nicht den Provinzen auf diesem oder jenem Gebiete größere Rechte einräumen kann. Das Staatsministerium ist aber grundsätzlich der Auffassung, daß eine übertriebene Autonomie der Provinzen niemandem nützt, auf der andern Seite aber sehr viel Schaden an⸗ richten kann. Wenn man auf dem Standpunkt steht, die Ver⸗ waltung vereinfachen und verbilligen zu wollen, dann darf man keine Einrichtung schaffen, die diesen Zweck nicht nur nicht erreicht, sondern ihm entgegensteht. Eine Zerteilung der Provinzen und nichts anderes würde bei übertriebener Autonomie das Ergebnis sein. Ein Auseinanderreißen des preußischen Staatsgefüges würde nicht nur neue Regierungen entstehen lassen, sondern wahrscheinlich auch eine derartige Diskrepanz in den verschiedensten Verwaltungen herbeiführen, daß damit durchaus nichts gebessert wäre. Die Selbstverwaltung der Gemeinden wird selbst⸗ verständlich vom Staatsministerium peinlich behütet werden. Aber ich darf da wohl auf einen wunden Punkt aufmerksam machen. Die heutige Finanznot im Reiche und Staate, das Streben nach einer unitarischen Steuergesetzgebung machten es ungemein schwer, die Selbstverwaltung der Gemeinden so zu schützen, wie es der derr Kollege Dr. Berndt wünscht. Darüber sind die Gemeinden sich auch vollständig im klaven, daß mit der neuen Reichssteuergesetz⸗ gebung ihre eigene Steuerverwaltung auf dem Papier steht. Zuruf links) — Ja, gewiß; aber ob die Zeitläufte dazu angetan sind, jetzt eine Aenderung eintreten zu lassen, wo wir im Reich darauf hin⸗ gewiesen sind, zunächst die Mittel aufzubringen, die uns von dem äußeren Druck befreien sollen, Herr Kollege Goll, diese Fage wird man doch wohl verneinen müssen.
In bezug auf die Ernennung der höhe ren Beamten hat derr Kollege Dr. Berndt im Zusammenhang mit der Erörterung über den Autonomiegesetzentwurf sich ebenfalls geäußert. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß diese Frage nicht erst ge⸗ klärt zu werden braucht durch diesen Gesetzentwurf oder durch die
Pravinzialordnung, das ist ja — das weiß Herr Kollege Dr. Berndt auch — bereits in der Verfassung festgelegt. Schon heute ist das Staatsministerium nicht mehr imstande, nach eigenem Ermessen die höheren Beamten der Provinzen zu bestimmen, schon heute ist durch die Verfassung vorgeschrieben, daß diese Er⸗ nennung im Einvernehmen mit dem Provinzialausschuß erfolgen muß. Ich stehe aber durchaus auf dem Standpunkt, und der Verfassungsausschuß der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung hat diesen Standpunkt anerkannt, daß, wenn dieses Einvernehmen zwischen dem Provinzialausschuß und dem Staatsministerium sich nicht erzielen läßt, letzten Endes das Staatsministerium die Entscheidung zu treffen hat.
Ich gebe hierbei die bündige Erklärung ab, daß, wenn es wirklich richtig ist, was Herr Kollege Dr. Berndt vortrug, daß zwischen höheren reaktionären Beamten noch ein Spitzel⸗ dienst eingerichtet ist, um geheime Personalakten anzu⸗ legen, ich diefem Unfug mit aller Schärfe entgegentreten werde.
Bravo!! Meine Damen und Herren, ich würde allen Parteien des Landtages sehr dankbar sein, wenn sie mir Material überreichen wollten, das einen Fingerzeig für die Verfolgung dieser Anregung geben könnte.
Der Herr Abgeordnete Krüger und auch der Serr Abgeordnete Dr. Berndt haben an mich das Ersuchen gerichtet, ve rfassung s⸗
treue Beamte in Schutz zu nehmen gegen Verleum⸗ dungen, die geflissentlich von rechtsgerichteter Seite gegen sie gemacht würden. Ich glaube, es ist überflüssig, zu sagen, daß ich diesem Ersuchen nachkommen werde. Ich habe die Wahrnehmung gemacht, daß besonders in der Provinz Pommern im Klatsch gegen politische Beamte, besonders solche, die auf der Seite der Linken stehen, ungemein viel geleistet wird. (Sehr richtig! links) Die Beschuldigung gegen den Polizeipräsidenten von Stettin, der mit seinem Auto die familiären Spritzfahrten unternehmen soll, scheint mir ja durch die Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Dr. Berndt schon zurückgewiesen zu sein. Ich will diese Sache restlos aufklären lassen und bin gern bereit, persönlich daran mitzuwirken. Ich erinnere aber daran, daß dem Landrat Ahrens früher in Belgard nachgesagt wurde, daß er der Freund eines großen Humpens sei, daß dem Landrat Bülow in Naugard nachgesagt wurde, er trinke gern eins über den Durst, und daß man den Regie rungspräsidenten von Stralsund im Frühsommer des vergangenen Jahres eines ähn⸗ lichen Verbrechens zieh, Kurzum, in der Provinz Pommern scheint mir ein so kleinlicher Geist zu herrschen, besonders gegen links gerichtete Beamte, daß ich dringend wünschen möchte, daß diese Atmosphäre bald beseitigt würde. Ich habe hier einen amtlichen Bericht, der auch ein bezeichnendes Schlaglicht — sagen wir: auf die Geistesverfassung lich bitte, diesen Ausdruck nicht allzu übel zu nehmen) gewisser Kreise in Pommern wirft. Es heißt da: Es sprach noch ein anderer Herr. — Ich nenne den Namen einstweilen nicht, der Herr ist Mitglied dieses Hauses. — Er forderte die sofortige Entfernung des Reichspräsidenten Ebert. Solange Herr Ebert noch nicht über große Geldmittel verfügte, ginge es noch so leidlich; aber seitdem er seine Wohnung mit Perserteppichen und Oelgemälden schmückt, wäre er nicht mehr der, der er sein soll. Ebert „der Vorläufige müsse unter allen Umständen gehen, damit endlich wieder ein Mann an die Regie⸗ rung kommt, ein Mann wie Bismarck, zu dem das deutsche Volk Vertrauen habe. Drei Jahre hindurch sei das deutsche Volk von Eseln regiert worden. Dabei muß das Mitglied dieses Hauses doch wissen, daß der Herr Reichspräsident Ebert in einem Reichsgebäude wohnt, daß diese Perserteppiche und auch die Oelgemälde Eigentum des Reichs⸗ fiskus sind. (Zuruf bei den Sozialdemokraten) — Jawohl, die aus der Vorkriegszeit stammen. — Wenn heute der erste Repräsen⸗ tant des Reiches in diesem Hause wohnt, in einem Hause, das mit Einrichtungen der Vorkriegszeit ausgestattet ist, dann läßt das doch den Schluß zu, daß die früheren Beamten und Repräsentanten des Reiches auch in Wohnungen gewohnt haben, die mit Perser⸗ teppichen und Oelgemälden ausgestattet waren. Es ist überhaupt bezeichnend, daß man bei der Beratung des Haushalts des Mini⸗ steriums des Innern über Oelgemälde und Perserteppiche reden muß. Ich kann nur wiederholt den Wunsch äußern, daß diese Art des sogenannten geistigen Kampfes recht bald aus unse rem politischen Leben verschwindet. (Sehr richtig! links) Wenn alle Herren, 3 B. alle Landräte der Deutschnationalen Volkspartei, von den Linksparteien unter eine derartig kritische Lupe genommen würden, dann würde man, glaube ich, feststellen können, daß trint⸗ seste Herren auch unter den Herren der Deutschnationalen Volks-
partei zu finden sind (sehr richtig! und Zurufe links), woraus ich niemand einen Vorwurf mache.
Herr Abgeordneter Dr. Leidig hat der Regierung empfohlen, sich ein dickes Fell anzueignen. Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen verraten: ich habe dieses dicke Fell. Sehr gut! und Heiterkeit links.) Ich klage nicht bei Presseangriffen, die gegen meine Person und gegen meine Amtsführung gerichtet sind; ich berichtige sogar nicht. Ich bin in diesen Tagen aufgefordert worden — gestatten Sie mir, daß ich Ihnen diese persönliche Kleinigkeit mitteile — einer Zeitung einige biographische Notizen zu geben und einen Wahlspruch bekanntzugeben. Ich habe als Wahlspruch zwei Buchstaben angegeben: „8. S.“ Ich weiß nicht, ob die Herren die Bedeutung dieser beiden Buchstaben kennen; in meiner engeren Heimat ersetzt oder ergänzt man sie mit den Worten: Laß sausen oder laß schwatze n. Ich bin der Meinung, daß die „Täg⸗ liche Rundschau! oder die Deutsche Tageszeitung! das Recht haben, meine Amtsführung zu kritisieren, über sie zu Gericht zu sitzen, ich gewähre allen Blättern vollständige Schimpffreiheit, ob sie auf der Rechten oder der Linken sitzen. Aber bei dem Verbot der ‚Täglichen Rundschau“ kam es auf persönliche Empfind⸗ lichkeit gar nicht an; da handelte es sich um etwas ganz anderes. Der letzte Satz in dem Artikel, der zum Verbot der „Täglichen Rundschau“ führte, lautet folgendermaßen: .
Es gibt nur e in Land, in dem ein solcher Mann bis zum nächsten Morgen weiter wirtschaften darf. Herr Josef Wirth lebt in diesem Lande.
(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Es ist nach dem Morde Erzbergers, wie Herr Kollege Berndt heute morgen ganz richtig festgestellt hat, darüber geklagt worden, daß erst die Angriffe in einer gewissen Presse, die Angriffe in gewissen Versammlungen die Atmosphäre geschaffen haben (sehr wahr! bei den Sozialdemo⸗ krtaen), die die beiden unreifen Leute ermunterte, den Bubenstreich auszuführen. (-Sehr richtig! links) Ich glaube, in unserer schnell⸗ lebigen Zeit, die unsere politischen Nerven so leicht abstumpfen läßt, haben wir alle ein kurzes politisches Gedärm. Der Minister des Innern, der aber für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe in erster Linie verantwortlich ist, darf sich den Luxus des kurzen politischen Gedächtnisses nicht gestatten; er muß sich daran erinnern, daß die Hetze gegen Erzberger, die schließlich mit der Er⸗ mordung endete, auch so anfing. Sehr wahr! links. — Zuruf rechts) Wenn ich auch in diesem Falle vom Reichsrat des avouiert bin, so erkläre ich trotzdem: Handelt es sich in Zukunft — Herr Kollege Baecker, wollen Sie davon Notiz nehmen — um Zeitungs⸗ artikel, die nach meiner Auffassung die Situation zu vergiften und junge Leute zu Mordtaten zu verführen geeignet sind (urufe und Unruhe rechts), dann werde ich dieselben Maßnahmen ergreifen. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Sie, meine Herren von der Deutschnationalen Volkspartei, haben sich sehr über eine Weisung erregt, die auf meine Veranlassung an die Landräte er⸗ gangen ist, auf die Kreisblätter einzuwirken, daß die Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten möglichst im Wortlaut in den Kreisblättern veröffentlicht werden soll. Man kann über die Form dieses Telegramms streiten; aber ich glaube, jeder objektiv Denkende wird daraus der Regierung keinen Vor⸗ wurf machen, daß sie versucht hat, diese Erklärung des Herrn Ministerpräfiden ten möglichst wörtlich in den Kreisblättern zum Abdruck zu bringen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und wenn dem Telegramm angefügt wurde — das ist auf meine besondere Weisung geschehen — man möge versuchen, daß nicht früher Berichte über die Rede des Herrn Ministerpräsidenten in den Zeitungen erschienen, so sollte das durchaus nicht die Freiheit der Kreisblätter beschneiden — sie konnten ja später ihre Kommen⸗ tare an die Rede knüpfen —, sondern es sollte verhindert werden, daß die Kreisblätter vielleicht mit dem Hinweis darauf, daß sie über die Rede schon im Auszug berichtet hätten, den Abdruck der vollständigen Erklärung ablehnen könnten. Das Telegramm hatte gar keinen anderen Zweck. Von einer Beschränkung der Freiheit der Presse kann, glaube ich, in diesem Zusammenhang nicht ge⸗ sprochen werden. ;
Bei den Beratungen über den Etat des Ministeriums des Innern hat im vorigen Jahre und auch in diesem Jahre die Frage Selbstschutzorganisationen eine große Rolle gespielt. Mein Standpunkt in dieser Frage ist bekannt, und ich glaube, ich bin nicht verpflichtet, ihn nochmals hier zu prägzisieren. Ich habe wiederholt erklärt, daß ich es für die Aufgabe des Staates ansehe, dem einzelnen und der Allgemeinheit den notwendigen Schutz zu gewähren, daß aber der private Selbstschutz nicht ein Ferment der Beruhigung, sondern das genaue Gegenteil ist. An diesem Standpunkt halte ich unerschütterlich fest. Ich werde für meinen Teil nach besten Kräften dazu beitragen, daß etwa noch bestehende Selbstschutzorganisationen, Arbeitsgemeinschaften, oder, wie sie heißen mögen, möglichst bald aufgelöst werden. (Lebhafter Beifall links) Am 22. November find die letzten Arbeitsgemein⸗ schaften aufgelöst worden. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß ich gleich nach meinem Amtsantritt den Herrn Reichs innenminister gebeten habe, mit diesem Verbot sofort vorzugehen. (Hört, hört! rechts) — Herr Abgeodneter Baecker, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Unterstreichung dieses Bekenntnisses durch Ihr „Hört, hört!“. Es sind in den letzten Tagen Interna über Vorgänge in der kommunistischen Bewegung veröffentlicht worden, die den
Eberlein nicht gerade angenehm gewesen sein können. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Ich glaube, wenn einmal Interna über die Arbeitsgemeinschaften veröffentlicht würden, dann würden die die Herren von der „Deutschen Tageszeitung“, die die Selbstschutz⸗ organisationen bis jetzt verteidigt haben, auch nicht sehr angenehm von diesen Veröffentlichungen berührt sein. (Sehr richtig! bei den Sozialdemoktaten. — Zurufe: Heraus mit diesem Material! — Veröffentlichen Sie es nur! — Unruhe.) Meine Herren, wir sind gar nicht nervös in der Staatsregierung. Sie müssen uns schon den Zeitpunkt für derartige Veröffentlichungen selbst überlassen. Wir haben mit mehreren Behörden und Stellen zusammen zu arbeiten; so einfach, wie Sie sich die Sache denken, ist sie leider nicht. Ich stelle fest, daß den meisten Parteien des Landtags, ich glaube, allen Parteien, mein Standpunkt in der Frage der Selbstschutzorgani⸗ sationen bekannt war. Trotzdem hat der Herr Abgeordnete Eber⸗ lein den Mut gehabt, diese Stellungnahme in Frage zu ziehen. Er hat in seiner Rede — und die „Rote Fahne“ in ihrer Wieder⸗ gabe der Rede — so getan, als ob ich die Selbstschutzorganisationen ebenso begünstige wie rechtsgerichtete Kreise. Davon kann gar keine Nede sein. Die „Rote Fahne“ schreibt dazu dann noch zu meiner
Begrüßung:
Herren von der kommunistischen Partei oder den Herren um
8
2 * * ** . 1 *
. Herr Severing hat schon aus seiner fruheren Tätigkeit soviel Schandtaten auf n, n. ö ehr richtig! bei den Kommunisten) . ö. —̃ * * 20 jetzt mit dym größten Mißtrauen begegnen. Wir kündigen schon heute an, daß wir gegen diesen Min ister und gegen jede seiner Maßnahmen gegen das Proletariat mit aller Schärfe, mit allen Mitteln, mit aller Leidenschaft kämpfen werden. — Sehr richtig! — und Zurufe bei den Kommunisten) Ich habe gar nichts anderes erwartet und wünsche nichts anderes Gravo! bei den Sozialdemokraten, aber ich muß an Sie doch die bescheidene Bitte richten: identifizieren Sie sich doch nicht mit dem Proletariat! Sehr gutt bei den Sozialdeniokraten. — Zurufe bei den Kom⸗ munisten. ö Herr Abgeordneter Eberlein hat gemeint, ich hätte als erste meiner Amtshandlungen eine Verfügung treffen müssen, die den Erlaß meines Herrn Amtsvorgängers, den bekannten Kom mun istenerlaß, aufhebt. In dieser Auffassung bin ich mit Herrn Eberlein auch mal einer Meinung. Bravo! hei den Kom⸗ munisten. Das war nicht nur meine Auffassung; das war meine erste Amtshandlung. (Hört, hört! bei den Soʒialdemolraten. Zurufe bei den Kommunisten) — Ich weiß nicht, was für un⸗ gültig erklärt worden ist—⸗ (Zurufe bei den Kommunisten) Ich habe im Hauptausschuß des Landtages im Juni d. J. schon er= klärt, daß ich diesen Erlaß als ein Ausnahmegesetz, ein gegen die Kommunisten verhängtes Aus nahmegesetz betrachte, und ich hätte keine Neigung zu Ausnahmegesetzen oder dazu, auf dem Boden von Ausnahmegesetzen Verwaltungsmaßnahmen zu treffen Guruf bei den Kommunisten: So was sagt man nicht; so was tut man) — Dieses Wort habe ich in jener Sitzung nicht erfunden, sondern dieses Wort ist mir entgegengerufen worden, und ich habe es, um gar keine Mördergrube aus meinem Herzen zu machen, akzeptiert. Sehr richtig! Ich habe gesagt: jawohl, so was sagt man nicht; so was tut man. Damit habe ich aber nicht etwa ausdrücken wollen, wie mir unterstellt worden ist, daß ich hintenrum so handeln würde, sondern ich habe sagen wollen: das alles ist von der Beur⸗ teilung des Einzelfalles abhängig, das kann man nicht generali⸗ sieren; da kann man nicht in Bausch und Bogen eine Partei aus⸗ nehmen. Diesen Standpunkt habe ich auch in der Abänderung des Erlasses zum Ausdruck gebracht, der Sie doch besonders inter⸗ essieven wird, so daß ich nicht verfehlen will, Ihnen den Wortlaut zur Kenntnis zu bringen: ̃ Mein Herr Amtsvorgänger hat durch Runderlaß vom 16. Juni 1521 die Kommunisten für ungeeignet erachtet, ein wichtiges obrigkeitliches Amt in der Staats⸗ oder Gemeindever⸗ waltung — insbesondere das eines Landrats, Amtsvorstehers, Bürgermeisters und Gemeindevorstehers — zu bekleiden, und die zuständigen Stellen angewiesen, in allen Fällen, in denen über die Bestätigung der Wahl einer der kommunistischen Richtungen angehörenden oder für diese wirkenden Person für ein solches öffentliches Amt Entscheidung zu treffen Ist, nach diesem Gesichts⸗ punkt zu verfahren. Ich kann die Voraussetzungen, die meinen Herrn Amts vor⸗ gänger zu diesem Erlaß bestimmt haben, als weiterbestehend nicht anerkennen. Es mehren sich die Fälle, die dartun, daß die Weisungen einer auswärtigen Staatsgewalt, die früher richtung, gebend für die Haltung der Kommunisten waren, von mehreren kommunistischen Gruppen abgelehnt werden unter gleichzeitigem Verzicht auf alle putschistischen Bestrebungen. Zudem scheint mir die grundsätzliche Ausschließung der Kommunisten aus den Aemtern der Staats. ober Gemeindeverwaltung mit dem Sinn des Artikels 130 Abs. 2 der Reichsverfassung nicht vereinbar. Wenn den Beamten in diesem Artikel die Freiheit ihrer poltti= schen Gesinnung gewährleistet wird, dann sollte das bloße Be⸗ kenntnis zur Kommunistischen Partei kein Grund zur grundsätzß⸗ lichen Ausschließung von Staats⸗ und Geme indeämtern sein. Unter Aufhebung des Erlasses vom 16. Juni 1921 bestimme ich daher folgendes: K Aus politischen Gründen ist die Bestätigung der Wahl eines Bewerbers für ein Amt in der Staats⸗ oder Gemeindeverwaltung zu versagen, wenn der Bewerber die Erreichung des auf gewalt ⸗ samen Umsturz der bestehenden Staatsordnung gerichteten Zieles der Partei, zu der er sich bekennt, durch positive Handlungen fördert oder zu fördern versucht. Sie sind nun nicht mehr unter ein Ausnahmerecht gestellt; wenn sie jetzt gewaltsame Bestrebungen einer Partei durch positive Handlungen unterstützen oder zu unterstützen versuchen, und das kann — die Möglichkeit werden auch die Herren von rechts zu⸗ geben — auch durch die sogenannten Rechtsbolschewisten geschehen, dann werden sie auf einen Rechtsboden gestellt: die Herren von rechts und die Herren von links. Ueber ein Ausnahmegesetz können Sie sich heute nicht mehr beklagen. . . Im Hauptausschuß des Landtags ist im Juni d. J. nach den
Ich habe heute die traurige Pflicht, Ihnen zu sagen, daß bei der Schutzpolizei 6 Tote und 54 Verwundete gezählt wurden und daß
zu beklagen hat. (Zuruf bei den Kommunisten: Da sind Sie schuldh Ich weiß nicht, wer diesen Zwischenruf gemacht hat, aber Eberlein
Polizeiaktion schuld sei an diesen blutigen Opfern, und in der „Roten Fahne“ ist diese Melodie oft nachgesungen worden. Es hat bei dieser Art der Beweisführung durch die Herren der Kommu⸗ nistischen Partei auch ein Artikel eine wesentliche Rolle gespielt, den ich im April in der Zeitschrift Der getreue Eckart“ veröffent⸗˖ licht habe. Die „Rote Fahne“ hat mir noch am 22. Januar d. J. in den Mund oder in die Feder gelegt, daß das Polizeiaufgebot gegen Mitteldeutschland den Zweck gehabt habe, einen in Vorbe⸗ reitung befindlichen Kommunistenaufstand vorzeitig zu entfesseln, um ihn mit Waffengewalt niederzuschlagen, und damit die kommunistische Gefahr bannen zu können. Dieser Satz sollte in einem Artikel des „Getreuen Eckart“ gestanden haben. So wird in der „Roten Fahne“ behauptet und von vielen kommu⸗ nistischen Rednern draußen im Lande erzählt. Ich habe den Artikel des „Getreuen Eckart“ aufmerksam gelesen und nicht einen Satz gefunden, der auch nur entfernt dem ähnlich gewesen wäre. (Gört, hört! bei den Sozialdemokraten) Wahr ist, daß in einer Besprechung unmittelbar vor dem Einsetzen der Polizeiaktion in Merseburg, als über die Folgen einer Verstärkung der Polizei in jenem Bezirk Mutmaßungen von verschiedenen Seiten aufgestellt
Opfern gefragt, die der Märzaufstand gefordert hat. die Zivilbevölkerung 145 Tote und 51 Berwundete und 3 Vermißte
hat in seiner Rede derartige Anspielungen gebraucht, daß die
einen gröfßeren Widerstand der Arbeiter nicht glaubten und der Ansicht seien, daß, wenn die Arbeiterschaft in Mitteldeutschland den Ernst der Staatsregierung erkennen würde, mit allen Mitteln jetzt gegen Räuber und Terroristen einzu⸗ schreiten, die ordnungsliebenden Elemente um so mehr Ruhe halten würden. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was die Herren von der Kommunistischen Partei unterstellen, daß wir nämlich die Absicht gehabt hätten und ich speziell, durch die Polizei⸗ aktion erst den Widerstand zu entfesseln und dann den entfesselten Widerstand niederzuschlagen. Nein, wenn ich von dem nieder⸗ geschlagenen Widerstand überhaupt gesprochen habe, dann nur als einer vom Standpunkt des Staatsganzen begrüßenswerten Neben⸗ erscheinung der Polizeiaktion. Ich habe auf die Angriffe, die ich aus deutschnationalen Kreisen erfahren habe, daß die Polizei zu schwach eingesetzt und zu spät eingesetzt sei, folgendes im „Eckart“ geschrieben:
Man hat diese Verteilung der Polizeikräfte — hinterher natür⸗ lich, wo sich's vom sichern Port gemächlich raten läßt —
— aus diesem Zwischensatz wollen Sie die Tendenz der Aus⸗ führungen erkennen —
als unzweckmäßig bezeichnet, da sie gerade die Banden zum
Widerstand herausgefordert habe. 2. ö. Dann fahre ich wörtlich fort: ö .
Ich erblicke darin keinen Nachteil.
Ich habe nicht gesagt, daß das meine Absicht gewesen wäre, sondern daß ich diese Nebenerscheinung im Interesse des Staatsganzen begrüßt habe. ᷣ
Wäre der Einsatz von Polizeikräften so massiert worden, wie es
heute (vermutlich aus parteipolitischen Erwägungen) als größte
Weisheit bezeichnet wird, dann wäre das Gewitter nicht zur Ent⸗
ladung gekommen ebhafte Rufe: Hört, hört! bei den Kommunisten),
die Schwüle aber geblieben. Sicher hätte die Polizei einige
Waffen gefunden, Dynamit den rechtmäßigen Besitzern wieder zu⸗
geführt und Rowdys zur Anzeige gebracht. Aber zu einer völligen
Beruhigung hätte dieser Erfolg nicht geführt 3 (hört, hört! bei den Kommunistenn;.
Der Aufstand wäre latent geblieben. (ELebhaftes Hört, hört! und Zurufe bei den Kommunisten) — Das haben Sie nicht behauptet! (Abg. Dr. Meyer⸗Ostpreußen: Ja⸗ wohl!) Wenn Sie das behaupten, so bin ich ganz einverstanden. Andauernde Zurufe bei den Kommunisten) — Nein, von einem solchen Willen ist nicht die Rede! Wenn Sie das nicht verstehen können, tuts mir leid. Das ist eine Nebenerscheinung der ganzen Aktion gewesen, die ich durchaus begrüßt habe, sie hat aber nicht in der Absicht der Veranstalter der Polizeiaktion gelegen. (Weitere Zurufe bei den Kommunisten.)
Meine Damen und Herren! Es wäre sehr interessant und vielleicht auch erwünscht, auf weitere Fragen einzugehen, die mein Ressort berühren, z. B. auf die Frage der Regelung des Paßwes ens. Im Hauptausschuß des Landtages sind darüber vecht bewegliche Klagen geführt worden. Ich glaube, daß sie jetzt zum Teil schon abgestellt sind, denn seit den Tagen der Verhand⸗ lungen im Hauptausschuß sind reichlich fünf Monate verflossen. Es wäre vielleicht auch erwünscht, das Ostjudenproblem, das
Problem der Einwanderung von Ostenropäern an dieser Stelle zu
besprechen. Ich darf aber zu allen diefen Fragen erklären, daß die Schaffung eines Reichsfremdenrechtes in naher Aussicht steht, daß mein Ressort auf baldige Verabschiedung dieser Materie drängen wird, und daß ich dem Landtage bei passender Gelegenheit eine Erklärung darüber abgeben werde, ob ich in der Lage bin, den letzten Erlaß meines Herrn Amtsvorgängers über diese Frage aufrecht zu erhalten oder ob es etwa angezeigt erscheint, daran wieder Aenderungen vorzunehmen. Unter diesen Umständen werden Sie es mir wohl erlassen, auf diese Dinge näher einzugehen. Aber eine Frage glaube ich verpflichtet zu sein, hier noch zu be⸗ handeln, zumal ein Antrag der Zentrumsfraktion sich damit be⸗ schäftigt, ob es, zweckmäßig erscheint, beim Polizeipräsidium in Berlin eine besondere Zentralstelle zur Bekämpfung der un sittlichen Literatur einzurichten. Alle Fachleute sind der Meinung, daß es sich nicht empfiehlt, diese besonde re Stelle beim Berliner Polizeipräsidium zu schaffen. Ich glaube, daß Serr Kollege Dr. von Winterfeld nicht mit Unrecht auf die unbefriedigende Lage hingewiesen hat, in der sich das Staats⸗ kommissariat für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung befindet. Alle diese Staats kommissariate und alle diese besonderen Stellen, die sich nicht in den gewöhnlichen Behördenapparat ein⸗ gliedern, kommen leicht zu Reibungen mit den ordentlichen Be⸗ hörden, erschweren, komplizieren den ganzen Geschäftsbetrieb und schaffen, glaarbe ich, im Endergebnis nicht mehr als die ordentlichen Behörden selbst. Wenn die Herren Antragsteller oder die Parteien des Landtages schlechthin zu der Auffassung gelangen, daß auf diesem Gebiete mehr zu geschehen hätte, dann würde es fich empfehlen, dem Staatsministerium nahe zu legen, im Polizei⸗ präsidium Berlin selbst noch einige Stellen zu schaffen, die die be⸗ sondere Aufgabe haben, Entartungserscheinungen auf dem Gebiete der Literatur zu bekämpfen. Ich stelle anheim, in dieser Weise vorzugehen. Ich glaube, daß die Herren sich den Erwägungen nicht verschließen werden, die von Fachleuten angestellt worden sind, die schon heute in der Bekämpfung dieser Erscheinungen stehen.
Ich halte mich aber für verpflichtet, bei dieser Gelegenheit den Fall Brun ner zu besprechen, die Zuständigkeit Brunners festöustellen und überhaupt über die Tätigkeit Brunners einige Mitteilungen zu machen. Herr Professor Brunner steht auf dem Etat des Wohlfahrtsministeriums. Eine Einwirkung vom Innen⸗ minister ist nur in ganz beschränktem Umfange möglich. (Huruf links) — Ich bin nicht in der Lage, so schnell mit Professor Brunner fertig zu werden. Denn wenn ich auch zugebe, daß seine Tätigkeit reichlich einseitig gewesen ist und daß er es nicht ver⸗ standen hat, a 11e Bevölkerungsschichten zur Mitarbeit auf seinem Spezialgebiet heranzuziehen, so muß doch selbst der strengste Kritiker seiner Tätigkeit anerkennen, daß er ein temperamentvoller und fleißiger Herr ist, dem es ernst gewesen ist mit der Bekämpfung des Schmutzes und des Schundes in der Literatur. Aber ob Herr Professor Brunner geeignet ist, als Autorität an Gerichtsstelle zu fungieren, wenn es sich darum handelt, künstlerische Werke nach Inhalt oder Tendenz zu beurteilen — (Zuruf rechts: Künstlerische?) 2 Ich weiß nicht, Herr Kollege, ob Sie alles, was auf dem Ge⸗ biete der Kunst geschaffen wird, unter das Rubrum Schmutz ein— gliedern wollen. (Zuruf rechts: Nein, aber der „Reigen“, das ist Schmutz! — Zuruf links: Das ist Ihre Auffassung, weil Sie es
le
mit schmutzigen Augen ansehen. — Große Unruhe.) Ich stelle fest daß ich kein Wort vom „Reigen“ gesagt habe. Professor runner ist nicht allein im „Reigen“ Prozeß als Sachverstãndiger ver⸗ nommen worden, sondern in sehr vielen anderen Prozessen, in diesem Jahre in mindestens sechzehn Strafprozessen; und ich weiß nicht, ob die Dinge immer so klar und einfach gelegen haben wie jet im „Reigen“- Prozeß. Ich kann selbstverständlich dem Herrn Justizminister und der Staatsanwaltschaft keine Vorschriften darüber machen, wen sie als Gutachter, als Sachverständigen in solchen Prozessen zu vernehmen haben. Aber das kann ich ändern daß Herr Professor Brunner als Die Autoritä, der Pole! verwaltung immer zu diesen Verhandlungen gerufen wird; und das soll geändert werden. (Sehr richtig! links. — Hört, hört! rechts) — Auch darüber freue ich mich, Herr Kollege Baecke, daß Sie das wieder unterstreichen. Ich möchte Ihnen aber doch Ihr Konzept verderben und gleich hinzufügen: ich beabsichtige keineswegs, meinen Einfluß, der zwar gering ist, darauf zu verwenden, die Tätigkeit des Herrn Professor Brunner einzustellen; im Gegenteil ich wünschte, daß Herr Brunner noch einige Kräfte bekäme, die ihn darin unterstützten, dem wirklichen Schund und Schmutz nach⸗ zugehen. Ich glaube, wenn man ihm nahelegte, auch alle Vereini⸗ gungen in Berlin, die dieses Programm ebenfalls auf ihre Fahne geschrieben haben, heranzuziehen, so würde seine Arbeit noch größere Erfolge zu verzeichnen haben als bisher. Aber darüber sind sich alle Sachverstãndigen einig, daß er als Gutachter in Kunstfragen zu einseitig ist und daß diese Einseitigkeit im Polizeipräsidum ahge⸗ stellt werden muß. (Zurufe rechts. — Unruhe.) Ich habe deshalb gestern mit dem Herrn Polizeipräsidenten und dem Dirigenten in der betreffenden Abteilung, Herrn von Glasenapp, vereinbart, daß das Polizeipräsidium. eine kleine Kommission, beste hend an Künstlern und Schriftstellern, beruft, die immer dann den Herren von der Staatsanwaltschaft und dem Herrn Justizminister empfohlen werden soll, wenn Fälle, die an der Grenze liegen, nicht von einer Person, sondern von mehreren Personen entschieden werden müssen. Ich glaube, daß eine solche Gutachterkommission viel weniger den Widerspruch der öffentlichen Meinung und be⸗ sonders der interessierten Kreise hervorrufen wird als die Persön⸗ lichlei des Herrn Brunner, die bei aller Anerkennung ihrer Tätig⸗ keit, ihrer Verdienste doch recht einseitig in diesen Fragen vorge⸗ , ist. , richtig! links.) un noch ein paar Worte zu den Dingen, die sich in den J
Tagen und Wochen hier in Berlin abgespielt . die 8 Niederschlag gefunden haben in der Kleinen Anfrage der Herren Dr. Grund und Genossen unter Nr. 1512, zu den Plünde⸗ rungen von Ladengeschäften in Groß Berlin. An das Staatsministerium ist nicht erst in dieser Kleinen Anfrage, sondern auch in der Presse die Anfrage gerichtet worden, ob es einen politischen Hintergrund dieser Plünderungen und dieser Exʒesse gäbe. Ich habe mich mit den zuständigen Stellen des Berliner Polizeipräsidiums in Verbindung gesetzt, und diese Stellen können den Beweis dafür erbringen, daß in der Tat politische Drahtzieher hinter den Plünderungen gestanden haben. (Hört, hört! — Zuruf bei den Kommunisten: Wer? — Es wird gefragt: wer? — Ich studiere alle Separationen in der Arbeiterbewegung sehr genau, aber ich kenne mich in der Kommunistischen Partei nicht mehr aus. (Große Heiterkeit. — Zuruf bei den Kommunisten: Fauler Witz) Ich kann deswegen auch nicht wissen, in welchem Verhältnis die kommunistische Arbeiterjugend zur Kommunistischen Arbeiter⸗
partei steht, und ich weiß nicht, ob die kommunistische Arbeiterjugend eine Filiale Ihrer Partei ift oder ob sie sich zur Kommunistischen Arbeiterpartei rechnet. (Zuruf bei
den Kommunisten: Erkundigen Sie sich bei der Abteilung La! Herr Weißmann weiß es auch) — Jedenfalls konnte ich auf den Zwischenruf nicht antworten. (Zuruf bei den Kommunisten: Ver⸗ leumdungenh — Ich kann Ihnen doch den Beweis dafür er⸗ bringen — dieses Plakat ist doch der Beweis dafür, daß es sich nicht um Verleumdungen handelt. (Zuruf bei den Kommunisten: Lesen Sie vor! — Ich bin sogar bereit, es auf den Tisch des Hauses niederzulegen. (Zuruf bei den Kommunisten: Wer steht hinter dem Plakat?) — Es ist unterzeichnet von der Kommunistischen Arbeiterjugend, von der Kommunistischen Arbeiterpartei, von der Allgemeinen Arbeiterunion und von dem Aktionsausschuß der Er⸗ werbslosen. (Zurufe bei den Kommunisten) — Was wollen Sie? Ich habe Ihnen doch erklärt, ich sei nicht in der Lage, zu ant⸗ worten, wenn Sie mich fragen wer?“ — — — (Zurufe bei den Tommunisten. — Hätte ich Sie bezichtigen wollen, dann dürfen Sie mir zutrauen, daß ich das offen ausgesprochen hätte. (Zurufe bei den Kommunisten: Lesen Sie doch vor) — Ich lege dieses Exemplar auf den Tisch des Hauses. (3urufe bei den Kommunisten: Das ist die Hetze gegen die Kommunisten, die von Abteilung 2 inszeniert wird unter Ihrer Leitungh — Ich weiß nicht, ob Sie dieses Blatt kennen: „Der Arbeitslose“, Informationsblatt der Aktionsausschüsse. Es ist gedruckt im Verlage der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands. (3Zurufe bei den Kommunisten: Das kennen wir sehr gut! Damit sollen die Progrome gegen die Kom⸗ munisten begründet werden) Wer die Absicht hat, Progrome zu veranstalten, geht aus einigen Auslassungen hervor, die im Leit⸗ artikel dieses Flugblattes enthalten sind. (Zuruf bei den Kom⸗ munisten: Vorlesen!) — Da heißt es am Schluß des Artikels: Die Bankerotterklärung des „Berliner Tageblattes“ und des Berliner Börsen⸗Couriers“ wird das Proletariat beantworten müssen mit der Ergreifung der Macht zur Sicherung se ines Lebens. Es wird dabei nicht zurückschrecken auch vor jenen Formen des Kampfes, die der Bürgerkrieg bildet. (Sehr richtig! bei den Kommunisten. — Hört, hörth Ihr fordert unser Leben, wir das Eure! Auge um Auge, Zahn um Zahn, und dann Ihr Herren: Memento mori. Große Heiterkeit) Ich bin gerade kein Lateiner. Aber der Sinn dieses Wortes ist hier sehr eindeutig. Man hat mir mal früher erzählt, daß es ungefähr heißt: Gedenke des Todes! — Ich glaube nicht, daß das hier bildlich gemeint ist. Aber wenn Sie daran noch einige Zweifel haben, so bin ich, glaube ich, in der Lage, auch diese Zweifel zu beheben. In einem Aufruf, den dieses Flugblatt, herausgegeben von den Aktionsausschüssen, enthält, heißt es: FJegt hinweg alles, was euch hindert! Setzt euch hinweg ü ber die Gesetze; die Revolution schafft ihre eigenen! Hört, hört — Zuruf bei den Kommunisten: Lesen Sie doch den Vorwãrts /h Was eine Zeitung schreibt, und sei es der „Vor⸗ wãärts ), kann für die Entschließungen des Innenministers nicht maßgebend sein. Ich habe an dieser Stelle und in meiner Amts⸗
lührung nie gelagt, daß Sie hinter diesen Plünderungen stehen,
daß Sie die Krawalle angezettelt haben. Aber es ist ei
die Kommunistische Arbeiterpartei, die zu — he n. die mit dem Bürgerkriege droht, die Mordtaten 3 kann igt , . (Abg. Fran Wolffftein: In die Sir Ihre Spitzel schicken, die das machen! — Große Heiterkei — Ganz anders als sonst in Menschenköpfen malt sich in 3 Kopf die Welt. Ich weiß nicht, wie die Abgeordnete Wolfstein sich das denkt, Epitzel in die Versammlungen zu schicken Surufe 6 den Kommunisten — Ach Gott, dieses Märchen glauben Sie ja dee. nicht. Sat ein Agent provocateur diese Stellen dieses Artikels geschrieben, diesen Aufruf veröffentlicht? Gurufe bei den Kommunisten: Erkundigen Sie sich bei Herrn Weismann er win Ihnen Antwort geben!) — Meine Herren, reden Sie sich doch nicht ein, als ob Sie an die Märchen glaubten. Die Deffentlichkeit werden Sie nicht betören, die Oeffentlichkeit hält sich an diese un⸗ widerlegliche Tatsache, daß in geheimen Konventikeln, in den Aus⸗ schüssen der Arbeitslosen, in Zirkeln der Rommunistischen Arbeiter partei die Plünderungen vorbereitet sind. Und wenn die Plünde⸗ rungen geglückt wären, die Ausschreitungen einen größeren nen angenommen hätten, aus der Revolte die Revolution k wãre, der sich nach der Meinung der Kommunistischen Arbeiter⸗ partei auch die Kommunisten angeschlossen hätten, — wären Sie , . abseits geblieben? (Zurufe bei den Kommunisten: Glauben Sie, daß Arbeiter Konsumvereinsläden plündern?! — Wenn Sie . e, n, gen,, en. in die Luft sprengen wollen, dann
es nur ein Schritt bis zu Plü in Schri
. ch zu Plünderungen, und zwar ein Schritt 5. Ich möchte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Staats regierung sich ihrer Pflicht bewußt ist, gegen alle Aus⸗ schreitungeß anzugehen, ganz gleich, von welcher Seite sie kommen ob es sich um Ausschreitungen von Arbeits gemeinschaften oder von kommunistischen Plünderern handelt, ganz gleich, ob es sich um lommun istische oder um rechtsbolschewistische Verschwörungen sanbelt. Es ist ja zuzugeben, daß die Not heute sehr groß ist Zuruf bei den Kommunisten: Nach rechts vorzugehen, haben Sie nicht die Kraft!) Ich habe Ihnen eben mitgeteilt, daß mit auf meine Veranlassung die Arbeitsgemeinschaften aufgelöst sind. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, daß wir uns auch nach rechts die Kraft zutrauen, Ordnung in unserem Sinne zu schaffen.
. Ich sage: die Staatsregierung ist sich der schwierigen Situa⸗ tion, in die zahlreiche Schichten unserer . Teuerungswelle geraten sind, voll bewußt, und die Regierung hält es für ihre Bflicht, alle Gutdenkenden im Lande aufzurufen Auf⸗ llãrung darüber zu verbreiten, daß zerbrochene Fenscherscheiben und geplũnderte Läden nicht in der Lage sind, die Not abzustellen; daß das, was hier in Berlin vorgekommen ist, das allerungeeignetste Mittel ist, eine geregelte Lebensmittel verteilung durchzuführen. Wer es dann doch wagen sollte, dieser Gewalttheorie nachzugehen darf darüber keine Klage führen, wenn er sich der Gewalt des Staates gegenübergestellt sieht. Meine Herren, es gibt noch eine größere Gewalt als die Gewalt der Zerstörer, als die Gewalt des Staates: das ist die Gewalt der Vernunft. An diese Ge⸗ walt appelliere ich vor dem ganzen Lande, und ich bin überzeugt daß dieser Appell bei allen Guten im Lande nicht ungehört der⸗ hallen wird. Bravo! — Zischen bei den Kommunisten.)
= In Erwiderung auf Ausführungen der Ab z D. Vp.) Dr. von Drnan her (D. . und 2 . ö partei) erklärte der Minister des Innern Severing:
Ich bin verpflichtet, einige Ausführungen des Dr. v = ander zu berichtigen. Der Herr Abg. Dr. von eure, k der Stellungnahme seiner politischen Freunde zur Frage der Monarchie unter anderm auch auf den früheren Ministerprãsidenten Stegerwald berufen. Ich habe zwgr nicht das Mandat, den Herrn Minister. prãsidenten Stegerwald gegen unberechtigte Angriffe in Schutz zu nehmen, ich glaube aber, im Interesse der Richtigkeit, im Interesse der Wahrheit feststellen zn müssen, daß der Herr Ministerprãsident in jener Auseinandersetzung im Hauptausschuß des Landtages von der Frage der Wie derherstellung der Monarchie als von einer Sonntagsangelegenheit gesprochen hat, die im Augenblick das deutsche Volk nicht zu beschäftigen brauche. Ich weiß nicht, woher der Abg. Dr. von Dryander die Berechtigung nimmt, diese Ausführungen Stegerwalds zu seiner Beweis fü hrung heranzuziehen. Ich glaube, das ist doch ein sehr gewagtes Experiment. Ich habe aus den Ausführungen Stegerwalds etwas ganz anderes herausgehõrt. Stegerwald hat sich, wenn ich mich recht dieser Aus- einandersetzung entsinne, gegen den Vorwurf verwahrt, den ich ihm angeblich in einer Versammlung in Münster gemacht haben soll. Er hat sehr lebhafte Beschwerde darüber geführt, daß ich ihn mit jenen seiner Parteifreunde identifiziert habe, die in der Frage Republik oder Monarchie mindestens sehr zweifelhaft vom Standpunkt der Sozial⸗ demokratischen Partei anzusehen sind. Ich hoffe, daß Herr Dr. von Dryander auf Grund dieser Erinnerung Gelegenheit nehmen wird die Heranziehung des Herrn Ministerpräsidenten Stegerwald sir seinen Standpunkt einmal einer Revision zu unterziehen.
Aber das ist nicht die Angelegenheit, die mich veranlaß einmal die Tribüne zu besteigen, sondern e, ere, é. * Abg. Dr. bon Dryander zu der Amtsführung des Ober- präsidenten Hörsing und zu der Frage des Selbstschutzes machte. Ich bin über die Einzelfälle, auf die sich Herr Dr. von Dryander beruft, nicht unterrichtet. In einem Falle hat er darauf hingewiesen, daß ein Schriftstück im Ministerium des Innern liegt. Ich werde Gelegenheit nehmen, mich über den Inhalt dieses Schrift⸗ stůcks zu unterrichten, um festzustellen, was an der Behauptung Richtiges ist, daß in der Provinz Sachsen unter der Aeg ide des Oberpräsidenten die Gesinnungs⸗ schnüffelei betrieben wird, die zu bekämpfen ich heute dem Landtage versprochen habe. Ich glaube aber, daß es nicht richtig ist daß es mindestens sehr voreilig ist, Aeußerungen, die der Herr Reichswehrminister oder ein Beamter des Reichs wehrministeriums oder ein Vertreter des Herrn Reichsinnenministers über den Ober- präsidenten Hörsing gemacht hat, schon als unumstößlich hinzu stellen. Ich darf vielleicht Herrn Dr. von Dryander auf eine Kontro⸗ berse aufmerksam machen, die ich auch mit ihm hier einmal anlãßlich der Besprechung der großen Anfrage seiner politischen Freunde gehabt habe, als es sich darum handelte, festzustellen, ob die Anschuldignngen die gegen den Landrat Raute erhoben waren, richtig seien oder nicht Derr Abgeordneter Dr. von Drvander berief sich damals auf Aug. fũhrungen militärischer Dienststellen hierüber, denen er, nehme ich an, eine besondere Autoritãt darüber beimaß, und mußte erfahren, daß
eine Berichtigung durch das Reichewebrmintsterium gegeben wurde.