1922 / 76 p. 12 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Mar 1922 18:00:01 GMT) scan diff

ustimmung.,) Und was wollen die Herren (nach rechts) denn nun 6 an die Stelle dieser Politik setzen? . 33 ich in den langen Ausführungen des Hern Hergt nichts gehört, wie über⸗ haupt seine gan e . mehr auf das Negative eingestellt war. Sehr richtig! Note kann ich stehe icht an, das mit aller Schaͤrfe aus rn, . sein, die Politik, die wir 1 trieben haben, für die Zukunft uns unmöglich zu machen. Aber sollen wir etwa jetzt ohne weiteres erklären: Wir wollen überhaupt nicht mehr erfüllen. Das wäre in der Tat das Unsinnigste, was wir jetzt machen könnten. (Sehr wahr! und lebhafte Zustimmung.) Es wäre das Willkommenste für Frankreich, das nur darauf lauert, seine gepanzerte Faust auf den Westen niederschmettern zu lassen. err Hergt Henn, wgs wir denn mit unsever Erfüllungspolitik isher erreicht hätten. Wir haben erreicht, daß das Deutsche Reich usammengehalten worden ist (lebhafter Beifall, während die zolitik, die von der Rechten verlangt wird, uns wehrlos dem Rekermut der Sieger preisgegeben und den uin unseres Velkes herbeigeführt haben würde. (Lebhafter Beifall Aber noch ein

öher einschätze, Es gab eine Zeit, wo weite Kreise der Bevölkerung agten: Das Kapital hat den Krieg angefangen, hat ihn ver= Ueber diese alten Ideen sind

*. haben wir mit unserer Politik erreicht, das ich noch viel

ren, es mag ihn auch bezahlen! wir durch die Verhandlunden über das Steuerkomj romiß endlich hinweggekommen. Unsere Politik hat gerade in dieser Beziehnng eine gründliche Umwandlung in der Mentalität weiser Volkskreist herbeigeführt; auch die Parteien, die sich bisher völlig ablehnend gegen jede indirekte Steuer verhielten, haben sich entschlossen, nach entsprechender Heranziehung des Besitzes 6 für indirekte Steuern einzutreten und so alle Kreise des Volkes, auch die breiten Massen, zur Tragung der Lasten heranzuziehen. Das hätten Sie (nach rechts) mit Ihrer Draufgängerpolitik nie und nimmer erreichen können. (Lebhafter Beifall Oder sollen wir vielleicht sagen, wie Herr Hergt gestern es angedeutet hat: Es gibt überhaupt keine Steuern mehr? Gewiß, der Reichskanzler . gestern mit aller Deutlichkeit erklärt, daß die Erfüllung der ote unmöglich sei, und ich muß mit Bedauern feststellen, daß hier wieder einmal eine Gelegenheit verpaßt worden ist, wo endlich einmal das ganze deutsche Volk in allen seinen Parteien sich auf einer einheitlichen Linie zusammenfinden konnte. (Sehr wahr! Aber der Gedanke: Es gibt keine Steuern mehr! sollte do h am allerwenigsten von einem früheren Finanzminister aus⸗ gesprochen werden. Es kann sich doch jetzt re, nur darum handeln, eine wirtschaftliche Gesundung unseres Volkes herbeizu⸗ führen, und daß dazu eine Ausgestaltung der Steuern 6 und notwendig ist, das wird doch kein vernünftiger Mensch bestreiten können. (Beifall. Herr Hergt hat ge ern weiter gesagt, und ich muß tief bedauern, daß er diesen Satz ausgesprochen hat: Die Regierung hat nicht Schneid“ genug, um einfach zu erklären; wir erfüllen den Friedensvertrag nicht mehr! Ich schätze Herrn Hergt en sehr hoch, aber ich muß sagen: wenn er von „Schneid“ pricht, wird mir immer etwas unheimlich zumute. (Sehr gut! und Heiterkeit) Es verrät sehr viel mehr „Schneid“, wie es von den Mehrheitsparteien geschehen ist, eine pflichtmäßige, ernste, streng gemessene Politik zu treiben. Und nun endlich der Vor⸗ wurf, der wohl am allerleichtesten zu widerlegen ist. Man fragt, wie könne die Entente dem Reichskanzler, nachdem er nun drei Jahre die Erfüllungspolitik getrieben habe, Glauben schenken, wenn er jetzt auf einmal „Nein“ sage. Ich muß mich wirklich wundern über diese eigenartige Logik. (Sehr gut!) Glaubt Herr Hergt etwa,. daß ein „Nein“ aus nationalistischen und chaupinistischen Kreisen eher Eindruck auf die Entente machen würde? Nein, man würde einfach darüber lachen. Wenn aber ein Kanzler, der in langen Jahren den guten Willen zur Erfüllung dokumentiert hat wenn der einer solchen Note gegenüber vor aller Oeffentlichkeit feierlich erklärt: Das ist unmöglich! dann wird ein solches Wort auch bei der Entente gelten. (Lebhafter Beifall und Zustimmung.) Es ist gestern und es ist inzwischen auch in der Presse gesagt worden, es gehöre ein gut Stück Optimismus dazu, die Politik der Koalitionsparteien weiterzuführen. Gewiß, es gehört Opti⸗ mismus dazu, aber wir vom Zentrum haben diesen Optimismus, weil wir an unser Volk glauben, (Lebhafer Beifall im Zentrum.) Diese Politik findet in immer weiteren Kreisen Verständnis, auch in solchen, die früher nicht zu uns gehört haben. In die sem Opti⸗ mismus stimmen wir mit dem Reichskanzler überein, auch in dem Hinweis auf Genug. Möge der Gedanke an Recht und Billigkeit und zugleich weise Mäßigung und Klugheit die in Genua bevor⸗ stehenden Verhandlungen beherrschen. Es kann sich in Genua nicht darum handeln, noch einige Milliarden aus dem kranken Deutschland herauszuziehen. Es handelt sich um mehr: hier werden die Würfel geworfen um die Zukunft ganz Europas und vielleicht der ganzen Welt. Es handelt sich darum, Mittel und Wege zu finden, um die wirtschaftliche Lage Deutschlands und Europas einer Gesundung entgegenzuführen. Wenn das nicht geschieht, dDdann werden auch die Siegerstaaten in den Untergang Dentsch⸗ lands und seiner Nachbarstaaten hineingezogen werden. Wenn es aber geschieht, wenn Vernunft und Weisheit siegt, wenn nicht der Haß Frankreichs die Ueberhand gewinnt, sondern die Klugheit Englands und der kaufmännische ruhige Geist Amerikas obwaltet, dann möge Genua der Stern sein, der Europa aus seiner schweren wirtschaftlichen Bedrängnis hinausführt. (Lebhafter Beifall.) Abg. Dr. Stresemann (D. Volksp.): Der Ton der Repa⸗ rationsnote war nicht nur schroff, sondern anmaßend und be⸗ leidigend. Man ent uns auch im diplomatischen u die Achtung. Gegen diesen Ton und auch gegen das ganze Verhalten der Interalliierten Militärkommission legen wir Verwarung ein und fordern die Regierung auf, nicht nur im Reichstag, sondern auch in ihrer schriftlichen Beantwortung eine würdige Verwahrung einzulegen. Die Note enttäuschte alle diejenigen, die an eine Entspannung der internationalen Atmosphäre glaubten. (Sehr wahr! rechts) Wir gehen seit dem Waffenstillstand diesen Leidens⸗ weg. Deutschland hat die Waffen nicht bedingungslos niedergelegt, i in den Verhandlungen mit dem amerikanischen Staats⸗ ekretär Lansing vorher lag eine Bindung der Entente, an der der Frieden vertrag nichts ändern konnte. Ministerpräsident Nitti hat geschrieben, kein Mensch könne be⸗ hgupten, daß der Versailler Vertrag auch nur die entferntesten Beziehungen zu den immer wiederholten Erklärungen der Entente und zu den feierlich übernommenen Verpflichtungen habe. (Hört, hört!) Der verstorbene demokratische Abgeordnete Haußmann sagte in der Sitzung der Nationalversammlung vom 12. Mai hier in der Berliner Universität: „Wenn das deutsche Volk diesen Frieden geahnt hätte, hätte es niemals die Waffen niedergelegt.“ (Hört, hört!! Und ein sozigldemokratischer Führer sagte damals: Wehe dem Volk, das die Waffen zu früh aus der Hand legt!“. Aber es berrscht noch immer der Geist von Versailles in der letzten Note. Dabei findet sich in dem Memorandum Lloyd Georges vom 25. März 1919 der Satz: „Wir können e, n , nicht ver⸗ ie, und gleichzeitig verlangen, daß es zahlt.“ Der englische inisterpräsident warnte damals seine Freunde, eine Politik 6 treiben, die zum Zusammenbruch Deutschlands führen müsse. Er nahm an, daß sich in Deutschland niemals eine Regierung finden würde, die ihre Unterschrift gebe, er warnte die alliierten Mächte und sagtè ihnen: „Wie wäre unsere Lage, wenn wir niemand in Hilfe ns haben, der diesen Vertrag annimmt?“ Ich ann des⸗ halb nicht ganz den Ausführungen des Abgeordneten Marx * stünmen über die Folgen der Ablehnung wegen der unerträglichen außenpolitischen Bedingungen. Auch jnnerhalb der Entente gibt es Kreise, die den Wirkungen dieses Friedens entgegentreten, damit ie sich nicht zu einem vollkommenen Chaos auswachsen. Der ozialdemokratische Redner zeigte gestern eine gewisse Resignation, weil die Entspannung ausbleibt, die man von Genug erhoffte. Gesbisfe Tatsachen deüteten allerdings auf eine allmähliche Ent⸗ spannung hin, Lloyd George ist zu den Grundsätzen seines Memo⸗ randums zurückgekommen bezüglich de finan. iellen Fragen, die anglo⸗amerikanische Welt bat Verständnis , die wirtscha tiche , , . der Welt, aber auf ie Politik Frankreichs haben bee Gedankengänge nicht gewirkt. Dem englischen Wort, daß Deutschland nicht verstümmelt werden dürfe, sind Taten nicht 4 Nun hoffte man auf eine Ent⸗ are

spannung der Atmosphär Genua. In diesem Augenblick

mistisch, aber die

nicht ein

Der frühere italienische

wie gerade Deutschland es ist, noch .

der Polenpolitik und der finan⸗

kommt die Note der Reparationskommission und wirft uns wieder ie auf die Zeiten von Versailles. Das ist über den Inhalt er Note hinaus das Tragischste an der ganzen Einstellung der Entente. Unsere . vor dem Londoner Ultimatum sind nicht immer 8 geführt worden. Wir waren zu opti⸗ 63 unserer Leistungsfähigkeit hatte zur

Voraussetzung, daß Oberschlesien bei Deutschland bliebe und daß alle deutschen Wirischaftsgebiete wieder unter deutsche Verwaltung estellt würden. Der Reichskanzler hält es für einen Segen der

rfüllungspolitik, zu erfüllen, um die Absurdität der Erfüllung zu

beweisen. Der frühere Minister Simons hat mit Stolz darauf , . daß die erste Goldmilliarde . sei. (Abg. r. Helfferich: Ein Skandal! Dadurch mußte der Eindruck er⸗

weckt werden, daß diejenigen recht hätten, die an die ungeheure Leistungsfähigkeit Deutschlands glaubten. Damals übersah man die er . Verhällnisse, unter denen die erste Goldmilliarde aufgebracht werden mußte. Wir hätten es für richtiger gehalten, wenn sich die Regierung in diesem Hause hätte interpellieren lassen und dann vor der ganzen Welt festgestellt hätte, wie unmöglich uns . Aufbringung aus eigener Kraft war. (Sehr richtig!) Letzten Endes hätte das auf die künftigen Entscheidungen und die Berücksichtigung der deutschen Leistungsfähigleit weit besser ge⸗ wirkt. (Zustimmung.) Ich habe welter den Eindruck, als ob eitens unserer Regierung die furchtbare Schwächung unserer Wirt⸗ chaft durch den . des besten Teiles Oberschlesiens den egnern gegenüber nicht genügend zum Ausdruck gebracht worden

ist. (Zustimmung.) Es kommt immer wieder darauf an, zum Ausdruck zu bringen, wie verstümmelt das Deutschland ist, das alle diese Leistungen aufbringen soll, und zwar bewußt ver⸗ stümmelt, denn Saargebiet and Oberschlesien, das ist eine politische Linie. (Lebhafte Zustimmung rechts) Ueber den Satz der Note vom 28. Januar, daß wir aus politischen Gründen erfüllen müssen,

können wir nicht spotten, denn die politische Lage ist so, daß wir

nicht einfach sagen können, wir lehnen jede Leistung ab. Dann

aber soll auch die Entente die die Leistungen bestimmen, die sie

glaubt 3 36 Erklärung verhängen zu müssen, aber es darf Ingebot der deutschen Regierung über ein Minimum

der Erfüllung gemacht werden. Ich glaube, daß auch dDiese Leistungen über das hinausgehen, was für Deutschland möglich ist, ohne weiter seine Valuta zu entwerten und weiter in die Substanz der deutschen Wer e einzugreifen. Der Antrag Hergt ist mir erst vor wenigen Augenblicken . Kenntnis gekommen. arin wird bedauert, daß der Reichskanzler sich gestern erneut auf eine bestimmte Leistung für 1922 festgelegt hat. Diese Auffassung habe ich von der Rede des Reichskanzlers nicht gehabt. (Sehr wahr!) Der Reichskanzler hat im Gegenteil gesagt, daß er für 1922 die Erfüll ng der vorliegenden Forderungen für unmöglich erachtet, und hat auf den Gedanken einer ausländischen Anleihe hingewiesen, die schon für dieses Jahr notwendig werden würde. An einer anderen Stelle hat er darauf hingewiesen, daß seit dem 28. Januar die wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands sich wesentlich ver⸗ schlechtert hätten und die Zahlungsfähigkeit zurückgegangen wäre. Daraus ziehe ich den Schluß, daß man nicht sagen kann, daß er sich erneut gestern auf diese Ziffern festgelegt habe. Dann möchte ich davor warnen, den Gegensatz der Leistungen in Goldmark und der Sachleistungen zu sehr nach der Richtung hin zu übertreiben, als wenn die Sachleistungen das weniger Wertvolle und weniger in unser Wirtschaftsleben Einschneidende wären. Dem Minister Rathenau gegenüber weise ich darauf hin, daß die Schnelligkeit, mit der sich die Mark seit dem 19. Mai vorigen Jahres entwertete, die Antwort der internationalen Welt war auf die ungeheuren Härten des Londoner Ultimatums. Das Vertrauen, daß Deutsch⸗ land seine Verpflichtungen erfüllen könne, war nicht mehr vor⸗ handen. Die Konzentrierung unserer Leistungen auf Sachleistungen durch die ungeheure Gefahr in sich, daß wir gerade in der Zeit, wo wir mit allen Kräften uns um den Wiederaufbau unserer Handels⸗ schiffahrt bemühen und wo wir unsere Weltbeziehungen einiger⸗ maßen wieder erlangen wollen, die tin i g Möglichkeit verlieren, die Reparationsleistungen durch Ueherschüsse der Ausfuhr zu er⸗ füllen, und zwar dadurch, daß der größte Teil der deutschen Produk⸗ tion zur freien Verfügung der Entente für die Sachleistungen be⸗ stellt wird. (Zustimmung ) Ich glaube, daß die Regierung und die überwiegende Mehrheit des Reichstags, vielleicht der ganze Reichs⸗ tag, der Meinung sind, daß die Forderungen der Note unter keinen Umständen erfüllbar sind. Das Ausland bestreitet ja die Not des deutschen Volkes und weist immer darauf hin, wir seien das Land der geringsten Arbeitslosigkeit, und weist weiter hin auf das Leben in Deutschland. Ich glaube, die Entwertung der deutschen Mark zeigt am besten den tatsächlichen Rückgang des deutschen Vollsver⸗ mögens seit dem verlorenen Kriege, Früher war Deutschland neben England der größte Käuferstaat der Welt. 1920 betrug Deutsch⸗ lands gesamter Welthandel nur noch 7 Milliarden Goldmark; wir haben zwei Drittel von dem verloren, was wir früher hatten. Die deutsche gie betrug im letzten Jahre vor dem Kriege 728 Mil⸗ lionen Doppelzentner, sie sank 1921 auf 180 Millionen. (Hört, hört! Die Ausfuhr ist von 737 Millionen Doppelzentner auf 181 Millionen zurückgegangen. Der Rückgang des deutschen Volks⸗ vermögens zeigt sich auch in dem Verlust der ganzen ausländischen Guthaben, der Handelsflotte, der Kolonien. Auch ideelle Werte haben wir verloren, die der deutsche Kaufmann einzusetzen wußte. Durch den Vertrag von Versailles ist eine Defamierung des deut⸗ schen Kaufmanns eingetreten. Sehr wahr!) Wieviel Werte sind gerade den kleinen Leuten verloren gegangen, die deutsche Kriegs⸗ y. gezeichnet haben. Was ist geworden aus all den Lebens⸗ versicherungen, die in die Milliarden gehen, womit viele Deutsche r sich einen ruhigen Lebensabend sichern zu können? die Herren im Ausland, die da sagen, wir hätten den Krieg ver⸗ hältnismäßig gut überstanden, vergessen auch die große soziale Umschichtung in Deutschland. Auch in Deutschland gibt es ein langsames Dahinsiechen, ja man kann ohne Uebertreibung sagen, ein Dahinsterben einzelner Bevölkerungsschichten, worunter sich ge⸗ rade die hesten kulturellen Elemente 4 Auf die Not der Wissenschaft hat ja der Reichskanzler schon hingewiesen. Viele deutsche Stadttheater kämpfen einen schweren Kampf. Daß der Versailler Vertrag auf die ganze Weltwirtschaft verheerend gewirkt at, zeigt selbst das Veispiel der Vereinigten Staaten, wo die Konkurse eine ungeheure Zahl erreicht haben und Ausfuhr und Einfuhr stark nnn sind. Auch die Vereinigten Staaten sind in Schicksalsgemeinschaft mit der ganzen Welt. Wenn man die Lage in England betrachtet, so versteht man den Ausspruch Lloyd Georges 4 . dem französischen Ministerpräsidenten: „Wir haben auch verlorene Provinzen, unsere verlorenen Provinzen sind unser verlorener Handel“, wir vermissen aber, daß man aus diesen Tatsachen die Folgerungen fie ohne einen wirklichen Wiederguf⸗ bau Mitteleuropas kann die Weltwirtschaft nicht wieder in Ord⸗ gung gebracht werden. Mit der wirtschaftlichen Zerrüttung geht die olitische Zerrüttung, die die Gegenwart kennzeichnet, Sand in Ddand. Was damals Lloyd George darüber sagte, daß die Ver⸗ ältnisse dazu führen müßten, in Deutschland das Feld für den olschewismus vorzubereiten, hat auch heute noch seine Wahrheit. Wenn die Teuerungz welle so i e, wenn die Spannung, die uns von österreichischen Zuständen scheidet, sich fortgesetzt ver— ringert, dann wird die Zerstörung unserer Valuta in einem ande, andere Folgen für die

Weltwirtschaft haben, als der österreichische Zusammenbruch. Auf

der , in Genug soll auch der Aufbau Rußlands und

eutschlands . werden. So klein Mitteleuropa auf der

andkarte aussehen mag, so bildet doch die Tatsache, daß vom Ural bis zum Rhein gin Gebiet sich erstreckt, dessen Wirtschaft zerrüttet ist, die Ursache für die schwierige Lage der gesamten Weltwirtschaft.

ch muß aber davor warnen, daß un sere Politik einen falschen Weg sa, ,. Venn ich auch noch nicht klar sehe über den Weg, der in London für den Wiederaufhau gewählt ist, so möchte ich doch bezweiseln, daß die Form des Syndikats die allein richtige ist, die man Rußland gegenüber anzuwenden hätte. Man darf auf keinen Fall bei Rußland die Anschauung hervorrufen, daß Rußland auch von uns als eine Ausbeutungskolonie des interngtionglen Kapitals angesehen wird. (Sehr richtig) Eine solche Methode würde den

schärfsten Widerstand jeder russischen Regierung finden und wire zum Scheitern verurteilt. Wir aber sollten am ehesten uns Wiederausbau Rußlands einsetzen und sollten sur die russisenn berechtigten Forderungen in bezug auf den Wiederausbau Ver— standnis haben und sie unterstützen. Die durch den Frie ensvertrag bon Versgilles hervorgerujene Zerrüttung der Weltinirtschast wirh von den Gegnern als unsere möralische Schuld hingestellt. Auf die Frage der Kriegsschuld will ich nicht eingehen, aber da ich pon einer deutschen Propaganda gegen die Krieg schuldlügen bisher wenig ehört habe. möchte ich doch darauf hinweisen, daß z. B. Nitti in . Buche u. a. ausführt, es wäre zwar mitten im Kriege Italieng Pflicht gewesen, uns als Feinde in den schwarzesten Farben zu malen, daß es aber jetzt lächerlich sei, zu behaupten, daß Deutsch— land allein die Schuld am Kriege trage, und zu bestreiten, daß vor dem Kriege ein Zustand in Europa herrschte, der mit Natur notwendigkeit zum Kriege treiben mußte. (Hör, hört!) Und Lloyd George hatte in Dezember 1920 ausgesprochen, daß schließ— lich kein Land die alleinige Schuld trägt. Wenn man zu diesen Aeußerungen die Tatsache hinzufügt, daß Poincars sich weigert, diese Fragen in Genua zu erörtern, so zeigt das, daß Deuisch= land die Erörterung der Schuldfrage nicht zu fürchten hat. (Sehr wahr! Die Erfüllung des Programms von Genua, das die Schafsung einer Grundlage für den europaischen Frieden und den wirtschafilichen Wiederausbau Mittel⸗ und 2steuropas umfaßt, ist nur möglich mit einem gesunden Deutschland. Diese Ge— 6 ist unvereinbar mit der bisherigen Erfüllungspolitit, enn alle Leistungen, die gemacht werden, greifen schließlich an die Substanz. Angesichts der Zerstörung unserer Baluta und ange— ichts der Tatsache, daß im Ausiande sich bald Käufer nicht meh sinden werden, die deutsche Ware zu spekulativen Zwecken lausen, müssen wir uns mit aller Entschiedenheit dagegen wenden, daß auch nur die Verpflichtungen von Cannes aufrechterhalten werden. ö cht gh Der Herr Reichskanzler hat gestern mit erfreu— icher Deutlichkeit die Forderungen der neuen Ententenote zurück ,. Ich habe aus 663 Rede nicht herausgehört, daß der Reichskanzler erklärt hat, utschland wolle die 7290 Millionen Goldmark und 1450 Millionen Sachleistungen zahlen, sondern er hat vielmehr darauf hingewiesen, daß i seit Cannes die Leistungsfähigkeit Deutschlands verringert hat, und daß schon für 192 eine internationale Anleihe notwendig ist. (3Zustimmung des Reichs. kanzlers.) Ich bin der Auffassung, daß das Steuerkompromiß einschließ⸗ lich der Zwangsanleihe das böchsmaß dessen darstellt, was die deutsche Wirtschaft ertragen kann, daß vielleicht schon das Höchst= maß überschritten ist. (Zustimmung rechts. Ich sehe den Aus— weg nur in einer internations en Anleihe verbunden mit einem längeren Moratorium. Eine solche Anleihe muß die Entente zu er⸗ möglichen suchen. Die Stellung der Vereinigten Staaten wird für diese Anleihe von Bedeutung e Wir sind grundsätzlich gegen die Erfüllungspolitik aus moralischen Gründen, weil wir nicht an die Erfüllbarkeit . Nachdem entschiedenen „Nein“ des Reichskanzlers in seiner gestrigen Rede gegen die neuesten Forderungen, ist es notwendig daß sich hinter dieses „Nein“ eine möglichst große Mehrheit des Reichstages stellt, um ihm Nachdruck k geben. Ir unserer Erfüllungspolitik müssen wir die wirtschaft⸗ ichen Wirkungen als ausschlaggebend den Gegnern vor Augen führen. Bei dem Sachleistungsabkommen dürfen wir uns nicht abdrängen * von der von England aufgeworfenen Linie. Der Gedanke der freien . wird eine Verständigung über die Sachleistungen sehr erschweren. Mon kann bezweifeln, ob Genug praktische Erfolge haben wird. Wenn dort neben den fanatischen Politikern einer übertriebenen Machtpolitik auch einige wirtschaft⸗ liche Führer anderer Staaten zu Wort kommen, dann könnte die Diskussion die Grundlage für eine Verständigung bieten. Ic stimme dem Reichskanzler zu, wer ohne Hoffnung ist, soll di Hände von der Politik lassen, aber man soll die Hoffnung nicht nur auf das Ausland und auf andere setzen, sondern in erster Linie auf sich 3 Sehr richtig! rechts) Pann hoffe ich, n alle Parteien, die sich jetz hinter das Nein stellen, auch bei dier Nein bleiben (sehr wahr! rechts), und dieses Nein jeweils ber— reten mit all den guten Gründen der politischen Moral, der win 6g tlichen Vernunft und des Wiederaufbaues Europas und der Welt, die für dieses Nein sprechen. (Lebhafter Beifall rechts id Händeklatschen.)

Reichsminister des Auswärtigen Dr. Nathenau: Meine Damen und Herren! Als ich vor nunmehr zwei Monaten im Auswärtigen Ausschuß des Reichstags über Cannes berichtete, habe ich ausgesprochen, es könnten Nachtfröste kommen und die junge Saat des Friedens schädigen. Das Klima Europas schien mi damals noch nicht genügend erwärmt, um hoffen zu dürfen, dez ein Vorfrühling des Friedens eintreten werde.

In Cannes war manches erreicht. fünf Milliarden, die das Ultimatum uns auferlegte, und die zum Teil bestanden in festen Leistungen, zum anderen Teil in den Ab gaben des Index, zum dritten Teil in den Goldleistungen für Be satzungskosten, war auf 720 Millionen verringert worden. Es war den deutschen Vertretern Gelegenheit gegeben worden, unserg wirtschaftliche Lage unumwunden der Entente darzulegen, und e ist seitdem noch nicht eine autoritative Stimme aufgetreten, die unsere Ausführungen widerlegte. Des ferneren war zum erste Male eine Weltkonferenz in Aussicht genommen, an der Deutsch land als gleichberechtigter Faktor teilnehmen sollte.

Die Konferenz in Cannes fand kein natürliches Ende. Durch den Sturz des französischen Ministerpräsidenten Briand war di Situation von Grund aus geändert. Die endgültige Entscheidung die von der Konferenz erwartet wurde, ging auf die Reparations kommission über.

Uns wurde anheimgestellt, der Reparationskommission ein Anerbieten zu machen. Für diese Offerte waren die Grundlinie vorgezeichnet; sie waren vereinbart zwischen England und Franl reich, und es war uns davon Kenntnis gegeben, daß das Morato rium, das wir verlangten, nur gewährt werden würde, wenn wi die Bedingungen annahmen, die man uns vorschlug. Das Morato rium mußten wir haben; denn die Goldzahlungen des Janug und Februar waren nicht zu leisten. So wurde die Offerte se eingereicht, wie sie vereinbart war.

Bis zur endgültigen Entscheidung aber wurde von der Repara tionskommission uns eine Dekadenzahlung im Betrage von 31 Nil lionen für alle zehn Tage auferlegt. Schon in Cannes habe ich di Reparationskommission darauf aufmerksam gemacht, daß eine solch Dekadenzahlung von Deutschland nur für ganz kurze Zeit geleiste werden könne, wenn nicht die Gefahr entstehen sollte, daß di deutsche Valuta aufs schwerste zerrüttet würde. Ich bin auf die Aeußerungen der Neparationskommission gegenüber zurüc gekommen; ich habe mehrmals mündlich und schriftlich darauf hin gewiesen, daß die Zeit sich allzusehr verlängerte, daß die Zahlunger

der Dekaden dieselbe Wirkung haben mußten, die ich in Canne

vorausgesagt hatte. Tatsächlich ist auch die Zerrüttung unsere Valuta eingetreten: der Aufstieg des Dollar von 160 bis auf übe 300.

Die Verhandlungen mit der Reparationskommission zogen sis in die Lände, nicht Verhandlungen zwischen uns und ihr, sonder Verhandlungen, die sie selbst mit dem französischen Minister präsidenten zu führen hatte. ö.

Die Goldzahlung von

Budget in Einklang, un

VMWöährend dieser Zeit haben wir, dem Wunsche der Reparations⸗ kommisfion enksprechend, mit denjenigen Delegierten verhandelt, die uns gesandt wurden, nämlich in erster Linie mit Herrn Bemel— mans, in der Absicht,. die Sachleistungen für uns und auch für diejenigen Länder, die anspruchsberechtigt waren, durchführbar zu machen, nämlich für England, Belgien, Italien und Serbien. Ein Abkommen wurde präliminiert. Kurze Zeit darauf erschien un— angemeldet der französische Delegierte Herr Gillet abermals mit Zustimmung der Reparationskommission, um den Versuch zu machen, auch hinsichtlich der französischen Sachleistungen neue Modalitäten mit uns zu verabreden, die dann gleichfalls in Vor⸗ besprechungen geklärt wurden. Von unserer Seite also wurde nichts versäumt während der langen Periode, innerhalb deren die Reparationsommission mit ihrer Entscheidung zögerte. Wie Sie wissen, ist diese Entscheidung erfolgt am 21. März und hat Deutsch⸗ land auf das schwerste enttäuscht. Sie hat nicht nur uns enttäuscht, sondern einen jeden in der Welt, der eine Hoffnung auf wirklichen Frieden und auf eine mögliche Regelung des Reparationsverhält⸗ nisses hegte. (Sehr richtig!)

Um die Entwicklung dieser Wochen zu verstehen zwei Monate vergingen während dieser Verhandlungen —, müssen wir uns klarmachen, welche bedeutende Wandlung im politischen Welt⸗ geschehen eingetreten war. In Frankreich hatte ein Staatsmann von großer Erfahrung in internationalen Verhältnissen und von rückhaltloser Willenskraft die Zügel ergriffen. Poincars nahm den Kampf gegen England auf, und Boulogne hat uns gezeigt, daß dieser Kampf nicht ganz erfolglos gewesen ist. Wenn auch in Boulogne Neubeschlüsse nicht gefaßt werden lonnten, wenn auch nur das bestätigt wurde, was ursprünglich schon auf der Ein⸗ ladungskarte für Genua gestanden hatte, so war doch diese Wieder⸗ holung eine Bekräftigung desjenigen Willens, der uns verhindern wollte, die Frage der Reparationen in Genua zur Sprache zu bringen, diejenige Beschränkung der Konferenz aufzuerlegen, die ihr eigentlich das Herz ausbrach. Von einer starten parla⸗ mentarischen Mehrheit getragen, begann Poincars seine Politik, und sie hat sich in kurzer Zeit auf allen Schauplätzen der Politik ausgewirkt, nicht nur England gegenüber, sondern auch im näheren Osten, wo die Zahl der Bündnisse, Verständigungen und Militär⸗ konventionen fast von Tag zu Tag wuchs, nicht nur in Klein⸗ asien, wo die französisch⸗türkische Politik vordrang gegenüber der englisch⸗griechischen. Die Auswirkung erstreckte sich auch auf uns, und zwar zeigte sie sich zunächst in einem Hagel von Noten, die seitens der interalliierten Militärkommissionen auf uns hernieder⸗ prasselten. Ich habe zählen lassen, daß wir etwa im Laufe von zwei Monaten hundert Noten von diesen Kommissionen zur Beant⸗ wortung bekamen. (Lebhaftes Hört, hört!) Sie können sich denken, daß es nahezu einer Lahmlegung der Behörden gleichlkommt, wenn sie gezwungen sind, täglich und nächtlich an der Beantwortung dieser Schriftstücke zu arbeiten. (Lebhafte Zustimmung.) Von dem letzten Herrn Redner ist auf die sehr unerfreuliche Entwick⸗ lung hingewiesen worden, die die Abgrenzung am Weichselgebiet in der letzten Zeit erfahren hat. Wir haben nicht unterlassen, nicht nur die Botschafterkonferenz, sondern alle Länder einzeln darauf hinzuweisen, daß hier ein schweres Unrecht im Zuge ist, und es ist wenigstens erreicht worden, daß die Botschafterkonferenz zunächst ihre Entscheidung zurückgestellt hat. .

Etwas Tragisches liegt darin, daß die gegenwäxtig stärkste Militärmacht der Welt, daß Frankreich in seinem ganzen Tun und Handeln bestimmt wird durch die Besorgnis vor einem deutschen Angriff, vor einem Angriff eines vollkommen entwaffneten Landes, das kaum so viel Soldaten aufbringt, um seine innere Ruhe zu erhalten. Es ist in hohem Maße bedauerlich, daß durch diesen Gedanken Frankreichs jede Behandlung europäischer Probleme eine politische Note erhält. (Sehr richtig!)

Gerade auf einem derjenigen Gebiete, mit denen sich die Noten der letzten Zeit besonders intensiv beschäftigten, trat diese politische Tendenz in bedauerlicher Weise hervor. Ich spreche von denjenigen Noten, die sich auf unsere Schutzpolizei beziehen. Es ist durchaus verständlich, wenn in einem geordneten, mit starker Militärmacht versehenen Lande, wenn in einem Lande mit un⸗ geschwächter Staatsautorität ein Gendarmeriesystem vertreten wird, das auf rein munizipaler, örtlicher Organisation beruht. Für Deutschland ist eine solche Regelung nicht tunlich. Wir leben in einer Zeit des Uebergangs der schwersten Zerrüttung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse, wir leben in einer Zeit, in der schwer gebändigt unter der Oberfläche die Mächte der Unruhe sich bewegen. (Zurufe von der äußersten Linken: Alte Geschichte! Innerer Feind! Ich rede von keinem inneren Feind; ich rede

von den Zeichen der Unruhe im Lande. (Erneute Rufe von der

äußersten Linken. Gegenrufe vechts) Ich wäre dankbar, wenn die Unruhe des Landes sich nicht in einer Unruhe des Hauses spiegelte. (Sehr out! bei den Deutschen Demokraten.) Wir leben

in einem Lande mit geschwächter Staatsgewalt, und wir sind

deshalb darauf angewiesen, für Ruhe im Lande zu sorgen. Das ist nur dann möglich, wenn eine wirksame Polizeigewalt im Lande erxistiert. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum) Unter solchen Auspizien der äußeren und der Gesamtyolitił ist die Note der Reparationskommission erwachsen. Die Kritik an der Note hat gestern der Herr Reichskanzler geübt, und ich habe dieser Kritik nicht ein Wort hinzuzufügen. Um aber die Voraussetzungen und Tendenzen klarer zu verstehen, auf die sich die Note gründet, ist es erforderlich, daß wir uns in einen fremden Vorstellungskreis zu versetzen suchen und einige Irrtümer dieses Vorstellungskreises beleuchten. (Zustimmung bei den Soʒialdemo⸗ kraten und den Deutschen Demokraten. Abg. D. Everling: Impressionen! Heiterkeit) Herr Abgeordneter, die Impression,

di i j chter als das die ich von ihrem Zwischenrufe habe, ist jedenfalls schle r Buch, auf das Sie Bezug nehmen. (Sehr gut in der Mitten) Der

erste Irrtum, mit dem wir uns befassen müssen, ist die übertriebene le, . des Auslandes von dem Begriff der Inflation und ihren Wirkungen. Immer wieder tritt uns die Vorstellung ent⸗ gegen, daß, wenn unser Geldwert zerrüttet ist, das nur auf den Notendruck zurückgeführt werden kann. Das Rezept e, ee. uns gegeben wird, ist: Stoppt Eure Notenpresse, bringt uer . d das Unglück ist behoben! Ein er wiegender volkswirtschaftlicher Irrtum! Für ein Land mit a wer Zahlungsbilanz ist die Gesundung des Geldes n n,, man deplazonistische Politik betreibt, die Bs lance des 3. a. herstellt und die Notenpresse stoppt. Anders liegt es . . . Sand mit passiver Zahlungsbilanz. Ich fordere jeden Kenne

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Wirtschaftslebens auf, mir einen Weg zu nennen, auf dem einem Land mit passiver Zahlungsbilanz ermöglicht wird, dauernd Gold⸗ zahlungen zu leisten, ohne Hilfe fremder Anleihen und dabei seine Valuta intakt zu halten. Niemals ist der Versuch gemacht worden, ein solches Rezept zu geben, und es kann nicht gegeben werden. (Zuruf: Helfferich! Heiterkeit Denn ein Land, das Gold nicht produziert, kann Gold nicht zahlen, es sei denn, daß es dieses Gold durch Ausfuhrüberschüsse kauft, oder daß ihm das Gold ge⸗ liehen wird.

Der Kreislauf unserer Valutazerrüttung ist der folgende: passive Zahlungsbilanz, infolgedessen die Notwendigkeit, unsere Zahlungsmittel im Auslande zu verkaufen oder auszubieten; da⸗ durch Entwertung der ausgebotenen Ware der verkauften Zahlungs⸗ mittel; dadurch Schädigung des Geldwertes im Auslande. Schädi⸗ gang der Valuta. Weitere Folge: Ansteigen aller Preise im Inlande, Ansteigen aller Materialkosten und aller Personalkosten. Weitere Folge: Das Klaffen des Budgets; denn ein Budget besteht aus keinen anderen Ausgaben als aus sachlichen und persönlichen, und wenn diese beiden ohne Gegenwert steigen, so ist jedes Budget, und mag es vorher noch so sehr im Einklang gewesen sein, zerrüttet. Wer den Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung noch braucht, der sei darauf hingewiesen, wie sich tatsästlich unser Geldwert im Ausland während einer Zeit vollkommen stabilen Weiterganges der Inflation bewegt hat. Wir haben bei diesem stabilen Gang im Herbst letzten Jahres einen Dollarkurs von 300 erlebt, er hatte sich im Dezember auf etwa 160 ermäßigt, er ist abermals gestiegen auf 350, und alles das stand nicht im Zusammenhang weder mit dem Druck der Notenpresse noch mit dem Fortgang der Inflation.

Einen zweiten Irrtum der ausländischen Auffassung von unserer Zahlungsfähigleit habe ich zu erwähnen. Er betrifft die Frage unserer Steuerbelastung. Wir haben der Reparations⸗ kommission und der Konferenz in Cannes das Material übergeben, das den Nachweis erbrachte, daß Deutschland heute schwerer mit Steuern belastet ist als andere Länder. Von keiner Seite ist der Versuch gemacht worden, unsere Rechnungen zu entkräften. Aner⸗ kannt wurde, daß die Kalkulationen überaus schwierige sind, daß es ernster theoretischer Auseinandersetzungen bedarf und nicht mechanischer Vergleiche von Zahlen, die auf Dollars übersetzt werden. Aber der Versuch einer Widerlegung ist nicht gemacht worden. Das einfachste Beispiel kann ja nicht widerlegt werden: wenn in Deutschland das Einkommen der höchsten Staatsbeamten 300 oder 500 Dollar beträgt, so kann dieser Staatsbeamte keines⸗ falls mehr als 300 oder 500 Dollar Steuern zahlen. aber keineswegs aus, daß ein Staatsbeamter eines anderen Landes, der 3000 oder 5000 Dollars verdient, sehr wohl mehr Steuern zahlen kann, als die ganzen Einnahmen des deutschen Staats⸗ beamten betragen.

Ein dritter Irrtum, der bereits von dem Herrn Abgeordneten Stresemann erwähnt wurde, ist der, daß man uns vorhält: Eure Wirtschaft ist voll beschäftigt, Ihr habt keine Arbeitslosen, bei Euch

raucht jeder Schornstein, bei Euch laufen alle Maschinen mit Voll⸗

dampf, wo bleibt nun das Produkt dieser Arbeit! Dieses Produkt muß doch vorhanden sein. Es muß dazu dienen, die deutsche Ver⸗ mögen zsubstanz anzureichern, und dieses Produkt muß für Reparationen faßbar sein. Die Antwort auf diese Frage habe ich in Cannes ge⸗

geben und ich werde es hier noch einmal mit größerer Deutlichkeit

tun. Die Reparationen, die wir im letzten Jahre gezahlt haben, beliefen sich auf 116 Milliarden Goldmark. Diese anderthalb Mil⸗ liarden Goldmark bedeuten nicht mehr und nicht weniger als die Jahresarbeit von einer Million deutscher Arbeiter. Wir haben, wie Sie wissen, durch den Niedergang unserer Landwirtschaft eine erheb⸗ liche Einfuhr von Lebensmitteln nötig.

mals die Arbeitskraft eines ganzen Jahres von einer Million Deut⸗ schen. Unseren Auslandsbesitz haben wir verloren, die Guthaben und Investitionen, den Ueberseebesitz. Die Einnahmen aus diesen Besitz⸗ tümern betrugen weit über eine Milliarde in Gold, und diese Ein⸗ nahmen verwandelten sich in einen Zusttom bon Rohstoffen und von Waren, für die wir Gegenwerte nicht zu leisten brauchten. Wenn wir heute diese Rohstoffe und Güter uns durch Kauf beschaffen müssen, so haben wir dafür Arbeit zu leisten und es ist abermals die Arbeit von einer Million Deutschen erforderlich, um den Gegenwert zu bezahlen. Wir kommen also zu der Rechnung, daß drei Millionen Deutsche gegenwärtig Jahr für Jahr zu arbeiten haben, um den⸗ jenigen Stand einigermaßen wiederherzustellen, der uns vor dem Kriege ohne diese Arbeit beschieden war. Es wird also gleichsam von drei Millionen Menschen die Arbeit kompensationslos verzehrt, das bedeutet freilich einen Zustand von starker Beschäftigung des Landes, aber nicht von produktiver Beschäftigung.

Einen vierten Irrtum hat Herr Stresemann erwähnt, auf den ich mit wenigen Worten ergänzend eingehen möchte. Es wird uns vom Auslande entgegengehalten: Eure Industrie ist blühend; Eure Gesellschaften zahlen hohe Dwidenden; sie emittieren neues Kapital, sie schaffen also große neue innere Werte. Auch dieser Schluß ist falsch. Denn wenn wir das Beispiel einer Gesellschaft von 100 Mil lionen Aktienkapital nehmen und annehmen, daß diese Gesellschaft selbst 20 Prozent Dividende zahlt, so hat sie auf die Goldwerte ihres Aktienkapitals nicht mehr als Prozent gezahlt. Es bleibt dabei aber unberücksichtigt, daß sie mindestens, um ihren Stand an Maschinen und Einrichtungen aufrecht zu erhalten, eine jährliche Grundlage in Goldmark machen müßte, die, auf Papier umgerechnet, ein Vielfaches des Aktienkapitals ausmacht. Wenn also eine solche Gesellschaft selbst 20 Prozent Dividende zahlt, so fehlen ihr jedes Jahr vielleicht 200, vielleicht 300, vielleicht 500 Prozent ihres Aktien⸗ kapitals an den notwendgisten Rückstellungen.

Ich habe die volkswirtschaftlichen Trugschlüsse erwähnt, die eine Erklärung für die Atmosphäre bieten, innerhalb deren die Repa⸗ rationsnote entstanden ist. Ich darf aber nicht an den erheblichen, ge⸗ fährlichen Irrtümern vorübergehen, die sich in der politischen Men⸗ talität des Auslandes abspielen. Ich nenne von diesen Irrtümern nur zwei. Der eine lautet: Deutschland hat nichts gezahlt und Deutsch⸗ land will nichts zahlen, und der andere lautet: Deutschland hat nicht entwaffnet und will nicht entwaffnen. Meine Herren, ich möchte Ihnen zwei Aufstellungen verlesen, die ich gemacht habe, um diese Fragen zu beantworten. Zunächst: Deutschland hat nichts gezahlt und will nichts zahlen. Es ist schwer, genaue Schätzungen aufzustellen

für alle diejenigen Leistungen, die Deutschland in der Vergangenheit

seit Beendigung des Krieges hingegegeben hat. Aber wenn auch die Schätzungen vielleicht nicht auf die letzten Dezimalen genau zu sein brauchen, so geben sie doch ein deutliches und unwiderlegliches globales Bild von der Gesamtheit der deutschen Leistungen. Ich erwähne

Das schließt

Diese Einfuhr belief sich im letzten Jahre auf 2 Milliarden Goldmark und sie bedeutet aber⸗

folgende Posten: Das deutsche liquidierke Eigentum im Auslande hat einen Wert von 11,7 Milliarden. (Hörtt hört) Die übergebene Flotte hat einen Wert von 5,77 Milliarden. (Hört! hört) Das Reichseigentum in den abgetretenen Gebieten beläuft sich auf 65 Milliarden Mark, übergebenes Eisenbahn. und Verkehrsmaterial beläuft sich auf 2 Milliarden Goldmark, Rücklaßgüter nicht mili⸗ tärischen Charakters 5.3 Milliarden Goldmark, der Verlust der deut⸗ schen Ansprüche an seine Kriegsverbündeten beläuft sich auf 7 Milliarden Goldmark. (Hört! Hört) Der Wert der Saargruben wird von uns auf 1,1 Milliarden Goldmark beziffert. Die Kohlen⸗ lieferungen, die wir getätigt haben, zum Weltmerktspreis gerechnet, belaufen sich auf 13 Milliarden Goldmark. Barzahlungen für Repa⸗ rationen sind bekanntlich 13 Milliarden Goldmark gewesen. Eine Reihe von kleineren Posten kleiner, obwohl sie in die Milliarden laufen übergehe ich, sie betragen im ganzen 32 Milliarden Mark. Wir kommen somit zu einer Gesamtsumme der deutschen Leistungen seit Kriegsende von 45,5 Milliarden Goldmark. (Lebhafte Rufe: Hört! hört! und Bewegung) Hierbei ist der Wert der Kolonien und der reine Wirtschaftswert der abgetretenen oberschlesischen und west⸗ preußischen Gebiete nicht in Ansatz gebracht. Fügt man den nach mittleren Schätzungen hinzu, so erhöht sich diese Summe auf weit über 100 Milliarden Goldmark. (Erneute lebhafte Rufe: Hört! hörth Das habe ich dem Auslande zu sagen, das durch eine starke Propa⸗ ganda heute noch immer die Meinung zu hören bekommt, Deutschland habe nichts bezahlt und Deutschland wolle nichts zahlen. Es ist die stärkste Zahlungsleistung von Deutschland ausgegangen, die jemals von einem Volke der Erde an andere Völker geleistet worden ist.

Die andere Behauptung lautet, Deutschland habe nicht entwaffnet und wolle nicht entwaffnen. Auch hier werde ich Ihnen eine Reihe von Zahlen geben und bitte dabei zu bedenken, daß sich in diesen Zahlen nicht die ganze Entwaffnung Deutschlands ausdrückt, daß sie nicht die gewaltige Heeresreduktion umfassen und daß sie den Verlust unserer Festungen nicht enthalten. Es sind u. a. abgeliefert worden an Gewehren und Karabinern 5.3 Millionen, an Maschinengewehren 102 000, an Minenwerfern und Granatwerfern 23 000, an Geschütze und Rohren 53 000, an scharfen Artillerxiegeschossen und Mine 31 Millionen, an scharfen Hand, Gewehr⸗ und Wurfgranaten 14 Millionen, an Zündern 56 Millionen, an Handwaffen munition 390 Millionen und an Pulver 31 900 000. Demgegenüber ist die Behauptung vermessen, daß Deutschland zur Abrüstung nichts getan habe. Die deutsche Abrüstung ist eine Leistung von unerhörter Größe, und es ist nicht wahr, wenn man behauptet, daß einige Waffen funde, die in Deutschland gemacht worden sind, an Bilde irgend etwas Wesentliches ändern. Noch in hundert Jahren wird man vermutlich irgendwo in deutschem Boden vergrabene Waffen finden, gerade so gut, wie man heute noch roͤmische Münzen ode langobardische Schwerter im Boden findet (heitere Zustimmung). Eine hundertprozentige Leistung auf dem Gebiete einer großen Aktion gibt es nicht, und wenn hier Bruchteile eines Prozents zurückgeblieben sein mögen, so ist kein Grund dafür, diese Tatsachen in Form von Ent⸗ deckungen aufzubauschen. Kein denkender Mensch in der Welt ka annehmen, daß Deutschland mit dem, was ihm an Waffen oder an Kriegern verblieben ist, einen Krieg führen kann. Jeder Mensch, der heute vertraut ist mit dem technischen Wesen eines Krieges, weiß, daß ein neuzeitlicher Krieg nicht zu führen ist mit Resten von Waffen, daß er überhaupt nicht zu führen ist mit vorhandenem aterial, sendern daß er nur geführt werden kann durch Umstellungen der gesamten Industrialität eines Landes. Diese Umstellung aber ift in Deutschland nicht möglich, und somit sind alle Bemühungen bergebli die darauf hinauslaufen, etwa den Beweis deutscher W dadurch zu bringen, daß noch ein halbes oder ein viertel Prozen deutschen Waffen nicht abgeliefert sein möge.

Damit will ich den verborgenen Waffen aber nicht das Wort reden. Ich halte es für tief bedauerlich, daß das Reich in Gefahr gebracht worden ist durch solche Personen, die Waffen versteckl haben mit irgendwelchen unklaren und verworrenen Absichten, ohne deutlich zu machen, daß wir dadurch von neuem den Beschwerden von

dommissionen und schweren politischen Verwirrungen ausgesetzt werden. (Sehr richtig9) Die Reichsregierung wird und muß alles tun, um diejenigen Verpflichtungen, die sie übernommen hat, durch= zuführen, und es soll ihr dabei niemand in den Arm fallen.

Die Abrüstung Deutschlands bezeichne ich als ein vollkommene und ich bezeichne sie um so mehr als eine vollkommene, als sie statt⸗ gefunden hat in einem Europa, das von Waffen starrt. Die be—= absichtigte Abrüstung der Welt hat dazu geführt, daß gegenwärtig in Europa nicht 3, Millionen Soldaten unter Waffen stehen wie vor dem Kriege, sondern 47 Millionen. (Stürmische Rufe: Hört, hörth In dieser waffenstarrenden Welt kann man von einem bewaffneten und kriegsbereiten Deutschland nicht sprechen, wenn man ehrlich die Verhältnisse betrachtet. Aber, meine Damen und Herren, es it doch einmal nötig, auszusprechen, wenn Deutschland diese gewaltigen Leistungen getätigt hat, die Leistungen seiner Zahlungen auf der einen Seite, die Leistungen seiner Entwaffnung auf der anderen Seite, unter welchen physischen und moralischen Verhältnissen Deutschlend diefe beiden großen Taten vollbracht hat. Halb verhungert ging das Land aus dem schwersten aller Kriege hervor, aber nicht nur aus dem Kriege, sondern aus einer Blockade, die sich noch nahezu ein Jahr über Kriegsende hinaus verlängert hatte. In diesem Zustande durchschritt das Volk eine Revolution und eine Reihe von wirtschaftlichen Krisen, die heute noch nicht beendet ist. Eine Geldentwertung trat ein, die, wie es Herr Stresemann mit beweglichen Worten ausgeführt hat, den Mittelstand zertrat, die eine Umschichtung der Stände herbei⸗ geführt hat, wie sie bedauerlicher nicht gedacht werden kann, die Elend und Entbehrungen in alle Schichten des Volks und in fast jede Familie gebracht hat. Die Intelligenz des Landes, unsere kulturellen Werte sind in schwerster Gefahr und Bedrängnis. Der Kanzler hat geschildert, wie es kaum mehr möglich ist, die notwendigsten Institute der gesundheitlichen Pflege zu erhalten. Die Wissenschaft ist in Gefahr. Tausende haben ihre Studien unterbrechen müssen, haben sich anderen Berufen zugewandt. Der Berufswechsel in Deutschland, die Verarmung der geistigen Schichten, hat die kulturelle Kraft unserer Bevölkerung um Jahre zurückgewerfen.

Gleichzeitig aber hat auf dem Lande, das die Leistungen doll brachte, von denen ich sprach, die Leistungen der Zahlung und der Abrüstung, ein Druck gelastet, der bis zum heutigen Tage nicht be⸗ hoben ist: der schwere Druck des Gemüts, des Empfindeng, der Schmerz um verlorene Heimat, der Druck des Okkupationsbeeres im Osten und Westen (sehr richtig), der Druck der Sanktionen, die uns drei Städte im Frieden entrissen haben, der Druck der Kommisstonen,

die im Lande herumreisen und in alle unsere Verhältrisse eingreifen. Dieser schwere Druck hat auf dem Volle gelastet neben dem wirt