1921 / 274 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

ven Erziehung und Errerbebefähi— Herufsbefähigung, und die erforder⸗ gewähren sei. An der Aussprache

Mäller⸗Otfried (D. Nat), Frau Neu⸗

un Pfülf (Soz.). Frau Dr. Lüders (Dem.), Abg. Leuthhäusser (D. Volker.) und Abg. Dr. Mumm 1D. Nat.) teil. Der sozialdemokratische Antzrag, die öffentliche Unterstützung auch auf die, Berufẽéausbisdung zu erstrecken, wurde abgelehnt und 8 56G unten Ablehnung der Anträge der Linken mit einer kleinen Erweiterung an⸗ genommen.

Der durch Reichstagsbeschluß vom 19. Nobember 1921 ein⸗ gesetzte Enterfuchungtzausschuß zur Prüfung der Zu stände in den Strafanstäarten stest als Ergebnis seiner Untersuchungen in der Strafan stalt TLäichtenburg fest: „Von keinem der Gefangenen sind Klagen über die Anftalts— verwaltung oder schlechte Behandlung durch das Anstaltspersonal eder über die Verpflegung und Unterbringung geäußert worden. Die danach Befragten erklärten, daß der Hungerstreik sich nur gegen das gefällte Urtei, dem sie die Er⸗ flärung reiheit oder Tod“ entgegensetzten, und gegen die Not, die ihre Familien leiden, gerichtet habe. Wenn auch manche von den Verweigerern der Nahrungsaufnahme blaß und geschwächt aussahen und einige Störungen der Magen⸗ und Darmfimktionen sowie der Herztätigkeit aufwiesen, fo bestand doch nach Ansicht des ärztlichen Mitglieds des Untersuchungsausschusses eine ernstliche Lebens- gefahr für keinen.

nach Torgau verlegten 31 Gefangenen fowie der Dis lozierung der übrigen in das Lazarett und in Aufenthaltsräume für zwei oder drei Gefangene in Lichtenburg hat sich nach Angabe der Anstaltsbeamten ohne jede Gewaltanwendung und mit größter Schonung vollzogen. Entgegenstehende Angaben der Gefangenen wurden nicht vorgebracht. Am Tage des Besuches hatte bereits ein erheblicher Teil den Hunger⸗ streik aufgegeben. Brod auf (Dem), Bruhn (D. Nat). Dr. Grotjahn (Soz.), Dr. Herzfeld (Komm.). Merck (Bayer. Volksp.), von Reh⸗ binder (3entr.), Rippler (D. Vp. ), Dr. Rosenfeld (Unabh. Soz.).

Der Ausschuß des Reichswirtschaftsrats für Produktionskredit beschloß in seiner Sitzung am 22. No⸗ vember, die Besprechung der Bildung von Kredikverbänden der Indu strie oder besonderer Industriebanken, insbesondere des Vorschlages von Dr. Jordan⸗Malinckrodt zu verschieben, bis die Frage der schweben den Kreditaktion (Kreditvereinigung der deutschen Gewerbe, Antrag Hachenburg) entschieden ist.

Der Ausschuß beschäftigte sich sodann mit den Einzelvorschlägen, die bei den bisherigen Verhandlungen gemacht worden sind. Be⸗ schlüsse wurden zu folgenden Punkten gefaßt: „Der finanzpolitische Ausschuß soll ersucht werden, die Verhältnisse zu prüfen, wis sie sich infolge der Vorschriften über die Auskunftspfli cht der Banken gegenüber den Steuerbehörden heraus⸗ gebildet haben, und gegebenenfalls eine Abänderung dieser Vorschriften ins Auge zu fassen.“ Ferner wurde an den finanzpolitischen Ausschuß folgender Beschluß gerichtet: Im Ausschuß für Produktionskredit ist die Frage angeregt worden., ob durch die starke Inanspruchnahme der Banken durch Kreditgewährung für Kassegeschäfte in Wertpapieren die Mittel der Banken für gewerbliche Kredite nicht allzusehr eingeengt werden. Der Ausschuß ersfucht den finanzpolitischen Ausschuß, darüber zu beraten, ob die Wiedereinfüährun g des Börsenterminhandels geeignet scheint, die deutschen Kreditverhältnisse zu erleichtern.“ Mit der Ausgestaltung des Mobiliarkredits, insbesondere mit der Ausgestaltung der Sicherheit während der Verarbeitung und mit der Förderung der Ausgabe von Obligationen durch die mittlere Industrie zur Krediterleichterung, wird sich der Ausschuß im Anschluß an bestimmte Vorschläge des Mitglieds Direktors Kraemer demnächst beschäftigen.

Der 3 , des vorläufigen Reichswirtschafts— rats sowie der Ausschuß für Siedlungs- und Wohnungswesen hielten heute Sitzungen.

Ledensbedarf. ernnschließlich ;. 8 B 8 Ul) 2

* 26. * * ö. aus (Zentr.), Frau

Statistik und Volkswirtschaft.

Arbeitsttreitigkeiten.

In Esssen sind, wie W. T. B. erfährt, die Straßen“ bahner gestern mittag in den Ausstand getreten. Es handelt sich bei dem Ausstand um einen wilden Streik, dem jegliche Unterlage fehlt. In den Verhandlungen der beiden Parseien unter dem Vorsitz des Staatskommiss ars Mehlich in Dortmund war eine pollkommene Einigung erzielt worden. Auch die Gewerk— schaften mißbilligen den Ausstand.

In Homburg in der Pfalz sind, laut Meldung des ·W. T. B. aus Saarbrücken, gestern die Arbeiter der elek.; trischen Ueberlandzent rale Homburg wegen Tohnforde— rungen in den Aus st and getreten. Die ganze Westpfal; und Saar— pfal; sind ohne Strom.

Die ausständigen Eisenbahner des Reapeler Direktionsbezirks beschlossen, wie dem . W. T. B. tele⸗ graphiert wird, in einer Versammlung die Wiederau fnahme

der Arbeit für gestern, Dienstag.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ mas,regeln. Dem Reichsgesundheitsamt ist das Erlöschen der Maul—

und Klauenseuche von den Schlachtviebhöten in Dresden und Plauen i. Vogtl. am 19. November 15921 gemeldet worden.

Der. Vizedirektor des Pasteur Instituts Calmette machte der Pariser Akademie der Wissenschaften die Mitteilung, daß er einen neuen Impfstoff gegen die Tuberkulofo entdeckt habe

Vachweisung über den Stand von Viehseuchen in Oesterreich in der Zeit vom 26. Oktober bis 2. November 1921.

(Nr. 4 der Amtlichen Veterinärnachrichten.)

Notz Malleus) Rãäude Scabies) Motlauf der Schweine Er ysipelas suum)

Klauenseuche (Aphthae

Schweine pest Pestis suum)

Maul⸗ und

der verseuchten

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Der am Abend vorher erfolgte Abtransport der

Wohl fahrtsp fler.

Anläßlich des Ju biläms des 75 jährigen Bestebens der Firma Carl Zeiss in Jena faßte das Kuratorium der Stiftungen dieser Firma nach einer Meldung von W. T. B.“ folgenden Beschluß: 1. Die ö Pension der ensionsbezieher wird mit Wirkung vom 1. Oktober d. F. ab um je v. H. erhöht. 2. Der Unterstützungsffonds wird von 475 009 4 auf 750 05h 14 erhöht. 3 Der Stadt Jena wird zur Unterstützung bon erwerbe— losen Schwerkriegsbeschädigten aus Jena und der nächsten Umgebung ein Kapital von 100 000 . 4 überwiesen, das mit seinen Zinsen in längstens zehn Jahren verbraucht werden soll.

Theater und Mu sik.

Kammerspiele im Less ing mu seu m. . Auf der kleinsten aller Berliner Bühnen, nämlich der, im Saal des Lessingmuseums, wo nun dauernd unter der Leitung don Alexander Runge das Kammerspiel gepflegt werden soll, fand gestern als Exöffnungsvorstellung die Erftaufführung eines drei⸗ aktigen norwegischen Schauspiels Der Narr“ von Peter Egge in der Uebersetzung von Heinrich Goebes statf— Der Verfasser wandelt, wenigstens im Dialog seines Stückes auf Ibsens Spuren, ohne viel Eigenart zu bekunden. Der Narr ist der Redakteur Nicolay Tonning, der das Glück auf jeine Art sucht, es aber weder in seiner Che, in der ihn, ohne sein Wissen, seine Frau mit seinem Freunde, dem Justizminister Vegaard, hintergeht, findet, noch nach seiner Scheidung, für deren Durchsetzung er seinen Freund, eben den Justizminister, in Anspruch nimmt, um mit der Tochter des Tischlenmeisters Hegre, die ibm einen unehelichen Sohn geboren, eine weite Ehe eingehen zu können. Die spätere Erkenntnis, von seinem Freunde dem er obendrein seine Stellung als Archivar zu ver⸗ danten hat hintergangen zu sein, ruft bei ihm einen Ver⸗ zweiflungfausbruch hervor, der, sich noch steigert, als ihn die Geliebte, nachdem das Kind gzestorben ist, auch, ihrer⸗ seits verläßt. Als er seiner geschiedenen Frau, die nach dieser Szene bei ihm eintritt, versichert, daß seine Geliebte wiederkommen werde, ruft ihm die Geschiedene das Wert „Narr!“ zu, womit das Stück endet. Aus dieser Handlung ist schon ersichtlich, daß man es hier mit einem Spätling des Na—⸗ turalismus zu tun hat. Das Stück bietet mit feiner eingehenden Psychologie den Darstellern lohnende und dankbare Aufgaben. Ihrem vortrefflichen Spiel war es denn auch zu verdanken, daß die Spannung his zum Schluß anhielt. Ausgezeichnetes leistete besonders Erwin Kopp, der die Hauptgestalt verkörperte, fowie Wolf Trutz, der den gekränkten Vater der Geliebten des „Narren“ spfelte. In der Rolle der, letzteren brachte Margarete Clavjee die Ergebung, mit der das Mädchen ihr Schicksal trägt, eindringlich zum Ausdruck. Der Bei⸗ fall des Publikums galt denn auch woht mehr der Darsteslung als dem Stück. h.

Theater in der Königgrätzer Straße.

Frank Wedekinds fünfaktiges Schauspiel 36 . „Der Zwergriese“') das jetzt selten gespielt wird, seiner Zeit aber in hohem Maße die öffentlichs Aufmerkfamkeit durch die eiferpvolle Ver⸗ fechtung einer neuen Moral erregte, ist jetzt in den Spielxlan des Theaterg in der Königgrätzer Straße aufgenommen worden. In einen wie starken Gegensatz zu Ten berrschenden Sittenanschauungen der Verfasser damit tritt, gibt er selbst in dem Schauspiel mit fast grausamer Offenherzigkeit zu; während die einen Den Verkünder der neuen Moral, die ihr Ziel in der Heranzüchtung schöner Rassenmenschen sieht, für wahnwitzig erklären, schätzen ihn? die anderen als einen Possenreißer ein. Und doch war es Frank Wedekind ernst um die neue Bewertung der Begriffe; wenn er selbst die führende Rolle in seinem Drama spielte, schaute trotz des Pathos seiner Rede (er war nur ein mäßiger Schauspieler) der Fanatiker mit brennenden Augen seine Hegner an. Dem Gedankengang Wedekinds willig zu folgen, ist freilich der Welt auch heute nicht gegeben, wie in dem Schau spiel selbst die Umwelt sich der neu erfonnenen Beglückungstheorie haͤrt—⸗ näckig verschließt. Immer noch konzentriert fich aber die Aufmerksam⸗ seit des Publikums auf die Worte, die der Dichter seinem weltweisen Karl Hetmann in den Mund gelegt hat. Freilich überzeugt Ludwig Hartau, der jetzige Vertreter der Rolle, trotz reiche rer darstellerischet Mittel, darin nicht fo sehr wie einst der Eiserer Wedekind selbst. Charlotte Schul, deren künstlerischer Werdegang, wie man bei jeder neuen Rolle feststellen kann, noch immer im Aufstieg begriffen ist, spielt mit Hingebung die Fanny Keitler, die in dem Weltbeglücker hauptjächlich den Menschen liebt. Vortreffliches leisten fernen die Herren Johannes Riemann (Rudolf Launhart), Paul Bildt (Gelling⸗ hauen) Ernst Dernburg (Morosini und von Twardowgki (gon Brühh. Ernst Wesisch bat als Spielleiter unter geschickter Mithilfe des Malers Krehan das Schauspiel in einer Stilisierung herausgebracht, die der Phantastik der Wedekindschen Mufe entspricht. p.

Im, Opern hause wird morgen, Donneretag, Figaros Dochzeit! mit Elisabeth Rethberg vom Landésthénte? in Dresden als Gräfin aufgeführt. In den übrigen Rollen sind die Damen Artöt de Padilla, von Catopol⸗Batteurx, von Scheele⸗ Müller, Freyer und die Herren Schützendorf, Ziegler, Bachmann, Denke, Philipp und Krasa beschäffigt. Dirigent ist Dr Stiedry. Anfang 67 Uhr. Als eine Veranstaltung der Tef sing⸗ hochschule geht am Sonnabendnachmittag im Opernhause erstmalig Erwin und Elmire“, Schauspiel in zwei Akten von Wolfgang Goethe, Musik von Anna Amalie, Herzogin bon Sachsen, in Szene. Die musikasische Leitung Fat“ der General musikdirektor Balling vom Staatstheater in Darmstadt, die Sxielleitung. Dr. Georg Droescher übernommen. In den Haupt⸗ rollen sind die Damen Jäger⸗Weigert, v. Scheele⸗Müller, die Herren Batteux und Henke beschäftigt. Den einleitenden Vortrag halt der ,, Geheimrat Dr. Friedländer. Anfang pünktlich r.

Im Schau spiel hause wird morgen zum 300 Male . 9 mit Günther Hadank in der Titelrolle gegeben. An ang Uhr. Das deutsche Operngastspiel in Madrid wurde, wie W. T. B.“ meldet, mit Parfifal“ vor gut besetztem Hause in Anwesenheit des Hofes eroͤffnet.

Mannigfaltiges.

Der Polizeipräsident von Berlin erlãßt folgende Bekanntmachung:

Unlautere Elemente haben in den letzten Tagen Versammlungen unter freiem Himmel, Straße numzüge und Straßen demonstrationen dazu benutzt, um zu allgemeinen aufzuhetzen. Sinnlose Zerstörung und Plünderung von Läden aller Art, Gefährdung der Lebengmittelversorgung von Berlin und Festnahme von bis her über 100 Personen, zum größten Teil unreifer albwüchsiger Burschen, die jetzt schwerer ,, entgegensehen, sind der Erfolg dieser verbrecherischen Tätigkeit. verbiete daher wegen unmittel. barer Gefahr für die öffentliche Sicherheit auf Grund des Artikels 123 der Reichsperfafsung bis auf weiteres allöe Rerfam m lungen unter freiem Himmel, also auch alle K ge und Straßendemonstratio nen. (W. T. B.

In der gestrigen außerordentlichen Sitzung der Berliner Stadtverordneten wurde nach längerer Ge— schä täordnungsaussprache die Wahl der drei Vorsteher?“ stellvertzeter vorgenommen. Gewählt wurden die Stadt⸗ verordneten Fabian (2. Nat.), Dr. Oskar Meyer (Dem ) und Schwarz X. Vp). Nachdem auch die Wahlen der Bessitzer ujw. glatt vollzogen waren, wandte sich die Versammlung den Vorlagen des Magistrats über die Erhöhung der Gehälter für die B eamten, Angestellten und Arbeiter zu. Die Vorlagen wurden mit einigen dazu gestellten Anträgen einem usschuß zur Vorberatung

überwiesen, desgleicken die neus Vergnüůgungssteu et ord- nung. Letzter Gegenstand der Tagegordnung war die Mag fr vorlage auf Bereitstel!Ulung von neun Mjllionen Nan aS Winterunterst ‚tzung für die min der bem ittel! Bevölkerung. Die Aussprache darüber dauerte nach jehn lie Abends nech fort.

Lüneburg, 22. November. (W. T. B.). Gestern abe brach in dem einsam gelegenen Forst hause Elba ein . aus. C3 konnte Fichts gerettet werden. Di el. Kin de des Försters, ein Knabe von drei Jahren und zwei Mädchen bon 12 bezw. 16 Jahren kamen in den Flammen u m. Big andere Kinder wurden gerettet. Zwei Kühe, sechs Schweine unt sämtliches Geflügel sind mitverbrannt. Man vermutet Brandffifin durch Einbrecher.

München, 23. November. W. T. B.) Eine Reihe per. verragender Vertreter der Regierungen, wirt, schaftlicher Srganisationen und der Presse, an der soeben beendeten Internationalen ͤ konferenz in Genf teilgenommen hahen, Führung des früheren Reichswirtschaftsministers in, München eingetroffen. Sie werden eine St udienreise durch Deutsch! and. unternehmen. erfolgt auf Einladung der deutschen, Gewerkschaften, um den mar gebenden Vertretern der Oeffentlichkeit des Auslandes einen Fintit in die Verhältnisse Deutschlands und den Erfüllunggwillen dez deutschen Volkes, zu geben. Vertreter aug Brasilien, Kanaht, England, Frankreich, Japan, Schweden, der Schweiz, Spanien, Si. Afrika und den Vereinigten Staaten von Nordamerika nehmen in der Reise teil.

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Vissen mehmwãchig Die Re

Luzwigshafen, 23. November. (B. T. B. vember, Vormittags M Uhr, exp h odierteim Baus ' Wa sser— st off abfüllung Altes Werk, der Badischen Anilin un) Sodafahrik beim Kemprimieren ein, Wasser st offlasch= Hierzu erfährt, die „Pfälzische Post: durch, einen Augenzeugen. Zwei Arbeiter find tot, weitere acht mehr oder wen ge schwer ver lstzt, Der Gau selbst ist fast vollständig zer. st drt. Glücklicherweise waren nicht mehr Leute im Bau oder n

dessen Nähe.

Leipzig, 22. November. (W. T. B.) Am Dirne tg na n th ist der gegen 3 Uhr fällige Per sonenzug aus Ckemmniãz in , auf den Bremsschlitten gefahren. Durch den Anprall wurden drei Reifende schwer un mehrere andere leicht verletzt.

Detm eld, 22 November. (W. T. B) In der Lippischen Landesbibliothek, einer der ältesten Bibliotheken Deutsch lands, brach heute nachmittag 86 ur aus, dem etwa 30 06h Bände zum Opfer fielen. Der Schaden geht in die Millionen. Bei den Löscharbeiten erlitten drei Schüler Verletzungen.

Stockholm, 22. November. (W. T. B.) Die jweite Expedition des schwedischen Roten Kreuzes na Rußland verläßt in diesen Tagen Stockholm, um sich über Rewa und, Petersburg n ch Sam ara Zu begeben. Sie führt ebent, mittel für öffentliche Speiseanstalten mit sich, die für die Ver, pflegung von 800 000 Personen für die Dauer eines Monats he, rechnet sind. n .

Kristignia, 22. November. (W. T. B.) Hier herrscht seit einigen Tagen ein heftiger Schnge stur m. Der Schnee liegt einen halben Meter hoch. Zahlreiche Verkehrsstörungen sind ein⸗ getreten. An vielen Stellen sind Telephon⸗ und Telegraphen störungen eingetreten.

Athen, 22. November. (. T. B) Aus Sm hrna nnd die An kunft eines englischen Dam pFers gemeldet, der über 1990 arm enische und griechische Flüchtlinge auz Mexsina brachte, die sich in einem bejammernswerten ,,. befinden. Am Tage der Abfahrt des Dampfers aus Merslna traf die Nachricht ein, daß ungefähr 30 000 Armenier von Adana hera h stiegen, um sich einzuschiffen. Infolge Schiffzmangels ist dies jehoch nur in sehr beschränktem Umfange möglich.

Aeronautisches Ob servatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 22. Nobember 1921. Pilotballonaufstieg von 9 a 20 big 9 a 28.

Wind Richtung

Relative Feuchtig⸗ reit O/o

S838 4 1686

0 Seehöhe ö Temperatur O Selund.⸗

oben unten Meter

mm

9 SSO 8

Bedeckt. Sicht: 1 km.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

Theater.

dpernhaus. (Unter den Linden. Donnerstag: 240. Dauer⸗ ezug sporstellung. Figaros Hochzeit. Anfang 6z Uhr. Freitag: Das Christ⸗Elflein. Anfang 73 Uhr.

G pielhaus. (Am Gendarmenmarkt. Donner. 233. Dane. . Zum 300. Male: Peer Gynt. Anfang 7! llt. Freitag: Othello, der Mohr von Venedig. Anm

Die Ausgabe der Danerbezugskarten für den Mart Dezem ber zu 20 Vorstellungen im Opern hauf und Schguspielhanse erfolgt am 26. 28. ind 39. 37 zwischen 9z und 1 Uhr in der Theaterhauptkasse, Dorotheenstr. 3). egen Vogeigung des Dauerbezuggvertrags, und zwar: am 26. 8. M. 6 den ersten Rang und das Parkett des Opernhauses, . 258. d. M. für den zweiten und dritten Rang Tes Hr nen und am 29. d. M. für alle n,, des Schausp hauses. Der gesteigerten Ausgaben wegen muß auch . das Schauspiel eine allgemeine Erhzöung der Prei ; eintreten. Die gewöhnlichen r, nach denen sich die Dautt. bezugspreise gemäß Ziffer 2 der Dauerbezugsbedingungen, richten betragen von der 246. Dauerbezugsborstellung ab: S0 J im J. Rang und Parkeltsessel, 39 Paret und PVarketklocc.

mn.

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol. Charlottenburz

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteber der Geschäfteste

Rechnungstat Mengering in Berlin. 3

Verlag der Geschäftsstelle Mengering) in Berlin

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt Berlin Wilhelmstr. 35

Geschwtuß6.

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um Deutschen Reichsa

Srste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 23. Novemher

nzeiger und Preuß ischen Staatsanzeiger

Nr. 274.

1221

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblalt.)

Deutscher Reichstag. 147. Sitzung vom 19. November 1921. Nachtrag.

Bei der ersten Beratung des Entwurfs eines Ge— setzes zur Erweiterung des Anwendungsgebiets der Feldstrafe. und zur Einschränkung der kurzen Frei⸗ seits stra fen hat der Reichs justizminister Dr. Radbruch die solgende Rede gehalten:

Meine Damen und Herren! der den Ausgangspunkt diefer Debatte gebildet hat, will

Lich nur wenige Worte sagen. Im Gegensatz zu den

lusführungen des Herrn Kollegen Rosenfeld bin ich stolz drauf, unter diesen Gesetzentwurf, an dem das Verdienst ihrigens meinem Vorgänger zukommt, meinen Namen setzen zu önnen. Es ist einer der ersten Schritte zur Verwirklichung der 'taatsrechtsreformideen meines großen Lehrer, der auch Mitglied sieses Hauses war, Franz v. Liszts. Es ist wahrlich nicht wenig, hes dieser Entwurf bringt. Er bringt nicht nur die Erhöhung der heldstrafen, er bringt praktisch die Abschaffung der kurzzeitigen Fteiheitsstrafen, (Zuruf von den Kommunisten: Für die Reichen!) ke bringt ein einfacheres und milderes Verfahren der Einziehung der Geldstrafen. Er bringt die Möglichkeit der Abarbeitung der gel'strafen. (Zuruf von den Kommunisten: Strafarbeiten!) Ich giube, daß eine Fülle von Segen aus diesem Entwurf sich ergeben wird.

Sodann ist der Herr Kollege Rosenfeld auf die Verhãltnisse mseres Strafvollzuges übergegangen. Ich kann Herrn Kollegen sosenfeld erwidern, daß ich gerade gestern angeordnet habe, Vor⸗ stläge zu machen über eine Revision der Grundsätze des Straf— ttrsahrens, die im Jahre 1897 vom Bundesrat aufgestellt worden nd. Mir scheint die Reviston dieser Grundsätze so dringend zu kin, daß ich glaube, sie der Gesamtreform unseres Strafvollzuges, di wohl noch längere Zeit erfordern wird, vorausschicken zu nüsser.

Auf die vielen Einzelheiten über Anstalten und RPer⸗ nnen, die hier genannt worden sind, glaube ich nicht eingehen müssen, und ich glaube, es wird mir nicht als Zustimmung m allen Punkten gedeutet werden, wennn ich nicht ausdrücklich Biderspruch erhebe. Nur ein kurzes Wort über Niede rschönen⸗ fh. Der Herr Kollege Rosenfeld nimmt in seiner liebens⸗ virdigen Weise ohne weiteres an, daß ich die Angelegenheit Riederschönenfeld, sobald ich Minister geworden bin, vergessen hätte. Es entzieht sich seiner Kenntnis, was inzwischen von meiner Etite für Niederschönenfeld getan worden ist. Ich werde das echt der Reichsaufsicht geltend machen in welcher Weise ftilich, das muß ich mir selber vorbehalten. Ich glaube nicht, öaßz die Behandlungsweise, die dieser sehr heiklen Frage von dem Henossen von dem Kollegen Rosenfeld (Heiterkeit) zuteil wird, ker Angelegenheit förderlich ist.

Schließlich die Amnestiefrage. Der Herr Kollege Rosenfeld zt mir vorgeworfen, ich hätte in der Frage der AÄmnestie als Ninister einen anderen Standpunkt eingenommen denn als Ab⸗ herdneter. Ich halte an dem, was ich damals gesagt habe, fest, deh das Reich auch für bahyerische wie andere landesrechtliche Rille das Recht zur Amnestie hat; es hat ja durch seine frühere Innestie auch in landesrechtliche Fälle eingegriffen. Ich habe im ztchtzausschuß nur ausgeführt, daß es politisch nicht wünschens⸗ nert sei, in die Justizhohett Bayerns einzugreifen. (Abg. Koenen: der Reaktion zuliebe )

Und nun komme ich zu dem Hauptgegenstand der heutigen ketandlungen, zu den Ereignissen in Lichtenburg. Meine Dumen ud Herren! Der Hungerstreik in Lichtenburg ist eine heroische nheit, aher nichtsdestoweniger eine Torheit. (Sehr richtigh an kann ihn unter zwei Gesichtspunkten betrachten: entweder iz einen Verzweiflungsakt (fehr richtig bei den Kommunisten) wer als eine Vemonstration, und ich verstehe zunächft alle Gründe, lie zu einer splchen Verzweiflungstat führen konnten; ich habe let Gründe selbst oft genug ausgeführt. Dahin gehört nicht

Ueber den Gesetzentwurf,

ur die Not der Angehörigen dieser Gefangenen, sondern auch die

vch tiefere Not, in der jetzt unsere Rechtspflege ist. (Sehr richtig! nt den Sozialdemokraten.) Ich will hier keine Schuldfragen auf⸗ nersen, ich will nur Tatsachen feststellen, die Tatsache der un⸗ ttzõhlten ungesühnten Tötungsfälle, die von rechts gegen links tcgangen worden sind (sehr wahr! links, große Unruhe und Iurufe rechts: Unerhört! Der unparteiische Justizminister!), die wal ache der Verzögerung ber Aburteilung der Kapp Leute, die wussiche der furchtbar harten Urteile, die zum Teil von den enndergerichten erlassen worden sind. (Andauernde große Unruhe uttz. Glocke des Fräsidenten)

Alz Herzweiflungsakt kann ich also den Hungerstreik allen⸗

ls verstehen, und in den privaten Besprechungen, die ich mit

herren Ktommunisten hatte, wurde diese Altton auch wesentlich ib ein Verzweiflungsakt gewürdigt (sehr richtig! bei den Kom⸗ nunisten), als ein Verzweiflungsakt, dem gegenüber Sie, meine ketten von der äußersten Linken, zunächst die Verpflichtung ttten, abzuraten und zu beruhigen. (Abg. Koenen: Ist geschehen) Naß es auch geschehen ift, weiß ich. Der Abg. Katz hat, wie h ens guter Quelle weiß, beruhigend auf die Leute einzuwirken tlutht und ich bin ihm bankbar dafstr. Aber Ihre Presse, Ihre ute Fahne“ führt eine gang andere Sprache (Abg. Koenen: 5 lesen die Gefangenen nicht! Heiterkeit) Da ist mit keinem . dadon die Rede, daß man diese Aktion verurteilt, sondern [. derherrlicht sie und benutzt sie als den Ausgangzpunkt für tere Attionen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten. 91 Koenen: Nein, die Arbeiter benutzen ste) Und, meine tren, auch aus den Ausführungen sowohl des Herrn Kollegen

Rosenfeld wie des Herrn FRollegen Koenen habe ich nicht das herausgehört, was ich wohl hören möchte: Abmahnung von diesem Hungerstreik als von einer Torheit, sondern lediglich seine Ver⸗ herrlichung. (Zuruf von den Unabhängigen) Jetzt ist noch Zeit, Herr Kollege Ledebour! (Abg. Ledebour: Nein, es ist keine Zeit! Erregte Zurufe und Unruhe links. Glocke des sidenten.)

zweiflungsakt dar, sondern durch die Interpretation, die die Presse und die Sie selber (zur äußersten Linken) ihm hier auf der Tribüne zuteil werden lassen, wesenlich als eine Demonstration und als eine Demonstration nun, gegen wen? Als eine Demonstration zurtãchst einmal nicht gegen den Strafvollzug. Denn der Herr Kollege Dr. Rosenfeld hat uns selbst den Brief der Gefangenen vorgelesen, der mit dem Satz endet: „Wir führen keine Beschwerde gegen die Direktion der Strafanstalt, sondern verlangen einzig und allein unsere Freiheit oder den Hungertod.“ Gegen wen wird hier also demonstriert? (Andauernde erregte Zurufe auf der äußersten Linken. Glocke des Präsidenten.)

Ich gedenke nicht, vor dieser Demonstration zurũckzu⸗ weichen. Wohin sollten wir denn kommen, wenn sich ein Hungerstreik an den andern schlösse? (Erregte Zurufe auf der äußersten Linken.) Heute sind es die politischen, morgen sind es die gemeinen Verbrecher. Es ist nicht zu verantworten für die Strafrechtspflege, die der Sicherung der Allgemeinheit dient, vor jedem Hungerstreik ohne weiteres die Waffen zu strecken. (Erneute lärmende Zurufe auf der äußersten Linken) Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen jetzt kurz die Tatsachen schildern, die ich auf Grund zuverlässiger In⸗ formationen weiß, nicht auf Grund der übertreibenden und sentimentalen Berichte in der „Roten Fahne“. Ich bin heute mit Lichtenburg in wiederholte Verbindung getreten. Es besteht eine augenblickliche Lebensgefahr für keinen der Gefangenen. Hört, hört! rechts Die Gefangenen befinden sich unter ständiger ärzt⸗ licher Ueberwachung. Es ist auch nicht wahr, daß die Schupo herangezogen worden ist, um etwa gegen die Hungerstreikenden einzugreifen. Die Behandlung der Hungerstreikenden wird allein dem Personal der Anstalt obliegen. Weil der Personalbedarf gerade für die Hungerstreikenden erhöht ist, ist die Schupo heran⸗ gezogen worden, um die Aufsicht über die anderen Gefangenen zu übernehmen.

Nun, meine Damen und Herren, was haben wir selbst getan? Das preußische Ministerium hat gestern einen Kommissar nach Lichtenburg geschickt. Der Kommissar des Reichs justizministeriums ist heute um 11 Uhr in der Anstalt eingetroffen. Es wird die Ueberführung aller Kranken ins Lazarett und, wo das Lazarett sachlich oder räumlich nicht ausreicht, in das Krankenhaus an— geordnet werden. Ez kommt dabei freilich nicht eine Straf⸗ aussetzung in Betracht. Ich habe schon gesagt, daß wir uns durch einen Hungerstreik zu Strafaussetzungen nicht zwingen

lassen. (Gustimmung rechts. Pfuirufe auf der äußersten Linken. eine Strafaussetzung nicht statt:⸗

Andauernde Unruhen) Daß findet, kommt auch den Gefangenen selbst in gewissem Sinne zugute,

weil ihnen die Zeit im Krankenhaus auf ihre Strafzeit an⸗ gerechnet wird. Vor allem aber habe ich meinen Kommissar

beauftragt, den Gefangenen mitzuteilen, daß, sobald Gnaden⸗ gesuche von ihnen eingereicht werden, ihre Angelegenheit schleunigst und wohlwollend geprüft wird. (Andauernde erregte Zurufe auf der äußersten Linfen.) Ungeprüft können wir niemand begnadigen. Wir haben uns bereit erklärt genau so übrigens, wie wir es für jeden von den Sonderge richten Verurteilten getan haben —, auf ein Gnadengesuch hin auch bereits geprüfte Gnadenfälle nochmals einer Prüfung zu unterziehen. (Erneute Zurufe von der äußersten Linken Außerdem wird den Ge— fangenen eröffnet werden, daß vom 1. April 1922 ab in Zeit⸗ abständen immer wieder von neuem die Urteile gesiebt werben, so daß auch die schwereren Fälle vor dem Ablauf der Strafzeit großenteils zur Begnadigung kommen. (Andauernde Unter⸗ brechung von den Kommunisten.)

Meine Damen und Herren! In Lichtenburg handelt es sich nicht um ganz einfache politische Verbrechen. Ich habe die ein⸗ zenen Fälle nicht alle feststellen können, ich habe aber feststellen können die Straftat des Gefangenen, der den uns vorliegenden Brief unterschrieben hat. Er hat ein Eisenbahngleis gesprengt lebhafte Rufe: Hört, hört!! mit der Wirkung, daß durch die

Sprengung dieser Eisenbahnschiene ich werde es vorlesen —:

Durch die Tat selbst sollte verhindert werden, daß die in Sondershausen garnisonierte Reichswehr nach Sangerhausen geworfen werden konnte.

(Erregte Zurufe von den Kommunisten.) Wäre die Stelle nicht alsbald besichtigt und die verbogene Schienenanlage ausgewechselt worden, so wäre eine Entgleisung des Frühzuges, der in der Hauptsache von Bergleuten der um⸗ liegenden Kaligruben benutzt wurde,

llebhafte Rufe: Hört, hört! Unruhe und Zurufe von der

äußersten Linken)

unbedingt eingetreten. Auf eine solche Tat war eine sofortige Begnadigung natürlich ausgeschlossen. Nichtsdestoweniger werden alle Fälle einer Nach⸗ prüfung unterzogen werden.

Dieser Hungerstreik greift mitten hinein in die großartige Gnadenaktion, welche im August des Jahres vom Reichstage be⸗ schlossen ist. Ich möchte Ihnen doch einmal ein paar Zahlen mit⸗ teilen, um Ihnen einen Begriff von dem Umfange dieser Be⸗ gnadigungsaktion zu geben. Es sind Gnadenerweise erteilt worden in 765 Fällen chört, hört! bei den Deutschnationalen und der Deutschen Vollspartei), Gnadenerweise abgelehnt worden in S509 Fällen (hört, hört! bei den Unabhängigen und Kommunisten), und zwar handelt es sich nicht etwa um Gnadenerweise, die ledig⸗

Prä⸗

Eo stellt sich also dieser Hungerstreik nicht nur als ein Ver⸗

darum, daß Zuchthaus in eine andere Freiheitsstrafe verwandelt ist und ich möchte sofort betonen, daß ich häufiger als bisher vorschlagen werde, Zuchthausstrafe anstatt in Gefängnis in Festungshaft zu verwandeln chört, hört! rechts), oder es handelt sich um bedingte Strafaussetzung oder schließlich um völligen Straferlaß.

Sämtliche Zuchthausurteile, die durch die Sondergerichte er— lassen sind, werden auch ohne besonderes Gesuch der Nachprüfung unterzogen. Das Ergebnis war, daß von 469 Zuchthausfãllen 257 mit Gnadenerweisen bedacht wurden, während die Begnadi⸗ gung in 203 Fällen abgelehnt wurde. (Hört, hört! auf der äußersten Linken) Bei alledem sind die zahlreichen Straf⸗ aussetzungen, die unmittelbar vom Gericht gewährt wurden, noch nicht mitgezählt. Als ich das Ministerium übernahm, habe ich sofort angeordnet, die Grundsätze über die Vorschläge zur Be⸗ gnadigung einer Revision zu nnterziehen, insbesondere den Begriff „Mitläufer“ einer Nachprüfung zu unterwerfen. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß bei den Vorschlägen, auch bei den von mir selbst befürworteten, dieser oder jener Fehlgriff vorgekommen sein kann, denn das Begnadigungsverfahren ist juristisch das schlechteste Verfahren, das man sich nur denken kann lebhafte Rufe: Sehr richtig! auf der äußersten Linken), ein rein schrift⸗ liches Verfahren, in dem wir über Akten und nicht über Menschen entscheiden. (Wiederholte Zurufe.) Eben deshalb haben wir jene immer von neuem eintretende Nachprüfung angeordnet, damit keiner, der sie verdient, der Begnadigung entgeht. Wiederholte Zurufe) Wir werden vor der neuen Begnadigungsaktion, der ersten periodischen Nachprüfung am 1. April 1922, nochmals neue Grundsätze aufstellen lassen und die Begnadigung nicht nur auf die ganz bedeutungslosen Mitläufer, sondern auf einen weiteren Kreis erstrecken. (Abg. Hoffmann-Berlin: Tun Sie bald etwas, sonst erleben Sie es nicht mehr!)

Am 4. August 1921 hat der Reichstag die Begnadigungs⸗ aktion beschlossen und eine Amnestie abgelehnt. Durch den Hungerstreik soll eine solche Amnestie erzwungen werden. Eine Amnestie scheint mir auch heute nicht möglich zu sein. (Hört, hört! und lebhafte Zurufe bei den Unabhängigen und den Kom— munisten.) Ich muß ein Wort wiederholen, was ich hier schoꝛ einmal gesprochen habe: Amnestien sind Meilensteine der Re⸗ volution. Sie bezeichnen endgültig abgeschlossene Abschnitte ihrer Entwicklung (Zuruf bei den Kommunisten: Die neue wird schon kommen!), die sich nicht wiederholen werden. Ein solcher Abschnitt ist noch nicht wieder erreicht. Meine Herren von der äußersten Linken, solange Sie nicht auf das Kampfmittel der Gewalt ver— zichten (hört, hört! rechts und in der Mitte), können Sie von uns nicht verlangen, daß wir darauf verzichten, Gewalt gegen Gewalt zu setzen. (Stürmische Pfuirufe bei den Unabhängigen und den Kommunisten. Fortgesetzte lärmende Zurufe und Gegenrufe zwischen den Sozialdemokraten und der äußersten Linken.)

In Erwiderung auf eld (U. Soz.) hat der olgendes ausgeführt:

Meine Damen und Herren! Bemerkungen machen.

Herr Kollege Dr. Rosenfeld hat offenbar Mühe gehabt, mich zu verstehen. Ich habe nicht gesagt, daß die Reichsamnestie in Bayern von Rechts wegen notwendig sei, aber daß ich aus politischen Gründen von ihr abstehen wolle. Ich denke wohl, daß ieder andere Abgeordnete mich richtig dahin verstanden hat, daß ich gesagt habe: Auch eine Reichs amnestie mit Wirkung für die Länder und insbesondere Bayern ist von Rechts wegen zu⸗ lässig, aus politischen Gründen empfiehlt es sich aber nicht, davon Gebrauch zu machen. (Lachen bei den Unabhängigen und den Kommunisten. Abg. Dr. Rosenfeld: Also das, was ich gesagt habe!)

Beiter stelle ich mit Befremden fest, daß der Herr Kollege Dr. Rosenfeld es als seine Aufgabe gegenüber einer Verzweiflungs⸗ aktion ansieht, dieser nicht etwa ein Ende zu setzen (Zuruf von den Unabhängigen: Durch Oeffnung der Gefängnisse , sondern ihr zum Erfolg zu verhelfen, also sie gerade in dem Sinne als

Bemerkungen des Abg.

mer ungen e Dr. Rosen⸗ Reichsjustizminister Dr.

Radbruch

Ich möchte nur drei ganz kurze

Demonstration auffaßt, wie ich es dargestellt habe.

Schließlich hat mich der Herr Kollege Rosenfeld gefragt: Ja, wann wird denn der Zeitpunkt zur Amnestie gegeben sein? Ich will Ihnen genau sagen, wann dieser Zeitpunkt gegeben sein wird, und zwar mit Worten, die Ihnen sehr bekannt vorkommen werden. Ueber die Sowjetamnestie ist in der „Roten Fahne“ ausgeführt worden:

Es ist richtig, daß der Amnestieerlaß der Sowjetregierung die Rädelsführer nicht einbegreift. Aber bereits vor der jetzigen Amnestie hat ja die Sowje tregierung zu wieder⸗ holten Malen öffentlich bekanntgegeben, daß den bisherigen Feinden der Sowjetregierung volle Freiheit garantiert sei, wenn sie ihre Anschläge gegen den Bestand der Räteregierung ein⸗ stellen.

(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten, in der Mitte und rechts.) Die Sozialrevolutionäre und das dürfte auch der „Freiheit“ bekannt sein haben sich aber geweigert, diese Erklärung ab⸗ zugeben. Was soll dann fragen wir die „Freiheit“ die Sowjetregierung tun? Soll sie ihren offenen Feinden das Spiel erleichtern?

(Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten und in der Mitte: Sehr

gut! und Hört, hörth

Sollen wir unse ren offenen Feinden das Spiel erleichtern? (Leb⸗

hafter Beifall bei den Sozialdemokraten, in der Mitte und rechts.

Zurufe auf der äußersten Linken: Das ist ein Sozialdemorrat!

Andauernde erregte Zwischenrufe. Große Unruhe.)

lich in einer Verkürzung von Strafen bestehen, sondern entweder