Generaloffensive eröffnet werden, die alle produktiven Stände, Landwirte, Gewerbe und Industrie, FKauf⸗ leute, Banken und Kapitalisten umfaßt, um eine Verbesserung der deutschen Volkswirtschaft und der deutschen Volksernährung in die Wege zu leiten. Alle diese müssen ihre Produkte mit einem mäßigen Gewinn absetzen. dadurch wird eine Senkung der Preise auch der Lebensmittel eintreten. Ein Stand allein kann aber nicht große Er— leichterungen schaffen. Wird dieser Weg betreten, dann werden wir auch eine bessere Ernährung für die deutsche Bevölkerung schaffen und damit wieder einer ruhigeren und besseren Zeit entgegengehen.
Abg. Schlange (D. Nat): Ich habe in meiner gestrigen Rede keineswers „provoziert“ Ich habe sogar auch auf der Linken viel Beifall gefunden. Was der Abgeordnete Riedel über das unnütze Reden hier gesagt hat, war mir aus dem Herzen gesprochen. In einer Berliner Zeitung vom 21. Oktober ist über unsere Landtags verhandlung vom Tag vorher, wo Herr Gronowski, Herr Riedel und andere Führer gesprochen hatten, gesagt: Die ganze Verhandlung zeiste, daß man weniger darauf bedacht war, wirksame Maßnahmen zur Hebung der Kartoffelnot vorzuschlagen, als Agitationsreden zu halten, wie wenn Neuwahlen vor der Tür ständen. Und was hat æe— standen in dem Blatt „Der Deutsche“ des Herrn Stegerwald? (Stürmische Heiterkeit rechts) Ein vernichtenderes Urteil können Sie (zum Zentrum) gar nicht verlangen, als dieses aus ihrer eigenen Zeitung. Der neue Landwirtschaftsminister, Herr Dr. Wendorff, hält es ja auch nicht für zweckmäßig, bei dieser Debatte seinen Platz am Rerierungstisch einzunehmen. Herr Limbertz ist gegen mich persönlich vorgegangen. Was ich hier gestern ausgeführt habe, habe ich meinen eigenen Leuten gegenüber in Stettin noch viel schärfer unter stürmischer Zustimmung aller Landwirte gesaat Ich habe auf meinen gesamten Kartoffelschlären eine aroße Mißernte gehabt, so daß ich ungefshr. 1009 Zentner zukaufen muß, für die ich natürlich die jetzigen Marktpreise zahle, um meine Wirtschaft durchzubringen. Es geht mir doch nicht, wie den Arbeitern in den sozialdemokratischen Konsumvereinen. (Heiterkeit rechts) Oder wie den deutschnationalen Arbeitern innerhalb einer sozialdemokratischen Mehrheit, wo die ersteren zwar keine Vorzusspreise. aber Vorzuaskeile bekommen. (Heiterkeit rechts) Ob Herr Gronowski gerade der geeignete Moral⸗ prediger ist, weiß ich nicht. Herr Gronowski hat auch ein unfreund⸗ liches Wort gegen den Abgeordneten Winckler gesaat. Was der Abgeordnete Winckler neulich über den Reichskanzler und die ober— schlesische Frage gesagt hat, das kann man kritisieren, aber es war im Sinne von Millionen von Oberschlesiern gesprochen. Soweit dazu eine sachliche Berechticung vorliegt, wird die „Deutsche Tages⸗ zeitung“ immer die Vorkämpferin einer gerechten Kritik sein. (Ge⸗ lächter links.) Ueber die Grenze der Berechtigung der Kartoffelpreise kann man außerordentlich verschieden denken, das hat soeben die Rede des Abgeordneten Jacoby⸗Raffauf bewiesen. In Gegenden mit auter Ernte können 50 Mark ausreichend sein, in Gegenden mit Mißernte an Futterkorn und Kartoffeln deckt auch ein Preis von 8 Mark nicht die Gestehunaskosten. Alles kommt darauf an, die Produktion zu stärken, und in diesem Jahre muß dafür gesorat werden, daß auch die schwächeren Betriebe existenz⸗ und produktionsfähig bleiben, und der Preis muß also so bemessen werden, daß auch die kleineren, unker un- günstigen Verhältnissen und mit Mißernte arbeitenden Betriebe die Unkosten trafen können Vielleicht hat die ganze Diskussion der Regierung einige Anregungen und diesem oder jenem unter uns auch Veranlassuna gegeben, seine Anschauungen zu modifizieren. Diese Fragen können nur unter dem Gesichtspunkt behandelt werden, daß nicht der Parteistandvunkt entscheidet, sondern daß der Deutsche zum Deutschen spricht. (Beifall rechts.)
Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.): Herr Schlange hat gestern hestritten, daß jemals Lebensmittel bewußt zurückgehalten worden sind. Aber selbst der Reichsminister Dr. Hermes hat nachewiesen, daß die Ablieferungen ständig zurückgegangen sind, Herr Schlange sieht in den Aufkäufen der wilden Händler die Ursgche der hohen Kartoffel preise, behauptet aber gleichzeitig der größte Teil seiner Berufsgenossen sei gegen Preigstreibereien. Wie ist es dann zu erklären, daß der Reichs⸗ landbund sich so schroff gegen die Wuchercerichte wendet? In Pommern ist nicht ein Preis von 50 oder 70 Mark, sondern nur ein viel niedrigerer berechtigt. Die pommerschen Landwirte machen aber die Preistreiberei mit und fordern generell den Marktpreis. Wenn die Deutschnationalen behaupten, den Wucher generell zu bekämpfen, so ist das bloße Redensart. Gegen 1913 ist der Kartoffelpreis auf das Siebenunddreißigfache, der Lohn allerhöchstens auf das Sieben“ fache gestiegen. Die Agrarier spekulieren wie richtige Börsenleute und halten die Kartoffeln zurück, um die enormen noch bevorstehenden Preissteigerungen bis zum Frühjahr abzuwarten. Dieses Haus be— steht in seiner Mehcheit aus kapitalistischen Vertretern, die von den Rechtssozialisten unterstützt werden; von dieser Einheitsfront energische Maßnahmen gegen die Wucherer nicht zu erwarten. Da Proletariat muß den Kampf draußen aufnchmen und die Mehrhes des Landtags zum Teufel jagen.
In persönlicher Bemerkung wenden sich die Abgg. Meyer⸗Bielefeld und Bäcker (D. Nat.) gegen den Abg. Gronowski, der ihnen erwidert.
In der Ab⸗
Die großen Anfragen sind hiermit erledigt. stimmung werden die Anträge der Deutschnation alen und der Deutschen Volkspartei sowie der Antrag Ja coby⸗ Raffauf angenommen, die Anträge der Kommunisten abgelehnt. Der angenommene Antrag der Deutschnationalen vom 3. August fordert das Einschreiten des Staatsministeriums,