1922 / 239 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Oct 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Ich bin der letzte, der diese Bocfälle leicht stmmt, und ich stimme dem Herrn Abg. von Eynern darin zu, daß sie durchaus geeignet sind. Berlin im Inlande und im Auslande aufs schärfste zu kompromittieren. Aber gerade darum, glaube ich, hat man die Pflicht, sich von jeder Uebertreibung fern zu halten. Ich möchte daran erinnern, daß Versammlungsausschreitungen, Terrorakte in demselben Umfange und in derselben Art auch unter dem alten Negime häufig vorgekommen sind. (Sehr richtig.) Ich glaube, es ist notwendig, das besonders dem Herrn Abg. Rippel gegenüber hervorzuheben, der seine Rede auf den Ton gestimmt hat, daß alle diese Exjesse ja doch nur Begleiterscheinungen des neuen Regimes

seien. Der Herr Abg. Nippel ist, wie ich, Westfale, und wir beide sind, meine ich, gleichaltrig, und da wird sich der Herr Abg. Rippel daran erinnern, daß im tiefsten Frieden des

Jahres 1891 in einem kleinen westfälischen Orte, in Spenge, ine Schlacht stattfand, die eingeleitet war von dem frommen Pastor Joskraut. (Sehr richtig Mit Dreschflegeln und Mistgabeln, mit Pflastersteinen bewaffnet haben damals konservative Parteigänger friedliche Demonstranten der sozialdemokratischen Partei überfallen und übel zugerichtet. (Hört! hört! und Zurufe links.) Damals stand hinter jedem Gendarmen, hinter jedem Schutzmann ein Heer von ungefähr 800 000 Mann. Ich habe damals keine solche Anklage erheben hören, wie sie jetzt der Herr Abg. Rippel in seiner Rede gegen die Staatsregierung vorgetragen hat. Ich erinnere weiter daran, daß es früher eine Art System war, Sozialdemokraten und Demokraten, zum Teil auch Zentrumsangehörige aus den konserbativen Domänen sernzuhalten, und mehr als einmal habe ich in der konservativen Parteipresse von damals gelesen, daß man die unerwünschten Sendlinge mit „ungebrannter Holzasche“ empfangen sollte. Ich glaube deswegen, daß von Seiten der Herren Deutsch— nationalen gar tein besonderer Anlaß vorliegt, sich über diesen Terrorakt zu beklagen. (Sehr gut! lints.) Uebrigens müßte ja auch der Herr Abg. Rippel wissen, daß nach dem Kriege die Krim inalitãt ganz bedeutend gestiegen ist und damit auch die Aufgaben der Polizei gewachsen sind; er müßte wissen dag ist das besondere Charakte⸗ ristikum des neuen Regimes —, daß die heutige Regierung unter einem doppelten Druck steht, unter dem Druck der Extreme von rechts und links (sehr gut h, und daß die Polizei heute nicht allein kriminelle Vergehen zu ahnden hat, sondern daß sie ihre ganze Aufmerksamlteit auch auf die Uebergriffe dieser extremen Lager konzentrieren muß. Das alles sage ich nicht, um die Vorgänge vor dem Zirkus Busch irgendwie zu beschönigen oder zu entschuldigen. Aber ich muß mich doch dagegen verwahren, als ob dieser Vorgang ein Beweis da ür sei, daß der Staat in seinen Fugen krache. Ich glaube, gegen die se beabsichtigte oder unbeabsichtigte Suggestion der öffentlichen

Meinung muß hier mit aller Entschiedenheit aufgetreten wer den. Cebhafte Zustimmung bei der Vereinigten Sozial— demokratischen Partei; Zuruf des Abg. Katz) Ja, meine

Herren von der Kommunistischen Partei, am allerwenigsten verstehe ich Ihre Erregung. (Zurufe bei den Komm) Gewiß, es ist ein Toter zu beklagen und ein paar Dutzend Verwundete. Aber ich muß dech fagen: auf etwas Aehnliches mußten Sie sich gefaßt machen. Die alte gute deutsche Redensart: Wer sich in Gefahr be— gibt, kommt darin um, sollte Ihnen doch auch nicht unbekannt sein (sehr richtig!, und Ihre Aufforderungen in der Roten Dahne! ließen doch auch für Ihre Anhänger die Gefahr erkennen, in die sie sich begeben würden, wenn sie sich zum Versammlungsprengen ein— richteten. Wie lautet der Aufruf in Ihrer Presse? Am Sonntag, dem 15. Oktober, will die Orgesch frech und pro— vokatorisch, möglicher weise auch bewaffnet, am Zirkus Busch aufmarschieren. Die Funktionäreversammlung der KPD Berlin fordert alle kla ssenbewußten Proletarier auf, sich diese freche Provokation nicht bieten zu lassen. (Sehr gut! bei den Komm.) Die Funktionärversammlung fordert die Berliner Arbeiter auf, den Zirkus Busch zu besetzen und keineswegs die nationalistische Pest zu dulden. (Sehr richtig! bci den Komm.) Nun, meine Herren, weiß ich nicht, wie Sie die nalionalistische Pest beschwören wollten. Wollte einer von Ihnen das Podium besteigen und die Herren vom Bund für Freibeit und Ordnung beeinflussen, nun unter allen Um— ständen (Zurufe bei den Gomm: Machen See drech keine Witze!) Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie diese Alternative erkannt haben. Entweder glaubten Sie an eine friedliche Beschwörung dieser nationalistischen Pest und brauchten dann Gewalttätigkeiten nicht zu befürchten oder Sie rechneten mit hartnäckigem und sogar bewaffnetem Widerstand. Dann war es leichsertig, Ihie Mitglieder, Ihre An— hänger zum Versammlungssprengen aufzufordern. (Sehr richtig! Zurufe bei den Kommunisten.)

Herr Abg. Geschke hat gestern gesagt: wir kannten den Charakter der Mörderorganisation. Ich weiß nicht, ob Sie über den Charakter des Bundes für Freiheit und Ordnung so ganz unterrichtet der Richtigkeit dieser Aufsassung

waren. Ich habe Zweifel an des Herrn Abg. Geschke. Er ist leicht fertig mit dem Wort, und Sie, meine Damen und Herren von der Kommunistischen

Partei überhaupt, machen ja gar feinen Unterschied: alles was rechts von Ihnen steht, wersen Sie zu den Mörderorganisationen, zur Orgesch. (Sehr richtig Wenn Sie ihre Behauptungen nicht anders belegen können als unter Hinweis auf Artikel der Roten Fahne, so muß ich Ihnen erklären, daß mit den Artikeln der Roten

Fahne die Behörden nichts anzufangen wissen. (Zurufe bei den Komm.:

Haben Sie die Dokumente in der Roten Fahne nicht gelesen?) Ich kann Ihnen nachher andere Dokumente“ zeigen.

Herr Abgeordneter Schulz hat gestern dem Herrn Abgeordneten von Eynern zugerusen: ‚Gegen Mörderorganisationen ist Selbstschutz gestattet!' Es wundert mich eigentlich, daß Sie mit Ihrem Auf⸗— treten gegen Mörderorganisationen zum Schutze der Verfassung und der Regierung vorgehen wollten. Es ist noch gar nicht lange her, da haben Sie durch Ihren Abgeordneten König erklären lassen, daß Sie leinen Finger rührten. (Zuruf bei den Komm.: Für diese Regierung keinen Finger! Große Heiterkeit. Zurufe bei den Komm.) Ich weiß nicht, ob Sie überhaupt wissen, was Sie wollen. (Heiter leit. Zuruf bei den Komm.: Das werden Sie schon nochmal mer ken )

Der dritte Absatz des eben von mir zitierten Aufrufs der Roten Fahne! lautet folgendermaßen:

Die Arbeiterschaft hat keinen Anlaß zu warten, bis neue Banditen erst durch ihre Schüsse das Signal für eine Aktivität“ der sozialdemolratischen Minister geben.

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Was wollen Sie also? hre ganzen Sprengung assichten sollten nichts anderes sein, als eine Unterstützung der Tätigkeit sozialdemokratischer

Minister? (Zuruf bei den Komm.: Wir kämpfen für die Arbeiterschaft!) Sie wissen ja auch, daß ich diese Hilfe dankend ablehne, und ich muß hinzufügen, daß es derartiger Alarmschüsse nicht erst bedarf. Ich schlafe nicht und bin nicht hysterisch, wenn ich aufwache. (Zurufe bei den Komm.: Was haben Sie denn getan?) Es ist also, sagte ich eine gewisse Wandlung in den Anschauungen der Kommunisten ein— getreten. Als vor einigen Monaten die Vorgänge in Königsberg hier beraten wurden, hat in der Erörteruag darüber der Abgeordnete König erklärt, er und seine vpolitischen Freunde rührten keinen Finger für diese „Schieberrepublik“. Und jetzt haben Sie angeblich ihre Mannen aufgeboten, um die Einrichtungen dieser Republik zu schützen. (Zurufe bei den Komm.: Um die Arbeiter zu schützen! Fälschen Sie doch keine Zitate)

Wenn der Abgeordnete Schulz aber erklärt, „gegen Mörder⸗ organisationen ist Selbstschutz gestattetö! so muß ich sagen, daß die Anerkennung dieses Grundsatzes von f nichts anderes wäre als die staatliche Sanktionierung des Bürger— krieges. (Sehr richtig Denn Sie bezeichnen die Herren und die Vereinigungen von der rechten Seite als Mörderorganisationen, und umgekehrt sind die Herren von der rechten Seite leicht geneigt, Sie als Verbrecher zu betrachten. (Sehr richtig! rechts) Wenn wir die beiderseitige Bewaffnung zulassen wollten, hätten wir in der Tat den Bürgerkrieg. (Zurufe bei den Komm.: Den bekommen Sie durch Ihre Fälschungen viel schneller als Sie glauben! Ich möchte des— halb keinen Zweifel darüber lassen, daß die Staatsregierung gegen alle, die sich Staatsgewalt anmaßen, mit aller Rücksichtslosigkeit ein⸗ schreiten wird. Waffen in den Händen Unberufener sind nicht nur eine Gefahr für den einzelnen, sondern auch eine Gefahr für den Staat. (Sehr richtig!)

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Nun hat Herr Abgeordneter Geschke erklärt, daß er durch ein Zirkular, das zum Besuche der Versammlung des Bundes für Freiheit und Ordnung aufforderte, den gefährlichen Charakter dieser Ver— einigung besonders kennengelernt habe. Wenn dem Abgeordneten Geschke daran lag, daß die Polizei gegen die Versammlungseinberuser zeitig einschreiten sollte, dann hätte er der Aufforderung, dem Wunsche des Polizeipräsidenten Folge leisten und hätte dieses Zirkular im Original dem Polizeiprasidenten vorlegen können. Der Polizei⸗ präsident hat ihn am Samstag vor der Versammlung dazu aufge⸗ fordert, Herr Abgeordneter Geschke aber hat es abgelehnt, dieses Dokument vorzulegen. (Zurufe bei den Komm.: Umgekehrt, Herr Richter hat sich geweigert, einzuschreiten! Sie befinden sich in schlechter Position, Sie wollen Ihren Freund reinwaschen! Herrn Richter ein Dokument in die Hand geben, das fehlte noch, diesem Oberspitzel und Obergauner! Glocke des Präsidenten.)

Waffen befinden sich und befanden sich im Besitz beider Gruppen. Der Herr Abgeordnete Geschke hat gestern einige Waffen vorgezeigt, die den Versammlungsbesuchern des Bundes sür Freiheit und Ordnung ab— genommen sind (Zurufe rechts: Abgenommen fein sollen) oder abgenommen sein sollen. Ich bin in der Lage, Ihnen ebenfalls Waffen vorzuzeigen (Heiterkeit), und damit die Parität gewahrt bleibt: hier ist links und da ist rechts. (Erneute Heiterkeit Ich kann die Waffen nicht zirkulieren lassen, denn sie sind Beweisstücke für das Gerichtsverfahren. Das ist eine Waffe von rechts (Heiterkeit), das ist eine weitere Waffe von rechts. (Zurufe bei den Komm.: Jeder hatte (Heiterkeit

J

zwei, drei Waffen) Jetzt kommen die von links. Zurufe bei den Komm.: Herr Minister, haben Sie unsere Redakijons—

schere beschlagnahmt? (Die Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, die beiden Polizeibeamten von der Radfahrerstreife sind von Versammlungssprengern nicht nur an— gehalten, sondern auch durch Messerstiche verletzt worden. (Hört, hörth Der Polizeibeamte Lindigkeit hat am 18. Oktober drei jugendlichen kommunistischen Arbeitern Dolchmesser und Schlagringe in einem Augenblick abgenommen, als die drei jungen Leute in das Krieger— vereinshaus in derselben Absicht, die Versammlung zu sprengen, ein⸗ dringen wollten. (Hört, hört Daß aber auch die Mitglieder des Bundes für Freiheit und Ordnung bewaffnet gewesen sind, geht aus einem Bericht hervor, den die Beigeordneten der Polizei erstattet haben. In ihm heißt es:

Jugendlichen mußten zur Schau getragene Schußwaffen durch die Polizei abgenommen werden, wodurch dem beabsichtigten Vorgehen der Kommunisten Vorschub geleistet wurde. Sie sehen also, daß Waffen von beiden Gruppen mitgeführt worden sind Wir werden deswegen diesem Selbstschutz, diesem Selbstschutz⸗ unfug mit allen Kräften entgegentreten. (Zuruf bei den Komm.: Saalschutz in Hamburg!! Ich rechne den Saalschutz mit dazu.

Ein fleines Bild zu den Messerstechereien: Es fallen 30 Mann der Versammlungssprenger über zwei wehrlose Polizeibeamte her, mißhandeln diese mit Latten und durch Messerstiche, und zwei Tage später bringt es die Kommunistische Partei sertig, sich an die Schupo— beamten mit einem Flugblatt zu wenden, in dem es unter anderm

heißt: Dabei wurden verschiedene Eurer Kameraden schwer verletzt. (Heiterkeit)

Wir Kommunisten sagen, daß nicht die Arbeiter die Schuldigen sind. . Das ist billig, das kann man sagen. Aber die Verletzten, die miß— handelten Beamten wissen, daß es Angehörige Ihrer Sprengkolonnen gewesen sind, die die Messerstiche verübt haben. (Zurufe bei den

Kom munisten.) Dann noch eine andere Heuchelei in diesem Flugblatt, das an die Schupobeamten gerichtet ist: Wer aber trägt die Schuld für die Leiden Eurer Kameraden? Wir teilen Euch hier die Worte eines Beamten mit, der am Zirkus Busch mit dabei war: „Nachdem das Polizeipräsidium die Warnung der „Roten Fahne“ nicht beachtet hat, müssen wir jetzt die Suppe ausfressen, und die beiden Kameraden, die wieder draufgegangen sind, kommen auf das Konto dieser Unterlassung.“ Ich wäre begierig darauf, ob Sie mir den Schupobeamten vorführen könnten. (Zuruf bei den Komm.: Damit Sie ihn entlassen können) Nein. Nein! Das Gegenteil der Flugblattbehauptung ist richtig und durchaus natürlich. Als die Schupobeamten vor dem Zirkus er— fuhren, wie ihre Kameraden mißhandelt worden sind, wurden sie be— sonders erregt (Zurufe bei den Komm.) und es bedurfte der Er— mahnung der oberen Beamten, um die Unterbeamten von Unbesonnen— heiten zurückzuhalten. (Widerspruch bei den Komm.) Es bleibt dabei: Was Sie behaupten, ist genau das Gegenteil der Wahrheit. Die amtlichen Berichte meiner Beamten lassen erkennen, daß die Oberbeamten vor dem Zirkus nicht ausgeputscht, sondern nichts anderes

ais (hre Pflicht geten und die Unterbean en zur Ruhe und Be sonnenheit ermahnt haben. (Zurufe bei den Kemm.) Ich glaube, es ist nicht überflüssig, das ganze Verhalten der

Kommunisten einmal unter die kritische Lupe zu nehmen. Es ist schon am Freitag versucht worden, durch die Beigeordneten des Po präsidiums auf die Ortsleitung der Kommunistischen Partei einzuwirken. ec d

Diese Einwirkung hatte den Zweck, die Ortsleitung der Kommunistischen

1 veranlassen, von jeder gewaltsamen Störung der Zirkus—

J.

. 6 k klzrten sick n rsammlung Abstand zu nehmen. Die Herren erklärten sich sür

f. j . ; paß die Order 2 MWes unzuständig und teilten weiter mit, daß die Order zur Besetzung des

Zirkus von der Zentrale der KPD ausgegangen sei. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Zurufe bei den Komm.: Wer hat das mitgeteilt: Namen nennen!)

Meine Damen und Herren, wenn das richtig ist und ich habe nach den amtlichen Erklärungen der Beigeordneten der Polizei

*

keinen Anlaß, an der Nichtigkeit dieser Behauptungen zu zweifeln dann charakterisiert sich dieser Ueberfall auf den Zirkus Busch nicht etwa als eine zur Schau getragene Wachsamkeit gegenüber den Orgej sondern dann ist es nichts anderes als die Sucht en in der Oeffentlichkeit zu erregen (lebhafte Zustimmung ebhafter Widerspruch bei den Kommunisten), oder, wie Sie sich auszudrücken belieben, diese „Revolution weiter zu treiben“.

Dann das Aufgebot dieser Sprengkolonnen! Etwas Würde— loseres kann ich mir kaum denken, als die Obdachlosen, diese Aermsten er Armen, als Avantgarde für Ihre Sprengkolonne aufzubieten. (Lebhafte Zustimmung Große Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten. Sie sprachen gestern von Achtgroschenjungen. Ich habe die Gestalten nicht im Dienst, auf die man früher diese Be— zeichnung anzuwenden pflegte; aber Sie haben die armen Obdach losen zu Mietlingen, zu Achtgroschenjungen herabgewürdigt. (Lebhafte Zustimmung Zurufe bei den Kommunisten: Das ist eine schamlose Lüge! Daß ein Minister solche Lügen sagt, ist unerhört! Glocke des Präsidenten.)

Der Herr Abg. Geschke hat sich gestern über Verhaftungen be— klagt. (Rufe bei den Kommunisten: 200 Stück) Er hat vergessen, anzufügen, daß die meisten der Verhasteten nach Feststellung ihrer Personalien wieder entlassen worden sind. (Zuruf bei den Kommu⸗ nisten: Die Mitglieder unserer Bezirksleitung sitzen noch immer!

Organisationen, neuen Lärm

Rufe bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei: Gott sei

Dank! Große Unruhe bei den Kommunisten) Wenn die Mit— glieder der Kommunistischen Bezirksleitung noch festgehalten sind, so liegt das wahrscheinlich daran, daß ihnen ein großer Teil der Schuld an den Exzessen beigemessen wird. (Rufe bei den Kommunisten: Ahal Und die Orgeschleuteh Meine Herren, ich bin nicht in der Lage,

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auf die Staatsanwaltschaft einzuwirken, diese Verhafteten wieder

freizulassen.

Dazu kann ich mich auch nicht bereitfinden durch mehr

oder weniger deutliche Pressionen, die Sie auf mich auszuüben ver⸗

Bei diesem Anlaß bin ich genötigt, auf Presseveröffentlichungen

einzugehen, die sich heute morgen in mehreren Blättern fand. Nach diesen Pressemeldungen soll gestern Abend eine Betriebsräteversamm—

lung stattgefunden haben, in der einige Herren über Vorgänge in diesem hohen Hause Bericht erstatteten. In der Berichterstattung ist hervorgehoben, ich hätte mich geweigert, den Betriebsräten Rede und Antwort zu stehen. (Sehr richtig! bei den Komm.) Daran ist soviel richtig, daß ich gestern bei Beginn dieser Sitzung auf Exsuchen der Herren Abgeordneten Scholem und Hoffmann mich

bereit erklärt, mit diesen beiden Herren und drei Mitgliedern det

Betriebsräte zu verhandeln. Den Gegenstand der zu pflegenden Erörterungen kannte ich nicht. Aber so, wie ich jedem Abgeordneten aus dem Parlament zur Verfügung stehe, so auch den Herren Scholem und Hoffmann. tischen Gruppen und Parteien empfange, so wäre ich auch gern bereit gewesen, einer Abordnung der Betriebsräte auf ihre Fragen Rede und Antwort zu stehen. Von diesem Versprechen mußte ich aber aus Gründen vpersönlicher Revutation und aus Gründen der Staats— autorität zurücktreten (lebhafte Zurufe und große Unruhe hei den Kommunisten) nachdem der Abgeordnete Schulz von der Tribüne es Landtags erklärt hatte, daß ich beurlaubt werden möge, um den Betriebsräten gegenüber Rechenschaft abzulegen. (Sehr richtig) Nein: Rechenschaft bin ich Ihnen nicht schuldig, (lebhafte Rufe: Hört, hört! und Unruhe bei den Komm) Rechenschaft bin ich dem Parlament schuldig, aber nicht den Betriebsräten! (Lärmende Zurufe von den Komm) Ganz allgemein möchte ich Ihnen sagen, daß Drohungen mich nicht einschüchtern, sondern nur zum Widerstand an— regen. (Unruhe bei den Komm.)

Nun, meine Herren, die andere Seite! Der Herr Abg. von Eynern hat gestern gesagt: Wir müssen vermeiden, daß Aufputschungen statt⸗ finden. Ich bin mit ihm darin ganz einer Meinung. Aber wenn er

dieser Meinung ist, dann darf der Bund für Freiheit und Ordnung,

aus unseren Erörterungen hier nicht ausscheiden. Der Bund für Ordnung und Freiheit ist nämlich eine Stätte, in der nach meiner Aufsassung mindestens eben so viel aufgeputscht wird wie in den entsprechenden Zirkeln der kommunistischen Partei. (Unruhe bei den Kommunisten.) Im Jahre 1921 ist dieser Bund gegründet worden und hat auf sein Programm geschrieben: Stärkung der Autorität der Behörden. (Lachen im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und Vereinigten Sozial— demokratischen Parteien Wie die Art dieser Stärkung aussieht, das mag Ihnen einer der Herren Redner sagen, der jetzt auch in dieser Zirkus-Buschversammlung aufgetreten ist:

Die Teuerung ist eine Folge des Erfüllungs irrsinn 8. Wenn die Regierung behauptet., durch ihre Erfüllungspolitik das Ruhr— revier gerettet zu haben, so ist dieses Gefasel abfolut falsch.

(Hört, hört! Im Programm des Bundes für Ordnung und Frei— heit steht als neunter PuUnkt: Bekämpfung aller auf Zersetzung des Volkes gerichteten Bestrebungen. (Lachen bei den Kommunisten.) Das wird von dem Herrn Abgeordneten Lawerentz so verstanden:

(Forsetzung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungstat Mengerina in Berlin Verlag der Geschäftsstelle(Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin Wilhelmstr 32.

Vier Beilagen (einschließlich Börsenbeilage) und Erste, Zweite, Dritte, Vierte, Fünfte und Sechste Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage

Und ebenso wie ich die Deputationen anderer poli⸗

Erste Beilage

zun Dentsichen Reichs anzeiger md Preuß ischen Staatsanzeiger

Mr. 239.

Berlin, Montag, den 23. Oktober

. 1922

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Bevor nicht die Herrschaft der Parteien und der Persönlich⸗ keiten beseitigt sei, welche den Niedergang verschuldet hätten, sei

ein Aufstieg unmöglich. (Lebhaftes Hört, Parteien.)

Vor allen Dingen sei die Befreiung vom Judenjoch und vom Versailler Vertrage notwendig. In letzterer Beziehung sei uns die Türkei ein leuchtendes Beispiel. Waffen werden wir zu gegebener

Zeit von einem anderen Lande erhalten.

Früher war es üblich, daß Mitglieder der konservativen Partei das deutsche Schwert im Munde führten, jetzt pumpen sie es sich schon Solange keins da ist, soll man es

bei anderen. (Zuruf rechts.) nicht im Munde führen.

Die Bekämpfung aller auf Zersetzung des Volkes gerichteten Bestrebungen versteht der Pfarrer Wangemann so:

Diese Kreuzkriecher,

damit sind die Demokraten gemeint

die sich am 9. November sofort als Republikaner bekannten,

würden bei einem etwa kommenden und gelingenden Märzputsch

sofort wieder Monarchisten. (Heiterkeit. Abg. Scholem: Da hat er recht, damit sind die Demo⸗ kraten sehr gut gekennzeichnet h Der Bund für Freiheit und Ordnung hat im Punkt 3 seiner Satzung die Forderung: Sicherung der Verfassung gegen Umsturz⸗ verfuche jeglicher Art. Das hält seinen Vorsitzenden, den volks— parteilichen Abgeordneten Geisler, nicht ab, in allen Versammlungen zu sagen, daß an die Stelle des Reichstags und der Parlamente über— haupt berufeständische Vertretungen treten müssen. (Heiterkeit. Zuruf: Professor Hitze) Der Herr Abgeordnete Professor Hitze hat, als er diesen Gedanken vor mehr als 20 Jahren gelegentlich einmal vertrat, sich nicht damit sehr gebrüstet, daß er auf dem Boden der Verfassung stände. Wenn aber dieser Herr Abg. Geisler auf der einen Seite von der Sicherung der Verfassung spricht, so darf er meines Erachtens diese Idee nicht im gleichen Atem nennen. (An⸗ dauernde Unruhe. Zurufe. Glocke des Präsidenten.) Nun hat Herr Abg. von Eynern gemeint, daß, wenn sich der Bund jetzt umgestellt habe, eine Beobachtung am Platze sei. Der Bund hat sich nicht umgestellt, er ist sich treu geblieben. Denn schon in seiner Gründungsversammlung vom 24. April des vergangenen Jahres haben sich Vorkommnisse ereignet, die dem „Berliner Tage— blatt“ damals schon Veranlassung gaben, festzustellen, daß die Rede des Abgeordneten Kopsch unterbrochen worden sei durch Zurufe wie: Los von den Juden!“ „Wir wollen unsern Kaiser wieder haben!“ „Wir wollen Germanen sein, (Heiterkeit wir wollen uns nicht von den Juden unterkriegen lassen!“ (Zuruf) Und die „Berliner Volks— zeitung“ sah sich zu einer Anmerkung veranlaßt, die ich Ihnen auch zur Kenntnis bringen möchte: Die Gründung des Vereins und die Zirkusvorstellung war eine Albernheit, angesichts der außenpolitischen Lage ein Verbrechen. Der Bund für Ordnung und Freiheit ist eine Bedrohung des inneren und des äußeren Friedens und muß entsprechend behandelt werden. Nun könnten Sie dem entgegenhalten, daß das Blättermeldungen seien, die auf Authentizitât keinen Anspruch erheben könnten. Dem möchte ich gegenüberhalten, was der amtliche Bericht des Polizei- präsidiums darüber meldet: Zum Andenken an die verstorbene Kaiserin erheben sich die Ver— sammelten von den Plätzen. Aus der Menge wird ein Hohen— zollern und ein Kaiserhoch ausgebracht, in das die Anwesenden be— geistert einst mmen.

(Hört, hört!)

Das war am 24. April 1921. Am 4. März 1922 hat in einer Versammlung, die von etwa 800 Personen besucht war, General⸗ leutnant a. D. von Hülsen über die historische Entwicklung des Selbstschutzgedankens gesprochen. Ich glaube, daß es nicht nur theoretische Betrachtungen wären, die in dieser Rede an den Mann gebracht wurden. Denn im Schluß des Versammlungsberichts, den ein Polizeibeamter der Abteilung La verfaßt hat, heißt es folgender⸗ maßen:

In der anschließenden Aussprache wurden einige Fragen über

den Schutz der Selbsthilfe gestellt. Auf diese Fragen wurde vom Versammlungsleiter eine Antwort nicht erteilt mit der Be⸗ gründung: dieselben eignen sich nicht für den Rahmen der Ver— sammlung. Die Antwort könne aber in der Geschäftsstelle entgegen⸗ genommen werden. (Hört, hört! links) Das ist also der Bund für Freiheit und Ord—⸗ nung! (Widerspruch und Unruhe rechts. Dieser Bund für Freiheit und Ordnung hat in den letzten Monaten dadurch Zuwachs be— kommen, daß sich ihm einige Gruppen angeschlossen haben, die früher dem Verein nationalgesinnter Soldaten angehörten. Diese Abteilung des Bundes für Freiheit und Ordnung war so naiva, daß sie in den letzten Tagen sogar dem Polizeipräsidenten die Hilfe des eingerichteten Saalschutzes angeboten hat. (Heiterkeit und Zurufe links Zurufe von den Komm.: Sind Sie wirklich so dusslig? So unparlamen⸗ tarisch hätte ich nicht gefragt, aber eine Frage in ähnlichem Sinne hätte ich doch an die Herren gerichtet. Was glauben Sie, welche Position die Staatsregierung hätte, wenn sie sich von dieser extremen Rechten bei ihren Amtshandlungen unterstützen ließe? (Sehr gut! b. d. Ver. Soz. Dem. P.) Sie wenden sich nicht mit Unrecht da⸗ gegen, wenn in Zwickau oder Senftenberg oder in anderen Orten Gewerkschaftsausschüsse zur Unterstützung der behördlichen Funktionen eingerichtet werden.

Ich will diese Unterstützungen nicht und lehne sie in jedem Fall ab, aber dann lehne ich es, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß die Staatsregierung einseitig orientiert sei und daß ihr die Ob— jektivität ermangle, ebenso ab, wenn Leute, die noch vor einiger Zeit dem Verein nationalgesinnter Soldaten angehört haben, sich der Staats— regierung zur Verfügung stellen. Der Herr behüte mich vor meinen Freunden; vor meinen Feinden schütze ich mich selber! (sehr wahr!

hört! bei den Vereinigten Sozialdemokratischen

, Ver. Soz. Dem. P. Gegenrufe rechts Der Saal— schutz ist am 15. Oktober nicht nur im Versammlungsraum gewesen, sondern es hat sich herausgestellt, daß die provokatorische Haltung seiner Mitglieder vor dem Zirkus mit daran schuld war, daß es zu den bedauerlichen Ausschreitungen vor dem Zirkus gekommen ist. Nun die Tätigkeit der Polizei. Ich habe in den Erörterungen, die im Juni kurz vor der Ermordung Rathenaus über unsere inner⸗ politische Lage stattfanden, an die Linke und an die Rechte den Appell gerichtet, in der Vereins- und Versammlungstätigkeit doch eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten und nicht immer nach der Polizei zu rufen in einer Lage, in die die eine oder andere Richtung geraten könnte, wenn dieser Appell nicht beachtet wird. Er ist ungehört ver— hallt. Wir sehen auf der äußersten Rechten wie auf der äußersten Linken, daß immer in den ungeeignetsten Augenblicken Versammlungen

einberufen werden, die in ihrem Verlauf und schon in ihrer Auf— machung und ihrem Beginn den Charakter der Provokation an der Stirn tragen. Ausgerechnet drei oder vier Tage nach den bedauer⸗ lichen Vorfällen am Zirkus Busch hatten die Herren um den Grafen Westarp und den Abgeordneten Dr. Everling herum die bsicht, eine Versammlung abzuhalten mit der Parole: Mit Gott für Kaiser und Reich! (Hört, hört! links) Glauben Sie, daß ich eine derartige Versammlung nach diesen Vorfällen genehmigen kann, nachdem fest⸗ gestellt worden ist, das rechtsgerichtete Gruppen mit Totschlägern zum Versammlungsschutz ausgerüstet sind? Wir haben zwar einen Artikel 123 der Reichsverfassung, und ich gedenke, diesen Artikel selbst peinlich zu beachten und zur Anerkennung zu bringen, aber der Artikel hat das Vereins⸗ und Versammlungsrecht nur für diejenigen Staatsbürger uneingeschränkt ausgesprochen, die friedlich und ohne Waffen sich ver⸗ sammeln wollen. Ich werde rücksichtslos alle Versammlungen ver— bieten, die den Verdacht bei der Polizei erwecken, daß ihre Teilnehmer bewaffnet sind. Gleichgültig, ob es sich dabei um rechts oder links handelt. Wenn Sie sich dann über politische, über polizeiliche Be⸗ vormundung beklagen, dann sage ich: es ist besser, daß eine Versamm⸗ lung nicht stattfinden kann und daß die Polizeibehörden das Odium der bevormundenden Behörde auf sich nehmen muß, als daß Tote und Verwundete aus solchen Versammlungen hinausgetragen werden. (Sehr richtig! b. d. Ver. Soz⸗Dem. Partei. Zurufe rechts: Und bei Demonstrationen?! Dasselbe gilt für Demonstrationszüge, ver⸗ lassen Sie sich darauf.

Es ist in den letzten Tagen über das Versagen der Polizei ge⸗ sprochen worden, und ich bin der letzte, der dieses Versagen in Abrede stellt. Dieses Versagen besteht aber lediglich darin, daß die Offiziere der Gruppe Mitte (Zuruf rechts: Jetzt kommt der Sündenbock) o nein, meine Damen und Herren, warten Sie nur, es kommt kein Sündenbock daß die Offiziere der Gruppe Mitte sich auf die Versammlungepsychologie nicht eingestellt haben. Wenn eine Ver— sammlung um 10 Uhr beginnt und wenn man weiß, man hat es mit friedlichen unbewaffneten Staatsbürgern in der Versammlung zu tun, dann genügt es vollkommen, daß um zl0, wie angeordnet worden ist, der Schutz beginnt. Wenn aber vorher in den Zeitungen gestanden hat, daß eine Partei sich rüstet, die Versammlung zu sprengen, dann genügt das nicht, dann muß man damit rechnen, daß die eine oder andere Partei früher aufsteht, und darum hätte man auch in der Polizei früher aufstehen sollen. (Zurufe rechts: Und der Herr Minister? Und der Herr Polizeipräsident ?) Herr Kollege Weissermel, ich nehme für mich sogar in Anspruch, daß, wenn ich am Samstag hier gewesen wäre, wir keine Toten und Verwundeten zu beklagen gehabt hätten, die Sache wäre dann wahrscheinlich in Ordnung gekommen, die Debatten wären uns dann erspart geblieben. Ich war aber nicht da, ich darf Ihnen verraten, ich bin am Sonntagmorgen noch früher aufgestanden als die Erzedenten. (Zurufe bei den Komm.) Ich weiß nicht, ob es interessiert, daß ich Ihnen alle Verfügungen der Polizeiberwaltung vorlese, die im einzelnen den Beweis führen, daß bis ins kleinste die Bereitschaft angeordnet worden ist, Ver— stärkungen vorgesehen waren, der Meldedienst organisiert worden ist. Aber das sind alles so umfangreiche Dokumente, daß sie im eiuzelnen wohl kaum interessieren werden.

Nun ist der Polizeipräsident gestern sowohl wie jetzt in Ihren Zwischenrufen in den Mittelpunkt der Erörterung gerückt worden. Der Polizeipräsident hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Versammlung zu gestatten sei, und er hat daraus selbstverständlich die Folgerung gezogen, daß der Versammlungsschutz auch zu gewähr—

leisten sei. Er hat am Samstag mehr getan als seine Pflicht. Es

ist nicht eigentlich Aufgabe des Polizeipräsidenten, sich mit kommu— nistischen Abgeordneten in Verbindung zu setzen, um durch Verhand- lungen mit ihnen den ungestörten Lauf der Versammlung zu gewähr— leisten; es ist nicht eigentlich Aufgabe des Polizeipräsidenten, selbst Warnungen zu erlassen, die von ihm verfaßt und an die Presse gingen, die aber von der Presse lediglich durch ein Versehen des Wolffschen Felegraphenbüros nicht veröffentlicht worden sind. Er aber hat diese Warnungen veranlaßt, und ihm ist vom Kommandeur der Schutzpolizei am Samstag versichert worden, daß alle Vor— bereitungen zum genügenden Schutze der Versammlung getroffen seien. (Hört! hört! bei den Komm) Ich kann deshalb in das „Kreuziget ihn? nicht einstimmen, das heute gegen den Polizeipräsidenten erhoben wird. Der Polizeipräsident hat recht oft in kritischen Situationen auch wieder mehr als seine Pflicht getan. (Zuruf bei den Komm.) Jawohl, auch beim Eisenbahnerstreik. (Zurufe bei den Komm.) Aber nicht n ur beim Eisenbahnerstreik! (3urufe bei den Komm.) Ich will das nicht aufzählen.

Aber, meine Herren, ich bin doch nicht durchweg mit der Haltung des Polizeipräsidenten einverstanden. Gerade weil ich seine Verdienste anerkenne, habe ich die Verpflichtung, hier hervorzuheben (Lachen bei den Komm.), daß er nach den bedauerlichen Vorgängen vor dem Zirkus Busch durch seine Presseveröffentlichungen mehr zu verteidigen versucht hat, als notwendig war und dadurch den Eindruck erwecken mußte, als ob er wirklich einen Teil der Schuld an diesen Unterlassungen oder Verfehlungen trage. (Zurufe bei den Komm) Wer sich ver— teidigt, klagt sich an, und wer zuviel verteidigt, klagt sich sehr viel an. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, ich erblicke das Bedauer—

lichste in der Erklärung des Herr Polizeipräsidenten im folgenden Satz:

Daß die uns durch das Verbot der Entente aufgezwungene Lockerung der inneren Organisation der Schutzpolizei früher oder später ihre üblen Folgen klar erweisen würde, haben die Vorkomm⸗ nisse ebenfalls dargetan. Ich habe meine vorgesetzte Dienstbehörde in meinen Berichten stets darauf hingewiesen und auch immer betont, daß für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Berlin von viel größerem Wert als die Zahl der Beamten ihre zweckentsprechende Organisation sei.

(Guru? rechts) Natürlich hat er recht. (Zurufe rechts.) Gestatten Sie nur ein paar Bemerkungen. Ich glaube, daß auch Sie sich dann nicht mehr so sehr freuen, hoffe sogar, daß Sie mir zustimmen werden. Wenn wir ganz Herr unserer Entschließungen in bezug auf die Ausgestaltung der Polizei wären, wäre keiner froher als ich. Aber daß wir dem Diktat der Entente in diesem Punkt ausgeliefert sind, ist Ihnen allen bekannt. Soweit diese Tatsache in Betracht kommt und das ist ja in dieser Passage der Erklärung des Herrn Polizei⸗ präsidenten angedeutet —, bin ich durchaus grundsätzlich der Meinung, daß es vorteilhafter wäre, wenn wir unsere Polizei so organisieren könnten, wie es dem Bedürfnis des Staats, der Provinz, des Bezirks oder der Gemeinde entspricht. Aber das heran⸗ zuziehen, nur um das Versagen vor dem Zirkus Busch zu rechtfertigen, das ist sehr dexlaciert. (Sehr richtig!) Ganz gleich, wie man zu der Organisation der Polizei stehen mag es stehen in Berlin immer noch 15 000 Mannschaften zu Ver— fügung, und mit diesen 15 000 Mann hätte sich ein glänzender Ver⸗ sammlungsschutz durchführen lassen. (Sehr richtig! rechts) Sehr richtig, nicht wahr! Nun stimmen Sie mir auch zu. (Zurufe) Ich habe nicht gesagt, daß die Organisation schlecht sei, sondern ich habe bedauert, daß die Organisationsform nicht von uns festgelegt werden kann, sondern von der Entente vorgeschrieben worden ist. Zurufe).

Herr Abg. Rippel hat gestern auf ähnliche Dinge hingewiesen und gesagt, wir hätten an der Polizei viel zu sehr herumorganisiert. Herr Rippel, ich glaube, ich habe nicht notwendig, nachdem ich zu wiederholten Malen meinen Standpunkt in bezug auf die Organisation der Polizei dargelegt habe, noch einmal zu betonen, daß es mir

sehr viel lieber wäre, wenn ich als verantwortlicher Minister aus eigenem jede einzelne Organisationsart der Schutzpolizei

feststellen könnte. Aber das dem nicht so ist, daran tragen die Extremen Ihrer Richtung ein voll gerüttelt Maß Schuld; denn wer immer das Schwert im Munde führt, wer heute schon zum Revanchekrieg gegen Frankreich aufruft, wer heute sich schon im Geist die Waffen von anderen Völkern pumpt, darf sich nicht wundern, daß die Interalliierte Militärkommission diese Drohungen ernst nimmt und folgert: Lassen wir die Schutzpolizei in festen Formationen, dann ist es leicht, wenn sie Waffen von außerhalb bekommt, die Mann⸗ schaften der Reichswehr um 150 000 zu verstärken. Sie (nach rechts) würden der Schutzpolizei und der Sicherheit im Staat den besten Dienst leisten, wenn Sie auf Ihre politischen Freunde einwirken wollten, nicht den Mund zu voll zu nehmen und den Revanche⸗ gedanken, wenn Sie ihn nicht aufgeben wollen, lieber im Herzen zu tragen als auf die Zunge zu legen.

Der Abg. Rippel hat an mich das Ersuchen gerichtet, dafür zu sorgen, daß die Ausländer sich bei derartigen Bewegungen nicht so breit machen. Es ist eine bisher unbewiesene Behauptung, daß bei derartigen Unruhen sich Ausländer hervorragend beteiligten. Ich will generell erklären, auch aus diesem Anlaß Ausländer, die das Asylrecht mißbrauchen und sich in extremen politischen Parteien betätigen, wie insbesondere in der Kommunistischen Partei und zu Unruhen auf⸗ rufen, werden unnachsichtlich ausgewiesen. (Lebhaftes Bravo! rechts im Zentrum und bei der Ver. Soz-Dem. P. Hört, hört! bei den Komm.) Ich habe gerade in der Beziehung das allerbefte Gewissen. Ich habe lange die Ausländer hier geduldet, von denen tch annahm, daß sie lediglich wissenschaftlicher Zwecke wegen hier wären oder aber geeigneter wären, später einmal bei Handelsverbindungen mir anderen Staaten anzuknüpfen. Aber nachdem einige dieser bei uns wohnende Ausländer festgestellt worden sind, mindestens als Mitbeteiligte bei großen erregten Versammlungen, würde es eine Selbft⸗ entäußerung, wenn nicht mehr, des Staates sein, wenn er das Asvl⸗ recht von diesen Herren weiter mißbrauchen lassen wollte. (Sehr wahr! rechts.)

Der Abg. Rippel hat gesagt: Auf Veranlassung des Ministers soll wenig Polizei gezeigt worden sein. Ich bin der Meinung, daß dieser Grundsatz, wenig Polizei zu zeigen, bei Demonstrationen politischer Parteien richtig ist. Für diesen Fall war er nicht richtig. Wenn Störungen irgendeiner Veranstaltung beabsichtigt sind, dann ist nicht wenig Polizei zeigen der richtige Grundsatz, sondern viel Polizei zeigen. (Zustimmung rechts. Zurufe bei den Kommunisten.) Gestern haben Sie von mir behauptet, ich hätte eine derartige An⸗ ordnung erteilt. (Erneute Zurufe bei den Kommunisten) Auch der Polizeipräsident steht zu den grundsätzlichen Erwägungen, die ich an⸗ gestellt habe.

Und nun zu den Maßnahmen, die ich zu ergreifen gedenke, um für die Zukunft ähnlichen Vorfällen vorzubeugen (Zuruf des Abg. Katz. Verehrter Herr Katz, diesen Gefallen tue ich Ihnen nicht. (Erneuter Zuruf des Abg. Katz) das ist auch nicht richtig, Sie sollen keinen Anlaß haben, von Kommunistenverfolgungen zu reden. Wiederholte Zurufe des Abg. Katz, Sie sollen sich selbst um jeden Kredit bringen. (Große Heiterkeit) Es wäre sehr leicht, von der Tribüne des Parlaments zu erklären, der Beamte wird ge⸗

maßregelt und jener wird versetzt. Das sähe so aus, als ob mit diesen

Versetzungen alles in Ordnung wäre. Auf dieses Mittel verzichte ich. „Es rast der See, er will sein Opfer haben“; es wäre vielleicht eine Beschwichtigung, aber auch ein Betrug der öffentlichen Meinung, wenn ich hier sagen wollte: der schuldige Beamte der Abteilung Mitte wird versetzt oder aus der Schutzpolizei entfernt. Das sage ich nicht. Personalveränderungen sind notwendig, im Polizei⸗ präsidium und in der Abteilung Mitte. Im Zentrum der Stadt Berlin werden erfahrungsgemäß die meisten Versammlungen ab— gehalten; dort können nur solche Offiziere ihres Amtes walten, die mit der Versammlungspsychologie einigermaßen vertraut sind, die auf diese Dinge einigermaßen eingestellt sind. Aber die Beamten, die

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