1922 / 24 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Jan 1922 18:00:01 GMT) scan diff

mögen an die Millionen heranreicht. Was haben die getan? Die bayerische Volkspartei hat es für ihre Pflicht angesehen, an dem Kompromiß mitzuarbeiten, um innere und äußere Gefahren zu vermeiden, und ihre Wählerkreise werden dafür Verständnis haben. Allerdings wird auch durch das Kompromiß dem Konsum ein schweres Opfer zugemutet, aber es kann keine Ausnahme geben. Durch die Zwangsanleihe wird der Grundbesitz sicherer erfaßt als das Kapitalvermögen, denn Häuser kann man nicht über die Grenze tragen, deshalb sollte die Regierung das in das Ausland geflohene oder dort versteckte deutsche Kapital noch zu erfassen suchen. Eine eidesstaatliche Versicherung unter Androhung schwerer Freiheitsstrafen und der Einziehung des Vermögens wäre hier am Platze (Sehr wahr), um die Kapitalflucht zu treffen. Wenn auch gewisse Erleichterungen für unsere außenpolitische und innen⸗ politische Lage jetzt angebahnt sind, so liegt doch eine optimistische Auffassung noch nicht sehr nahe. (Sehr richtig!, Es fragt sich, ob die Opfer nicht vergebens gebracht würden, wenn bei unseren Gegnern statt des Hasses nicht die Vernunft zu ihrem Rechte kommt, wenn sie an dem Militarismus festhalten und Deutsch⸗ land durch neue Forderungen in den Abgrund ziehen wollen und wenn bei uns selbst gewisse Krebsschäden, wie wilde Streiks und Putschversuche, noch mehr überhandnehmen würden. National ist das Pflichtbewußtsein nach den Grundsätzen des Christentums. Diese Grundsätze müssen in Deutschland und Europa zur Herr— schaft gelangen, um uns vor dem Untergang zu retten. Mögen diese Grundsätze die Völker zusammenführen zu einer Gemeinschaft, bei der es nur einen Wettbewerb um die Förderung der Kultur

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und des Friedens gibt, aber keine Unterdrückung und Vernichtung. 5 3 s e

Abg. Dr. Levi (Komm. Arbeitsg.): Wir bedauern, daß die deutsche Regierung erst jetzt zu einem Einvernehmen mit Rußland zu kommen gedenkt; sie hätte rechtzeitig mit Rußland Hand in Hand gehen sollen. Deutschland und Rußland müssen eine klare und offene Politik treiben. Wenn Deutschland die Politik des Er⸗ füllungswillens oder der Erfüllung treibt, wird es ein wichtiges moralisches Ansehen in die Wagschale werfen können. Wir sind nicht für die Auslieferung der deutschen Kriegsverbrecher, aber im Interesse der moralischen Reinigung Deutschlands verlangen wir, daß Deutschland selbst seine Kriegsverbrecher aburteilt. Die

deutsche Regierung ist bisher in keinem einzigen Falle aus eigenem

Antrieb zu einer Anklage gegen einen Kriegsverbrecher geschritten. Die deutsche Landwirtschaft ist zum größten Teil entschuldet und kann sehr gut höhere Lasten tragen. Die Sozialdemokratie hätte seinerzeit besser getan, die Kriegskredite nicht zu bewilligen. Auch jetzt wieder stimmt sie kurzsichtig einem Kompromiß zu, das ihr die Sympathie der Arbeiter rauben muß.

Abg. Koenen (Komm.): Die deutsche Regierung hat selbst in dem Augenblick, wo die Reise nach Genug angetreten werden soll, nicht den Mut, die Sowjetregierung anzuerkennen. Sie ih dabei ganz im Schlepptau Englands, obwohl diese Politik des Auswärtigen Amts schon einmal in der oberschlesischen Frage eine schwere Niederlage erlitten hat. Wie immer, verpaßt man den Anschluß und riskiert, daß Rußland später mit Amerika wirt schaftlich zusammengeht. Dann wird auch das schönste Steuer kompromiß nichts nutzen. Die Stinnes Leute stimmen dem Koöm⸗ promiß zu, weil damit der Industrie ein gutes Geschäft gesichert wird. Die Hauptlast hat wieder die Arbeiterschaft zu tragen. Gerade dadurch, daß das Kompromiß mit der Stinnes-Partei ab⸗ geschlossen wird, werden die Arbeiter besonders leiden. Der Acht⸗ stundentag wird fallen, ebenso die Erwerbslosenfürsorge. Die Stinnes⸗Partei hat freie Hände, die Sozialdemokratie ist gefesselt. Wir stehen vor einer entscheidenden Wendung nach rechts. Die Recht sozialisten sagen: Ihre Politik sei ihnen gut bekommen. Nun ja, Sie (zu den Soz.) sind ja alle in gutbezahlten Stellungen dank der Koalition mit der Stinnes⸗-Partei und den Demokraten. Dem deutschen Proletariat aber werden Stockprügel auf den Magen versetzt. Demgegenüber kann es nur den rücksichtslosen Kampf geben. Wenn Herr Müller sagte, seine Partei habe aus dem Kompromiß das Maximum für die Arbeiter herausgeholt, so ist das das Maximum politischer Schwindelei. Redner polemisiert gegen die Unabhängigen. Auf einen Zuruf des Abg. Crispin er⸗ widert er diesem: Sie sind der größte Phrasendrescher! Die Mehr heitssozialisten haben sogar geschwiegen, als Herr Petersen den Beamten das Streikrecht absprach. Dieses Recht müssen die Be⸗ umten haben. (Zuruf: In Rußland auch? Heiterteit Das interngtionale Proletariat wird den Kampf weiterführen zum Schrecken der Sozialdemokraten und der Stinnes⸗Partei. (Lachen bei den Soz., Beifall bei den Komm.)

Abg. Hergt (D. Nat.): Namens meiner Parteifreunde habe ich folgende Erklärung abzugeben: Wie die gestrigen Ausführungen des Herrn Reichskanzlers ergeben, hat die Reichsregierung endlich den Entschluß gefunden, auch ihrerseits die wirtschaftliche und finanzielle Unmöglichkeit der Erfüllung der uns auferlegten Kon tributionslasten anzuerkennen; sie hat sich damit jetzt auf den von uns von Anfang an vertretenen und inzwischen mehr und mehr zum Gemeingut der Bevölkerung gewordenen Standpunkt gestellt. Widerspruch und Gelächter links. Um die Regierung hierzu zu bringen bedurfte es offenbar erst des Drucks des durch die Politik der Erfüllung herbeigeführten Zusammenbruchs der deutschen Valuta, des latastrophalen Anschwellens der Teuerung, eines völligen Versagens aller Wege, weiterhin die uns durch das Londoner auferlegten Lasten in irgendwie gearteter Form und mit irgendwelchen Mitteln zu erfüllen. Aber auch jetzt hat sich die Reichsregierung, wie wir mit Bedauern feststellen müssen, noch nicht dazu durchgerungen, aus der Erkenntnis der Unmöglichkeit der Erfüllung die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Sie fährt vielmehr auch heute in dem verhängnisvollen Versuche fort, das Unmögliche möglich zu machen. Einen solchen . erblicken wir in der Absicht, den Weg der Zwangsanleihe für die Reparationsleistungen zu betreten, ohne daß gleichzeitig eine für Deutschland tragbare Endlösung des Reparationsproblems erzielt wird. Auch wir sind bereit, für eine solche endgültige Lösung weitgehende Opfer zu bringen. In der beim gegenwartigen Standpunkt der Dinge vorgeschlagenen Zwangsanleihe erblicken wir jedoch die schwerwiegende Gefahr des Beginns einer Zwangs⸗ vollstreckung in das nationale Vermögen und das Privateigentum des deutschen Volkes. (Sehr richtig! rechts) Auch die Mitteilungen, die uns bisher über die zur Absendung bereitliegende Note an die Reparationskommission gemacht worden sind, erscheinen nicht ge⸗ eignet, uns über die Haltung zu beruhigen, die die Reichs regierung in des Kontributionsfrage gegenüber den Ententemächten ein⸗ nimmt und weiter einnehmen wird. Die Weigerung des Herrn Reichskanzlers, der von Herrn Poincars neuerdings wieder aus⸗ gesprochenen Lüge von der deutschen Schuld am Kriege entgegen⸗ jutreten, scheint uns bezeichnend für den Geist, der die gegen⸗ wärtige eichs regierung beherrscht. Angesichts dieses Geistes sehen wir die Gefahr, daß auch jetzt wiederum die Reichs vegierung durch ihre Unterschrift Verantwortlichkeiten für das deutsche Volk eingeht, die uns dem Vorwurf der Unzuyverlässigkeit aussetzen. Aus diesen Gründen mißbilligen wir die von der Mehrheit gestüͤtz te Politik der Reichsregierung und lehnen jede Mitverantwortung für ihre Folgen ab. (Beifall bei den D. Nat., Gelächter links und Zuruf links: Wir gratulieren zu dieser Erklärung!)

Inzwischen ist folgender Antrag der Kommunisten eingegangen:

„Der Reichstag wolle beschließen: Die Erklärung des Reichs⸗ kanzlers entspricht nicht der Anschauung des Reichstages.“

Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Crispien (U. Soz.), der sich gegen die vom Abg. Becher (D. Vp) zum Ausdruck gebrachte Auslegung seiner Aeußerung auf dem Leipziger Parteitage „mein Vaterland ist nicht Deutschland, ,. die Erde“ wendet, gibt der Abg. Hergt (D. Nat.) olgende Erklärung ab:

„Durch meine eben verlesene Erklärung halten wir die An⸗ gelegenheit eines Mißtrauens- oder Vertrauensvotums für erledigt, Den Antrag der Kommunisten mitzumachen lehnen wir

Nach weiteren persönlichen Bemerkungen der Abgeordneten Becker (D. Vp.) und Müller⸗Franken (Soz ) erhebt der Abg. Se deb our (l. Soz.) Einspruch gegen die nach der Ge⸗ schäftsordnung unzulässige sofortige Abstimmung über den kommunistischen Antrag.

Abg. Hoffmann (Komm. A. G.): Wir hätten den Antrag nicht eingebracht, wenn von den anderen Parteien ein Vertrauens⸗ votum eingebracht worden wäre.

Präsident Löbe: Nach der bestehenden Geschäfisordnung, die allerdings aus einer Zeit stammt, wo Mißtrauens⸗ oder Ver⸗ trauensvoten hier nicht eingebracht werden konnten, ist allerdings für den lommunistischen Antrag eine bestimmte Frist vorgesehen. Der Reichstag würde allerdings über diese strittige Geschäfts⸗ ordnungsfrage sich schlüssig zu machen haben. Ich bitte jedoch, um eine solche Entscheidung überflüssig zu machen, den Einspruch gegen die Abstimmung zurückzuziehen, da wir bereits mehrfach bei der⸗ artigen Gelegenheiten über solche Anträge abgestimmt haben.

Da der Abg. Ledebour den Einspruch nicht zurückzieht, wird der Einspruch durch Abstimmung zurückgewiesen.

Der Mißtrauensantrag der Kommunisten wird darauf gegen die Kommunisten abgelehnt, unter Stimm- enthaltung der Unabhängigen und Deutschnationalen.

Nächste Sitzung Sonnabend, 12 Uhr Mittags. (Fort— setzung der Besprechung der Interpellation über den Wagen⸗ mangel und kleinere Vorlagen.)

Schluß 8 Uhr.

Preußischer Landtag.

95. Sitzung vom 27. Januar 1922, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsberleger*).)

Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung um 11½ Uhr.

Der Geset entwurf, betreffend Be⸗ teiligung Preußens an der Ostpreußen werk Aktien⸗Gesellschaft wird ohne Aussprache dem Haupt⸗ ausschuß überwiesen.

Es folgt die Fortsetzung der ersten Beratung des Haushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1922.

Abg. Drewitz Wirtschaftspartei) sieht das Hauptübel in unserem Wirtschaftsleben, daß jeder darauf eingestellt ist, vom Staate versorgt zu werden. Auch das politische Leben wird voll— kommen von wirtschaftlichen Gesichtspunkten beeinflußt. Trotz

aller Finanzkalamität werden immer neue Beamtenposten besetzt.

Zur steuerlichen Belastung müßten alle Teile des Volkes gleich— mäßig herangezogen werden. Man müßte wenige, aber große Steuern machen und so einen kostspieligen Apparat ersparen. Redner kritisiert die Erzbergersche Steuerreform und tritt für größere Selbstverwaltung der Gemeinden ein. Jeder müsse selbst seines Glückes Schmied werden und sich nicht auf die Hilfe des Staates allein verlassen.

Minister des Innern Severing: Es ist nicht meines Amtes, auf die etatrechtlichen und etattechnischen Bemerkungen einzugehen, die die verschiedenen Redner aus dem Hause in der laufenden Beratung gemacht haben. Ich möchte auf einige Ausführungen ant⸗ worten, die allgemein ⸗politischen Charakters sind und zumeist mein Ressort berühren.

Zunächst möchte ich dem Herrn Vorredner dafür danken, daß er sich der Interessen der Gemeinden in so warmherziger Weise an— genommen und allen Parteien dieses Hauses die Anregung gegeben hat, endlich auch durch die Tat zu beweisen, daß sie es mit der Selbst verwaltung der Gemeinden ernst nehmen. (Bravo! bei der Wirtschaftspartei.)

Wenn der Herr Vorredner aber meint, daß eine entsprechende Auf⸗ forderung des Herrn Oberbürgermeisters Scheidemann an seine Partei⸗ freunde und ihr negativer Erfolg beweise, daß „etwas nicht stimme“, so glaube ich, dem Herrn Vorredner antworten zu müssen, daß mir aus seinen Ausführungen der Beweis erbracht zu sein scheint, daß bei ihm auch etwas nicht stimmt. Denn der Herr Vorredner, der die Erzbergersche Steuerreform in Grund und Boden verdammte, hat hier eine Bitte zum Vortrag gebracht, die darauf hinauslief, den Steuerapparat zu vereinfachen. Ich kann mir nicht denken, daß diese Vereinfachung des Steuerapparats dadurch beschleunigt oder überhaupt hergestellt würde, daß wir wieder zu der alten Steuer— erhebungsart zurückkehren. Ich glaube, daß die organisatorische Art der Erzbergerschen Steuerreform durchaus das Richtige trifft, daß nur insofern berechtigte Klagen vorzubringen sind, daß jetzt das Steuerrecht der Gemeinden und der Einzelstaaten zu sehr beschnitten worden ist. (Zuruf rechts) Das ist in der Tat allerlei, und ich bemühe mich auch nach Kräften, die Steuerhoheit der Gemeinden insoweit wieder herzustellen, daß man berechtigterweise wieder vom Selbstverwaltungs⸗ recht der Gemeinden sprechen kann. (Bravo Ich glaube aber, daß diese Bemühungen so lange erfolglos bleiben, big die Steuerfragen des Reichs nicht in befriedigender Weise gelöst sind. Werfen die Einnahmen der Reichssteuergesetzgebung die Erträge ab, die für die Einzelstaaten und Gemeinden erforderlich sind, dann werden m. E. die Klagen über die Erzbergersche Steuerreform bald verstummen. Es kommt nur darauf an, daß wir die Erträge der Steuergesetz⸗ gebung bald bekommen, dann ist der Weg dazu ganz gleichgültig. Heiterkeit.) .

Daß bei dem Vorredner nicht alles stimmt, beweist auch sein an dieser Stelle vorgetragener Hinweis darauf, daß in den Finanz⸗ ämtern und in dem Reichswirtschaftaministerium viel zu viel Beamte eingestellt seien. Darauf hat die Staatsregierung keinen unmittel⸗ baren Einfluß, denn die Finanzämter und das Reichs finanz⸗ ministerium gehören zur Organisationsgewalt des Reicheß. Wir können nur durch die preußischen Reichsratsstimmen versuchen, einen Abbau der Beamten in den Finanzämtern und in dem Reichswirtschaftsministerium herbeizuführen. Daß in diesen Dingen die preußischen Reichsratsstimmen nicht versagen, das dürfen Sie glauben! Die Protokolle des Reichsrats legen ein sehr beredtes Zeugnis dafür ab, daß von Preußen auf größtmögliche Sparsamkeit auch in den Reichsbetrieben gedrängt wird. (Sehr gut! b. d. Wirtsch.⸗ P.)

Der Herr Abg. Heilmann hat mich in seinen gestrigen Aus⸗ führungen um meine Stellung zur Beamtenpolitik ersucht. Ich kann meine Antwort auf diese Anfrage auf den einen Satz be— schränken, daß ich nicht einen Schritt von den Grundfätzen ab— gewichen bin, die ich wiederholt hier im Hause als meine Auf—⸗ fassung über die preußische Beamtenpolitik vorgetragen habe, und ich gedenke das auch in Zukunft nicht zu tun. Ich bin der Anschauung, daß diese Grundsätze sich nicht nnr mit der Koalitionspolitik ver⸗

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tragen, son dern Koalitionspolitik im besten Sinn

des Wortes sind.

Was den Spezialfall anlangt, den der Herr Abg. Heilmann bor getragen hat, den Fall des Regierungspräsidenten von Baudissin in Marienwerder, so möchte ich hier erklären, daß eine endgil Stellungnahme weder ich, als federführender Ressortminister, noch das Staatsministerium bisher genommen haben, und zwar aus dem enn, fachen Grunde, weil das Gerichtsurteil und seine Begründung noh nicht vorliegt. Das Staatsministerium wird sich nicht den Vorwu machen lassen wollen, daß es seine Entscheidung vorschnell, ohn Kenntnis des einschlägigen Materials, getroffen hat. Sobald diesez Material vorliegt, wird das Staatsministerium in eine Prüfung über die gegen den Regierungspräsidenten erhobenen Beschaldigungen eintreten, und Sie dürfen überzeugt sein, daß die Entscheidung de Staatsministeriums im Interesse des Staates fallen wird, der z nicht dulden kann, daß aufsässige Beamte von vorgesetzten Beamte gestũtzt werden. (Sehr gut h

Der Herr Abg. Wallraf, der, wie ich gern zugeben will, sein kritischen Bemerkungen in eine oftmals sehr launige Form gekleidet hat, hat in einer solchen launigen Anwandlung bemerkt, es sei z wünschen, daß nicht immer ein anderer Minister hier an dieser Stell stehe, um den Etat oder irgendwelche andere Dinge von staatlichn Bedeutung zu vertreten. Ich möchte meinen, daß man im Hause di Gehängten nicht vom Strick sprechen soll, (sehr richtig! Heiterleit und daß der Herr Abg. Wallraf doch, glaube ich, kaum berufen ist, ein derartige Meinung über die Staatsregierung oder, wenn Sie wollen über das parlamentarische System zu haben. Er ist der lebendige R weis dafür, daß auch das alte Regime in den letzten Jahren seim Existenz einen außerordentlichen Verschleiß an Ministern gehabt (Heiterkeit. Er hat es nicht zu einem Jahre Amtstätigkeit als Staat sekretär im Reich und als preußischer Staatsminister gebrach (Heiterkeit Ich glaube daß, wenn heute das alte Regime ber pflichtet wäre, im Reiche und in Preußen die Geschäfte zu leiten, angesichts der Schwierigkeit der zu lösenden Probleme auch unttt diesem Regime ein stärkerer Verbrauch an Ministern eintreten würde oder eingetreten wäre, als in der Zeit, wo in Deutschland alles ge Wenn erst einmal die größten Schwierigkeiten über, die Steuergesetzgebung unter Dach um

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ordnet lief. wunden sind, wenn im Reich Fach ist, wenn wir durch unsere Verwaltungsreform eine gewis⸗ politische Konsolidierung herbeigeführt haben, dann werden wir auh eine größere Stetigkeit in die Zentralverwaltung bringen, dann witz nicht von sechs zu sechs Monaten ein neuer Finanzminister oder ei anderer Ressortminister an dieser Stelle stehen.

Der Abg. Wallraf hat in seinen Ausführungen verschiedene Wünsche geäußert, die ich zum Teil durchaus unten schreiben kann. Er hat unter anderem gemeint, daß es notwendhg sei, die Einrichtung der Demobilmachungskommissare und Demebl⸗ machungsausschüsse abzubauen. Meine Damen und Herren, ich iin der Meinung, daß wir uns so weit wirtschaftlich und politisch km solidiert haben, daß wir von der Berufung oder vom Weiterbestehen außerordentlicher Einrichtungen, d. h. von Kommissaren und Km missionen, Abstand nehmen können. Was aber die Demobilmachungt kommissare und ⸗Ausschüsse anlangt, so möchte ich doch meinen, d diese Einrichtungen erst dann abgebaut werden sollten, wenn wit besseres Arbeitsnachweiswesen und vor allen Dingen eine gerechte praktische Schlichtungsordnung haben. (Sehr richtig!) Solange h diese sozialpolitischen Einrichtungen vom Reiche nicht bekommen haben, ist es meines Erachtens ein sehr gewagtes Experiment, ke sozialpolitisch sehr wichtige Einrichtung der Demobilmachumsz⸗ kommissare abzuschaffen. (Sehr richtig) Meine Damen! Herren, ich glaube, daß einmal ein künftiger Geschichtsschelet viel mehr als die heutigen Kritiker die große Leistung nithizt wird, die die Regierung des Jahres 1918, 19 (Zuruf rechts) aich mit Unterstützung der Demobilmachungskommissare vollbracht hät. Ih meine die große Leistung der Zurückführung von? Millionen Menschen in den bürgerlichen Beruf. (Sehr gut! bei den Soz.⸗Den. . Lachen rechts) Sie lachen heute. Ich bin überzeugt, daß auh in den Reihen der Konservativen später einmal ein Geschichteschreibet auferstehen wird, der diese große Leistung anerkennt. (Zuruf bei den Kemm.) Auf die Parteistellung dieser Amtsinhaber kommt ch nicht an; die Einrichtung an sich hat dazu beigetragen, daß die lleber führung naheju reibungslos vonstatten ging. (Zuruf bei den Komm.: Im Interesse des Kapitalismus! Heiterkeit Sehr der⸗ ehrter Herr Kollege! Ich kann mir wohl denken, daß, wenn d Regierung von damals nicht so fest zugegriffen hätte, wenn st nicht diese organisatorische Einrichtung getroffen hätte, in Deutschland auch ein bolschewistisches Regiment hätte entstehen könnon. Wenn bei Ihnen der Wunsch bestand, Deutschland zt bolschewisieren, dann ist das allerdings auch durch die Tätigkeit der Demobilmachungskommissare der damaligen Regierung unterbunden worden, und wenn Sie damit unzufrieden sind, so verstehe ich dat durchaus. Wenn man heute schon die Tätigkeit der Regierung bon damals richtig würdigen will, dann muß man fich daran erinnern, deß in einer Zeit, wo wir noch an den Sieg glaubten (Zuruf) jawch wir . . . Auch ich habe auf den Sieg gehofft, ich habe auch darm geglaubt, nicht an einen Sieg der Annektionen, nicht an einen Sieh der Kontributionen, der Reparationen, aber an cinen Sieg der Vet⸗ ständigung Vertreter der Regierungen und der Parlamente, Volk wirte und Literaten sich mit dem großen Problem beschäftigten, wit einmal nach dem Kriegsende die Soldaten wieder in den bürgerliche Beruf zurückgeführt werden könnten. (Sehr richtig! bei den Sa Ich glaube, es wäre einfacher gewesen, wenn wir unsere dabrile sofort wieder hätten in Gang setzen können, daß wir über genügen Rohstoffe verfügt hätten, daßk wir nicht ein paar Monate nm Friedensschluß verpflichtet gewesen wären, unsere Kohlen schihze au zuführen. Dann wäre es leichter gewesen, diese sieben Millionen Menschen wieder in ihren bürgerlichen Beruf zurückzuführen. wir bekamen keine Rohstoffe, wir mußten Kohlen, die motor ; Kraft für unsere Fabriken, ausführen. Trotzdem sind die 34 Heeresmassen nahezu reibungslos wieder untergebracht worden. fen Einrichtungen, die hierzu nötig waren, kann man nicht leich Herzens abschaffen, sondern das kann man nur tun, wenn d Ersatz vorhanden ist.

Herr

(GFortsekung in der Zweiten Beilage.

ollwertiget

J. Zweite Beilage Deutschen Neichs ar zeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Sonnabend, den 28. Januar

1922

ö J GFortsetzung aus der Ersten Beilage)

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. Walluf hat dann ferner der Regierung unkerstellt, baß sie 5m Dru ck der Beamtenverbände nachgegeben habe, und ich meine, daß Herr Abg. von Campe in seinen Ausführungen ihnliche Andeutungen gemacht hat. Ich kann nicht anerkennen, kaß bieser Vorwurf, gegen die Staatsregierung zutrifft. Die Stagte' regierung kat niemals unter dem Druck von Beamtenverbänden ge⸗ standen. Wenn Sie bemängeln wollen, daß im vorigen Herbst bei der Besprechung über die Besoldungsordnung die Spitzen= organifationen mitgewirkt haben, dann, glaube ich, ist diese Be— mängelung durchaus ungerechtfertigt. Es ist festzustellen, daß sich da gegenüber früher doch eine gewisse Besserung ergeben hat. Ich erinnere mich noch sehr genau daran: wenn früher im Reichstag der Postetat oder ein anderer wichtiger Etat verabschiedet wurde, bei dem Interessen zahlreicher Beamtenschichten engagiert waren, dann setzte im Plenum und in den Kommissionen des Parlaments ein derartiger Wettlauf um die Gunst der Beamten ein, daß selbst die Presse aller Schattierungen zum Protest dagegen aufrief. (Sehr richtig! bei den Soß⸗- Dem) Das fand seinen Niederschlag in Resolutionen, Initiativanträgen, die damals doch Schaum waren. Ein Redner von gestern hat das richtig ausgedrückt: damals konnte sich das Parlament dieses Buhlen um die Gunst der Beamten leisten, weil es nur revolutionär wirkte, weil man wußte, daß der Bundesrat all diese Dinge in den Papierkorb wandern sieß. Wenn heute dieses Wettlaufen nicht mehr in dieser Form auftritt, dann ist das darauf zurückzuführen, daß man zu den Verhandlungen gleich die Vertreter der Beamtenorganisationen zuzog. (Sehr richtig! bei den Soz. Zuruf rechts: Harmloser Engel! Heiterkeit Ich weiß nicht, ob ich das sein soll. (Heiterkeit) Ich habe nicht den Ehrgeiz, Engel zu sein, ich möchte Mensch bleiben uf Erden. Aber, Herr Kollege Leidig, mich trifft dieser Vorwurf tar nicht, denn mit den Beamtenbesoldungen habe ich gar nichts zu tun. (Erneuter Zuruf rechts) Wenn der Vorwurf, den Beamten. berbänden gegenüber zu nachgiebig gewesen zu sein, irgend einen Ressortminister trifft, dann nicht den Minister des Innern. Sie können erraten, wer in Frage kommt. (Große Heiterkeit.)

Aber daß gerade der Abg. Wallraf von dem Druck der wirtschaft⸗ lichen Organisationen sprach, hat mich eigentlich überrascht. Als 1909 im Reiche die Erbschaftssteuer beraten wurde, haben nicht in erster kinie die volitischen Parteien der Rechten sich im Reichstag gegen iese Erbschaftssteuer gewandt, sondern es waren in erster Linie die

kroßen wirtschaftlichen Organisationen der agrarischen Kreise, der

Bund der Landwirte, der damals zum Sturm gegen die Erbschafts, seuer gufrief und die Regierung damals erledigte. Ueber den Bund ker Landwirte mußte damals Fürst Bülow springen.

Also das alte Regime hat sich sehr viel öfter und stärker in der hängigkeit von wirtschaftlichen Verbänden befunden als die heutige hasische Regierung. (Zuruf rechts Das soll nur die Tatsache sesttellen, daß die heutige preußische Regierung sich vorher ver⸗ tünftigerweise mit den wirtschaftlichen Verbänden ins Benehmen setzt, heren Existenzberechtigung sie anerkennt.

Ich bin mit allen Rednern darin einverstanden, daß es die Auf⸗ be der Staatsregierung sein muß, eine allmähliche Verringerung ken Beamtenkörpers herbeizurufen. Wenn Herr Wallraf dieses bringende Ersuchen an die Staatsregierung richtete, dann darf ich im Vertrauen auf die Gegenseitigkeit unserer Wünsche auch diesen Bunsch an die Herren von der Deutschnationalen Fraktion richten, ind ich möchte besonders Herrn Wallraf bitten, seinen Einfluß auf kene politischen Freunde dahin auszuüben, daß sie uns, d. h. den einzelnen Ministerien, nicht unnütze Arbeit bereiten. Darin leisten he Herren der Deutschnationalen Fraktion ganz Außerordentliches. (hört, hört! bei den Sozialdemokraten. Zuruf rechts: Oppositionh Wenn Sie sich auf Opposition berufen, schön! Dann dürfen Sie tuf der anderen Seite nicht bemängeln, daß die Regierung die Beamten halten und einstellen muß, die zur Durchführung Ihrer Dpposition notwendig sind. Ich glaube aber, daß Sie nicht be⸗ haupten wollen, daß die kleinen Anfragen 1818 und 1831 Ihres Fraktionskollegen Brunk, die Einrichtung von Propagandastellen be- heffend, mit Ihrer parteioffiziösen oder „offiziellen Opposition etwas nw tun haben. Ich kann mir nicht denken, daß Ihr Fraktions⸗ betstand diese kleinen Anfragen Ihres Fraktionsmitglieds billigt. Ich habe diese Anfragen Ihres Freundes Brunk schon einmal schrift⸗ lic und mündlich beantwortet. Ich habe darauf hingewiesen, daß die sinrichtung eines besonderen Propagandaministeriums nicht Aufgabe des heußischen Staaksministeriums sein kann, daß es sich auch gar nicht inpiehlt, eine größere Abteilung in irgendeinem Ressort dafür lt errichten, daß es Aufgabe der Reichsregierung sein muß. der findlichen Lägenpropaganda zu begegnen. Als ich das hier bei der

ratung meines Etats im Dezember ausführte, fand ich sogar einigen heifall bei der Deutschnationalen Volkzpartei. Damit hat sich aber bert Brunk nicht befriedigt gefunden, sondern er fragt unter dem md I0. Januar, was aus Anlaß eines ganz bestimmten Falles

Staatsministerium zu tun gedenkt, um auf die Reichsregierung lmnmwirken, um einer ganz besonderen näher bezeichneten Behauptung k Lord Northeliff entgegenzutreten. (Zuruf rechts.) Sehr ver⸗ ktter Herr Kollege, Sie haben am Schluß Ihrer Anfrage gesagt:

fut Rücksicht auf die Dringlichkeit der Sache und die Vertagung

hauses bitte ich um beschleunigte schriftliche Antwort. Sie kelten nicht nur den einen Hinweis an die Adresse der

ihzregierung, des Auswärtigen Amts, sondern Sie wollten ih eine schriftliche Antwort. (Erneuter Zuruf, rechts.) ge důrfen von mir nicht verlangen, daß ich in Zukunft solche An Men beantworte. (Aha! rechts Der Respekt vor dem varla⸗ ntzrischen System macht es mir zur Pflicht, Ihnen zu sagen, daß Staatsrens eil in allen Fällen mit dem Auswärtigen Amt in nge Fühlung steht; aber über diese Antwort hinaus, die ich e bei ähnlichen Anfragen immer wieder erteilen . tien Sie, was dieses Gebiet anlangt, von mir keine weiteren Er—

; (Zurufe bei der Deutschnat. Volksp. Ich

i n. verlangen.

. Warn schan Heim grsagt., daß das Mintherium des mern l end. di Staattteatetug., Gbbaste, Zahtiumnrne, ln

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in diesen Fragen in ständiger Fühlung mit dem Auswärtigen Amt steht. Wenn Sie mit Ihren Zwischenrufen zum Ausdruck bringen wollen, daß ja dafür die Einstellung besonderer Beamter nicht erforderlich sei, so mache ich darauf aufmerksam, daß die Beant— wortung dieser Fragen die Arbeitskraft der Beamten ganz erheblich belastet.

Stellung

noch einen

derartiger Anfragen weiteren Grund

abzubringen, so anführen: die

möchte ich . Drucklegung der Kleinen Anfragen und der Antworten darauf kostet sehr viel Geld, (sehr gut! und lebhafte Zustimmung Links) und wenn Sie gleichzeitig in Ihren Etatsreden zur Sparsamkeit auffordern, dann bin ich verpflichtet, auch darauf auf merksam zu machen, daß ein Weniger in diesen Dingen auch ein Mehr für den Staatshaushalt bedeutet. (Sehr gut! und Bravo! links wiederholte Zurufe bei der Dnat. Vp) Wenn ich auf diese Zwischenrufe antworten wollte, meine Herren, dann müßte ich Ihnen ausführlich die Widersinnigkeit Ihrer Anregung nach weisen. Denn Sie wollen ja neben der Reichszentrale für Heimat dienst noch eine Landeszentrale für Heimatdienst haben. (Sehr wahr! links Widerspruch und Zurufe bei der Dnat. Vp.) Wenn Ihre Anregungen irgend einen Sinn haben, dann doch nur den, in Preußen einen großen Apparat aufzuziehen, der sich neben der Reichszentrale für Heimatdienst ebenfalls in der Abwehr der gegnerischen Propaganda betätigt.

Der Herr Abg. Wallraf hat dann an mich die Empfehlung ge richtet, mit dem Abbau der Beamten nicht im Ministerium des Innern, nicht in der Polizeiabteilung zu beginnen, in dem Offiziere verabschiedet würden. Meine Herren, ich muß daran festhalten, daß aus dem Ministerium des Innern, d. h. aus der Verwal tungsabteilung der Schutzpolizei die Beamten ab— gestoßen werden, die dort überflüssig sind. Aus mehrfachen Gründen und überall. Wo Offiziere der Schutzpolizei im Verwaltungsdienst überflüssig sind, werden sie entfernt und ihrer eigentlichen Zweckbestim⸗ mung, dem polizeilichen Dienst zugeführt. (Sehr gut! links Die aus dem Ministerkum des Innern entlassenen Offiziere sind nicht aus der Schutzpolizei schlechthin entlassen, sondern in Formationen zurückgeführt worden. .

Von einer Untergrabung der Disziplin bei der Polizei von unten kann nicht die Rede sein. Ich bin dem Herrn Abg. Wallraf dankbar dafür, daß er mir Gelegenheit gibt, auf die Frage der Disziplin einzugehen, da die Erörterungen darüber kürzlich einen breiten Raum in der Presse eingenommen haben. Es ist dem Leiter der Polizeiabt dung und mir unterstellt worden, daß wir durch unsere Maßnahmen zur Lockerung der Disziplin in der Polizei beitrũügen. Davon kann nicht die Rede sein. Die Disziplin in der Schutzpolizei ist heute so gut wie nie zuvor, (Lachen rechts und Rufe: Na, na!) ist heute so gut wie nie, ich unterstreiche das. Gurufe rechts Lachen und Gegenrufe bei den Sozialdemokraten.) Wenn einige verärgerte Polizeioffiziere der rechtsradikalen Presse andere Nachrichten übermitteln, dann stimmen diese Nachrichten nicht. Ich habe wiederholt die Erfahrung gemacht, daß die Disziplin nur dort erschüttert wird, wo Vorgesetzte es nicht verstehen und nicht erkennen, daß sie nicht in einer Armee, sondern in einem Polizei⸗ körper Dienst tun. (Sehr gut! b. d. D. Dem. und links.) Die Vorgesetzten der Unterbeamten der Schutzpolizei haben nicht die Auf⸗ gabe, Rekruten zu drillen, sondern Beamte auszubilden und zu führen. (Lebhafte Zustimmung links.) Ich will nicht verallgemeinern, aber das möchte ich Ihnen doch sagen, daß geradezu erschreckende Nach⸗ richten darüber einlaufen, daß einzelne Beamte der Schutzpolizei sich dieser ihrer Aufgabe nicht bewußt sind, daß sie ihre Aus⸗ bildungsverpflichtungen nicht anders glauben durchführen zu können als in den beleidigendsten Formen ihrer Untergebenen gegenüber. (Hört, hört! und sehr wahr! inks.) Da— gegen werde ich mit aller Schärfe einschreiten (Bravo! b. d. Soz. Dem.) und die Beamten zur Entlassung bringen, die vor versammelter Mannschaft die Menschenwũürde der Unterbeamten in den Staub treten. (Sehr gut! und Bravo! links.) Nicht nur zum Schutze der Beamten, sondern auch zum Schutze des Publikums! Denn wenn es durchgehen würde, daß ein Polizeioffizier den Unterbeamten mit Schweinehund, Kamel, Esel und anderen Worten beschimpft, die ich hier nicht wiedergeben kann, die sich der parlamentarischen Erörterung überhaupt entziehen, dann besteht die große Gefahr (Zurufe rechts5 Ach, meine Herren, was Daubenthaler gesagt hat, das ist Limonade gegenüber den Aus— drücken, die bei der Polizei von Vorgesetzten gebraucht worden sind. (Große Heiterkeit.) Und dann ist es doch ein kleiner Unterschied, ob jemand als Erster unter Gleichen, wie in diesem Falle der Landrat Daubenthaler als Vorsitzender des Kreistages gegenüber einem Kreis- tagsmitgliede, unhöflich verfährt, (sehr richtig! und Heiterkeit) oder ob ein Vorgesetzter unter Mißbrauch der Dienstgewalt Unter- gebene, die wehrlos ihm gegenüber sind, beschimpft. (Lebhafte Zustimmung links) Ich sagte, ich werde gegen diese Offiziere nicht nur deswegen einschreiten, weil ich die Verpflichtung habe, die Menschenwürde der Unterbeamten zu schützen, sondern weil ich dem Beispiel, das später einmal im Publikum auch die übelsten Wir— kungen zeigen würde, entgegentreten will. (Sehr gut! links.) Denn der Unterbeamte, der an diese Schimpfworte ständig ge⸗ wöhnt wird, ist leicht geneigt, im Verkehr mit dem Publikum den selben Ton anzuschlagen (lebhaftes Sehr richtig! links); und die Polizei soll nicht etwa als Schreckgespenst dem Publikum entgegen⸗ treten, sondern soll in ihren einzelnen Gliedern dem Publikum zu Hilfe kommen. (Sehr richtig h

Der Herr Abg. Wallraf hat in der Polemik gegenüber dem Herrn Abg. Lauschner darauf hingewiesen, daß es nicht richtig sei, die Entgleisungen einzelner Blätter einer politischen Partei an die Rock—

schöß zu hängen. Ich bin in dieser Auffassung mit ihm durchaus

einig. Ich möchte aber doch der Meinung Ausdruck geben, daß es sich bei der heftigen, maßlosen Kritik der Blätter der deutsch— nationalen Partei nicht um gelegentliche Entgleisungen handelt, sondern um eine systematische Verhetzung gegen die Beamten

*

worden. n nationalen Partei mindestens sehr nahe steht, sagt, dieser Erlaß größtmöglichen

eit gestiegen sei. aufmerksam zu machen, daß nicht erst nach dem 8. Nobember die

Ich kann tun, was ich will, alles das wird heruntergeputzt, weil es der Sozialdemokrat ist, der die Anordnungen trifft. (Zustimmung links.) verhältnisse in den Straßen der Großstädte und auf dem flachen gen di Lande zu bessern, allmählich die festen Verbände der Schutzpolizei Wenn dieser Hinweis nicht genügt, um Sie von der

Ich habe kürzlich angeordnet, daß, um die Sicherheits⸗

Beamte zu diesem erhöhten Sicherheitsdienst abordnen sollen. Das ist im allgemeinen durchaus freudig begrüßt und vom Publikum als eine Besserung der Sicherheitsverhältnisse anerkannt

Die „Kreuzzeitung“ aber, ein Organ, das doch der Deutsch⸗

des Ministers sei ein beredter Beweis dafür, wie nach der glor⸗ reichen Revolution die Kriminalität, die allgemeine Unsicher⸗ (Lachen links.) Ich habe demgegenüber darauf

Kriminalität gestiegen ist, sondern daß in den beiden letzten Kriegs⸗ jahren, ich glaube, überhaupt schon seit dem Jahre 1914, die Kriminalität, soweit die Ziffern bekannt sind, sich im Aufstieg befand. (Abg. Kilian: Kriege sind ja organisierter Diebstahl) Darauf will ich garnicht eingehen. Ich will nur die Tatsache feststellen, daß nach meiner Kenntnis der Dinge in den letzten zwei Kriegsjahren so viel Eigen⸗ tumsvergehen vorgekommen sind, so viel Roheitsdelikte, daß diese beiden letzten Kriegsjahre hinter der Kriminalität der beiden ersten Jahre der Revolution nicht zurũckstehen. (Lebhafter Widerspruch rechts. Zurufe links Wenn Herr Dr. von Campe zum Beweis für die Unsicherheit der heutigen Verhältnisse darauf hinwies, daß kürzlich hier im Hause über Taschendiebstähle, über Uhrendiebstähle Klage geführt worden war nun, meine Herren, gelegentlich der Besichtigung des Berliner Polizeipräsidiums hat mir ein Oberregierungsrat zugestanden, daß viele Taschendiebstähle früher bei Paraden und anderen höfischen Ver⸗ anstaltungen vorgekommen sind. (Hört! hört! nnd Heiterkeit links. Lachen, Zurufe und große Unruhe rechts.)

Mehrere Redner aus dem Hause haben sich über die wilden Streiks beklagt. In der Verurteilung der wilden Streiks bin ich mit allen einig. Ich glaube aber doch der Ob⸗ jektivität wegen feststellen zu sollen, daß auch die sogenannte Streikmanie in der letzten Zeit eine Eindämmung erfahren hat. Die vielen wilden Demonstrationsstreiks und Sympathiestreiks kommen nicht mehr in dem Maße wie im Jahre 1919 vor. Wenn heute wilde Streiks geführt werden, haben sie in der Regel materielle Gründe; und da, glaube ich, darf man die Warnung davor, solche Streiks zu inszenieren, nicht nur an die Adresse der industriellen Arbeiter richten, sondern auch an landwirtschaftliche Kreise. Ich mache keinen Unterschied zwischen industriellen Arbeitern, die mit ihrer Ware Arbeitskraft zurückhalten, und Landwirten und landwirtschaftrichen Organisationen, die mit Lebensmitteln zurückhalten. (Eebhaftes sehr gut! links) Kämen mehr Lebensmittel und kämen sie zeit ig genug auf den Markt, würde die Preisgestaltung dieser Lebensmittel sich mehr nach unten hin dirigieren lassen durch irgendwelche behörd⸗ liche oder wirtschaftliche Maßnahmen, dann würde in manchen Fällen der Anreiz zu den wilden Streiks der industriellen Arbeiter nicht vor⸗ gelegen haben. (Lebhafte Zustimmung links.)

Was die Verhandlungen der Stellen der Reichs— und Staatg⸗ regierung mit den Organisationen anlangt zur Vermeidung von Streiks im allgemeinen und von wilden Streiks im besonderen, so bin ich der Auffassung, daß man bei diesen Verhandlungen bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit der staatlichen und Reichsbetriebe gehen soll; bis an die Grenze! Aber, meine Herren, wenn dann die Grenze im Entgegenkommen erreicht ist, dann sollen die Staatsstellen und die Reichsstellen fest bleiben. (Bravo! rechts) Denn das Nachgeben bei wilden Streiks ist nichts anderes als eine Prämierung der Streiks (sehr richtig! rechts, und ich glaube, daß weder die Arbeiter noch die staatlichen Organe ein Interesse daran haben die Arbeitergewerkschaften erst recht nicht durch eine solche Handlungsweise wilde Streiks zu prämiieren. Diese Auffassung habe ich von jeher vertreten, als Gewerkschaftssekretäãr und als Politiker, und ich gedenke auch als Minister keine andere Haltung zu diesen Dingen einzunehmen. (Zurufe bei den Komm.) Herr Katz, seien Sie ein wenig vorsichtig. (Wiederholte Zurufe bei den Komm.) Ez gibt ein Land im Osten, da werden alle Bestrebungen, durch wilde Streiks die Produktion zu stören, weit drakonischer unterdrückt. (Abg. Katz: Da herrschen auch die Arbeiter! Große Heiterkeit.) Auf diesen Rechtsboden der doppelten Moral möchte ich mich nicht stellen. Was dem einen recht ist, ist dem andern billig. (Abg. Katz: Ihr seid bürgerlich h Wer heute bei der wirtschaftlichen Entwicklung Rußlands, bei der Organisation der Betriebe von einem sozialistisch oder kommunistisch dirigierten Staat spricht, der, glaube ich, ist unbelehrbar. (Sehr richtig! Zurufe bei den Komm.) Herr Katz, gestatten Sie mir eine Erinnerung vorzutragen. In der Schule, als Zehnjähriger, habe ich einmal eine Parabel auswendig gelernt:

Es war einmal ein Kater,

Der brummte täglich sehr! (Heiterkeit Zurufe bei den Komm) Ich bin schon am Ende. Ich empfehle Ihnen, diese Parabel einmal nachzulesen, und wünschte nur, daß sich auch ein Vater fände, der den Vorgang in dieser Parabel bei Ihnen nachahmte. (Große Heiterkeit. Zurufe bei den Komm.)

Der Herr Abg. Dr. Hager, der Sxrecher der Zentrums; partei, hat an die Staatsregierung das Ersuchen gerichtet, in der Bekämpfung des Prassertums energisch vorzugehen. Soweit polizeiliche Maßnahmen ein geeignetes Mittel für die Bekämpfung des Wucher⸗ und Prassertums sind, werden sie angewendet und werden sie auch weiterhin angewendet werden. (Sehr gut! Ich möchte aber der Auffassung entgegentreten, als ob man dem Prassertum nur mit der Polizei begegnen könnte, als ob die Polizei ein Allheilmittel zur Bekämpfung dieser Dinge sei. Ich habe den Wunsch, daß es der Reichsregierung und den Reichstags parteien gelingen möge, durch kräftige Steuern auf den Besitz dem Schlemmerleben entgegenzutreten. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Eine gerechte Steuergesetzgebung leistet in der Bekämpfung des Wuchertums und Prassertums, glaube ich,

mehr alt der Pelürisstel, (ehe guti bei wen Setiaidemotrater