ö Oesterreich. Nach einer Meldung der „Politischen Korrespondenz! ö . ; 5 herrscht in der Oeffentlichkeit Oesterreichs starke Beuntuhigung ré eingelaufene Nachrichten, daß Ungarn mit . auf die von Oesterreich niemals anerkannte Mantelnote zum Friedens vertrag von Trianon unter dem Titel von Grenz- rekti kationen weitgehende Gebiets orderungen stelle. Während sich gemäß dem Wortlaut und Geist der Vereinbarungen die öᷣsterreichischen Vorschläge an die im Friedensvvmertrag be⸗ stimmte Linie halten, greifen die von Ungarn der Abgrenzungs— kommission überreichten Vorschläͤge unerwarteterweise über diese Linie weit nach Westen hinaus und verlaufen im allgemeinen Ein Kilometer 3 von der durch den Staatsvertrag von t. Germain festgesetzten Grenze. Die österreichische Regierung hat gegen den neuerlichen Versuch Ungarns, durch Beanspruchung beträchtlicher wertvoller Teile des bürgen⸗ ländischen Territoriums die westungarische Frage aufs neue aufzurollen, bei den Westmächten alle Schritte unternommen, um diesen Bestrebungen Ungarns energisch zu be⸗ gegnen. . Der Nationalrat beschäftigte sich gestern mit dring⸗ lichen Anfragen, betreffend die ungarischen Gebiets—⸗ ansprüche im Burgen lande.
Laut Bericht des Wolffschen Telegraphenbüros“ brachten sowohl Mataja (Christlichsozial) und Jürff (Großdentschj als auch Renner (Sozjalist einmütig die Auffassung zum Ausdruck, daß sich in Oesterreich keine Partei finden werde, die über das Venediger Protokoll binaus weitere Opfer an burgenländischem Gebiet für er⸗ fräglich halten könnte, auch könne keine österreichische Regierung einen derartigen Schritt rechtfertigen. Der Abg. Gruber protestierte namens der burgenländischen Bevölkerung, die glücklich sei, vom ungarischen Joch befreit zu sein, dagegen, daß auch nur ein Finger hreit vom deutschen Gebiet des Burgen landeg abgetreten werde. Der Bundeskanzler Schober erklaͤrte, die österreichische Regierung habe unverzüglich die Westmächte, die in Mitteleuropa interessierten Staaten und den Völkerbund von dem neuen Versuch Ungarns, die burgenländische Frage wieder aufzurollen, in Kenntnis gesetzt und darauf aufmerksam gemacht, welche schwere Verletzung der Rechte Oesterreichs damit verfucht werbe. Der Versuch der ungarischen Regierung, auf diese Weise zu erlangen, was sie bisher vergeblich zu erreichen versucht hatte, verdiene die särkste Zuräckweisung. Der Bundeskanzler stellte fest, daß die Venediger Verhandlungen feine Grundlage für neue ungarische Gebietsforderungen abgeben können, da der Versuch der ungarischen Delegation auf der Konferenz von Venedig über die Oedenburger Frage hinaus die Erörterung weiterer Gebietsfragen herbeizuführen, unter Zustimmung deg damaligen Minissers des Äeußern seitens der österreichischen Delegation mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen wurde, daß die Mantelnote des Trianoner Vertrages die österreichische Regierung nichts angehe. Der Bundeskanzler verwies auf die vom unggrischen Ministerpräsidenten nach der Oedenburger Abstimmung ab⸗ gegebene Erklärung, daß nunmehr mit der Vereinigung der einzige Zankapfel zwischen Oesterreich und Ungarn weg— gefallen und damit die Möglichkeit für das Zufammenwirken der beiden Staaten gegeben sei. Wenn nun Ungarn fünf Wochen später so tue, als wenn Venedig und irgendwelche Verhandlungen und Verträge nicht existierten, so könne er sich von diesem Platze aus ned lich schwer darüber äußern. (Lebhafte Zustimmung.) Dazu gehöte eben eine andere Mentalität als die eines Deutschen. (Leb⸗ hafter Beifall.) Er habe bereits in Venedig Gelegenheit gehabt, in offener Verhandlung zu sagen: „Ich bitte, meine Herren, wir sind ja alle Europäer!“ Dieses Wort möchte er auch heute anwenden. Der Bundeskanzler schloß: Ginen Handel über die Gemeinden des Burgenlandes gibt es nicht, dabei bleiben wirt (Lebhafter Beifall.) D Der dritte Parteitag der Tiroler Volkspartei für Südtirol hat, wie der „Allgemeine Tiroler Anzeiger“ meldet, eine Entschließnung angenommen, in der neuerdings die Forderung nach Landes autonomie einschließlich der deutschen RVandgemeinden und der ladinischen Täler erhoben wird. Der Parteitag schloß sich den von den Gemeindevorständen des Unterlandes erhobenen Protesten in der Schulfrage an, forderte die Negierung auf, die Frage der Kriegsanleihen zu lösen, und protestierte gegen die sich wiederholenden ungesetzlichen Haus— durchsuchungen. Der Parteitag wurde unter Absingung des Andreas⸗Hofer⸗Liedes geschlossen.
; Grosbritannien und Irland.
Die indische Regierung hat an die englische Regierung ein Telegramm gerichtet, in dem sie dem Reuterschen Büro“ e mit Nachdruck auf die unter den Muselmanen In⸗
ien s herrschende Stimmung hinweist, die eine Revision des Vertrags von Sayres fordert. Die indische Re— gierung verlangt unter der Bedingung der Neutralisierung der Meerengen und der Gewährleistung der Sicherheit der nicht⸗ muselmanischen Bevölkerung im hesonderen dreierlei, nämlich die Räumung Konstantinopels, die Suzeräntität des Sultans über die Heiligen Stätten, die Wieder— herstellung des türkischen Thraziens mit Adrianopel und die Rückgabe von Smyrna. Die Erfüllung der letzt genannten drei Punkte sei von höchster Bedeutung für Indien. Infolge der Veröffentlichung der Depesche der indischen
Regierung gab Chamberlain im Unterhause die Er⸗ 44 ; völlige . ; kann. Aber soyiel wissen wir, es wird leider länger dauern, als wir
trittsgesuch eingereicht habe, daz angenommen worden sei. anfänglich annahmen.
Chamberlain teilte dem ‚„Wolssschen Telegraphenbüro“ zufolge
klärung ab, daß der Staatssekretär Montagu sein Rück—
mit, daß Montagu die Veröffentlichung der Depesche genehmigt habe, ohne irgendeinen seiner Kollegen um Rat zu fragen, und betonte, wie nachteilig die Ver— öffentlichung am Vorabend der Konferenz über den Nahen Osten sei; die britische Regierung könne die Ver— öffentlichung der Depesche auf die alleinige Verantwortung Montagus hin nicht in Uebereinstimmung bringen mit der Gesamtverantwortung des Kabinetts und mit der Verpflichtung, die alle Regierungen des britischen Reiches gegeneinander in Reichsangelegenheiten hätten. (Die Mitteilung von dem Rück⸗ tritt Montagus wurde von den Unionisten mit lautem Beifall aufgenommen.) Sodann teilte Chamberlain mit, daß mit Rücksicht auf die großen Summen, die Großbritannien be— reits für das Hilfswerk in Europa gegeben habe, und mit Rücksicht auf die sehr schweren Lasten, die das britische Volk zu tragen habe, und auf das große Elend unter dem Volke bie Regierung beschlossen habe, daß sie die Bereitstellung öffentlicher Geldmittel für das Hilfswerk zur Linderung der russischen Hungersnot nicht vorschlagen könne; es werde aber jede Anstrengung gemacht werden, um zu den bereits den Rote⸗Kreuz⸗Gesellschaften zur Verfügung gestellten medizinischen Mitteln noch weitere hinzuzufügen.
Nach einer verspätet eingetroffenen Meldung hat das Unterhaus mit 295 gegen . Stimmen den Gesetzentwurf über den englisch⸗irischen Vertrag in dritter Lesung angenommen.
Rrankreich.
Die „Havasagentur“ berichtet, daß im Laufe der gestrigen Jeratungen der alliierten Finanzminister als Ver— handlungsgrundlage das Memorandum angenommen wonden sei, dasz *
französische Finanzminister der Konferenz
DOrientfrage
unterbreitet hat. Es seien jedoch Vorbehalte hinsichtlich der meisten aufgeworfenen Fragen gemacht worden. Die alliierten Minister hätten erklärt, da die voraufgegangene französische Regierung, sei es im Dezember in London, sei es im Januar in Cannes, Verpflichtungen übernommen habe, obzwar damals kein Tert angenommen worden sei. betrachteten die Alhierten die französische Regierung, wenn nicht juristisch. so doch moralisch für verpflichtet, diese Abkommen zur Ausführung zu bringen. Sie seien der Ansicht, daß, wenn man sich streng auf den juristischen Standpunkt stelle, man not— wendigerweise auf das Abkommen von Span zurückgreifen müsse, das Frankreich weniger günstig sei als die beiden nach⸗ träglich erfolgten Abmachungen. .
— Die Zusam menkunft der alliierten Minister der auswärtigen Angelegenheiten zur Beratung der sindet, wie die „Havasagentur“ mitteilt, am 22. März statt.
= Die interp arlamentarische Gruppe der Liga für Menschenrechte hat vorgestern beschlossen, von der fran⸗ zösischen Regierung die Veröffentlichung der diplomatischen Akten über den Ursprung des Krieges zu verlangen, ebenso das Protokoll der geheimen Sitzungen, die während des Krieges in den französischen
zarlamenten stattgefunden haben. Die interparlamentarische Gruppe verlangt ferner, daß die feindlichen Chefs, denen Ver⸗ stöße gegen das Völkerrecht zur Last gelegt werden, vor den Obersten Gerichtshof des Völkerbundes gezogen werden.
Rußland.
In der Sitzung der Kom munistischen Internationale berichtete Radek über das Ergebnis seiner Reise nach Berlin, wo er über den Zusammenschluß der Zweiten und Dritten Interngtionale verhandelt hat. Aus den Ver— handlungen habe sich ergeben, daß die Zweite Internationale mit der Dritten nicht zusammenzuarbeiten wünsche. Sinowjew erklärte, daß die russischen Kommunisten die Hoffnungen auf eine Weltrevolution aufgegeben hätten, daß eine Revision der Methoden der bisherigen Aktion nötig sei und daß es not— wendig sei, alle Internationalen in eine einzige zusammenzu⸗ schließen. Schweiz.
Der Präsident der deutsch⸗-polnischen Konferenz Calonder empfing gestern die in Genf weilenden Pressevertreter, um ihnen einen ausführlichen Ueberblick über den Stand der deutsch⸗ polnischen Verhandlungen und ihre bisherigen Ergebnisse zu geben. Der Präsident führte dem, Wolffschen Telegraphen⸗ büro“ zufolge im wesentlichen aus:
Die, Verhandlungen treten nunmehr in ihre Schlußphase ein, in die Phase der Prüfung und der Lösung aller Fragen, in denen zwischen den Verhandlungführenden eine Einigung nicht erzielt werden konnte. Wir bemühen uns, die Zahl dieser Fragen zu ver⸗ ringe, aber obgleich unsere Bemühungen in einigen Fällen zum Ziel führen, ist es doch möglich und sogar wahrscheinlich, daß ein Rest von Fragen bleibt, über die eine Einigung nicht erzielt werden kann. ö Die elf Unterausschüfse haben in Oberschlesien die Ab⸗ lommensentwürfe vorbereitet und in Genf bollendet. In einzelnen Fällen wurden die Abkommensentwürfe völlig abgeschlossen, so daß die Projekte über Wasserfragen, ECisenbahnen, Sozial berficherung, Kohlen. ergwerkserzeugnisse, Zoll und Verkehr von beiden Abordnungen ge— billigt worden sind. In anderen Fällen, in denen die Aug—, schüsse zu keiner Ginigung gelangten, wurden die Entwürfe borgelegt, dabei) aber gewisse Fragen einer unmittelbaren
Verständigung zwischen den Bevollmächtigten vorbehalten. Die Bemühungen der Unterhändler werden nunmehr den noch bestehenden Streitfällen und ihrer Lösung gelten. Diese Vöfüng wird an— gestrebt durch unmittelbare Verhandlungen entweder zwischen den Bevollmächtigten oder zwischen den Bevollmächtigten und mir. Dabei bestehen drei Möglichkeiten einer Löfung: ent— weder die unmittelbare Einigung zwischen den Bevollmächtigten oder die Finigung durch Vermittlung des Präsidenten oder die Lösung durch Schiedsspruch des Präsidenten. Im Hinblick darauf haben sich die beiden Abordnungen berpflichtet, mir bis spätestens den 11. März Denkschriften zu überreichen, in denen sie ihren Standpunkt darlegen und begründen. Ich werde diese Denkschriften prüfen und, wenn die . Parteien es wünschen, eine Vermittlung versuchen. Falls die Vermittlung scheitert, fälle ich den Schiedsspruch, und zwar in allgemeiner öffentlicher Vollsitzung. Damit werden dann die öffentlichen Ver— handlungen abgeschlossen sein. j Allerdings bleibt dann noch eine Lange und schwierige Redaktionsarbeit zu erledigen. Wenn die technischen Schwierigkeiten befeitigt sind, dann kommen noch sprachliche Schwierig- keiten. Deutschverfaßte Terxtentwürfe sollen in einen französischen Text umgewandelt werden, der sowohl den juristischen als auch den rein fachmännischen Erfordernissen des Vertrags gerecht werden soll. Obgleich unser Redaktionsausschuß rastlos arbeitet, schreitet er nur langsam in der Abfassung der Texte vorwärts, während gleichzeitig zwei Abordnungen mit ihren Sachverständigen die Ver⸗ handlungen fortführen. Bei allem guten Willen ist es daher unmöglich, das Datum festzusetzen, an dem wir abschließen können,
an dem der völlige Wortlaut des Vertrags unterschrieben werden
Der Präsident Calonder charakterisierte hierauf das Wesen und damit die rein sachlichen Schwierigkeiten der Verhandlungen folgendermaßen:
Das deutschpolnische Abkommen soll das wirtschaftliche und unter gewissen Gesichtsvunkten auch das politische Regime Ober— schlesiens nach den allgemeinen Grundsätzen des Beschlusses vom 20. Oktober regeln. Es hat deshalb einen ausgesprochen tech⸗ nischen Charakter; außerdem ist jeder Vertragsartikel das Ergebnis zweier verschiedener nationalen Gesichtspunkte. Das Abkommen soll 16 Jahre das Leben eines arbeitsamen Volkes beherrschen, es soll gewissermaßen die Verfassung werden, die von der gemischten Kommission ständig ,,, ist. Gleichzeitig muß es auch den nationalen Regierungen zu beiden Seiten der nenen Grenze angepaßt werden. Es muß schmiegsam genug sein, um die Entk⸗ wicklung während der Anpassungsseit zu ermöglichen. Das sind Forderungen, die jast mit einander im Widerspruch siehen und unsere ganze Aufgabe erschweren. Präsident Calonder wies des weiteren darauf hin, daß infolge all dieser Schwierigkeiten die Presse oft nur Värlich unterrichtet werden konnte; er hoffe aber, daß die öffentliche Meinung trotzdem Ruhe bewahren und gerecht und leidenschaftslog urteilen werde und über die unvermeidlich lange Dauer nicht unwillig. werde; da man gute Arbeit leisten wolle, könne man sie nicht immer
schnell leisten.
. (Calonder rühmte endlich den Geist der Versöhnung, der die beiden Abordnungen, besonders die beiden Bevollmãchtigten, heseele, und schloß dann seine Darlegungen mit folgendem Appell an die oberschlesische Bevölkerung:
Während ich hier an unserer Aufgabe arbeite, denke ich oft an die Oberschlesier, bei denen ich kürzlich weilte und von denen ich einen so vortzefflichen Eindruck bewahre, denn es geht vor allem um ihr Leben, ihr Wohlergehen und ihr Gedeihen. Sie alle warten mit Geduld, für die ich ihnen dankbar bin, auf das Ende unferer Ar⸗ beiten. In ihrem Interesse bemühen wir uns, schnelle Arbeit zu leisten, aber in ihrem Interesse müssen wir auch darauf achten, daß
die Eile nicht das Werk ahrde, ͤ dig . nich Werk selbft gefährde, das wir zu vermirfiichen
Polen.
Am Mittwoch ist in Warschau der Kongreß der Volkg artei (Gruppe Thugut) eröffnet worden. Der Kongreß . chloß, die Regierung aufzufordern, den jetzigen Landtag ar zulösen und Neuwahlen auszuschreiben.
3 Rumänien.
Bei den Kammerwahlen wurden bisher im alten Königreich 111, in Bessarabien Z3l, in der Bukowina 16, in Siebenbürgen 33 Regierungsanhänger gewählt. Die DOpposstion dürfte etwa 60 Sitze erhalten. r ö
Amerika.
n der Note an den italienischen Botschafler RiLeei, in der die Vereinigten Staaten die Teilnahme an der Genu eser Konferenz ablehnen, schreibt Staatssektetär Hughes der „Reuterschen Büro“ zufolge: . ö.
Seit Empfang der ersten Note Eurer Erzellen; ist die Frage de Teilnahme der Vereinigten Staaten an der vorgeschlagenen Kon eren! ernstlich in Erwägung gezogen worden. Sie werden verstehen, daß die . gierung der Vereinigten Stagten ein großes Interesse an jeder Konfernn nehmen muß, die wirksame Maßregeln zur Förderung des wirtschaft ichen Wiederaufbaues Europas verheißt, denn nicht nur ist es unser inn ger Wunsch, daß die Völker, welche am meisten unter den durch den Krieg he borgerufenen Verwüstungen und Erschütterungen litten, zur Wohsfal tt zurückkehren, sondern es ist auch flar, daß ohne eine Gefun— dung Europas von einer Besserung der Welt keine Rede sein kann. Die Regierung der Vereinigten Staaten kat mit diesem teilnehmenden Empfinden und mit dem größten Wider, streben, jedem geeigneten Schrilt zur Erreichung dieses Zieles ihre Unter, stützung vorenthalten zu müssen, die in Cannes angenommene Ent, schließung und das für die Konferenz vorgeschlagene Programm geprüst Mit Bedauern benachrichtige ich Eure Exzellenz, daß als Ergehnt der ftattgehabten Prüfung festgestellt worden ist, daß man unmöglich dem Schlusse entgehen kann, daß die vorgeschlagene Konferen; in der Hauptsache keine Wirischaftskonferenz ist — sind doch von den Beratungen Fragen ausgeschlossen worden, ohne deren zufrieben. stellende Lösung die Hauptursdchen, der wirtschaftlichen Störung weiterwirken müssen —, sondern daß sie eher einen poli tischen Charakter trägt, und daß die Regierung der Vereinigten Staaten sich an einer solchen in nützlicher Weise nicht beteiligen könnte. Die Regiernng der Vereinigten Staaten muß auf die klar ausgesprochene Ueberjeugung
des amerikanischen Volkes Rücksicht nehmen, daß, wie sehr die Jie
gierung es auch wünscht — und sie hat Beweis dafür in reicher Fülle erbracht — in angemessener Weise an dem Wiederaufbau deg Win, schaftslebens Europas teilzunehmen, sie doch nicht ohne dringende Notwendigkeit in Fragen der europäischen Politik verwickelt werden sollte.
Hinsichtlich Rußlands mag hinzugefügt werden, daß die Re— gierung der Vereinigten Stagten zwar darauf bedacht ist, alles, waz in ihren Kräften steht, zur Förderung der Wohlfahrt des russischen Volkes zu tun, und daß sie mit dem lebhaftesten freundschaftlichen Interesse jeden Schritt auf dem Wege zur Wiederherstellung wärt schaftlicher Bedingungen begleitet, die es Rußland gestatten, seine produktive Kraft wiederzugewinnen, daß sie aber der Meinung ist, daß solche Bedingungen so lange nicht sicher— gestellt werden können, als nicht ein entsprechendes Vorgehen der für Rußlands gegenwärtige wirtschaftliche Zerrüttung haupt. sächlich Verantwortlichen erfolgt ist. Die Meinung der Regierun der Vereinigten Staaten geht auch dahin — und sie ist dessen sicher daß fie von den Regierungen, die die Konferenz einberufen haben, geteilt wird —, daß, solange man noch auf die Herstellung der um, bedingt notwendigen Sicherheiten für Rußlands Produktivität wartet, guf die in der am 25. März 1921 veröffentlichten Erklärung der Regierung der Vereinigten Staaten hingewiesen wird, und ohne die, wie die Regierung der Vereinigten Staaten glauht, jede Prfifung eines wirtschaftlichen Wiederauflebens wertlos ist, nichtz unten nommen werden sollte mit dem Ziele, in Rußland wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, welche berechtigte Möglichkeiten anderer schmälern würden. Vielmehr sollten die Hilfsquellen des russischen Volkes von einer derartigen Ausbeutung freigehalten werden, und eine unparteiische und billige Möglichkeit zur wirtschaftlichen Be—
tätigung sollte sowohl im Interesse des russischen Volkes wie in dem
aller Mächte sichergestellt werden. Wenn die Regierung der Ver, einigten Staaten auch nicht glaubt, an der vorgeschlagenen Konferenz teilnehmen zu sollen, so gibt sie sich doch aufrichtig der Hoffnung bin, daß ein Fortschritt gemacht werden möge in der Bahnung des Weges für eine eventuelle Besprechung der Regelung der grund= legenden wirtschaftlichen und finanziellen Fragen des europfischen Wiederaufbaus, die zu einer Lösung drängen.
—MNer Senator Lodge trat vorgestern in einer großen Rede im Senat für die Ratifikation des Vierm ächte— abkommeng ein und sagte nach einer Havasmeldung:
Die Ablehnung der Natifikation sei eine Gefährdung des Ab= kommens über die Flottenrüstungen. Das Viermächteabfommen scheide die englischjapanische Allianz aus und damit die größte Gefahr für die amerikanischen Beziehungen zum Fernen Osten. Die Vereinigien Staaten, welche die Konferenz von Washington veranlaßt und selbst auf dieser Konferen; Vorschläge gemacht hätten, könnten die Realiffkottan des Vertrages nicht ablehnen, um sich nicht in die unangenehme Isolierung einer bis an die Zähne bewaffneten Einfiedlernation zu begeben, welche ständig in der Aussicht auf einen neuen Krieg leben würde. Der Viermächtepertrag lege den Vereinigten Staaten nur die Verpflichtung auf, sich mit den übrigen Unterzeichnern ins Be= nehmen zu setzen. Die Beseitigung der englisch japanischen Allian; mache die Herabsetzung der Flottenrüstungen möglich. Die Ablehnmz des Viermäͤchteabkommens sei gleichbedeutend mit dem Fehlschlagen der Konferenz. — .
Nach, dem „New York Herald“ erklärte Lodge, die aus
der Abrüstungskonferenz hervorgegangenen Verträge müßten
entweder ratifiziert werden oder man müsse mit der Er— neuerung der englisch⸗japanischen Allianz und einem unbegrenzten Wettrüsten rechnen.
. Asien.
In der Gesetz gebenden Versammlung Indiens verlangten, wie „Reuter“ meldet, einige Abgeordnete eine weitere . der Heeresausgaben, namentli der. Ausgaben für die britischen Truppen in Indien, die mehr Kostenaufwand verursachten als die indischen Truppen. Darauf antwortete der Oberstkommandierende Lord Ran— lin son, eine weitere Verminderung des Heeres sei wegen der weit verbreiteten aufständischen Bewegung nicht mõglich. Er würde weitgre Verminderungen in Erwägung ziehen, wenn ai geeinigtes Indien dem brilischen Reich seine Treue und ErU gebenheit bezeige. Unter den gegenwärtigen Umständen sei dus britische Truppenkontingent in Indien keineswegs zu groß.
—
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstag sind der Entwurf eines Gesehes zur Aenderung des Pensiontsergänzun 66 und J der
des Wehrmachtversorgungsgefetzeg un ntwur eines Gesetzes über die ernten. von Pyrmoj . ö ö. nebst Begründungen zur Heschn fan ih
6 ö . ber das nerkomprem iß, die gestern im Reichstage stalffand, an gien der Reichskanzler Dr. Wirth, die Reichsminister Bauer, Ir. He rm es, Dr. Rathenau u. 4. teilnahmen, trug der Abg. — Y N de Richtlimi 65
It. Becker - Hessen (D. Vr) die Richtlinien vor, von deren An⸗ nahme die Deut sche Volkspartei ihre endgültige Zu⸗ immung zum Stener fompromiß abhängig macht. Sie beziehen sich auf die Gewährung fach licher und persönlicher Garantien. Darnach muß, wie, das Nachrichten büro des Vereins deutscher Jellungkverleger berchet zunächst zwischen den Kompromißparteien ind der Regierung Einmütigkeit üher die Verwendung der Mittel, ugkesendere derfenigen aus der Zwangsanleihe bestehen. Diese Hittel dürfen nicht berwendet werden, um Fehlbeträge der Reichs— hetriebe, Post und Eisenhahn, zu decken; diese müsfen sich felbst er⸗ allen. Auch wenn, Lie inzuschlagenden Wege nicht in aller⸗ fächst Zeit zum Ziele führen, dürfen laufende Einnahmen aus Gbenern und aug der Zwangsanleihe unter keinen Umständen zur Hecung solcher Fehlbeträge verwendet werden. Ferner dürfen die Mittel aus der Zwangsanleihe, die nicht wiederholt werden kann, nicht dazu verwendet werden, um Devisen zu faufen und Gold⸗ aahlungen an die Entente zu leisten. Das zerstört den Devisenmarkt and bestärkt unsere Gegner in dem Glauben, daß wir, neue Gold— ahlungen auf uns nehmen könnten. Die Zwangsanleihe gibt nur Nittel für ein einziges Jahr; unsere Gegner könnten dann aber auf größere dauernde Leistungsfähigkeit schließen. Der einzige Verwendungszweck darf nur sein, daß die im Inland aus dem Frieden zpertrag usw. abzudeckenden Verbindlichkeiten (ein Teil der Besatzungskoften sowie vor allem die Entschädi⸗ gung deutscher Lieferanten für Sachleistungen usw.) gezahlt werben. Ob eine solche Festlegung der Verwendung in dem Mantelgesetz erfolgen kann, ist eine Frage außenpolitisch⸗ Kaklischer Natur. Die neuen Einnahmen sollen ferner den inneren Haushalt des Reiches in Ordnung bringen, um wiederum das Ver⸗ fratsen von Wirtschaft und Politik des Auslandes zu schaffen. Deshalb muß ein ernster Anlauf genommen werden, die gesamte Ver— waltung zu vereinfachen und zu verbilligen. Unsere Reichsverwaltung ist in den letzten Jahren viel zu großzügig“ aufgebaut worden. Ein⸗ richtungen der Kriegszeit sind leider zu spät, teilweise überhaupt noch nicht abgebaut. Die Einwirkungen der Revolution sind noch heute nickt überwunden. Die Ueberspannung des zentralistischen Ge⸗ dankens hat der Reichsberwaltung eine Fülle von Aufgaben zuge⸗ viesen, die recht gut bei Ländern und Gemeinden hätten bleiben önnen und billiger von ihnen gelöst worden wären. So haben wir i Reich einen Ueberfluß von Aemtern bis zu den Ministerien hinauf Ind von Beamten und einen Verwaltungsapparat, der von einem ver⸗ armten Staatéwesen nicht länger getragen werden kann und abgebaut werden muß, wenn man den Steuerzahlern neue Lasten zumutet. Der vor Jahresfrist eingesetzte Sparkommissar hat seine Tätigkeit in⸗ folge des Widerstands der Aemter eingestellt. Eine Kommission zur Vereinfachung der Reichsverwaltung besteht bereits seit vielen Monaten, von einer finanziellen Auswirkung hat sich freilich erst venig gejeigt. Im Hauptausschusse haben sich Ansätze zum Abbau der Ausgaben bemerkbar gemacht. Es muß aber mit ganz anderem Nachdruck die Vereinfachung und Verbilligung der Reichs⸗ berwaltung in die Hand genommen werden. Deshalb darf sie nicht als Nebenaufgabe in einem Ministerium behandelt, sondern muß als Hauptaufgabe einem Organ übertragen werden, dessen Spitze nicht nur die volle Verantwortung trägt. sondern auch schon durch seine äußere Stellung (Rang und Stellung eines Reichs—⸗ ministers) die nötige Stärke besitzt, um sich den Ressorts gegenüber kraftvoll durchzusetzen. Diesem Manne muß eine kleine Kommission aus besonders ausgewählten Sachverständigen zur Mitarbeit unter⸗ stellt werden. Die Vorschläge dieser Kommission hätten selbst⸗ berständlich die parlamentarischen Körperschaften zu genehmigen, und bie Kommission hätte auch in engster Fühlung mit den einzelnen Ministerien und vor allem mit dem Reichsfinanzministerium ju handeln. Die Arbeit der Kommission kann aber nur dann Erfolg haben, wenn Regiernng und Parteien fie mit ernsten Willen unterstützen und jeden begründeten Vor⸗ chlag ohne Voreingenommenheit prüfen und rücksichtslos durchführen. Der Erfolg steht und fällt mit diesem guten und ernsten Willen von Regierung und Parteien. Die Persönlichkeit an der Spitze muß volitisch unbelastet, aber in der Reichs⸗ und Staatsverwaltung praktisch durchaus erfahren sein. Eine erfolgreiche Arbeit für die Vereinfachung und Verbilligung der Reichsverwaltung wird zweifellos nicht ohne Wirkung auf die Verwaltung von Ländern und Gemeinden bleiben. Die Hauptaufgabe des ‚„Vereinfachungskommissars' würde sein, Vorschläge zu machen, wie die großen Reichsbetriebe zu vereinfachen und wirt⸗ schaftlicher zu gestalten wären. Regierung und Parteien müßten bezüglich anderer Gestaltung der Betriebe jeder vorgefaßten Meinung entsagen und. einer Ausgestaltung nach der Richtung eines mehr privatwirt⸗ schaftlichen Ausbaues nicht von vornherein aus theoretischen Gründen wer gar aus parteipolitischen Rücksichten widersprechen; sie müssen
sich schon jetzt verpflichten, nicht ohne weiteres Maßnahmen abzulehnen,
die den Wirkungsgrad der Unternehmen erhöhen können, selbst wenn sie nicht ganz mit ihren wirtschaftspolitisch⸗ oder staatspolitisch⸗ theoretischen Meinungen im Einklang stehen und sich von einer Ein⸗ stellung auf Schlagworte in der Richtung einer gesunden Wirt⸗ schaftsführung mehr entfernen, als dies einseitige varteipolitsche Befrachtungsweise bisher für möglich gehalten hat. Cisenbahn und Vost müssen sachlich wie persönhich entvolitistert und möaglichst rein wirtschaftlich behandelt werden. Die Hoheitsrechte des Reichs wie die Nechte der Beamten sind dabei selbstverständlich zu wahren. Auch für die Zukunft dürfen sich die Mißstände auf finanziellem Gebiet nicht er⸗ neuern. Neue Forderungen haben immer wieder die Reichsausgaben ver⸗ nehrt, und kein Teil kann sich von Schuld daran freisprechen. Auch bier müssen Regierung und Parlament ernstlichen Willen zur Aende⸗ rüng haben. Der stärkste Wille wird aber vielfach durch partei⸗ volitische Erwägungen über den Haufen geworfen. Deshalb muß dem Reichs finanzministerium eine stärkere Einwirkung auf die Ge⸗ staltung der Reichsausgaben eingeräumt werden, die Stellung des Reichsfinanzministeriums muß erheblich verstärkt werden, der Minister muß ein unbedingtes Einspruchsrecht gegen belastungen durch ein einzelnes Ministerkum haben. Mit der us dem Krieg übernommenen Uebung, im Etat große Sammel⸗ kredite zu bewilligen, muß völlig gebrochen, und es muß zur weit⸗ gebenden Spezialisierung des Reichshaushalts zurückgekehrt werden. Fammelkredite verführen Regierung und Parlament leicht zur Verschwendung, jede Spezialisierung fördert die Sparsamkeit. Die deutsche Wirtschaft wird die neuen Lasten nur tragen können, wenn man ihre Produktivität stärkt und alle Maßnahmen vermeidet, die ihre Leistungssähigkeit beeinträchtigen könnten. Die deutsche Wirt⸗ schaft arbeitet noch in Fesseln und Einschränkungen aus der Kriegszeit, die sie hindern, durch Steigerung ihrer Erzeugung und Ausnutzung aller Möglichkeiten das Jetzte herauszuholen, womit sie allein ihren Hivat⸗- und öffentlich⸗rechtlichen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Diese Fesseln müssen nach und nach abgenommen werden. Die Zwangs⸗ hirtschaft für die Gütererzeugung und den Güterabsgtz im In- und Ausland und besonders auch in bezug auf die Preisbildung ist daher nach und nach auf allen Gebielen abzubauen. Regierung wie Kompremiß⸗ barteien müssen bei Abschluß des Steuerkompromisseg einig darin ein, dieses Jiel schrittweise zu erreichen. Die sicherste Gewähr dafür Färde in Personalverschiebungen in den Aemtern zu finden gewesen in. Inwieweit solche nötig und möglich sind, soll hier nicht weiter srßrtert werden. Neue Maßnahmen, die die deutsche Wirtschaft be= kasten, müssen auf ihre Wirkung in der Richtung der Möglichkeit einer emmung der Leistungsfäbigkeit geprüft werden. Ueber mirtschaftliche elyflichtungen gegen die Ententestaaten darf nicht die Regierung allein utscheiden; vor so weittragenden Entsckeidungen, wie z. B. dem
lesbadener Abkommen, wie man sie anscheinend jetzt auch mit anderen Ententestagten zu veresnbaren geneigt ist, müssen sowehl le berufenen Wirtschaftsvertretungen wie auch die panla⸗ mentgrische Vertrefung des deutschen Volkes gehört werden. Die Reutsche Wirkschaft ann Lie Spfer der neuen Fingnzgesetzgebung nur lagen, wenn ihr nicht auf dem Umweg über solche Abkommen neue Oer auferlegt werden. Auch die volitischen Parteien, insbesondere
gdielenigen, die in Ver Regictun nicht vertreten sind, hinter denen aber wei ken
teffe Kreife des Erwerbsleben flehen, haben ein berechtigtes
erhebliche Neu⸗
Interesse daran, daß man sie angesichts der Opfer für das Steuer— kompromiß nicht bei Abschluß so weittragender wirtschaftlicher Ab= kommen einfach übergeht. Ez muß deshalb verlangt werden, daß por Abkommen auf Grund des Friedenspertrags, die größere finanziellůe oder ernste grundsätzliche Bedeutung haben, Wirtschaftsvertretung und Parlament gehört werden. Zurzeit verschafft sich die Reichs verwaltung die Mittel zur Deckung außerordentlicher Ausgaben durch die Aus⸗ gabe von Schatzanweisungen und deren Verwertung bei der Reichs⸗ bank. Der normale Weg ist dies selbstverständlich nicht. Außer—⸗ ordentliche Ausgaben sollen durch Begebung von Schuldverschreibungen, also durch fundierte Anleihen, gedeckt werden. Die Schatzanweisungen führen zur Vermehrung von Zahlungsmitteln, zur. Schaffung immer neuen Papiergeldes und zur Vergrößerung der Inflation. AUuch auf diesem Gebiet muß auf den normalen Weg zurückgegangen werden, wenigstens einen Teil der Mittel zur Deckung außerordentlicher Aus⸗ gaben wieder durch eine fundierte Anleihe zu gewinnen. Dadurch würde der Inflation entgegengewirkt werden.
In der Aussprache erklärte u. a. der Abg. Müller- Franken (Soz.), daß seine Partei mit der Tendenz der Richtlinien der Deutschen Volkspartei einverstanden sein könne, sich aber noch nicht auf Einzelheiten festlege. Nachdem alle Parteien ihre Bereitwilligkeit gezeigt hätten, einen möglichst großen Teil der Zwangsanleihe noch in diesem Jahre zum Fließen zu bringen, verzichteten die Sozial⸗ demokraten darauf. Einzelbestimmungen darüber in das Mantelgesetz aufzunehmen. Abg. Dr. Becker-⸗Hessen (D. Vp.) erklärte schließlich. daß seine Partei bereit sei, einen gemeinschaft⸗ lichen Antrag auf Einbringung eines Mantelgesetzes mitzu⸗ unterzeichnen. Zum Schluß faßte der Reichskanzler Dr. Wirth das Ergebnis zusammen und erklärte für die Negierung, daß die Richtlinien der Deutschen Volkspartei im wesentlichen der Regierungs⸗ politik zugrunde gelegt werden sollten, und daß zur Ausarbeitung der Einzelheiten, namentlich der Ersparnismaßnahmen, alsbald weitere Sitzungen stattfinden sollten. Hierzu könnten auch von den Parteien vorgeschlagene Persönlichkeiten außerhalb des Parlaments hinzu⸗ gezogen werden. Aus den Ergebnissen der heutigen Sitzung wären, so erklärte der Reichskanzler weiter, alsbald politische Folgerungen zu ziehen; es sei notwendig, das Finanzministerium endgültig zu be— setzen. Der Vorsitzende Dr. Spahn stellte hiernach das Einver⸗ ständnis der anwesenden Parteien fest. — Die Verhandlungen über die Zwangsanleihe werden vermutlich am Sonnabend beginnen.
— Im Hauptausschuß des Reichstags wurde gestern der Haushalt des Reichsministeriums des Innern weiter beraten. Der Berichterstatter Abg. Dr. Schreiber (Sentr.) teilte mit, daß der Etat des Reichsministeriums des Innern mit einer bemerkenswerten Sparsamkeit aufgestellt sei. Die Personal⸗ politik des Ministers erfülle ihn mit einer gewissen Sorge. Sie gebe sich einseitig. Die vorzeitige Veröffentlichung von Referentenentwürfen sei recht bedauerlich. Nähere Mitteilungen über die Beamtenabteilung des Ministeriums seien erwünscht. Abg. von Kardorff (D. Vp.) fragte, wie es mit der Vorbereitung eines Reichswahlgesetzes stehe. Die bestehenden großen Kreise müßten verkleinert werden. Auch fragte der Redner, ob Vorbereitungen zu einer Reichstagswahlreform getroffen seien, oder ob es bei dem jetzigen Proportionalsystem sein
Ministerium sei auch im parlamentarischen System eine Not⸗ wendigkeit. Diesem Erfordernisse müsse Rechnung getragen werden. Abg. D. Mumm (D. Nat.) brachte die Aussprache im bayerischen Landtag zur Sprache, bei der der bayerische Minister des Innern Dr. Schweyer von neuerlichen Berliner Uebergriffen ge⸗ sprochen und erklärt habe, Vorkommnisse, wie die vom 22. Februar, seien nicht öfter erträglich; die bayerische Regierung habe einen ent⸗ schiedenen Protest an die zuständige Berliner Stelle gerichtet. Sind hierbei, fuhr der Redner fort, Reichsstellen beteiligt oder handelt es sich wieder um einen Uebergriff des preußischen Kommissars Weis⸗ schieden in seine Schranken gewiesen werden mußte? Werden für das preußische Kommissariat ; . gewährt? Der Redner erinnerte sodann daran, daß der Reichstag vor zwei Jahren heschlossen habe, von der Reichsregierung die Aus⸗ arbeitung eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Schund⸗ und Schmutzliteratur sowie eines Gesetzentwurfs zum Schutze der Jugend hei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gemäß Art. 118,2 der Reichsverfassung zu fordern, brachte die angeblich schroffe Entlassung von Staatssekretär Lewald zur Sprache und be⸗ eichnete die Beamtenpolitik des Ministers als sehr bedenklich. r . beklagte er, daß ständig Widerstreit zwischen Reichsrat
und Reichsregierung bei Vorlegung von Gesetzentwürfen zutage trete. Abg. Frau Pfülf (Soz.) bemerkte zur Personalyolitik, daß für be⸗ stimmte fachliche Fragen, wie Schulfragen, Sachverständige erforderlich seien. Diese Aufgaben könnten von Juristen nicht gelöst werden. Abg. Koch (Dem.) befürwortete die Verringerung der Zahl der Ministerien. Die große Zahl der Minister mit besonderen Ministerien führe zu Reibungen der Ressorts. Abg. Sch m idt-Stettin (D. Nat.) erklärte, daß man anscheinend im Ministerium mit der Spar⸗ samkeit zu weit gehe; denn die Pensionsabteilung sei mit ihren Arbeiten in sehr starkem Rückstande. Ferner fragte er an, was denn eigentlich die neue Beamtenabteilung im Ministerium zu tun habe. Das Ministerium sei doch in Beamtensachen feder⸗ führend. Aber er müsse dem Kollegen Abg. Koch zustimmen, daß die Ressorts gegeneinander arbeiteten und dadurch alle Sparsamkeits⸗ absichten, z. B, bei Unterbringung der Wartegeldempfänger usw., durchkreuzten. Aber auch der Reichstag sei schuld, der von ihm ge⸗ wählte Verbilligungsausschuß arbeite absolut nie. Abg. Maretz ki (D. Vp.) trat dafür ein, daß die alte Beamtenschaft sorgsam erhalten werde. Abg. Levi (Unabh. Soz.) vermißte die wünschenswerte Sparsamkeit im Haushalt des Ministeriums; insbesondere bemängelte er die einmalige Ausgabe für polizeiliche Zwecke in Höhe von 200 Millionen Mark. U
Der Reichsminister des Innern Dr. Köster dankte, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, dem Berichterstatter für die Anerkennung, daß die notwendigen Spar⸗ samkeitzrücksichten im Amte zur Durchführung kämen. Dies werde fünftig in verstärktem Maße geschehen. Der Minister suchte die ge⸗ äußerten Zweifel an den fachlichen Beweggründen seiner Personal. Politik durch den Hinweis darauf zu zerstreuen, ., nur drei Beamte einberufen worden seien, deren Qualifikation auf den betreffenden Gebieten erwiesen sei. Nach parteipolit:. scher Gesinnung sei niemals gefragt worden. Sinsichtlich der Angelegenheit des Staatssekretärs Lewald stellte, der Minister fest, daß die Aussprache jwischen ihm und dem Staats⸗ sekretär Lewald sich in durchaus berbindlichen Formen abgespielt habe, und daß der Entschluß, ohne ihn zu arbeiten, vor jeder Bekanntgabe dem Reichskanzler übermittelt worden sei. Der Minister verbreitete sich fodann über die vorzeitige Vexöffentlichung von Referenten⸗ entwürfen, die auch von ihm verurteilt werde. Sie sei häufig im Anschluß an vertrauliche Mitteilungen und Besprechungen mit Mitgliedern verschiedener Reichratsausschüsse und verschiedener Parteien geschehen, die. dazu dienen sollten, schon im ersten Stadium der Verhandlung eine grundsätzliche Einigung
egen die Einschnürung der Literatur sei deshalb erfolgt, weil der gien en . tätiges Mitglied des einberufenen Schutz⸗ verbandes der deutschen Schriftsteller⸗ sei. In dieser Versammlung seien wichtige Vorschläge gemacht worden wie ohne Einschnürung der Kunst den Gefahren von Schmutz und Schund zu begegnen sei. Er teile mit dem Berichterstatter die tiefe Sorge um diese Fragen. Die Gegensätze zwiscken Reichsrat und Reichsministerium hätten vielfach ihren Grund in der Einstellung zu finan⸗ ziellen Fragen; jum Teil, aher entständen diese Konflikte aus gewissen Strömungen im Veichsrat, die Weimarer Ver sasfsung rückwärts zu revidieren. Ven verschiedenen Rednern war die Frage einer Aenderung des jetzigen Wahlgesetzes aufgeworfen worden. Der Minister stellte daju fest, daß bei einer Besprechung der Reichsregierung mit den Parteien im letzten Sommer Einigkeit darüber hestanden habe, daß keine grundsätzliche Aenderung an dem Reichswahlrecht eintreten solle. Er erklärte sich aber t einer nenen
esprechung mit den Parteien gern bereit, Auf Anfrage hin ver⸗ ö kan e fen 1 eine Stelle im Reichsamt des Innern mit
den Vorwürfen, die im baherischen Landtag vorgebracht worden sind in Berührung gebracht werden könne. Dag Reich gebe dem. preußischen Staatskommissar für die öffentliche Ordnung keine Mittel. Der Staatssekretãär Schulz erklärte, daß die debattelose Abstimmenng des Reichstags über die vom Reichsrat ab⸗ gelehnte Position des zweiten Nachtragsetats (ehemalige militärische Bildungsanstalten betreffend) in erster Linie Sache des Reichstags gewesen sei. Die Mitteilung des Neichsministerums des Innern habe sich darauf beschränkt, den Praäͤsidenten des Reichstags zu bitten, die Abstimmung an einem Tage vorzunehmen, an dem voraussichtlich eine ausreichende Besetzung des Hauses zur Ermöglichung der not⸗ wendigen Zweidrittelmehrheit zu erwarten sei. Der Staats⸗ sekretar bemerkte ferner, daß die Möglichkeit einer gesetzlichen Be⸗ kämpfung von Schmutz und Schuns zurzeit im Reichsjustiz ministerium zur Stellungnahme vorliege. Außerdem geschehe diese Bekämpfung durch moralische und finanzielle Unterstützung von Volksbildungsberbänden, die diesen Zweck in Auge hätten. Abg. Dr. Pachnicke (Dem.) stellte fest, daß sowohl der Verbilligungsaus schuß des Reichstags wie die Vereinfachungskommission der Regterung die Tätigkeit eingestellt hat; um so mehr sei es notwendig, jetzt un⸗ mittelbar vom Hauptausschuß nur durch Streichungen einzugreifen. Den Schund und Schmutz bekämpfe man am besten, wenn man positive Arbeit leiste und gute Schriften ins Volk bringe, um die schlechten zu verdrängen. Ein Wahlgesetz sei dringend nötig, well die Möglichkeit zu Neuwahlen plötzlich auftreten könne, solange die große Koalition nicht gebildet sei, die politische Krisen verhindere. Abg. Dr. Schreiber (Zentr ) hielt die Bedenken gegen die Per⸗ sonalpolitik des Ministers durch dessen Ausführungen nicht für ent⸗ kräftet. Redner wies auf das Verbot des Schulbefuchs für den Bischof von Meißen hin. Das sei verfassungsrechtlich nicht haltbar, außenpolitisch und grenzgeographisch untragbar. Abg. Te icht (Bayer. Vp.) äußerte sich ebenfalls zu den Fragen der Personalpolitik und zur Verwendung eines Theologen als Ministerialrat. Er be⸗ mängelte u. a., daß preußische Beamte in Bayern tätig seien. Abg. Stücklen (Soz.) führte aus, daß die Beamten sich daran gewöhnen müßten, auch Anßenfeiter ins Ministerium berufen zu sehen. Es müßte dem Minister un⸗ benommen sein, nach eigenem Ermessen die Wahl der Mitarbeiter zu treffen, da er sonst nicht die Verantwortung tragen könne. Auch nur unter dieser Voraussetzung sei eine Personalreform möglich, die die gewünschten Ersparnisse erzielt. Abg. Koch (Dem.) unterstüßte diese Ausführungen. Hinsichtlich der Konflikte zwischen Reichsrat und Reichsministerium vertrat er die Ansicht, daß der Reichs⸗ minister schwerwiegende Bedenken nicht zugunsten des Reichs rats zurücktreten lassen dürfe, sondern solche Fragen eventuell vor dem Reichstag zum Austrag gebracht werden müßten. In der Frage der Lehrerbildung müsse bald Klarheit geschaffen werden. Abg, Frau Lüders (Dem.) wünschte u. a. schnelle gesetzgeberische Maß nahmen zur Bekämpfung des Alkoholgenusses. Rednerin unterstützte einen Antrag der Abg. Frau Pfülf (Soz ), in dem gefordert wird, daß für weibliche Beamte die Tatfache der unehelichen Mutterschaft als solche nicht Grund zur Entlaͤsffung oder Anstrengung eines
Bewenden haben solle. Ein ständiger Stab von Mitarbeitern im
Disziplinarverfahrens oder Hindernis der Beförderung sein duͤrfe.
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mann, der schon einmal von seinem Ministerpräsidenten ent⸗
außeretatsmäßige Reichsmittel
herbeizuführen. Die Teilnahme des Ministers an der Versammlung
Der finanzpolitische Ausschuß des Reichswirt schaftsrats trat gestern zu einem auf drei Tage berechneten Sitzungsabschnitt zufammen. Er beschäftigte sich gestern zunächst mit der Zwangsanleihe und wird heute über das Landessteuergesetz und am Sonnabend über die Vorbereitungen für die Konferenz in Genua beraten. Von der Reichsregierung waren in der gestrigen Sitzung der Staatssekretär Zapf vom Reichsfinanzministerium und der Staatssekretär Dr. Hirsch vom Reichswirtschaftsministerium anwesend. Die Verhandlungen über die Zwangsanleihe wurden eingeleitet durch ein Referat des Hauptschriftleiters und Mitglieds des preußischen Staatsrats Dr. Hilferding, der von der Neichs«
regierung zum Mitglied des Reichswirtschaftsrats ernannt ist und der Arbeitnehmerseite näher steht; darauf folgte ein Referat des Präsidenten der Berliner Handelskammer von Mendelssohn, der die Arbeitgeberseite vertrat. Der erste Berichterstatter Hilferding sührte zur Zwangsanleihe, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, etwa folgendes aus: Die Beurteilung der Zwangsanleihe muß davon ausgehen, ob ie geeignet ist, ihren Zweck, nämlich die Deckung des Defizits im Reparationsetat, das in der letzten Rede des Finanz⸗ ministers mit 183 Milliarden Papiermark beziffert worden ist, zu erreichen. Da die nach dem Steuerkompromiß beschlossene eine Goldmilliarde nach Ansicht des Finanzministeriums zum Tage dieses Beschlusses in Papiermark umzurechnen ist, würde sie nur etwa 50 Milliarden Papiermark bringen und also keine genügende Deckung sein. Die Folge wäre, daß die Geldentwertung fort⸗ schreitet, die sich dem Auslande als Valutadumping Deutsch⸗ lands darstellt und zu äußerst peinlichen Gegenmaßregeln führen kann, in der inneren Wirtschaft gleichzeitig soziale Unrast und volitische Unruhe hervorruft. Selbstverständlich würde auch der Haushaltsplan durch die fortgesetzte Geldentwertung vollig umgeworfen. Die Möglichkeit, die Zwangsanleihe bis zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu erhöhen, ist jedoch ihrem Charakter nach nicht gegeben. Es ist zu erwarten, daß die Anleihe nach der Aufnahme sehr schnell auf den Markt geworfen und daher mit einem niedrigen Kurs von etwa 20 vH des Nennwertes gehandelt werden wird. Das bedeutet mit anderen Worten, daß S0 vH ein bares Opfer des Besitzes und nur 20 vy eigentlich An⸗ leihe sind, was 40 Milliarden Besitzsteuer und 10 Milliarden Anleihe entspricht. Der Staat verzinst ber nicht 10, sondern 50 Mil= liarden, die Zwangsanleihe ist für ihn also eine außerordentlich teure Anleihe. Bei einem Eingehen auf Einzelbeiten ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Da 40 Milliarden Opfer des Be⸗ sitzes eine hohe Belastung darstellen und es zweifelhaft ist, ob über⸗ haupt die Möglichkeit besteht, sie herauszuziehen, muß der Ver⸗ anlagungsmaßstab, um den Grundsätzen einer Belastung nach der Leistungsfähigkeit gerecht zu werden, möglichst genau sein. Die be⸗ kannte Geschäftslage der Finanzämter ermöglicht eine genaue Ver⸗ anlagung erst zum 31. Dezember 1922, die Mitte 1923 beendet sein kann. Das Finanzministerium denkt sich Vorauszahlungen für 1922 nach Selbsteinschätzung zum J. Oktober. Bis dahin kann die Finan⸗ zierung nur durch Schatzwechsel und Noten erfolgen. Da der private Markt für Schatzwechsel sich dauernd verkleinert, kommt für die Aufnahme fast nur die Reichsbank in Frage, was also eine starke Erhöhung der Inflation zur Folge hätte. Schon die bis dahin ein⸗ tretende Geldentwertung würde den Haushalt sprengen und den Kredit des Reichs ruinieren. Wenn die Zwangsanleihe dann auf den Markt käme, würde sie den Kredit vollends untergaben, da sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu sehr niedrigem Kurs gehandelt werden und auch die anderen Reichsanleihen dadurch in Mitleidenschaft ziehen würde. Da dennoch der Kredit das einzige Mittel ist, um das Defizit auszugleichen und eine Stahilisierung der Währung zu erreichen, bleibt nur die Aufnahme einer frei= willigen Anleihe übrig, neben der die Zwangsanleihe völlig wegfiele. Wenn eine solche Anleihe Aussicht haben soll, auf dem Markte auf⸗ genemmen zu werden, muß sie von der fortschreitenden Geldentwertung unabhängig, also in Gold verzinsbar und rückzahlbar sein, ferner müßte sie mit besonderen Logmitteln ausgestattet werden. Die Auf⸗ nahme einer solchen freiwilligen Anleihe in Höhe von zwei Gold⸗ milliarden würde den Zweck, dem die Zwangkanleihe eigentlich dienen soll, erfüllen. Bei einer Verzinfung von o pc und einer Amorti· sation von vy wären für den Anleihedienst 120 Goldmilliarden jährlich erforderlich, die für 1922 nach einem vorläufigen Maßstab bon 1923 nach der Vermögenssteueryeranlagung aufzubringen wären. Wenn trotz der geschilderten Nachteile eine Zwangsanleihe
folgendermaßen zu beantworten: Als Stichtag für die Umrechnung der aufzubringenden Goldmilliarde kann nicht der Tag des kompromisses, .
naher Termin gewählt werden, da sonst das
die Vorauszahlungen nur ein vorläufiger
dey Einkommenstener mit einer Sondernnflage
aufgenommen werden soll, sind die wichtigsten Einzelfragen etwa
, m nen, ,,,, ondern ein der tatsächlichen Zahlung m . . 8. sons . allein die Last der Markentwertung trägt. Als K ⸗ .
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