1922 / 224 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Oct 1922 18:00:01 GMT) scan diff

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und die Ausländer würden in den Wohnungen wohnen. (Zuruf: Die

Hausbesitzer vermieten ja nicht! Ich sage, wenn trotz des Mieter schutzes das möglich ist, dann würde es ohne den Mieterschutz in noch viel größerem Umfange der Fall sein. (Zurufe) Wenn Sie das nicht begreifen, ist es nicht meine Schuld. (Mehrfache Zurufe. Glocke des Präsidenten)

Der Mieterschutz soll dann auch noch daran schuld sein, daß 200 000 Russen, die in Berlin wohnen, nicht arbeiten, sondern in Devisen spekulieren. (Abg. Dr. Bredt: Davon habe ich nichts gesagt ) Ich babe die Worte, die in Ihrem Stenogramm stehen, nicht anders auffassen können. (Widerspruch des Abg. Dr. Bredt) Sie haben ja eben mit Nachdruck hervorgehoben: daß 200 000 Russen in Berlin wohnen, ist Schuld des Mieterschutzes. (Abg. Dr. Bredt: Jawohl— das habe ich gesagt) Aber ich sage: Das ist ihnen gelungen, infolge ihrer guten Valuta, die sie irgendwo aufgetrieben haben, in ihrer großen Zahl, mit ihrer besseren Bezahlung die Deutschen aus den Wohnungen herauszubringen, und ohne Mieter— schutt würde das noch in viel größerem Umfange der Fall sein, dann würde das in noch viel größerem Umfange eintreten. Das wage ich vorläufig zu behaupten und halte es für alle Zukunft aufrecht (Zuruf. Als wenn es nur Untermieter sind! Es sind in außer⸗ ordentlich großem Umfange noch andere Wohnungen vorhanden. Ich habe überall versucht, den Tatsachen auf den Grund zu gehen, aber es gilt noch immer das alte Sprichwort: Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Wir beklagen diese Tatsachen mindestens ebenso wie Sie. Wir müssen uns aber mit aller Entschiedenheit dagegen verwahren, daß das auf das Konto des Mieterschutzes geschrieben wird. In demselben Sinne hat Herr Dr. Grundmann behauptet, daß die Zwangswirtschaft die Ursache der Wohnungsnot sei. (Zuruf.) Es gibt immer noch Leute, die der gegenteiligen Auffassung sind, wie eben mit Recht von dem Herrn Abg. Meyer (Solingen) hervor gehoben worden ist. Obgleich über drei Jahre für alle Neubauten weder eine Rationierung noch eine Beschlagnahme, noch Höchstmieten, noch sonst irgend etwas bestimmt worden ist, ist das Resultat der freien Wohnungsbautätigkeit außerordentlich gering. (Sehr richtig! bei der Vereinigten sozialdemokratischen Partei.) Ich werde das gleich noch in anderem Zusammenhange weiter ausführen.

Wenn Herr Dr. Grundmann weiter sagte, die Zuschußwirtschaft hahe vollständig versagt, so werde ich auch das Gegenteil zu beweisen versuchen. Die Zuschußwirtschaft hat nur deshalb versagt, weil wir bisher den Verhältnissen nicht folgen konnten und aus den Schwierig- keiten heraus tatsächlich nicht gefolgt sind in dem Maße, wie es not— wendig gewesen wäre. Wenn wir in dem Maße, wie die Geldent⸗ wertung fortgeschritten ist, die Kosten für die Neubauten aus den Mieten herausgeholt hätten, dann würden wir das Programm, von dem der Abg. Meyer (Solingen) gesprochen hat, durchgeführt haben. Selbstverständlich kann man zugeben, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen mancher noch eine Wohnung aus alter Zeit für Ver— hältnisse behält, die heute eigentlich nicht mehr gerechtfertigt sind. Das macht sich heute immer mehr bemerkbar, aber schon in den nächsten Monaten wird sich eine Revidierung inbezug auf die Wohnungswirtschaft einstellen, weil die Mieten auf Grund des Reichsmietengesetzes, wenn Sie an alle behördlich festgesetzten Ab⸗ gaben, wie Wassergeld, Grund- und Gebäudesteuer und Versicherungs⸗ gebühren denken, immerhin schon auf die sechs⸗ bis siebenfache Höhe der Friedensmiete gebracht werden. Diese Entwicklung wird ohne weiteres einsetzen.

Herr Dr. Grundmann hat weiter bemängelt, daß wir immer noch vorwiegend am Flachbau festhalten und immer noch nicht zum Hochbau übergehen wollen. Wenn der Hochhausbau tatsächlich erhehlich billiger wäre, als der Flachhausbau, dann würden die vielen Hochhäuser, die heute bereits von der Baupolizei genehmigt sind, endlich gebaut werden. Vielfach sind die Projekte der Hochhäuser fix und fertiggestellt, aber die Frage der Finanzierung ist so außerordent- lich schwierig, daß noch gar keine Hochhäuser gebaut sind. Wenn man den Gedanken konsegnent zu Ende denkt, dann müßten ja die Hochhäuser die billigsten Häuser sein, die wir uns in der Einheit genommen denken können. Das trifft absolut nicht zu, einmal, weil die Mög— lichkeit der Finanzierung so schwierig ist, dann aber auch aus ideellen, ethischen und praktischen Gründen heraus sind wir bereit, am Flach⸗ hausbau festzuhalten. (Sehr richtig! bei der Vereinigten sozialdemo—⸗ kratischen Partei Soweit der Ausbau von Baulücken in Frage kommt, kann man davon absehen, aber wo es sich um Neusiedlungen handelt, sind wir gewillt, an dem bisherigen Grundsatz festzuhalten, damit wir das Volk wieder mit der Scholle in Verbindung bringen und in unserem Vaterlande eine gesunde, kräftige Jugend heran⸗ ziehen. (Sehr richtig! bei der Vereinigten sozialdemokratischen Partei.)

Wenn das wirklich der Weisheit letzter Schluß wäre, wie Herr Dr. Grundmann sagte, daß die Wohnungsfrage nur durch Beseitigung der Zwangswirtschaft gelöst werden kann, dann bin ich der Ansicht, daß die bisherigen Erfahrungen das wohl nicht beweisen. Ich darf nur an die Siegerstaaten erinnern, in denen die Zwangswirtschaft nicht in diesem Maße durchgeführt wurde. Dort sind nicht mehr, sondern weniger Häuser gebaut worden als bei uns in Deutschland. Das allein das ist schon ein zwingender Beweis dafür, daß diese Behauptung nicht zutrifft.

Wir dürfen auch wohl die Frage aufwerfen: was ist denn durch die Zuschußbauten geschehen? Da darf ich zunächst sagen, daß im Jahre 1921 aus Landesdarlehensmitteln Zuschüsse für insgesamt 60 000 Wohnungen gewährt wurden. Davon wurden im Jahre 1921 tatsächlich rund 32 000 Wohnungen fertiggestellt. Der Rest, un⸗— gesähr 28 000 Dauerwohnungen, wurde im Laufe des gegenwärtigen Jahres, also 1922, fertiggestellt. Ohne Zuschüsse wurden dann noch im Jahre 1921 sertiggestellt 27 767 Dauerwohnungen und 8323 Be⸗ helsfswohnungen, so daß doch im vorigen Jahre insgesamt über 60 000 Wohnungen erstellt worden sind. Im Jahre 1922 sind nach den bisher vorliegenden Zahlen ohne Zuschüsse 19 182 Dauer⸗ wohnungen und 1532 Behelfsbauten erstellt worden. (Abg. Laden dorff: Die die Ausländer mit Beschlag belegt haben) Ach, die die Ausländer mit Beschlag belegt haben! Hören Sie doch auf! Würden Sie den Dingen tatsächlich nachgehen und würden fragen, was dabei mehr mitspielt, so würden Sie finden: es ist die Sucht, Dollars und Gulden zu bekommen, es ist das rein materialistische Interesse, ein gutes Geschäft zu machen. Nein, diesen Leuten sind die Interessen des preußischen Volkes so schnuppe wie irgendetwas. Ihnen kommt es nur darauf an, ihren Geldbeutel zu füllen. Tun Sie doch nicht so, als ob diese Leute sich irgendwie um die Not kümmerten. (Lebhafter Widerspruch bei der Wirtschaftspartei. Zurufe und Un—⸗ ruhe links) Nach den bisherigen Schätzungen werden auch in diesem Jahre mindestens 30 000 Wohnungen gebaut werden. Da komme ich

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auf das was Herr Kollege Meyer (Sosingen) gesagt hat, daß das ursprüngliche Programm gewesen sei, 200 000 Wohnungen zu erstellen Das war naturgemäß auch unser Wunsch; auch uns wäre es am liebsten gewesen, wenn wir dieses Programm hätten durchführen können. Das muß aber auch wobl Herr Kollege Meyer zugeben, daß ein solches Programm-aufstellen gut und wobl ist, daß nachher aber die praktische Durchführung doch nicht so einfach ist, wie es vielleicht den Anschein hat. Wir hoffen aber trotz alledem, auch durch Maßnahmen die wir gegenwärtig vlanen, für das nächste Jahr einen weiteren, größeren Erfolg im Bau von Wohnungen zu erzielen Wir sind uns im Wohlfahrtsministerium durchaus klar darüber, wenn heute. wie es in diesem Jahre der Fall ist, der Staat mehr als 6 Milliarden für den Bau von Wohnungen zur Verfügung stellt daß wir auch die Vervflichtung haben, dafür zu sorgen, daß ein möglichst hoher Nutz= effekt aus dieser zur Verfügung gestellten Summe herbeigeführt wird. Ich möchte bitten, den Fall des Holzhändlers Anders im einzelnen darzulegen. Wir sind sehr gern bereit, die Sache gründlich nachzu⸗ prüfen. Ich habe bisher keine Kenntnis davon gehabt, habe aber Anordnung getroffen, daß die Sache gründlich nachgeprüft wird.

Was die staatlichen Holzpreise angeht, so müssen wir hier im Landtag doch wohl betonen, daß dabei nicht nur Bauinteressen eine Rolle spielen, fondern auch Etatinteressen. Deswegen würde es Auf⸗ gabe des Hauptausschusses oder eines anderen Ausschusses im Landtag sein, nachzuprüfen, wie diese beiden gegensätzlichen Interessen hier einen vernünftigen Ausgleich finden und wie man am besten aus diesen Schwierigkeiten herauskommt.

Ich darf sagen, daß bei uns beschlossen ist das wird vielleicht insbesondere Herrn Kollegen Mever interessieren —, daß in Zukunft bei der Verteilung der staatlichen Mittel für den Wohnungsbau nicht einfach der bisherige Schlüssel zugrunde gelegt, sondern auch in Be⸗ tracht gezogen werden soll, wie hoch die Wohnungsbauabgabe ist, die an den einzelnen Orten erhoben wird, weil wir meinen, daß da, wo eine hohe Wohnungsbauabgabe von der Bevölkerung getragen wird, auch die Wohnungsnot außerordentlich groß sein muß und der Staat eine besondere Verpflichtung zum Eingreifen hat (sehr richtig! bei der Ver. Soz. Dem. P.), während da, wo die Bevölkerung sich nicht zu einer großen Wohnungsbau⸗ abgabe entschließen kann, ihr jedenfalls das Feuer nicht so auf den Nägeln brennen wird. Ich hoffe, daß wir diese Dinge sehr gut abändern können.

Was den 5 92 des Kom munalabgabengesetzes angeht, so glaube ich kaum daß hier mit Ausfü hrungsanweisungen viel zu machen sein wird. Da wird wohl eine Aenderung des 59a Platz greifen müssen. Das untersteht nicht direkt meiner Zuständigkeit, sondern ist mehr Sache des Ministers des Innern und des Finanzministers. Aber ich glaube, wenn das erreicht werden soll, was Herrn Abg. Meyer vor⸗ schwebt, dann wird wohl eine Aenderung des § ga eintreten müssen. Darüber werden besondere Beratungen eventuell notwendig. Ich weiß nicht. ob die gesetzliche Grundlage für die gewünschte Aenderung der Ausführungsanweisung zum 5 ga ausreichend ist.

Dann hat Herr Abg. Meyer die Luxusbauten, die immer noch aufgeführt werden, kritisiert. Ich verkenne nicht, daß in dem einen oder anderen Falle Dinge gemacht werden, die nicht zu vertreten sind, aber ich möchte doch dem zitierten Ausspruch gegenüber des Herrn Dr. A. Müller im „Berliner Tageblatt“ gegenüber besonders hervor⸗ heben: zunächst einmal werden wir das Geld, das heute für Luxus⸗ bauten ausgegeben wird, nicht ohne weiteres für den Kleinwohnungsbau bekommen. Ich glaube, das wird zweifellos irrig fein. Dann müssen

mir uns darüber im klaren sein, daß die Arbeit, die heute dadurch geschaffen wird, dann wegfallen würde. (Sehr richtig! Ich darf

mich da gerade auf Herrn Dr. August Müller berufen, der bezüglich des Verbots der Tabakseinfuhr sagt: es zeigt sich eben, daß so⸗ genannte Luxuseinfuhren oftmals Rohstoffe sind, deren Weiterver⸗ arbeitung ziemlich die Hände in Bewegung setzt. (Sehr richtig!

Zuruf.) Es war vorübergehend ein Mangel an Bauarbeitern. (Zuruf.) Nein, gegenwärtig nicht mehr. Gegenwärtig find die

Dinge wesentlich anders. Das ist richtig, aber gegenwärtig müssen wir jeder Wohnungsbeschaffung dankbar sein, und der Gewinn an Baustoffen ist meiner Ansicht nach nicht so gewaltig, daß er besonders ins Gewicht fällt. Bei den Likörstuben und was sonst noch in Frage kommt, die ich gewiß nicht verteidigen will, tritt meistens nicht ein Verbrauch von Baustoffen ein, sondern mitunter ein Gewinn, weil in der Regel Wände herausgeschlagen und keine neuen eingesetzt werden.

Ich sage zu dem, was Herr Dallmer angeführt hat: er be— hauptete wieder, daß die Wohnungsbauabgabe jetzt schon ein Stadium erreicht hat, in dem es untragbar wäre. Dann werfe ich demgegen⸗ über die Frage auf: wie würden die auf die Geldentwertung hinaufgekletterten Mieten zu tragen sein, wenn gegenwärtig schon die Wohnungsbauabgabe nicht tragbar sein soll?! Daß vielleicht nach der Richtung eine Reform eintreten kann, daß bezüglich der Kleinrentner, der kinderreichen Familien ein Ausbau der gegenwärtig etwas rohen Wohnungsbauabgabe, was ich ohne weiteres zugebe, wünschenswert wäre, dem pflichte ich durchaus bei, und wir wollen sehr gern mithelfen, hier eben den richtigen Weg zu finden.

Wenn er weiter für die Kleinrentner Zuschüsse zu den Mieten verlangt, so werfe ich auch da die Frage auf: wie verträgt sich das mit der freien Wirtschaft, wenn man einerseits die freie Wirtschaft haben will und andererseits den Zuschuß für die Kleinrentner. (Zuruf.) Gerade wegen der ungeheuren Not der Kleinrentner habe ich mit allem Nachdruck am Mieterschutz festgehalten. Wenn alle Leute das einfach abwälzen und entsprechende Löhne und Gehälter erhalten könnten, ließe sich über diese Dinge reden. Aber die vielen Leute, die nicht die Möglichkeit haben, die Mietsteigerung abwälzen zu können, die Kleintentner, die Sozialrentner, und wie sie alle heißen, die würden in die schlimmste Not kommen, wenn wir den Mieterschutz im geringsten fallen ließen. Das hat uns veranlaßt, auch in Zukunst daran festzuhalten. Wir sind nicht gewillt, davon abzugehen, trotz der Angriffe, die immer nur von einzelnen Seiten nur von einzelnen Seiten, betone ich auf die Regierung erfolgen. Ich fühle mich nach der Richtung eigentlich heute wesentlich entlastet, weil das preußische Wohlfahrtsministerium nicht mehr in dem Maße der Prügelknabe ist, weil wir heute das Reichsmietengesetz haben, das in erster Linie dafür verantwortlich ist. Also der Grund, der in Preußen gelegt worden ist, hat sich doch als so außerordentlich gut erwiesen, daß er zum Reichsgesetz ausgearbeitet worden ist. Ich glaube, das dürfen wir als einen besonderen Erfolg unserer Politik auf diesem Gebiete anführen

Wenn weiterhin gesagt worden ist, daß eine Steigerung der Wohnungsbauten durch Beseitigung der Zwangswirtschaft erreicht würde, so kann ich das unter keinen Umständen anerkennen. Das ist

eine Behauptung, die durch nichts bewiesen werden kann, und Sie wissen., daß durch Behauptungen derartige Dinge nicht aus der Welt zu schaffen sind. Selbstverständlich habe ich den berechtigten Wänschen und Forderungen der Vermieter zur Aufrechterhaltung und Gesund⸗ erhaltung unseres deutschen Grundbesitzes nach Möglichkeit Rechnung getragen. (Zuruf. ) Das ist Ihre Ansicht, Herr Ladendorff. Daß Sie jemals eine andere Ansicht bekommen werden, glaube ich nicht. Ich glaube auch nicht, daß ich Sie jemals überzeugen werde. Aber Sie müssen schon gestatten, daß ich darauf hinweise, daß nicht nur Vermieter in Preußen ihren Wohnsitz haben, sondern auch Mieter und daß Gott sei Dank nicht nur die Interessen einer bestimmten Klasse wahr genommen werden. Deswegen beabsichtige ich auch, in Zukunft einen Ausgleich herbeizuführen. Ich habe schon gesagt: daß mir das ganz gelingen wird, hoffe ich nicht. Ich werde niemals beide Teile zufrieden stellen. Deshalb werde ich es so zu machen versuchen, daß beide Teile gleichmäßig schimpfen. (Heiterkeit und Zuruf.) Bitte, wenn sie eine bessere Regelung wissen, so stelle ich Ihnen gerne, vorausgesetzt, daß der Landtag damit einverstanden ist, mein Ministerium zur Verfügung, Herr Ladendorff.

Bezüglich des Wohnungsbaues will ich gern mit den Parteien die guten Willens sind, alle Versuche machen, um unseren Wohnungs⸗ bau, der zweifellos für unser Volk von sehr großer Bedeutung ist, so zu stärken und zu fördern, wie es überhaupt möglich ist. Ich werde alle Möglichkeiten prüfen. Nur eine Möglichkeit gibt es für mich nicht, und das ist die Einstellung des Wohnungsbaues. Wir müssen den Wohnungsbau fördern (sehr richtig und wenn die Wohnungebauabgabe noch mehr erhöht werden muß. Wir dürfen den Wohnungsbau nicht einstellen. Neben der Melioration, besonders der Oedländereien, ist der Wohnungsbau das Allerwichtigste in unserem Vaterlande, was wir zu betreiben haben. Ich hoffe, daß auch die Parteien dieses Bestreben nachdrücklich unterstützen werden. (Bravo!)

Abg. Kilian (Komm.): Herr Rabold hat uns schon gestern darzutun versucht, daß die von uns verlangten Kontrollausschüsse überflüssig und zwecklos sind. Herr Rabold und die Unabhängigen Sozialdemokraten verbrennen jetzt was sie früher angebetet haben; früher haben sie diese Kontrolle und die Organe dafür ebenso stürmisch verlangt. Heute aber lautet ja die Parole der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei: „Kampf gegen die Betriebsräte!“ Auch in der Frage des Umlagepreises wird die Ver⸗ einigte Sozialdemokratische Partei umfallen, das läßt sich aus den sehr feinen Fühlhörnern, die der „Vorwärts“ ausstreckt, bereits erkennen. Das ganze Aktionsprogramm der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei ist nur auf Täuschung be⸗ rechnet. An dieser ganzen Teuerungsdebatte ist ja nur der Volksverrat der Sozialdemokratischen Partei schuld, die das arbeitende Volk dem Kapitalismus zur Ausbeutung ausgeliefert hat. Die Sozialdemokratische Partei verkündet die Sozialisierung, innerlich aber glaubt sie mehr an Stinnes. In Rußland ist freilich der Kommunismus noch nicht voll⸗ ständig durchgeführt (Gelächter; auf der Tribüne wird geklascht, Vizepräsident Dr. v. Kries droht die Räumung der Tribüne an). Die deutsche Industrie und die deutsche Regierung haben nicht verstanden, die deutschen Interessen beim Wiederaufbau Ruß⸗ lands gebührend zu vertreten. Maßlos übertrieben ist das ganze Gerede von der kapitalistischen Konzessionspolitik Rußlands wiederholte Unterbrechungen und Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten). Das Bündnis der Sozialdemokraten mit den Stinnesleuten hat das unbeschränkte Wucher⸗ und Schiebertum großgezogen, welches jetzt dem arbeitenden Volk seine Notschreie erpreßt. Die proletarische Revolution muß neu begonnen werden, und dazu sollen die Kontrollausschüsse der Betriebsräte dienen; die Revolution muß da wieder aufgenommen werden, wo die Sozialdemokraten sie fallen gelassen haben.

Abg. dem ann (Soz.): Als Soziglist bedaure ich, daß der kommunistische Versuch in Rußland e , . ist. Aus dem uüssischen Fehlschlag wird auch die deutsche Arhbeiterschaft lernen und erkennen, wo die Volksverräter sitzen. Ich habe mich gegen Dr. Grundmann und seine Forderungen zu wenden. Der deutschen Zementfabriken sind zu viel, die Produktion wird dadurch unverhältnismäßig belastet und die alten, technisch zurück⸗ gebliebenen Anlagen sind es, die, schließlich die Preise so hoch halten. Der Wohnungswucher ist die widerlichste und unerträg⸗ lichste Jorm des Wuchers überhaupt; zu seiner Bekämpfung bieten die ausgezeichneten „sozialen Baubetriebe“ eine vorzügliche Unterlage. Die Unternehmerkartelle müssen gebrochen werden. Die Kohle der Ueberschichten muß in erster Linie der Gemein⸗ wirtschaft auf dem Gebiete des Wohnungsbaues zugeführt werden, sie darf nicht wieder denen in die Hände fallen, die sich an dem Elend ihrer Volksgenossen noch bereichern.

Abg. Stemmler (HSentr) begründet die große Anfrage seiner Fraktion: „Die in den letzten Wochen eingetretene Geld⸗ entwertung droht, den gewerblichen Mittelstand, das Handwerk und den Kleinhandel zu vernichten. Was gedenkt das Staats⸗ ministerium zu tun, um die drohende Not abzuwenden?“ Auch in den Kreisen der Notare und Rechtsanwälte herrscht äußerste Not, die sogar die Abhaltung des Anwaltstages in diesem Jahr verhindert. Die jetzige Gebührenordnungsregelung ist unbrauch⸗ bar geworden; die Anwaltschaft steht vor dem Zusammenbruch. Ganz ähnlich ist die Notlage der Aerzte; der völlige Zusammen⸗ bruch dieses Standes ist in wenigen Monaten vorauszusehen. Ich warne die Regierung, den Weg zu gehen, die Krankenkassen mitglieder mit einer Geldzahlung abzufinden und sie so zu Privatpatienten zu stempeln. Damit wird keinem von beiden Teilen geholfen. Die weitere Erhöhung der Versicherungsgrenze ist ebenfalls sehr bedenklich. Von der gleichen Notlage betroffen ist die bildende Künstlerschaft.

Abg. Dr. Bredt (Wirtschaftsp); Der Wohlfahrtsminister hat heute gegen meine Samstagsrede polemisiert, indem er einzelnes aus dem Zusammenhange herausriß. Dagegen lege ich Verwahrung ein. Der Kern meiner Behauptung war: Während die Regierung behauptet, die Wohnung von der Valutawirkung freigehalten zu haben, steht fest, daß man jetzt, um eine Wohnung zu erhalten, ein unver- hältnismäßiges Abstandsgeld zahlen muß. Darauf ist der Minister mit keinem Worte eingegangen. Man wird mir zugeben, daß man durch das Wohnungsamt eine Wohnung in der Regel nicht bekommt. Mit den Hypotheken gläubigern, deren Schwierigkeiten mir durchaus bekannt sind, haben wir es hier nicht zu tun. Wir haben für sie durchaus Sympathien, aber auch für die notleidenden . Ein Mieterschutz war und ist notwendig; der Mieter darf nicht ohne weiteres auf die Straße gesetzt werden. Aher es gilt, den gerechten Ausgleich zu finden, und diese Frage muß ernsthaft, und sachlich behandelt werden. Auf dem Mietertag ist das seitens des Ver⸗ trekers des Reichsjustizministeriums nicht geschehen. Für eine Staffelung der Miete nach dem Einkommen ist der deutsche Haus⸗

(Forsetzung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. ö

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt Berlin Wilhel mstr. 32.

Vier Beilagen 6

leinschließlich Börsenbeilage) und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Nr. 224.

1922

Berlin, Donnerstag, den 5. Oktober

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

besitz an sich durchaus. Wahllos und sinnlos ist die Verteilung dessen, was durch den Zwang dem Hausbesitz genommen worden ist, vor sich gegangen, und darin liegt für die Staffelung eine große Schwierig⸗ keit. Was hat der Minister getan, um uns 3 B. von den 200 060 Russen zu befreien, die sich in Berliner Wohnungen eingedrängt haben? Hier muß Remedur geschaffen werden.

Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer: Meine sehr ver— ehrten Damen und Herren! Herr Professor Bredt hat in seinen letzten Ausführungen von einer Tonart gesprochen (Abg. Dr. Bredt Nicht von Ihnen!) ich darf mir erlauben, darauf zurückzukommen, Herr Dr. Bredt —, von einer besonderen Tonart gesprochen. Da möchte ich doch Gelegenheit nehmen, gegen einen Vorgang Ver— wahrung einzulegen, der sich unmittelbar im Anschluß an meine Rede abgespielt hat, wo Herr Abg. Dr. Bredt in einer ganz besonderen Tonart Beamte meines Ministeriums in einer Art und Weise be⸗ schimpft hat, die ich nicht durchgehen lassen kann (sehr richtig! im Zentrum und links. Zuruf des Abg. Dr. Bredt.) beschimpft hat, die ich nicht durchgehen lassen kann. Er hat zunächst einmal von dem Referenten für den Mieterschutz im Reichsarbeits⸗ ministerium als von einem unverschämten Schnösel geredet, von einem Karrieremacher, von einem ganz dummen Jungen, und zu unserm Reserenten für den Mieterschutz, er wäre ein taktloser Geselle von bekannt süffisanter Art; er wäre das Unglück Preußens usw. Ich kann nicht einsehen, daß Herr Professor Bredt durch eine solche Tonart beweist, daß seine Sache gut ist. Wenn er zu solchen Mitteln greift, dann muß die Sache sehr schlecht sein, die er vertritt, wenn er dazu übergeht, hier im Hause das Ministerium in der Weise anzu, greifen. Ich muß dagegen ganz entschieden Verwahrung einlegen. Ich bin für die Politik des Ministeriums verantwortlich. Ich nehme auch Bezug auf die Andeutung, die Herr Professor Bredt eben wieder macht; nicht der Minister und der Staatssekretär, sondern es sei irgend eine andere Quelle. Ich bin für die Politik des Ministeriums verantwortlich und nicht irgend ein Ministerialrat oder wer sonst. Ich lege dagegen ganz entschieden Verwahrung ein und bitte, diese fortgesetzten Verdächtigungen nun endlich einmal zu unterlassen. Das ist durchaus keine Tonart, in der man die Dinge in ein anderes Stadium hineinbringt.

Dann hat Herr Professor Bredt weiter behauptet, ich hätte Sätze aus seiner Rede zusammengestellt und hätte sie dann verwandt. Ich bitte Sie, sich das Stenogramm der Rede des Herrn Professors Bredt anzusehen, um dann selbst Ihre Feststellungen zu machen.

Er hat weiter behauptet: wer heute eine Wohnung haben will, muß dieselbe zu einem höheren Preise kaufen, als früher das Haus gekostet hat. (Zuruf des Abgeordneten Dr. Bredt. Sie haben gesagt: das ist die Regel. So werden heute die Dinge gemacht. Sie haben allerdings nachher gesagt: auch der Vermieter ist vom Wohnungsamt abhängig, so daß das Wohnungsamt über die Wohnungen verfügt. Man kann nicht ohne weiteres den Inhalt einer Wohnung mit der Wohnung gleichstellen, und bei den möblierten Wohnungen wird weniger die Wohnung vermietet als der Inhalt. Wenn ein Hausbesitzer Mittel und Wege wüßte, wie wir dieses Uebelstandes Herr werden könnten wir stehen gern zur Ver— fügung, um mitzuhelfen, dieses Nebelstandes Herr zu werden. Ich muß aber doch feststellen, daß das nicht die Regel ist, in der heute unsere Wohnungen vergeben werden, sondern der allergrößte Teil der Wohnungen wird tatsächlich durch die Wohnungsämter vergeben. (Zuruf) Wenn Sie diese Behauptung aufstellen, ist damit noch nicht das Gegenteil bewiesen, und wenn besondere Unerfreulichkeiten, die in Berlin bestehen, als normal und regelrecht im Staate Preußen hingestellt werden, dann, sage ich, ist das wieder eine absolut falsche Behauptung. (Sehr richtig! links) Es ist hier manches mehr im Unargen, weil sich in Berlin alles konzentriert. Draußen im Lande sind die Verhältnisse im Grunde so geregelt, daß es unmöglich ist, ohne das Wohnungsamt eine Wohnung zu bekommen. (Zuruf.) Das behaupte ich vorläufig doch mit allem Nachdruck.

Herr Professor Bredt hat dann weiter gefragt, warum ich auf einmal für die Sypothekengläubiger eintrete. Ich frage ihn: warum tritt er allein für die Hausbesitzer ein und nicht ebenso auch für die Hypothekengläubiger? Davon habe ich von ihm nichts gehört. Ich habe das Recht, festzustellen, daß ich keiner Maßnahme zustimme, bei der demjenigen ein Vorteil zugeschanzt wird, dem nur der zehnte Teil des Hauses gehört, und bei der derjenige, dem O/o gehören, leer aus⸗ geht. Dieses Recht nehme ich für mich in Anspruch; daran werde ich auch in Zukunft festhalten. Ich freue mich, daß Herr Professor Bredt auch heute die Notwendigkeit des Mieterschutzes anerkannt hat. Bisher haben wir davon außerordentlich wenig bemerkt, daß die Herren um Herrn Professor Bredt davon irgendwie etwas haben ver⸗ lauten lassen.

Eine bestimmte Erklärung der Reichsregierung, die Herr Professor Bredt bekrittelt hat, können wir hier nicht kontrollieren. Dazu müssen wir sie erst vorliegen haben. Wir müssen wissen, wie diese Aeußerung gefallen ist. Das können wir hier eben nicht feststellen.

Wenn Herr Professor Bredt sagt: wir müssen die ganze Frage auf die einzelnen Leute abstellen: wer gehört zu den Mietern, und wer gehört zu den Vermietern? dann sage ich: so läßt sich die Frage überhaupt nicht abstellen (sehr gut! links); denn es gehören zu den Mietern eine Reihe von armen und eine Reihe von reichen Leuten, und es gehört zu den Vermietern eine Reihe von armen und eine Reihe von reichen Leuten. Zu den Vermietern gehören manche, auf die man den Schutz noch weiter ausdehnen könnte, und manche, die durch den Schutz hart mitgenommen werden. Dasselbe ist bei den Mietern der Fall. Wenn das Geld der Kriegsgewinne bei Ihnen einen so großen Anstoß erregt, Herr Bredt, so helfen sie doch dabei, daß den Kriegsgewinnlern das Geld auf steuerlichem Wege abge—⸗ nommen wird! Sie werden uns jederzeit dazu bereit finden. Bisher habe ich leider noch nicht bemerkt, daß von der Seite des

Herrn Abg. Bredt auf diesem Gebiet allzu viel geschehen ist. Wir

sind auch für das Recht und wollen dem Recht mit allem Nachdruck zum Siege verhelfen. Es scheint mir so, daß die Begriffe von Recht sehr weit auseinandergehen (sehr richtig), daß die einen das für

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Recht ansehen, was die andern für Unrecht ansehen. Auf diesem Gebiet werden wir uns vielleicht mit den reinen Interessenvertretern

niemals einigen, ich verspreche aber, daß wir uns weiter bemühen

werden, einen gerechten Ausgleich zwischen Mietern und Vermietern herbeizuführen. (Bravo! im Zentrum)

„Nach, einer kurzen Erwiderung des Abg. Dr. Bredt schließt die Besprechung. Auf die Schlußworte wird ver— zichtet. Eine Reihe von Anträgen geht an den Haupt⸗ bzw. Siedlungsausschuß. Im übrigen wird die Abstimmung morgen erfolgen.

Das Haus geht über zur gemeinsamen Beratung der drei

Anfragen und Anträge, betreffend die ober⸗

schlesischen Angelegenheiten. Abg. Göbel Gentr. begründet ausführlich die große Anfrage des Zentrums: Was gedenkt das Staatsministerium zu tun, um den

der durch das Zuströmen von Flüchtlingen und die Versetzung von Beamten aus den an P

Auch für die oberschlesischen Gemeinden muß sofort eine Hilfsaktion einsetzen. Durchaus geboten ist eine geistige Umstellung des Unter⸗ nehmertums, sonst geht uns durch diese neue Reaktion auch noch der letzte Rest von Oberschlesien verloren.

Abg. Lukassowißt (Dnat) begründet den von seiner Fraktion am 12. Dezember 1921 eingebrachten Antrag, für die in den polnisch gewordenen Teilen Oberschlesiens bisher tätig gewesenen Beamten und Lehrer eine großzügige Hilfs- und Aufnahmeaktion in die Wege zu leiten, sowie die große Anfrage der Fraktion vom 14. Juni 1923. die sich mit den schweren Unruhen befaßt, die im oberschlesischen Ab—⸗ tretungsgebiet und in den benachbarten Ortschaften des deutsch— bleibenden Teiles gegen die deutsche Bevölkerung ausgebrochen waren. Er führt aus: Wir haben die Bildung von Hilfskommissionen für n oberschlesischen Kreis, die Bereitstellung von Notwohnungen für nie vertriebenen Beamten und Lehrer, Beschleunigung der Prüfung

der Personen⸗ und Sachschäden sowie Verfügbarmachung einer aus⸗

reichenden Zahl von Stellen zur endgültigen Unterbringung der ver⸗

ö , z 4 ; . . olen gefallenen Teilen Oberschlesiens geradezu Misttesn zur Unterbringung und Entschädigung der Flüchtlinge ge=

unerträglich gewordenen Wohnungsnot entstanden find?“ Im An⸗

schluß daran befürwortet er die Annahme des Zentrumsantrags, das Stagtsministerium zu ersuchen, erforderlichenfalls in Verbindung mit der Reichsregierung, auf einen baldigen Ersatz der in Oberschlesien durch die interalliierte Besetzung und die polnischen Aufstände ver— ursachten Schäden hinzuwirken. Für die Wohnungsbeschaffung allein würde wenigstens eine Milliarde aufzuwenden sein. Die Rechts⸗ lage bezüglich der Verdrängungsschäden sei ungemein kompliziert. Zweckmäßig würden die Ansprüche auf Aufstandsschadenersatz auch der Kompetenz des Reichskommissars für die Verdrängungsschäden zu unterstellen sein. Aeußerste Beschleunigung des Verfahrens sei not⸗ wendig, da das Geld sich mit jedem Tag mehr entwerte. Auf das Verlangen der deutschen Regierung, 3. die Entente in eine Prüfung der deutschen Aufstandsschäden⸗Ersatzansprüche eintreten solle, ki bis⸗ her eine Antwort nicht erfolgt. Bei dem Reichs⸗ und Staats⸗ kommissar seien 56 G00 solcher Ansprüche angemeldet, davon 560 Prozent aus dem hei Preußen verbliebenen Teile Oberschlesiens. Der Standpunkt der Regierung, daß den Geschädigten ein Rechts⸗ anspruch nicht zustehe, werde den Betroffenen nicht gerecht. Endlich empfiehlt Redner noch einen Antrag auf Uebernahme von Büro⸗ und Exekutivbeamten aus oberschlesischen Amtsbezirken in den un⸗ mittelbaren Staatsdienst.

Um 4 Uhr wird die Weiterberatung auf Mittwoch, 12 Uhr, vertagt. (Vorher Ausführungsgesetz zum Reichs— mietengesetz; Wahlen zum Wahlprüfungsgericht; Abstimmung über die Anträge zur Behebung des Notstandes und der Teuerung.)

171. Sitzung vom 4. Oktober, Mittags 12 Uhr.

Präsident Leimert eröffnet die Sitzung nach 125 Uhr.

Der Entwurf eines Ausführungsgesetzes zum Reichsheimstättengesetz vom 16. Mai 1920 wird ohne Erörterung der Ausschußberatung überwiesen.

In zweiter und dritter Beratung erledigt das Haus eben— 8 ohne Debatte den Gesetzent wurf, betreffend

ereitstellung von Mitteln zur Neuordnung der Strafanstaltsverwaltung, durch Annahme der unveränderte Regierungsvorlage. Die darauf bezügliche Ein⸗ gabe des Justizbeamtenbundes wird durch diese Beschlußfassung für erledigt erklärt.

Darauf wird die Zettelwahl von acht Mitgliedern des Wahlprüfungsgerichts wiederholt. Am 28. Sep⸗ tember hatte sich bei der ersten Wahl Beschlußunfähigkeit ergeben. Die Wahl wird durch Namensaufruf vollzogen. Das Ergebnis wird noch festgestellt.

Inzwischen setzt das Haus die gemein same Be⸗ ratung der großen Anfragen und Anträge zu den Verhältnissen in Oberschlesien fort.

Abg. Franz ⸗-Kattowitz (Soz.): Die Gestaltung der Lage in Oberschlesien hat sich dadurch überaus kompliziert gestaltet, daß seit dem Friedensvertrag dieses Gebiet als ein besonders günstiges Epekulationsobjekt vom internationalen Kapitalismus in Angriff ge⸗ nommen worden ist. Zum Verhängnis ist dem Lande auch geworden die Expansionspolitik der Großindustrie, die während des Krieges be⸗ trieben wurde und nicht wenig zu der ungünstigen Genfer Entscheidung beigetragen hat. Dem oberschlesischen Lande sind nach dem Kriege, namentlich durch die polnischen Aufstände, sehr schwere Wunden ge— schlagen worden. Auch die bisher betriebene deutsche Politik gegen— über Oberschlesien wird uns schließlich die Herzen der Bevölkerung entfremden. Denn von den ihr gemachten Versprechungen ist bisher so gut wie nichts erfüllt. Not tut vor allem eine ef fig. Sied⸗ lungspolitik. Das oberschlesische Volk hat auch kraft seiner Ab⸗ stimmung vom 2. September Anspruch auf preußische Hilfe. Der Flüchtlingsnot muß mit aller Kraft gesteuert werden; hier hat das „Rote Kreuz“ leider völlig versagt. Das Elend der Flüchtlinge ist i grauenvoll; blutig, zerschlagen, sind sie aus dem polnischen Teil herübergekommen, aber das Mitleid, das ihnen zuerst hilfreich beisprang, ist mehr und mehr stumpfer Gleichgültigkeit gewichen. Seit drei Monaten findet in Oberschlesien kein Schulunterricht mehr statt. Beim Abzug der Beamten aus Hindenburg hat sich die Reichswehr unvorteilhaft dadurch ausgezeichnet, 5 ie die Hergabe von Auf⸗ nahmeräumlichkeiten verweigerte. Ebenso haben die Besitzer von i rn und Villen vielfach die Räume lieber leer stehen lassen, als daß sie sie als Zuflucht notleidenden Arbeiterfamilien überließen. Genügende Unterkunft für die Flüchtlinge wäre bei nur einigem guten Willen leicht zu schaffen. Der Flüchtlinge und ihrer Familien hat sich eine verzweifelte Stimmung bemächtigt; sie könnte eh ng gehoben werden, wenn man ihnen Arbeit verschaffte. Es ist ein Skandal, daß man ihnen keine Arbeit gibt, während man von den Bergarbeitern Ueberschichten verlangt. Besonders schlimm sind die alten vertriebenen Arbeiter dran; wer über 40 Jahre ist, bekommt keine Arbeit und liegt auf der Straße. Hier muß die , . auf die Unternehmer drücken, denn den Arbeiterorganisationen ist das bei dem die Unter⸗ nehmerschaft beseelenden Geist unmöglich. Den Gemeinden muß Bau⸗ material für ö überwiesen werden. Die oberschlesischen Kommunalbeamten sind im Gegensatz zu den Staatsbeamten und Lehrern dem größten Elend preisgegeben. Ein besonders trauriges Kapitel bilden die Verdrängungsschäben; wer sie bezahlt, steht immer noch nicht fest. Die Interalliterte Kommission hat, statt eine Aera des Friedens und der Freiheit zu bringen, das Land vollstem Chaos überlassen. Die Regierung hätte diese Schäden von den Reparations⸗ zahlungen abziehen müssen. Der Flüchtlinge hat sich i nn, Mißstimmung und Verbitterung bemächtigt, in der sie den Links- und Rechtsbolschewisten ein nur allzu williges Ohr leihen. Die Ver⸗ drängungsschäden müssen schleunigst geregelt werden. Daß, wie wir beantragen, die Gemeindewahlberechtigung für die Flüchtlinge nicht an den sechs Monate⸗Wohnsitz gebunden sein darf, ist sebstverständlich, man wird doch unsere Mitbürger, die aus Polnisch⸗Oberschlesien haben flüchten müssen, nicht als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollen. Jede Verminderung dieses Rechts ist für uns unannehmbar.

fordert.

ö , . triehenen Staatsbeamten verlangt; wir haben f das Einschreite 6 ; . x 2 . Staatsbeam angt; wir haben serner das Einschreiten Zuständen zu stzugrn, die in den oberschlesischen Gemginden infolge der Landes- und der Reichsregierung bei der Interalliierten Kommission

in Oppeln zur Unterdrückung der Unruhen und die Hergabe pon

: Es ist ja auch inzwischen manches geschehen; auch haben wir dem „Roten Kreuz“ fur seine Hilfstätigkeit Dank zu sagen. Aber es fehlt noch fast überall an durchgreifenden Maßnahmen; viel⸗ ach haben die Kommunen versagt. Die Notlage der vertriebene Beamten und ihrer Familien, zumal der Kinder, hat nicht re hinreichendes Verständnis gefunden. Von der Methode des Vor⸗ redners, auf alte Sünden zurückzugreifen und Parteien für die Zu⸗ stände verantwortlich zu machen, sollte man doch endlich hier, wo es tatkräftig zu helfen gilt, Abstand nehmen. .

Hierauf wird zunächst das Resultat der Wahl des Wahl— prüfungsgerichts mitgeteilt. Abgegeben sind 266 Stimmzettel; absolute Mehrheit 134. Gewählt sind: Grzesinski (Soz.) mit 266, Heil mann (Soz.) mit 214, Le id (Soz.) mit 264, Oppen hoff (Zentr,) mit 262, v. Lin deiner (D. Nat.) mit 215, Dr. Görck (D. Vp.) mit 6, Dr. Preuß (Dem.) mit 261 und König⸗Weißenfels (Komm.) mit 137 Stimmen. Auf Schulz⸗Neukölln (Komm.) fallen 68 Stimmen; auf 14 Ab⸗ geordnete zersplittern 60 Stimmen. Von den Gewählten sind Heilmann, Leid und Oppenhoff nicht anwesend; die übrigen erklären die Annahme der Wahl.

In der hierauf vorgenommenen Abstimmung über die zu Notstandsdebatte verhandelten, von Ausschüssen bereit vorberatenen Anträge werden die Ausschußanträge, betreffen den Bau von Eisenbahnen im Sauer- und Siegerlande zur Einschränkung der Arbeitslosigkeit, betreffend die Vergebung staatlicher Arbeiten zur Behebung der Arbeitslosigkeit in Hand— werkerkreisen, betreffend Förderung des Kleinwohnungsbaues und Milderung der Not der Sozialrentner, mit großer Mehr— heit angenommen. Auch die Anträge des Ausschusses für Handel und Gewerbe vom 3. November 1921 zur Milderung einer zu erwartenden Arbeitslosigkeit gelangen zur Annahme; abgelehnt wird der Antrag, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, im Falle des Streiks die Erwerbslosenunterstützung nach einer Wartezeit von einer Woche zu gewähren, sowie der Antrag, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß auch nicht voll erwerbsfähige Erwerbslose im Bereich des Reichs⸗ verkehrsministeriums mit Erdarbeiten beschäftigt und nach ihren Leistungen entlohnt werden.

Hierauf wird in der vorhin unterbrochenen Beralung fort⸗ gefahren.

Abg., Jachmann (D. Vp) begründet die von seiner Partei eingebrachten drei großen Anfragen, betr. die Unterbringung der Flücht⸗ linge und die Regelung der Bearbeitung der Flüchtlingsschäden, betr. die Gefährdung der Privatschiffahrt auf der Oder und die Ent— schädigung der unterhalb Breslaus vom Polenaufstand betroffenen Schiffer, sowie den Urgntrag wegen Verleihung der Roten⸗-Kreuz- Medaille anläßlich der Polenaufstände in Oberschlesien.

Ministerialdirektor Conze beantwortet namens der Staats- regierung einen Teil der großen Anfragen. Aus seiner Darlegung geht u. a. hervor, daß vor einigen Wochen für Oberschlesien eine ge⸗ meinnützige Siedlungsgesellschaft begründet worden ist

Ein Vertreter des Ministers des Innern bringt das Bedauern seines Chefs zum Ausdruck, an der persönlichen Beant— wortung verhindert zu sein, und teilt mit. Die Aktion für den Wohnungs- und Barackenbau ist kräftig gefördert worden. Die Ent— schädigungsfrage leidet allerdings an einer Zersplitterung, die der raschen Abwicklung nicht förderlich ist; es wird alles getan werden, was im Bereich des Möglichen liegt.

Der Antrag auf Besyrechung der großen Anfragen wird genügend unterstützt, da sich etwas über 30 Mitglieder im Saale befinden, die sich sämtlich für die Besprechung erheben.

Abg. Poeck (Komm.): Die Aktion der Rechten in der ober—⸗ schlesischen Frage ist vornehmlich von der Sorge um Ruhe und Ordnung, d. h. um ihr Eigentum diktiert; an dem Schicksal der Flücht= linge liegt ihnen viel weniger. Wie im Reiche überhaupt, ist auch in Oberschlesien das Mißverhältnis n . Lohnhöhe und Geld- entwertung, dieser indirekte Lohnabbau, immer stärker geworden.

e , nn, und Krawalle sind unausbleiblich, sind in Polnisch⸗

berschlesien schon 4 und die polnische Bourgeoisie verlangt Belagerungszustand und Terrorregiment. Daneben treibt man auch nationalistische Hetze und beschuldigt die deutsche Regierung, die Zahlungsmittel künstlich zurückgehalten zu haben. Es geht da drüben also n, so zu, wie bei uns; ultima ratio sind Maschinengewehre und Bajonette Kerker und Verfolgung. Ueberall dieselbe Heuchelei, derselbe Schwindel, zumal bei den Wahlen, seitens der bürgerlichen Parteien. Die Antworten der Regierung zeigen nur deren komplette ilflosigkeit. Die Arbeiter müssen sich auch in Oberschlesien selbst elfen. Der Feind des Proletariats sind die bürgerlichen Parteien, die unker, die Schwerindustriellen, die Wucherer und Schieber, die Zentrumsleute, die die Arbeitermassen auf das Jenseits verweisen, es ist aber auch die, Vereinigte Sozialdemokratische Partei, die die Arbeiterschaft verrät. Sie alle sind die Vampyre, die dem Proletariat das Lebensblut aussaugen. ö Reparation muͤffen auch die deutschen Ausbeuter und Unterdrücker erangeholt werden, die durch ihre Kriegs⸗ und nationalistische ere so viel zum Ruin der Existenz der Arbeiter= schaft beigetragen haben. Auch Hörsing ist einer der Hen n. en an den jammervollen Zuständen dort; er hat sogar den Grenzschutz gegen die Arbeiter mobil gemacht. Man hat es meisterlich verstanden, durch diesg nationalistischen Treibereien die Arbeiter gegeneinander zu hetzen. Weder unter der polnischen noch unter der deutschen . konnten ihnen ihre Rechte werden; aber sie sind dieser nationalistischen Agitation unterlegen, und besonders hat sich da das Zentrum, der Klerikglismus, hervorgetan. Auch die 8 haben sich diesen ,, beigesellt; die Proletarier in Ober- schlesien hahen mit ihnen die schlimmsten Erfahrungen gemacht. Der Selhstschutz“ in Oberschlesien ist nichts als eine Schutzgarde für die Industrie⸗ und Kohlenbarone, ein Schutz auch gegen die Arbeiter schaft; von seinen reaktionären Führern gehen die Unruhen aus, über die die Deutschnationalen in ihren Anträgen heuchlerisch klagen. Mit den Anträgen und Forderungen der Parteien ist der Not Oberschlesiens

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