1922 / 158 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Jul 1922 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. Dr. Becker (D. Vp: Neue Anforderungen müssen sorgfältig nachgeprüft werden. Das ist besonders in diesem Falle notwendig, da die Vorlage keine Begründung enthält. Wir er⸗ warten, daß die Regierung in der Lage sein wird, dem Ausschuß eine Begründung zu geben. Wir behalten uns unsere Stellung⸗ nahme vor. 66 des Abg. Müller⸗Franken: Doch die der Arbeitsgemeinschaft! Wenn Sie (zur Linken) den Begriff der . dahin auslegen, daß diejenigen, die eine solche Arbeitsgemeinschaft wünschen, alles das gutheißen müssen, was ein Teil vorschlägt, so haben wir eine andere Meinung. Im übrigen halte ich es für unter der Würde des dan es, auf die Be⸗ merkung des Abg. Müller über die Schande des alten Kaiserreichs K.

Auf Antrag des Abg. Dr. Petersen (Dem) geht die Vor⸗ lage an den Haushaltsausschuß.

Das Haus geht zur zweiten Beratung des Gesetzent⸗ wurfs über die Errichtung eines Reichs⸗ polizeiamts und von Landeskriminal⸗ polizeibe hörden über.

Abg. von Kardorff (D. Vp. ):: Der Rechtsausschuß hat die Vorlage vorberaten. Der bayerische Vertreter hat gegen sie geltend gemacht, daß sie in die bayerische Landeshoheit eingreife und daß die fortgesetzte Verminderung der Hoheitsrechte für die bayerische Regierung unerträglich sei. Dem wurde entgegen⸗ gehalten, daß die Materie schon seit mehreren Jahren sich in Vor⸗ bereitung befinde, daß ein Zweifel über ihre unbedingte Not⸗ wendigkeit nicht bestehen könne, sowie daß das Reich dem Stand⸗ punkt Bayerns stets das weitestgehende Entgegenkommen bewiesen habe. Der Ausschuß war einstimmig der Auffassung, daß das Ge⸗ setz präventiven Charakter hat. Der 5 1 ist in folgender Fassung angenommen worden: „Zur Bekämpfung des Verbrechertums, das sein Tätigkeitsfeld nicht auf bestimmte Orte oder Landesgebiete beschränkt, wird ein Reichskriminalamt, errichtet. Es hat seinen Sitz in Berlin und wird dem Reichsminister des Innern unterstellt. Ebenso ist die Ueberschrift „Reichskriminalpolizei⸗ gesetz' geändert. Abgelehnt wurde der Antrag, daß der Präsident dieses Amtes im Einvernehmen mit dem Reichsrat ernannt werden

soll. Bei 5 6 wurde klargestellt, daß das Reich nicht in der Lage

. ist, in den Einzelstaaten eigene Polizeibeamte zu unterhalten. Zu ST Wurde bezüglich des Verkehrs mit den ausländischen Behörden Naiargestellt, daß es sich hier nicht um ganze Sondergebiete poli⸗

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. Tätigkeit, sondern lediglich um Einzelfälle handelt. Zur

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egelung der Kostenfrage lagen im Entwurf Vorschläge der

Neirhsregierung und des Reichsrats vor; wir sind den Weg des

ö. Reichsrats gegangen, indem wir die Kosten teilen, aber die Teilung

soll nicht im Verhältnis von 1:1, sondern von 2:1 dergestalt . daß die Länder zwei Drittel der Kosten tragen, das Reich ein Drittel übernimmt. Eine Gesamtabstimmung Über die Vor⸗ lage hat im Ausschuß nicht stattgefunden.

Bayerischer Gesandter von Preger: Der Standpunkt der bayerischen Regierung ist bereits im Reichsrat und im Rechtsausschuß

zum Ausdruck gekommen. Meine damaligen Ausführungen haben in der Oeffentlichkeit wegen des Ausdrucks Reichsmüdigkeit einiges Aufsehen erregt. Aber es hieße doch Vogel⸗Strauß⸗-Politik treiben und den Kapf in den Sand stecken, wollte man leügnen, daß in weiten Kreisen der bayerischen Bevölkerung sich ein starkes Gefühl ich will nicht sagen, von Reichsmüdigkeit, der Ausdruck kann mißverstanden werden, denn wir Bayern sind reichstreu bis in die Knochen (anhaltendes Gelächter links), möge kommen, was da wolle, wir werden auch denen die uns aus dem Reiche hinaustreiben wollen, wie es heute die Freiheit“ und die Welt am Montag? darauf an⸗ legen, nicht den Gefallen tun des Unmutes und der Mißstimmung gegen die Regierung des Reiches vorhanden ist darüber, daß trotz der wiederholt verkündeten gegenteiligen Versicherungen immer und immer wieder das Reich, in die Hoheitsrechte der Länder eingreift, allerdings mit der Begründung, daß die Lebensnotwendigkeiten des Reichs das unbedingt erfordern. Läge es wirklich so, dann würde auch die bayerische Regierung nicht zögern, bayerische Belange gegenüber dem Reich zurückzustellen. (Große Unruhe links) Bayern hat dabon Proben genug gegeben, es hat guf den größten Teil feiner Rechte zugunsten des Reichs verzichtet. Aber solche Lebensnotwendig—⸗ keiten vermag die bayerische Regierung weder in dem Gesetze zum Schutze der Republik noch in diesem Polizeigesetz anzuerkennen. Not— wendig erscheinenden verschärften Strafbestimmungen hat die bayerische Regierung zugestimmt, nicht nötig aber erscheinen ihr Ein— . in die Justizhoheit der Länder und ein eigenes ad hoe zu- sammengesetztes Ausnahmegericht. Berechtigt erschelnt das Verlangen des Reichs nach Handhaben zur Bekämpfung des Verbrechertums, welches sich nicht auf einzelne Orte oder Landesgeblete beschränkt, aber einen inneren Jusammenhang zwischen dem Entwurf und den tiefbedauerlichen Ereignissen der eg Zeit vermag die bayerische Regierung nicht zu erkennen. (Großer Lärm links. Sie hat darum gegen das Gesetz Einspruch erhoben. Sie war geneigt, zu einer Ver⸗ einbarung zwischen dem Reich und den Ländern die Hand zu bieten, aber diesen Weg zu beschreiten, hat die Reichsregierung leider ab= gelehnt (starkes hört! hört! rechts), und auf der schleunigen Er— ledigung dieses Gesetzes bestanden. Die bayerische Regierung kann auch der gemilderten Fassung des . nicht zustimmen lebhafter Beifall rechts, weil eine unmittelbare Reichsexekutive in die Lqandesiustizhoheit hineingreift. Die bayerische Regierung hält

diese . für . R ö ö. ,,, ö andererseits ür einen kaum mehr erträglichen Eingriff in die berfassungsmäßigen Rechte der Länder. Die Justizhoheit und die Poli ,, den wenigen Rechten, welche nach der Weimarer .. auf dem Höbiete der Landeshoheit noch übri . sind. Die bayerische Regierung ist nicht gewillt, sich 63 Reste ohne Not schmälern zu lassen. Ich bitte deshalb den Reichstag dringend, die Vorlage ab- zulehnen oder doch durch Streichung oder Umgestaltung der S5 3 und ihr eine Fassung zu geben, die auch der bayerischen Regierung die Zustimmung ermöglicht. (Lebhafter Beifall rechts und . der J .

Abg. EG mminger (B. Vp); Aus dem Ausschußbericht i schon ersichtlich geworden, daß nicht dinß ich, sondern ö. . . Anzahl von . Protest eingelegt haben gegen die Art und Weise, wie dieses Gesetz durchzupeitschen versucht worden ist. In den Rechtsausschuß kam der Entwurf zur zweiten Beratun , bevor er überhaupt an das Plenum hatte gelangen können. Das . allerdings schon öfter passiert, Hier aber handelt es sich doch um eine immer

ö. n Minuten vor Beginn itglieder nicht einmal den e Begründung, die erst am r. Wichtigkeit der Vorlage

links. Von diesem geheimen versucht hat, die durch den Rat

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wesen, daß cht eine Ent maßen gegenülbergest hãtte,

. . gestanden hätte, indem sie das

digung gewisser⸗ . erhalten hätten, stat bei der Ernennung des Leiters des ö

mitzubestimmen. Die fachmännische Qualität dieses Leiters muß unter allen Ümftänden gewahrt werden. Wo immer es geht, soll man die Landeskriminalpolizeibehörden hen. Das zeigt auch das Miß-⸗ chick bei der e ., der Rathenaumörder. Wir verkennen eineswegs die Notwen 3 einer gemeinsamen Regelung ver⸗ schiedener Fragen durch das Reich. Früher ist das durch praktisches usammenarbelten erzielt worden. Wenn man das auch diesmal getan ätte, Yann wären die Rechte der Länder gewahrt geblieben. Ich be⸗ daure, daß der . diesen Weg nicht gegangen ist, ich befürchte, daß wesentliche Teile des Entwurfs in der Praxis entweder undurch— m. sein werden oder nur zu heillosen Schwierigkeiten und ebeneinanderarbeiten führen wird, so daß man in wenigen Jahren schon Anträge auf Abänderung stellen wird. Ich bitte Sie daher, mit Rüchsicht auf die Wahrung der Rechte der Ginzelstaaten dem der ,. nicht zuzustimmen oder mindestens unsere Abänderungen an⸗ zunehmen. .

Abg. Lübbring (Soz): Die Notwendigkeit einer Ver⸗ besserung eines Aufbaus der Kriminalpolizei wird von den Kriminalisten schon seit langem gefordert. Neben einem einheit⸗ lichen Aufbau fehlt es auch an der notwendigen Ausrüstung. Hervorragende Fachleute haben immer betont, daß es im Interesse der Bekämpfung des Verbrechertums notwendig ist, die Kriminal⸗ polizei von jeder politischen Betätigung fernzuhalten. Es wäre besser gewesen, daß das Gesetz den Namen „Reichspolizeigesetz“ erhalten hätte, um die Möglichkeit zu haben, daß die Verterter der Reichspolizei neben der politischen Seite ihrer Tätigkeit auch die Bekämpfung des Verbrechertums ausführen können. Auch der Erkennungsdienst muß durchgreifend umorganisiert und ausgebaut werden. Vor allem aber ist eine gründliche Ausbildung der Kriminalbeamten im Erkennungsdienst notwendig. Durch die Uebertragung der Exekutive auf das Reich würden auch die Geheim⸗ bünde zur Vorbereitung politischer Verbrechen wirksam bekämpft werden können. Wir wünschen daher, daß dem Reich die Er⸗ mächtigung gegeben wird, in solchen Fällen, in denen das Reichs⸗ ö berührt wird, durch seine eigenen Beamten Ermittelungen anstellen zu lassen. Bayern aber sperrt sich gegen eine solche Er⸗ wellerung der Reichsbefugnisse. Ich bitte, den bayerischen Ein⸗ wendungen kein Gehör zu geben, sondern dem Gesetzentwurf unter Ablehnung der kommunistischen Anträge und des Antrages Hamm und Emminger in der Ausschußfassung anzunehmen. Die Vorlage stellt einen guten Schritt vorwärts dar, auf dem Gebiet der wirk⸗ samen Bekämpfung des Verbrechertums. (Beifall bei den Sozial⸗ demokraten.)

Abg. Dr. Bell SZentr.): Die Bedenken Bayerns gegen das Gesetz erscheinen nicht berechtigt, denn den Ländern verbleibt ja im wesentlichen das Kriminalpolizeiwesen, nur eine allerdings wichtige Gruppe wird herausgenommen. Wir hätten angesichts der großen herrschenden Erregung die Vorlage gern bis über die Ferien hinaus zurückgestellt, aber es hat sich die Notwendigkeit heraus⸗ gestellt, im Interesse des Schutzes der Republik das Gesetz schleunigst zu gerabschieden. Ich bitte Sie, die Vorlage nach den e ef nff!n anzunehmen, die eine wesentliche Verbesserung bedeuten und auch den berechtigten Interessen der Länder in aus⸗ reichender Weise Rechnung tragen.

Abg. von Kardorff (D. Vp.) : Wir stimmen der Vorlage zu, die im Interesse der wirksamen Bekämpfung des internationalen Verbrechertums notwendig ist. Wir werden auch dem Antrag Emminger zustimmen, lehnen es aber ab, die Ernennung des Leiters des Reichskriminalpolizeiamts von der Zustimmung des Reichsrgts abhängig zu machen. Bei der Beurteilung der bayeri⸗ schen Stellungnahme muß man berücksichtigen, daß die gegen⸗ wärtige Regierung in Bayern eine verfassungsmäßige ist, und daß die Mehrheit des bayerischen Volkes hinter ihr steht. Es ist daher bedauerlich, daß der Reichskanzler gegenüber Bayern nicht die notwendige Rücksicht geübt hat. Der oberste Reichsbeamte muß, auch wenn er Schweres erlebt hat, auf jeden Fall die Nerven bewahren und jedes seiner Worte auf die Goldwage legen. Ich habe seit dem . der Revolution es als die vornehmste Pflicht er⸗ kannt, guf die Ueberbrückung der Gegensätze hinzuwirken. Aber die Linke hat angesichts der seit 50 Jahren betriebenen Agitation lein Recht über die Rechte zu klagen, auch nicht über den guten Ton zu reden, wenn einer ihrer Führer von der Schande des alten Kaiserreiches spricht und damit die Empfindung der anderen Seite bis ins Zentrum hinein, aufs tiefste verletzt. (Lebhafter Wider⸗ spruch links, Zuruf des Abg. Müller⸗Franken). Mir scheint, daß die sozialdemokratische Fraktion in der kurzen Zeit der sozialistischen Arheitsgemeinschaft schon stark umgelernt hat. (Heiterkeit) Die Politik der Drohungen ist unerträglich. Seh richtig! rechts.) Es geht nicht an, daß der Reichstag unter die Diktatur einer ein⸗ zelnen Partei gestellt wird. Wollen Sie (zur Linken) es zur Auf— lösung des Reichstags kommen lassen, wir fürchten uns nicht. Aber ich gebe zu bedenken, daß am Schluß der Wahlbewegung der Dollar auf tausend stehen würde. Wollten Sie die Mehrheit erhalten, was ich nicht glaube, so würde Deutschland um den letzten Rest seines Kredites gebracht sein. Einer rein sozialistischen Regierung würde das Ausland auch nicht einen Heller borgen. (Lebhafter Widerspruch links. Einen Wahlkampf würden wir ruhig und sachlich, aber mit aller Schärfe führen in der Ueber⸗ zeugung, daß es von Ihnen dann heißen wird, gewogen und zu leicht befunden. (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartei.) Abg. Koch⸗Weser (Dem): Wenn ich heute zu entscheiden hätte, wer von den Vorrednern am meisten gegen die Einigungsidee gesprochen hat, so würde ich im Zweifel sein, wem der Preis zu⸗ zuerkennen wäre. (Heiterkeit. Allerdings haften die Eierschalen einer fünfzigjährigen prinzipiellen Opposition der Sozialdemokratie noch heute an, aber ebenso verfehlt ist die Politik des ancien régime gegen die Sozialdemokraten von jeher gewesen. Der Zu⸗ sammenhang des Gesetzentwurfes mit dem Rathenaumord ist hier heute bestritten worden; ich behaupte im Gegenteil, sowohl der Erzberger⸗ als auch der Rathenaumord wären unmöglich gemacht worden, wenn der Reichsregierung ein solches Reichskriminal⸗ pol izeigesetz schon zur Verfügung gestanden hätte. Gegenüber der Notwendigkeit dieses Gesetzes hat es wirklich keinen Sinn, sich über Zuständigkeitsfragen zu zanken. Das sollte auch Bayern bedenken.

Reichsminister des Innern Dr. Köster: Meine Damen und Herren! In der deutschen Geschichte soll es vorgekommen sein, daß die einzelnen deutschen Länder untereinander im Kriege lagen, während draußen an den Grenzen der Feind die schönsten Teile dieses Landes herausriß. Ich möchte nicht wünschen, daß wir uns hier über Zuständigkeiten streiten, während aus der Hefe des deutschen Volks heraus sich Mord⸗ banden bilden, die diesem Reiche die Gurgel abschneiden wollen. Das ist die politische Lage. Das ist die Konsequenz, die wir aus dieser Lage zu ziehen haben.

Im übrigen möchte ich bitten, diesem Gesetze mit jener Ruhe gegenüberzutreten, die leider gegeüber dem gesamten Schutzgesetzgebungswerk, das wir Ihnen vorgelegt haben, nicht immer von vornherein dagewesen ist. Ich halte es zum Beispiel nicht für zweckmäßig, daß der Herr Kollege Emminger hier Vor⸗ würfe gegen uns in der Richtung erhebt, daß wir dieses Gesetz ohne gründliche Vorbereitungen, ohne Vorlage von gedruckten Entwürfen durchgepeitscht hätten. Da ist nicht richtig, denn Kollege Emminger weiß ganz genau, daß diese erste Beratung, für die noch keine gedruckte Vorlage vorlag, nichts weiter als eine auf der Vereinbarung der Parteien beruhende kursorische Durchsprechung war und daß die geschäftsmäßige erste und zweite Beratung gestern, mit allen nötigen Vorlagen versehen, vor sich gegangen ist.

Vergessen Sie nun nicht, meine Damen und Herren, daß der Drang, die Materie dieses Gesetzes einheitlich zu ordnen,

schon längst vor dem Kriege aus der schwiexigen Konstruktion

unseres Bundesstaates, aus dem industriellen Wachstum und

der Vermehrung des Verbrechertums heraus geboren ist! Ich darf Sie auch hier daran erinnern, daß es gerade jetzige und ehemalige Kollegen diefes Hohen Hauses sind, die die reichs⸗ gesetzliche Regelung des Kriminalpolizeiwesens längst vor dem Kriege mit treffenden Argumenten verteidigt und gefordert haben. Der spätere bayerische Justizminister, unser ehemaliger Kollege Müller (Meiningen) hat in der „Deutschen Juristen⸗ zeitung“ die Notwendigkeit einer solchen zentralen Regelung mit treffenden Worten gefordert. Er sagt:

Es fehlt uns entsprechend dem einheitlichen Strafgesetz⸗ buch und der Strafprozeßordnung ein einheitliches deutsches Reichskriminalpolizeigesetz, das heißt die reichsgesetzliche Er⸗

richtung einer Zentrale der deutschen Kriminalbehörden ähn⸗ lich der französischen und schweizerischen. Erst wenn eine solche Reichskriminalpolizei auf reichsgesetzlicher Basis ge⸗ schaffen ist, ist es möglich, mobile Polizeibrigaden einheitlich zu errichten und sie mit allen polizeitechnischen modernen Mitteln auszugestatten, um gegen das internationale Ver⸗ brechertum ein einheitliches Abwehrnetz über gans Deutsch—⸗ land und über dasselbe hinaus auszudehnen.

Ein Jahr vor dem Kriege noch war es unser Kollege Bell, dessen Sachkenntnis uns auch in diesen Beratungen zu diesem Gesetz zur Seite gestanden hat, der im preußischen Landtag ein Reichskriminalpolizeigesetz, die Zentralisation polizeilicher Be⸗ obachtung und Verfolgung gefordert hat. Und wenn Sie wissen und lesen wollen, wie auch aus dem Bedürfnis der einzelnen Länder heraus die Zentralisation des Landeskriminalpolizeiwesens notwendig ist, dann lesen Sie einen Artikel aus den „Münchener Neuesten Nachrichten“, geschrieben von einem bayerischen Juristen, abgedruckt in der Juninummer der Zeitschrift für Kriminologie, in dem dieser bayrische Jurist speziell für Bayern die Notwendig⸗ keit einer zentraleren Regelung als bisher fordert. Es ist selbst⸗ verständlich, daß in den Verhältnissen nach dem Kriege, die uns eine gewaltige Vermehrung des Verbrechertums gebracht haben, sich das Bedürfnis nach einer solchen zentralen Regelung ge⸗ steigert hat (sehr richtig!), in einer Zeit, wo gerade das ver⸗ brecherische Bandenwesen sich zu einem Ausmaß ausgewachsen hat, hier und da mit politischem Einschlag, der den Vergleich mit italienischen Verhältnissen, mit den Faszistenbanden nicht immer als unangebracht erscheinen läßt. Gerade in dieser Zeit haben sich das ist die Ansicht jedes Fachmannes die Schwierig⸗ keit unserer Länderkonstruktion, die Unmöglichkeit, Verbrecher von einem Land in das andere zu verfolgen, wie es im Interesse der Sache liegt, die unzweifelhaften Mißstände in unserer rveichs⸗ kriminalpolizeilichen Regelung verstärkt herausgestellt.

Der Herr Abgeordnete Koch (Weser) hat uns im Ausschuß von seinen Erfahrungen in Bremerhaven erzählt. Wer die Ver⸗ hältnisse zwischen Hamburg und Altona kennt, weiß, wie groß die Schwierigkeiten sind, in diesen Städten, die nichts anderes als eine organisch zusammengewachsene Stadt sind, kriminalpolitisch mit Erfolg tätig zu sein.

Es ist kein Zufall, daß der Gedanke, diese reichskriminal⸗ polizeilichen Schwierigkeiten gesetzlich zu regeln, gleich nach dem Kapp⸗Putsch aufgetaucht ist und der erste gesetzliche Versuch aus dem Sommer nach dem Kapp⸗Putsch stammt. Der Herr Ab⸗ geordneter Koch (Weser) hat Ihnen schon klargemacht, wie wir vor und nach dem Kapp⸗Putsch absolut nicht in der Lage waren, von uns aus zentral solche subversiven Bewegungen, wie es der Kapp⸗Putsch war, zu beobachten, geschweige denn zu bekämpfen. Ich erinnere die Damen und Herren des Ausschusses an den tiefen Eindruck, den es auf uns gemacht hat, als unser verehrter Ausschußvorsitzender, Exzellenz Spahn, uns den Eindruck schilderte, den die Nachricht von der Ermordung Rathenaus auf ihn ausgeübt hätte, indem er sich nämlich an eine Stunde im Herbst des letzten Jahres erinnerte, als ihm erzählt worden sei, daß der nächste auf der Liste eben Rathenau war, und daß er sich heute sagen müsse, vielleicht wäre es möglich gewesen, mit einem solchen Instrument wie dieses Gesetz den Mord an Rathenau zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Ist es Ihnen denn nicht auf⸗— gefallen, daß diese Organisation C, aus der doch anscheinend alle diese Morde der letzten Jahre hervorgegangen sind, mit ihren Mordlisten und weiteren Todeskandidaten sich gerade im Laufe des letzten Halbjahrs immer mehr in die einzelnen Länder ver⸗ krochen und verteilt hat, daß wir heute nicht mehr eine Or⸗ ganisation in einem einzigen Lande haben, wie es früher war, sondern daß sie heute in Bayern, in Sachsen, Thüringen, Schwerin, Oldenburg, Hamburg sitzt? Wir werden doch einfach zu dem Schluß gezwungen: darin liegt Absicht. Diese Lücken, die wir in unserer kriminalpolizeilichen Regelung haben, werden von diesen Verbrechern mit Absicht benutzt, denn sie wissen, in je mehr Länder sie sich verkriechen, desto schwieriger ist die zentrale Er⸗ mittelung, desto schwieriger ist für uns der Zugriff. Darum sage ich, daß gerade der Mord an Rathenau, daß gerade das, was wir jetzt über die Organisation C wissen, für die Reichsregierung ein Anlaß gewesen ist, diese seit langen Jahrzehnten notwendige Regelung nun endlich energisch und definitiv zu betreiben.

Der Herr Kollege Emminger hat den Artikel des „Vorwärts“ herangezogen, in dem über die Schwierigkeiten berichtet wird, die der Verfolgung der Mörder Rathenaus entgegengestanden haben. Ich ziehe aus diesem Artikel nicht die Folgen wie er, sondern ganz andere: wenn die Behörde, die dort verfolgt hat, nicht eine preußische, sondern eine Reichsbehörde gewesen wäre, dann wären solche Schwierigkeiten für die Verfolgung, wie sie hier unglaub⸗ licherweise bei der Reichseisenbahn und bei der Reichspost entstanden sind, unmöglich gewesen. Gerade diese Schwierigkeiten fordern also eine reichsgesetzliche Regelung heraus, die dafür zu sorgen hat, daß alle Reichsbehörden ihren gesamten Einfluß, ihre gesamte Macht und alle ihre Wege, Bahnen und Instrumente in den Dienst dieser Verfolgung zu stellen haben.

Meine Damen und Herren! Malen Sie sich die kriminalpoli⸗ tische Situation bei der Ermordung Rathenaus aus. Zunächst war Verdacht nach irgend einer Richtung überhaupt nicht da, weil nirgends das Material zentral gesammelt wurde. (Hört! Hört! links.) Es gab bei dem Untersuchungsrichter in Offenburg Mate⸗ rial gegen die Organisation C. Es gab welches beim Berliner

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Nr. 158.

Berlin, Donnerstag, den 20. Juli

1922

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Polizeipräsidium; es gab welches in Hamburg; es gab einiges beim Staatssekretär für die öffentliche Ordnung in Preußen, es gab einiges beim Reichskommissar für die öffentliche Ordnung im Reichsministerium des Innern. Nirgends eine zentrale Stelle, an der das Material gesammelt wurde, nirgends ein Kopf, der die Fäden nun sofort überblicken konnte. (Hört! Hört! links) Wenn die Schwierigkeiten, unter denen die Verfolgung der Mörder Rathenaus und der Organisation C gelitten hat ich will niemand einen Vorwurf machen erst einmal ganz klar erkannt werden, dann werden alle einsehen, daß ein solches Gesetz not⸗ wendig ist.

Meine Damen und Herren! Diese Situation erkennend und die Konsequenzen aus der heutigen Lage ziehend, hat die Reichs⸗ vegierung Ihnen dieses Gesetz vorgelegt. Aus der Rücksicht heraus, die die Reichsregierung auf die Länder immer genommen hat und auch heute besonders nimmt, ist die Vorlage, die wir Ihnen unter⸗ breitet haben, von der alten Vorlage des Jahres 1920 sehr ver⸗ schieden. Wer die alte Vorlage kennt, der weiß, in welchen Punkten wir uns gerade mit Rücksicht auf die Länder Einschränkungen auf⸗ erlegt haben. Ich bitte, bei der Betrachtung der politischen Seite der Sache, dies nicht außer Acht zu lassen. Und wenn Sie schon sagen, daß es sich hier um einen Eingriff in die Justiz⸗ und Polizei⸗ hoheit der Länder handele, so bitte ich dabei nicht zu vergessen, daß prinzipiell nach dem Gerichtsverfassungsgesetz ein solcher Eingriff in die Justiz⸗ und Polizeihoheit der Länder schon heute theoretisch vorhanden ist und jeden Tag praktisch werden kann, nämlich dann, wenn es fich um Vergehen wie Landesverrat, Hochverrat, Spionage usw. handelt.

Meine Damen und Herren! Wir haben aus diesen Gründen den 5 7, der die Exekutive des Reiches behandelt, eng umgrenzt, wir haben diese Exekutive des Reiches in den Ländern auf so be⸗ schränkte Fälle reduziert, daß wir von dem, was wir jetzt festge⸗ setzt haben, nicht zurückgehen können. Ich bitte Sie, darauf zu achten, daß wir gesagt haben: nur ausnahmsweise und in be⸗ stimmten Fällen, in Fällen, die das Interesse des Reiches be⸗ rühren, ja die das Interesse des Reiches unmittelbar berühren, kann eine Exekutive des Reiches eintreten. Ja, um die not— wendigen Rücksichten auf die Länder zu nehmen und um jede Ver⸗ letzung der Länder zu vermeiden, sind wir weiter gegangen und haben uns im Reichsrat dem badischen Antrag angeschlossen, daß bei einer solchen Exekutive die Landeszentralen sofort benach⸗ richtigt werden. Es ist hier auch heute wieder viel von Bayern die Rede gewesen. Meine Damen und Herren, ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß nicht nur bei diesem Gesetz, sondern daß bei allen drei oder vier Gesetzen, die wir in diesen vierzehn Tagen in den Ausschüssen und im Kabinett be⸗ raten haben, Bayern im Mittelpunkte gestanden hat. Wenn Sie sich die Gesetze und die Form, die sie schließlich angenommen haben, ansehen, dann werden Sie erkennen, daß banyerische Wünsche auf die Gestaltung dieser Gesetze einen starken Einfluß genommen haben. (Hört! Hört! links.) Dieser Einfluß ist so stark, daß die Regierung zuweilen rein sachlich sehr im Zweifel darüber war, ob sie diese Rücksichten nehmen könnte. (Hört! Hört! links. Sie hat diese Rücksichten genommen (hört! hört! links), fie hat jene politischen Rücksichten genommen, die die Re⸗ gierung immer auf Bayern genommen hat (Zuruf von den Un⸗ abhängigen Sozialdemokraten: Leider!), jene Rücksichten, die nicht genommen zu haben der Herr Kollege v. Kardorff uns zum Vor⸗ wurf gemacht hat.

Meine Damen und Herren! Auch der Herr Reichskanzler hat es vor kurzem erklärt, daß der jetzigen Reichsregierung, die zu einem guten Teile aus Süddeutschen besteht, in keiner Weise der Vorwurf gemacht werden kann, bayerische Wünsche verletzt und nicht genügende Rücksichten auf Bahern genommen zu haben. Ich möchte Sie aber doch einmal ganz ernstlich darauf hinweisen, und zwar gerade die Herren Kollegen von der Bayrischen Volkspartei, daß die Aufgabe dieser Regierung die ist, für die 60 Millionen Deutschen zu sorgen (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) und ihre Richtlinien aus den wirtschaftlichen und politischen Be⸗ dürfnissen dieser 60 Millionen, aus dem staatlichen Bedürfnis des ganzen Volkes zu entnehmen, und daß für eine Regierung, die verantwortlich sein will und ist, auch die Rücksichten auf die 6 oder 7 Millionen Bayern doch notwendig da enden müssen, wo diese Rücksichten kollidieren mit den Rücksichten auf das Ganze, auf das Gesamtreich. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.)

Meine Damen und Herren! Ich habe mich gefreut, daß heute der Herr Gesandte v. Preger seine Aeußerungen in politisch anders gestimmten Tönen hier vorgebracht hat, und daß er uns heute versichert hat, daß Bayern, komme, was da komme! treu zum Reiche steht. Ich bin auch der Meinung, wie es der Herr Kollege von Kardorff ist, daß wir aus dieser Periode der Ultimaten heraus müssen, nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch (sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei und den Deutschen Demo⸗ kraten und links), aus der Zeit der Drohungen; aber nicht nur aus der Zeit der Drohungen mit dem Generalstreik, sondern auch aus der Zeit der Drohungen mit dem Abfall vom Reich (sehr gut! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten), und daß wir alle kein anderes Ziel haben als dieses: der eine in Rücksicht auf den andern alles zu tun für alle! Ich bin auch fest überzeugt, daß das bayerische Volk in seiner großen Masse diesen Standpunkt ver⸗ stehen wird. Ich kann mir vorstellen, daß in Bayern Elemente sind vielleicht sind es gar keine Bayern! Guruf links: Ludendorff), die ein Interesse daran haben, die Absichten der Reichsregierung falsch darzustellen. Ich kann mir denken, daß es in Bayern vielleicht nicht bayerische Elemente gibt, die ein Inter⸗ esse daran haben, den Riß zwischen Bayern und Reich zu erweitern. Aber ich lann mir nicht denken, daß das wirkliche Bayern, das bayerische Voll, unter dem ich doch auch ein paar Jahre gewohnt

habe, nicht versteht, daß in einer Zeit wirtschaftlicher und politischer Hochspannung, in einer Zeit, wo das Reich von Verbrecherbanden bedroht ist. die Reichsregierung dieses Minimum von Exekutive braucht, um nicht nur für das Reich, sondern zugleich doch auch für Bayern zu sorgen. Ich kann den Glauben nicht aufgeben, daß es der bayerischen Regierung und unsern bayerischen Kollegen, die hier mit uns arbeiten, an den gemeinsamen Zielen, eine ge⸗ meinsame Linie zu finden, gelingen wird und gelingen muß, das bayersche Volk davon zu überzeugen, daß in solchen außerordent⸗ lichen Situationen außerordentliche Maßnahmen notwendig sind.

Im übrigen, meine Damen und Herren, darf ich schließen mit der Hoffnung, daß die Wohltaten dieses Gesetzes, das ein wichtiger Anfang einer wichtigen Sache ist, von allen Ländern bald gefühlt werden. Wenn dieses Gesetz erst einmal aus der politi⸗ schen Sphäre herausgehoben wird. wenn seine Instrumente, das Reichspolizeiamt und die Landeskriminalpolizeiämter, erst ein⸗ mal wirklich anfangen, sachlich zu funktionieren und zu arbeiten, dann wird für das Minimum von Exekutive, das noch im §5 7 enthalten ist, nur sehr wenig Gelegenheit mehr sein. Ich hoffe, daß die Zeit des sachlichen Funktionierens dieses Apparates, den wir heute begründen, bald komme. (Bravol bei den Deutschen

Demokraten.)

Abg. Geck⸗Offenburg (U. Soz.): Beim Sozialistengesetz hat sich Bismarck um die Hoheit der Länder nicht gekümmert. Da wurde auch von den Ländern kein Einspruch erhoben. Wir gönnen den Bayern gern einige Rechte, wie das Hofbräuhaus, den König Gambrinus und das Rupp⸗recht ssehr wahr! und Lachen links.. Das vorliegnde Gesetz ist jedoch schon lange notwendig gewesen. Von Bayern aus werden die Mordbuben geschützt. Wir ver⸗ langen die Durchführung des Gesetzes, weil es die Republik ver⸗ langt und wir uns nicht um alte längst verstaubte Rechte der Länder kümmern können (Beifall links).

Abg. Koenen (Komm.) antwortet zunächst auf einen Zuruf des Abg. Dr. Helfferich am Beginn seiner Ausführungen: Es ist eine Unverschämtheit von Ihnen, daß Sie es wagen, hier zu prechen. Er fährt dann fort: Die Reichskriminalpolizei muß zu⸗ ammengesetzt sein nicht aus Freunden des Herrn Helfferich, ondern aus zuverlässigen Republikanern. Die Forderungen der Arbeitermassen werden durch dieses Gesetz nicht erfüllt. Alle Kompromisse müssen wir ablehnen. Sogar Bayern, der Hort der Reaktion, scheint sich mit dem Gesetz abfinden zu wollen. Von der Wendung der Monarchisten ist in diesem Gesetz kein Schimmer übrig geblieben. Bayern wird kritisiert von uns, weil dort Kliquen sitzen, die die Mörder begünstigen. Dort sind bis auf die Knochen monarchistische Beamte. Der mit der Untersuchung be⸗ auftragte Kommissar Naßlack ist der Arbeiterschaft gut bekannt, da er mit den schlimmsten Provokateuren in Verbindung steht. Wenn solche reaktionären Beamte Untersuchungen leiten, dann ist es kein Wunder, wenn nichts herauskommt. enn unser Antrag nicht angenommen wird, daß nur zuverlässige Republikaner in die Reichskriminalpolizei hineinkommen, und das Gesetz dann ange⸗ nommen wird, dann werden die monarchistischen Kommissare auf Reichswegen im Lande herumreisen. Unser Antrag ist ja voll⸗ kommen demokratisch und informistisch hört! bei den Unab⸗ hängigen und den Sozialdemokraten). Beamte der Schutzpolizei dürfen nach Ansicht des sozialdemokratischen Polizeipräsidenten in Magdeburg nicht Kommunisten sein und auch keine kommu⸗ nistischen Blätter lesen. Der aufgelöste Stahlhelmbund in Magde⸗ burg erschien nach zwei Tagen im Handelsregister als Firma Stahlhelm Verlag m. b. S. Hört! Hört! links). So geht man gegen die Reaktionäre vor. Das Gesetz zum Schutze der Republik wird durch die Weismann und Konsorten gegen die Kommunisten angewendet. Wir können dem vorliegenden Gesetz nicht zu⸗ stimmen, da man hier eine neue Polizeihetze gegen die Proletarier einleiten will. =. .

Vizepräsident Dietrich ruft den Abg. Koenen für seine Aeußerungen gegen den Abg. Dr. Helfferich zur Ordnung.

Abg. Un kerleitner (J. Soz): Der Widerstand Bayerns gegen das Reich geht in der Hauptsache von reaktionären Nicht⸗ bahern aus. Das bayerische Volk in seiner großen Mehrheit hält dem Reiche die Treue. Bisher ist das Reich zu rücksichtsboll gegen Bayern gewesen, jetzt muß das energisch daran gehen, endlich die Ruhe und Ordnung wieder in Bayern herzustellen. Dem Offenburger Staatsanwalt, der in der Mordsache Erzberger in Bayern tätig war, hat man die größten Schwierigkeiten bereitet. Der Münchener Polizeipräsident Pöhner hat die Mörder Erzbergers gewarnt. Ludendorff, der von München aus gegen das Reich hetzt, hätte längst aus Bayern ausgewiesen und verhaftet sein müsfen. Auf die bayerische Polizei kann man sich also nicht ver⸗ lassen, die reichsgesetzliche Regelung, die die Regelung bringt, ist daher notwendig.

Der Gesetzentwurf wird unter Ablehnung aller Ab⸗ änderungsanträge nach den Ausschußbeschlüssen angenommen. Damit ist die Tagesordnung erledigt. .

Nächste Sitzung Dienstag, 10 Uhr Oritte Lesung der Schutzgesetze, Amnestiegesetz, Gesetzentwurf gegen die Notlage der Presse, zahlreiche kleinere Vorlagen).

Schluß nach 9 Uhr.

254. Sitzung vom 18. Juli 1922, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst ein schleuniger Antrag der Abgg. Dr. Petersen (Dem), Müller⸗ Franken (Soz) und Marx Gentr) auf Ein⸗

etzung eines Untersuchungsausschusses zur . der Vorwürfe, die gegen die Reichs wehr erhoben worden sind, sowie gegen die Art und Weise, in der die Vorwürfe von dem Reichswehr⸗ minister erledigt wurden. Eine Debatte entspinnt sich über den Antrag nicht, die Abstimmung wird ,,

Dann wird in allen dyei D een. ohne Erörte er⸗ ledigt ein von sämtlichen Parteien mit Ausnahme der Kom⸗ munisten eingebrachter Ent wurf eines Gesetzes das die Reichsregierung ermächtigt, im Einver⸗ nehmen mit dem Reichsrat während der Parlamentsferien die an und nach dem 31. Oktober 1822 ablaufenden Fristen des Gesetzes über Ermächtigung zur Verlängerung der Geltungsdauer von . ung Ssver⸗ ordnungen zu verlängern, und zwar bis späte tens einen Monat nach Zusammentritt des Reichs⸗ tages.

35 allen drei Beratungen werden ferner ohne Aus⸗ sprache erledigt die Gefetzentwürfe über die Gebührenfreiheit bei Ueberführ ungen von Kriegerleichen, über Aenderungen der See⸗

unfallversicherung und der Entwurf eines Luftverkehrsgeseß es. Die Abstimmung über den letzteren Gegenstand, zu der die verfassungsmäßige Mehrheit erforderlich ist, wird zurückgestellt In dritter Lefung wird ohne Erörterung der Ent wu 16 eines Gesetzes über Maßnahmen gegen die wirtschaftliche Notlage der Presse ange⸗ nommen. . Dann folgt die dritte Beratung des Ent wu rfs eines Gesetzes zum Schutze der Republik. Abg. Bazille (D. Nat.): Dieses Gesetz zum Schutze der Republik gibt Grundsätze, die seit Jahrzehnten unangefochtener geistiger und sittlicher Besitz der deutschen Monarchie gewesen sind, der e r nnr ggf⸗ preis und bringt uns zu dem schmerzlichen Bewußtsein, daß Kulturgüter des deutschen Volkes durch den Umsturz der Monarchie bedroht sind. (Präsident Lo ebe bittet um Ruhe.) Diese Grundsätze sind: 1. die Gesetze dürfen eine politische Richtung nicht unter Ausnahmerecht stellen, die nicht durch gewaltsame Bestrebungen sich selbst unter Ausnahmerecht stellt; 2. außergewöhnliche Zeiten erfordern allerdings außer⸗ gewöhnliche Maßregeln, aber diese außergewöhnlichen Maß⸗ nahmen dürfen allgemeine staatsbürgerliche Rechte und die stän⸗ digen verfassungsmäßigen Grundlagen des Staates nicht weiter einschränken, als es zur Abwehr nötig ist, und sich nicht gegen eingebildete Gefahren richtet; 3. müssen die Strafen im Ver⸗ hältnis zur Straftat stehen. Aber aus dem Munde des Mannes, der der oberste Hüter der Gerechtigkeit sein soll, des Justizministers, kam das erstaunliche Wort, daß diese Gesetze nur gegen rechts angewendet werden sollen und daß man nicht daran denke, sie auch nach links anzuwenden. Am Tage der Er⸗ mordung des Minifters Rathenau sagte der Reichskanzler, wie bisher gehe es nicht weiter, es müsse endlich in Deutschland die Atmosphäre gereinigt werden, der Feinde stehe rechts. Da hat der Reichskanzler in einer Minute mehr gesagt, als er in seinem anzen Lebäön verantworten kann. Alles . das aus diesen orten entspringt, fällt auf sein Haupt. (Große Unruhe links. Präsident Loebe bittet wiederholt um Ruhe. Ruf links: Das war eine Drohung gegen den Reichskanzler! Diese Gesetze treffen nicht nur die Geheimorganisationen, sondern weiter dar⸗ über hinaus die Alldeutschen, deren Herz an der alten stolzen Zeit der deutschen Monarchie hängt. Der Reichskanzler sagte in seiner Sonntagsrede nach dem Rathenau⸗Mord: In jeder Stunde Demokratie, aber nicht Demokratie, die auf den Tisch schlägt und sagt: Wir sind sakrosankt, sondern jene Demo⸗ kratie, die in jeder Stunde die Freiheit fördern will. Seit Jahr⸗ zehntn aber haben wir zwei Deutschland, ein monarchistisch⸗ nationales und ein republikanisch⸗internationales. Der Riß, der das deutsche Volk in zwei Lager gespalten hat, zerstört die sitt⸗ lichen Grundlagen des deutschen Volkes. Ohne Ueberwindung dieser Gegensätze ist ein Wiederaufbau Deutschlands unmöglich. Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, segn daß die Völker erst fühlen müssen, ehe sie sehen lernen. ls Partei des Rechts und der Ordnung, die wir immer waren, werden wir jedem Gesetz zustimmen, daß die Rechtsordnung gegen verbrecherische Gewalt schützt; aber dieses Gesetz hier müssen wir ablehnen aus folgenden Gründen. Das Gesetz ist ein Ausnahme⸗ gesetz. Es ist ein parteipolitisch abgestempeltes Gesetz gegen die monarchisch gesinnten Volksteile. Es verstößt gegen die Reichs⸗ verfassung, gegen die Staatshoheit der Länder, gegen die Preß⸗ freiheit, es gibt die Rechtsprechung Personen preis, die weder die nötige Vorbildung noch die nötige Objektivität besitzen, es ver⸗ stößt gegen die Rechtsgleichheit; es läßt völlige Vermögens⸗ konfiskation zu. Das ist dieses sogenannte Schutzgesetz zum Schutz der sogenannten Republik. (Stürmische Unterbrechungen links. Der Präsident ersucht den Redner dringend, die Stim⸗ mung im Hause nicht durch solche Ausführungen zu verschärzen. Die Unterbrechungen und Zurufe von der Linken dauern fort. Der Präsident erklärt, daß die Verhandlungen nicht weitergeführt werden können, wenn der Redner fortgesetzt in dieser Weise unterbrochen wird. Gleichwohl hört der Lärm auf der Linken nicht auf, man vernimmt Zurufe wie Mörderzuhelfer! Da steht auch ein Mörder der deutschen Republik! Gegenüber dem Rathenau⸗Morde haben wir ein veines Gewissen. Gerade die Gegner haben die Wahrheit zu fürchten. Auch den Attentäter auf Bismarck hat man an die Rockschöße des Zentrums gehängt. Nicht die Spur eines Zusammenhanges unserer Partei mit den Mordtaten ist nachgewiesen. Trotzdem aber erklärt der Reichs⸗ kanzler vor dem Reichstag und dem deutschen Volk: Der Feind e. rechts! In jedem anderen Staate hätte eine solche Nieder⸗ age einen solchen Reichskanzler unmöglich gemacht. Nur auf beschränkte Köpfe kann es Eindruck machen, wenn er die Feinde der Republik mit Feinden des Vaterlandes gleichstellt. Zwischen uns und jenen ist keine Gemeinschaft. (Zuruf links: Heuchler! Rüge des Präsidenten,. Die Deutsche Volkspartei hat hier er⸗ klären lassen, daß ihrer Ansicht nach die Gesundung Deutschlands nur auf dem Boden der Republik erfolgen kann. Wir sind der Auffassung, daß der Wiederaufbau erst vor sich gehen kann, wenn nach langem verderblichen Skreit die kaiserlose, die schreckliche Zeit vorbei sein wird. Die heutigen Irrtümer wird das Volk erst überwinden, wenn die Enttäuschung über die Ziele der Republik und des Sozialismus das Volk aufgeklärt hat. Es gibt nun einige Richtungen, wo ein gewisser Doktrinarismus überwiegt, wie er im öffentlichen Leben . vom Parteibegriff nicht zu trennen ist. Ich denke da in erster Linie an die deutsch⸗ völkische Bewegung. Für diese sind wir nur insoweit verant⸗ wortlich, als sie sich innerhalb der Grenzen unseres Partei⸗ programms bewegt. Jeder Mann weiß, daß von der deutsch⸗ völkischen Bewegung sich ein extremer Flügel , hat. Für dessen Tun sind wir nicht verantwortlich. (Lebhafte Zustim⸗ mung rechts.) Der deutsch⸗völkische Gedanke ist die notwendige Reaktion auf die Verirrungen des Internationalismus; an diesem Gifte ist das Volk krank geworden, und es sehnt sich nach Genesung. (Lärmender Widerspruch links, Zurufe: Urgermane! Urteutone!! An diesem großen Gedanken halten wir fest; führt er zu Verirrungen, so bedauern wir das, wir können aber das nicht verhindern und sind dafür nicht verantwortlich. Auswüchse wird es überall geben, solange die Welt fteht; überall hat es radikale Ultras, Cxaltados und Desperados gegeben. N . land müffen bei dem deutschen Volkscharakter die BVerhältnisse schon ganz außergewöhnlich geartet sein, wenn sich etwas Aehn⸗ liches zeigt. ber die deutschnationale Volkspartei verabscheut nicht nur die Mittel, die jene anwenden, sie ist auch der Ueber⸗ zeugung, daß mit diesen Mitteln das deutschnationale Ziel nicht erreicht wird. Auch wir leben in der schwersten Sorge, daß die Attentate dem Lande nicht zum Segen gereichen. Aber wir haben kein Mittel, solche * zu verhindern. (Erneute lärmende Zurufe links.) ie, lieber Freund, aus dem alten Testament ?.. därmende Surufe links, die sich Genn der⸗ artigen allgemeinen Lärm steigern, daß die rgänge im einzelnen nicht verständlich werden; man vernimmt nur, daß der Abgeordnete Dr. Löwenstein von den Unabhängigen Soziglisten gemeint war. Da der Lärm andauert, muß der Redner minutenlang unterbrechen. Der Präsid Parteien auf allen Seiten, ihre

um den Fortgang der Verhandlungen