1921 / 272 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Preußen.

Ministerium des Innern.

Das Preußische Staatsministerium hat auf Grund des S8 28 des Landesverwaltun Sgesetzes vom 30. Juli 1883 (Ge— setzamml. S. 195) den Reglerungsassessor Kühn in Frank⸗ furt a. O. zum Stellvertreter des ersten Mitgliedes des Be— zirksausschusses in Frankfurt a. O. auf die Dauer seines Haupt⸗ amts am Sitze des Bezirksausschusses, den Regierungsassessor Hauck in Breslau zum Stellvertreter des Regierungspräsidenten im Bezirksausschuß zu Breslau, abgesehen vom Vorsitz, auf die Dauer seines Hauptamts am Sitze des Bezirksausschusses und den . Freiherrn von Richthofen daselbst zum zweiten Mitgliede des Bezirksausschusses ernannt.

Ministerium für Wissenschaft, Kunst ,

Das Preußische Staatsministerium hat mit Bestallung vom 7. November d. J. den Staatsminister a. D. . Dre Carl Becker zum Staatssekretär im Ministerlum für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ernannt.

1 /// ///. Nichtamtliches.

Denutsches Reich.

. Die vereinigten Ausschüsse des Reichs rats für Volks— wirischaft und für Haushalt und Rechnungswesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Volkswirtschaft, für Haushalt und Rechnungswesen und für Rechtspflege hielten heute Sitzungen.

. Im Anschluß an die Verhandlungen der deutschen Re⸗ gierung mit dem Garantiekomitee Ende September und An⸗ fang Dlttober war die Reparationskommission nach Berlin gekommen, um die Frage zu prüfen, in welcher Weise die nächsten Zahlungen nach! dem Ultimatum von London bewirkt werden könnten. In den Besprechungen mit Vertretern der deutschen Regierung hat sie die Forderung auf— gestellt, daß diese Zahlungen nötigenfalls durch Inanspruchnahme , Kredite bewirkt werden müßten. Der Reichs⸗ kanzler hat vorgestern, wie . Telegraphenbüro“ meldet, der Repargtionskommission vor ihrer Abrelse das folgende Schreiben übergeben:

Die deutsche Regierung geht dabon aus, daß es an und für sich nicht dem Sinne der Bestimmungen des Zahlungsplanes von London entfpricht, zur Aufbringung der Jahresannuitäten zu dem Mittel deg Kredits zu greifen. Sie ist aber, um einen Bewels ihres guten Willens zu geben, bereit, eine solche Kreditoperation vorzunehmen. Für die Frage, unter welchen Bedingungen ein Kredit genommen werden würde, kommt es in erster Linie auf die Vorschläge dessenigen an, der das Geld herleihen soll. Die deutsche Regierung ist bereit und hat auch bereits Schritte getan, um sich einen Kredit zu verschaffen. Sie bittet die Reparationskommission, sie hierbei unterstützen zu wollen. Sie fühlt sich jedoch verpflichtet, schon jetzt darauf auf⸗ merksam zu machen, daß für die Zeit der Rückzahlung des Kredits eine außerordentlich schwierige Lage mit Rücksicht auf die sonstigen Verpflichtungen des Reichs entstehen wird, und fie erwartet von der Reparationskommission, daß sie dieser besonderen Lage Rechnung tragen wird.“

Die deutsche Regierung hat durch ihren Botschafter in Paris an die Botschafterkonferenz die nachstehende Note, betreffend den Neubau von schnellaufen den Diesel— motoren, gerichtet:

Die Interalliierte Marinekontrollkommission hat in einer an die Deutsche Marinefriedenskommission gerichteten Note vom 20. Juli den Bau von drei schnellaufenden Dieselmotoren bei der Firma Benz in Mannheim mit der Erklärung beanstandet, daß diese Motoren Unterseebootsmaschinen und somit „Kriegsmaterial' seien. Sie hat die Fertigstellung der Maschinen unter⸗ sagt und gefordert, daß sie nicht von Ort und Stelle bewegt werden dürfen. Nachdem die Marinefriedenskommission diese Forderung als unbegründet zurückgewies en hatte, hat die Kontroll= kommission diese Weigerung in einer an das Auswärtige Amt ge— richteten Note vom 25. August als . des Ulti matums bezeichnet und ihren Standpunkt unter Berufung auf dieses und auf die darin in bezug , Entscheidung der Bot⸗ schafterkonferenz vom 3. September 1920 e , , ,. Die deutsche Regierung vermag die Forderung der Kom. mission nicht als berechtigt anzuerkennen.

Es besteht kein Streit darüber, daß es sich bei den fraglichen Motoren weder um Maschinen handelt, die aus dem Abbruch von U⸗Booten herrühren, noch um solche, die für U. Bootzwecke bestellt oder jemals dafür bestimmt gewesen wären. Vielmehr sind die Motoren von der Firma neu für gewerbliche 8wecke berge stellt, und zwar in einer Form, wie sie, wenn güch noch nicht so vervollkommnet, bereits vor dem Kriege für friedliche Zwecke Verwendung gefunden hat. Sie sind also reine Friedensmaschinen.

Dig Kontrollkommission scheint nun aus den von ihr angezogenen beiden Entscheidungen das Recht für sich herleiten zu wollen, zu be— stimmen, daß ein gewisser Maschinentyp in Deutsch— land nicht hergestellt werden dürfe, obwohl er nachweisbar nur zur Verwendung für friedliche Zwecke bestimmt ist. Dieses Recht steht ihr nach Ansicht der deutschen Regierung weder allgemein noch im besonderen Falle zu. Dies ergibt sich ersteng daraus, daß das Problem der Diesesmotoren nicht durch das Ultimatum, sondern durch besondere Ent schließungen der Botschafterkonferenz ge⸗ regelt worden ist. Diese Entschließungen zeigen, daß die Botschafterkonferenz der friedlichen Verwendung dieser Ma⸗ schinen keine. Hindernisse in den Weg legen wollte. Hat sie sich doch sogar mit der Unterbringung der für U-Boote be— stimmten Motore in gewerblichen Betrieben einverstanden erklzrt. Wenn sie dies unter Vorbehalt getan hat, so findet das seine Er= klärung darin, daß es sich um Gegenstände handelte, die ursprünglich für Zwecke der Kriegsführung verwendet werden sollten, nicht aber darin, daß die Konferenz derartige Maschinen überhaupt als „Kriegs material“ angesehen hätte. Mit dieser Annahme ware namentlich die Entscheidung vom 1. Juni 1921 unvereinbar, die ausdrücklich zwischen den Maschinen als solchen und den beim Einbau wegfallenden, als „Kriegsmaterial“! zu behandelnden Teilen unterscheidet. Es würde dem Geiste dieser Entschließungen nicht entsprechen, wenn nunmehr der Neubau ähnlicher Maschinen, denen etwaige „kriegerssche Merk- male völlig fehlen, für unzulässig erklärt werden follte. Die deutsche Regierung glaubt vielmehr, mit Recht davon ausgehen zu können, daß diese Beschlüsse gerade ihren Standpunkt rechtfertigen, wonach die Neuherstellung schnellaufender Dieselmotoren, soweit sie nicht ausdrücklich für U⸗Boote bestimmt sind, keinerlei Be schränkungen unterworfen sein kann. Die Kontroll- kommission kann demnach nicht berechtigt sein, von dem , , Ausdruck gekommenen Willen der Botschafterkonferenz abzuweichen. .

Aber selbst wenn die Kontrollkommission durch die Sonder— entscheidung in der Dieselmotorenfrage nicht gebunden wäre, würden ihr doch weder der Beschluß vom 3. September 1920 noch das Ultimatum das Recht zu dem obengekennzeichneten Vorgehen geben. Diese beiden Entscheidungen würden sie nur ermächtigen, zu bestimmen, was von

den Beständen, die während des Krieges Marinezwecken gedient haben und sich bei Unterzeichnung des Friedensvertrags im Besitze des Deutschen Reiches befunden haben, als Kriegsmaterial im Sinne des Artikel 192 zu gelten hat. Daß ihr der Beschluß vom 5. September 1920 keine weitergehenden Rechte verleihen wollte, ergibt

sein Wortlaut sowie der Umstand, daß er sich als eine reine

Ausführungsbestimmung zum Friedensvertrag darstellt. Das Ultt⸗ matum beschränkt sich in diesem Punkte darauf, die bereits im Be⸗ schlusse vom 3. September enthaltene Bestimmung zu wiederholen und näher zu erläutern, ohne sedoch darüber hinausgehen zu wollen. Wenn nun die Kommission das Recht für sich in Anspruch nimmt, die Herstellung eines bestimmten Maschinenthps zu unterfagen, dessen Verwendbarkeit für friedliche Zwecke unbestritten ist, fo liegt darin eine offenbare Ueberschreitung ihrer Befugnisse. Sie verläßt das ihr einzig und allein zugewiesene Feld der Ab= rüstungskontrolle und unternlmmt es, in die wirtschaftliche Betätigung und Entwicklung Deut sch lands auf das empfindlichste einzugreifen. Sie will einen Fabri— gtionszweig der deutschen Industrie unterbinden, der weit in die zorkriegszeit zurückreicht, der wohl, wie viele andere, während des Krieges vorwiegend in dessen Dienst gestellt worden ist, der aber seine natürliche Bedeutung auf dem Gebiet der Friedenswirtschaft hat und immer haben wird. Wie abwegig es ist, den schnellaufenden Diesel⸗ motor ohne weiteres als typisches Kriegsgerät zu stigmatisieren, ist bereits in der Anlage der Note vom X. Oktober 1920 dargelegt. Die dortigen Ausführungen werden in der hier beigefügten Anlage ergänzt; aus ihr mag auch entnommen werden, welche Tragweite für die wirtschaftliche Entwicklung und damit für die Reparations— fähigkeit Deutschlands die Vernichtung eines so bedeutsamen und

zutunftsreichen Gewerbezweiges haben würde. . Nach alledem sieht sich die deut sche Regierung nicht in der Lage, der Forderung der Kontrollkommiffion Folge zu geben. Sie kann auch nicht anerkennen, daß in der Weigerung der Marine⸗Friedenskommission eine Verletzung des Ultimatums zu finden ist, und bittet aus Gründen des Rechts und der Gerechtigkeit, vor allem aber auch mit Rücksicht auf die in der Anlage erörterten wirschaftlichen Momente, die Botschafterkonferenz, die in ihrer Note vom 10. November 1920 gerade im Zusammenhang mit der Dieselmotorenfrage und in zutreffender Würdigung ihrer Bedeutung erklärt hat, daß sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands keineswegs beeinträchtigen wolle, die Kommifsion anzuweisen, von ihrem Verlangen Abstand zu nehm en. ; Anlage.

In dem Gutachten des Vereins deutscher Ingenieure, das der Note vom 27. Oktober 1920 beigefügt war, ist bereits eingehend dar⸗ gelegt, daß sich der schnellaufende Dieselmotor, wie er auf deutschen U-Booten Verwendung gefunden hat, nicht erst durch die Forderungen, welche die Marine stellen mußte, sondern bereits vor dem Kriege aus Gründen rein technischer und wirtschaftlicher Natur entwickelt hat, und daß er sich infolgedessen in keiner Weise grundsätzlich von dem zu anderen Zwecken verwendeten Schnelläufer unterscheidet.

An sich genügte es, auf jenes Gutachten sowie auf den Abschnitt B der ebenfalls der Note vom 27. Oktober 1920 beiliegenden wirtschaft⸗ lichen Aufzeichnung hinzuweisen, um darzutun, daß sowohl aus fechnischen wie wirfschaftlichen Gründen ein' Verbot des Baues von Schnelläufermaschinen, wie sie die Marine auf ihren U-Boten ange— wendet hat, unberechtigt ist. Zur Ergänzung obigen Gutachtens fei jedoch noch auf einige wichtige Tatsachen hingẽwiesen.

Weder in irgend einer ihrer Noten über die Dieselmaschinen, noch an irgend einer anderen Stelle hat die Kontrollkommission selbst bisher jemals zum Ausdruck gebracht, worin die besonderen Merkmale gesehen werden, die den deutschen Schnelläuferdieselmotor als eine ausgesprochene U⸗Boottype kennzeichnen, und wenn . seine Ent⸗ wicklung und seine Anwendung vor dem n r einer Kritik würdigt, wird sie auch nicht in der Lage sejn, solche Merkmale festzustellen.

Am besten zeigt sich die Entwicklung vor dem Kriege an folgenden drei von der Maschinenfabrik Augsburg⸗Nürnberg in den Jahren 1993—= 1911 erbauten Maschinentypen, deren jede schon die ern hn, Merkmale der Maschinen trägt, die heute die Kontroll kommisston als „U⸗Bootetyp“ bezeichnet. Selbst. der Stahlguß ist dort, schon für Grundplatten und Zylindergestelle verwendet worden, Allein eine Betrachtung dieser drei auf anliegenden Photographien dargestellten Maschinen genügt, um zweifellos zu erkennen, daß es keinen Spezial⸗U⸗Bootstyp gibt.

Leistung Umdre⸗ Baujahr

hungen 1. 150 375 190314 Werft, Kiel Robinson Lt. London Zeichnungen Gempchh für fran zõsisch ompagnie r franz sische Frangaise des U⸗Boote Moteurs à Gaz, Paris Elektrizitãtswerk Linden bei Han⸗ nover Kanalisations⸗

werke Berlin 3 St 36 165 für U⸗Boot

l M französische Ma⸗ e rine CalipsoCirce 36 0b7 / 68 1911 deutsche Marine Lichtmaschi⸗ nenantrieb 3617/8.

Daß der Schnelläufer vor dem Kriege insbesondere in stationären Betrieben noch keine allgemeine Anwendung gefunden hatte, hat feine Gründe darin, daß der Entwicklungsbeginn kaum 10 Jahre vor dem Kriege zurückliegt. und daß man erst kurz vor dem Kriege imstande war, die Hauptschwierigkeit zu meistern, die der uneingeschränkten Anwendung entgegenstand und die auch mancher Lieferfirma noch eine gewisse. Zurückhaltung auferlegte, nämlich die unter bestimmten Ver⸗ hältnissen gefahrvoll auftretenden kritischen Schwingungen.

Ferner waren auch die Vorbedingungen, die heute den Schnell— säufer zu einer notwendigerweise viel begehrten Maschine gemacht haben, noch nicht in gleicher Weise gegeben. Weder waren die Materialpreise derart, daß sie zu einer besonderen Sparfam keit zwangen, noch auch die Kosten für Grund und Boden, Bauten und Fundamentierung. .

Schließlich lagen auch noch, ö. die vielen guten Erfahrungen über seine Bewährung vor, die die Abnehmer heute seiner Anwendung genen gemacht haben. .

. er Absatz der aus den Marinebeständen verbliebenen Maschinen in der Privatwirtschaft, insbesondere ihre guten Betriebsergebniffe in wirtschaftlichen Betrieben ist ein Beweis dafür, daß der bereits vor dem Kriege eingeschlagene Weg der Entwicklung technisch richtig und

4 u , . .

n den der Note vom 27. Oktober 1920 beigegebenen Gutachten sind bereits auch die verschiedenen ,, . ebiete angeführt, auf. denen der Schnelldufer-Dieselmotor eute nicht mehr entbehrt werden kann, und iss auf die schwer wie . für die deut sche Motoren⸗ in dust rie sowie die Hemmung in der Entwickkung und der Leistungsfähäigkeit Teutschtands auf einer Reihe von Gebieten hingewiesen, die ein Verbot des Weiterbaues ver— ursachen würde. Es ist gezeigt, daß der Schnelläufer⸗Dieselmotor eine bewährte , n E in Zentralen ift, wo beschränkte räumliche Verhältnisse oder die Unmöglichkeit, in der Feit, in wescher die Erweiterung der Zentralen erfolgen muß, neuen Platz und Auf⸗ stellungsgebäude zu schaffen, zu seiner Anwendung zwingen.

Es ist ferner auf das ausgedehnte Anwendungsgebiet als An triebsmaschine für Schiffshilfsmaschinen hin— gewiesen, wo selbstverständlich mit Rücksicht auf Raum- und Ge— wichtsersparnis nur der Schnelläufer in Frage kommt. Dieses Ab— satzgebiet wird sich immer mehr erweitern, nachdem jetzt die Oel⸗ maͤschinenschiffe in der Handelsmarine mehr und mehr Eingang

geliefert verwendet Abbildung

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finden. Aber noch, wichtiger und auzsichtgreicher ist die y, wendung des. Schnesläufers als Prepell er an frre n. maschine selbst, nachdem es gelungen ist, die Schwierigkeisen zu überwinden, die der Antrieb der Propeller durch eine Pieseh maschine mittels Rädergetriebe bietet. Die Firma. Blohm y hat bereits zwei Schiffe mit schnellaufenden Die selmotoren un Uebersetzungsgetrieben ausgerüstet. Das erste hat seine Prebefahn erfolgreich erledigt und wird in den nächsten Tagen seine Ausresse nach Amerika antreten. Zwei weiter Schiffe ollen demnächst in Bau genemmen werden. Die große Naum und, Gewichtserspamb die dauernd dem Frachtwum zugute kemmt, ist ein so überzeugendeß Grund, der Schnelsguserdieseslmasckine alg Antriebe maschine in . ah enn zu schaffen, daß es hier wohl keiner weiteren Aug. sührungen bedarf.

88 Handelsschiffbau kann der, schnellaufende Diesel. moter ohne schwere Schädigung der wirtschaftlichen Entwicklung ehensowenig entbehrt werden, wig in dem bereits im Gutachten won 27. Oktober 1920 angeführten Mot zorlokom otivh g u. Hör bietet vollends der schnellgufende Dieselmotor die einzige Mögsichfen, zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Ja es wird nötig sein, auf diesem Anwendungsgebiet noch zu höheren Grenzen in der Kon— struktion zu gelangen, als sie bither 5 sind. Ein Verbot dez Baues von Schnelläufermotoren würde die deutsche Motoren; in du stirüe, deren größere Firmen sich durchweg auf den Bau pon Schnel läuferdieselmaschinen eingerichtet haben und ihn betreiben, vern ichtend treffen. . ;

Wirtschéftlich gesehen, würde es übrigens einem solchen Verbot gleichkommen, wenn den Firmen zwar nicht geradezu der Bau bon Schnellläufermaschinen untersagt, wenn ihnen aber gewiffe be— schränkende Vorschriften hezüglich der Konstruktion solcher Maschinen auferlegt würden, beispielsweise durch die ',. gewisser Mindestgewichte, gewisser Mindestbestände der Zyllnder. voneinander, gewisser Mindestbauhöhen oder ,,, der Maschinen, er f Mindestpleuelstangenlängen oder dergleichen. Derartige Vorschriften würden die deutsche Dieselmotorenindustrie daran verhindem können, gerade diejenigen Maschinentypen zu bauen, die sich technisch und wirtschastlich am besten bewährt haben. Die deutschen Firmen wären damit auf den Bau solcher Typen beschrãnkt. die weder in Deutschland noch auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind.

Die eine wie die andere Maßnahme würde die deutschen . von der Entwicklung der erwähnten wichtigen wirtschaftlichen Gebiete ausschließen und sie vollendz auch von den augländischen Märkten verdrängen, wo der Schnelläufer ebenfalls bereits Eingang findet. Aber nicht nur die Motorenfirmen selbst würden betroffen werden und zum Teil. der Stillegung verfallen, sondern auch der deutschen Schiffahrt und der deut schen Fisenbahn wäre eine Weiterentwicklungsmöglichkeit ge— nommen. Daß ein Erliegen der bedeutenden deutschen Motoren industrie und ein solches Hemmnis der Entwicklung auf den gnge— führten Verwendungsgebieten die Leistungsfähigkeit des Deutschen Reichs in, seinen Verpflichtungen den Ententestaaten gegenüber sichtlich schädigen muß, bedarf keiner weiteren Ausführung. (W. T. B)

Zur Entstaatlichung der Reichseisenh ahnen und den damit zusammenhängenden Fragen hat die Reichs⸗ arbeits gemeinschaft technischer Beamten verbände am 18. d. M. zusammen mit dem Vorstand des Reichtz⸗ bundes Deutscher Technik, den Vorständen der technischen Eisenbahnbeamtenorganisationen und sonstiger sech— nischer Beamtenverbände, Vertretern der Reichs gewerkschaft Deutscher Eisenbahnbeamten nnd Mitgliedern des Reichswirtschaftsrats erneut Stellung genommen. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, wurde Uebereinstimmung über . Richtlinien erzielt:

1. Eine Ueberführun eisenbahnen in den unannehm bar. Der Besitz der Reichseifenbahnen muß unein⸗ geschränkt dem Reiche verbleiben.

2. Es ist aber eine durchgreifende Reform der Reichl

eisenbahn dringend notwendig, um die Wirtschaftlichkeit zu heben. Dazu ist vor allem erforderlich: die Reichseisenbahn zu einem selb— ständigen Wirtschaftskörper zu machen, d. h. sie aus den Fesseln

des Reichsetats und von der Diktatur des Finanzministeriums zu

befreien, ihre Finanzen so zu sanieren, daß sie in Zukunft selb⸗ ständig wirtschaften kann, sowie die politische Vertretung der Cisen= bahn im Kabinett, und Reichstag von der wirtschaftlichen (technisch= kaufmännischen) Leitung zu trennen. Ferner muß eine moderne technisch⸗kaufmännische Betriebs. und Geschäftsführung, die die Fach leute mehr als bisher entscheiden läßt, durchgeführt werden. Yee Selhständigkeit und Verantwertlichkeit der Beamten in allen Stellungen ist in ig ig! Weise zu erweitern; alle hemmenden bürgkratischen Vorschriften sind zu heseitigen. Die Reformen sind durch das Verkehrsministerium mit den Eisenbahnerorganisqtionen unter Hinzuziehung außenstehender sachkundiger Kreise, auch des Reichswirtschaftsrats, durchzuführen. .

3. Das Berufsbegmtentum ist auch in den Verkehtks betrieben beizubehalten, weil eg sich bewährt hat. Ueber die Frage ob für die leitenden Stellen Ausnahmen zu machen seien, waren die Ansichten geteilt. Entsprechend der zu vergrößernden Verantwortung. sind die Beamten der wirtschaftlichen Betriebe aus der allgemeinen Besoldungsordnung herauszunehmen und für gesteigerte Leistungen angemessen zu bezahlen.

Grosßbritannien und Irland.

Wie das Reutersche Büro“ mitteilt, sind die Ver— handlungen ber eng lischen Regierung mit, der ägyptischen Delegation gescheitert, da diese den ihr von Lord Curzon übergebenen Vertragsentwurf verworfen hat. Die Delegation wollte gestern London verlassen und nach Aegypten zurückkehren.

Der Ministerrat erörterte am Freilagnachmi die Antwort Ulsters, die, wie allgemein angenommen wird unnachgiebig im Tone ist.

. Rußland. .

Wie von zuständiger russischer Seite berichtigend mit geteilt wird, heißt es in der Note Tschitscherins betrgf ft der Aalandsinseln, daß die russische Regierung die Tell nahme Schwedens an der Aalandskonferenz als . unfreundliche Handlung betrachte (nicht „feindliche Hu ; . wie von „Wolffs Telegraphenbüro“, zuerst gemelde wur 2

Der Aufruhr in Ostkarelien breitet sich . Melbungen der finnischen Gesandtschaft in Berlin schnel e, Süden und Norden aus. Südwärts hat er bereits Reissärmt erreicht. Die Truppen der Bolschewisten, die verhãltnis mi gering an Zahl sind, haben die Flucht ergriffen oder ind um zingelt worden. Laut „Uͤnsi Suomi“ haben die Karelier 2 2000 Mann unter Waffen. Sie leiden jedoch Mangel Munition und Arzneimitteln. Die Truppen ber Karelier ind ö der Richtung auf die Murmanbahn vorgerisckt. Als . Ursa des schon seit langer Zeit in ber Bevölkerung gärenden Aufruhrs sin die von den Bolschewisten vorgenommenen zwangschushehun t! und Requisitionen zu betrachten sowie damit zusam men hin ge n Verhaftungen und Morde. Nach Meldungen des bf Telegraphenbüros“ aus Helsingfors haben die Ostkarelier ) dortigen Sowjetvertreter eine Erklärung zugesandt, in der

den Abzug der Bolschewisten fordern und Friedensverhandlungen

des Besitzes der Reichs, Besitz des Privatkapitals it.

gielen unter ber Bedingung der Einberufung einer karelischen

har we de genf. . dn, 2.

„trolle Finn ußlands über das Schicksa l⸗

il entscheiden soll. . Belgien.

Gestern haben in Belgien die Wahlen für die voll— sindige Neubildung der Deputierten kammer und gengtes stattgefunden. Die 1 Kammer zählte ß Ritglieder, und zwar 73 Katholiken, 70 Ce affen Liberale, 5 Mitglieder der Frontpartei, 2 Mitglieber der anlel der ehemaligen Kriegskeilnehmer, 23 Mitglieder der mniei der, nationalen Wiedergeburt, 1 Mitglied ber Mittel—= indäpartei, Der bisherige Senat umfaßte 120 Mitglieder, o Kar 3 Kathollken, 45 Lieberale und 14 Sozialisten. Der ue Senat wird nach dem Gesetz über die Umbilßung Ves

tz 153 Mitglieder umfassen, und zwar 93 aus Wahlen smorgehende Mitglieder, 40 von den Provinzialräten und won den Senatoren selbst gewählte Mitglieder. Die Fallen für die gesetzgebenden Körperschaften erfolgen auf fand des allgemeinen Stimmrechts nach dem Proportional— phlstgstem. Der Wahlkampf dreht sich besonders um die fröchenfrage und um die Herabsetzung der Militär— nanstzeit auf sechs Monate.

Anläßlich der allgemeinen Wahlen hat das Kabinett n König seinen Rücktritt angeboten.

Spanien.

Der Minister des Aeußern und der bevollmächtigte gesandte der Tschecho⸗ Slowakei haben dem „Wolffschen Eihraphenbüro“ zufolge Noten autgetauscht, auf Grund beren 1 banbelsabkomm en zwischen den beiden Ländern für eine hindesllauer von drei Monaten abgeschlossen wird.

Der frühere Kgiser Karl und seine Gemahlin sind gern in Funchal auf Madeira eingetroffen.

Im Senat fand eine Aussprache über Zolltarif⸗ agen statt. Liberale Redner bekämpften die schutzzöllnerische siltk der Regierung. Der Finanzminister Cam bo ani— tte mit einem Hinweis auf den Schutzzoll anderer Länder lsagte, der Tarif müsse gemäßigt protektionistisch sein bei iliger Berücksichtigung der Weltwirtschaftskrise.

Finnland.

die finnische Regierung beobachtet gegenüber dem sufruhr in Ostkarelien, der in den vier der finnischen hinz, benachbarten Gemeinden Tungutjärvi, Kümassärvi, sntlti und Pukajärvi ausgebrochen ist, nach Mitteilungen psnnischen Gesandtschaft in Berlin strenge Neutralität und nh die finnische Grenzbewachung angewiesen, die Bestimmungen k Dorpgrter Friedens genau zu befolgen. Die von der sischen e , n. in zwei Noten erhobene Beschuldigung, je . egierung habe r ; heicharen in Finnland geduldet, weist sie in einer gestern ver— fentlichten Antwortnote zurück. .

Der neuernannte deutsche Gesandte in Finnland, haetzp ert, ist in Helsingfors eingetroffen und von dem Personab nr deutschen Gesandtschaft und Vertretern des finnischen Ministerums des Aeußern empfangen worden.

An Stelle des finnischen Gesandten in 6 ĩ

shegleff, der durch Krankheit verhindert ist, den ihm ange—⸗ ungenen Posten als Mitglied des Völkerbundes zur en, nn albanischen Frage anzunehmen, wird der Professor der hhingforser Universität Dr. Se derholm diese Aufgabe

ihrnehmen. Schweiz.

Die Internationale Arbeiterkonferenz in Genf Einnte laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ vor⸗ fit der Diskussion über einen Antrag Schuerch betreffs der srbeitslosigkeit zu und verhandelte damit gleichzeitig über hen Antrag Barlow, der eine internationale Lösung der Frage m Cindernehmen mit den Organisationen des Völkerbundes ver—⸗ nt. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Dann nnze der Verwaltungsrat beauftragt, eine internationale smnferenz einzuherufen, die sich mit der Frage der Arbeits— siateit zu beschäftigen hätte. ßabst ier den Entwurf eines Abkommens in der Bleiweiß frage hb Annahme einer Empfehlung, betr. einen wöchentlichen sretag in Handelsünternehmung en, wurbe die Kon— ai Pschlessen. Der Präsident Lerd Burham führte in fer Schlußrede aus, daß dies die erste wirkliche internationale htteitzkonferenz gewefen sei, denn die Washingtoner Konferenz ie die Grundlagen geschaffen und die Konferenz von Genug mn merten mte einzelne Probleme behandelt. Dann fuhr ö P . * E. Die Konferenz hat eine reiche Fülle von Arbeitsmaterial erledigt. K bat: sicher hoch gespannte Erwartungen nicht erfüüt. und den Uttetetn sozial fortgeschrittener Staaten., wie Deutschland, im all⸗= siänen mehr Gelegenheit geboten, die eigenen Erfahrungen den ndern zur Verfügung zu stellen, als für das eigene Land wesent⸗ be Farischriste zu erzielen. Sie war aber gerade bon dem Wunsche bätet, auf dem Wege gegenseltiger Verständigung das inter— slimale Nivegu der *sozialen? Gefetzgebung * zu heben. ö, interesfgnteste Ereignis der Konferenz war jeden falls, daß sie 6. die Verkittung der sozialen Probleme mit der gegenwärtigen stschaftefrise und Valutakrife in Grscheinung treten Rieß. Fast ännhmelos ist von allen Delegierten die ÜUnhaltbarkeit des geßen⸗ nig weltwirtschaftlichen Chaos betont worden. Eine große Anzahl * bkommenentwürfen, die jedoch noch der Ratifizierung achde einzeknen Parlamente bedilt fen, ist angenommen worden. So Abkommen über tas Mindestalter der Schiffsheizer, die ärztliche ung der auf Schiffen beschäftigten Jugendlichen, das Koglitions⸗ Landarbeiter, die Enischädigung bei Landarbeitsunfällen, die „wendung von Kindern. in, der Landwirtschaft und endlich . heiß umstrittene Bleiweißfrage. Daneben wurde eine e bon Vorschlägen., auf dem Gebiete der Landwirtschaft gt; über den technischen Unterricht, die n, ,. der eit, Ausdehnung der sozialen Versicherungen auf die Land⸗ aßnahmen, betreffend nächtliche Arbeit der Kinder und lanhneEchlitz der Wöchnerinnen und Bestimmungen, betressend ll fenff und Schlafstätten der Landarbeiter. Endlich wurden zahl⸗ r Ent chiießiingen gefaßt, n. a. betreffend die Nachtarbeit von r und Frauen in den kfriegsverwüsteten Gebieten, betreffend . e hn über die Rohstoffrage und die Arbeitslosenkrise und ntschließung äber die 36 fiündige Wochenruhe.

Amerika.

uunhetber die Arbeiten der Washingtoner Konferenz lire Lorgestern laut Bericht des Wolffschen Telegraphen— Larlgszender amtlicher Bericht veröffentlicht: rt Lus schuß für den Stilken Szean und den . Osten hat gestern feine zweite Sitzung abgehalten. Der tal Kato gab dabei folgende Erklärung ab: . keen s eischeint der japanlicken Delegatien, daß die in China e nden Schwierigkeiten nicht geringer hinsichtlich seiner inneren kahn äußeren Lage find. Wir wänschen Frieden und Einigkeit al möglich wiederhergestellt zu sehen und wollen jedes Vor⸗

abe die Bildung und Ausrüstung der

Nach der Schlußabstimmung

gehen vermeiden, das als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas ausgelegt werden kann. Alles, was diese Konferenz tun kann, wäre scheint uns die auswärtigen Beziehungen Chinas zu zegeln und den Chinesen die Aufgabe zu überlassen, ihrer inneren Lage Herr zu werden.

2 Die japanische Delegation will der chinesischen Delegation und der ganzen Konferenz versichern, daß der Wunsch Japans dahin geht, die besten Beziehungen mit China zu unterhalten. Wir stimmen dem Grundsatz der Offenen Tür und den gleichen Erseichterungen für alle zum Handeltreiben in Ching zu. Was die Frage der Srterzitorialität betrifft, die vielleicht der wichtigste? Punkt in den Vorschlägen der chinesischen Delegation jst, fo beabfi ztigen wir, unsere Bemühungen mit denen der anderen Mächte zu vereinigen um zu versuchen, zu einem gerechten zufriedenstellenden Abkommen für alle Parteien zu gelangen.

Nach einer Havasmeldung hat sich die Neuner-Kom—

missiom . des Grundsatzes der territorialen

Integrität sowie des Grundsatzes der Offenen Tür und der Gleichheit der Behandlung aller Nationen in Eh ina ausgesprochen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Das Statistische Reichsamt teilt mit: Bei der Veröffentlichung der Reichs inderziffer für die Lebenshaltungskosten im Monat Oktober d. J. ist die Steigerung der Ausgaben gegen den Monat Januar d. J. irrtümlich mit 414 p59 wiedergegeben worden. Die Steigerung betrug in Wirklichkeit 21, bvö.

Arbeitsstreitigkeiten.

In Kiel hatte, wie W. T. B.“ meldet, die Arbeiter⸗ schaft der Germ anig werft vor einigen Tagen die Forderung auf ein einmalige Wirtschaftsbeihilf e in Höhe eines durchschnitt⸗ lichen Monatsverdienstes gestellt und dieserhalb vor dem Verwaltungs gebäude eine Kun dge bun g veranstaltet. Auch die Arbeiten wurden teil⸗ weis , . konnte dem Verlangen jedoch nicht entsprechen, da sie erst mit den anderen Werften, und mit der Generaldirektion in Essen sich verständigen mußte. Die Arbeiterschaft hat daraufhin heute die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Die Direktion der Germaniawerft hat nunmehr die fosortige Ent lassung der Gesamtarbeiterschaft ausgesprochen.

Aus Neapel berichtet W. T. B.“, daß die Eisenbahner dort in den Aus stand getreten sind, der allerdings nur teilweise durchgeführt wird. Die Regierung hat auf Grund des Gesetzes, das den Ausstand in öffentlichen Betrieben verbietet, drei Rädels⸗ erf, entlassen und weitere Maßnahmen gegen andere Streikende getroffen.

Nach einer vom W. T. B.“ übermittelten Meldung des Sunday Expreß“ aus Bombay beträgt die Zahs der dort im Aus st and befindlichen Arbeiter mehr als §6600.

Kunst und Wissenschaft.

Den zweiten dieswinterlichen Vortrag in der Akapemie der Wissen⸗ schaften hielt am Sonnabend Herr Holl über das Thema: Tol˖stoi nach seinen Tagebüchern. Es sind, wie der Vortragende einleitend hervorhoh, genau 11 Jahre her seit der greise Tolstoi von Haus und Familie fort in den zussischen Winter hingus floh, um endlich die idealen Forderungen seines religiösen Glaubens im Leben zu erfüllen, und dabei den Tod fand Er ist uns zum Schickꝗsalsmenschen ge— worden, der vor uns hin tritt, wenn sich uns in den Umwälzungen der Gegenwart, die bange Frage aufdrängt, ob das Christentum einer Erneuerung . ob ihm nur ein letztes Aufleuchten vor dem Er⸗ löschen beschieden, oder ob es ihm gar bestimmt sei, schmählich in einem Meer von Lüge und Verstellung zu versinken. Welcher Art war Tolstois Glaube und wie hatte er ihn ng, Als Hauptquelle für die are n der inneren Entwicklung Tolstois mußte bis vor kurzem seine Beichte“ genügen. Wie alle derartigen Selbstbekenntnisse, bietet diese Schrift aber nur ein stilisiertes Bild, in dem eine Ent— , als das Ziel der Entwicklung dargestellt ist. Ungleich wertvoller sind die in den Jahren 1913 und 1916 veröffentlichten „Tagebücher“, deren erster Band Aufzeichnungen aus den Jahren 1847 bis 1872 umfaßt, während im zweiten solche aus den Jahren 1895 bis 1899 enthalten sind. Diese meist kurzen Notizen bieten die wahre Lebensheichte des großen Russen. Der Vertragende ging vom zweiten Band des Tage⸗ huches aus, schil derte auf Grund dieser Quelle Tolstois Persönlichkeit im letzten Abschnitt seines Lebens, um dann an den Aufzeichnungen des ersten Bandes die Entwicklung zu verfolgen, die zu jenem Ziele führte. Im Alters tagebuch erscheint Tolstoi völlig in sich selbst zurückgezogen. Die äußere Natur, zu der, er nie ein inniges Ver⸗ hältnis besessen hatte, wie es uns z. B. bei Goethe entgegentritt, die ihm vielmehr auch in jüngeren Jahren nur der Schauplatz für handelnde Menschen gewesen war, scheint ihm hier völlig fern und fremd zu sein. Aber auch die Menschen sind dem Greise . ge⸗ worden. „Seit ich alt geworden heißt es in, einer Aufzeichnung zu Ende der neunziger Jahre fange ich an, die Menschen zu ver⸗ wechseln. Sie sind für mich zu einem Typus geworden.“ Das Mitgefühl ist auch erkaltet und selbst dem engsten mensch— lichen. Verhältnis, der Ehe, stellt er sich fremd, ja feindlich gegenüber und nur einmal klingt in den Aufzeichnungen ein warmer Ton der Erinnerung an heseligende Gattenliebe auf. Und doch ist der Alte nur nach außen 6a geworden; die ganze geistige Kraft ist nach innen gerichtet und ringt unausgesetzt um die großen letzten Fragen, um Tod und Leben, Wirklichkeit oder Unwirk⸗ lichkeit des Körperlichen, Einzelleben und. Allnatur. Dieses, seinem ganzen Wesen nach religißse Innenleben ist durchaus vom Christlichen beherrscht. Es will das Christentum als die allein vernünstige und natürliche Religion erweisen und in sich aufnehmen. Religion empfand Tolstoi völlig als eine innere perlsönliche Offenbarung der Gottesgemeinschaft. Aufzeichnungen aus den Jahren 1895 und 1896 gewähren überraschende Einblicke in, diese Gefühls⸗ welt. In der Stille, nach getaner Arbeit, erfährt er die Höhepunkte seines religiösen Lebens; da fühlt er plötzlich, beseligend Gottes Nähe, fühlt daß er ein Teil des Ein und Allen und dazu bestimmt sei, auf der Erde etwas zu wirken. In dieser Gewißheit erfüllt ihn ein tiefes Dankgefühl. Es fällt auf, daß diese religiösen Erlebnisse erst so spät eintreten; Tolstoi stand im 69. Jahre als er über sie die Eintragungen in das Tagebuch machte. Ebenso beachtenswert ist aber die andere Tatsache, daß die Wirkung dieser Erlebnisse äußerst gering war. Auf die Erhebung pflegte

schnell tiefe Traurigkeit und Dumptheit zu folgen. Man erkennt, daß

die Religion Tolstoi mehr Sehnsucht als Erfüllung war. Sein Wille unterlag immer wieder im Kampf um die Einlösung der als zwingend anerkannten sittlichen Forderungen. Tolstoi fand ebenso wenig die Kraft, dem Luxus zu entsagen wie die Forderung der Friedens liebe zu erfüllen. Und doch war er deshalb weder ein Schauspieler noch ein Ppikureiicher Genüßling, vielmehr war seine Frömmigkeit und

i sstät aufrichtig und sein Ringen um sittliche Vervollkommnung ernsthaft. Wie erflärt sich dieser Zwiespalt? Was trieb Tolstoi auf steilem Pfad nach so hohem Ziele und was hemmte ihn auf diesem Wege? Das Jugendtag ebuch gibt hierüber die wert- vollsten Aufschlüsse. Es führt bis in die erste Studentenzeit Tolstois zurück, dessen äußeres Leben sich nicht von dem seiner jungen vor— nehmen Standesgenossen unterschied. In dem Jüngling aber regte sich schon lebhaft das Bedürfnis, diesem auf das Aeußere gerichteten Dasein einen bedeutenden Inhalt zu geben; auch das Gefühl, zu einer besonderen Sendung berusen zu sein, ist in ihm bereits wach Im übrigen beherrschte ihn die Gedankenwelt der französischen Aufklärung; doch drängt sich in sie bereits der mystische Jug der Hingabe an den Alleinen und der über jene kinausreichende Gedanke, daß man nicht für sich, sondern für die Menschheit lebe. Hier erkennt man bereits den Kern des Glaubens, dem Tolstoi Zeitlebens treu blieb. Die ser Glaube war vernunftgemäß und stand vielfach im Gegensatz jum Glauben der griechischen Kirche, mit der Tolstoi

gleichwohl den Zusammenhang aufrecht erhielt. Der junge Tolstot betete viel und fand im Gehet ein wonniges Gefühl der Erdentrückt= heit und der Gottesgemeinschaft. Amen Stimmungen werden von agebuch anvertraut, wie sie der alternde Mann 45 Jahre spater , . Eine wahrhaft erhöhte sitt—⸗ liche Kraft vermochte aber der Jüngling ebensowenig wie der Mann aus dieser Religiostlãt zu schöpfen. Die Frömmigkeit brachte ihn innersich nicht weiter, ja ie lullte ihn gelegentlich ein, jebenfalls war sie keine das Leben be—⸗ einflussende Macht. Dieses führte den Jüngling vielmehr zu Genuß und Abenteuern. Der junge Graf wird BGardeosfizier, als solcher macht er den Türkenkrieg bis zum Sturm auf Sebastopol mit. Das Soldatenleben sagt ihm zu, wenn es ihn auch nicht auszufüllen ver⸗ mag. Der Dichter in Tolstot erwacht. Stoff seiner Dichtung ist von Anfang an der Mensch, vornehmlich das eigene Ich. Von vorn— herein e hnust sich seine Dichtung auch nicht mit emner realistischen Wiedergabe der Geschehnisse, sondern will auf den inneren Menschen wirken, will beeinflussen und belehren. Nach Be⸗ endigung des Krieges verläßt Tolstos die Offizierlaufbahn, nachdem die Aussicht, Flägeladiutant des Zaren zu werden, nicht erfüllt war. Ein Widerwille gegen das Gewalttätige des Kriegshandwerks wird in ihm wach. Er beschließt, sich gan; der Schriftstellerei zu widmen. Der junge gärende Geist aber findet auch in ihr kein Genüge und ermangelk des festen Haltes; es folgen Jahre wilden Genußlebens, in dem der junge Dichter zu versinken droht. Der Gottesglaube in ihm scheint erloschen, die sittlichen Kräste scheinen bis auf ein fast weiblich zartes Schamgefühl ge— schwunden zu sein. Da erfährt Tolstol eine tiese seeltsche Erschütte⸗ rung, die ihn ein neues Leben beginnen läßt und eine Ent— pichlung einleitet, die gun bis zum Lebensende ununterbrochen fortläuft. Auf einer Reise in Frankreich wohnt er einer Hinrichtung bei, bald darauf sieht er den geliebten Bruder qualvoll sterben. Auch auf dem Schlachtfeld hatte er den Tod ge⸗ sehen, jetzt erst packte es sein Innerstes und erfüllte ihn mit tiefem Grauen. Der Gedanke an den Tod gewinnt Herrschaft äber ihn und dieser Gedanke wird der Ausgangspunkt der ganzen weiteren religiösen Entwicklung Tolstois. Was vermag ich dem Tod ent— Chen zu sttzen? bleibt ihm fortan die wichtigste Frage. Der dem Verstande so einleuchtende, alles aufs beste ordnende Gott der Auf⸗ klärungsepoche ist ihm jetzt verblaßt. Drohend steht der Tod vor ihm. Welchen Inhalt kann man dem Leben geben, um ihn zu be— siegen? Er erkennt, daß alles trügerisch ist, als Gott allein, und er findet den Zusammenhang mit diesem Gott in dem stillen Leben auf seinem Gute unter den still arbeitenden, gott— ergehenen Bauern. Zehn Jahre lang beglückt ihn das Gefühl der . in unbewußtem Handeln. Die großen Romane „Anna karmina“ und „Krieg und Frieden“ entstanden in dieser stillen Zeit. Dann verlangt die zu weiterer Entwickelung drängende Kraft seines grüblerischen Geistes neue und höhere Ziele; die Gottfried Kellersche „vernünftige Klarheit“ genügt diesem Geiste nicht. Das Bewußtsein von der Vergänglichkeit draͤngt sich von neuem hervor, das reiche Glück, das ihn umgibt, wird ihm zur Last. Da blickt er auf das mühselige Volk, das um ihn lebt, das in aller Not unbeirrt seinen Erdenweg geht. „Es hat Gott vor Augen, es lebt für seine Seele. Dieses Vorbild weckt bon neuem Tolstois religiöses Gefühl. Die Er— kenntnis des Zusammenhangs von Ursache und Wirkung konnte ihn nicht befriedigen, drohte ihn vielmehr zu vernichten; neue Erkenntnis, daß das „Gute“ ganz unabhängig von jenem Zusammenhang ist, gab ihm die innere Freiheit zurück. Hier erwelst sich Tolstot wieder als der ernste, nachdenkliche Mensch; auf den Namen „Prophet“ hat er aber keinen Anspruch. Er versuchte jetzt den orthodoxen Glauben der Bauern zu erfassen und ihm nachzuleben, fühlte aber bald, daß er sich die Dogmen der Kirche innerlich nicht anzueignen vermochte. Sie sich dichterisch zu umschreiben, verschmähte er aus Wahrhaftigkeit. Er wußte, daß die Religion etwas Tatsãchliches sei, nicht eine schöne Form ästhetischer Lebensbetrachtung. Tolstoi vertiefte sich nun in die Evangelien: Liebe und Selbstaufopferung er⸗ kannte er als den Kern Dm sflicht: Gesinnung und einzige Quelle rechten Handels. Jede Anwendung äußerer Machtmittel schien ihm auch bei der Bekämpfung von Unrecht und Uebel als „unökonomisch“, da Liebe und Selbstaufopferung eher und sicherer alles Schlechte ent⸗ waffne. So erfaßte Tolstoi allein die passive Seite des Christen— tums, seine aktive Seite, das Aufbauen und Weiterbilden in christQ— licher Liebe, lehnte er ab; nach seiner Meinung ist es nicht die Aufgabe des Christentums. Gutes handelnd zu schaffen. sondern nur das Böse leidend zu bekämpfen. Was das Phänomen der Persönlichkeit angeht, gelangte Tolstoi zu einem verzichtenden Standpunkt. Er entsagte den Glauben an eine persönliche Fortdauer. „Die Individualität ist nur die farbige Laterne, in der das Licht der Gottheit strablt“. Liebe übend wird der Mensch aber ein Glied in der Kette der Wirkungen und dadurch der Zeit üherlegen. Aus der passiven Auffassung der christlichen Gedanken kam . schließlich zu einer völligen Ablehnung unserer Kultur und des modernen Staates. Zugleich aber war er der An— sicht, daß aus unserer fälschlich Kultur genannten Unkultur weder der Sozialismus noch der Anarchismus hinaussühren könne, denn jener bediene sich selbst der rohen Machtmittel des von ihm bekämpften Staates und dieser löse die Bindungen auf, die den Menschen über das Tier erheben. Das ursprüngliche Christentum, wie er es 3 schien ihm den einzigen Rettungsweg aus dem der Menschheit drohenden Untergang zu eröffnen. So schließt sich in Tolstoi der Dichter und der religiöse. Mensch zu einer seltenen Einheit zusammen. Als Dichter erfaßie er die Sittlichkeit des Christentums, ohne sich selbst zu ihr erheben zu können. Wo er irrenden Menschen in Not begegnete, 5 es ihn weniger, ihnen zu helfen, als sie zu beobachten; er sah in ihnen in erster Linie einen ,, Stoff für seine Dichtung. Die Tage⸗ hücher sind reiche Quellen auch für die Kenntnis des dichterischen Schaffens Tolstois. Er nahm es ernst damit. Er wollte mit seiner Dichtung sittlich wirken, und sittlicher Ernst führte ihn in der Ueber— spannung dazu, seine Kunst, ja alle Kunst, zu hassen. Was ihn zur Religion trieb, war der Gedanke an den Tod. Dieser Furchtgedanke führt den Menschen aber nur in den Vorbof der Religion. Ihr Allerheiligstes erschließt sie allein den mutigen Seelen, den Starken, die wie Pauiutz und Luther die Wahrheil des Worts er⸗ faßten, daß nur der sein Leben gewinnt, der es verliert Tolstoi bangte stets vor dem Tode und dem Unbekannten, hing also fest an der holden Gewohnheit des Lebens das ihm aber durch den drohenden Schatten des Todes verdunkelt blieb; deshalb erschien es ihm auch als ein Wunder, wenn er in 5 religiöser Exhebung Gottes Liebe erkannte. Daher bleibt Tolstoi uns zwar der große Dichter, der ernstringende und in seinem Menschentum erschütternde Mensch, ein religiöser Führer vermag er unserem Geschlecht aber nicht zu sein. t.

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dem Jüngling dem

Die n , ,, ,. bei

Paul Cassirer wurde gestern, am 209. November, eröffnet. Es ist möglich gewesen, gegen vierzig der wichtigsten Bilder sowie eine Reihe von Aquarellen und Zeichnungen für drei Wochen aus deutschem Privatbesitz für die Ausstellung zu gewinnen.

Am Sonnabend fand in Prag die Promotion Gerhart Hauptmanns zum Ehrendoktor der Philosophie der dortigen deutschen Universität statt.

Literatur.

Erinnerungen von Ernst plener. Dritter Band. Abgeordnetenhaus und Ministerium bis i595 Herrenhaus 19060 bis 1918. (Stuttgart und Leipzig, Deutsche Versagganstalt 1921. Beh. M6 40, geb. A 50. Der österreichische Staatsmann, Geheimer Rat Ernst Freiherr von Plener, geboren in Eger, ist am i8. Oltober dieses Jahres 89 Jahre alt geworden. Sein Erinnerungewerk ge— langt mit diesem dritten Band zum Abschluß. Der Band behandelt zunächst den Niedergang und das Ende Taajes (1893), das Koalikionsmintsterium (bis 1895), Pleners Aus- tritt aus dem Abgeordnetenhaus nach 22 sähriger Wirtsam⸗