1922 / 259 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Nov 1922 18:00:01 GMT) scan diff

haben sogar Herr Adolf Hoffmann, bekommen Sie keine Gänse⸗ haut eine bewaffnete Macht im Parlament. Wir beantragen, auch im Deutschen Reichstag eine Parlamentswache einzurichten, Lachen links). Herr Hoffmann mag sich beruhigen, die Wache soll draußen bleiben, aber sie muß nötigenfalls vom Präsidenten gerufen werden können. Das würde die Autorität, die Ordnung und Die Achtung vor dem wahren Parlamentarismus fördern. (Unruhe links.) Der Präsident muß seinen Anordnungen Nachdruck geben können. Wir legen auf die Annahme dieses Antrags Gewicht. Wenn Sie das Ansehen des Parlaments stärken wollen, so nehmen Sie unseren Antrag an. (Beijall rechts)

Abg. Dr. Kahl (D. Vp.): Nach unserer Auffassung muß die Geschäftsordnung nicht nur äußerlich die festgefügte Ordnung für den Geschästsbetrieb des Reichstags regeln, sondern sie soll auch ein Mittel sein zur sachlichen förderlichen Erledigung der Reichstagsgeschäfte und eine der Bedingungen, um das Ansehen und das Vertrauen in den Neschetag überhaupf im Volke zu begründen und zu befestigen. Im großen ganzen erscheint uns der Gesetzentwurf als eine wohlgelungene Arbeit, die einen geeigneten Apparat aufgestellt hat. Wir schließen uns dem Dank an alle Beteiligten, an die Herren Spahn, Löbe, namentlich auch Türinger, von Herzen an. Bei dem erweiterten Sioffe und den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen, mußte die neue Geschäftsordnung umfangreicher werden als die bisherige, anderseits wird hoffentlich mit ihr eine Reihe von Einzelfragen in Zukunft aus der Erörterung ausscheiden. Wir wänschen nunmehr möglichst rasche Erledigung der schon seit zwei Jahren schwebenden Angelegen— heit und haben deshalb uns auf zwei Abänderungsanträge beschränkt. Wir beantragen, den 15 ständigen Ausschüssen als 16. einen Verkehrsausschuß anzugliedern, den wir uns in enger sachlicher Ver— bindung denken mit dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten, er soll die Aufgaben in die Hand nehmen, welche Artikel 88 der Reichs⸗ verfassung der Zuständigkeit des Reiches überwiesen hat. Außerdem beantragen wir eine Abäncerung der vorgeschlagenen Rededauer. Ich kann alles unteischreiben, was in diesem Punkte der Abg. Löbe vorhin so ausgezeichnet inbezug auf, den Mißbrauch der Redefreiheit vorgetragen hat. Ich gehe aber noch weiter, ich wünschte einen Ver— senkungsahparat für den Redner, der sich dieses Mißbrauchs schuldig macht. (Heiterkeit, Wir haben unsererseits die Beschränkung der Nedezeit auf eine halbe Stunde beantragt und sind überzeugt, daß das ür den Redner in der Aussprache vollkommen ausreicht. Für Verichterstatter und Antragsteller ist ja diese Beschränkung nicht ge— dacht. Im 5 9 des Entwurfs wird den Fraktionen ein Anspruch auf' enssprechenden Anteil auch am Vorstand zugesprochen; § 16 handelt dagegen von der freien Wahl des Präsidiums. Ich nehme an, daß im 8 9 nicht der Grundsatz sestgelegt werden soll, daß der Präsident in jedem Falle von der ziffernmäßig stärksten Fraftion gestellt werden muß. In diesem Zusammenhang . ich die Frage, ob nicht der Praäͤsident für seine Amtszeit aus einer Partei auszuscheiden hat, wie es das englische Stgatsrecht porsieht, und wie es sich in England bewährt hat. Wir sind voll Famit einverftanden, daß der Ausdruck , Ueberwachungsausschuß“ he— seitigt wird. Ich habe in diesem fälschlich so, genannten Aus schusse wiederholt Ansaß gehabt, Verwahrung gegen die Stellung einzulegen, die dieser Ausschuüß fich beigelegt hat. Daß damit seine Befugnisse den von der Reichsverfassung gezogenen Rahmen weit überschreiten, ist für jedermann unzwesfelhaft, der die Verhandlungen von Weimar gegenwärtig hat. In der Verfassung ist von der Wahrung der Rechte der Volksvertrefüng gegenüber der Regierung die Rede; in der Praxis hat man aus Wahrung“ „Wahrnehmung“ gemacht. Vieser kleine Ausschuß von 15 Mitgliedern ist ietzt der Reichstag im fleinen; alle Aufgaben, die in der Zwischenpause zu lösen waren, sind ihm übertragen worden. Er hat die politischen Verhandlungen mit der Regierung geführt, er hat die schwerwiegensten Besoldungefragen entschieden. Wenn ein wirkliches Bedürfnis für ein solches Organ vorhanden ist, dann muß der Reichttag es anders gestalten, dann muß er die Verfassung ändern, das kann nicht so nebenher mittels der? Geschäftsordnung gemacht werden. Wir sind damit, in,; perstanden, daß ausdrücklich der Ausschluß der Oeffentlichkeit für die Verhandlungen deg Auswärtigen Ausschusses gewahrt bleibt. Eine unbeschränkte Oeffentlichkeit auch für Abgeordnete ist für diesen Aueschuß nicht angezeigt; wir wissen, daß Indiskretionen aus diesem Ausschuß keineswegs immer bloß durch Abgeordnete er⸗ folgt sind. Was die Ordnungsbestimmungen betrifft, so ist das in 891 Vorgeschlagene für uns das Mindeste, was wir fordern müssen. Ünbedingt der Aufklärung bedarf noch der Punkt Tagung. Was ist Tagung? Die „Tagung“ st Sitzung periode, Jo daß die Wahlperiode sich in Sitzungsperioden gliedert. Jede Sitzungsperiode ist formell zu schließen mit der Wirkung, daß von da ab die Immunität suspendiert ist und die Viöskontinuität eintritt, d. h. daß alles nicht erledigte Material als erledigt gilt. Eine solche Tagung hat der Reicht tag nicht., er tagt ununterbrochen, wir kennen keine Gliederung in Sitzungs⸗ perioden, es besteht also eine ewige Immunisät und zie Ewigkeit der Ladenhüter. Das stimmt mit dem geltenden Verfgssungsrecht nicht sberein. Alles in allem wird hoffentlich die neue schön gefügte Ord— nung nicht auf dem Papier stehen bleiben, sondein von der Aner—⸗ erkennung und Achtung aller Beteiligten getragen werden. Je höher bie Sonderänitüt der Volkevertretung sieht, um so mehr Selbstzucht und Selbfidiszixlin ist notwendig. Wir weren, wenn keine wesent; liche Verschlechlerung des Entwurfs eintritt, ihm zustimmen. (Beifall bei der D. Vp.) ö. —⸗

Abg. Brodauf (Dem.): Schwere innerpolitische Krisen, auch der Rathenau-⸗Mord, haben die Vollendung dieser Arbeit aryfgehalten. Jahr und Tag ist darüber vergangen. Als großzügig können Hir das Ergebnis der Beratungen nicht anerkennen. Unter dem alten System galt es, die kümmerlichen Rechte des Neichstags der Negierung gegen⸗ ber zu vermehren, wie es z. B mit den Anfragen geschehen ist. Heute kann das nicht mehr die oberste Aufgabe sein (hört, hört! links), denn die Negierung hat nicht mehr wie früher den Reichstag unter sich, sondern über sich. Jetzt muß der Reichstag darauf ehen, daß bie Führung der Neichsgeschäfte durch die Tätigkeit oder Untätigkeit des Reichstags nicht aufgehalten, das dadurch die Regierungstätigkeit nicht geradezu sabotiert wird. Es kann gewiß nicht die Nede. sein, die Oppesition im Reichstag, mögsichst mundtot zu machen, aber man darf auch nicht der Opposition die Möglichkeit geben, das Räderwerk außer Gang ju setzen und die Regierungs⸗ geschäfte zu sabotieren. Die Hauptaufgaben der neuen Geschästs⸗ ordnung find die Beschränkung der k die Beschränkung der

J llati 1nd AÄnfragen' und die Erböhung der Disziplinar— Interpellationen r frag . .

ewalt des Präsidenten. Jetzt werden die . um die Parteien ju überzeugen, sondern sie werden um die Freunde im Lande zu

hinaus gehalten, Freu jnsornsieren. Wir stimmen auch den Ausführungen des Abg.

Dr. Pfeiffer durchauß zu. Die Anfragen sind geradezu ein grober 6 geworden und bedeuten vielfach nur eine SGabolierung der Reicks tagearbeit. Ueber die Notmendigleit. der Verstärkung der Tisziplinarbesugnis des Präsidenten ist sich die große Mehrheit klar Wenn der Entwurf auch nicht aroszügig ist, so bringt er, doch mehrere wesentliche Reformen. Wir werden ibm justimmen, behalten

uns aber weitergehende Reformen vorzuschlagen vor, Der *r s deemt teilt mit, daß er bisher seitens der Regierung

noch ohne Mitteilung iber die von ihr abzugebende politische Er⸗ klärung geblieben ist.

Abg. Höllein (Komm) beantragt Unterbrechung der Sitzung. Dieser Antrag wird abgelehnt. Das Haus fährt in der Beratung fort. ö

Abg. Eich horn (Komm): Angesichts der Vorgänge im Rhein; lande, in Tüsseldorf und Köln, wo rag Elend. det Volkes mit Niesenschritten vorwärts schreitet und die Schupo mit Gummi⸗ knüätieln, aber auch mit der Schußwaffe, das hungernde revoltierende

zum Fenster

Volt zur Raison bringt, schmeigt die Regierung und befaßt schet it seiner Geschäftzordnung! Wenn er im Hur t r . nicht ist er selbst daran schuld. Dieser

Holle ehe sn Musterbeispiel dafür,

mntwurf einer Geschäftsordnung ist ein U ; ö. ö. selbst seine Rechte mit Fuße tritt. Dem. Grundsatz der Verhältniswahl schlägt der Entwurf direkt ins Gesicht. Er stellt

geradejn ein Statut dar zur Vergewaltigung der Minder

heiten, zumal der Oppositionsparteien. Für die Fraftionen läßt man 15 Mitglieder als Mindestzabl bestehen, aber für die Einbringung von Anträgen und Interpellattonen schreiht man jetzt 30 vor, d. h. die kleinen Fraktionen rechtlos machen. Der Entwurf geht damit noch hinter die quasi absolutistische Zeit zurück. Die ganze neue Geschaits⸗ ordnung erscheint als ein Ausnahmegesetz gegen die komn unistische Fraltion. Das läßt sich an jeder neuen Formulierung nachweisen. Der Redner geht die Bestimmungen der neuen Geschäftsordnung im ein elnen durch und äußert die Ansicht, daß sie mit der Demo— kratie unvereinbar seien. Die Tendenz, namentlich bei Be— schränkung der Redefreiheit, sei Erdrosselung der Opposition. Glauben Sie, so fragt Redner, daß durch diese lex Höllein oder Remmele einer von uns sich abhalten lassen wird, zu sagen, was er für not⸗ wendig hält? Wer einen Abgeordneten an der Teilnahme an den Sitzungen hindert, wird nach dem Strafgesetzbuch mit Zuchthaus be⸗ straft, und hier wollen Sie mit der Geschäftsordnung Abgeordnete ausschließen! Wer es mit der Demokratie ernst nimmt, den über— fommt ein förmlicher Ekel vor der Selbstkatastrophe im Ausschuß, wobei der Demokrat Brodauf den Vogel abgeschossen hat, indem er Ausschluß bis sechs Wochen und Diätenentziehung, beantragte. Die Sozialdomokraten sollten sich schämen, bei verartigen Dingen mit⸗ zuwirken.

Abg. Ledebour (d. S.) beantragt nunmehr Vertagung. Die Regierung Wirth brüte noch über dem Kuckucksei, das sie selbst gelegt habe. (Heiterkeit.,] .

Gegen den Vertagungsantrag erhebt sich kein Widerspruch.

Präsident Löbe beraumt die nächste. Sitzung au auf Mittwoch, 3 Uhr, und erhält die Ermächtigung, die Tages⸗ ordnung selbständig festzusetzen. Für den Fall, daß die Re⸗ gierung noch nicht in der Lage wäre, eine Erklärung abzu— geben, sollen beraten werden der Antrag auf Aendermmig des Verdrängungsschädengesetzes, sodann die Interpellation über die Not der Wissenschaft. Hierauf soll die Geschäftsordnung weiter beraten werden. Ein Antrag Schultz-Bromberg (D. Nat.), unter allen Umständen morgen zuerst die Regierungserklärung auf die Tagesordnung zu setzen, wird gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Kommunisten abgelehnt. Es bleibt bei dem Vorschlag des Präsidenten.

Schluß gegen 7 Uhr.

K—

Parlamentarische Nachrichten.

In dem Reich stagsgusschuß, der die Ausführungs- best7mmungen zum Verdräng ungsschädenge etz be⸗ handelt, wurde gestern eine Beschlußfassung über den Initiativantrag, betreffend Aenderung der Gewalt schädengesetze, gefaßt. Dieser Initivantrag umfaßte nach dem Bericht des Nachrichten büros des Vereins Deutscher Zeitungsberleger verschiedene grundlegende Abänderungen des Verdraͤngungsschädengesetzes vom 258. Juli 1921 Unter anderem wurde beschlossen, zu dem nach 8 13 berechneten Wert

des angeführten Gesetzes (Grundentschädigung) zum Zwecke der Ersatzbeschaffung oder Wie derherstellung Zuschläge zu be⸗—

willigen, und zwar: 1. bei Verlust oder Beschädigung von Hausrat und Kleidungestücken mit Ausnahme von ausgesprochenen Laxusgegenständen, mit der Maßgabe, daß die Zuschläge und die Grundentschädigung für diejenigen Sachen oder Wert— minderungen, für die Zuschläge bewilligt werden, zusammen den Betrag von 100 000 im Einzelfalle nicht übersteigen dürfen; falls der Geschädigte die Ersatzbeschaffung oder Wiederherstellung bis zum 1. Juli 1922 nicht ganz oder in seinen wichtigsten Teilen mit Hilfe folcher Leistungen, die auf die Entschädigung anzurechnen sind, oder mit Veischleuderungserlösen oder sonst mit eigenen Mitteln vor— genommen hat, so tritt an die Stelle des Betrags von 100 000 K ker Betrag von ßo0 000 A; 2. bei Verlust oder Beschädigung von zur Berufsausübung notwendigen Gebrauchsgegenständen, wenn ein ent sprechender Beruf wieder aufgenommen wird. Außerdem wurde noch folgende Bestimmung in das Gesetz eingefügt: . Hat der Geschädigte die zur Ersatzbeschaffung oder Wieder⸗ herstellung erforderlichen Aufwendungen unter Nichtverwendung von Verschleuderungserlösen oder solcher Leistungen, vie auf die Ent⸗ schädigung J sind, unterlassen, so ist, falls zum Zeitpunkt bes Empsangs diefer Leistungen ein niedrigerer Betrag zur. Ersatz⸗ beschaffung oder Wiederherstellung erforderlich gewesen wäre, sür die Bemessung der Zuschläge nur dieser niedrigere Betrag maß⸗ ebend. Diese Bestünmung findet keine Anwendung, falls der Ge⸗ r gte glaubhaft macht, daß ihm eine alsbaldige Ersatzbeschaffung nicht zugemutet werden konnte. ;

Welter wurde beschlossen, daß die Entschädigungen bis zum Gesamtbetrage von einer Mällion Mark unverzüglich nach der rechts⸗ kräftigen Fesisetzung oder Bewilligung bar zu zahlen sind. Nachdem auch noch eine Reihe von Abänderungen des Kolonialschädengesetzes beschlossen wurden, vertagte sich der Aueschuß.

Der Steuerausschuß des Reichstags genehmigte gestern den Antrag seiner Unterausschüsse, die Um satz st euer für die Inseratensteuer in folgender Weise zu ermäßigen. Die Steuer für die Uebernahme von Anzeigen ermäßigt sich bei Zeitungen und. Zeitschristen von den ersten,. 1 900000 M Fes innerhalb eines Kalendervierteljahres vereinnahmten Ent⸗ gelts auf 4 vH, von den nächsten 1 0900 000 MH des snnerhalb eines Kalendervierteljahres vereinnahmten Entgelts auf 1 vH, von den nächsten 1000000 4 des innerhalb eines Kalender⸗ pierteljahrs vereinnahmten Entgelts auf 13 vH, von den darüber hinausgehenden Beträgen auf 2 vy. Giht ein Steuerpflichtiger mehrere Zeitungen oder Zeitschriften heraus, so ist für die etwaige Ermäßigung jede Zeitung und jede Zeitschrift selbständig zu be— handeln“ Tiese Aenderung gilt mit rückwirkender Kraft vom J. Januar 1922 ab.

Der Wohnung sausschuß des Reichstags setzte iu seiner gestügen Sitzung Lie Beratung des Gesetzes über den Mie terschutz fort. Zur Diekussiou stand ein Antrag der Abgg. Winnefeld 96 Velkep.), Beythtien (D. Volksp.) und

ĩ. zol 6

Adams (D. p.), wonach der Vermieter aul Aufhebung des Mietverhältnisses klagen kann, wenn der Mieter vor⸗ sätzlich die Zahlung am Fäͤlligkeitstermin unterläßt und mit der Nichtzahlung eine bestimmte gegen die be

rechtigten Interessen des Vermieters gerichtete Absicht verbindet oder verfolgt. In diesen Fällen sollen die Bestimmungen des S 3 des Mieterschußgesetzes keine Anwendung finden. Auch soll der Mieter dem Vermseter jür den durch die Nichtjahlung entstandenen Schaden haftbar sein. Erfolgt die Einstellung der Zahlung von mehreren Mietern gleichzeitig, so haftet jeder zu seinem Teile. Nach längerer Debatte, die ergebnislos verlief, wurde der Antrag zurückgestellt und die Sitzung vertagt.

In der gemeinschaftlichen Sitzung des wirt schaft epo liti⸗ schen und des frnanjpolitischen Ausschuses Jes Reichswirtschaftsrattz am 9. November fand eine Aus⸗ sprache über die Verhandlungen mit der Reparations⸗ kom mission und die Gutgchten der aut ländischen Finanzsachverständigen statt. Der Vorsitzende Direktor rh e m'e r ftellte zu Beginn der Verhandlungen laut Bericht des Rachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger sest, daß die Regierung den Reichswirtschaftsrat nicht zu den Verhandlungen? zugezogen habe, obwohl ihr das Gutachten der vereinigten Ausschüsse vom J. November 1922 sofort zugeleitet

worden sei. Im Anschluß an die in den Sachverständigengutachten Mark in

geäußerte Meinung, daß die Stabilisierung der

erster Linie dur Deutschlandes eigene Bemühungen und aus eigener Kraft herbeigesührt werden muß, betonte er den Willen der Industrie zur Mitarbeit. Er führte dabei aus,

daß die Industrie sich nicht instande sehe, ihre Betriebe fortzuführen wenn nicht in absehbarer Zeit eine Stabil isierung der Währung eintrete. Das vollständige Fehlen der Möglichkeit

einer Kalkulation bringe zahllose Betriebe in kurzer Zeit dem Nun nahe. In manchen Industrien gebe es bereits 13 Prozent Arbeite lose und 17 Prozent Kurzarbeiler, in anderen sei die Aibeit aus vier Tage in einigen sogar auf zwei Tage in der Woche verlützt. Aus den staftgehabten Verhandlungen ginge hervor, daß eine Hilfe von außen früͤheflens etwa im Januar zu erwarten sei. Also seien äußerste An⸗ trengungen notwendig, wenn die deutsche Wirtschaft in den nächsten Wochen nicht zugrunde gehen soll.

Im weiteren Verlauf der Sitzung gab dann ein Vertreter der Reichsregierung die Note vom 8. November 1922 an die Neparatiens kommijsfion mit den dazu gehörigen Gutachten der ausländischen Sachverständigen Dubois, Vissering und Brandt bekannt. In der Erörterung wurde von allen Rednern die weitgehende Ueberein— simmung der Sachverständigengutachten mit dem Gutachten der vereinigten Ausschüsse vom 1. November 1922 festgestelli. Friedrich Baltrusch. (Arbeitnehmervertreter. der Industrie) jog daraus die Folgerung, daß es dringend notwendig erscheint, nun wenigstens ernstlich den Anfang mit den Maßnahmen innerwirtschastlicher Art zu machen, die der Reichs wisl—⸗ schaftsrat der Reichsregierung schon seit Monaten in Gutachten empfohlen hat. Es dürfe nicht auf das gewartet werden, was pon außen herkommen soll, zumal das Gutachten von Brandt, Cassel, Jenks und Keynes deutlich sagt, daß auf das Ausland zunächst über⸗ Faupt nicht zu rechnen sei, ehe nicht innerwirtschaftlich alles geschehe, was zu einer Stabilisierung der Währung oder doch wenigstens zu einer gewissen Regulierung der Mark notwendig sei. Im Anschluß daran führte Otto Keinath (Arben⸗ gebervertrelter des Handels) aus, daß das ganze Volk sich für solche Maßnahmen einsetzen müsse, indem er u. a. sagle „Die Rettung Teuischlands kann nicht mehr von Programmen her— kommen, nach denen immer gerufen wird. Schon vor dem Industtte— und Handelstag hat der Reichstanzler einerzeit ein Programm ent⸗ wickelt, das jeder Mensch in Beutschland unterschreiben tonnte Inzwischen sind etwa zweieinhalb Monate vergangen, und es ist gar nichts von diesem Programm ausgeführt worden. Das ist teils ein Mangel der Hegietung, aber in erster Linie ist es die Schuls des deutschen Volkes, das nicht ge⸗ willt ist, die notwendigen Opfer zu bringen, obwohl alle wissen, daß es ohne Opfer nicht abgehen kann. Sowie man ernstlich an die Dinge herangeht, schiebt einer den anderen vor, und niemand hat die Macht, die notwendigen Opfer tatsächlich bei allen Kreisen durchzusetzen. Arthur Feiler (von der Reichsregierung ernannt) wandte sich gegen die in der Rede des Vorsitzenden und in anderen Neden zum Ausdruck gekommene negative Auffassung von den aus⸗ ländischen Gutachten. Es sei umgelehrt notwendig, die zu— nehmende Hoffnungslosigkeit im Volke zu betämpfen, durch die der niedrige Stand der Mark wesentlich, mit, bestimmt werde. Es sei höchst bemerkenswert, daß eine Reihe von ausländischen Sachverständigen nach Prüfung der deutschen Verhältnifse sich mit Zuversicht und Zutrauen in die deutsche Kraft geäußert haben. Der Reichswirtschasts rat habe die Pflicht, die Neichs⸗ regierung zum Handeln im Sinne der vom Neichtwirtschaftsrat und pon den ausländischen Sachverständigen in weitgehender Ueber⸗ einstimmung vorgeschlagenen Maßnahmen außusortern. Georg Bernhard (Vertreter der freien Berufe) wies im Anschluß daran auf die Widerstände hin, denen die Durchführung solcher Maßnahmen in gewissen Kreisen, der Industrie begegnen würde, indem er u. a. ausführte: Der aller⸗ größte Teil der deutschen Industrie hat zweifellos ein Interesse an der Stabilisierung der Mark. Denn, wenn die Mark weiter fällt, so ist für die Unternehmungen das Betriebskapital ntcht mehr aufzutreiben und ein großer Teil der Unternehmungen müßte seine Arbeiter eines Tages entlassen. Wenn aber auch die über wiegende Zahl der Betrlebe in dieser Richtung interessiert ist, so gibt es doch Peisönlichteiten und Gruppen, die im Wirtschastsleben eine große Bedeutung besitzen und ihre großen Kombingtionen und Finanztransaktionen dakauf aufbauten, daß sie große Markschulden aufnehmen und damit Sachwerte kausen. Da diese Schulden um fo leichter abgetragen werden können, je mehr sich die Mark entwertet, find diese Gruppen der Industrie an einer fortschreitenden Entwertung der Mark interessiert, oder doch mindestens an einer Stabilisierung zu einem möglichst niedrigen Kurse. Ein Vertreter dieser Gruppe hat als Sachveiständiger vor dem Arheitsausschuß für die Währungsfrage, der das Gutachten der vereinigten Ausschüsse vor⸗ bereitete, z. B. die Absicht geäußert, daß auch die inneie Kaußstraft der Mark kein Maßstab für ihren wahren Wert sei, zu dem man etwa stabilisieren könnte, da sie künstlich durch die Zwangs— wirtschaft im Wohnungswesen, beim Brotgetreide und durch die Zuschüsse bei den Staatsbetrieben hochgehalten werde. Um den wirk⸗ lichen Wert der Mark zu erhalten, soll dangch ein diesen Verbilligungen entsprechender Betrag dem normalen Stande zugerechnet werden. Das Gutachten der veieinigten Ausschüsse geht aber davon aus, daß die Devisenkurse zurzeit durch diejenigen Debisentäuse erhöht sind, die aus dem Mißtrauen und der schlechten Bewertung der Mark im Inlande herrühren, ohne irgend etwas mit Export und Import zu fun zu haben. Auch das Gutachten der ausländischen Sachverständigen Brandt, Cassel, Jenks und Keynes scheint von dieser Ansicht aus— zugehen, da es bei einem Dollartageskurs von [0060 einen Stabilisierungskurs zwischen 3000 und 3000 porschlägt. Gerade um den normalen Kurs der Devisen sichtbar zu machen, haben die vereinigten Ausschüsse wie auch die ausländischen Sachverständigen die Ausgabe einer wertbeständigen Anleihe, eiwa Goldschatzwechsel des Reichs vorgeschlagen, damit die inländischen Tepisenkäuse aufhören. Wenn heute sosort die vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen werden, so besteht demnach noch die Möglichkeit, die Mark auf diesen normalen Stand, der in weiter Spanne über den Tages— kursen liegt. zu stabilisieren. Wird aber längere Zeit ge— wartet, so paßt sich die innere Kaufkraft den Depisenkurlen der⸗ artig an, so daß auf diese Weise eine Stabilssierung zu einem peihältnismäßig hohen Kurs nicht mehr möglich ist. Die Frage des Zeitpunktes und des Tempos der Stabilisierung ist also von ganz besonderer Wichtigkeit, denn der Zeitpunkt ist sür die Döhe des Kurses entscheidend, und ungeachtet des Wunsches aller, daß wir einmal zu geordneten Währungsverhälinissen kommen, sind hierin bestimmte Gruppen Industrieller und Finanzleute auf eine Verlangsamung des Temhos eingesiellt, während die Allgemeinheit für schuelle Maß⸗ nahmen eintreten muß. Nachdem Abraham Fromein (Arbeit⸗ gebervertreter der Industrie) nochmals auf die einmütige Stellung⸗ nahme des Neichsverbandes der deutschen Industrie hingewiesen hatte, ergriff Lugo Stinnes das Wort zu seinen bereits in der Presse wiedergegebenen Ausführungen.

Der finanzvolitische Ausschuß des Vorläufigen Reichs⸗— wirtschaftsrats hielt heute eine Sitzung.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Challottenburg.

Verantwortlich füt den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin Wilhelmstr. 32. ier Beilagen leinschließlich Börsenbeilage) und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage sowie ein Rummernverzeichnis der gezogenen Pfandbriefe der Bayerischen Hypotheken- u. Wechsel⸗Bauk in München.

zum Denn t ehen N Nr. 2 5 2 3

Erste Beilage

8.

Berlin, Mittwoch, den 15 November

ichs an zeiger und Bren ßzischen Stagtsanzeiger

1922

Nichtamtliches. (Fortsetzung aus dem Haupthlatt.)

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs— maszregel n. Gang der gemeingefährlichen Krankheiten. (Nach den Veröffentlichungen des Reichsgesundheiteamts“ Nr. 45 vom 8. November 1922.)

Pe t. Portugal. Vom 24. September bis 7. Ok 5dli ö . in Lissabon. . ürkei. Vom 27. August bis 9. September 2 Erk r und 1 Todesfall in Kon stantinopel. ö, Mesopotamien. Vom 1. bis 31. Juli 23 Erkrankungen

J ö Siam. Vom 6 bis 12 August 1 Erkrankung in Bangkok. Vom 13. bis 19. August 5 Erkrankungen und

Hongkong. 5 . . riti afrika. Vom 1. bis 30. i 184 Er⸗ krankungen und 172 Todesfälle in der Kolonie Ken 3. . . Madagaskar. Vom 26. Juni bis 2. Juli 2 Erkrankungen (und 1 Todesfall) in Tam atave; vom 10 bis 23. Juli 2 (2) in HJ =. . Su St 2 apverdische Inseln. In incent w 4. September Pestfälle sestgestellt. . Brasilien. Vom 13. bis 26. August 3 Todesfälle in Porto , an k August ö Erkrankung in Bahia. Ecuador. In Guayaquil wurden vom 1. bis 31. 17 pestinfizierte Ratten gefunden. ö

Cholera. . Siam. Vom 6. bis 12. August 2 Erkrankungen und 1 Todes- fall in ö ; . Japan. Vom 3. bis 8. September 92 Erkrank 38 Todesfälle in Fukuoka. ; .

Gelbfieber.

Brasilien. Vom 30. Juli bis 26. August 3 Erkr und 2 Todesfälle in Bahia. gust krankungen

Pocken.

ͤ ö ch. Vom 15. bis 21. Oktober 2 Erkrankungen n Wien.

Schweiß. Vom 165. bis 21. Oktober 11 Erkrankungen, und zwar in den Kantonen Zürich 4 davon in der Stadt Zürich 2 und Bern ?? davon in der Stadt Bern 4.

Spanien. Vom 28. August bis 10. September 15 Er⸗ K in ö. 6 . .

ortugal. Vom 20. August bis 2. September 24 Erkrankunge

und 5 Todessälle in Lissabon. ö. .

Litauen. Vom J. bis 30. September 5 Erkrankungen. Türkei. Vom 3. bis 9. September 10 Erkrankungen und

2 Todesfälle in Konstantinopel Aegypten. Vom 28. Mai bis 24. Juni 4 Erkrankungen 852 2 Todesfälle) in Kairo; vom 18. bis 24. Juni 1 (1) in

ort Said. Fleckfieber.

Litauen Vom 1. bis 30 September 20 Erkrankungen. Bulgarien. Vom 23. September bis 7. Oftober 2 Er⸗ krankungen. . tet, en ,. August bis 9. September 4 Erkrankungen in Konstantinopel.

Aegppten, Vom 20. bis 25. August 2 Erkrankungen lund 2 Todesfälle in Alexandrien; vom 21. Mai bis 24. Juni 30 (227) in Kairo und vom 27. August bis 2. September 2 in ö Vom 1. bis 31. August 2 E

Algerien. Vom 1. bis 31. Augu Frkrankungen und 1 To ef in Algier. ;

R

Handel und Gewerbe.

In der Sitzung des Zentralausschusses der Reichs⸗ bank vom 138. d. M. begründete der Vizepräsident Dr., von Glasenapp, der in. Vertretung des dienstlich abwesenden Präsidenten den Vorsitz führte, den Beschluß des Reichsbank— direkloriums, den Diskontsatß von 8 i. 10 vH und den Lombardzinsfuß von 9 auf 11 vH zu erhöhen, wie folgt:

Bereslts in der letzten Zentralausschußsitzung am 28 Oktober d. J. war sesigestellt worden, daß nicht nur die an sich übliche Anspannung der Bank für Ende September, sondein auch die ungünstige Ent— wicklung in den ersten drei Oktoberwochen alle Erwartungen über⸗ fliegen hatte. Vom 24. Oftober bis zum J.. Nopember, d. h. in den letzten 14 Tagen, ist nun aber die Kapitalanlage der Reichsbank um 158.8 Milliarden Mark auf 641.9 Milli— aden Mark weiter gestiegen; sie hat sich also in der kurzen Frist um nicht weniger als ein Drittel des gesamten Anlagebeslandes gehoben. Von dieser Erhöhung entfielen auf Wechsel. vornehmlich auf Inlandswechsel, 49,4 Milliarden Mark auf das Schatzanweisunge⸗ kont' 1057 Milliarden Mark und auf das Lombardkonto 3,8 Milli⸗ arten Mark. Gleichzeitig trat bei den Darlehnskassen in der Zeit pom 231. Oktober bis 7 Rovember eine Vermehrung der ausgeliebenen Darlehen um 9,8 Milliarden Mark auf 63,? Milliarden Mark ein. Der Notenumlauf wuchs während der beiden letzten Wochen um 167,“ Milliarden Mark auf 517 Milliarden Mark während der Umlauf an Darlehnsfassenscheinen mit rund 14 Milliarden Mark nohezu unverändeit blieb. Die Anspannung hat sich also ,, aus ken bekannten Gründen in geradezu erschreckender Weise verstärtt. Betrachtet man die Entwicklung seit der am 21. September d. J. erfolgten letzten Erhöhung des Diskonts (von 7 auf 8 vH), so zeigt

sich für das Wechselportefeuille vom 24. September bis zum 7. November eine Erhöhung von 43,1 Milliarden Mark auf 125,) Milliarden Mark, h. fast eine Verdrei⸗ fachung. Auf dem Schatzanweisungskonto wuchsen die Bestände

in derselben Zeit von 28857 Milliarden Mark auf bil,5 Milliargen Mark. An Wechseln und Schatzanweisungen zusammen ergab sich mithin in den letzien sechs Wochen ein Anwachsen um oh „z Milliarden Mark auf 657, Milliarden Mark. Rechnet man die Zunahme der Ausleibungen im Lombardverkehr und bei den Parsebnskaffen ein, so gelangt man zu einer Vermehxungsziffer von 331,5 Milliarden Mark. Die umlaufenden Banknoten und Darlehnskassenscheine sind während der setzten sechs Wochen um T26.5 auf sl. Milliarden Mark gestiegen. Die Reich banklesfung ist sich bewußt, daß unter en heutigen Ver— hältnissen einer Diskonterhöhung in dem vorbezeichneten Ausmaß allein nur ein verhältnismäßig geringer Einfluß auf den Kreditverkehr des Landes beschieden sein kann; der Kreditbedarf des Reichs laäüt fich durch solche Maßnabme nicht verringern wenn auch eine gewisse Förderung des Absatzes von Echatzanwe fungen im Wege“ der Rediekontierung seitens der Reichsbank erwartet werden darf und für die privaten Ansprüche kommt der Ver

teuerung der Kredite um einige Prozent bei den gegenwärtigen Verlust— und Gewinnmöglichkeiten im geweiblichen Leben unter dem Einfluß schwankenden Geldwertes keine entscheidende Bedeutung zu. Trotzdem erscheint es dem Reichsbankdirektorium notwendig, der am Geldmarkt bestehenden starken Anspannung auch in der Be⸗ messung des Diskontsatzes weiterzufolgen und durch die Er— höhung der Rate für die deutsche Wirtschaft erneut ein Warnungssignal aufzurichten, das allen Kreisen der Bevölkerung die tatsächlich eingetretene Kapitalnot und die fortschreitende vol kewirt— schaftliche Verarmung immer wieder und immer deutlicher zum Be⸗— wußtsein bringen soll. Wenn schärfsten Kreditrestriktionen und damit

Betriebseinschränkungen mit. daraus solgender Arbeitslosig keit vorgebeugt werden soll, so werden sich die Unternehmungen und die Einzelpersonen der größten Sparsamkeit in der

Verwendung der vorhandenen Mittel befleißigen müssen. Es ist un⸗ bedingt zu verhindern, daß die in Anspruch genommenen Kredite Fitens der Kreditnehmer zu volkswirtschaftlich ungerechtfertigten Zwecken verwendet werden. Als solche ungerechtsertigten Zwecke sind hervorzuheben; die Beschaffung von Rohstöffen, Waren, Devisen in einem den allernetwendigsten Bedarf überschreitenden Umfange. Die Reichsbank wird hierauf, wie bisher, die größte Sorgfalt richten, und es ist dringend zu wünschen, daß die privaten Geldgeber ein gleiches tun.

Der Zentralausschuß stimmte der Erhöhung des Diskont⸗ und Lombardsatzes um 2 vH einstimmig zu.

Die Richtlinien des Wiederaufbauministeriums über Dar lehnsgewährung auf Wertpapierliguidations⸗ schäden vom 27. Juli 1922 konnten seinerzeit nicht durchgeführt werden, weil die zur Mitwirkung vorgesehenen Stellen Bedenken erhoben. Diese Schwierigkeiten sind, wie W. T. B.“ meldet, be⸗ hoben, und das Darlehngzverfahren wird nunmehr aufgenommen. Die genannten Richtlinien sind dahin abgeändert worden, daß nicht das doppelte. sondern das vierfache des Friedenswertes ge— geben wird und daß die Höchstgrenze des Barbetrages auf 300 000 4K heraufgesetzt worden ist Das Verfahren ist außerdem für die auf Grund des Versailler Vertrages in Deutschland ahgelieferten Wert— papiere ähnlich gestaltet wie das Verfahren welches hei der Ent— schädigung auf Grund des sogenannten Brüsseler Lebensmittel abkommens seinerzeit angewandt wurde. Demnach wird ür diese Wertpapiere der Darlehnebetrag ohne Antrag des Geschädigten der Einreicherband zur Versügung gestellt. Mit der Durchführung des Verfahrens bleibt weiterhin die Stelle für ausländische Wertpapiere, Berlin W. 35. Potsdamer Straße 122asbp beauftragt. Die Dar⸗ lehen werden zunächst für dieienigen auf den Inhaber lautenden, in Deutschland abgelieserten Wertpapiere gegeben, von welchen größere Posten vorliegen. Ueber das Verfahren werden sämtliche Banken durch Rundschteiben der Wertpapierstelle vom 11. November 1922 unterrichtet. Die Listen, die die Darlehnsbeträge angeben, können bei ö. Einreicherbanken bezw. den Interimsvertretungen eingesehen werden.

In der Aufsichtsratssitzung der Commerz⸗ und Privat- Bank Attiengesellschaft berichtete laut Meldung des W. T. B. der Vorstande daß auch im laufenden Jahre auf allen Gebieten eine erfreuliche Weiterentwicklung des Geschäfts eingetreten und trotz der stark gestiegenen Unkosten und Steuern bislang ein gutes Gewinnerträgnis erzielt worden sei. Mit Rücksicht auf die allgemeine Geldentwertung und zum Zwecke der Uebernahme einiger Provinzbanken, denen bisher die Bank durch Artienbesitz bereits nahe stand, soll einer alsbald einzuberufenden außerordent— lichen Generalversammlung die Verdoppelung des Aktien kapitals von 350 Millionen auf 70 Millionen Mark vorgeschlagen werden, wobei für die alten Aktionäre der Bank ein Bezugsrecht im Verhältnis von 6: 5 in Aussicht ge— nommen ist. Die Festsetzung des Ausgabekurses soll der General— versammlung vorbehalten bleiben. Gleichzeitig soll eine weitere Er— höhung um 100 Millionen Mark durch Ausgabe von Vorzugsaktien mit begrenzter Dividende und fünffachem Stimmrecht, das auf die im Gesetz besonders vorgesehenen Fälle beschränkt ist, erfolgen. Diese Aktien werden der Verwaltung nabhestehenden Kreisen mit langjähriger Sperre und Veräußerungsbeschränkung überlassen.

Der Verband der deutschen Rasieravparate⸗ Industrie, in dem der größte Teil der deutschen Rasiergpparate⸗ industriellen zusammengeschlossen ist hat laut Meldung des W T. B.“ nunmehr einheitliche und verbindliche Lieferungs- und Zahlungs— bedingungen für seine Mitglieder sestgesetzt. Mit Rücksicht auf die in der Markentwertung liegenden Risiken ist die Fakturierung in Goldmark eingeführt worden.

Die Vereinigung der Fabrikanten elektrischer Heißp⸗ und Kochapparate, E. V., hat laut Meldung des W. T. B“ mit Wirkung ab 14. November 1922 den Teuerungs— zuschlag für sämtliche Artikel von 2000 vH auf 2600 vy erhöht.

Der Zentralausschuß der Aussichtsräte der im Gerling⸗ konzern vereinigten Sachversiche rungsgesellschaften hat laut Meldung des W T. B. beschlossen, für Dezember oder Januar außerordentliche Hauptversammlungen der Sachversicherungs—

esellschaften einzuberufen, denen die Erhöhung des Aktien

apitals um mindestens je 25 Millionen Mark und gegebenenfalls um einen weiteren Betrag bis zu 50 Mil— lionen Mark vorgeschlagen werden soll. Das Aktienkapital der Sachversicherungsgesellschasten sleigt alsdann insgesamt auf mindestens eine Milliarde Mark, und falls es die Verhälinisse angeseigt er⸗ scheinen lassen, gegebenenfalls bis auf zwei Milliarden Mark, sämt⸗ liche Beträge mit 20 vH Einzahlung. Die bo0 Millionen Mark neue Aktien übernimmt die Rheinische Versicherungegruppe A⸗-G.

Wien, 14. November. (WT B) Die außerordentliche Generalversammlung der Oesterreichischen Kreditanstalt beschloß die nach Durchführung der Kapitalserhöhung in Umlauf be— findlichen 4 687 500 Aktien vom nominalen Preis von 320 Kronen per Stück auf nominal z3200Küenen das Stück hinauf zustempeln. Die erforderliche Summe von 133 Milliarden Kronen wird in der Weise aufgebracht, daß 13 499 966 000 Kronen durch Aufwertung dauernder Geschäftsbeteiligungen gewonnen, während 44 000 Kronen dem außerordentlichen Reservesonds entnommen werden.

——

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts.

am 13. November 1922:

Nubrrevier DOberschlesisches Revier Anzahl der Wagen

Gestellt. 23 003 2392 Nicht gestellt. keine 13 Beladen zurück⸗ .

geliefert 23 024 2325

Die Elektrolytkupfernotie rung der Vereinigung für deutsche Elektrolytfuvsernotiz stellte sich laut Berliner Meldung des W. T. B.“ am 14 November auf 238 713 4 (am 13. November auf 259 877 4A) für 100 kg.

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Nach dem Wochenbericht der Preisberichtsstelle des Deutschen Landwirtschaftsrats setzte mit dem Be⸗ ginn der Berichtwoche eine scharfe Aufwärtsbewegung der ausländi⸗ schen Zahlmittel und der Produktenpreise ein, die bis zum Mittwoch anhielt. Am Donnerstag erfolgte ein scharfer Umschlag. Eine plötzliche Besserung der New Jorler Marknotierung und ein ent— sprechender Fall der Berliner Produktenpreise folgten, doch hielt dieser Umichlag nur kurze Zeit an. Während für spätere Abladung sich durchschnittlich Kaufinteresse zeigte und Kaufgelder gegen soßortige Lieferung bezahlt wurden, sanden bahnstehende Ware und schnelle Abladung schwer Unterkommen. Von den einzelnen Marktartikeln zeigte sich beim Weizen zuerst noch viel Nachfrage nach dem Westen und Süden des Landes. Später wurde die Kauflust zurückhaltender. und von Mitteldeutschland gaben sich zeitweise jogar Offerten zum Rückverkauf früherer Anschaffungen kund. Die Mühlen hatten im Mehlgeschäft infelge der unsicher gewordenen Tendenz vermehrt mit der Konkurrenz der zweiten Hand zu rechnen, die infolge fißherer niedrigerer Abschlüsse billiger abgeben konnte als die Müller. Für Reggen fehlte es nicht an Material, und von rollender und bahnstehender Ware übertraf das Angebot zeitweise die Nachfrage, wobei die Geldverhältnisse den Verkcuf weniger leicht machten als den Umsatz in später abzuladendem Roggen. Ausländijche Moggen soll auch in dieser Woche von der Einfahr⸗ gesellschaft für die Reichsgetreidestelle mehrfach angekauft sein. Im

Gerstengeschäft zeigte sich seit einigen Tagen eine größere Kaufvorsicht

der Brauer und Mäljer für Braugerste, die Hand in Hand mit weniger lebhafter Frage nach Malz ging. Hafer schloß sich in seine Preisbewegung im allgemeinen den Tendenzschwankungen des Marktes an und hat besonders während der kurzen Zeit energischer Fläue ebenfalls rückgängige Notierungen und schweren Absatz der vermehrt angebotenen Ware gehabt. Das Material verteilte sich in den letzten Tagen jedoch schnell, und die Festigkeit des Hafermnarkffes war bald wieder die alte, da der Konsum wenig versorgt ist und laufend Be⸗ darf zeigt.

Getreidenotierungen in. Mark für die Tonne (Welt- marktpreise umgerechnet zu dem jeweiligen Wechselkurse).

Berlin 11 November Weizen märkischer 284 000 276 000, Roggen, märkischer 2566 0 0 250 000, Som mergerste 261000 bis 276 000, Wintergerste 2440609 215 000, Hafer märkischer 282 0900 286 000 Mais, loko Berlin 280 000 - 290 000, waggon⸗ rei Hamburg 278 000 = 284 000. .

Hamburg, 11. November. We izen, loko, 310 000 320 000, Roggen, loko, 290 000 300 000, Hafer loko, 280 000 - 300009, Sommergerste 312 900—- 320 900, Wintergerste 300000 bis 306 000, ausländische 300 000— 306 000, Mais, loko, 310 000 bis 350 000.

Mannheim, 9. November. Weizen, deutscher, 300 000 bis 310 000, Gerste 265 000— 280 000, Hafer neuer inländischer . . Oo, ausländischer 370 000 380 000, Mais 300 000 bis

000.

Chicago, 16 November. Weizen, Dezember ⸗Lieferung 326 020, Mai⸗Lie erung 323 530, Mais, Dezember⸗Lieferung 206 900, Mai⸗Lieserung 209 173.

Kartofsfelpreise der Notierungskommission des Deutschen Landwirtschaftsrats. Erzeugerpreise für Speisekartoffeln in Mark je Zentner ab Verladestation:

weiße rote gelbfleisch. ; Kartoffeln Berlin, 10. November: 450 480 450—- 480 550

Königsbeng, Pr.. 10. Nov.: ohne Notiz

Allenste in. 10. November: 500 - 550 470 —- 490 550-575 Stettin, 10. November: 470 460 535 Ham burg, 3. November: 575— 600 500 25 650 - 700 Erfurt, 9. November: 500 500 550 Magdeburg, 9. Nov.: 500-525 475-500 525 - 550 Neubrandenburg,

10. November: 480-520 440— 470 560 - 600 Cassel, 9 November: 400-4500 380 - 420 500 -- 550

Breslau, 9. November: 6969 450

Köln, Rh. , 10. November. Rheinische gelbe 600, weiße 500.

München, 6.11. November: Weiße und cote aus Oberbavern 350 - 400, aus Niederbayern 350 —– 290, aus Oberpfalz 350 400, aus Schwaben 360— 420, aus Mittelfranken 3500 400, aus Oberfranken 350— 410, Unterfranken 320— 360. Für direkte Belieferung der Verbraucher in München und Nürnberg seitens der Erzeuger aus nächster Umgebung dieser Großstädte werden wegen der Fuhrlöhne und sonstiger Leistungen ennsprechende Aufschläge auf vorgenannte Preise bezahlt.

Schlachtviehpreise in Mart für den Zentner Lebendgewicht. Berlin

11. November

Hamburg 9. Novem er

2 M ö b 16000-18909

w, . c 13 000-15 000 17000 20 000

ö. , 4) bis 12000 13 500-16 500 H, a) 16 000-17 500 16 500-20 00

b) 14 000 - 15 500 13 0900 - 160090 10 00 13090 21 000 —23 560

20 000 —22 500

c) 12 009 - 13 500 a] 18 009—- 21 000 b) 18 6000—21 009

kJ

. ö. . c 14 000— 16000 16 000—20 000 . . . 4 11000— 16 200 * ö . 8 . 8 0060 - 11 000 G J 27 000 - 30 000 K .. 22 000 - 25 500 =: 3 3, , i d * 2 99 1 6 —20 0900 15 5600 - 18 500 Schafe: Stallmast .... a) 20 000-22 000 . . b 15 gon 9 geg J ö Weidemastt .... a) 22 009 —– 24 0600 200090- 2 500 . . b 16 000— 20 000 16 000 - 19 000 Schweine . . a) . . . , . 44 000 - 45 000 ; ' 9 436 6 nm, x. d 89 4d) 39 O00 42 000 35 O00 39 000 ö. J . 30 000-34 000 2 . , f) bis 33 090 . * , , g) 38 O00 - 40 6000 30 000 - 40 000

Berlin, 14. November. (W. T. B.) Großhandels preiße in Berlin im Verkehr mit dem Einzelhandel, offiziell festgestellt durch den Landesverband Berlin und Branden⸗ hurg des Reichsverbands des Deuischen Nahrungsmittelgroßhandels, C. V., Berlin. Die Pieise verstehen sich ür 4 keæ ab Lager Berlin. Gerstenfloen, lose —— bis —— ., Gerstengrauxen, lose 303, 50 308 50 4. Gerstengrütze, lose 303, 50 303. 50. 4, 3 flocken, lose 264 75 266,090 AÆ. Hafergrütze, lose 2623 75 266 75 4 Hafermehl, lose 16, Kartoffelstärkemehl 120, 00— 135. 00 4, Maisflocken lose bis **, Maisgrieß 133,90 185 00 . 4, Maismehl 170 00 - 180,00 A, Maispuder, lose 253 00 - 263, 90 4 Haltaroni. lose 310. bo -= 515, o Æ, Schnittnudeln, lose 25 0G