1922 / 259 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Nov 1922 18:00:01 GMT) scan diff

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stimmungen des Friedengvertr

gew. Anthrazit Nuß J. .. 20 753, 4

. ö J . x J —⸗ s e ungew. Feinkohlen .... d ö . 13319—i Schlamm u. minderw. Feinkohlen: minderw. Feinkohlen .... 5 260, K w 4890 Mittelprodukte und Nachwaschkohlen 3463 Feinwaschberge. .... w 1519 Koks:

2 * m ,,,,

. . l w . , d w J d Koks, halb ges. und halb gebr.. .... 21 359, - . Knabbel⸗ und Abfallkolz. ...... 21 221, - . Kleinkoks, gesiebt . , ; Perlkols, geskhiĩl , 299, ,, J

I⸗. Rheinisches Braunkohlensyndikat. Kölner Gruben. . 8192. A ] mit Frachtarund⸗

.. 8204, lage Liblar * . 2299,

Britt tts; Doofbriketts .. Förderkohlen ..

Siebkohlen. .. 2348, Brikettabrieb .. 6144, ab Werk

Förderkohlen der Gewerkschast Juntersdorf 665

Die neuen Verkaufspreise für die übrigen Brennstoffsorten werden noch bekanntgegeben.

Die in der Bekanntmachung vom 28. April 1920 (Reichs⸗ anzeiger Nr. 91) und vom 29. September 1920 (Reichsanzeiger Nr. 222) enthaltenen allgemeinen und Sonderbestimmungen gelten auch für die vorgenannten Brennstoffverkaufspreise.

Berlin, den 15. November 192.

Aktiengesellschaft Reichskohlenverband. Brecht. Löffler.

1 .

Preußen.

Dem Elektrizitätsverband Büren-Brilon zu Brilon wird hierdurch auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221) das Recht verliehen, das zum Bau von Ueberlandleitungen einschließlich der erforderlichen Transformatorenstationen im Kreise Büren im Regierungs⸗ bezirk Minden und im Kreise Brilon sowie in dem Geseker Zipfel des Kreises Lippstadt im Regierungsbezirk Arnsberg erforderliche Grundeigentum im Wege der Enteignung zu erwerben oder, soweit dies ausreicht, mit einer dauernden Be⸗ schräntung zu belasten. Auf siaatliche Grundstücke und staatliche Rechte an fremden Grundstücken findet dieses Recht keine An⸗ wendung.

Gleichzeitig wird auf Grund des 8 1 des Gesetzes über ein vereinfachtes Enteignungsverfahren vom 26. Juli 1922 (Gesetzsamml. S. 211) bestimmt, daß die Vorschriften dieses Gesetzes bei der Ausübung des vorstehend verliehenen Ent⸗ eignungsrechts Anwendung zu finden haben.

Berlin, den 10. November 1922. Das Preußische Staatsministerium.

Der Minister für Handel und Gewerbe. J. A.: Krohne.

Finanzministerium.

Im Preußischen Finanzministerium ist der Amtsrichter Dr. Habbena zum Finanzrat ernannt worden.

Bekanntmachung,

betreffend Ungültigkeitserklärung von verloren⸗ gegangenen und eingezogenen Sprengstofferlaubnis⸗ scheinen.

Die von dem Landrat des Kreises Hünfeld für den Po lier⸗ und Sprengmeister Wilhelm Krämer in Mansbach unter Nr. 4 und von dem Polizeipräsidenten in Kiel für den Sprengtechniker der Spreng- und Tauchgesellschaft Hinz in Kiel unter Nr. 19 des Verzeichnisses ausgestellten Spreng⸗ stofferlaubnisscheine sind verloren gegangen und werden hiermit für ungülig erklärt. Die von dem Landrat des Kreises Weil⸗ burg für den Aufseher Albert Hirschhäuser in Selters unter Nr. 123 und dem Landrat des Kreises Züllichagu für den Drogisten Erich Mauer und seinen Geschäftsführer Willi Stoll unter Nr. 1 des Verzeichnisses ausgestellten Sprengstofferlaubnisscheine sind zurückgenommen worden und haben keine Gültigkeit mehr.

Berlin, den 11. November 1922.

Zugleich für den Minister des Innern. Der Minister für Handel Gewerbe. J. A.: von Meyeren.

Ministerium des Innern.

Auf Grund des 8 1 des Gesetzes zur Durchführung der Artikel 177, 178 des Friedensvertrags vom 22. März 1921 (RGBl. S. 235) wird mit Zustimmung der Reichsregierung der „Selbstschutz Charlottenburg E. V.“ hierdurch auf⸗ gelöst, weil aus seinem Verhalten hervorgeht, daß sein . im . zu den angezogenen Bestimmungen des Friedens⸗ vertrags steht. .

Personen, die sich an dem nunmehr aufgelösten Verein als Mitglied beteiligen, werden gemäß 5 4 des Gesetzes mit Geld⸗ strafe bis zu 50 000 S oder mit Festung bis zu 3 Monaten oder mit Grfhugn s bis zu gleicher Dauer bestraft.

Berlin, den 13. November 1922.

Der Minister des Innern. Severing.

Auf Grund des 8 1 des Gesetzes zur Durchführung der

rtikel 177, 178 des Friedensvertrags vom 22. März 1921

(RGBl. S. Bö) wird mit Zustimmung der Reichsregierung

der „Heimatbund Brandenburg und Restkreise Posen“

hierdurch auf gelöst, weil aus seinem Verhalten hervorgeht,

daß sein Zweck im Widerspruch acht. den angezogenen Be⸗ ags

Personen, die sich an dem mmmehr aufgelösten Bunde als Mitglieder beteiligen, werden gemäß 8 4 des Gesetzes mit Geldstrafe bis zu 50 000 ½ oder mit Festung bis zu drei Monaten oder mit Gefängnis bis zu gleicher Dauer pestrast

Berlin, den 13. November 1922.

Der Minister des Innern. Severing.

Ministerium für Landwirtschaft, Do mänen und Forsten. Beim Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und a. ist der Polizeikanzleiassistent Law renz zum Ministerial— anzleisekretär ernannt worden.

Ministerium für Wissenschaft, Kun st und Volksbildung. Der bisherige außerordentliche e er Dr. Franke ist zum ordentlichen Professor an der Technischen Hochschule Berlin ernannt worden.

Bekanntmachung.

Dem Kaufmann Chr. Martensen in Marne ist der Erlaubnisschein entzogen worden. Meldorf, den 7. November 1922.

Dr. Pauly.

zum Großhandel mit Butter

Der Landrat.

Nichtamtliches.

Dentsches Reich.

Die vereinigten Ausschüsse des Reichs rats für Haushalt und Rechnungswesen, für Volkswirtschaft, für innere Verwal— tung, für Verkehrswesen, für Steuer⸗ und Zollwesen, für Rechtspflege, für Reichswehrangelegenheiten und für Seewesen halten heute, am Freitag und Sonnabend dieser Woche sowie am Montag und am Dienstag nächster Woche Sitzungen, in denen der 5. Nachtrag zum Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1922 beraten werden soll.

Deutscher Reichstag. 266. Sitzung vom 14. November 1922, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)

Vor Eintrit in die Tagesordnung nimmt das Wort

Präsident Löbe: Durch den Telegraphen und aus den Zeitungen ist Ihnen bekannt geworden, daß die mit uns in befreundeten Be— ziehungen stehende chihenische Republik von einem großen Erdbebenunglück heimgesucht worden ist (die Aogeordneten erheben sich). Viele Hunderte Menschenleben sind ihm zum Opfer gefallen, Tausende haben Obdach und han verloren; blühende Städte und Dörfer sind zerstört, fruchtbare Felder vernichtet, ein furchtbares Unglück ist über das Land gekommen. Das deutsche Volk nimmt innigen und schmerzlichen Anteil an dem schweren Schicksalsschlag, der das Land betroffen hat. Ich glaube im Sinne aller Abgeordneten ohne Unterschied der Partei zu sprechen, wenn ich das hier zum Ausdruck bringe. Sie haben sich erhoben zum Zeichen . Einverständnisses mit meinen Worten und zum Zeichen der Teil nahme.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst 25 Anfragen.

Eine Anfrage der Deutschen Volkspartei hat eine Be⸗ merkung der ‚Vossischen Zeitung“ vom 11. Oktober 1922 zum Gegen— stande, worin es heißt, es wäre sehr erwünscht, darüber Aufklärung zu erhalten, von welcher Stelle Aufträge zum Gin kauf ausländischen Getreides an Händler gegeben worden sind, die zunächst nichts Eiligeres zu tun hatten, als sich in den Devisen einzudecken. Es wird angefragt, in welcher Weise durch die Reichsgetreidestelle Auslandskäufe in Getreide getätigt werden.

Aus der Antwort des Vertreters des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft geht hervor, daß die Käufe der Reichsgetreidestelle in Auslandsgetreide nach einem 1919 abgeschlossenen Vertrag durch die Einfuhrgesellschaft für Getreide

und Futtermittel erfolgen. In dieser Gesellschaft sind der in Deutschland anjässige Getreidehandel und die Ge— nossenschaften zusammengeschlossen. Bestimmte Bestellungen von

Auslandsgetreide werden nicht gegeben, die Käufe erfolgen im Rahmen des von der Reichsregierung genehmigten Einfuhrprogramms und sind abhängig von dem Bedarf an Auslandsgetreide, den die Neichgetreidestelle bei der Durchführung der Brotversorgung hat. Die Käufe erfolgen fast auschließlich gegen Zahlung bei Vorzeigung der Seeverschiffungspapiere. Die Anschaffung der erforderlichen Devisen erfolgt alsschließlich für die Reichsgetreidestelle und für die Einfuhr—⸗ gesellschaft durch die Devisenbeschaffungsstelle und durch die Reichs bank. Seit dem 1. Ottober 1921 sind durch die Reichsgetreidestelle direkt keine Ablchlüsse erfolgt. Propisionen werden von der Reichs- getreidestelle nicht gezahlt. Die Auslandskäufe der Einfuhrgesellschaft erfolgen nach den Weisungen der Reichsgetreidestelle. Für die Ge— schäfte im ausländischen Getreide gelten die internationalen Getreide verträge, der Londoner Vertrag und zum Teil der deutsch⸗holländische Vertrag. Verdorbenes Getreide ist nicht angeliefert worden. Alle der Reichsgetreidestelle entstandenen Schäden wurden durch die vom Verkäufer zu zahlende Vergütung gedeckt.

Auf die Anfrage der Deutschnationalen, ob die Reichs- regierung bereit ist, dem deut schen Weinbau auch in diesem Jahre zur Zuckerung des diesjährigen Weines angesichts des un— günstigen Verlaufs des Nachsommers und der Herbstwitterung ent— sprechende Mengen von Inlandszucker zuweisen zu lassen, antwortet der Vertreter der Regierung bejahend und stellt eventuell eine angemessene Erhöhung des schon bewilligten Quantums in Aussicht.

Abg. Findeisen (D. Vp.) verliest eine Anfrage, welche die von dem thüringischen Staatsministeri⸗um erlassene neue Verordnung zur Bekämpfung der Preis⸗ treiberei und das darin beliebte summarische Verfahren gegen des Wuchers beschuldigte Personen bemängelt. :

Die Antwort des Regierungsvertreters geht dahin, daß damit nicht eine eingehende Gerichtsverhandlung vorweggenommen, sondern vielmehr schnell eine Grundlage zur Anstrengung eines Straf— verfahrens gewonnen werden solle. Wenn der Beschuldigte Einspruch erbebe, komme es zur Anberaumung der Verhandlung vor dem Wuchergericht. Gegen das Verfahren könne ein Einwand nicht er— hoben werden, auch nicht gegen die zwangsweise Vorführung des Be⸗ schuldigten. Auch liege felne Beeinträchtigung der Verteidigung vor.

Abg. Gräf⸗Thüringen (D. Nat.) fragt an, ob die Reichs regierung bereit ist, schleunigst ein Notgesetz einzubringen, welches die schiedsgerichtliche Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte im Zivilprozeß verfahren erleichtert. Unter dem Zufammensturz der deutschen Währung

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden Herren Minister, die im? ute wiedergegeben sind.

Presse sehr gefährdende Mängel des Verfahrens bei

sei das Verfahren nach der geltenden Zivilprozeßordnung eine Un⸗ mönlichkest geworden; bei der Notlage im Rechtsverkehr könne die kommende Zivilprozeßordnungsreform nicht abgewartet werden, z

Regierüngsvertreter Landgerichtsrat Dr. Jonas.: Auch ie daß das jetzige Zivil prozeswerfahren an er⸗ beblichen Mängeln krankt. Sie ist bemüht, die Reform so schnell als möglich zum Abschluß zu bringen. Augen hlicklich bildet der erste. das Erkenntnisverfahren erster Instanz umfassende Teil den Gegen⸗ stand der Beratung einer Sachberst andigenkommission, die zu Ende Oftober zum ersten mal getagt und die Grundlinien des Entwurfs er⸗ Friert hat. Dabei ist auch der Vorschlag eines Notgesetzes erwogen, aber als nich durchführbar erkannt worden. Die Gesamtresorm wird mit größter Beschleunigung gefördert, und es wird neuerdings noch⸗ mals geprüft ö . die Vorwegnahme einzelner Neuerungen wirksame Abhilfe verspricht. . .

Auf eine weitere Anfrage des Abg. Gräf (D. Nat) läßt, die Reichsregierung erklären, daß die Frage der Streitig keiten über den' Wertersatz bei Rückgabe des In- vemntars an den Verpächter vom Reichsgericht durch die Fixierung bin dender Grundsaͤtze ihrer Erledigung näher gebracht sei, da damit auch die Rechtsprechung allgemeine Unterlagen und Anhalts⸗ punkte erhalten habe. Ueber die Aenderung der Bestim⸗ mungen hetreffs mündelsicherer Anlegung von Geldern seien Erörterungen mit den Regierungen der Länder ein geleitet, aber noch nicht , Eine Erhöhung des gesetzlichen Iinsfußes für Verzugszinsen über 4 vy hinaus sei zurzeit noch nicht angezeigt.

. Gine Anfrage des Abg. Grafen von Westarp (D. Nat) be⸗ mängelt das Verfahren bei der Beschlagnahme der „Niederdeutschen Zeitung“ durch den Sberpräsidenten in Dann ober, insbesondere den Umstand, daß die Schriftleitung keine Gelegenheit zur Verteidigung erhalten habe. Die Anfrage geht dahin, was die Regierung tun wolle, um derartige, die Rechte der freien

ö erichts hof und bei den Verwaltungebehörden zu verhindern. Der , ertreter erklärt die Auffassung des Frageste lers über das beobachtete Verfahren für irrig und bemerkt, daß die Be— schlagnahme nach dem Gesetz über den Schutz der Nepublik ordnungs⸗ mäßig erfolgt sel und daß eine mündliche Verhandlung darüber nicht erforderlich sei.

Auf eine Ergänzungsfrage des Abg. Grafen von West arp, ob die Megierung nicht ein Verfahren einführen wolle, das Gelegen⸗ heit zut Verteidigung in mündlicher Verhandlung gebe, erfolgt keine Antwort. ö

Auf eine Anfrage des Abg. Thom sen (D. Nat.) erklärt der

Vertreter des Ministers für Ernährung und Land⸗ wirtschaft, daß allerdings bis zum 24. Oftober b2 000 Tonnen Kleie in Mühlen und Lagern der Reichs getreide⸗ stelle eingelagert worden sind. Davon seien aber bis zu dem⸗ selben Tage 29 000 Tonnen dem Verbrauch zugeleitet worden, die restfichen 23 900 Tonnen gingen auf Lager. Diese Hemmung Les Kleieabsatzes sei der Reichsgetreideste lle selbst unerwünscht, aber eine Anjahl von Kommunalverbänden habe mit der Uebernahme und Ver— teilung der Kleie bis zur endgültigen Preis festsetzung warten wollen. Da nunmehr der Preis für die den Landwirten zustehende Kleie fest⸗ ssehe, werde die weitere Abladung der Kleie beschleunigt erfolgen können. Eine Anfrage des Abg. Dr. Rießer (D. Vp) fragt nach den Maßnahmen zur Besferung der bedrängten Lage vieler Aerzte infolge der maßlosen Teuerung. Der Regie⸗ rungsvertreter erwidert, daß die letzte Gebührenerhöhung in Preußen aller dings der Teuerung noch nicht genügend Rechnung trage, daß aber von Preußen mit Wirkung vom 1. Nobember ab neue Ge⸗ bührenfaäͤtze beslimmt werden sollen, und daß sich voraussichtlich andeie Länder, namentlich auch Sachsen und Bayern, dem preußischen Ver= gehen anschließen würden. Für eine gesetzliche Regelung der Be⸗ ziehungen der Aerzte zu den Krankenkassen sei die Reichsregierung bemüht. .

Abg. Hensel - Ostvreußen (D. Nat) verlangt in einer Anfrage die Aufhebung des Verbots des Films, der beim Besuch des Generalfeldmarschalls von Hindenburg in Ostpreußen aufgenommen ist. Der Regie rungsvertreter erklärt, daß die Entscheidungen der Filmoberprüfungsstelle keiner Nachprüfung unterliegen. Die Reichsregierung könne daher eine Auf⸗ hebung des Verbots, das sich übrigens auf öffentliche Vorsührungen beschränke, nicht veranlassen.

Abg. Thomas (Komm.) fragt an, ob es richtig sei, daß der Reichsbankpräsident Havenstein nach seiner Rückkehr von London er— klärt habe, er sei nicht verpflichtet, der Reichsregierung irgendwelche Ausschlüsse zu geben. Was gedenke die Regierung dagegen zu tun, daß Privatleute die Bevormundung der Reichtzregierung und die Ent— scheidung über die Geschicke des ganzen Volks sich anmaßten? Ein Regierungsvertreter erwidert, daß Herr Havenstein nach seiner Rückkehr von London die Bereitwilligkeit der Reichs⸗ bank erklärt habe, mit ihren Mitteln einzugreifen. Nähere Mitteilungen über die Abmachungen mit der Bank von Eng— land zu machen, lehnte er aber ab, da es sich um eine rein ge—⸗ schäftliche Transaktion gehandelt hätte, zu deren Geheimhaltung er verpflichte sei. Nach Ansicht der Reichsregierung ist es zutreffend, daß für den Reichsbankpräsidenten keine Verpflichtung besteht, der Reichsregierung Mitteilungen über geschäftliche Verhand⸗ lungen zu machen. Von der Anmaßung einer Entscheidung über die Geschicke des ganzen Voltes durch Privatleute ist keine Rede.

Reichsregierung gibt zu,

Eine Anfrage der Deutschen Volkspartei über Mängel im Kartoffelversfand im Bezirk der

Grenzmark wird von einem Regierungsvertreter dahin beantwortet, daß in diesem Herbst bedeutend mehr Kartoffeln verfrachtet worden seien als im Vorjahre, und daß insbesondere Berlin einen Hauptanteil an dem Kartoffeltransport gehabt habe. Der Regierungsvertreter legte als Beleg für seine Behauptung eine große Anzahl statistischer Zahlen vor.

Eine Anfrage des Abg. Grafen von Westarp (D. Nat.) be⸗ zieht sich darauf, daß bei Ausführung der Gesetze zum Schutze der Republik in zahlreichen Fällen gegen Angehörige der deutschnationalen Volkspartei und andererrechts⸗ stehender Kreise Haussuchung, Beschlagnahme, vorläufige Festnahme und Verhaftung angeordnet worden seien ohne gesetzlichen Grund und unter Ver⸗

letzung, gesetz licher Vorschriften. Unter anderem werden in der Anfrage angeführt die mehistündige Durch— suchung der Geschäftsräume des Landesverbandes der deutsch—

nationalen hessischen Volkspartei und der Privatwohnung des Landesgeschästsführers Korvettenkapitäns a. D. Freiherrn von Forstner in Offenbach, die Durchsuchung der persönlichen Büroräume ver Landesverbandsvorsitzenden Dr. Karl Klingspor und seines Privat— sekretärs Dr. Riedel in Offenbach und die Durchsuchung der Büro⸗ räume des Vorsitzenden der Ortsgruppe Offenbach, Fabrikanten W. Klingspor, ferner die Haussuchung, die in der Nacht zwischen 3 und 4 Uhr in Weimar bei dem Äterarhistoriker Adolf Bartels vorgenommen wurde, die Verhaftung des Oberpostsekretärs Faß⸗ hauer, des Haupt manns Lauterbach, der Oberlehrer Dr. Franz und Dr. Bamler sowie des Bankbeamten Grafe in Gera⸗Reuß usw. Es wird gefragt, ob die Beamten zur Nechenschaft gezogen worden sind, die sich dieser Rechtsverletzung schuldig gemacht haben, und was die Reichsregierung zu tun gedenke, um derartigen Rechtsverletzungen und Verstößen gegen das Gesetz vorzubeugen.

Ein Negierungsvertreter erwidert: Die Antworten der Landesregierungen, bei denen wegen der Einzelfälle angefragt worden ist, sind größtenteils noch nicht eingegangen (hört! hört! rechts). Bezüglich der Vorkommnisse in Gera haben die Ermittelungen der thüringischen k ergeben: Die thüringische Regierung ist in dem Besitz, von Material, welches die in der Anfrage Genannten dringend verdächtig erscheinen läßt, an gewaltsamen Umfturzbestrebungen beteiligt zu sein. Insbesondere ist ein Brief aufgefunden und dem Reichs minister des Innern in Abschrift übermittelt, der vom Er— schlagen einer bestimmten Person spricht und somit den Schluß zuläßt, daß hier ein politischer Mord geplant ist. Die Ermittelungen sind noch nicht abgeschlossen. Bei sämtlichen Verhaftungen und Durch!

*

. ist von der thüringischen Negierung gesetzmäßig verfahren worden.

Zwei weitere Anfragen des Abg. Grafen von Westarp (D. Nat.) beziehen sich auf Fälle von Gewalttätigkeite'n gegen rechtsste hende Kreise. Genannt werden in den Anftagen insbesondere Vorkommnisse in Freiburg im Breisgau bei einer Regimentsfeier, in Franksurt am Main, wo gelegentlich eines Streiks von den Demonstranten der Adlerwerke mehrere Personeu durch Schüsse schwer verletzt wurden, in Dortmund, wo die Aunnakirche 5 wurde, ferner die Erstürmung und Plünderung des Guts—

auses des Grafen Gneisenau in Sommerschenburg, bei der ein Gäts— verwalter und ein Feldhüter tödlich mißhandelt wurden; ferner sei in Heidelberg am 4. Juli Prof. Lennard aus seinem physikalischen Institut herausgeholt, durch die Straßen geschleift, mißhandelt, verhöhnt und bespuckt worden. Noch eine ganze Neihe ähnlicher Ausschreitungen wird in den beiden Anfragen erwähnt, und es wird gefragt, ob die Strafverfolgung gegen die Täter eingeleitet und ibre Ermittkung und Festnabme erfolgt sei. Warum hätten die Behörden nicht die nötigen Maßnahmen ergriffen, um den verbrecherischen Handlungen vor— zubeugen und seien sie dafür zur Rechenschaft gejogen? Sei die Reichsregierung nunmehr bereit, der Neigung aufgereijter Massen zu verbrecherischen Gewalttätigkeiten gegen rechtsstehende Kreise entgegen⸗ zuwirken und die Parole „Der Feind steht rechts“, auf die diese Neigung zum großen Teil zuräckzuführen sei, zurückzunehmen?

Ein Negierungsvertreter erwidert, daß die Antworten über die in den Anfragen bezeichneten Vorgänge von den Landes regierungen erst teilweise eingegangen seien. Bezüglich des Falles Lennard in Heidelberg nahm der Regierungsvertreler Bezug auf die schriftlich Beantwortung der Anfrage des Abg. Curtius. Hiernach ist Professor Lennard weder mißhandelt noch durch die Straßen ge— schleift worden, ebenso wenig ist er verhöhnt oder gar bespeit worden. Richtig ist nur, daß Professor Lennard anläßlich einer Trauer⸗ feier für den ermordeten Minister Rathenau ein solches Verhalten an den Tag gelegt hat, daß er zu seiner eigenen Sicherheit in Schutz⸗ haft genommen werden mußte, um ihn vor Verunglimpfungen der erregten Bevölkerung zu schützen. Nach den bisherigen Ergebnissen der Ermittelungen liegt für die Reichsregierung kein Anlaß zum Eingreifen vor.

Eine ergänzende Anfrage des Abg. Grafen von Westarv, ob die Regierung glaube, auf dem Wege, daß sie von zwei Dutzend Fällen nur drei oder vier beantworte, die Antwort auf die übrigen Fälle aber verweigere, der Neigung der Massen zu Gewalttätigkeiten gegen rechtsstehende Kreise entgegentreten zu können, erfolgt keine Antwort.

Auf eine Anfrage der Deutschnattonalen, betreffend die Tarifdiktatur des Reichsverkehrsministeriums, Ersparnisse im Kohlenverbrauch und stärkere Be⸗ lastung des Verkehrs der Ausländer, erwidert ein Regie- rungsvertreter: Die Tarifmaßnahmen der Eisenbahnen tragen dem ö Rechnung, daß die Ausgaben des ordentlichen Haus— halts unter allen Umständen durch dessen Einnahmen zu decken sind. Dies führt dazu, daß die Tarife der Geldentwertung Rechnung tragen müssen. Im übrigen nahm der Regierungsvertreter auf die dem Reichstag zugegangene Denkschrift über die Tarifpolitik der deutschen Reichsbahnen Bezug. Auf die Ersparnis von Brennstoff werde sort— dauernd hingewirkt, es sei die Einführung eines Prämienverfahrens beabsichtigt, sobald ausreichende und regelmäßige Belieferung mit Kohlen gesichert sei. Eine Sonderbehandlung der valutastarken Aus⸗ länder lasse sich nicht mit internationalen Verkehrsgrundsätzen der Gleichbehandlung von In⸗ und Ausländern vereinbarten. Auch ab— fertigungstechnisch ließe sich eine Sonderbehandlung der Ausländer nicht durchführen. Im Güterverkehr sei eine derartige Maßnahme durch den Versailler Friedensvertrag ausgeschlossen.

Eine Anfrage des Abg. Schimmelpfennig (D. Nat.) vom 21. Oktober stellt fest, daß sich in den Großstädten, be⸗ sonders in Berlin, ein von Tag zu Tag stärker fühlbarer Mangel an Eßkartoffeln bemerkbar macht, der in erster Linie auf die völlig ungenügende Gestellung von Eisenbahnwagen zurückzaführen sei. Die Reichsregierung wird gefragt, wie sie die Jusage des Reichsverkehrsministeriums wegen a, nr Wagengestellung für den Kartoffelversand zu erfüllen gedenkt.

Der Vertreter des Reichsverkehrsministers er— widert: In der . Zeit sind derartige Klagen nicht bekannt ge⸗ worden, es ist auch nicht anzunehmen, daß irgendwo ein solcher Mangel besteht. In der Zeit vom 1. September bis 9. November sind auf der Eisenbahn etwa 78 Millionen Zentner befördert und

daneben gewaltige Mengen als Stüdgut verfrachtet worden. cX* Berli ö icht Mangel sonde U berfluß K . In Berlin ist nicht Mangel, sondern Ueberfluß an Kar toffeln vorhanden. Die Kartoffelhändler haben schon am

25. Oktober geklagt, daß sie in Berlin nicht genügend Ab⸗ nehmer für die Kartoffelladungen fänden und daher gezwungen seien, die Kartoffeln anderswohin zu versrachten. Die Reichsbahn direktion hat in Berlin im großen Umfange Turnhallen, leere Schuppen und dergleichen anmieten müssen, um die Stückgutkartoffeln unterzubringen. Die Kartoffelsendungen haben sogar vor den Toren Berlins auf den Vorbabnhöfen abgestellt werden müssen, und der Versand von Frachtstückgut aus Berlin mußte mehrfach gänzlich ein— gestellt werden, um zunächst die Entladung und Auslieferung der ein gehenden Kartoffelstückgutsendungen bei der drohenden Frostgefahr zu bewältigen.

Abg. Au fhäuser (Soz.) fordert in einer Anfrage be⸗ schleunigte Erledigung der Anträge auf An⸗ rechnung von außerplanmäßiger Dienstzeit auf das Besoldungsdienstalter in einem anderen Zweige des Reichsdienste s. Der Vertreter des Reichsfinanzministeriums Dr. Olscher erwidert: Es

ist nicht zutreffend, daß der Minister sich in jedem einzelnen Falle derart die Entschetdung vorbehalten habe. Es sind im Gegenteil die übrigen Reichsressorts in weitem Um⸗— fange allgemein ermächtigt worden, obne seine Zustimmüng

die Festsetzung zu treffen. Schon seit längerer Zeit ist daher bei fast allen Reichsressorts diese Festsetzung bereits beendet. Eine Ausnahme bildet lediglich die Anrechnung solcher Zeitabschnitte auf das Be— soldungsdienstalter der technischen Beamten bei der Verkehrsverwaltung. Hier ist die Ausarbeitung von Richtlinien im Gange, zurzeit liegen dieselben dem Reiche verlehrsminister vor. Danach ist zu erwarten, daß auch die Anträge dieser Beamten in kürzester Frist berücksichtigt werden.

Eine weitere Anfrage des Abg. Aufhäuser betrifft die Er⸗ höhung der Beträge für die Unterstätzung tech— nischer Hilfskräfte dee Gisenbabnberwalt ung, die wegen Erreichung des 65. Lebensjahres ent⸗— lassen worden find. Der Ministeriglrat Sommer!lat te erklärt: Die regelmäßige Unterstützung in Höhe von 9000 4 wird verdoppelt werden, sobald die betreffende Nachtragssorderung vom Reichstag bewilligt ist, außerdem wird den Hiltskrästen eine weitere einmalige Unterstützung zuteil werden. Auch ist vom 1. April 1923 an eine weitere Erhöhung des Fonds für Unterstützungen dieser aus— geschiedenen Hilfskräfte eventuell in Aussicht genommen, sofern der Reichstag sich dafür ausspricht.

Auf eine Anfrage des Abg. Eggerst edit (Komm) erwidert der Vertreter der Regierung, daß die Reichsmonovolver⸗ waltung für Branntwein der Sulfit spiritusgesellschaft gemäß ihrem Antrage ein Darlehn in angemessener Höhe ge⸗ währen wird, um die Sulfitablaugen der Zellulosesabriken in größerem Umfange als bisher für die Branniweingewinnung auszunutzen,

Abg. De glerk (D. Nat ) bringt in einer Anfrage zur Sprache, daß der von einem schlesischen Rittergut bestellte Brennspiritus von der Reichsmonopolverwaltung in Erwartung neuer, höherer Preise nach eigener Angabe dieser Verwaltung gesperrt worden ist. Die Reichsmonovolver⸗ waltung habe alfo die Ware zurückgehalten, um höhere Preise heraus⸗ zuschlagen. Ein privater Geschästsmann würde dafür wegen Wuchers zur Verantwortung gezogen werden. .

Vom Vertreter der Regierung wirz erwizert, daß die Reichsmonopolverwaltung durchaus innerhalb ihrer Befagnisse ver⸗

hren sei, und daß ihr Vorgehen sich aus der Gefahr vechtfertige, die

daraus entstehe, daß das Gewerbe sich vor der Einberufung dez Beirats bis zur Festsetzung, der höheren Preise in großem Umfange sich vorversorge, was unbedingt verhindert werden müsse. Ob in dem erwähnten Fall die Ablehnung zu Recht erfolgt sei, lasse sich ohne nähere Angaben nicht nachvrüsen.

Auf eine Anfrage der Deutschnationalen, die Unter- verteilung im Getreideumlagesetz betreffend, läßt der Reichs minister für Ernährung und Landwirtschaft erwidern, daß die Unterverteilung der Umlage den Ländern obliege und ein Einfluß uf die Bemessung des Liesersolls der einzelnen Be— triebe den Neichsbehörden nicht zustehe; die letzte Entscheidung werde von den Beschwerdeausschässen gefällt.

Der Abg. Künst ler (Soz) hat die Feststellungen vor dem Schöffengericht in. Flensburg. wonach in der Marineschule Mär wik das Ehrhardt und das Löwenfeldlied von republikanischen Offizieren gesungen worden sei, zum Gegenstand einer Anfrage ge— macht. Die Reichsregierung soll darüber Auskunft geben, wag sie tun will. um diese Offiziere, die sich durch ihr Verhalten gegen die Republik erklärt haben, zur Nechenschaft zu ziehen, und ob sie die genannten Lieder verboten hat. Der Kapitän zur See Brutzer erwidert: Schoen im November 1920 sind für den Bereich der Marine Lieder, die politisch Anstoß erregen müssen, verboten worden. Hierzu sind Lieder der Art und der Fassung, wie sie der Anfrager zitiert, selbstverständlich zu rechnen. Der in der Anfrage wiedergegebene Text weicht von den in der Wehrmacht bekannten und früher gebräuchlichen wesentlich ab. Bei den Vorgängen in der Marineschule, die Gegen— stand der gerichtlichen Untersuchung waren, sind diese Lieder nicht gesungen worden. In zurückliegender Zeit haben Fähnriche gelegent⸗ lich die Lieder gesungen; gegen diese Fähnriche wird das weitere ver—= anlaßt. Offiziere waren nicht beteiligt.

Die Abgeordneten We ls und Dr. Braun (Soz. )) bringen zur Sprache, daß nach bisher unwiderrufenen Nachrichten der

ehemalige Kaiser in Beilin ein Diadem von unge⸗

heurem Werte (mehrere hundert Millionen Mark) habe an— fertigen lassen, das als Brautgeschenk für seine künftige Ehefrau nach Holland überführt werden solle. Sie fragen an, ob die Genehmigung zur Ausfuhr erteilt ist, beziehungs— weise ob die Regierung Auskunst über den Verbleib des Schmück— stückes erteilen kann, und welche strafrechtlichen Maßnahmen eventuell ergriffen werden sollen. Oberregierungsiat Dr. Willecke erklärt: Ein Ausfuhrantrag sür ein solches Diadem oder einen sonstigen wert— vollen Schmuck für den ehemaligen Kaiser in Holland ist bei den zuständigen Ausfuhrstellen nicht ermittelt worden. Die Nachsorschung des Landegfinanzamts Groß Berlin hat ergeben, daß es sich um einen Schmuck handelt, der von einem schlesischen Grafen zur Bearbeitung einem Berliner Juwelier übergeben worden ist und im Eigentum der Familie in Deutschland verbleibt. (Stürmisches Gelächter rechis, Rufe: Reingefallen! Die Reichsregierung kann daher auf Grund des isher vorliegenden Materials keine weiteren Schritte veranlassen.

Eine Anfrage des Abg. Lambach (D. Nat.) verlangt wirk- sameren Schutz des ungehinderten Verkehrs und der Sicherheit auf den Landstraßen unter Bezugnahme auf Verschleppungen iunger Menschen, die in der Harzgegend durch Werber für die Fremdenlegion geschehen sein sollen.

Aus der Antwort des Reichsministe riums des Innern geht hervor, daß besonders in Mittelbdeutschland derartige Presse⸗ nachrichten verbreitet worden sind; die Richtigkeit dieser Behauptungen habe aber bisher in keinem einzigen Falle sestgestellt werden können. Die darauf bezüglichen Erhebungen seien noch nicht abgeschlossen. Die Reichsregierung habe im Benehmen mit den Landesregierungen schon seit längerer Zeit und jetzt wiederum Maßnahmen getroffen, um den Werbungen für die Fremdenlegion mit möglichster Schärfe entgegenzutreten.

Damit sind die Anfragen erledigt. Ihre Beantwortung hat über 11/9 Stunde in Anspruch genommen.

Vor dem Eintritt in die Beratung des zweiten Gegen⸗ standes der Tagesordnung, einer neuen Geschäftsordnung für den Reichstag, bemerkt .

Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.): Ich beantrage noch⸗ mals, wie gestern, die heutige Sitzung aufzuheben und eine neue Sig ung, womöglich noch heute, zu berufen, in der die Regierung ihre Erklärung über die Lage der Politik abzugeben hat. Niemand im Lande begreift, daß der Reichstag diese innere Angelegenheit seiner Geschästsordnung berät, während man draußen im Lande die schwerste Entscheidung erwartet. Die Regierung hat in einer neuen Note an die Reparationskommission . Verpflichtungen Übernommen. (Hört, hört! rechts) Daran kann der Reichstag nicht vorübergehen. Da die Regierung eine Erklärung abgeben will, hält sie sich für aktionssähig; ist sie aktionsfähig, so muß sie dem Reichstag Rede und

Antwort stehen. (Sehr wahr! rechts) Es entspricht nicht der Würde des Landes und des Hauses, wenn wir jetzt in eine

Geschäftsordnungsdebatte eintreten, während das Land lechzt nach einer Erflärung, nach einer Tat. Wir wollen wissen, wie die Regierung zu den Dingen steht. (Beifall rechts.)

Abg. Koenen (Comm): Wir müssen die Nöte des Volkes zur Sprache bringen, namentlich auch das neue Blutvergießen in Düssel⸗ dorf. Uebernimmt die Regierung die Verantwortung dafür? Dann soll sie sich nicht in Zimmerchen verkriechen, wo man Schiebungen macht für große oder kleine Koalition. Die Negierung muß vor dem Lande Farbe bekennen. Wir beantragen auch die Absetzung der Ge— schäftsordnung von der Tagegordnung.

Das Haus lehnt die Aufhebung der Sitzung und die Ab⸗ setzung der neuen Geschäftsordnung von der Tagesordnung ab und tritt in die Beratung der vom Geschäftsordnungs— ausschuß entworfenen neuen Geschäftsordnung ein.

Abg. Schmidt-⸗Sachsen (Soz.) referiert über den Inhalt des Entwurfs und die Aenderungen an der bisherigen Geschäfts— ordnung: Der Aeltestenrat, der bisher nur inoffizielle Be⸗ deutung hat, wird zu einem amtlichen Organ gemacht. Die

Einbringung der sogenannten Kleinen Anfragen wird be⸗ schränkt, sie müssen dem Präsidenten vorgelegt und von dreißig Mitgliedern unterstützt sein. Die Reihenfolge der

Redner zu bestimmen, wird dem Ermessen des Präsidenten äberlassen, die Rededauer wird auf dreiviertel Stunde begrenzt. Die Ordnungs— bestimmungen werden verschärft. Bei gröblicher Verletzung der Ord⸗ nung kann ein Mitglied durch den Präsidenten von der Sitzung aus— geschlossen werden; verläßt es die Sitzung nicht, kann es fuͤr acht Sitzungstage ausgeschlossen werden und bei wiederholter Weigerung für 20 Sitzungstage. Eine Entziehung der Diäten und eine be⸗ waffnete Parlamentswache, wie in manchen Parlamenten des Aus⸗ landes, hat der Aueschuß nicht gutgeheißen.

Abg. Dr. ringer (D. Vp.): Ich spreche nicht als Partei⸗ mitglied. sondern als Vorsitzender der Geschäftsordnungskommission. Allen Mitgliedern dieser Kommission sage ich Dank für ihre Mit⸗

übertrieben oder doch un⸗

nötig hervorgehoben werden, die kieberproduftion von Reden, die innerhalb und außerhalb. des Hauses zur Plage geworden ist. (Eebh. Zustimmung.) Bie Wähler draußen en manchmal den

Eindruck einer Mühle, die mit unheimlichem Geränsch wohl klappert, aber sehr wenig Mehl gibt. An der wachsenden Geringschätzung der Parlamente ist nicht zum wenigsten der Vielredner schuld. Man hat gesagt, daß der überraschende Erfolg der Rutenbündler in Jialien nicht zum wenigsten auf den Umstand zurückzuführen sei, daß dort das Parlament sich um sein Ansehen gebracht habe. Ich weiß das nicht, aber ich stelle auch von hier aus die Anfrage: Welcher Zweck wird eigentlich mit dem Halten von Reden verfolgt? Sie sollen den Zu— hörer überzeugen, den Gegner widerlegen, die Haltung der Parteien

draußen recht artigen und gelegentlich auch manchmal pro⸗ pagandistisch oder agitatorisch wirken. Der Fall, daß hier im

Hause ein Zuhörer überzeugt worden ist, muß schon sehr lange zurück—⸗ liegen (große Heiterkeit), denn meist sind die Angehörigen der eigenen Partei doch schon überzeugt. Die Anderen, die überzeugt werden sollen, sind meist nicht am Platz. (Heiterkeit. Aber auch die Wider⸗ legung des Gegners wird sich doch in ganz anderer Weise durchführen lassen, wenn in schneller Rede und Gegenrede eine gewisse geistige Regsamkeit erzeugt wird, weil solche kurzen Reden nicht nur die Zu⸗ hörer, sondern event. auch die Gegner fesseln. Aber auch die andere Möglichkeit, nach außen zu rechtfertigen, propagandistisch zu wirken, hat ungeheuer abgenommen, seit wir eine so große Menge von Par⸗ lamenten haben, seit die Reden jo überaus lang geworden sind und die Not der Zeitungen sie zu immer größeren Raumbeschränkungen zwingt. Darüber haben unter den Parlamentsjournalisten, unter denjenigen Herren, die als Mitarbeiter des Parlaments in öffentlicher Wirklam⸗ keit in Frage kommen, in zweimaligen Versammlungen Auseinander⸗ setzungen stattaefunden. Ich selber habe im Verein Berliner Presse mich daran beteiligt. Es ist dort von den Herren festgestellt worden: Wir haben den Reichstag, den Preußischen Landtag, den Reichswirt⸗ schaftsrat, den Reichsrat und den Preußischen Staatsrat in Berlin, die öffentlich tagen. Der Reichstag hat 40 Ausschüsse, der Landtag ungefähr 20 die anderen haben ebenfalls Ausschüsse. Ueber die Ver⸗ handlungen dieser wird öffentlich berichtet. Wie ist es dann über⸗ haupt noch möglich, Leserschaft und Wählerschaft auf dem Laufenden zu erhalten über alles das, worüber in den Parlamenten gesprochen wird? Dazu kommt eine ganz überflüssige Wiederholung ein und derselben Debatte in diesen Parlamenten. Ich bin der Meinung, daß, schon wenn es sich um gemeinschaftliche Fragen und Klagen über die Besatzungen und über Uebergriffe im Saargebiet handelt, die Wirkung unserer Beschwerden leidet, wenn sie an drei oder vier Orten gleichzeitig erhoben werden und sich die Sache dann zersplittert. n, , e, e. ; 2 . ] ö

Die gleichzeitigen Interpellationen über alle möglichen Gegenstände

hier und im Landtag und womöglich im Reichs⸗ wirtschaftsrat sind doch, überhaupt von der Presse nicht mehr der Deffentlichkeit zu unterbreiten. Sie verfehlen

deshalb die Wirkung. Wollten wir radikal vorgehen, so müßten wir meiner , nach die Zahl der Parlamente auf die Hälfte und die Zahl der Abgeordneten auf die Hälfte beschränten und die Zahl der Reden nicht nur, sonderu auch ihre Länge auch auf die Hälfte beschränken. (Große Heiterkeit. Zu solchen Maßnahmen sind wir aber nicht zuständig, oder wir werden sie nicht auf einmal durchführen können. (Zuruf des komm. Abg. Malzahn.) Herr Malzahn, Ihre Fraktion hat im Duichschnitt die Redefreiheit im zehnfachen Grade wie die anderen in Anspruch genommen (Hört! hört! und große Heiterkeit. Ich will das nicht als Vorwurf gesagt

haben, sondern weil der Zwischenruf des Kollegen Malzahn eine besondere Benachteiliung seiner Freunde. ankündigen sollte. Nach dem besteheuden Verfahren liegt eine solche gar nicht

vor. Ich bin der Meinung, es ist nicht nötig, daß ein Abgeordneter wesentliche Teile der Rede seines Vorredners wiederholt. Es ist nicht nötig, daß im Plenum die Reden wiederholt werden, die in den Ausschüssen schon gehalten worden sind; es ist nicht nötig, daß unbedingt hier wiederholt werden muß, was in vielen Zeitungen vorher gestanden hat. (Lebhatte Zustimmung.) Eine Konzentration hierbei wird unserer Arbeit förderlicher sein, wird die Wirksamteit der Neden und Gegenreden stärken und wird imstande sein, draußen wieder ein größeres Interesse für die Arbeiten des Parlaments zu wecken. Ich verspreche mir das nicht auf einmal und schnell, weil darin zuviel verwirtschaftet worden ist. Die Beschränkung der Redezeit im Entwurf ist keine absolute, es werden für gewisse große politische Debatten Ausnahmen ausdrücklich vorgesehen für alle Par⸗ teien, aber, daß bei jeder kleinen Frage und jeder Interpellation Be— schränkung geübt werden muß, das werden auch die Kollegen ein⸗ gesehen haben. Ich bitte deshalb das Haus, stimmen Sie diesen Vorschlägen des Entwurfs zu. Wir werden, glaube ich, dann das Interesse des Parlaments wahrnehmen, aber auch das unserer Wähler, die von uns in der jetzigen Zeit wirkich nicht lange Reden, sonder durchgreifende Beschlüsse verlangen. (Lebhafter Beifall)

Abg. Dr. Pfeiffer (Sentr): Ich möchte bei dieser Gelegenheit insbesondere des verstorbenen Abg. Gröber gedenken, der in rastloser Mühe sich um die Verbesserung der Geschäftsordnung bemüht hat. Die vorgeschlagene neue Geschäftsordnang zeichnet sich durch absolute Klarheit und Unzweideutigkeit aus, obwohl ich mich der Besorguis nicht entschlagen kann, daß nichts so klar ist, als daß sich im Parlament nicht doch Leute finden, die es fertig bringen, vier verschiedene Meinungen darüber zu haben. Erfreulich ist die Neuregelung der kleinen Anfragen, die allmähiich zu eiuem groben Unfug ausgewachsen sind. Die kleinen Anfragen sind, wenn Über sie verhandelt wird, meistens längst erledigt. Dazu wird das Geld des Volkes für den Druck fortgeworsen; seit Jrli 1921 sind 1893 kleine Anfragen gestellt worden, und jede kostet 10 000 6 für Druck. Die Antrag⸗ steller könnten sich ja den Luxus leisten und das selbst bezahlen. In bezug gzuf die Ordnungebestimmungen beantragen wir, die Be⸗ stimmungen über den Ausschluß von Mitgliedern zu mildern. Dieser unser Antrag bildet die gewünschte mittlere Linie.

Abg. Graef⸗Thäringen (D. Nat.): Eine Geschäftsordnung soll den ordnungsmäßigen Gang der Verhandlung fördern, also wesentlich

dem Recht der Mehrheit dienen. Andererseits aber uch das Recht der Minderheit wahren, gehört zu werden und vor Ueberrumpelung geschützt zu werden. Dazu kommt als

Drittes die Wa nung der Würde und der Autorität des Hauses. Nach gewissen Vorkommnissen muß der Präsident die Mittel in die Hand bekommen, um seine volle Autorität wahren zu können. Wir erkennen an, daß in diesem Entwurf ein tächtiges Stück geleistet worden ist und alles, was seit Jahrzehnten Gewohnheitsrecht geworden ist, auf einen festen Rechtsboden gestellt ist, aber wir haben auch gegen manches Bedenken. Wir wollen die Redezeit nicht grundsätzlich beschränken, sondern den Grundsatz der unbeschränkten Redezeit ausstellen und die Beschränkung nur sür be⸗ stimmte Fälle zulassen. Die Ausführungen des Herrn Präsidenten über die U&eberproduktion an Parlamenten finden unserem Beifall, aber sie waren wenig schmeichel haft für den Parlamentarisnlus. Die Mehrheitssozialisten sitzen jetzt in der Regierung und haben andere Interessen, aber es tann die Zeit wiederkommen vielleicht ist sie nicht fern —, wo sie wieder volle Redefreiheit haben wollen. Wir sollten uns aus Selbstzucht Nedebeschränkung auf— erlegen. (Ruf links: Sie gehen ja auf die Straße ). Wir gehen auch auf die Straße, aber nicht in dem Sinne wie Sie, sondern wir gehen in das Volk hinein. (Lachen links. Abg. Adolf Hoffmann (Soz.): Lassen Sie sich aber nicht erwischen Die Ausartung der kleinen Anfragen haben wir seinerzeit vorausgesehen, als wir gegen deren Zulassung waren. (Sehr nichtig! rechts. Ruf links: Sie haben beute allein 116 gehabt! Das ist ein Zufall, wir können statistisch feststellen, daß unsere Partei damit nicht den Durchschnitt unter den Parteien erreicht, und was die Hauptsache jst, wir übertreffen Sie in der Güte unserer Anfragen. (Heiterkeit Die Unterstützung der kleinen Anfragen durch 30 Mitglieder ist ein Schlag ins Wasser; wenn eine Fraktion bösartig ist. das . wir nicht (Heiterteit) dann bringt die ganze Fraktion die Anfrage ein. Die Linke bewundert immer kritiklos den, westlichen Parlamentarismus; wir wollen ebenso wie dort den Präsidenten in die Lage versetzen, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Der bloße Ausschluß eines Mitglieds bleibt auf halbem Wege stehen. Es ist bezeichnend für den Parlamentarismus, daß nur eine Entziehung der Diäten ein geeignetes Mittel ist. Daß der Ausschuß diefes Mittel nicht vorgeschlagen hat, ist ein Diätfehler (Nuf Unks: Kalauer h. Ja, das ist ein Kalauer, aber er paßt für den modernen

Parlamentar lk mug. England, Frankreich, Belgien, Amerila, Italien