1922 / 64 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Mar 1922 18:00:01 GMT) scan diff

. r b er die soziale Erziehung. nr ö Heere die Ie gr un , k ; . werden pollen. Die Geschlechtskrankheiten werden aber duch das Eheverbot nur gefördert. . Reichswehrminister Dr. Geßler: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich darf mich nach den sehr gusfhrlichen Beratungen, die wir gerade über diese Sache im Saunptausschuß gehabt haben, heute nur auf wenige Bemerkungen beschräuken. Da ist die wichtigste die, daß ich erklären kann, daß die Heeresverwaltung durchaus bereit ist, sich auf den Boden der Ausführungen des Herrn Kollegen Weiß zu stellen. Wir sehen den Unterricht im Heere nicht nur als eine Fürsorgeeinrichtung an, nicht nur als ein Mittel, um guten Ersatz zu bekommen, sondern wir wollen den Unterricht im Heere auch nach der Richtung ausbauen, daß er dem Mann inneren sittlichen und kulturellen Wert gibt, und es wird nun darauf ankommen, wie wir das durchführen können. Darüber soll ja nun im einzelnen noch in dem Kleinen Ausschuß das nötige festgestellt werden. Ich hoffe, es wird dann rasch zu praktischer Arbeit kommen. Denn der der— zeitige Zustand ist außerordentlich unbefriedigend. Ich darf dann gegenüber den Befürchtungen von Herrn Kollegen Dr. Moses ausführen, daß sicherlich gerade der gebildete Offizier sich vom militärischen Gesichtspunkt aus absolut auf diesen Standpunkt stellen muß. Der Widerstand ist bis jetzt ja vielfach nur gegen die bisherige Methode gewesen, und daß diese Methoden verfehlt gewesen sind, darauf haben wir uns ja im Ausschuß geeinigt. Ich darf aber auch gegenüber der Befürch⸗ tung des Herrn Kollegen Dr. Moses etwas anderes hervorheben. Ich würde mir nicht getrauen, ihm gegenüber das zu sagen, weil ich befürchten muß, er würde mir nicht glauben; aber wenn ich ihnt die Autorität nachher nenne, die ich dafür anführen kann, hoffe ich, daß er meine Ausführungen nicht so stark anzweifelt. Wir haben doch auch die Offiziersausbildung auf eine ganz andere Grundlage gestellt. Es wird ja heute noch vielfach in weiten Kreisen gar nicht gewürdigt, daß zunächst der Offizier zwei Jahre in der Mannschaft dienen muß, nicht, wie das bisher gewesen ist, nur relativ sehr kurze Zeit, wodurch er mit der Mannschaft vielfach nicht in den nötigen geistigen Kontakt gekommen ist, jo ndern darüber hinaus muß er zwei Jahre auf der Offiziers⸗ sahile bleiben. Ich gestehe offen, daß ich mich sehr intensiv be⸗ nöüiht und manchen Widerständen gegenüber durchgesetzt habe, um dahin zu wirken, daß an den Offiziersschulen jetzt auch Hoch schu Kehrer Unterricht geben. Ich habe mich bemüht, gerade die staatsHürgerliche Erziehung der Offiziere reicher auszugestalten, und mich dafür eingesetzt, daß für diese Schulen die besten und lertbollften Lehrer des öffentlichen Rechts gewonnen werden konnten. Wenn ich nun meinen Gewährsmann nennen darf, so hat gerade der Herr Schulrat Weiß, dessen Ausführungen Herr Dr. Moses ja sonst gerühmt hat, mir versichert, daß der Lehr⸗ plan für die Offiziere in seiner Verbindung von körperlicher und geistiger Durchbildung geradezu ideal sei. Ich hoffe, daß wir auch hier nach nicht allzu langer Zeit große Erfolge erzielen werden.

Ich bedauere an sich, daß wir durch die Bestimmung des Reichswehrgesetzes gezwungen gewesen sind, im allgemeinen das heiratsmögliche Alter auf R Jahre festzulegen. Ich bitte Sie aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, einmal zu be⸗ denken, wohin wir bei der derzeitigen Wohnungsnot kommen würden, wenn wir nun jetzt schon heruntergehen würden. Ich bin der Ueberzeugung, daß diese Frage immer wieder von Zeit zu Zeit geprüft werden kann. Solange wir aber nicht in der Lage sind, schon jetzt den verheirateten Reichswehrangehörigen vom siebenten Dienstjahre ab auch nur eine einigermaßen menschenwürdige Wohnung zur Verfügung zu stellen, solange die verheirateten Neichswehrangehörigen von ihren Frauen getrennt leben müssen, wobei die Frauen vielfach im elterlichen Haushalt über Land bleiben müssen, werden mir die Herren zugeben, daß dadurch die Gefahren, die Herr Dr. Moses mit Recht hervorgehoben hat, nicht beseitigt werden. Im Gegenteil, ich habe nach der Richtung schon sehr bedauerliche Erfahrungen machen müssen und erlebt, daß gerade der Umstand, daß Reichswehr und Marineangehörige von ihrer Familie lange getrennt gewesen sind, dazu geführt hat, daß auch Verheiratete schwere Geschlechts krankheiten bekommen haben. Das nur nebenbei bemerkt!

Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Herrn Kollegen Thomas bin ich mit dem allergrößten Inte resse gefolgt. Ich hoffe, es wird ihm und mir nicht schaden, wenn ich feststellen kann, daß mir außerordentlich viel von dem, was er gesagt hat, sehr gefallen hat. (Heiterkeit) Ich würde nur wünschen, daß auch er seine Lente in dem Geist gegen die Gewalt erzieht. (Abgeordneter Thomas: Das tue ich auch! Ja, Herr Kollege Thomas, ich sage nur: ich wünsche das. Daß Sie persönlich es min, davon bin ich überzeugt. Nehmen Sie es mir aber nicht übel: wenn ich gelegentlich Ihre Organe lese, tann ich nicht immer die Ueberzeugung gewinnen, daß, wenn die Worte auch Einen Sinn haben sollen, die Erziehung nach der Richtung hin erfolgt. Gerade das, was Sie von der Massensuggestion sagen, habe ich mir alles eingeschrieben und will darüber viel nach⸗ denken. Ich bitte aber auch Sie, allen Ihren Einfluß auf Ihre Kreise dahin geltend zu machen, daß auch dort durch Ihre Blätter icht fortgesetzt Gewalt gepredigt wird.

Wenn Sie dann, Herr Kollege Thomas, von den Aus— schreitungen der Fyeikorps gesprochen haben, die niemand mehr beklagt als ich, und gesagt haben, daß diese Ausschreitungen auf Massenfuggestion zurückzuführen sind, so bitte ich, es mir nicht zu verübeln, wenn ich andererseits bemerke, daß diese Massen⸗ suggestion bei den Freikorps dadurch herbeigeführt worden ist, daß gerade in Ihren Kreisen oder in Kreisen, die Ihnen wahr⸗ scheinlich innerlich nicht mahestehen das will ich zugeben —, aber sich äußerlich an Ihre Rockschöße hängen, tatsächlich bestin⸗ lische Taten verübt worden sind. (Abgeordneter Thomas: Sehr richtig) Ich glaube, Herr Kollege Thomas, wenn wir uns eine Zeitlang unterhalten, kommen wir uns relativ nähen (Große Heiterkeit) Wir Süddeutschen sind nicht so weit auseinander; wwischen uns sind nicht so hohe Schranken. Ich glaube, wir

können verständig miteinander reden; das Gefühl habe ich. Wenn ich aber daran denke, was bei der beispierslosen Niedermetzelung der ganz wehrlosen Schutzpolizeibeamten seinerzeit in Essen ge⸗ . ist, und an andere Dinge, so haben wir, glaube ich, beide

Auch wir

,. gesehen. Es fehlte den Soldaten

Einfluß daran zu setzen, daß die Erziehung der Soldaten anch nach der menschlichen Seite durchaus eine höhere Entwicklung mit sich bringt, und wenn Sie (zu den Kommunisten) in Ihren Kreisen Ihren Einfluß geltend machen könnten, so habe ich das Gefühl, daß wir vielleicht Deutschland viel Not und Elend er⸗ sparen könnten.

Die Bekämpfung des Alkoholismus ist mir eine besondere Sorge. Es ist ein deutsches Nationallaster, das zwar gelegentlich schön ist (Heiterkeit und Zurufe), aber auch zu den übelsten Aus⸗ schreitungen führen kann. (Abgeordneter Thomas: Ihnen als Bayer ist das zu verzeihen) Ich bin ziemlicher Antialkoho⸗ liker, Sie sehen auch, ich habe nichts zuzusetzen. (Heiterkeit und Zuruf links.) Jedenfalls bedeuten solche Fälle wie der in Rathenow für uns einen ungeheuren Rückschlag in der ganzen Arbeit, und glauben Sie mir, die Sache ist niemand schmerzlicher gewesen als mir. Ich hoffe aber auch da, daß wir vorwärts kommen. . Der Sport hat nach der Richtung einen überaus erzieherischen Einfluß nicht allein wegen der Kraftanstrengung, sondern weil er ein ganz hervorragendes Element der Willensbildung ist, weil er den Willen zum Meister über den Körper macht.

Dann habe ich ja schon darauf aufmerksam gemacht, daß ich mich bemühe, gerade die Soldatenheime nach der Richtung aus⸗ zubauen, daß sich die Soldaten in diesen Heimen auch aufhalten können, ohne Alkohol zu sich zu nehmen. Deshalb bin ich ein bißchen in Kampf mit den Kantinenpächtern geraten. Aber auch das wird sich hoffentlich ausgleichen, und ich habe das Empfinden, meine Herren, daß gerade dieses Gebiet der kulturellen Aus⸗ bildung der Reichswehr ein Gebiet ist, wo wir einmal über alle Parteien hinweg uns zu einem großen Ziele vereinigen und damit auch einen Baustein für den Wiederaufbau unseres Vater— landes schaffen könnten.

Ich bitte Sie deshalb, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß wir nach den Richtlinien, die hier angegeben worden sind, weiter arbeiten und daß wir eine soziale Tat verrichten, indem wir einmal in das formale Berechtigungsmonopol einen Einbruch machen und damit für die Schulen in der Reichswehr eine Bahn schaffen, die, wenn auch nicht gleichartig, wenn die Soldaten auch nicht Pindar lesen können, aber gleichwertig ist, weil sie die Soldaten zu tüchtigen, zuverlässigen Menschen und Staats⸗ bürgern macht. (Bravo!) ;

Die Resolution des Ausschusses wird angenommen, worin die Regierung ersucht wird, die Einsetzung eines parlamen— tarischen Beirats für Erziehungs- und Bildungswesen beim Reichswehrministerium zu erwägen.

Damit ist der Etat für das Landheer erledigt. Darauf folgt der Marineetat.

ͤ . Hünlich (Soz); Die Behauptung, daß in der Marine ein ver assungswidriger Geist herrsche, ist im allgemeinen nicht zu⸗ ent, Es bestehen gleichwohl gewisse Bedenken, aber ich will die se zurückstellen angesichts der Auskunft, die wir im Ausschuß durch den Minister erhalten haben. Hofsentlich werden solche Skandale wie auf. Borkum nicht mehr vorkommen. Im Wieder⸗ holungs alle wird hoffentlich der Minister solchen Elementen zum KLehraus aufspielen. Versuchen zu einer Aufwiegelung gegen die Verfassung muß mit aller Energie entgegengetreten werden. Wenn unsere neue Marine im Volt moralische Eroberungen machen und Vertrauen erwecken will, so müssen unbedingt alle Handlungen unterbleiben, die antirepublikanisch und verfassungswidrig wirken. Die Werften müssen wirtschaftlicher arbeiten. Schon im vorigen Jahre ist betont worden, daß sie von der kameralistischen Buch⸗ führung zur kaufmännischen übergehen müssen. Leider ist im goßen und ganzen noch alles beim alten geblieben. Auch bei der Marine sollte die Militärgerichts barkeit gänzlich abgeschafft werden. Im. Heere hat die Uebertragung der Militärgerichtsbarkeit an die , ö ö Beanstandungen Anlaß gegeben und in nem Falle den Sturm entfesse ie di tei frũ . fesselt wie die Urteile der früheren r Hierauf nimmt der Reichswehrminister Dr. Geßler das Wort, dessen Ausführungen wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wort⸗ laut wiedergegeben werden können.

Abg. Kuhnt (u. Soz): Der Abg. v. Brünin us on den „schönen und herrlichen Siu gabe unserer ö zelne 30h weiß nicht, worin diese Aufgaben bestehen sollen. Etwa darin . die deutsche Flagge, und zwar die Kriegsflagge, zu zeigen? . können wir viel leichter und bequemer durch unsere Handels⸗ . haben. Es hat keinen Zweck, durch die Kriegsflagge eine acht. demonstrieren zu wollen, wenn man tatsächlich keine hat. Als se nerzeit bei der Einweihung des Nordostseekanals ein tür kisches Kriegs schiff nach Kiel kam, da . die deutsche Marine von diesem Kriegsschiff überhaupt keine Notiz genommen, Spo wird 9 . In? jetzt draußen mit unserer Kriegsflagge ergehen. Ich bin der Auffassung, daß unsere Reichsmarine h überhaupt völlig überlebt hat. Sie hat überhaupt keine Aufgaben mehr zu lösen und jeder Groschen, den wir für sie opfern, könnte für besferẽ Zwecke Verwendung finden. Zum Küstenschutz brauchen wir sie 3. denn unsere Küsten verteidigen sich, wie wir schon vor dem kriege von Marinegutoritäten hören konnten, selbst. Im übrigen haben wir die kleinste Marine der Welt, die U⸗Boot⸗Waffe ist uns . und bezüglich der . sind uns weitgehende Deschränkungen auferlegt; also unsere Marine ist nicht imstande , kriegerischen Maßnahmen auszuführen. Und es ist ja 6 . wir nicht in lriegerische Unternehmungen verwickelt . nnen. Unsere Marine kann aber kulturelle Aufgaben erfüllen, wie Seevermessung, Wetterdienst, wissenschaftliche Meeres r eng, Hilfeleistung bei Unfällen, bei Eisgefahr usw., aber 6 iese Aufgaben brauchen wir keine i5 909 Marinemanns aften ö sh Mann. Der Minister erblickt auch in den Marine 9 6 . er af. Instrument der Republik, aber Herr von Schoch . ö. Peeinung, daß nämlich die Offiziere in ihrem Innersten ö en seien. Die monarchistischen Offiziere haben schon bei . 3 in, vollkommen versagt. Marinebeamte haben wie . len gehaust und gestohlen. Die Marineleute sind „schlag⸗ 3 ö es gegen die Arbeiter geht. Man soll un mit solchen . . wie hom Schutz der Republik, nicht belästigen. Die . un f g hei der Herren Offiziere ist ja bekann. Heute . . Kap und morgen stellen sie sich auf den Boden der 6 ö. 9 atsa en,. Ie mne aus meinen Erfahrungen in Ost⸗ een verde g, (Gelächter rechts, Das glauben wir! Fin ö fe 3. bon wülow, Kapitän zur See, woll te durchaus bei mir 5 in Sstfriesland im Amte wat, mein Sekrntär werden. E wenige. monarchistische Sffizie re haben der volutton freiwillig aus Ueberzeugui Ein mynarchistisch gesinntes 9 Republik und bie D Auswüchse dur laggenliedes *.

In dielen Fällen

i werden ß gemessen; ei se gespielt werde, Marineetat keine

gerichtet. In dem Buche sind nur subiektive Vorurteile enthalten Die Behauptung Noskes, meine einzige Tunktin als Minsste präsident von Oldenburg habe in der pünktlichen Abhebung meintz Hehaltes bestanden, ist eine gewissenlose Verleugnung der Wah, heit. Als Ministerpräsident habe ich überhaupt Gehalt nicht he zogen. (Zwischenruf rechts) Ohne mein Wissen haben dann einige Mitglieder des damaligen Direktoriums in Oldenburg ein. Aufwandsentschädigung für mich beantragt (erneute ng e unn rechts, Gegenrufe auf der äußersten Linken, Unruhe, Glocke des PBräsidenten). Es sind mir dann 1209 Mark monatlich Aufwand. entschädigung bewilligt worden, die ich aber niemals erhoben hab Das Geld ist dann, wie ich später erfuhr, einer Bank in Wilhelms haven überwiesen worden. Von diesem Gelde hat der ehemalige Großherzog von Oldenburg Bo0 Marl pfänden lassen, was darauf zurückzuführen ist, daß ich einer englischen Militärkommission au deren Verlangen mehrere Autos zur Verfügun stellte, darunter auch ein Auto des früheren Großherzogs von AUldenburg. Vir lehnen die Bewilligung der Mittel auch für die Marine ab.

Abg. Brüninghaus (D. Vp.) Es ist ja ein bekanntes Sprichwort: Wer sich entschuldigt, klagt sich an. Der Varredner hat gegen Dinge polemisiert, die gar nicht hier vorgebracht sind, sondern in einem Buch von Noske. Darin heißt es: Herr Kuhnt hätte sein Gehalt in die Tasche gesteckt, ohne etwas dafür zu tun. Ich lasse mich nun auf we tere gar nicht ein, denn es steht fest, daß Herr Kuhnt eine ,,,, von 1209 M monassich bezogen hat. (Große Unruhe auf der äußersten Linken, Zurufe auf der ö. es entsteht ein großer Tumult, Abg. Düsche ruft. Spitzbube! worauf Abg. Kuhnt erwidert: notorischer Säuferi Beide Abgeordneten werden durch den Präsidenten Loebe zur Ord— nung gerufen.) Herr Noske kennt ja Herrn Kuhnt ganz genau, er nennt seinen früheren Parteigenossen einen P rasendrescher übelster Art, der, so oft er im Laufe des Krieges nach Chemnitz kam, stetz aufgeschnitten habe. In Wahrheit habe er nur vier Jahre lang untergeordneten Dienst getan. (Große Heiterkeit.)

Abg. Kuhnt (U. Soz.): Es kann jemals nur ehren, bon einem Noske beschimpft zu werden. ; ; 3.

Abg. Dr. Mo se s (U. Soz.): Ich habe im vorigen Jahre be⸗ mängelt, daß auf 15 009 Marineleute 91 Aerzte kämen. Die Wir⸗ kung meiner Rede war, daß es jetzt 94 sind. Das scheint mir doch ein bißchen sehr reichlich. .

Der Marineetat wird erledigt, worauf sich das Haus vertagt. ö ; Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr: Rest des Gesetz entwurfs über das Branntweinmonopol; Mantelgesetz zu den Steuervorlagen.

Schluß 634 Uhr.

Preußischer Landtag. 115. Sitzung vom 14. März 1922. Nachtrag. Die Rede, die bei der Fortsetzung der Beratung über den

der Minister für Handel und Gewerbe Siering gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die aus dem hohen Hause an mich gerichteten Fragen näher eingehe, gestatten Sie mir einige Ausführungen über unsere allgemeine Wirtschafts lage. Ich glaube mit den Damen und Herren dieses hohen Hauses darüber völlig einig zu sein, daß wir eine spezifische preußische Wirtschaftsfrage überhaupt nicht haben. Alle Redner, die aus dem Hause bisher gesprochen haben ich glaube, das auch für die folgenden Redner vorwegnehmen zu können —, sind sich darüber einig, daß wir eine deutsche Wirtfchaft haben, und daß die Vorgänge, die zur Gründung des Deutschen Reiches geführt haben, im wesentlichen die waren, die einheitlichen wirtschaftlichen Grundsätze unseres Staatswesens sicherzustellen. Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen nicht vergessen, dat wir nach dem unendlich langen Kriege, der unse pe ganze Wirtschaft auf eine bestimmte Aufgabe eingestellt hat, nunmehr selbstverständ⸗ lich nicht so frei unsere Wirtschaft entfalten und darüber verfügen können, wie es von den einzelnen Damen und Herren dieses Hauses verlangt und gewünscht wird. Wir müssen immer wieder daran denken leider müssen wir das tun; ich würde mich freuen, wenn ich etwas anderes sagen könnte daß unsere wirtschaft⸗ lichen Belange nicht von Deutschland be st im mt werden, sondern von Vorgängen, die auf Grund des Friedensvertrages festgelegt sin d. Das mag für viele bedauerlich sein, und es mag manche dahin drängen, mit Gewalt aus diesen Fesseln herauszukommen, aber wer an verant— wortlicher Stelle steht, kann an diesen Vorgängen einfach nicht vor= übergehen. So unangenehm, so traurig, so störend es für unsere Wirtschaft ist, wir müssen uns zunächst einmal auf diesen Boden stellen, daß unsere wirtschaftlichen Verhältnisse nicht von uns allein diktiert werden können, so wie wir sie wünschen, wie wir in früheren Friedens jahren unsere Wirtschaft eingestellt haben, die allerdings auch früher immer mehr in gewisse Abhängigkeit vom Weltmarkt geraten war. Wir können heute mit unserer Produktion nicht so schalten und walten, wie wir wollen. Wenn wir das könnten, würden wir unsere Kohlenproduktion in erster Linie dazu benutzen, unser Siedlungswesen durch Bau von Häusern aufzu⸗ bauen. Der Weg, der hier vielleicht ganz langsam wieder zu einer Gesundung führt, mag langwierig und dornenvoll sein; aber er wird nur geführt werden können über die einzelnen Etappen Cannes, Genua und die Verhandlungen, die vorher liegen und die noch dahinter kommen. Ich glaube nicht, daß Genug uns alles das bringen wird, was viele bei uns davon erhoffen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Genug ist auch nur eine Etappe, die uns viel zu wenig bringen wird. Wir wünschten, daß die Er⸗ lenntnis bei den Staatsmännern der Entente und anderen Staaten schon vielmehr in dem Sinne liegen würde, in einer versöhnlichen Zufammenarbeit die Wunden der Welt zu heilen, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Wir können unseren früheren Gegnern diese Erkenntnis nicht mit Gewalt in das Hirn hinein⸗ briugen. Wir müssen sie auf dem langsamen Wege unseres Ein⸗ flußgewinnens darauf aufmerksam machen. Wenn wir allein seit den Tagen des Friedensschlusses zurückblicken, so werden wir offen bekennen müssen, daß eine gewaltige Wandlung außerhalb der Grenzen Deutschlands eingetreten ist, daß man immer mehr er⸗ kannt hat, mit dem, was man erhofft hat, wird man zu einer Ge⸗ sundung niemals kommen, sondern die Gesundung ist nur dadurch möglich, daß sich die Vertreter der Völker zusammensetzen und er⸗ kennen, daß nur vernünftige Abmachungen Ersatz verblrgen, nicht aber, daß man uns etwas abfordert, was wir nicht leisten können,

it 36 Referente der Abgeordnete Brüninghaus, ö oskes Von Kiel bis . entgegenzuhalten.

ä gweinames eber Ich wil mich bemühSn' migen nnn

Buches ist von der utschen und inter-

weil wir nach ihrer Ansicht schuld am Kriege oder gar allein

(Fortsetzmg in der Zweiten Beilage)

chaft, auch von seinen eigenen Parteigenossen,

Haushalt des Ministerium für Handel und Gewerbe

Zweite Beilage zum Deut s chen NMeichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Donnerstag, den 145. März

1922

Nr. 6a.

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage)

Id am Kriege sein sollen damit leine Mißhelligkeit entsteht, ich teile nicht diese Auffassung; ich betone, daß jene dieser Auf— fassung sind, leider auch heute noch Entscheidend ist, daß unser ganzes politisches Leben von unferer wirtschaftlichen Gestaltung be— stimmt wird. Wir leben in einem kavitalistischen Zeitalter, und auch die Herren Kommunisten sind sich darüber klar, wenn sie auch etwas anderes erstreben. Das bedingt, daß nicht ein einzelnes Land sein Wirtschaftsgebiet mit einer chinesischen Mauer umgeben kann, sondern daß wir eine Weltwirtschaft betreiben, an der alle Völler, auch Rußland, teilhaben. Nach der Richtung, das kann ich erfreulicherweise sagen, wird auch von uns gearbeitet, um mit Rußland in ein erträglich gutes Wirtschaftsverhältnis zu kommen, trotzzem wir wissen, daß wir nach der Richtung Opfer bringen müssen. Auch unfere Industrie hat erkannt, daß sie auf dem Wege der Wiederanbahnung von Handels, und Wirtschaftsbeziehnngen mit Rußland große Opfer bringen muß, um die Grundlagen zu schaffen, die durch die Vorgänge dort ich will niemand eine Schuld beimessen vernichtet worden sind. Soviel über die grundsätzliche Seite der Frage.

Allgemein haben wir gegenwärtig auf unserem Wirtschafts⸗ markt starke Beunruhigung. Wir stehen im Zeichen dauernder und unablässiger Steigerung der Warenpreise. Die frühere 20⸗ bis 30 fache Steigerung zum Vorkriegswert ist längst überholt. Das ist nur noch ganz selten der Fall; wenn z. B. die Berliner Straßen⸗ bahn jetzt ihren Tarif auf 3 M erhöhen will, so ist das ja nur eine dreißigfache ich sage ausdrücklich: nur eine dreißigfache Erhöhung des Satzes der Vorkriegszeit. Wir sind jetzt in einer Periode der vierzig bis sechzigfachen, ja der hundertfachen Steigerungen und darüber. (Zuruf links: Nicht der Löhne!! Ich werde mir er⸗ lauben, darauf noch zurückzukommen. Aber auch die Steige⸗ rungen mit einer gewissen Atempause sind jetzt vorüber; wir hatten bisher beobachten können, daß die Steigerungen ein gewisses Niveau erreichten und dann wieder eine Pause eintrat, in der die Preise eine gewisse Kontinuität zeigten, so daß man sich darauf im Wirtschaftsleben einstellen konnte. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, wir haben jetzt eine Systemlosigkeit in den Steigerungen vor uns, wir haben täglich, ja stündlich Steigerungen zu verzeichnen. Daß dadurch die Entwicklung unserer Wirtschaft in keiner Weise mehr übersichtlich ist, daß davon ständig neue Störungen unseres Wirtschaftslebens zu befürchten sind, das ist uns selbstverständlich ellen klar. Aber ich will auf diese Einzelfragen nicht weiter ein⸗ gehen, das würde zu weit führen. Nur auf einige Steigerungen der Warenpreise will ich eingehen.

Am 1. Februar haben wir eine Erhöhung der Eisen⸗ bahngütertarife bekommen, die in unset Wirtschaftsleben sehr stark einschneidet. Diese Erhöhung hat gerade pier Wochen gedauert am 1. März ist eine weitere Erhöhung eingetreten. Gurufe rechts. Meine Damen und Herren, dann wissen Sie mehr als ich; mir ist im Augenblick nichts davon bekannt, daß beabsichtigt ist, am 1. April eine weitere Steigerung eintreten zu lassen. Bei den Verhandlungen darüber habe ich keinen Zweifel gelassen, daß man eine Gesundung der so notwendig zur Ge⸗ sundung drängenden Verhältnisse unserer Reichseisenbahn nicht allein darin sehen könne, daß man automatisch die Tarife erhöht, sondern daß man auch auf ganz anderem Wege eine Gesundung erzielen kann. Trotzdem muß anerkannt werden, daß auch die am 1. März eingetretene Steigerung der Tarife in keiner Weise dem gesunkenen Geldwert entspricht. Aber im allgemeinen strebt man leider in der Industrie und im Gewerbe in sehr starkem Ausmaße danach, unsere Warenpreise dem Weltmarktpreis anzunähern.

Dieses Bestreben hat jetzt ganz besonders bei dem Brot der Industrie, bei der Kohle, eine Rolle gespielt. Wir haben warnend darauf aufmerksam gemacht, und wir waren uns darin mit der ganzen Industrie völlig einig, daß in dieser exorbitant hohen Steigerung der Kohlenpreise eine große Gefahr liegt, weil sie unzweifelhaft dazu führen muß, daß wir in absehbarer Zeit mit starken wirtschaftlichen Erschütterungen zu rechnen haben. Man kann diese Erhöhung der Kohlenpreise auch nicht damit begründen, daß wir die Kohlen, die wir an die Entente abliefern, zum Inlandpreise liefern müssen, also die Reparationskohle besser bezahlt bekommen, wenn wir den Inlandpreis so erhöhen, daß er dem Weltmarktpreis gleichkommt. Vergessen wir doch nicht, daß

die Reparationskohle nur einen kleinen Teil unserer gesamten Förderung ausmacht, und daß wir von den ungefähr 18 Millionen Tonnen, die wir monatlich abliefern, nur 1,5 Millionen zum Inlandpreis bezahlt bekommen, während der Rest von ungefähr 300 000 Tonnen überhanpt zum Weltmarktpreise abgegeben wird, weil sie auf dem Wasserwege befördert werden. Wegen dieser 15 Millionen Tonnen muß der gesamten Industrie das not⸗ wendige Brot verteuert werden, mässen die Kohlenpreise so ge⸗ waltig heraufgesetzt werden! Bei der Ruhrfettförderkohle hat es die letzte Erhöhung um 106 Mark pro Tonne ohne Steuer dahin gebracht, daß der Preis gegenwärtig 600 Mark für die Tonne beträgt gegenüber einem Friedenssatz von 12 Mark; das ist ein

Zustand, der natürlich unser Wirtschaftsleben sehr stark beeinflußt.

Aber die Kohlenverteuerung bedeutet natürlich in unserem Wirt⸗

schaftsleben auch eine neue Erhöhung aller Warenpreise, sogar

auch solcher, die von der Kohle gar nicht abhängen. Sie werden ebenfalls damit begründet: weil eben dies und jenes teurer ist, muß auch selbswerständlich bei anderen Waren eine Verteuerung eintreten.

Ich mache noch auf einen wichtigen Rohstoff aufmerksam: auf das Eisen. Hämatiteisen wurde vor dem Kriege mit S160 Markt für die Tonne bezahlt, im Juli 1921 mit 1810 Mark; jetzt, seit dem 1. März, wo eine weitere Erhöhung von 765 Mark ein⸗ getreten ist, hat sich der Preis für diese Sorte Eisen auf 44 Mark erhöht. (Hört, hört! links) Dutzende von solchen Beispielen

stellung keine Kohlen gebrauchen, wo auch Arbeitskräfte nicht in

großem Umfange eingesetzt werden, sehen wir auch eine überaus

starke Verteuerung. Ich erinnere nur an Schrott. Wir haben

auf dem Schrottmarkt gegenwärtig wieder eine geradezu exorbitante

Steigerung beobachten können. Der Schrottpreis betrug vor dem

Kriege 45 bis 48 Mark, am 13. Januar dieses Jahres betrug er

2000 Mark pro Tonne, am 4. März 3450 Mark. An diesen Er⸗

scheinungen kann man nicht vorübergehen. Man muß darauf

aufmerksam machen, daß die freie Wirtschaft unsere ganze Volks⸗

wirtschaft auch sehr bedenklich schädigen kann. Ich bin kein

Feind der freien Wirtschaft; ich will nur darauf aufmerksam

machen, zu welchen Auswüchsen wir nach der Richtung hin kommen.

Damit will ich durchaus nicht sagen, daß ich wünsche, daß die bescheidenen Ansätze der Zwangswirtschaft, die wir noch haben, die wir besonders beim Umlagegetreide haben, etwa aufgehoben werden sollen. Im Gegenteil, ich habe mit Nachdruck darauf hingewirkt, und bin auch im Staatsministerium dafür eingetreten, daß es mindestens bei dieser Umlage bleiben muß; sonst können wir die Ernährung der werktätigen Bevölkerung nicht sicherstellen. Ich bin stolz darauf, dafür eingetreten zu sein. Denn nach den Er⸗ fahrungen, die wir auf dem Kartoffelmarkt gemacht haben, sollten wir doch sehr vorsichtigz sein. (Sehr richtig! links) Wenn heute in einem Artikel unseres sehr verehrten Kollegen Schlange⸗ Schöningen darauf aufmerksam gemacht wird, daß für die Katoffeln andere Preise eingesetzt werden müßten, daß man da mit 80 oder 85 Mark nicht mehr auskommen kann im Ruhr⸗ gebiet würde man gern 100 Mark mehr zahlen, wenn man über⸗ haupt Kartoffeln bekäme. (Zuruf rechts: Stellen Sie die Wagen!) Das liegt nicht nur an der Eisenbahn. Herr Menzel, meinen Sie, daß die Kartoffeln, die wir während des Streils mit 300 Mark pro Zentner bezahlen mußten, dadurch so sehr verteuert wurden, daß man sie mit Automobilen herbefördern mußte? Es mag ver⸗ einzelt vorgekommen sein, und dann erkenne ich es auch an. Aber man soll diese Einzelerscheinungen dann nicht zum Maßstab für allgemeine Richtlinien machen.

Lassen Sie mich auf einige andere Umstände aufmerksam machen, die besonders die Arbeiterschaft und die werktätige Bevölkerung stark interessieren. Die Bekleidungsgegenstände sind allein in den letzten Wochen außerordentlich gestiegen. Daß man heute einen Anzug nicht unter 3000 bis 4000 4A bekommt, während man ihn im November noch für 2000 M bekommen konnte, Stiefel nicht unter J50 A, im Nobember noch zu 300 M, ist Ihnen allen genau so bekannt wie mir selbst. Ich habe schon auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die wir besonders auf dem Ernährungsmarkt haben. Wenn wir diese Wirkungen beobachten, dann müssen wir allerdings sagen, daß unsere

Nicht zu bestreiten ist auch das, was Herr Kollege Lübemann ausgeführt hat, daß unsere Industrie und auch Teile unseres Handels bei der jetzigen Konjunktur dralle und rote Wangen be⸗ kämen. Darüber sollten wir uns klar sein. Sie brauchen nur die Bilanzen der Altiengesellschaften anzusehen. Ich nehme an, daß Sie den Handelsteil der Zeitungen genau so verfolgen, wie ich ihn gern verfolge. Aber das ist ganz erklärlich, weil die Grundsätze für den Abschluß von Arbeitsleistungen nicht nur in dem Eiien⸗ wirtschaftsbund so gestellt sind, daß bei künftigen Abschlüssen der zur Zeit der Lieferung geltende Preis zugrunde gelegt wird. (Zu= ruf links: Das bestreiten Sie!! Das ist öffentliches Geheimnis; das kann niemand bestreiten. Unsere Industrie stellt sich heute überhaupt nicht mehr mit ihren Arbeiten auf bestimmte Verträge ein, das kann sie auch gar nicht, das kann ganz ruhig und offen zugegeben werden. Wenn das nicht der Fall wäre, dann würde es nur trügerisch für die Beachtung unserer wirtschaftlichen Be⸗ lange sein. Diese Lieferungsbedingungen mit Abschlüssen zu den dann geltenden Tagespreisen lassen unter allen Umständen daran denken, daß die Rohstoffe für die Fertigfabrikate zu einem ganz anderen Preise eingekauft worden sind. Zwischen diesen billigeren Rohstoffen, mit denen man sich eingedeckt hat, und dem Verkauf zu Tagespreisen besteht ein erheblicher Unterschied. Ich mache das der Industrie nicht zum Vorwurf, ich mache nur darauf auf⸗ merksam, wie außerordentlich sich das auf Seite der werktätigen Bevölkerung nachher auswirkt. Allein schon im Handwerk haben wir eine viel schwierigere Lage. Das Handwerk, das von der Hand in den Mund lebt, ist gar nicht imstande, sich große Reserve⸗ lager von Rohstoffen hinzulegen; dazu fehlt dem Handwerk das Geld. Deshalb haben wir eine völlig prekäre Lage des Hand⸗ werks, und diese völlig prekäre Lage ist in noch viel stärkerem, mindestens aber in gleichem Maße bei Arbeitern, Angestellten und Beamten vorhanden. Erst wenn sich aus einer zurückliegenden Epoche die Notwendigkeit ergibt, ist man bereit, wieder höhere Löhne zu geben zu einer Zeit, wo ganz andere Anforderungen en die werktätige Bevölkerung gestellt werden.

Herr Kollege Leidig hat sehr dankenswerte Worte für die Berliner Indu trie gebraucht. Ich bin ihm dafür dank⸗ bar; ich weiß, daß unsere Berliner Industrie durch die Leistungen ihrer Qualitätsarbeit sich außerordentlich große Anerkennung er⸗ worben hat, und daß sie nur deshalb in all den Jahren sich so glänzend entwickeln konnte, obwohl sie damals mit viel höheren Löhnen zu rechnen hatte, weil sie eben Qualitätsarbeit geleistet hat. Aber das müssen wir auch offen zugeben, daß diese Quali⸗ tätsarbeit der Berliner Industrie, ganz besonders der Berliner Metallindustrie, die mir persönlich sehr gut bekannt ist, in gar keinem Verhältnis zu der Entlohnung steht, die gegenwärtig den Arbeitern gewährt wird. Die Löhne der Berliner Metallarbeiter

Wirtschaft sehr bedroht ist. Wir haben gegenwärtig nicht dar⸗ unter zu leiden, daß unsere Industrie ihre Hochöfen ausblasen

stehen gegenwärtig an fünfzehnter Stelle, während sie früher au erster Stelle standen. Ich sage nicht, daß dieser Widersinn von den

muß, daß Spindeln stillgelegt werden müssen, weil keine Be⸗ schäftigung dafür da ist. Im Gegenteil, unsere Industrie ist fast durchweg gut beschäftigt. Es wird auch im Inlande stark gekauft. Wenn wir uns die Vorgänge ansehen, die sich jetzt auf den Messen zugetragen haben, so mögen sie für unsere deutsche Wirtschaft erfreulich sein, und ich selbst habe mich dar⸗ über gefreut. Die Königsberger Messe hat dazu geführt, daß sich ein regelrechter Marktverkehr zwischen den östlichen Randstaaten entwickelt hat, und das kommt ja unserer abge⸗ schnittenen Provinz Osipreußen sehr zu statten. Man kann geradezu von einem glänzenden wirtschaftlichen Erfolge der Königsberger Messe sprechen, trotzdem ganz besonders die Land⸗ wirtschaft bedauert, daß in Königsberg keine landwirtschaftlichen Geräte ausgestellt worden sind, weil diese Erzeugnisse besonders von den Randstaaten stark begehrt waren.

In noch höherem Maße hat die Leipziger Messe darauf aufmerksam gemacht, daß die deutschen Produkte nicht nur von Ausländern, sondern auch von Inländern stark begehrt werden. Auf der Leipziger Messe waren Textilfabrikate bereits am ersten Tage völlig ausverkauft. Im allgemeinen hat die Leipziger Messe einen außergewöhnlichen Erfolg gehabt. Sie ist bei aller Anerkennung unserer anderen Messen, die wir in Preußen haben, eine deutsche Messe, eine deutsche Angelegenheit. Darüber sind wir uns sicherlich alle klar. Die Leipzigr Messe hat sicherlich der deutschen Industrie, die an ihr sehr stark be⸗ teiligt war, außerordentlich große Aufträge gebracht.

Wenn ich gesagt habe, daß auf den Messen nicht nur von Ausländern, sondern auch von Inländern viel gekauft worden ist, so ist das für mich ganz erklärlich. Man fürchtet eine weitere Entwertung unserer deutschen Mark und hat deshalb in ganz hervorragendem Maße Papiergeld in Sachwerte umgesetzt, eine Erscheinung, die auch mit der zukünftigen Steuerbelastung zu⸗ sammenhängen mag. Daher kommt es, daß unsere Wirtschaft eine so starke Entwicklung aufweist.

Eine weitere Entwertung der Mark ist sicher zu erwarten. Herr Dr. Schwering hat schon darauf hingewiesen. Wenn man daran denkt, wie in dem einen letzten Jahre die Geld⸗ entwertung in Deutschland fortgeschritten ist, wenn man daran denkt, daß im März vorigen Jahres der Dollar noch auf 62,5 stand und wir heute genau 20 Papiermark mehr aufwenden müffen, so zeigt das schon, in welche katastrophale Lage wir ge⸗ kommen sind. Ich gebe Herrn Kollegen Dr. Leidig, dem hervor⸗ ragenden Kenner unseres Wirtschaftslebens das erkenne ich ohne weiteres an chört, hört! rechts), gern zu, daß unsere jetzige Konjunktur eine Scheinkonjunktur, nicht eine wirklich gute Kon⸗ junktur ist. (Sehr richtig! rechts) Es ist keine gesunde Wirt schaft. Die Füße, auf denen sie steht, drohen jeden Tag schadhaft zu werden, so daß das Wirtschaftsgebäude dann zusammenfallen würde. Aber wir haben eben das Spiel der freien Kräfte und leider keine planmäßige Birtschaft, und wenn wir sie auch in unserem Lande durchführen wollten ich habe auf die außenpolitischen Wirkungen und Schwierigkeiten aufmerksam ge⸗ macht so würde sie doch, wie gesagt, nicht nur von dem In⸗

Rnnte ich Ihnen anführen. Sogar in Waren, die zu ihrer Her-

landsmarkte abhängen, sondern auch von der Außenpolitik.

Arbeitgebern beseitigt werden muß, ich sage nur: wir kommen eines schönen Tages in eine Katastrophe hinein, wenn nicht von seiten der Arbeitgeber dieser Frage die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich habe ein Interesse daran, wirtschaftliche Er⸗ schütterungen auf keinen Fall eintreten zu lassen.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Fragen des Ge⸗ werbes nicht bloß die Arbeitgeber, sondern selbstverständlich auch die Arbeitnehmer angehen, und daß deshalb unter allen Umständen die Lebensnotwendigkeiten der erwerbstätigen Be⸗ völkerung sichergestellt werden müssen. Diese Pflicht müssen wir uns alle müssen sich auch die Arbeitgeber ständig vor Augen halten. Wenn wir das tun, werden wir auch manche ernste Stunde überwinden.

Es ist im Hauptausschuß und auch von dem Herrn Kollegen Leidig darauf aufmerksam gemacht und darüber geklagt worden, daß anscheinend die Interessen Preußens bei der Reichsregierung nicht in dem gewünschten Maße wahrgenommen werden. Ich habe bereits im Hauptausschuß die Erklärung abgegeben, daß ich es für meine vornehmste Pflicht halte, die wirtschaftlichen Inter⸗ essen Preußens im Reich zu vertreten und zur Anerkennung zu bringen. (Zuruf rechts: Das ist selbstverständlich) Ja gewiß. das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber ich kann auch erfreulicher⸗ weise sagen, daß sich in immer stärkerem Maße ein besseres Zu⸗ sammenarbeiten hat ermöglichen lassen. In den ersten Jahren nach der Revolution war es nicht so, wie man es hätte wünschen können; aber gegenwärtig kann in keiner Weise Klage geführt werden. In allen Fragen, seien sie nun sachlicher Art oder seien sie sonst allgemein wirtschaftlicher Art, werden Vertreter meines Ministeriums nicht nur herangezogen, sondern ihr Rat wird auch gern gehört und beachtet. .

Dann komme ich zu einer anderen Frage, und zwar zu de der Wirtschaftsorganisationen. Ich bin mir darüber völlig im klaren, daß ich meine Aufgabe nur in enger Verbindung mit den Wirtschaftskörpern, die wir haben, lösen kann, also mit den Handelskammern und den Handwerkskammern, aber auch in enger Verbindung mit den Wirtschaftsorganisationen der Arbeitnehmer. Das halte ich für ganz selbstverständlich, und es würde für mich heißen, meine ganze Entwicklung zu verleugnen, wenn ich das nicht ausdrücklich aussprechen würde. (Bravo! bei den Sozialdemo⸗ kraten Bei den bisherigen Beratungen hat in sehr starkem Maße die Frage mitgespielt, ob paritätische oder nicht pari- tätische Wirtschaftskörper den Unterbau für die Bezirks- wirtschaftsräte bilden sollen. Die Herren Kollegen Dr. Schwering und Dr. Leidig Herr Kollege Brunk ist auf diese Frage nicht zu sprechen gekommen; ich nehme aber an, daß er sich in diesem Falle den Ansichten der Herren angeschlossen hätte haben betont, daß nach ihrer Ansicht die Handelskammern und die Sandwerke kammern nicht auf eine paritätische Grundlage gestellt werden sollen. Die Herren wünschen besondere Arbeitgeberkammern und Arbeitnehmerkammern. Ich halte es für einen außerordenft großen Fehler, wenn man diese rein wirtschaftliche Frage zu ei politischen gestaltet; sie hat mit der Politik nichts zu tun. richtig Ich mache abet noch darauf aufmertsam, daß die

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