in dieser Frage nicht einmal einig sind. Es gibt sogar in eisen der Handelskammern Vertreter, die sich mit einer chen Zusammensetzung ab inden würden, wenn der Kreis
t Vertreter auch sehr klein ist. (Zuruf) — Es gibt solche
mlichen Leute, Herr Kollege Cagberdind. In Handwerker-
ist diese Ansicht noch viel stärker ausgeprägt. (Widerspruch
ts) — Aber ich habe doch die Vorschläge von dem Haupt⸗ heschäfts ührer des deutschen Handwerks bekommen. (Zuruf) —
Dann kennen Sie sie nicht; ich bin gern bereit, Ihnen Einsicht zu geben. Diese Vorschläge wirken sich dahin aus, daß man sich
rchaus auf den Boden stellen kann, eine paritätische Zu⸗
sammensetzung zu erzielen. s kommt übrigens ganz darauf an, welche Aufgaben diesen Körperschaften zugewiesen werden. In der TLandwirtschaft ist man sich völlig darüber im klaren, daß man die sogenaunte Dreiteilung in einer paritätischen Zusemmenßetzung sehr wohl ermöglichen kann.
Ich will übrigens noch auf einen Umstand aufmerksam der Ihnen doch in gewisser Beziehung zu denken geben sollte. ist die Tatsache, daß alle Organisationen der gestellten und Arbeiter, mögen sie nun christlichen, den Hirsch⸗Dunckerschen oder den freien Gewerkschaften angehören, sich ohne ie de Ausnahme einmütig für die Parität aus⸗ gesprochen haben. Sie haben das aus dem einfachen Grunde getan, weil sie der Meinung sind, daz Wirtschastsfragen nur ge⸗ meinsam zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu lösen sind. (Suruf. — Ich halte diesen Standpunkt gar nicht für falsch. Die Arbeitgeber, die der Ansicht sind, daß diese Aufgaben auf pari⸗ tätischer Grundlage nicht zu lösen sind, schlagen allen Erfahrungen, die mit den Arbeitsgemeinschaften gemacht worden sind, ins Ge⸗ sicht. Auf diesem Gebiet hat man sich gern zusammengeschlossen und hat Arbeit geleistet, die nicht unproduktiv war. (Zuruf.) Ich habe es nicht als meine Aufgabe angesehen, in diesem Streit ein⸗ seitig Partei zu ergreifen, sondern ich habe mir eine sehr starke Zurückhaltung auferlegt, weil ich es als meine vornehmste Aufgabe angesehen habe, zu versuchen, einen Ausgleich der sich stark gegen⸗ überstehenden Meinungen herbeizuführen. Deshalb muß man, so sage ich mir, sich zunächst einmal darüber klar werden, welche Auf⸗ gaben diese Körperschaften zu erfüllen haben. Sind es Aufgaben, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer angehen, dann werden sie sie auch gemeinsam durchführen können und müssen. Daß im allgemeinen diese Handelskammern und Handwerkskammern, ganz gleich in welchem Ausmaße, erhalten bleiben sollen, ist mir durch⸗ aus sympathisch; es fragt sich nur, welchen Aufgabenkreis sie durch⸗ führen können.
Dann hat der Herr Kollege Dr. Leidig darauf aufmerksam gemacht, daß die preußischen Belange bei den Eisenbahnbeiräten ihm nicht genügend gewahrt erschienen. Er hat mit Recht davon gesprochen, daß die Absicht bestanden habe, den Eisenbahn⸗ direktionsbezirk Erfurt mit Halle und Magde⸗ burg zu sammen nach Leipzig zu konzentrieren. Es ist ganz selbstverständlich, daß ich, als dieser Plan auftauchte, ganz energisch dagegen Widerspruch erhoben habe; eine solche Ver⸗ tretung wäre nach meiner Auffassung für Preußen ganz un⸗ erträglich. (Sehr richtig! links Inzwischen sind die Verhand⸗ lungen so weit gediehen, daß Halle und Magdeburg unter allen Umständen ausscheiden sollen und als ein besonderer Bezirk zu gelten haben. Erfurt umschließt ja einen wesentlichen Teil von Thüringen, und Thüringen hat eine starke Neigung, mit Sachsen zusammenzugehen. (Widerspruch rechts) — Einen Augenblick! Nach den offiziellen Mitteilungen, die mir geworden sind, soll das zutreffen. Aber die Wirtschaftskörperschaften Thüringens sind mit diesem Plan auf keinen Fall einverstanden, und ich freue mich, daß wir diese wirtschaftlichen Belange in hervorragendem Maße hineinwerfen und in erhöhtem Maße auf diese Schwierigkeiten aufmerksam machen können. Daß ich das tun werde, ist selbst⸗ ver ändlich, weil ich mir übrigens gar nichts davon versprechen kann. Sachsen ist eisenbahntechnisch und industriell so entwickelt, daß es seinen eigenen Eisenbahndirektionsbezirk haben muß. Ich kann übrigens darin gar keinen Nachteil sehen, daß wir einige Eisenbahndirektionsbezirke mit Eisenbahnbeiräten gerade mit Rück— sicht auf die Länder beibehalten.
Herr Kollege Dr. Leidig hat dann noch auf die viel erörterte Frage der Gewerbeaufsicht aufmerksam gemacht. Nach dem vorliegenden Haushaltsplane sind 1 weitere Stellen für Personen aus Arbeiterkreisen und 12Stellen für Personen aus Ange stelltenkreisen vorgesehen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, daß ich nicht daran denke, einen erheblichen Teil dieser Personen bei der Gewerbeaufsicht in Berlin einzugliedern, jondern in ganz Preußen müssen sie eingegliedert werden. Deshalb werden nur zwei Personen aus dem Kreise der Angestellten in Berlin ein— gestellt werden. Meine Damen und Herren, ich habe im Haupt— ausschuß erklärt, daß die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter und Angestellten aller Richtungen die Möglichkeit haben sollen, dem Minister Vorschläge zu machen. Darin hat man an— scheinend etwas Revolutionäres gesehen. Das hat aber mein Herr Amtsvorgänger damals auch gemacht, und nach meiner Auf⸗ fassung ganz mit Recht. Es ist sehr gut, daß wir diese Wirt⸗ schaftsorganisationen in bestimmtem Maße einsetzen und ihnen die Möglichkeit geben, Vorschläge zu machen. Daß ich mir natürlich vorbehalten muß, die endgültige Entscheidung zu treffen, möchte ich dem Herrn Kollegen Leidig versichern. Ich werde prüfen, ob die vorgeschlagenen Personen geeignet sind. Wenn sie nicht ge⸗ eignet sind, ist es besser, man macht keine Versuche, die nachher doch fehlschlagen. Versuche, die bisher gemacht worden sind, sind nicht fehlgeschlagen; im Gegenteil, ich habe in anerkennenswerter Weise feststellen können, daß die Herren sich sehr gut eingesrbeitet haben.
Meine Damen und Herren, dann hat Herr Kollege Dr. Leidig noch in hervorragendem Maße auf die bestehenden Verkehrs⸗ schwierigkeiten aufmerksam gemacht. Ich glaube, es ver— geht keine Woche, in der ich nicht mit dem Reichsverkehrsminister in der eindringlichsten Weise über die Verkehrsmisere gesprochen habe., Das is nicht nur währenb des Streiks, sondern auch nachher geschehen.
Dann hat Herr Kollege Dr. Leidig davon gesprochen daß im Hamburger Hafen eine monatliche oder längere Sperre für die Annahme von Gütern platz gegriffen hat, und zwar ist das im Monat Februar gewesen. Das ist richtig; eine
machen, An⸗ den
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im Februar gewesen, sondern bereits am Ende des vergangenen Jahres hat man sich mit dieser ernsten Frage beschäftigen müssen. Wir haben im vergangenen Jahre ein völliges Versagen der Elbe gehabt. Die Elbschiffahrt konnte die Güter nicht heranbringen, und alles wurde auf den Bahntransport geworfen. Da war es selbstverständlie, Saß eine Verstopfung der Verkehrsverbindungen eintreten mußt. Aus diesem Grunde ist von Zeit zu Zeit, natürlich in kleinein Ausmaße, eine Beschränkung der Annahme erfolgt, aber nur deshalb, um älerhanpt den Abtransport der an⸗ 8e erten Güter vorzunehmen.
Dann möchte ich noch einige Worte äber die Frage sagen, die Herr Dr. Leidig bezüglich des Wiesbadener Ab⸗ kommens und des neuen belgischen, sogenannten Bemelmanns⸗ Abkommens, vorgetragen hat. Die Bedenken, die Herr Dr. Leidig hier in beredten Worten zum Ausdruck gebracht hat, hat auch die preußische Staatsregierung, und hat sie auch zum Ausdruck ge⸗ bracht, aber mit Rücksicht auf die außenpolitischen Wirkungen glaubte sie doch nicht die Verantwortung übernehmen zu können, die Bedenken in solchem Maße aufrechte nerhalten. Von dem Herrn Abgeordneten Brunk wurde gewünsckt, dez das Wiesbadener Ab⸗ kommen nicht in Kraft treten möge. Das Abkommen tritt in Kraft; es ist von der Reichsregierung ratifiziert, und auch von der Konferenz der Finanzminister und auch von der Reparations⸗ kommission ist ihm zugestimmt mit der Maßgabe, daß es auf drei Jahre gelten soll. Man müßte also erst einmal die Wirkung abwarten, ebenso bei dem sogenannten Bemelmanns⸗Abkommen, das nur auf ein Jahr geltn soll. Aber die Bedenken, die Herr Abgeordneter Lüdemann genau so wie Herr Dr. Leidig vorgebracht hat, sind nicht unbeachtlich, und Sie können versichert sein, daß ich dieser Frage nach wie vor mit großer Aufmerksamkeit nach⸗ gehe. Das ist schon deswegen nötig, weil wir sonst in eine Lage kommen, die uns unangenehme Ueberraschungen bringen kann.
Ich kann es mir nicht versagen, dann noch auf eine Be⸗ merkung einzugehen, die Herr Dr. Leidig bezüglich des Acht⸗ stundentages gemacht hat. Herr Kollege Dr. Leidig hat von einem schematischen Achtstundentag gesprochen. Der Achtstunden⸗ tag ist keine Erfindung der Revolution. Wir haben schon vorher Achtstundenarbeitstage auch in Deutschland und in Preußen ge⸗ habt, so in der Metallindustrie. Ich erinnere nur an die großen A. G. G.⸗Betriebe, an die Sie ncuswerke, an die Zeiß⸗Werke in Jena, wo man festgestellt hat, daß die Verkürzung der Arbeits⸗ zeit von neun auf acht Stunden sogar ein wirtschaftlicher Gewinn für das Werk war. Dieselben Erfahrungen hat auch unsere deutsche Industrie mit dieser Sache gemacht, wo sie sie nutzbar anwenden konnte. Diese guten Erfahrungen dürfen natürlich nicht in einer reinen Schemarisierung untergehen. (Hört, hört! und Zurufe rechts.. — Ich komme gleich darauf; lassen Sie mich nur ausreden. Solange ich an dem verantwortlichen Posten stehe, auf den mich das hohe Haus in seiner Mehrheit gestellt hat, werde ich unter allen Umständen an dem Achtstundentag festhalten. Darüber soll kein Zweifel aufkommen. Aber ich stehe auf dem Standpunkt eines achtstündigen Arbeits tages, und ich glaube, das ist das, was uns trennt und was immer nicht richtig erkannt wird. An einem achtstündigen Arbeitstag wird nichts geändert, wenn hier und da eine kleine Pause in die Arbeitszeit ein⸗ gerechnet wird. An dem achtstündigen Arbeitstag wird auch nichts geändert, wenn man die wöchentliche Arbeitszeit, wie es sehr oft in der Industrie geschieht, auf 467 Stunden wöchentlich festsetzt. Allerdings gebe ich gerne zu, daß die Verhältnisse, wie sie zurzeit
in unseren Verkehrsmöglichkeiten bestehen, einen achtstündigen Arbeitstag nicht anerkennen lassen. Das ist richtig. Aus der
Denkschrift, die mir der Reichs verkehrsminister übergeben hat, habe ich ersehen, um nur auf die eine Frage einzugehen, daß nach den gegenwärtigen statistischen Feststellungen des Reichs⸗ berkehrsministeriums Lokomotivführer eine Nutzleistungs⸗ dien st zeit von täglich 2 Stunden 37 Minuten haben. (Hört, hört!) Das ist allerdings keine Ausnutzung der Arbeitskraft. Inwieweit aber die Fragen der Organisation damit zusammen⸗ hängen — und das ist ja auch außerordentlich bedeutungsboll — so liegt es nach meiner Auffassung im wesentlichen daran, daß die Organisation so aufgebaut wird, daß derartige geringe Nutz⸗ leistungen einfach beseitigt werden. Ich kann mir nicht denken, daß Arbeitnehmer sich weigern, eine Arbeitszeit von acht Stunden abzuleisten, nachdem sie ausdrücklich festgesetzt ist. Das muß nach meiner Auffassung vollkommen ausscheiden. Und deshalb kin ich überzeugt, daß auch diese Frage, die gegenwärtig in sehr ein⸗ gehender Weise beraten wird, durchaus zu einem erträglichen Abschluß gelangen wird. — ö Der Herr Kollege Lüdemann hat dann an mich einige Fragen gestellt. Ich bedauere, auf alle Fragen, die Herr Abge⸗ ordneter Brunk gestellt hat, jetzt nicht eingehen zu können; ich hoffe, Gelegenheit zu haben, in der allgemeinen Be sprechung darauf zurückzukommen. Herr Abgeordnete Lüdemann hat ge⸗ wünscht, daß ich meine besondere Fürsorge dem Genossen⸗ schaftswesen zuwenden möge. Das halte ich für eine so große Selbstverständlichkeit, daß ich glaube, eine Erklärung darüber gar nicht abzugeben zu brauchen. Damit, daß ich das zum Ausdruck bringe, ist allerdings diese Erklärung schon gegeben. Das schließt natürlich auch die Sandwerkergenossen⸗ schaften unter allen Umständen ein.
Dann hat Herr Kollege Lüdemann gewünscht, zu erfahren, wie es mit der Vertretung der Genossenschaften ist. In dieser Beziehung kann ich mitteilen, daß die Genossenschaften selbst in dankenswerter Weise mir einen Entwurf übermittelt haben, der durchaus meine Zustimmung gefunden hat und den ich befür⸗ wortender Weise den zuständigen Reichsbehörden zugeleitet habe. Ich glaube, nach der Richtung hin sind Befürchtungen in keiner Weise vorhanden, sondern im Gegenteil, die Sache dürfte in dem bon dem Herrn Redner gewünschten Sinne ihren Abschluß finden. . Dann hat der Herr Kollege Lüdemann ferner gewünscht, daß für die Gewerbeaufficht in Rücksicht auf die Zahl der Ge—⸗ werk epflegerinnen, ganz besonders aber mit Rüclsicht auf die große Zahl der beschäftigten Arbeiterinnen, auch eine weib⸗ liche Vertretung in das Ministerium aufgenommen werde. Diese Frage ist bereits in den Kreis der Erörterungen getreten, wir haben schon darüber Verhandlungen eingeleitet. Ich selbst stehe dieser Frage sehr freundlich gegenüber und hoffe auch, nach der Richtung hin bald oder bei der nächsten Gelegen⸗ heit dem Hause Mitteilung machen zu können. Allerdings darf ich darauf hinweisen, daß ich an die etatrechtlichen Bestimmungen
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urtige Gütersperre war vorhanden. Aber sie ist nicht erstmalig
gebunden bin; ine derartige Stelle, wenn sie als Beamtenstelle
gedacht ist, würde erst im kommenden Etat möglich sein durch. zusetzen. Bis dahin werden wir uns sicherlich mit einer Ver, rereng in irgendeiner Weise helfen können.
Dann möchte ich zum Abschluß noch eine andere Frage be⸗ handeln. Es wurde gewünscht, Auskunft wegen der Ver⸗ handlungen über Oberschlesien zu geben. Ich bin zu meinem lebhaften Vedauern nicht in der Lage, gegenwärtig emwaz darüber mitzuteilen. Die Mitteilungen, die wir gestern nach die ser Richtung bekommen haben, lassen ein abschließendes Urteil noch nicht zu. Es besteht allerdings die Möglichkeit, daß Herr Calonder vielleicht nur über zwei oder drei Fragen einen Stich. entscheid zu erteilen braucht; aber irgend etwas Genaues läßt sich nach der Richtung hin noch nicht sagen. Es ist nur wenig, was ich nach der Richtung hin mitteilen kann; ich bitte damit noch zurück. zuhalten, ich bin bereit, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, dem hohen Hause eingehend über diese Frage zu berichten, sei es im Ausschuß für Handel und Gewerbe, sei es, wenn sic irgendwie im Hause Gelegenheit bietet.
Ferner ist gewünscht worden — nach meiner Auffassung mit Recht — daß ich Ostpreußen, den Rheinlanden und auch Oberschlesien meine ganze besondere Fürsorge angedeihen lassen solle. Meine Damen und Herren, nicht nur bon meinem eigenen Ressortinteresse aus, sondern schon aus allgemeinpolitischen Gründen hat das Staatsministerium die besondere Fürsorge für diese Landesteile zu seiner vornehmsten Aufgabe gemacht. Ich glaube sagen zu können, es vergeht keine Sitzung des Staatsministeriums, wo wir nicht über einen dieser in Bedrängnis befindlichen Teile Preußens zu sprechen haben. Es ist eine Selbstverständlichkeit, und diese vornehmste Aufgabe werden wir unter allen Umständen erfüllen. Ich kann dem hohen Hause mitteilen, daß erst in letzter Stunde mit dem Herrn Reichsfinanzminister und dem preußischen Finanzminister darüber Einverständnis erzielt worden ist, daß das Reich und Preußen zusammen, und zwar je zur Hälfte, eine Garantie, deren Höchstbetrag auf zehn Millionen Mark bemessen ist, an den⸗ jenigen Darlehnssummen übernimmt, welche den an Kreditnot leidenden Handwerkern, Kleingewerbetreibenden und Landwirten Oberschlesiens bis zum Gesamtbetrage von höchstens vierzig Millionen Mark gegeben werden sollen. Es sind kleine Vor⸗ behalte daran geknüpft. Ich will nur auf dieses eine Beispiel hinweisen, um zu zeigen, in welchem herborragenden Maße das Staatsministerium ständig auf Fürsorge sinnt.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, meinem Haushalt die Unterstützung angedeihen zu lassen, die ich von Anfang an von Ihnen erhofft habe, und die Tie mic behdger h (Bravo!)
ben zuteil werden lassen.
—
116. Sitzung vom 15. März 1922. Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger?).)
Präsident Leinert eröffnet die Sitzung um 12Ʒ Uhr.
Der Gesetzentwurf, betreffend Verlängerung der Gültigkeits dauer der Gesetze über Teuerungs— zuschläge zu den Gebühren der Notare, Rechts— anwälte und Gerichtsvollzieher und zu den Gerichts— kosten bis zum 31. Mai 1922, wird in erster, zweiter und dritter Lesung debattelos angenommen.
Ebenso wird der Gesetzentwurf über Verlänge⸗ rung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes zur Aende— rung des Stempelsteuergesetzes bis zum 31. März 1923 ohne Aussprache angenommen.
Hierauf setzt das Haus die Beratung des Haushalts des Ministeriums für Handel und Gewerbe beim Abschnitt „Ministerium, Handels⸗ und Gewerbe— verwaltung“ fort.
Abg. Altegger (Zentr): Das deutsche Handwerk steht in der deutschen Wirtschaft nicht an letzter Stelle. Es hat mich nicht be— rührt, daß der Abg. Rogg gestern das Grablied des selbständigen
andwerks gesungen hat. Ich halte es für praktisch unmöglich eine Sozialisierung im Handwerk durchzuführen. Die freien Gewerk— schaften wollen die Sozialisierung. Von jener Seite ist gesagt worden, daß die Produktionsgenossenschaften nur ein Mittel sind, um der Sozialisierung und Kommunalisierung auf die Beine zu hellen. Wir empfehlen die Förderung aller Genossenschaften, wir setzen aber hinzu, daß das ohne Schädigung des selbständigen Handwerks geschiebt. Man mag es den Produktionsgenossenschaften ohne Mißgunst über⸗ lassen, auf eigene Verantwortung ihre Geschäfte zu betreiben. Ein— seitige finanzielle Unterstützungen der Genoffenschaften durch das Reich, den Staat oder die Kommunen, die mit einer Benachteiligung des Handwerks verbunden sind, muß ich im Interesse der Gerechtigkeit für das selbständige Handwerk ablehnen. TJZustimmung. ) Der Re— gierungspräsident von Düsseldorf hat eine wahre Diktatur der sozialistischen Baubetriebe eingeführt. Was sind das auch für Aeußerungen, wenn gesagt wird, der Meister muß sich jetzt von seinen Gesellen ernähren lassen? Die Finanzämter müssen die Steuer⸗ erklärungen, die abgegeben sind, auch zugunsten des Steuer— pflichtigen nachprüfen, dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. In der Erziehung des Nachwuchses im Handwerk darf das Ziel einer guten Ausbildung nicht erschwert werden. Der Lehrvertrag ist aber kein Arbeitsvertrag, weil der Lehrling kein Arbeiter ist. Der Wert der Meisterlehre ist nicht zu bestreiten. Wenn während des Krieges so— viel geleistet ist, so verdanken wir das auch der Meisterlehre, die ein Jungbrunnen ist. (Zustimmung.) Dem Klassenkampf setzen wir im Handwerk und Gewerbe eine solidarische Berussgemeinschaft gegen⸗ über. Wir suchen den sozialen Ausgleich Rur durch Versöhnung der Gegensäße werden wir zu einem gesunden Ausbau kommen.
(Beifall.)
Abg. Mehrbotter (D. Hann.: Mit besonderer Freude stelle ich als Handwerksmeister fest, daß gerade das deutfsche Vand⸗ werf den großen Gesichtspuntt, des deutschen Wirtschaftslebens stets im Auge behalten hat. Selbst der Minifter hat die Notlage des Handwerks anerkannt, ich vermute allerdings, daß er die Schäden und Mängel, über die das Handwerk zu klagen hat, nicht so vernimmt und nachprüten kann, wie der, der tätig mitten im Handwerk stebt. Das elbständige Handwerk ist der wertvöllste Bestandteil der Privat. industrie, eg hält sie auf der Höhe und gibt ihr diese Zuversicht auch für die Zukunft. Der Gedanke der Kommunalisierung des Handwerks srweist sich mehr und mehr als ein Irrtum. Sie städtsschen Cigenbaubetriebe haben sich als, unwfrtschaftlich herausgestellt Das Großlapital und die Großindustrie find Schuld an den unsinnigen Preissteigerungen. Beim Achtstundentag muß man auch dessen starke Schattenseiten in Betracht ziehen und auf ihre Be—⸗ seitigung hinwirken. Leder macht sich jetzt auch in unserer deutschen Jugend ein Hang zur Vergnügungssucht, geltend; man läust in die Kinos und Vergnügungsetablissements, statt sich auf die Hosen zu ttzen, lehrresche Bücher zu jesen und so die Kenntnisse zu bereichern. Das Submissionsgwesen ist ein Krebsschaden für das Handwerk. Das Benossenschaftswesen muß man mit liebevollen Augen betrachten, aber s darf nicht mit Geldmitteln der Allgemeinheit gestützt und unter⸗ halten werden. Die Gewerbesteuer bedrückt daz Handwerk bis zur Unerträglichkeit Das Kleinod unserer Lehrlingeausbilbung muß
Mit Augnahme der durch Sperrdruck Reden der Herren Minister, die im Wortlaute m m. e.
rechts. Auch jeder soziale Baubetrieb hat einen führenden Kopf, der
xestern eine ganze Reihe von Anfragen an mich gerichtet. Ich habe
und , , Hoffenflich wird der neue Handelsminister kerechtigten Wünschen des Handwerks entgegentommen. . Gonrg dt (D. Nat): Der kommunistische Redner läutete . ern dem selbständigen Handwerk das Totenglöcklein; die impo⸗ en Kundgebungen, deg letzten Sonntags in Berlin hahen ihm . her die richtige Antwort gegeben. Meine Partei hat von . Wort, und Tat bewiesen, daß sie die berechtigten sche der Arbeiter in Industrie. Handel und Handwerk genau berücksichtigt als die Wänsche der anderen Berufs⸗ Es kann nicht die Aufgabe einer einzelnen politichen sein, die Arbeiterinteressen zu vertreten Der Minister at prekäre Lage des Handwerks, anerkannt, aber auch n das Handwerk bestehe nicht nur aus Arbeit⸗ 6 sondern auch aus Arbeitnehmern. Sehr richtig; aber des⸗ ö. en ist und bleibt er doch die Stelle, an die auch die Handwerker⸗ . ihre Wünsche und Beschwerden zu richten haben. Handel. . erbe und Handwerk werden durch die ewigen, Erhöhungen der Ii. Telephon⸗ und Eisenbahntarife schwer belästigt; der. Minister pirde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er sich im Reiche sr das Aufhören dieser Belästigung einsetzen würde, Die Demobismachungs behörden, die eine immer stärkere Belästigung mieres Wirtschaftelebens darstellen, müssen am 31. März end⸗ lich verschwinden. Bei der Zuteilung von elektrischem Strom nnd vielfach mit ungleichen Maß gemessen, die Groß— betriebe werden. fortdauernd. beliesert, die kleineren nicht. Fei der Bekämpfung des Wuchers stellen auch wir uns hinter die Regierung, wir machen aber allerdings einen Unterschied zwischen dem rellen Handel, der seine Preise zu erhöhen gezwungen ist, um weiter seine Aufgabe zu erfüllen, und denjenigen Händlern, welche fich zwischen hen reellen Handel und das, Publikum eingeschoben haben, um letzteres wücherisch auszubeuten. Wir bekämpfen die falsche Wohnungspolitik der staatlichen Organe und der Kommunen, die nicht Arbeit schafft, sondern vielmehr die Arbeitslosigkeit noch vermehrt. Die plossale Luxussteuer trifft ganz besonders auch das Handwerk und gerade diejenigen Handwer kserzeugnisse, die man sonst in bohen Tönen als Lie hochwertigen deutschen Erzeugnisse anspricht, die besonders geschützt werden müssen. Damit erwürgt man die besten Zweige unseres Handwerks. Der Minister wolle sich dafür einsetzen, daß, wie es beahsichtigt ist, bis zum 1. Oktober 1922 die bezigliche Bestimmung des Reichsgesetzes anders formuliert wird. Die Gewerbestener ist die ungerechteste Steuer, die es überhaupt gibt, sie fährt schließlich zur Erdrosselung von Handwerk und Gewerbe. Die Baugenossenschaften haben durchaus ihre Berechtigung, ber jede Bevorzugung vor dem selbständigen Handwerk muß unterbleiben, und, wir verbitten uns, daß der Staat oder die Kommunen ihnen Kräfte, die aus öffentlichen Mitteln bejahlt werden, wie Bauräte usw.,, zur Verfügung stellt und ihnen Vorschüsse zinslos oder ju geringem Zinsfuß zuteil werden läßt. Das Handwerk muß von den Landesauftrags⸗ stelen mehr berücksichtigg werden. Notwendig ist, daß gut⸗ funktionierende Arbeitsvermittlungsstellen erhalten bleiben. In der Frage des Achtstundentages verlangt das Handwerk und das Gewerbe, zaß man von einer einseitigen schematischen Betrachtung abgeht. Wir sind gegen eine Parität der Kammern bei der Vertretung des Dand⸗ perks und des Handels. Der Osten mit seinen wirtschaftlichen Inter— esen verdient größere Berücksichtigung. Polen und die Tschecho⸗ Slowakei machen die größten Anstrengungen, unser Wirtschaftsleben in ihre Gewalt u bekommen. Da erbitten wir die größte Aufmerk— samkeit des Handelsministers und darum, daß der Verkehrsminister etwas mehr für den Osten übrig hat. (Lebhafte Zustimmung.)
Abs Moritz (D. Vp.): Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es beim Arbeitsnachweisgesetz keinen Zwang geben darf. Wir müssen notgedrungen die Arbeitszeit haben. die sich aus den Verhältnissen ganz von selbst ergibt. Es ist selbstverständlich, daß Saisongewerbe vie Baubetriebe sich nicht an den Achtstundentag halten. In den Soßialistischen Mongtsheften“ hat der Rechtssozialist Dr. Lindemann sechrieben: Größere Arbeitsleistung kann heute nur durch Verlängerung ker Arbeitszeit erreicht werden. Es ist nicht zu verstehen, wenn immer hn einer strikten Durchführung des Achtstundentags gesprochen wird, n auf der anderen Seite die große Wohnungsnot herrscht. Tie neue Städteordnung wird hoffentlich bald kommen. Bei der Gewerbesteuer müssen die Interessen des Handwerks und Gewerbes sewahrt werden. Die Handelskammern wünschen wir auch un⸗ paritaͤtisch ausgestaltet zu sehen. In Arbeitsgemeinschaften ist ein suses Zusammenarbeiten möglich. Das darf aber nicht durch gesetz⸗ lichn Zwang geschehen. Dagegen bestehen wir einzig und allein auf der Mästerlehre, die das deutsche Handwerk großgemacht hat. Die Noduktivgenossenschaften sind nur Gewerkschaftsunternehmungen, die sich einen sozialen Mantel um hängen. Vernichtung des freien Unter⸗ nehmertums haben sie auf ihr Panier geschrieben. (Zustimmung
bezahlt werden muß Das freie Gewerbe muß bestehen bleiben und wird es, wenn es nicht gesetzlich totgeschlagen wird.
Minister für Handel und Gewerbe Siering: Meine Damen und Herren! Gestern und heute sind eine ganze Reihe von Anfragen an mich gerichtet worden, zu deren Beantwortung ich mich verpflichtet fühle. Besonders ist die Frage an mich gerichtet worden, ob ich die Absicht habe, den in meiner Verwaltung befindlichen Staatsbesitz itgendwie dem Privatkapital auszuliefern. Ich halte es für müßig, in diesem Augenblick eine bindende Erklärung abzugeben, weil in zweiten Teil der Beratung betreffs der Duisburger und Ruhr⸗ otter Hafenanlagen diese Sache behandelt wird, und ich werde mir erlauben, dann darauf zurückzukommen, um so mehr, weil ich annehme, daß die Herren Redner besonders diese Frage in den Vordergrund stellen werden. Dann hat der Herr Abg. Brunk
ihm zugesagt, soweit ich dazu in der Lage sei, darauf zu ant⸗ worten. Nach Durchsicht seiner vielen Anfragen bin ich doch der Ueberzeugung, daß sich wohl ein anderer Weg als ersprießlicher herausstellen dürfte. Herr Abg. Brunk, wenn Sie auch einer DOppositionspartei angehören, so erkläre ich, daß ich jederzeit gern bereit bin, ebenso wie meine Herren vom Ministerium, jede gewünschte Auskunft zu geben. Das halte ich für selbstverständlich. Die Minister sud nicht nur Minister der Koalitionsparteien, sondern stehen als Minister allen Mitgliedern dieses hohen Hauses gern und freudig zur Verfügung. Ich werde es mir deshalb versagen, auf die meisten Anfragen einzugehen, dagegen halte ich die Frage der Arbeitslosigkeit sir so wichtig, daß ich sie mit wenigen Worten behandeln will. Der Herr Abg. Brunk hat mit Recht darauf auf⸗ nerksam gemacht, daß wir in letzter Zeit eine wesentliche teigerung der Erwerbslosigkeit wahrnehmen können. die Statistik der unterstützten Erwerbslosen ergibt für den Monat Januar eine weiter stark ansteigende Zunahme der Zahl der aus Mitteln öffentlicher Erwerbelosenfürsorge unterstützten eisonen. Am 1. Februar 1922 wurden inegesamt 196 103 voll Erwerbglose gezählt Das bedeutet gegenüber dem 1. Januar mit 16 gos Unterstützten eine Zunahme um 31 145 oder um 18,9 vo. Gegenüber dem Stand vom Dezember 1921 mit 149 337 Haupt⸗ mnterstützungsempfängern, der den niedrigsten Stand der Erwerbs⸗ losigkeit kennzeichnet, betrug die Zunahme im Januar gegenüber dem l. Dezember 102 vH. Dabei ist die Zahl der unterstützten Frauen im Rückgang begriffen, während die männlichen Unterstützungs⸗ empfünger sich nahezu um ein Viertel vermehrt haben. Dasselbe Bild wie im Reiche — dafür galten diese Zablen —
wohner. Die Durchschnittszahl im Reich beträgt für den 1. Januar 7,7 auf 1000 Einwohner.
Nur in Berlin ist die Erwerbelosenziffer hauptsächlich infolge des Ausschlusses der langfristigen Erwerbslosen sowie der alten und erwerbsbeschränkten Personen (Abg Katz: Hört, hört) aus der Für= sorge erheblich gefallen. Sie betrug am 14. Januar 1922 58 397, am 4 Februar 1922 54783 und am 18. Februar 1922 51 844. (Abg Katz: Haben Sie keine neueren Zahlen? Das ist ja schon anderthalb Monate her! Ich vermag nicht einzusehen, daß der 18 Februar anderthalb Monate her ist, Herr Katz. Vom 1. März haben wir die reichsstatistischen Nachrichten noch nicht bekommen.
In Berlin haben wir auf 1000 Einwohner 13,45 Vollerwerbs⸗ lose am 18 Februar. Die Zahlen sind also außerordentlich hoch, noch immer viel zu hoch, als wir es wünschen möchten.
Dann ist von einem der Herren Vorredner gewünscht worden, daß bei den Maßnahmen zur Bekämpfung des Wuchers die Handelskreise herangezogen werden sollen. Als bei meinem Amtsantritt gerade diese Frage eine außerordentliche Rolle spielte, ist auf meine Veranlassung in die Verordnung die Bestimmung aufgenommen worden, daß in den Prüfungsstellen Sachverständige aus Handels⸗ kreisen hinzugezogen werden müssen; denn es ist ohne Zweifel richtiß, daß bei Beurteilung der Frage, ob Wucher getrieben worden ist, gerade die Kreise herangezogen werden müssen, die dazu berufen sind, die Händlerkreise. Das halte ich für dringend notwendig.
Dann haben wir eine große Handwerkerdebatte gehabt. Wir haben diese Debatte bei jedem Etat der Handels und Gewerbever⸗ waltung, und ich verstehe es sehr gut, daß die Herren ihren Schmerzen mit beredten Worten Ausdruck verleihen. Aber ich glaube doch, der Herr Kollege Mohrbotter geht zu weit, wenn er den Grundsatz auf— stellt, daß nur ein Minister, der selbst Handwerksmeister gewesen sei, in der Lage sei, die Interessen des Handwerks wirksam zu vertreten. Er hat ja dann zum Schlusse mir sein Kompliment ausgesprochen, und ich kann wohl sagen, daß damit der erste Teil seiner Aus— führungen, der sich darauf stützt, überholt ist, und ich kann es mir wohl versagen, näher darauf einzugehen.
Der Herr Kollege Conradt hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß es unzweckmäßig ist, die kleinen Hand⸗ werkerkammern, kleinen Innungen, kleinen Handelskammern aufrechtzuerhalten. Meine Herren, es liegt im Zuge der Zeit, daß wir auf wirklich leistungsfähige Organisationen hinwirken müssen, wenn wir überhaupt wirksam im Wirtschaftsleben eine Rolle spielen wollen. Ich gehe so weit, daß ich es für richtig halte, und danach strebe, einheitliche Kammern für die Bezirke der Beziekswirtschaftsräte zu schaffen. Diese Organi⸗ sationen sowohl aus Handels wie aus Handwerkerkreisen werden dann auch wirkliche Bedeutung erlangen. Ich halte eine Zusammen⸗ fassung dieser Kreise für außerordentlich dienlich, gerade in Wahr⸗ nehmung der Interessen, die hier zum Ausdruck gekommen sind.
Ich freue mich im übrigen darüber, daß man in Handwerker⸗ kreisen der Angliederung der Gewerbe⸗ und Kauf⸗ mannsgerichte an die Amtsgerichte nicht gerade sehr freundlich gegenübersteht. Ich teile diese Auffassung um so mehr, weil ich diese Angliederung für nicht sehr erfolgversprechend halte. Die Kauf⸗ manns⸗ und Gewerbegerichte haben in ihrer historischen Entwicklung doch so außerordentlich fruchtbringende Arbeit geleistet, daß es mir sehr zweifelhaft erscheint, ob diese Arbeit von den Kaufmanns⸗ und Gewerbegerichten bei so enger Angliederung an die Amtsgerichte ge⸗ leistet werden kann. Ich bin in diesem Sinne bereits tätig gewesen, und daß ich das auch weiterhin sein werde, halte ich für eine Not⸗ wendigkeit. Ich wollte das nur im Zusammenhang hervorheben.
Bezüglich der Kammerbeamten gebe ich gern die Er⸗ klärung ab, daß, wie es ja auch jetzt schon geschieht, wir uns nach wie vor bemühen werden, für die Reliktenversorgung dieser Beamten einzutreten, so weit wir in der Lage sind, hier helfend ein⸗ zuwirken.
Dann hat, wenn ich nicht irre, Herr Kollege Moritz darauf hingewiesen, daß man dadurch, daß man jemannd zwei Monate lang eine Schule besuchen läßt und dann sechs Monate bei einem Hand⸗ werksmeister in die Lehre gibt, keinen vollgültigen Handwerker be⸗ kommt. Ich teile seine Bedenken, mache aber darauf aufmerksam daß alle diese Einrichtungen, die sehr wohl ihre Fehler haben, einen gewissen Notbehelf darstellen. Wir haben Mangel an Bauarbeitern, andererseits aber in vielen Großstädten — ich habe ja eben eine kleine Uebersicht in Zahlen gegeben — eine überaus große Anzahl von Arbeitskräften, die unproduktiv daliegen, die wir irgendwie an⸗ setzen müssen. Da wir nun einen starken Bedarf an Bauhandwerkern, namentlich an Maurern usw., haben, liegt es nahe, daß man diesen Weg geht. Ich halte es nur für wichtig und notwendig, daß man nicht völlig berufsunkundige Menschen nimmt, sondern ungelernte Bauarbeiter, die doch immerhin eine gewisse Erfahrung im Bau⸗ handwerk für sich buchen können. (Abg. Engberding: Die arbeiten ja heute in der Rotte bei der Eisenbahn) — Herr Engberding hat recht. Es sind auch nach der Richtung hin Erhebungen veranstaltet worden, inwieweit durch die Kriegsverhältnisse eine ganze Reihe von Bauarbeitern und Handwerkern in die Industrie hineingekommen sind, die man mit dem besten Willen heute kaum wird herausholen können. Die Industrie, besonders die ehemalige Kriegsindustrie — beim Handwerk ist es wohl weniger der Fall — leistet einen so starken Widerstand dagegen, daß alle Bemühungen, auch persönlicher Art, bisher fehlgeschlagen sind. Man muß sich mit den Dingen abfinden. Letzten Endes sind es eben Notbehelfe.
Ich bin mit dem letzten Herrn Vorredner auch durchaus einig: es ist ganz ausgeschlossen, daß das Handwerk irgendwie gesetzlich tot⸗ geschlagen werden kann. Ich wüßte nicht, wie man das machen sollte; man kann doch nicht etwa eine Gesetzesvorlage einbringen, die das Handwerk untersagt oder verbietet; das ist natürlich ganz unmöglich. Dieser Interessenkampf, der sich ja weniger zwischen den Genossenschaften — auch die Genossenschaften, die von Herrn Abg. Lüdemann gewünscht wurden, sind eingeschlossen — und den Hand— werkern abspielt meine Herren, dieser Kampf spielt sich vornehmlich zwischen der Industrie mit ihren starten geldlichen Mitteln und ihrem technischen Fortschritt und dem Handwerk ab. — Daz ist eine an sich nicht im Interesse des Handwerks liegende Erscheinung. Aber sie ist einmal da, sie ist eine Folgeerscheinung unserer wirtschaftlichen Entwicklung.
Das wollte ich nur noch ganz kurz zum Ausdruck bringen, um wenigstens im großen und ganzen auf die Fragen einzugehen. Im übrigen aber darf ich die Bitte wiederholen: es ist durchaus nicht er⸗ forderlich, daß die Damen und Herren des Hauses die Etatsberatungen
versfãndlich, daß auch keine kleinen Anfragen nötig sind, um die ge= wünschte Antwort zu bekommen. Ich habe es immer für erwünscht gehalten, daß wir uns den Gepflogenheiten des englischen Parlaments annähern, daß die kleinen Anfragen im Haufe näar zu großen, wichtigen politischen Anfragen, auf die eine schnelle Antwort dringend erwünscht ist, benutzt werden. Diese Wünsche, die meist in unseren kleinen An⸗ fragen enthalten sind, können nach meiner Auffassung sehr gut durch eine Rückfrage im Ministertum spielend leicht erledigt werden. Ich darf Sie bitten, sich dieser Anregung möglichst anzuschließen.
Abg. Drewitz (Wirtschaftsp.): Man kann es ja mit Freuden be⸗
rüßen, wenn ein Mann aus dem Volke, ein Sozialdemokrat und früherer Dandwerker in xm Augenblick, wo er als Handelsminister an eine verantwortliche Stelle gestellt wird, sich von den Interessen der Allgemeinheit leiten lassen zu wollen erklärt. Ob er aber seinen Worten Taten folgen lassen wird, möchte ich bezweifeln. (Heiterfeit rechts) Von idealen Gesichtspunkten Politik zu machen, ist heute wirklich sehr schwer, weil die heutigen wirtschafilichen Verhältnisse doch zuletzt den Ausschlag geben. Einige Male ist bei dem Handelsminister der frühere Gewerkschaftssekretär mit dem Minister durch egangen; im Laufe der Zeit wird er das hoffentlich abstreifen. In steuerlicher Hinsicht wird der Minister dafür zu sor len haben, daß dem gewerb⸗ lichen Mittelstand endlich Gerechtigkeit widersährt. Der Gewerbe⸗ treibende sollte erst Gewerbesteuer zahlen, wenn sein Einkommen höher ist als das des Arbeiters und Angestellten in seinem Betriebe. Die Novelle zur Gewerbesteuer darf nicht auf die lange Bank ge⸗ schoben werden. Das Handwerk muß endlich die Vertretung haben, die ihm durch das Reichsrahmengesetz vorschwebt. Die Vorein⸗ genommenheit gegen die Genossenschaften des gewerblichen Mittel- standes muß schwinden. Die 75 0900 4 im Haushalt zur Förderung des gewerblichen Genossenschaftswesens sind eine Tumperei. Abg. Lüdemann (Soz.): Es ist außerordentlich zu bedauern, daß alle rednerischen Vertreter des Handwerks einseitig gegen die Arbeiterschaft Stellung genommen haben. Sie haben die sozialen Baubetriebe ingrimmig bekämpft, aber kein Wort gegen den Terror geäußert, den das Großkapital gen das Handwerk ausübt. Wo ist denn heute im Handioerk noch ein freies Unternehmertum? Steht nicht das ganze Handwerk unter der Diktatur des Großkapitals? Heute morgen hat der Verein der Deutschen Zeitungsverleger einen Aufruf erlassen, der davon spricht, daß die deutschen Jeitungen dicht vor dem Zusammenbruche stehen, und der die Regierungen und die Parlamente auffordert, endlich an Stelle der Beteuerungen ihrer hohen Meinung von der Presse und der platonischen Einsicht in die Dinge die Tat treten zu lassen. Von 4009 deutschen Zeitungen sind über 90 Prozent bürgerliche; alle diese Zeitungen haben nie ein Wort des Bedenkens gefunden gegen die Aufhebung der Zwangs⸗ und Planwirtschaft, alle haben mitgeholfen, den Schrei nach der freien Wirtschaft auszustoßen, und jetzt sind sie selbst die Opfer dieser freien Wirtschaft geworden. In dem Aufruf heißt es: Schuld daran, daß Zeitungen aller Art, kleinere, mittlere und große, in kurzer Zeit zur Stillegung oder mindestens zu weitgehenden Betriebs⸗ einschränkungen gezwungen sein werden, ist vor allem eine nur dem Namen nach freie Wirtschaft, bei der in Wirklichkeit die deutsche Presse der rücksichtslosen Preisdiktatur der Syndikate ausgesetzt ist. Wenn das ein fo gut orientiertes Gewerbe ausspricht, so sollte doch das Handwerk sich diese Kundgebung zu Herzen nehmen, seinen wahren Feind im Kapitalismus erkennen lernen und Schulter an Schulter mit dem arbeitenden Volke dagegen ankämpfen. Aber was hören wir hier? Lange Reden gegen die Baubetriebe und gegen die — 3 enossenschaften der Acbeiter. Die soziaglen Baubetriebe haben das ne, der Gemeinnützigkeit auf ihre Fahnen geschrieben und sind vom Reichskanzler als solche anerkannt worden. Es ist geradezu toll, daß ein Handwerkervertreter so beschränkt ist, daß er nicht sieht, daß diese Betriebe von Proletariern getragen werden, die ebenso Arbeiter sind, wie die Handwerker auch. Wenn sich das Handwerk weiter so auf die Seite der Kapitalisten stellt, verdient es sein Schicksal, von ihnen ausgebeutet zu werden.
Damit schließt die allgemeine Besprechung.
Es folgt die Besprechung über die Fragen der Ruhr⸗ schiffahrts⸗ und Hafenverwaltung, Elektrizitäts⸗ verwaltung, Kleinbahnen, Luft und Kraftfahr⸗ wesen und sonstige Verkehrsfragen.
Abg. Qsterroth (Soz): Das Verkehrswesen ist die Schlag⸗ ader des Wirtschaftslebens von 60 Millionen in Deutschland. Alle Welt schreit über die ungenügenden Leistungen der Eisenbahnen und der großen Verkehrseinrichtungen überhaupt, und mit Recht. Die Leistungen des Bergbaues sind durch das Versagen der Eisenbahnen sehr schwer beeinträchtigt worden. Ich erhebe deswegen aber nicht sowohl Anklage gegen die Eisenbahnen und gegen die Eisenbahn⸗ arbeiter, als gegen. Herrn Stinnes und seine Leute, nachdem durch die „Frankfurter Zeitung‘ festgestellt ist, daß Herr Stinnes seine Londoner Reise ausgenutzt hat, um einen Druck der Entente auf die deutsche Regierung in der Richtung zu erreichen, daß die Reichseisenbahn, das erste und größte Verkehrsmittel des Deutschen Reichs, in den Dienst des deutschen Kapitals gestellt würde. Man hat dieses Vorgehen als einen Hochverrat bezeichnet. Bezüglich unserer Kanal⸗ und Hafen⸗ anlagen wird dasselbe Spiel getrieben. Auf Drängen der Export⸗ industrie hat der Reichskohlenkommissar Exportinteressen über Ver⸗ kehrsinteressen gestellt. Nach dem großen Aderlaß, den der Waffen stillstand dem deutschen Eisenbahnverkehr zufügte, haben wir erlebt, daß der Stahl, das wichtigste Baumaterial, bereits im Dezember 1919, zu einer Zeit, wo die Tonne Kohlen noch 100 kostete, bereits den fabelhaften Preis von 3000 A die Tonne erreichte. Gerade diese Kreise, der Stahlwerksverband usw.', sind an diesen Zuständen in unserem Verkehrswesen und an der rasenden Preistreiberei mitschuldig, sie haben uns in das Elend hineingeführt. Sehr interessant ist, was sich hinsichtlich der Hafenverwaltung in Duisburg⸗Ruhrort abgespielt hat. Der geplante Ueberfall ist nicht ganz gelungen, aber es ist nur dem zufälligen Umstand, daß der Kollege Hue von den Dingen erfuhr, zu verdanken, daß die Oeffent⸗
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doch M Str Volkszorns durch dieses Loch in Ihr Ministerium, er wird eine wunderbar
legt sich auch in Preußen, wo die Zahl der Vollerwerbsl ofen am l. Januar 1922 1180 976 betrug. Das sind 8,3 auf 1000 Ein⸗
ö
abwarten, um irgendwelche Auskünfte zu erhalten. Es ist selbst⸗
reinigende Wirkung ausüben. Sie werden dann als Hilfeleister ung an Ihrer Seite haben! (Beifall bei den Soz.) 9 e —