1922 / 43 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Feb 1922 18:00:01 GMT) scan diff

tioretern an Ort und Stelle erörtert werden. Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: die deutsche Reichsregierung, die für die deutsche Wirtschaft und die deutschen Finanzen verantwortlich ist, muß alle Mittel anwenden, um das in Ost und West durch die Besetzung Landstriche schon angerissene und ange schnittene deutsche Wirtschaftsland möglichst intakt in die Zeiten kommender Konsolldierung hinüberzuretten, und sie muß. es auch dann tun, wenn sie nicht immer voll zum Ziele führen, auch dann, wenn sie, wie im vorliegenden Falle, sicherlich nach der anderen, nach der politischen Seite hin zu Härten führen. Die Reichsregierung glaubt aber, daß der Rest der Härten, der nach den jetzt geplanten Ver⸗ besserungen noch übrig bleiben wird, auch in Deutsch⸗Oesterreich, auch von unseren Volksgenossen im Südosten verstanden werden wird, und die Reichsregierung geht davon aus, daß diese Härten, die nun einmal für die nächste Zeit noch bleiben müssen, den großen Gedanken der Kultur⸗ und Schicksalsgemeinschaft zwischen uns und Desterreich ebenso wenig stören und zerstören können, wie der Friedensvertrag das getan hat, der nach Natur und Geschichte, kulturell und sprachlich zusammengehörende Völker auseinanderhält, die sich dennoch immerdar als volle Gemeinschaft fühlen werden.

(Bravo!) e . z Abg. Simon⸗Schwaben (Soz): Wir begrüßen die Zusagen des Neersen Gee ,,, Bahern hoffen, daß die Schikanen im Verkehr der beiden Staaten aufhören werden. Der Zweck der bestehenden Maßnahmen, zweifelhafte Elemente fernzuhalten, wird doch nicht erreicht, denn 6 scheren sich den Teufel um den Paßzwang, und ebenso steht es mit der Kapitalflucht. (Beifall.) Abg. Dr. Schreiber (Zentr): Wenn eine solche Inter= pellation eingebracht ist, so hätte man eigentlich wünschen sollen, daß das Haus stärler besetzt sei. Auch wäre es wünschenstvert, daß das Minssterium des Auswärtigen vertreten wäre. Ein größeres Interesse für diese Angelegenheit hätte um so , vorhanden sein müssen, weil aus einer bescheidenen Paßangelegenheit all⸗ mählich eine Aussprache politischer Art über die deutsch⸗öster⸗ reichischen Beziehungen geworden ist. Der Minister hat darauf hingewiesen, daß die Hauptschwierigkeiten finanzeller Art sind und daß die bestehenden Sicherungen gegen die Kapitalflucht nicht aus⸗ jeschaltet werden können. Wenn es andererseits möglich wäre, 3 Personen aus Oesterreich gan ohne Paß zu uns einreisen, so würden gar keine Garantien bestehen, daß nicht auch Angehörige der Balkanländer ohne Paß nach Deutschland hineinkommen. Immerhin stimmen wir dem Interpellanten zu, daß es möglich 66 muß, eine Reihe von Schikanen zu beseitigen, und der inister hat ja bereits angedeutet, daß Bemühungen nach dieser Richtung im Gange sind. Viel ernster sind die wirtschaftlichen Erschwerungen. Ist doch der k eine Verkehrs⸗ straße ersten Ranges und soll er doch den Wiederaufbau von Süd⸗ In vieler Hinsicht bezeichnet Wien nach wie vor auch den Suan zur Adria. Wichtiger aber noch 6 kulturelle Erwägungen. Ganz wie die deutsche Schweiz bilden wir mit Deutschösterreich eine Kulturgemeinschaft, und diese Kultur ist in ernster Gefahr, zu verkümmern. Nach der wirtschaftlichen Seite steht sie auf dem schwankenden Moorboden der Kronen⸗ , ,, Wissenschaft und Kunst sind dort in ernster Krisis. Es vollzieht sich ein Ausberkauf von Kunstwerken, wie es kaum je ein Kulturstaat erlebte. Wir in Deutschland wünschen nicht, daß die österreichische Kultur von Mozart und Liszt, vom Burgtheater und von der Wiener Neurxomantik zertrümmert wird. Vesonders leidet der österreichische Mittelstand. Nach wie vor hat Wien die große Aufgabe, auch den Deutschen in den Sudetenlanden, in Sieben⸗ bürgen und Jugoslawien deutsche Kultur zu bringen und zu erhalten. Das ist eine Tätigkeit, die Berlin nicht vollziehen kann. Darum muß uns sehr viel daran liegen, ,, des Ver⸗ lehrs möglichst zu beiseitigen und die österreichische Kultur zu stützen. Heute ist auch die Frage des Anschlusses von verschiedenen Rednern wieder beleuchtet worden. Wie ich zu meiner Freude fest⸗ stelle mit viel Takt und kluger Besonnenheit. Nach wie vor stehen wir der Frage des Anschlusses r nf gegenüber. Gerade in unseren 3 ist D d edanke stets lebendig ge⸗

blieben. (Cebhafter Beifall im Hause ; ;

Abg. Körner (D. Nat.): Wir in Süddeutschland hoffen, daß im nächsten Sommer für den Erholungs- und Touristenverkehr größere Erleichterungen ei cafe werden. Aber nicht nur wir im Süden wünschen bien erleichternngen, sondern im ganzen deutschen Volke wünscht man eine Erleichterung des Verkehrs mit Desterreich. Gewiß müssen Maßnahmen gegen die Kapitalflucht etroffen werden, aber ob gerade Paßvorschriften das richtige

ittel dazu sind, möchte ich sehr bezweifeln. Vor unangenehmer Einwanderung haben sie uns beispielsweise nicht schützen können. (Sehr wahr! rechts) Wir freuen uns, daß Erleichterungen ge⸗ troffen worden sind, und wir haben den Wunsch, daß sie bis zur alleräußersten Grenze des Möglichen ausgedehnt werden möchten, damit wir zu den Deutschösterreichern in ein recht freundschaft⸗ liches und gutes Verhältnis kommen. (Beifall.)

Abg. von Kemnitz (D. Vp): Die Absicht der Inter⸗ pellanten, den Verkehr mit Oesterreich nach Möglichkeit zu er⸗= leichtern, wird wohl vom ganzen Hause einmütig gebilligt; das ganze deutsche Voll wünscht, daß die Beziehungen zwischen uns und unseren Brüdern und Schwestern in Oesterreich so eng ge⸗ staltet werden möchten, wie es nur irgend möglich ist. (Beifall.) Ich bin e,, daß dieser einmütige Wille jenseits der Grenze, die nicht wir, sondern andere geschaffen haben, den lebhaftesten Widerhall finden wird (Beifall), und er unsere Brüder jenseits der Grenze ermutigen wird, auszuharren in der furchtbaren Not, mit der sie zu ringen haben, bis auf den Tag, der ihnen Erlösung bringen wird. (Beifall Es ist nicht zu verkennen, daß gewisse Schwierigkeiten der sofortigen Aufhebung des Sichtvermerkts ent= gegenstehen. Das ist einmal die Tatsache, daß sich infolge der Um⸗ waͤlzung aller Verhältnisse auch in Oesterreich und speziell in einer Hauptstadt allerhand Elemente zusammengefunden haben, ie v lleicht der österreichischen Regierung ebenso unwilllommen sind, wie ste uns sein würden. Das sist ferner die Tatsache, daß der Friedensvertrag den Alliierten, also speziell auch Polen, das Recht einräumt wenigstens bis zum Jahre 1924 alle Ver⸗ günstigungen, die wir ger g auf dem Gebiet des Paßwesens einräumen, für sich in Anspruch ö nehmen. Dazu kommt endlich, daß wir innen⸗ und außenpolitisch err ; sind, der Kapital⸗ . u steuern. Aber vielleicht ließe fich dieses Ziel besser auf em Wege erreichen, daß beide Staaten sich gesetzlich verpflichteten, ne n Staatsangehörigen in dieser Beziehung zu über wachen. as wir aber unbedingt fordern müssen, das ist, daß 66 alles geschieht, um die Erleichterungen, die die Pariser Ver? kehrskonserenz auf dem Gebiete des m en hat, durchzuführen. In zwei wesentlichen Punkten ist das deutscher⸗ eits immer noch nicht geschehen; einmal ist die Prüfung vor

rteilung des Sichtvermerks bestehen geblieben, und dann? wird der Sichwwermerk immer nur für eine bestimmte Zeit erteilt. Es . offenbar eine Politik, die dahin gerichtet ist, die Sester= reicher miöglichst von uischland fernzuhalten, und deshalb wird die Aufenthaltsgenehmigung für VBeutschösterreicher, die in . leben wollen, außerordentlich erschwert. Redner legt an einzelnen Fallen dar, zu welchen unglaublichen Kon sequenzen das in der , führt. Das schlimmsfe dabei, ist, daß es uscht eimmal die Bestimmungen an sich find, die so bedanerliche Folgen haben, sondern die Äürt und Weile, wie sie gehandhabt in n. zan bfi bei den unteren Organen ganz und' gar das , dafür, baß es sich bei diesen sogenannten aal der, um 66. einer ganz besonderen Art, um Ausländer gegen ren en handelt. Und deshasß sollte die Zentralstells bie aßstellen Und Poltzeibehörden allgenlein anweifen, den Vester= reichern gegenüber in diesen Dingen sedes Ente fen e mme zu das mit den , Bestimnmngen überhaupt ver=

ist. In dieses Gebiet fällt uch die Notwendigteit, eine

Ost⸗ Europa ermöglichen.

*

3 einbar

bessere Zugverbindung zwischen Berlin und Wien auf der Strecke der en, also ö ehung der Tschechoslo gien ber, n sage nicht, das seien Rleinig 3 es handelt sich Dinge, die eine ganz erhebliche politische Tragweite es ö rzuge: wenn es so weitergeht wie sher, so wird der Anschlußge nicht g sondern in den Hintergrund gedrängt. Richt nur auf dem Gebiet des Paß= wesens, sondern auf allen Gebieten müssen wir alles tun, um die Beziehungen 4 Deutschland und Oesterreich enger zu ge⸗ stalten. Ei immer noch bestehende e n n muß voll- Vor allen Dingen sollten wir Oester⸗

ständig aufgehoben werden. reich in der Frage der Ein⸗ und Ausfuhrverbote weiter entgegen. bedauerliche Tatsache, daß Deutschland

kommen. es y eine t ogar die österreichischen Nachfolgestaaten, insbesondere die Tichechosowgkei, in dieser Frage besser behandelt als Oesterpeich. Alle diese Dinge beweisen, daß wir es nicht verstehen, die hoch- wichtige Frage unserer Beziehungen R Desterreich unter großen nationalen gen , , m rten zu behandeln. Man mag über die politischen Umwälzungen des Jahres 1913 denken wie man will eins er,. sie gebracht: sie haben den Weg freigemacht für den Anschluß Oesterreichs an Deutschland, und diesen Weg müssen wir er. weitergehen. Sorgen wir dafür, daß man nicht dermal⸗ einst ö. en 1 daß der große Augenblick ein kleines deutsches Geschlecht gefunben hat. Hier soll nicht allein der Verstand, 66 das Herz sprechen. Herz wollen unsere österreichischen rüder von uns sehen. Der Tag des Anschlusses zu einer natio⸗ nalen Einheit wird kommen. Gott gebe 6 wir nicht nur nach außen, sondern auch im Innern ein einig Volk sind. (eb⸗ hafter Beifall.) ; . Dr. Breitscheid (u. Soz): Auch wir meinen, daß die Paßschwierigkeiten baldmöglichst beseitigt oder mindestens ben e me werden sollten. Die Valuta und die. Paßschwierigkeiten haben trennende Mauern zwischen den Völkern errichtet, die zwischen uns und Desterreich doppelt schmerzlich empfunden werden. 2. ganze politische Frage allgemein zu erörtern, würde vor einem so schwach besetzten Hause unwürdig sein, aber wir hätten gewünscht, daß die Interpellation sich nicht allein . den Paßverkehr zwischen Deutschland und Oesterreich beschränkt, sondern einen etwas all⸗ gemeineren Charakter angenommen hätte. Könnte die deu che Regierung nicht die Initiative ergreifen, um dem unseligen Zu⸗ stand der lächerlichen Absperrung zwischen den einzelnen Staaten ein Ende zu bereiten? r heute ins Ausland reist, kommt sich fast wie ein Verbrecher vor, der von allen Behörden überwacht wird, als ob etwas an ihm nicht in Ordnung sei. Unsichere Ele⸗ mente kommen doch über die Grenze. Wie den Deutschnationalen die Ostjuden unerwünscht sind, so ist uns der Eintritt der Vertreter reaktionären Russentums unerwünscht. Die Paßs ,, sind nur Hindernisse für die anständigen Elemente. Die Mörder Erz⸗ bergers sind ohne Paßschwierigkeiten nach Ungarn gekommen. Auch die Kapitalverschiebung wird durch die Finanzkontrolle nicht be⸗ hindert. Es scheint faͤst, als ob die Paßabteilungen nicht um der Pässe willen, sondern dazu da wären, eine Unzahl von Beamten unterzubringen. Wir ersuchen die Regierung, eine internationale Regelung zur Beseitigung dieser Schranken einzuleiten.

Abg. 6 ,n. (Bayer. Vp): Was wir heute an Grenz⸗ schikanen erleben gegen harmlose Reisende, ist eine Erbschaft des Krieges. Es mag sein, daß während des Krieges scharfe Kontrolle nötig war, aber selbst diese hat die Spionage nicht verhindert. Die Konsulate haben große . die sie mit . und dazu kommt, daß man alte Gewohnheiten nicht gern aufgeben will. Der Apparat der Grenzkontrolle kostet das Zehnfache von dem, was er einbringt. Die Kommunisten scheinen gute Verbindungen zur Er⸗ langung von Pässen zu haben, das zeigt der Fall Zetkin.

Abg. Koenen (Komm): Alle Parteien sind mit der Regierung in dieser Sache unzufrieden. Der Polizeigeist ist es, der die Schikanen aufrechterhalten möchte. Wo es sich um rechtsstehende Elemente handelt, ist aber der Polizeiappavat korrupt, Die Mörder Erzbergers sind entkommen, aus Bayern wurden Orgeschwaffen nach Tirol geschafft. Im Verkehr mit Rußland werden meinen Parteigenossen ganz besondere Schwierigkeiten gemacht. Ohne jeden Grund konfisziert man Papiere. Wenn wir über die Grenze wollen, werden wir viel nach den dummen Vorschriften fragen. Die

, rr, en. Minister, die zur Zeit des Sozialistengesetzes elbst unter so . Schikanen gelitten haben, sollten wirklich diese Vorschriften aufheben.

raf nimmt abermals der Reichsminister des Innern Dr. Köster das Wort, dessen , wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer dieses Blattes im Wortlaut wiedergegeben werden.

Abg. Gothein (Dem): Die Bespyechung hat Ueber⸗ einstimmung darin ergeben, daß es so nicht weitergehen kann. Auf die Antwort des Ministers kann man sagen: Du sprichst ver= gebens viel, um zu versagen, der andere hört von allem nur das nein! Daß nicht schikanös verfahren werden soll, ist eigentlich bei einem Minister selbstverständlich, aber es fragt sich, ob er das bei den nachgeordneten Stellen duͤrchsetzen kann. Im Steuer⸗ ausschuß ist seinerzeit vom Finanzministerium selbst zugegeben worden, daß das Rapitalflu . überall übertreten werden kann und eigentlich nur die moralische Wirkung hat, einige Leute von einer Uebertretung abzuhalten. Was spielt das für eine Rolle gegenüber der Leichtigkeit, mit der man sein Kapital auf dem Wege eines ausländischen Kontos hingusbringen kann! Der Reichsbanfpräsident selbst hat, die Ueberflüssigkeit des Gesetzes zu⸗ , 33 den Paßgebühren kommen für die deutschen Ar⸗

iter noch 10 oder sogar 100 Mark hinzu, die die ÄArbeiter⸗ legitimationskarte kostet. Wenn ein deutscher Geschäftsmantt tele⸗ graphisch ins Ausland een, . wird, braucht er erst acht Tage und länger, um einen Paß zu bekommen. Unter der Frage der ein⸗

ö Briefe leide ich selbst; wenn ich än die „Freie

r e oder ein anderes ausländisches Blatt eingeschrieben einen Artitel schicke, dann dauert die Finanzkontrolle des Briefes mehr als gcht Tage, und dann ist der Artikel nicht mehr aktuell. Ist der Brief nicht eingeschrieben, hat man gar keine Sicherheit, daß er an n Außerordentlich schwierig ist die Versendung eines Buches ins Ausland. Es dauert acht bis zehn Tage ehe man die Genehmigung bekommt. Die Einwanderung unerwäünschter Ele⸗ mente verhindert man nicht, denn diese finden den Weg auch ohne Paß.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 2 Uhr (Ab⸗ stimmung über die Mietssteuer und das Mietzinsgesetz, Etatsberatung).

meines Ressorts werde

wie sich das Staatsministerium in seiner Gesaml⸗ der Herren von der Unabhängigen Partei n Partei stellen wird. Die Stellungnahme ich im Laufe meiner Ausführungen mit⸗ daß es im Lande nicht verstanden werden n, die soeben der Herr Abgeordnete Baecker gema t hat. . deshalb verpflichtet, diesen Ausführungen sowie auch ver⸗ schiebenen Auslassungen einiger anderer Herren aus dem Hause osort entgegenzutreten. . ö. Der we, , Baer hat zum Schluß seiner Aus⸗ führungen dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß es recht bald ge⸗ linken möge, unser Volk wieder zu einer groben Vollsgemeinschaft, zu einer Notgemeinschaft zu einen. Ich teile diesen Wunsch durch⸗ aus, bin aber der Meinung, daß Reden wie die eben gehaltene zu biesem Ziele nicht führen können (sehr richtig Im te). sondern ungefähr das Gegenteil davon erreichen. (Sehr richtig! links. Widerspruch und Rufe rechts: Hat gesessen ) Was der Herr Abgeordnete Baecker zu mir und meiner Ausführung gefagt hat, das, meine Herren Sie werden es schon noch erfahren, und zwar zu Ihrem Leidwesen hat gar nicht gesessen; das . alles Blindgänger. (Lachen und Rufe rechts: Ach! Na, nal) Ich habe seit jeher die Gepflogenheit beobachtet, alle deren von den Oppo⸗ sitions parteien zunächst reden zu lassen und dann meine Meinung zu ihren Ausführungen darzulegen. Die Herren von ber Linken haben ihre Stellung zu der vorliegenden Materie bei der Be⸗ gründung ihrer Anträge vorgetragen, und der Herr Abgeordnete Baecker hat schon die Ansichten der Deutschnationalen zum besten gegeben. Darum rebe ich jetzt, aus keinem anderen Grunde; das war meine Absicht schon vor Ihren Ausführungen, derr Kohege Baecker! Sie sagen: Für uns ist der Staat nicht die jeweilige Mimnssterbank. Ich möchte wissen, wie Sie mit diesen und äãhn⸗ lichen Ausführungen die Volksgemeinschaft zustande bringen wollen. (Sehr richtig! links) Sie sind ein frommer Christ. derr Baecker (Rufe links: Na, nah ich nehme es an. Sie wissen, daß irgendwo geschrieben steht: Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. (Rufe rechts: Sie hat ja keine Gewalt Große Heiterkeit rechts Zuruf von der aun hersten Linken: „Die Schupo hat sie! Heiterkeit.) Mit diesen Ausführungen, daß nicht die jeweilige Ministerbank den Staat darstellt, begegnen Sie sich wieder mit den Ausführungen der Herren von der äußersten Linken. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten) Auch der herr Abgeodnete Knoth hat davon gesprochen, daß der Staat nicht die Allgemeinheit sei, und wennke ich in den letzten Tagen angenommen habe, daß die engste Verbrüderung zwischen rechts und links nur im Reichstag vorkommen könnte, so haben die heutige Debatte und die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Baecker mich davon überzeugt, daß eine noch engere Verbindung zwischen vechts und links hier im Hause besteht. (Sehr richtig! Heiterkeit. * n. spruch und Zurufe rechts.) „Durch den Streit ist nichts und wieder nichts erreicht worden; das, was jetzt die w erreicht haben, hätten sie schon früher haben können“ so hat der Herr Abgeordnete Baecker seine Ausführungen zu dem Ergel⸗ nisses des Streiks präzisiert. In der Deutschen Tageszeitung . die Herrn Baecker sehr nahe stehen soll, las man es vor einigen Tagen anders. Da sollte die Beendigung des Streiks einen großen Erfolg der Streikenden gehabt haben. Ich bin aber mit dem Herrn Abgeordneten Baecker von heute der Meinung, daß die Streilenden durch diese Bewegung nichts gewonnen haben, und daß sie das was sie bekommen haben, durch Verhandlungen vor der Ein⸗ reichung des Ultimatums hätten erreichen können. (Zuruf rechts: Ist genau dasselbe) Aber dann dürfen Sie die Beendigung der Bewegung nicht als eine Niederlage der Reichsregierung be⸗ zeichnen. (Sehr richtig!) .

Herr Abgeordneter Baecker hat auf Erklärungen eines sozial= demokratischen Reichskanzlers und eines sozialdemokratischen Ministerpräsidenten zum Beamtenstreik Bezug genommen und gemeint, daß, sich, wenn trotz dieser klaren Darlegungen der sozialdemokratische Minister inzwischen eine Wandlung in der Haltung der Sozialdemokratischen Partei oder der Regierung ein⸗ getreten sei, doch inzwischen fremde Einflüsse hätten Semerkbar machen müssen. Ich weiß von diesen Einflüssen nichts, obgleich ich eine ziemlich enge Verbindung auch mit der Reichsregierung unterhalte. Das weiß ich aber, wenn zwei, drei Jahre lang die Autoritãt der Regierung so systematisch herabgesetzt wird, wie das durch die deutschnationale Presse (sehr richtig! links. Zu—= rufe und Unruhe bei der Deutschnationalen Volkspartei), durch deutschnatio nale Versantmlungsredner geschieht, daß dann Beamte, die die Zusammenhänge im politischen Leben, die Einrichtungen im Staatsgefüge nicht kennen, zu der Auffassung gelangen könnten, daß ein kühner Husarenritt sie über diese schwache Re⸗ gierung hintvegsetzen kann. Wenn Sie sich darüber beklagen, daß die Beamten zu diesem Mittel ihre Zuflucht genommen haben, dann glaube ich aussprechen zu sollen, daß ihre ver⸗ hetzende Tätigkeit in der Presse und in Volksverfammlungen nicht zum geringsten zu der Auffassung der Reichsgewerkschaft bei= getragen hat, daß nur ein Streik notwendig sei, um die Regierung vollständig aus den Fugen zu reißen. (Lebhafte Zurufe vechts.— Sehr richtig! links. Glocke des Präsidenten)

Ich kann dem Herrn Präsidenten bestätigen., daß ich die Tätigkeit der Herren von der Deutschnationalen Volkspartei in

auch nicht sagen, x heit zu den Anträgen und der Kommunistische

teilen. Ich glaube aber, würde, wenn die Regierung zu

Preußischer Landtag. 100. Sitzung vom 17. Februar 192. Nachtrag.

Bei der gemeinsamen Beratung des Antrages Leid⸗ Rabold (J. Soz) auf Außerkraftsetzung der anläßlich des Streiks erlassenen Verfügung des Berliner Polizeipräsidenten vom 1. Februar und Einleitung eines Verfahrens gegen den Polizeipr , wegen Uebherschreitung ire Amtsbefugnisse sowie des k Antrags Dr. Meyer⸗Ostpreußen, das Stagtsministerlum zu 9 n, auf die Reichsregierung und die stähtischen Behörden Groß Berlins einzuwirken, schon ken g. , , . rückgängig zu machen und weitere beabsichtigte Maßregelungen zu unierlassen, hat der Minister 2 Severing die folgenden Ausführungen ge—⸗ macht:

Meine Damen und Herren! Es ist sonst nicht üblich, daß Vertreter der Staatsregierung zu vorliegenden Anträgen aus dem

Fause schon während der ratung Stellung nehmen. Ich kann

.

der Presse und in Volksversammlungen gemeint habe, und ich glaube, daß niemand aus dem Hause an dieser Erklärung Zweifel hegt. Denn ich habe in den voraufgegangenen Sätzen nur von dieser Tätigkeit und dieser Handlung gesprochen Meine Herren, wenn Sie von dem Reichskanzler als dem Knecht und dem Gerichts vollzieher der Entente sprechen (Pfuirufe im Zentrum), wenn Sie von diesem Mann sprechen als einem Minister, der kein Rückgrat zeige, der überall katzbuckele, wenn Sie diese Charakteristi auf andere Minister ausdehnen, glauben Sie, daß das nicht auf Beamte abfärbt, die eben nicht genau darüber unterrichtet sind daß auch die Regierung, wenn sie zu der Kraftprobe eines Be— amtenstreiks aufgerufen hat, doch noch Macht in die Wagschale zu werfen hat? (Stürmische Zurufe rechts) Wa wir in der Kritik der früheren Regierung in der Presse und in Versamm—⸗ lungen vorgetragen haben, das war dagegen die veinste Limonade. 82 Heiterkeit. Zuruf vechts: Dies rind, kein Engel sst p rein

Und nun, meine Damen und Herren, die Blindgänger des Herrn Abgeordneten Baecker. Er hat davon gesprochen, daß in

Frankfurt 2. M. ein Lofomortbfshrer von drei Streikende oder

ben Leuten, die sich unbefugt in den Dienstbetrieb der Ei

gemsscht hätten, bedroht worden sei und daß ,,,

diem Vorgange untätig zugesehen habe. Das ist eine Ente, di=

shon vor drei Tagen in einer BPressekonferenz berichtigt worden

h, an der auch ein Vertreter der „Deutschen Tageszeitung! teil⸗

zemmmen hat. Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) Die

„Deutsche Tageszeitung hat es nicht für notwendig gehalten, von

dieser Berichtigung Notiz zu nehmen, und Serr Abgeordneter Baeder hat, trotzdem verschiedene Blätter die Berichtigung ge⸗

hracht haben, heute den Mut gefunden, diese Erfindung als Tat⸗ soche von der Landtagstribüne herab vorzutragen. (Lebhafte Zurufe und Unruhe bei den Sozialdemokraten)

Der Herr Abgeordnete Baecker hat ferner behau Reichs berkehrsminister habe erklärt, die 1 ö. rüher als nach der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten ein⸗ gesetzs wewen können. Erstens hat der Herr Reichs verkehrsminister das nicht erklärt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Selbst wenn er * erklärt hätte, was, wie gesagt, nicht der Fall ist, wäre es unrichtig. (Zuruf vechts) Er hat es nicht erklärt.

Meine Herren, die preußische Regierung hat nicht erst auf die Anregung aus dem Reichsverkehrsministerinm oder auf Anregung aus einer anderen Reichsstelle gewartet, sondern sie hat ihrerseits ziitig genug die notwendigen Maßnahmen getroffen, weil sie mit der Möglichkeit des Ausbruchs eines Eisenbahnerstreiks rechnete. Bereits am 26. Januar habe ich mit dem Polizeipräsidenten von Berlin über die Maßnahmen gesprochen, die in Berlin zu ergreifen seien (hört, hört! bei den Kommunisten), um Sabotagealte und velästigungen von Arbeitswilligen entgegenzutreten. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Bravo! bei den Sozialdemokraten) Bevor irgend eine Anregung von irgendeiner Reichsstelle an die preußische Regierung gelangte, sind diese vorbereitenden Maßnahmen ge⸗ troffen. Gravo Am Sonntag, den 27. Januar, mittags, ist solgendes Telegramm an die Regierungspräsidenten gegangen: Sollte angekündigter Streik der Eisenbahnbeamten ausbrechen sind Sie angewiesen, dem Eisenbahndi vektionspräsidenten in Be strebungen auf Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebes im Interesse der Allgemeinheit zu unterstützen.

Bravo) Schutz der Eisenbahnanlagen als lebenswichtige Betriebe und Aufrechterhaltung der Ordnung ist erforderlichenfalls durch Ein⸗ satz von Schutzpolizei herbeizuführen. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Bravo! bei den Sozial⸗ demokraten) Am 29. Januar, Herr Abgeordneter Baecker! Zu⸗ ruf des Abgeordneten Baecker Berlin]) Sie haben von der Schutz⸗ olige gesprochen. (Widerspruch des Abgeordneten Baecker Berlin) Ich weiß nicht. Herr Abgeordneter Baeceer hat, als ich ihn durch einen Zwischenruf darüber belehrte, daß der Polizei⸗ prãsident von Berlin das Streikpostenstehen nicht verboten habe, in einer Anwandlung der Erkenntnis, daß er doch wohl auf ver⸗ brenem Posten stände, gesagt: na, so im einzelnen bin ich nicht so bertraut; der Herr Minister muß es wohl besser wissen. Guruf techts) Herr Abgeordneter Baecker, nicht allein in bezug auf das gtreilpostenstehen wissen Sie von der Sachlage nichts, sondern Sie ind auch gänzlich ahnungslos davon, wie sich der Einsatz der Tech⸗ ichen Nothilfe vollzieht. Die Technische Nothilfe kann ohne die Nekung der Schutzpolizei gar nicht eingesetzt werden. (Hört, hört!) Nätüber müssen Sie vollständig ins klare kommen, und Einsatz r Technischen Nothilfe in Betriebe ist gleichbedeutend mit Einsatz n Schutzpolizei. (Sehr richtig!) Ich habe weiter am 2. Februar, als mir von verschiedenen ktellen gemeldet wurde, daß die Bahnhöfe sich nicht in genügendem schutz der Polizei befänden, an die Regierungspräsidenten noch immal folgende Aufforderung gerichtet: Kräfte zur Aufrechterhaltung der Ordnung überall, besonders auf Bahnhöfen, verstärken. Gegen Sabotageakte und unberech— tigte Eingriffe der Streikenden in Dienstbetrieb energisch ein— schreiten. Hört, hört! und Zurufe bei den Kommunisten. Brawoh Und num, meine Damen und Herren, das angebliche Verbot des Jtreihposte nstehens. Der Herr Abg. Baecker hat davon gesprochen, daß in der zivilen Leitung der Schutzpolizei ein Geist herrsche, der die Herren von der Deutschnationalen Volkspartei veranlassen werde, beim Etat des Ministeriums des Innern eingehend diese Dinge zur Erörterung zu bringen. Ich freue mich schon darauf. dei der Gelegenheit werde ich Ihnen, glaube ich, den Nachweis führen können, daß alle Ihre Angriffe gegen die zivile Leitung der Schutzpolizei unberechtigt sind, daß Sie aber mit Fug und Recht einige Angriffe gegen die Stellen richten können, die den zilen Geist der Schutzpolizei ablehnen und die Schutzpolizei in militärisches Fahrwasser leiten möchten. Wenn eine solche Selbst⸗ derstãndlichkeit, wie sie der Abg Baecker ausgesprochen hat, nämlich die Polizei anzuhalten, durch falsche Maßnahmen nicht die Zituation zu verschärfen. (Widerspruch des Abg. Baecker) Ich bitte Sie, nicht nervös zu werden Herr Baecker. Herr Baecker hat einen Erlaß des Ministers des Innern verlesen: In der Frage der Behandlung der Streikposten hat der Minister des Innern eine Entscheidung dahin getroffen, daß in die Lage polizeilicherseits keine unnötige Verschärfung gebracht werden soll. Gegen die Streikposten ist nur dann vorzugehen, wenn ste nachweislich durch Worte oder Taten zum Streik auffordern oder Arbeitswillige fernhalten. Das Postenstehen an sich soll nicht Anreizung zum Streik oder als Fernhalten Arbeitswilliger angesehen werden. Ver diese Selbstverständlichkeit als Minister des Innern in Streit ligen herausgibt, der ist nicht nur wert, daß er von seinem Posten sort entfernt wird, sondern der verdient sogar die Vor⸗ dürfe des Herrn Baecker. Herr Baecker ist nämlich der Meinung, daß der Minister des Innern diese Anordnung getroffen hat. Der hat fe nicht getroffen. Diese Anweisung ist herausgegeben von einem. Polizeihaupt mann des Kommandos

rlin, ohne daß er dazu autorisiert war, ohne daß er irgendwie kon seinem Chef zu dieser Anweisung berechtigt gewesen wäre. Huruf rechts) Es gibt darunter Leute, die keine Ahnung davon heden, baß große Streikbewegungen anders behandelt werden missen wie offene Feldschlachten draußen. (Bravo! bei den Sozial- demokraten) DDieser Ankündigung stehe ich wie gesagt durch= uus fern, und der Schutzpolize ibeamte ist gestern fofort, nachdem ih diele Dinge in der Deutschen Tageszeitung“ gelesen habe, aus

Wie wenig der Abg. Baecker bon all den n üb versteht, möchte ich Mhnen durch einige r beweisen. Wenn es ihm auf sachliche Kritit des Berhaltens der Regierung im Eisenbahnerstreik allein angekommen wäre, wenn er nicht diese Gelegenheit auch hätte benutzen wollen, um gegen die Regierung Wirth vorzugehen, hätte er sich sagen müssen, daß das Streikpostenstehen in diesen Tagen und die Behandlung der Streik⸗ posten eine sehr kitzliche Sache war. Man kann sich auf den Stand⸗ Yunkt stellen, daß es Advolaten und Richter geben kann, die meinen, wenn vechtsgültig eine Verordnung des Reichs prãsiden ten den Streik verbietet, dann ist auch das Streikpostenstehen zu ver⸗ bieten, wenn durch dieses Streikpostenstehen der hinreichende Ver⸗ dacht erweckt wird, daß es zum Streik oder zur Fortsetzung des w sind sich aber die Gelehrten noch nicht einig, und ich kenne so ĩ i i 2 sogar Richter, die an dieser Auffassung

Aber es kam nach folgendes hinzu: Am eiten Ta i in Berlin nicht allein die . . ordnung des Reichspräsidenten das Streikrecht abgesprochen wurde, sondern es streikten auch ebensoviele Eisenbahnarbeiter. Und diese haben zweisellos das Streikrecht (Zuruf bei der Deutschnationalen Vollspartei: Wo steht das geschrieben ?!! In 5 162 der Reichs⸗ gewerbeordnung. ( Große Heiterkeit links) Herr Abgeordneter Becker hat davon gesprochen, daß er den unglückseligen Schupo⸗ mann bedauert hätte, der nach der Anweisung des Kommandos der Schutzpolizei Streikposten hätte beobachten müssen. Nun, ich hätte mehr de n armen Schupomann bedauert, der die Anweisung bekommen hätte, gegen die streikenden Eisenbahn beamten mit aller Schãrfe vorzugehen, aber die streikenden Eisenbahn⸗ arbeiter ungeschoren zu lassen. Da hätte jeder Posten seine degitimation mitbringen müssen, und ich glaube, mancher Schupo⸗ mann hãtte vorbeigegriffen; gestern ist mir gesagt worden: viel⸗ leicht wäre es vorgekommen, daß er im Zweifelsfalle beide ver⸗ haftet hätte. (Heiterkeit)

Nun, Herr Abgeordneter Becker, meinen Sie nicht auch, daß, wenn alle diese Lohnbewegungen, wie Sie selbst zugestehen, letzten Endes die Folgen der Erfüllungspolitik, d. h. der kolossalen Lasten sind, die wir dem Auslande gegenüber abzutragen haben, und wenn Sie der Meinung sind, daß mit dieser Bewegung unser Wirtschaftskörper noch nicht vollständig in Ordnung ist, sondern daß die Befürchtung besteht, daß wir noch weitere Zuckungen be⸗ lemmen werden, meinen Sie nicht auch, daß es gerade dann die Aufgabe der Polizei ist, solche Bewegungen möglichst zu lokalisieren, dafür zu sorgen, daß sie nicht an Ausdehnung ge⸗ winnen? (Zurufe bei den Kommunisten.) Ich habe mich bemüht, daß sich mit der streikenden Reichsgewerkschaft, die bis zum zweiten und dritten Tage vollständig isoliert war, nicht auch der Eisen⸗ bahnerverband solidarisch erklärte. (Bravol in der Mitte und rechts. Lebhafte Rufe: Hört, hört! bei den Kommunisten. Heiterkeit) Aber, Herr Abgeordneter Katz, wünschen Sie denn, daß ich es anders mache? (gurufe) Ich bin der Meinung: Offenheit ist stets die beste Politik, und ich sage ganz offen auch für alle künftigen Fälle: Sollte ich in die Lage kommen, Streiks und gewaltsame Volksbewegungen von Staats wegen bekãmpfen zu müssen, so werde ich auch in aller Zukunft mein hauptsãchlichstes Augenmerk darauf richten, diese Bewegung zu lokalisieren, sie auf einen möglichst engen Herd zu beschränken. (Sehr gut! und Bravo! in der Mitte und rechts. Hört, hört! bei den Kommunisten ) Denn wir haben schon zu viel an lebendiger Volkskraft und an Gütern zerschlagen, als daß wir uns den Luxus großer Be⸗ wegungen gestatten könnten. (Lebhafte Zustimmung)

Also mit den Streikposten ist es auch nichts, und ich möchte nun den Herrn Abgeordneten Becker fragen: Was bleibt noch von seinen ganzen Anwürfen und Vorwürfen gegen die preußische Staats- regierung? Die Technische Nothilfe! (Zurufe bei den Kommunisten) Ich habe keineswegs die Absicht, den Vertretern der preußischen Staatsregierung Lorbeerkränze ums Haupt zu winden; aber das muß ich doch sagen: daß in den Berliner Gemeindebetrieben die Technische Nothilfe eingesetzt worden ist, geschah durch die Ent— scheidungen des preußischen Ministers des Innern (Bravo! rechts. Hört, hört! bei den Kommunisten), kein anderer hat dazu die Initiative ergriffen.

Bei der Gelegenheit, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, einige Worte über die Technische Nothilfe zu sagen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Technische Nothilfe eine Not⸗ wendigkeit ist. Sehr gut! und Brano! in der Mitte und rechts. Hört, hört! und Zurufe bei den Kommunisten) Ich bin auch einmal Metallarbeiter gewesen, jawohl, ich bekenne mich mit Stolz dazu; ich war auch Gewerkschaftssekretär und Führer von Lohn⸗ bewegungen, jawohl! Aber es besteht ein Unterschied zwischen damals und heute. Der Krieg und seine Folgeerscheinungen haben auch das Gefüge der gewerkschaftlichen Organisation ge⸗ lockert, und leider haben nicht zuletzt durch Ihre gewissenlose Agitation, meine Herren Kommunisten, die Gewerkschaftsführer mit Verantwortlichkeitsgefühl so sehr bei den Massen an Ansehen verloren, daß es ihren Ratschlägen heute nicht immer gelingt, Schäden vom Volkskörper abzuhalten. sZustimmung bei den Sozialdemokraten. Zurufe bei den Kommunisten) Herr Katz, ich weiß nicht, wohin Sie dann kommen müssen; nicht einmal der Teufel wird Sie haben wollen. (Stürmische Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß es am besten wäre, wenn bei großen wirtschaftlichen Kämpfen, die lebenswichtige Betriebe betreffen, die Gewerkschaftorganisationen die Notstandsmaßnahmen selbst ausführen. Dieser Auffassung habe ich wiederholt in Wort und Schrift Ausdruck verliehen. Wenn ich in Berlin eine amtliche Stellung zu nehmen hatte zu Bewegungen der Gemeindearbeiter in den städtischen Betrieben

in Clettrözitätswerken und. Wasserwerken, dann war meine erste

Maßnahme die, daß ich entweder den Magistrat der Stadt Berlin

oder den Herrn Polizeipräsidenten bat, sich direkt mit der Streik= leitung in Verbindung zu setzen, um festzustellen, ob die Streik= leitung geneigt und imstande sei, die Notstandsarbeiten von den Streikenden selbst ausführen zu lassen. Nur dann habe ich die Zustimmung zum Einsetzen der Technischen Nothilfe gegeben, wenn die Antwort verneinend oder nicht ausreichend war. So war es auch in diesem Falle. Es ist uns schriftlich von der Streik. leitung erklärt worden, daß die Versorgung der Berliner Be völkerung mit Wasser nicht zu den Notstandsarheiten gehöre. (Sebhaftes hört, hört! bei den Sozialdemoknaten, in der Mitte und rechts) Nachdem nicht einmal Garantien gegeben wurden, daß

im Komntando der Schutzpolizei in Berlin entfernt worden. shrabo! bei den Sozialdemokraten)

.

die Krankenhäuser der Stadt Berlin mit

sorgt werden konnten, daß die Krandenhäuser am Streitsonntag mit Licht beliefert werden konnten, da gab es kein Zaudern mehr für die Regierung, da habe ich im Einvernehmen mit dem Reichs minister des Innern den Polizeiprãsidenten gebeten, die not⸗ wendigen Mannschaften der Schutzpolizei einzusetzen, um der Technischen Nothilfe den Einsatz in die Glektrizitätswerke zu ermöglichen. (Gustimmung bei den Sozialdemokraten, in der Mitte und rechts) So wird es anch in Zukunft gehandhabt werden und ich hoffe, auch die Unterstũtzung der Herren von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei zu finden. Wir müssen uns im öffentlichen eben, wenn wir zur Volksgemeinschast kommen wollen, ein bißchen politische Ehrlichkeit angewöhnen. Rechts und links darf kein Unterschied beftehen zwischen den Reden auf der Landtagstribüne und zwischen den Taten im Berliner Rathaus. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten, in der Mitte und rechts) Das alles muß aus einem Guß sein, die Haltung hier und dort. Wenn ich aber sehe, daß die ⁊naäabhängigen Stadt⸗ räte Schlichting und Brühl einverstanden sind, Sie Technische Not⸗ hilfe auch in den Gasbetrieben einzusetzen, wenn ich sehe, daß die Herren damit einverstanden sind, daß Beschlũsse des Magistrats von Berlin nun auch ausgeführt wurden, um ein für allemal den Streilenden zu zeigen, daß auch die Gewerkschaftler eine Grenze ihrer Macht haben, dann verstehe ich es nicht, wie auf der anderen Seite die Wortführer dieser Partei sich darüber beklagen können, daß die Staatsregierung und die Reichsregierung den Magistrat in diesem Bestreben unterstützen. Das ist eine Politik mit doppeltem Boden. (Sehr richtig! rechts Zurufe links) Ja, wer das nicht versteht und wer nicht den Mut hat, den Arbeitern zu sagen, daß auch die Macht der Gewerkschaften eine Grenze hat, ist ein Verräter an der Arbeiterschaft. Sehr gut! Zurufe bei den Kommunisten.) Als ich Gewerkschafts sekretär war, habe ich meinen größten Ehrgeiz darin gesehen, meinen Kollegen die Kenntnis von den Zusammenhängen des Wirtschaftslebens und des politischen Lebens beizubringen, und biese Kenntnis hat sie dazu geführt, an⸗ zuerkennen, daß außer den gewerkschaftlichen Organisationen auch noch andere Menschen und Berufsvereinigungen auf der Welt sind. (Bravo! Zurufe bei den Kommunisten: Sie sind immer als Bremser bekannt gewesen!) Ich danke Ihnen sehr für das Zu⸗ geständnis, da Sie damit zum Ausdruck bringen, daß ich mich nicht gewandelt habe. Ich habe die Politik, die ich heute verfolge, gradlinig genommen.

Wer nämlich der Meinung ist, daß nach einem verlorenen Streik nur durch Verharren im Streik die Sache der Arbeiter ge⸗ wonnen werden kann, der treibt die Abeiter, d. h. in diesem Falle die gewerkschaftlichen Organisationen, zum Weißbluten und ver⸗ hindert die Möglichkeit, daß im gegebenen Moment die Gewerk= schaften wieder eingesetzt werden. Sehr richtig! bei den Sozial= demokraten.) Das ist der bisherige Erfolg Ihrer Agitation in den Gewerkschaften. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. Zuruf bei den Kommunisten: Ihr wollt sie einsetzen, wenn Eure Minister nach Hause gejagt sind) Der Herr behüte mich vor meinen Freunden in der Kommunistischen Partei. (Zuruf bei den Kommunisten: Als Sie in Not waren, riefen Sie uns! Große Heiterkeit)

Wie in diesen Tagen die Schutzpolizei verdächtigt worden ist, das geht eigentlich, verzeihen Sie den Ausdruck, auf keine Kuhhaut und darin haben besonders die Herren von der Deutschnationalen Partei das Menschenmögliche geleistet. (GGuruf bei der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei: Da hört alles auf) Ja gewiß, da hört alles auf! (Große Heiterkeit) Sie haben durch Ihre Zeitungs notizen im Tag, im Lokalanzeiger, in der Deutschen Zeitung, im Deutschen Tageblatt und in der Deutschen Tages⸗ zeitung den Eindruck hervorgerufen oder hervorrufen wollen, als ob die Schutzpolizei auch drauf und dran wäre, mit fliegenden Fahnen in das Lager der Streikenden zu eilen. Dieser Eindruck mußte durch diese vielen Veröffentlichungen dieser Art enistehen. Berichtigungen nützten gar nichts. Kamen diese Berichtigungen von einer Stelle, die dem preußischen Ministerium des Innern nahestand, dann wurden sie nicht aufgenommen oder mit dem be—= kannten Schwänzchen versehen. (Hört! Hört) Da zelchnete sich besonders die Deutsche Tageszeitung des Herrn Abgeordneten Baecler aus. (Abg. Baecker Perlin: So harmlos sind wir nicht, daß wir gewissen Berichtigungen glauben! Große Heiterkeit) Aber wenn ich Herrn Baecker sage, daß er sich selbst schon mal berichtigt hat und dann diese Berichtigung widerrief, als eine ãhn- liche Berichtigung von der amtlichen Pressestelle kam, was wird er dann sagen? (Abg. Baecker Berlin]: Das zunächst für unwahr⸗ scheinlich halten) Ach nein, hier ist der Beweis. Meine Damen und Herren, folgendes: Am 6. Februar verõffentlichte unter der Spitzmarke HEStreiĩgeldersammlung in der Schutzpolizei die Deutsche Tageszeitung des Herrn Abgeordneten Baecker eine Notiz. in der es zum Schluß hieß:

Die Erklärung der Schutzpolizei in Essen, daß keinem Streitführer ein Haar gekrümmt werden dürfe, zeigt ja Herrn n,, en. e. * Herrn Abeggs Tätigkeit dafür gesorgt

. er nächste Strei i

. s eik wahrscheinlich von der Schupo aus⸗ Ich habe das sofort berichtigen lassen. Die „Deutsche Tages- zeitung! nahm von dieser amtlichen Berichtigung keine Notiz; aber dann brachte sie am 12 Februar eine Zuschrift aus Essen mit folgender Ueberschrift: „Kommunistische Ente über die Essener Schutz polizei. (Heiterkeit) Es hieß in der Zuschrift:

„Kommu-

; Die Nr. 82 der in Düsseldorf erscheinende nistischen Freiheit · vom 38. n aan er n f. Ueber- schrift Bravo Schupo - eine Nachricht aus Essen, laut der he einer Versammlung der städtischen Beamten, Justizbeamten und Volizeibeamten alle Anwesenden den streikenden Eisenbahnern ihre Sympathie ausge sprochen hätten und besonders die Poligeibeam ten dafür eingetreten seien, keine Verhaftungen von Streikenden vorzunehmen. Beide Mitteilungen sind, soweit die stadtischen Polizeibeamten in Betracht kommen, unrichtig. Alg das hiestge sogenannte Ortskartell, dem alle Essener Beamtenschaften, also auch die Polizei, angeschlossen sind, am 4. Februar eine Em.

thieerklärung zum Eisenbahnerstreit beschloß, war weder ein BDertreter der Schutzpolizei noch der sonstigen Peamtenssh des Polizeiprästdiumt zugegen. Der in der Verlem⸗ näckst anwesende Vertreter der Schupo hatte sich vor Hließumg entfernt, nachdem er erklärt hatte, be e

Hei

eleltrischer Energie ver⸗

knne nach ihren Hestinrmungen an keinem Streit ter .

gleichen teilnehmen. e tue es auch nicht

dn.