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heute bei der Zusammensetzung des Beamtenapparats aus den
Angehörigen verschiedener politischer Parteien überhaupt möglich
ist; denn Sie haben doch dadurch, daß Demokraten und Zentrums⸗
leute, daß Sozialdemokraten und Deutschnationale in einem Regie⸗ rungsprästdium, in einem Oberpräsidinm, hier in der Zentrale sitzen, doch schon die Gewähr, daß von einer Gruppe, von denen eine früher den ganzen Apparat in Preußen beherrschte, nichts mehr vertuscht werden kann. Würde heute in einem Regierungs⸗ präsidium, in dem eine bestimmte Parteirichtung die höchste und größte Zahl der Beamten stellte, heute vielleicht der Versuch gemacht werden, unangenehme Dinge zu vertuschen, die Ver⸗ fehlungen eines Beamten mit dem Mantel der Duldsamkeit zu bedecken, so wäre durch die Buntscheckigkeit der politischen Parteien in der Verwaltung eine Garantie dafür gegeben, daß solche Ver⸗ suche mißlingen müßten. Wie Sie bei dieser Sachlage zu dem Vorwurf kommen können, daß die heutige Aemterbesetzung zur Korruption führen müsse, ist mir unerfindlich.
Nun ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander zur Schutzpolizei. Ich bin zwar mit seiner Feststellung durchaus einverstanden, daß die Debatte der letzten Tage ergeben habe, daß alle Parteien in dem Verlangen, daß das Schutzpolizeibeamtengesetz so schnell wie mög⸗ lich dem Hause vorgelegt werde, nahezu einig sind. Ich stelle fest, daß das Ministerium des Innern an der eingetretenen Verzöge⸗ rung keine Schuld trägt. Das Gesetz ist bereits vor einigen Monaten dem Staatsrat unterbreitet worden, der Staatsrat hat aber die Beratung und Verabschiedung des Gesetzentwurfs abge⸗ lehnt, weil das Reichsrahmengesetz, das von der Reichsregierung in Vorbereikung genommen war, noch nicht verabschiedet sei. Ich kann Ihnen und der Schutzpolizeibeamtenschaft im allgemeinen die erfreu⸗ liche Mitteilung machen, daß gerade am heutigen Tage der zuständige Ausschuß des Reichsrats und der Reichsrat selbst das Rahmengesetz verabschiedet hat, daß es noch morgen dem Reichstage zugehen soll und daß verschiedene Parteien des Reichstags übereingekommen sind, das Reichsrahmengesetz ohne Debatte anzunehmen. (Bravo!) Mit der Annahme des Reichsrahmengesetzes würde dann auch für den Staatsrat die Grundlage für die Beratung geschaffen sein. Ich bin überzeugt, daß auch die Staatsratsmitglieder es sich an⸗ gelegen sein lassen werden, das Gesetz ohne jede Verzögerung zur Verabschiedung zu bringen, so daß es dann dem Hause vorgelegt werden kann. Bei der parlamentarischen Situation von heute gebe ich mich allerdings darüber keiner Täuschung hin, daß vor dem Frühherbst die Verabschiedung durch den Landtag nicht er⸗ folgen wird, wenn sich nicht die Parteien zu dem Opfer bereit finden werden, in den Sommermonaten zu einer kurzen Tagung zusammenzutreten, um das Gesetz zu erledigen.
Ich habe aber einen anderen schweren Vorwurf des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander gegen die preußische Schutz⸗ polizei mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Er hat gesagt, nicht allein in Braunschweig hätten sich Korruptions⸗ erscheinungen in der Schutzpolizei herausgestellt, son⸗ dern die Kriminalität unter der Schutzpolizeibeamtenschaft in Berlin rede eine deutliche Sprache dafür, daß auch die Schutz⸗ polizeieinrichtungen der preußischen Bezirke schon davon angesteckt worden seien. Meine Herren, das ist — verzeihen Sie, ich finde keinen parlamentarischen Ausdruck für diesen Vergleich und für diese Unterstellung. In Braunschweig ist, wenn ich richtig unter⸗ richtet bin, durch die Ermittlungen des parlamentarischen Unter⸗ suchungsausschusses festgestellt, daß die Leitung der braunschweigi⸗ schen Schutzpolizei nicht auf der Höhe stand, daß die Leitung mit ihren Aufgaben es allzu leicht genommen hatte, daß sie mit dem Material des Staates, mit der Zeit der Beamten, nicht gewissen⸗ haft genug umgegangen war. (Abg. Dr. von Dryander: Eine Fülle von Kriminalität der Beamten der Schutzpolizei! — Wider⸗ spruch bei den Sozialdemokraten. — Ach nein, das kann vielleicht ein Gericht festgestellt haben. Ich weiß es nicht. Wenn Sie darüber unterrichtet sind, bitte ich Sie, mir das Material zu unterbreiten. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß hatte die Aufgabe — und diese Aufgabe hat er erfüllt —, zu unter⸗ suchen, was an den Behauptungen von Sepp Oerter und einigen anderen Abgeordneten richtig sei, daß die Leitung der Schutzpolizei unter dem Präsidenten Büchtenkirchner und dem Kommandeur der Schutzpolizei ihrer Aufgabe nicht gewachsen sei. In Berlin ist lediglich festgestellt worden, wie ich gern zugestehen will — auch gelegentlich vor Gerichtsverhandlungen an anderen Orten —, daß unter den Schutzpolizeibeamten einzelne Leute sind, die es mit mein und dein nicht genau genommen haben, die, statt zu Ruhe und Ordnung anzuhalten, die Ruhe und Ordnung selbst durch Trunkenheit, Schlägereien usw. gestört haben. Aber ich frage den Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander: was haben die einzelnen gerichtlichen Feststellungen, die die Kriminalität einzelner Beamter beweisen, mit den Einrichtungen der preußischen Schutzpolizei zu tun? (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Aus Ihren Aeußerungen muß jeder Unbefangene folgern, daß Sie
sagen wollten: die Korruptionserscheinungen, die in Braunschweig'
festgestellt sind, haben auch in der preußischen Schutzpolizei Ein⸗ gang gehalten. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Diese Tendenz Ihrer Ausführungen, diese Absicht Ihrer Bemerkungen weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.
Sie haben weiter die ungeheuerliche Behauptung aufgestellt, daß Beam te des preußischen Ministeriums des Innern in das Land hinausgeschickt worden seien, um Propagandareisen für den Schraderverband vorzunehmen. Ich bitte, mir das Material, das Sie zu einer derartigen Auffassung berechtigt, vorzulegen. Ich kann Ihnen aber erklären, meine Damen und Herren, daß diese Behauptung des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander auch wieder einmal nicht richtig ist! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Zurufe: Spezialist für Un⸗ richtigkeiten!) Richtig ist, daß, nachdem die deutschnationale Presse über den Inhalt des preußischen Schutzpolizeibeamtengesetzes in der Schutz polizeibeamtenschaft die größte Beunruhigung hervorgerufen hatte, sich die Schutzpolizeiabteilung meines Ministeriums ver⸗ pflichtet fühlte, diesen falschen Nachrichten und Mitteilungen ent⸗ gegenzutreten, und zu diesem Zwecke sind die beiden Herren aus der Polizeiabteilung zu den Polizeiverwaltungen der einzelnen Provinzen gesandt worden, Herren, die an der Feststellung des Schutz polizeibeamtengesetzes hervorragenden Anteil genommen hatten. Sie haben den Schutzpolizeibeamten Vorträge gehalten mit dem Erfolg, daß nun allerdings die deutschnationalen Ver⸗
drehungsmanöver zum Schweigen gebracht worden sind chört, hört! bei den Sozialdemokraten, Demokraten und im Zentrum), und die Schutzpolizeibeamten haben eingesehen, daß ihnen das Gesetz Wertvolleres bot, als vorher in den Artikeln der deutsch⸗ nationalen Presse behauptet worden war. (Sehr gut! bei den Sozialdemokryaten, Demokraten und im Zentrum.)
Ich soll nun durch einige Ausführungen, die ich am ver⸗ gangenen Freitag gemacht und in denen ich zugegeben habe, daß an einzelnen Orten militärische Uebungen der Schutzpolizeibe am ten vorgenommen worden seien, der Entente Anlaß zum Einschreiten, Handhaben für ihre ewigen Be⸗ anstandungen gegeben haben. Ich habe für die Vogel⸗Strauß⸗ Politik, die aus diesen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Dr. von Drhyander hervorgeht, nicht das geringste Verständnis. Die Ententevertreter sind über die Einrichtungen unserer Schutzpolizei so gut unterrichtet, daß sie nur mißtrauisch werden würden, wenn wir ewas anderes behaupten, als die Tatsachen ausweisen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Demokraten. Ist es nicht etwa eine militärische Uebung, wenn der Kommandeur der Schutz⸗ polizei eines Ortes die Aufgabe stellt, die roten Banden aus einem Haus, das sie besetzt haben, zu vertreiben? (Hört, hört! links.) Ist es nicht eine militärische Aufgabe, wenn dann mit Ofen⸗ röhren Maschinengewehre markiert werden (Heiterkeit und wenn geschlossene Verbände diese Maschinengewehre aus dem Haus her⸗ ausholen sollen? Ja, meine Damen und Herren, das ist in den letzten Monaten noch als Aufgabe der Schutzpolizei gestellt worden. Wir haben sofort Veranlassung genommen, das zu verbieten, und haben Vorkehrungen getroffen, daß sich derartige Uebungen nicht wiederholen. (Abgeordnete Frau Wolfstein: Wo war denn das?) — Ich habe ein dienstliches Interesse daran, der Frau Kollegin Wolfstein das zu verschweigen. (Lachen bei den Kommunisten.)
Unrichtig ist weiter die Behauptung des Herrn Abgeordneten von Dryander, daß der Standpunkt des Reichs in der Frage der Schutzpolizei den letzten Noten der Entente gegenüber durch die Haltung Preußens festgelegt worden sei, und daß diese Festlegung Preußens in der Konferenz der Einzelländer eine Beurteilung er⸗ fahren habe, die nicht gerade schmeichelhaft für Preußen gewesen ist. Ich sage noch einmal: das ist unrichtig. Preußen ist wie jedes Land in diese Konferenz der Einzelländer hineingekommen mit seinen Vorschlägen, der badische Innenminister, der bayerische Innenminister mit seinem Vorschlag. Es ist das Für und Wider der einzelnen Vorschläge genau abgewogen worden. Schließlich hat sich herausgestellt, daß alle Länder im allgemeinen den Standpunkt Preußens angenommen haben, so daß nach den preußischen Plänen, mit den entsprechenden notwendigen Abweichungen je nach der Eigenart der einzelnen Länder, auch die Pläne der anderen Länder eingereicht wurden. (Hört, hört! links. Es ist nicht richtig, daß über den Kopf der Reichsregierung hinweg mit Ententevertretern separate Abmachungen gemacht oder separate Besprechungen ge⸗ pflogen worden sind. Wenn sich die zuständigen Stellen des Reichs, der Reichsminister des Innern und der Minister des Auswärtigen in diesen Fragen Preußens bedienen wollen, so haben wir gar keine Veranlassung, den Reichsstellen die erbetene preußische Hilfe zu verweigern. Preußen hat seine Zentralverwaltung der Polizei hier in Berlin, die preußische ist die größte. Es ist anzunehmen, daß die Polizeiverwaltung des Ministeriums des Innern die reichsten Erfahrungen auf diesem Gebiete besitzt, die wertvollsten Anregungen geben kann. Es ist gar kein Wunder, daß infolge dieser Anregungen, die Preußen gibt, das Reich sich dem Stand⸗ punkt Preußens in den meisten Fällen anschließt. Es wäre ein Wunder, wenn es anders wäre. Daraus aber zu folgern, daß Preußen mit Riesenschritten der Entente entgegengekommen sei, während die anderen Länder hätten bremsen wollen, das bringt nur der Abgeordnete Dr. von Dryander fertig, der auch diesen Anlaß gern benutzen möchte, von der Korruption der preußischen Polizei⸗ verwaltung zu sprechen.
Herr Abgeordneter Dr. von Dryander hat in gewissem Sinne den preußischen Minister des Innern eingeladen, wenn er künftig einmal mit der Entente Verhandlungen über die Polizei und andere Dinge zu führen hat, sich der Hilfe der Deutschnationalen zu ver- sichern, der nationalen Opposition“. Wenn die nationale Oppo⸗ sition so aussieht wie der Artikel des „Tags“ und die weiteren An⸗ griffe der deutschnationalen Presse auf die Staatsregierung, dann erkläre ich Ihnen: Mit einer derartigen nationalen „Unter⸗ stützung“ weiß ich nichts anzufangen. Sie reißen erst durch Ihre Artikel über die angebliche mangelnde Disziplin der Schutzpolizei ein und wollen dann aufbauen helfen! Nein! Wenn ich wüßte, daß die nationale Opposition nur das wäre, wenn ich nicht die traurige Erfahrung mit den Reden deutschvölkischer und deutsch⸗ nationaler Agitatoren gemacht hätte, die da vorgeben, sie leisten dem Lande Unterstützung, wenn sie chauvinistische Revanchereden halten, dann ließe sich über den Vorschlag reden. So aber bin ich der Meinung, daß ich allen Anlaß habe, diesem Angebot des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander gegenüber das zu sagen, was ich schon einmal ihm durch die Blume angedeutet habe: Der Herr behüte mich vor diesen Freunden! Mit den Feinden, mit denen wir uns auseinander zu setzen haben, wird die Staats⸗ regierung, wenn es notwendig werden sollte, schon fertig werden. (Lebhafter Beifall links.)
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151. Sitzung vom 20. Juni 1922, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *))
Präsident Leinert eröffnet die Sitzung um 11 Uhr.
Das Haus setzt die 3 der einzelnen Titel des Haushalts des Ministeriums des Innern fort.
Abg. Dr. Dole zych (D. Nat.) wünscht, daß die Handwerker⸗ genossenschaften bei der Beschaffung von Bekleidungsgegenständen der Schutzpolizei berücksichtigt werden.
Auf eine Anfrage des Abg. Barteld⸗Hannover (Dem), der für den Ausschußantrag auf Errichtung einer Polizeihochschule eintritt, erklärt ein Regierungsvertreter, daß die Er⸗ richtung einer pol eihochf ule bereits in die Wege geleitet worden sei. Das Ministerium werde die Aus- und Fortbildung der Schutz⸗ polizeibeamten nach jeder Richtung fördern. Das Handwerk werde bei ö. Vergebung von Aufträgen für die Schutzpolizei auch bedacht werden.
Bei den 0 Ausgaben für die Polizei begründet die Abg. Frau Wolfstein m, einen Antrag, die im Etat beantragte Summe zur Bekämpfung des Verbrechertums
Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute nn,, sind.
streichen, da sie in Wirhklichteit zur Bezahlung don Ei In diene.
Abg. Menzel⸗ Halle (Komm) spricht für einen kom munistischen Antrag, der „Roten Hilfe“ aus Staatsmitteln 5 Mil lionen Mark zur Verfügung zu stellen.
Abg. Kilian (Komm) wendet sich dagegen, daß zu Ehren⸗ reisen für Schützengilden und Schützenkönigen immer noch ein
trag vom Staate ausgeworfen werde. Das sei ein Unfug ohne⸗ gleichen. Die Schützengilden seien ein Hort der Reaktion, sie feierten mit schwarz⸗weiß⸗roten Fahnen ihre Fete Gelächter rechts.)
Auf eine Anregung des Abg. Barteld⸗- Hannover (Dem) antwortet ein Regierungsvertreter, daß die Interessen der Hinterbliebenen der Schützpolizeibeamten im Polizeibeamten— gesetz geregelt werden würden. J
Auf eine Anfrage des Abg. Knoth (Komm; erklärt ein Regierungsvertreter, daß die alten blauen Uniformen der Polizei durch Umfärben wieder zur Verwendung gelangten.
Gegen die außerordentlichen Ausgaben für die Schutzpolizei wenden sich bei fast allen Titeln, wie Bekleidung, Unterbringung, Nahkampfmittel, Kraftfahrgerat, in heftiger Weise unter Heiterkeit des Hauses Redner der
Kommunisten. .
Abg. Frau Wolfstein (Komm.) spricht bei den Ausgaben für die Zuchtanstalt für Polizeihunde bei Grünheide für die Be— seitigung des Staatskommissars für die öffentliche Ordnung. Als der e m,, die Rednerin zur Sache ruft, ertönt von links der Ruf: Der ist ja ein Polizeihund!) .
Nach weiterer unerheblicher Besprechung einzelner Titel wird die Einzelberatung geschlossen. ö
In der Abstimmung wird der Haushalt für das ,, . für 1922 durchweg nach den Anträgen des Hauptausschusses festgestellt. Die An⸗ träge des Hauptausschusfes gelangen zur Annahme, der die Dienstaufwandsentschäbigung der Beamten des Außendienstes der Verwaltungspolizei und die Erhöhung der Dienst⸗ aufwandsentschäbigungen allgemein hetressende Antrag wird dem Ausschuß für Beamten fragen überwiesen. Der Antrag der Deutschnationalen, betreffend Vorkehrungen 7 die Ge⸗ fährdung des Nachwuchses in der Verwaltungslaufbahn, wird angenommen, die Erlasse und Verordnungen, betreffend die Anftellungsbedingungen der Schutzpolizei, werden durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt. —
Die Anträge der Unabhängigen und der Kommunisten werden sämtlich abgelehnt, und schließlich der Antrag des Zentrums wegen Erhöhung des Kleidergeldes der höheren Polizeibeamten auch dem Ausschuß für Beamtenfragen überwiesen. ö
Darauf tritt das Haus in die zweite Beratung des Haushalts des Preußischen Stactsmini—⸗ steriums und des Ministerpräsidenten ein. Die allgemeine Besprechung, für welche jede Fraktion zwei Stunden Redezeit zur Verfüigung hat, soll in zwei Abschnitte zerfallen. Der erste Abschnitt wird die Ernährungsfragen be⸗
ndeln und in Verbindung damit auch die Anträge und
Ausschußberichte über die Aufhebung der Zwangswirtschaft für Getreide, Milch, Butter und Zucker, über die Getreide⸗ umlage, über die Versorgung bon Kranken und Kindern mit Milch, über die Belieferung der Landwirte mit Kleie und Mais, über die Deckung des Kartoffelbedarfs und über die
der Erörterung allgemeiner politischer Fragen, insbesondere auch der Frage der Schuld am Weltkriege gewidmet sein. In der allgemeinen Besprechung über Ernährungsfragen
erklärt der .
Abg. Peters⸗Hochdonn (Soz): Die Stellung der Sozial⸗ demokraten zur Frage der Zwangswirtschaft ist ausreichend bekannt. Auch wir waren mit der Zwangsbewirtschaftung in der alten Form nicht durchweg einverstanden, wir können uns andere Formen der öffentlichen Bewirtschaftung denken, und so haben wir auch dem Gedanken der Getreideumlage zugestimmt. Die Produzenten aber lehnen ohne jede Rückficht darauf, wie es möglich sein soll, einer Ernährungskatastrophe der Bevölkerung vorzubeugen, das Umlageverfahren ab, und die gestrigen Anträge der Deutsch⸗ nationalen im Reichstage haben lediglich den Zweck, der konsumierenden Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen und das deutsche Volk zu täuschen. Ich kann mir eigentlich gar nicht denken, daß es Landwirte geben kann, verdreht genug, um derart . egen das notleidende deutsche Volk vorzugehen. Die heutige freie Wirtschaft ist für das deutsche Volk nicht mehr zu ertragen, sie führt es der Katastrophe ungufhaltsam entgegen, Kommunen, Staat und Reich brechen unter ihrer Last zusammen. Die Agrarier haben anscheinend eine hämische Freude daran, daß der heutige demokratische Staat sich derart quälen muß. Aber das Bild kann sich ändern. Gegen Unruhe und Unordnung kann man die Machtmittel des Staates in Anspruch nehmen, aber diese Machtmittel versagen gegen Hunger und Verzweiflung, das soll sich auch die Landwirtschaft gesagt sein lassen. Auch wir haben an dem Umlageverfahren, wie es die Reichsregierung jetzt vor⸗ schlägt, manches auszusetzen; wir wünschen, daß der Kleinbesitz bis zu 16 Hektar davon befreit bleibt. Wir stimmen ihr aber zu, um eine Katastrophe zu verhüten und die Bevölkerung vor dem Aeußersten zu bewahren. X wende mich vor allem an die anderen bürgerlichen Parteien, die Deutsche Volkspartei, das Zentrum und die Demokraten. Nach der Verabschiedung des Landwirtschafts⸗ etats im April brachte die Zeit“, das Organ der Deutschen Volks⸗ partei, einen sachkundigen Rückblick auf die betreffenden Landtags⸗ beratungen; in diesem Rückblick wurde das Verlangen der Agrarier nach Aufhebung der Getreideumlage als ein rein agitatorisches Manöver bezeichnet, ein Beweis, daß die Deutsche Volkspartei die Deutschnationalen in diesem Punkte durchschaut hatte. Ich hoffe, die Deutsche Volkspartei wird auch heute noch dieser Auf fassung sein. Ich hoffe , daß die Artikel der „Germania und des „Berliner Tageblatts“ in den letzten Tagen, wo dem Zentrum und den Demokraten wegen der Getreideumlage ins
wissen geredet wird, ihren Eindruck auf diese beiden Parteien nicht verfehlen werden, daß sie sich der ö voll bewußt werden, daß man sich auf diesem Gebiete den Agrariern nicht gefangen geben darf, . man nicht das Volk den agrarischen Interessen opfern darf. außen im Lande wird in unglaublicher Weife gegen das Umlageverfahren agitiert. Die Reichsverfassung stellt die Begrbeitung des Bodens als eine Pflicht des Grund⸗ besitzes gegenüber der Gemeinschaft hin. Aber von solchen Pflichten weiß man bei den Agrariern nichts. Die Richtlinien, welche die „Freiheit‘ am 8. Juni veröffentlichte, stellen ein Dokument dar,
(Fortfetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin. ei,, den e, n, Der Vorsteher der Geschäftsstelle echnungsrat engering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.
Druck der Norddeuts en Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin. Wilhelmstr. 32.
Fünf Beilagen leinschließlich Börsenbeilage)
und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister ⸗ Beilage.
Wucherverordnungen umfassen. Der zweite Abschnitt wird
zum Deutschen Reichsa
Nr. 142.
Srfte Beilage
Berlin, Mittwoch, den 21. Juni
nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
wie der Landbund es mit dieser verfassungsmäßigen Pflicht i : J zĩ ; t im Sinne hat. Die Sabotierung des ann,, 166 dort in der unverblümtesten Weise nicht nur empfohlen, sondern direkt vorgeschrieben. Diese Richtlinien sind tatsächlich der Organisation der Agrarier in der nächsten Umgebung von Berlin entsprungen und werden zur Ausführung gebracht werden, wenn der , , sich die Frechheit anmaßen sollte, auf dem Umlageverfahren zu bestehen. Wir lesen ja im Srgan des Landbundes: „Wir haben die Macht, wir hahen den Roggen — man mag verordnen was man will, der Brandenburgische Landbund liefert einfach nicht mehr.“ In einer Resolution des Pommerschen Landbundes heißt es, daß jeder Versuch, wieder eine Getreideumlage der Landwirtschaft aufzuzwingen, ihren erbitterten Widerstand hervorrufen wird. Der Abgeordnete Krätzig hat gestern im Reichstage unsere Stellung und unsere Forderung so ausgezeichnet und so gründlich vorgetragen, daß es weiterer Ausführungen nicht bedarf. Ich hebe nur noch hervor, daß auch der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund Dieselbe Forderung erhoben hat. Wir haben keine Lust, der Prügelknabe für die Agrarier und ihre Willkürherrschaft zu sein. Werden unsere berechtigten Forderungen abgelehnt, dann werden wir alle Mittel anwenden, sie durchzusetzen; wir suchen den Kampf nicht, wir weichen ihm aber auch nicht aus. Gegen. Unruhen und Unordnung werden auch wir uns mit aller Ent schiedenheit zur Wehr setzen, will man aber die freie Wirtschaft auch bei der Brotversorgung einführen und damit die Bevölkerung zum Ruin treiben, so kann man es meinen Parteifreunden nicht verden ken, wenn sie es ablehnen, die Mitverantwortung für das Gedeihen der deutschen Republik weiter zu tragen. Wir fordern von Ihnen, daß Sie in der gegenwärtigen Situation Ihre Pflicht tun Wir sind bereit, den Produzenten zu geben, was ihnen zur Förderung und Fortbildung der Produktion nötig ist, aber wir werden es nicht ertragen, daß man der Landwirtfchaft Gelegenheit gibt, in schrantenloser Wisllůr auch einen Brotpreis zu fordern, wie wir es in der letzten Zeit bei den Kartoffel- und Zuckerpreisen gesehen haben. Das darf im Interesse der Zukunft unseres Volkes nicht sein. Das Valk darf nicht durch die Agrarier in Hunger und Verzweiflung und in den Abgrund getrieben werden.
Abg. Kloft Gentr) wünscht, daß die Interessen des Staats—⸗ kommissars für Volksernährung nicht darunter 36 mögen, daß dieses Amt dem Landwirtschaftsminister unterstellt i Me Forderungen und der Pressefeldzug des Landbundes gegen die Umlage gingen über das erlaubte Maß von Kritik weit hinaus. Das laufe eher darauf hinaus, Krisenstimmung zu erzeugen, als das Allgemeinwohl des Volkes im Auge zu behalten. (Sehr richtig! im Zentrum.) Das agitatorische Ausnutzen solcher Gelegenheiten würde nur das Gegenteil! herbeiführen. Die Entwicklung der Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse im vergangenen Jahre ging zu weit. Die Kommunalverbände müßten rechtzeitig auf den Abschluß von Lieferungsverträgen hinwirken. Die Produktionskosten müßten dem Landwirt selhstverständlich erstattet werden. Die Wagen⸗
tellung bei der Kartoffelversorgung müßte beffer als im letzten Jahre werden, ein Nachlaß der Gütertarife eintreten, und die Konsumvereine sollten rechtzeitig größere Kartoffelmengen ein⸗ lagern. Slandalös seien die Zustände in der Zuckerversorgung. 95 v aller Zuckerfabriken seien im Syndikat zusammen⸗ geschlofsen (hört, hört! im Zentrum), die Haltung der Regierung dem Zuckersyndikat gegenüber sei geradezu unverständlich. Nach Aufhebung der Zwangswirtschaft mußte das Syndikat verpflichtet werden, in bedingter Weise den Zuckerbedarf der Bevölkerung zu sichern. An einer Steigerung der Milchproduktion habe das deutsche Volk das größte Interesse. Besonders für Säuglinge, Kranke und Schwache müsse die Milchversorgung zu erträglichen Preisen ge⸗ sichert werden. Durch Vorzugspreise oder Zuschüsse müsse man den Minderbemittelten den Kauf der Milch ermöglichen. Die Futtermittelnot sei groß. Der Minister möge mit der Landwirt⸗ chaft verhandeln, wie man der großen Schwierigkeiten in der Landwirtschaft im kommenden Herbst Herr werden könne. Beifall im Zentrum.)
Abg. Schlan ge⸗Schöningen (D. Nat): Die Vereinigung der Deutschen Bauernvereine lehnt in ihrem Nachrichtenblatt mit allem Nachdruck die Fortsetzung der Umlage ab. Sie will sich der erneuten ran en ir tsch t widersetzen. (Rufe rechts: Lauter Zentrumsleuteh Die Amtsvorsteher in Westfalen, auch Zentrumsleute, wollen die Vor⸗ . der Umlage nicht durchführen, selbst wenn ihnen Disziplinar— maßregeln angedroht werden. Redner kommt auf die drei republikani⸗ schen pommerschen Landräte zu sprechen, von denen der eine Amts— 2 seine Partei unterschlagen hat, und sagt dazu: Daß ein
taatsminister von heute wie Herr Severing, in einer geradezu leicht⸗ fertigen Weise über diese Sache hinweggleitet, ist ein Jeichen für das heutige Spystem. (Lebhafter Beifall rechts) Was gedenken Sie, Herr Ministerpräsident, in dieser Sache zu tun? Ich habe noch keinen höheren Beamten erlebt wie Herrn Oberpräsidenten Lippmann, dem so deutlich gesagt worden ist: Wir wollen Sie nicht, wir sind mit Ihnen nicht einberstanden. Ich habe es aufs tiefste bewundert, mit welch unbeugsamer Zähigkeit er an dem Oberpräsidentensessel der
ropvinz Pommern klebt. Daß der letzte pommersche Demokrat der achwelt so auf. Staatskosten erhalten wird, das ist nicht die Aus⸗ wirkung des freien Volkswillens, den wir in der Republik haben wollen. Es ist geradezu unerhört, wenn uns heute unterschoben wird, aß wir irgendwie die Notlage der Gegenwart verkennen. (Lachen links. Wenn auch zuweilen auf dem Lande Wohlstand angetroffen wird, so ist in den Städten ein Luxus, ein Betrieb und ein Wohl leben, das gar nicht mehr anzusehen ist, , rechts) Manche landwirtschaftlichen Betriebe bedürfen auch einer Notstandsaktion. Sie werden es dann nicht verantworten können, wenn die Landwirtschaft k alle Kreise eintreten soll. Wir fordern auch die Brotverbilligung, ie muß aber die Stände treffen, die sie kragen können. Ich kann mir eine Reichsregierung vorstellen, die einen Willen hat und dem Aus—⸗ land sagt, daß sie das nicht mehr durchführen könne, weil unsere Produktion sonst zu sehr sinkt. Die wesentlichste Frage ist die wie kommen wir in der Zukunft durch? Im letzten Jahre ist die Kohle um das Fünffache geftiegen, künstlicher Dünger und lanwirtschaftliche Maschinen ebenfalls um das Fünffache. Das Brotgetreide müßte sich also auf einer Höhe von 00 6 bewegen. Bei niedrigeren Preisen wird die Hl sein, daß viele Betriebe einfach nicht mehr existensfähig bleiben. Zu der Teuerung kommt dann noch die Arbeitslosigkeit hinzu. wir die Erfüllungspolitik treiben oder eine andere, die wirtschaftliche Krisis kommt unter allen Umständen. Ist es nicht das Schlimmste, wenn zur Markentwertung, zur sinkenden Kaufkraft und wachsenden Arbeitslosigkeit zugleich die Produktion so sinkt, daß nichts mehr zu retten ist? Bei dieser Art Wirtschaft Tird man das Brot nicht nur nicht verbilligen können, sondern die deutsche Zukunft damit ruinieren. Wenn hier behauptet werden sollte, daß die Erregung in die Land. wirtschaft hineingetragen worden ist durch die Organisationen (Ruf links; Durch Sie! und Unruhe), so ist das die größte Unwahrheit, die jemals ausgesprochen worden ist. Diese Bewegung auf bem Lande, mag sie auch in vielen Fällen über das zulässige Maß hinaus⸗ ir, von unten gekommen. Der einfache Bauer will es sich ein⸗ Aach nicht mehr gefallen lassen, im Zeichen der Freiheit als einziger Stand den Zwang zu dulden. Die andern Herren mögen die Ver⸗ antwortung . das Sinken der Produktion übernehmen. Wir können es aber den Konsumenten in den Städten gegenüber nicht verantworten,
links.. Wenn wir an die Wahl dächten, dann würden wir einen sehr einfachen Ausweg finden. Wir wollen mit allen verständigen ki k 86 zusammenarbeiten. — Angesichts der Vorgänge in Sstpreußen is 6 starke Warnung an uns ausgesprochen worden Be uns gibt 5 teinen Menschen, der auch nur daran denkt, Hindenburg oder die Frregung der Landwirtfchaft oder die Sffiziers- und Sol datenfeiern zu benutzen, um Unruhe in das Volk hineinzutragen. Lebhafte Zu⸗ rufe links: Das ag Sie) Unter dem Zeichen der Zeit sind wir noch diel weniger Repußlikaner als früher Es würde ine Tork kin, etwas stürgen zu wossen, das sich durch seine eigene Torheit selbst ö Eebhafter Beifall rechts.) „Abg. Schiftzan (D. Vp): Der Versailler Vertrag h
Wirt schaf sorierän ita aufgehoben, der ,, . Wirtschaft ist nicht mehr das deutsche, sondern das aus— . Zahlungsmittel, das empfindet jeder täglich am eigenen 9 e, und die Ueberfremdung mit ausländifchem Kapital hat vielen Internehmungen nur noch den deutschen Namen gelassen. Der Ver⸗ sailler Vertrag, das muß auch mit Bezug auf die Preisgestaltung zuf dem Lebensmittel marke ausgesprochen werden! bedeutet bas Derabsinken. Deutschlands zu einer Kolonie, an der sich der valuta⸗ 666 Ausländer auf unsere Kosten mästet. Die Entente nennt das die friedliche Durchdringung Deutschlands Möchte doch der Deutsche endlich einsehen, daß er seiner Heimat am besten dient, wenn er alles, was nicht ausschließlich zum täglichen Leben gehört, nur in deutschen Waren, nicht aus den Händen des Auslandes be— ziehen würde! — Die Ertragsverhältnissẽ der Ernte von 1921 sind im Lande sehr verschieden gewesen, in Sstelbien gehörte die Feld⸗ fruchternte zu den schlechtessen der letzten 20 Jahre— In Hackfrucht hat sich trotzdem die Anbaufläche östlich der Elbe bedeutend ver— mehrt; Die Hackfrucht ist die Grundlage der Volksernährung, nicht das Brotgetreide. Die Kartoffel ist die Frucht des leichten Bodens. Die Bedarfs zentralen in den Großstädten und in der Industrie werden gut tun, sich rechtzeitig mit den landwirtschaftlichen Organi⸗ sationen in Verbindung zu setzen, um sich die nötigen Versorgungs⸗ mengen rechtzeitig zu sichern. Leider sind der Landwirtschafts⸗ minister Dr. Wendorff und der Staatssekretär nicht anwesend (hört! hört h; namens meiner Freunde bitte ich den Minister, dafür zu sorgen, daß das Reichsverkehrsministerium rechtzeitig genügend Transportmittel zur Verfügung stellt. Dieses Reichs verkehrs⸗ ministerium hat zu einer solchen eigentlich selbstverständlichen Maß⸗ nahme jede Veranlassung, denn seine Tarifpolitik ist wahrhaftig nicht volkstümlich. Sie ist ein Hemmnis der Freizügigkeit deutscher Ware im deutschen Lande und gleichbedeutend mit ber Finanzierung des Reiches auf Kosten der Lebensmittelversorgung. Die letzten Regenfälle lassen die Hoffnung auf eine bessere Futterernte in diesem Jahre zu. Mit einem Sinken der Preise ist nicht zu rechnen, so⸗ lange wir vom Ausland abhängen und die fremden Valuten als Kampfmittel gegen uns ausgenutzt werden. Das Ausland kauft wehllos unsere Erzeugnisse weg, nachdem es vorher die deutsche Mark für 16 Pfennig eingekauft hat. Nach jeder großen deutschen Messe ist eine neue Teuerungswelle eingetreten, und das soll eine zwangsläufige Erscheinnng sein. Das Ausland verdient an unseren Produkten doppelt, und daran erkennt man sofort die große Lüge von der deutschen wirtschaftlichen Blüte, in Wirklichkeit ergibt sich daraus die ungeheure Teuerung, unter der Deutschland leidet. In diese Zwangsläufigkeit ist die Landwirtschaft mitten hineingestellt. Auch sie ist abhängig von dem Wertmeffer der Urprodukte, Kohle, Eisen. Deutschland muß andauernd englische Kohle kaufen. Den Preisgegenüberstelkungen des Vorredners füge ich einige Ergänzungen hinzu. Ein Dampfpflug kostete vor einem Jahr 69g 9090 Mark, am 1. Janugr eine Million, am 1. Juni 1,6 Millionen (Hört! hört!) 100 Kilogramm Benzol, eines der notwendigsten Produktionsmittel, kosteten in Frieden 8 Mark, zu Neujahr 1922 aber 1300 und heute 3000 Mark. Andere Preise sind noch phantastischer. Trotz alledem blüht bei uns der offene und der verkappte Wucher. Die Landwirtschaft muß auch in diesen anormalen Verhältnissen ihren Anspruch auf gerechte Beur⸗ teilung erheben; das Schimpfen allein über die hohen Preise der ländlichen Produkte bessert gar nichts. Die allgemeine Teuerung durch eine künstliche Niederhaltung der Getreidepreise abzudämmen, wird nicht gelingen. Der Reichslandbund muß wirtschaftsfriedlich sein, denn kein Beruf als der seinige hat ruhige stabile Verhãältnisse nötiger. Er darf auch nur eine rein berufliche Vereinigung sein, Politik hat ihm fernzubleiben. Der Lieferstreik ist bereits früher von meiner Partei als ein Märchen bezeichnet worden, so hat neulich unser Kollege Dr. v. Kries sich geäußert. Hoffentlich steht hinter der Autorität des Herrn v. Kries auch der Reichslandbund und die Deutschnationale Partei. (Bewegung.) Meine Partei lehnt den Lieferstreik ab. Um so mehr aber vertraut sie dem Gerechtigkeits⸗ gefühl der Reichstagskollegen. Ich komme damit auf die Frage der Getreideumlage. Meine persönliche Stellung dazu ist bekannt. Die Landwirtschaft unter ein Ausnahmegesetz zu stellen und ihr eine Vorausbesteuerung aufzuerlegen, ist ungerecht. Der Widerstand gegen das Umlageverfahren reicht bis tief in die Kreise der Demokraten in der Landwirtschaft hinein. Wir hoffen noch immer, daß das Angebot der Landwirtschaft, betr. die freiwillige Getreidereserve, angenommen wird, daß man erst dann zu einer Umlage schreiten wird, wenn die Landwirtschaft das im Reichslandwirtschaftsrat gegebene Versprechen nicht hält. Wenn das geschähe, so wäre das nicht nur infam, sondern Betrug. Man hat aber anscheinend diese Zusage beiseite geschoben und damit erkennen lassen, daß daraus eine politische Frage gemacht wird. Das Reichsumlagegesetz wurde gemacht gegen diejenigen, die sich die Milderung des Gegensatzes zwischen Verbrauchern und Er⸗ eugern zur Aufgabe machen; es wurde gemacht gegen den Willen rer, die die Produktion steigern wollen Besserung bringen kann uns nur die freiwillige Zusammenarbeit aller, nie aber eine Zwangsbesteuerung irgendeines einzelnen Produktionszweiges. Auf die Dauer läßt sich gegen den Willen des Nährstandes nicht regieren. Nach reiflicher Ueberlegung wird meine Fraktion die Umlage ablehnen. Dem Ministerpräsidenten möchte ich sagen, daß es sehr zu bedauern ist, daß der künstliche Dünger dauernd teurer wird, obwohl doch das Reich die Preise kontrolliert. Meinen Be⸗ rufsgenossen im Lande möchte ich sagen, daß die gesamte Produk⸗ tion bei dem Hilfswerk mithelfen muß. Die Zuckerknappheit ist ein Skandal, die Preise sind trotz der gestiegenen Produktion un⸗ erhört hoch und doch Zucker kaum zu erhalten. Dr. Wendorff meinte im Hauptausschuß, Zucker würde durch das Loch im Westen ins Ausland gebracht und käme als Auslandszucker wieder herein. Bei der Verarmung des Volkes wären diese vermuteten Ver⸗ schiebungen ein Verbrechen am ganzen deutschen Volke und die Verbrecher müßten die ganze Schwere des Gesetzes empfinden. sZustimmung.) Der wilde Handel muß von der Bildfläche ver⸗ schwinden. Auch die sittliche Reinigung, die unserem Volke so sehr nottut, muß vorgenommen werden; es fehlt uns noch ein Fichte mit seinen Reden an die deutsche Nation. Dem Siedlungswerk darf sich niemand entgegenstellen. Es ist aber ein Unrecht, blühende Großwirtschaften ohne weiteres zu zerschlagen. Der schwere und schwerste Boden kann überhaupt nicht im Kleinbetrieb bewirtschaftet werden. Gerade von seiten der Unabhängigen sind die Verdienste des Großgrundbesitzes in dieser Beziehung anerkannt worden. Von dem Landwirtschaftsminister erwarten wir, daß er Siedler nur an⸗ setzen wird, wenn er die feste Ueberzeugung hat, daß damit der Produktion gedient wird. Gegen die jetzige Regelung der Stellung
daß wir einmal tatsächlich vor dem Zusammenbruch stehen. (Unruhe
des Staatskommissars . Volksernährung haben wir erhebliche Bedenken, nach unserer ung hätte die Neuregelung dem Land⸗
1922
tag vorgelegt werden müssen. Unse ã ĩ . * . r, n, , . . zu unterbrechen. Mit Demonstrationen hilft man dem Vaterlanß nicht. (Unruhe.) In der Landwirtschaft und in der Industrie soll sich . a,, wenn es sein muß, einer Welt von . . rotz fortsetzen! Geifall dei der Deutschen
Ministerpräsident Braun: Meine Damen und rren, Abgeordnete Schiftan hat wie seine Parteifreunde er . darauf hingewiesen, daß die Aenderung, die in der Personal⸗ besetzung des preußischen Staatskommifsars f ür die Volksernährung eingetreten ist, eigentlich eine Maßnahme des Staatsministeriums sei, die nach Art. 7 der Verfaffung dem Landtag zur Genehmigung unterbreitet werden müsse. Ich habe bereits im Hauptausschuß bestritten, und möchte das auch hier wieder⸗ holen, daß eine derartige Maßnahme vorliegt. ECbenso wie früher an Stelle der früheren Staatskommissare, die Reichsernaährungsminister waren, die neuen Reichsernährungsminister stets vom preußischen Staatsministerium zu Staatskommissaren für Preußen bestellt wurden, so ist, als der Herr Reichsernährungsminister Hermes das Finanz⸗ ministerium annahm und bat, ihn von den Geschäften des Staats⸗ kommissars für Volksernährung zu entbinden, an seine Stelle der preußische Landwirtschaftsminister Dr. Wendorff zum Staats⸗ kommissar für Preußen ernannt worden. Es handelt sich hier nicht darum, daß Zuständigkeiten einzelner Ressortminister geändert wurden: daran hat sich nichts geändert. Die Veränderung berihrt die Zu⸗ ständigkeit des Landwirtschaftsministers als Ressortminister gar nicht. Es ist lediglich anstelle des Dr. Hermes Dr. Wendorff getreten. Wenn man sich nicht auf den Standpunkt stellt, daß wohl ein Reichs— minister preußischer Staatskommissar sein kann, nicht aber ein preußischer Ressortminister, dann kann man von einer Aenderung der Ressortzuständigkeit in diesem Falle nicht reden. Ich gebe zu, daß der erste Beschluß des Staatsministeriums vielleicht Auslegungen in dem Sinne, wie sie von den Parteifreunden des Herrn Abgeordneten Schiftan im Hauptausschuß beliebt wurden, zuläßt. Es hieß in dem ersten Beschluß, daß die Geschäfte des Staalskommissars dem Herrn Landwirtschaftsminister übertragen würden. Dieser Beschluß ist dahin geändert worden, nachdem sich herausgestellt hatte, daß irrige Auffassun gen Platz gegriffen hatten, daß lediglich an Stelle des Dr. Hermes Herr Dr. Wendorff zum Staatskommissar ernannt worden ist. (Zuruf) Es handelt sich um den Staatskommissar für Volksernährung; der hieß nicht Hagedorn, sondern Dr. Hermes, und heißt jetzt Dr. Wendorff. Die Frage ist also vollkommen klar. Ich glaube auch, daß, selbst wenn das hohe Haus den Beschluß des Hauptausschusses in dieser Angelegenheit annähme, der Prüfung durch den Justizminister wünscht, diese Prüfung kein anderes Er⸗ gebnis zeitigen würde.
Nun noch wenige Worte zu den Ausführungen des Herrn Ab- geordneten Schlange. Ich habe nicht Neigung, mich in eine Nachlese zu den Beratungen des Haushalts des Herrn Innenministers einzu= lassen, aber soweit er von mir eine Auskunft gewünscht hat, will ich sie ihm geben. Die Fälle der drei Landräte aus Pommern, die sich betrun ken haben sollen oder was sie sonst getan haben mögen, sind mir nicht bekannt. Ich habe ressortmäßig damit nichts zu tun Das sind Gegenstände der Erörterung beim Etat des zuständigen Ressort⸗ ministers, des Innenministers gewesen, und ich gedenke daher vorerst in der Angelegenheit nichts zu tun, bevor festgestellt worden ist, ob sich die genannten Landräte disziplinarisch vergangen haben, so daß nach den bestehenden Grundsätzen der zuständige Minister disziplinarisch gegen sie vorgehen müßte. So weit ist die Sache offenbar noch nicht. Es muß abgewartet werden, was an den Be⸗ hauptungen des Hertn Abgeordneten Schlange richtig ist, und des⸗ halb besteht für mich als Ministerpräsident keine Veranlassung, ein⸗ zugreifen.
Ich möchte bei diesem Punkte sogleich die irrige Aufassung, die draußen und hier im Parlament vielfach besteht, zerstreuen, daß ich als Ministerpräsident der Vorgesetzte der Ressortminister bin. Das steht mit den Bestimmungen der Verfassung nicht im Einklang. Die Ressortminister sind nach der Verfassung in ihren Ressort⸗ angelegenheiten selbständig und nicht dem Ministerpräsidenten, sondern dem Parlament verantwortlich. Es werden vielfach Beschwerden über einzelne Ressortminister an mich als Ministerpräsident gerichtet in der Annahme, ich könnte als Vorgesetzter, als Beschwerdeinstanz ein⸗ greifen. Gewiß, soweit die Tätigkeit des einzelnen Ressortministers gegen die Richtlinien der Regierungspolitik, die ich im Einverstandnis mit der Mehrheit des Hauses festgesetzt habe, verstößt, insofern ist ein Grund zum Eingreifen gegeben. Das liegt, soweit ich die Dinge übersehen kann, die der Abgeordnete Schlange vorgetragen hat, nicht bor. Huruf rechts) Sie können doch nicht annehmen, daß ich als Ministerprãsident lediglich nach der Mitteilung des Abgeordneten Schlange zu der Frage Stellung nehme und feststelle, ob das Be—= nehmen der erwähnten Landräte im Einklang mit den Richtlinien der Regierungspolitik steht. ,
Wenn der Abgeordnete Schlange sich weiter in wenig schõner Weise — das scheint mir der mildeste Ausdruck — über das Ver⸗ halten des Oberpräsidenten Lippmann von Pommem geäußert hat, übrigens sehr viel eingehender über die Quasität des vermeintlichen Llebestoffs, der ihn angeblich an sein Amt bindet, als über seine Tatigkeit als erster Beamter der Provinz, so muß ich erklären, daß ich bis jetzt keine Veranlassung sehe, auf den Ressortminister irgend⸗ wie einzuwirken, daß er eine Veränderung in der Besetzung des Postens eintreten läßt. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Schlange, von der Respektierung des Volkswillens reden, so ist das eine erfreuliche Wandlung bei ihnen und ihren Parteifreunden. Aber ich habo oft das Gefühl: wenn Sie von Demokratie reben daß sie da mit dem Eifer des Bekehrten weit über das hinausgehen, was wahre Demokratie erheischt. In diesem Fall ist der Dber⸗ prasident als erster Beamter der Provinz nicht der Vertreter irgend einer Berufsgruppe der Provinz und sei sie noch so gwoß, sondern er ist Vertreter der preußischen Staatsregierung in der Provinz, und
der Politit der jeweiligen Staatsregierung, so lange siegt beine
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so lange er dort seine Tätigkeit in Ginklang hält mit ben Richtlini?
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