1922 / 268 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Nov 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 274. Sttzung vom 25. November 1922, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger)

Die Novelle zum Einkommensteuergesetz wird dem Steuerausschuß überwiesen. Die Novelle zum Post⸗ gie setz geht an den Haushaltsausschuß. Ebenso werden die Novellen zum Gesetz gegen die Kapitalflucht und zum Landessteuergefetz an Ausschüsse verwiesen.

In Fortsetzung der Besprechung der Re⸗ gierungserklärung nimmt das Wort der

Abg. Ledebour (U. Soz.): Der Reichskanzler ist leider nicht anwesend. Ich frage, in Anknüpfung an die gestrigen Bor— gänge: Ist Herr Müller noch Minister? (Huruf: Ist erledigt.) Wenn er auch zurückgetreten sein sollte, so müssen wir doch weiter fragen, wie es möglich war, daß ein Mann mit dieser im Nhein—⸗ land bekannten Vergaagenbeit Minsster werden konne. Kenn übrigens Herr Müller noch Minister sein sollte, so liegt darin ein Veweis für den agrarischen Caarekter des neuen Kabinetts. Wir haben das allergrößte Bnieresse, zu wissen, wer der Vates der RMwinisterschast des Herrn Müller ist. (Der Reichskanzler ist er⸗ schienen,. Die Enistehungsgeschichte des Kabinetts Cuno zeigt, daß wir kein parlamentarisches Regime haben. Der Kuhhandel bei der Getreideumlage hat mit der Bildung dieses Kabinetts seinen Abschluß gefunden. Die Vereinigte Sozialdemokratie steht noch heute auf dem Boden der Koalitionspolitik. Herr Breitscheid stellte 0 gestern die Demokraten der Deutschen Volkspartei gleich, Warum haben also die Sozialdemokraten die Deutsche Volkspartei eigentlich nicht schlucken wollen? Herr Breitscheid erklärte das nur so, daß die Volksartei zahlreicher und damit gefährlicher sei, während die Demokraten leichter zu verdauen seien. Das ist der grundsatz⸗ treue Breitscheid. Aber das ist ja nicht der wahre Grund, sondern die Sozialdemokraten fürchten, daß die ehemals Unabhängigen wieder abspringen, wenn sie jetzt schon mit der Deutschen Volks⸗ partei zusammengehen. Das hat ja auch Herr Stresemann in dem Artikel ausgeführt, den Herr Breitscheid gestern zustimmend zitierte. Die Angst vor dem Abspringen der Unabhängigen war der wahre Grund; das hat auch der preußische Minister Braun bestätigt. Der letzten Reparationsnote hätten die Sozialisten nicht zustimmen dürfen wegen der Möglichkeit der Verkümmerung des Achtstunden⸗ tages und der Aufhebung der Zwangswirtschaft für die Nahrungs

.

mittel. Da die Vereinigten Sozialdemokraten trotzbh'm der Note zugestimmt haben, sind sie für die Politik des Kabinetts Cuno

mit verantwortlich. Herr Breitscheid ist allerdings um diese kitzliche

Frage herumgegangen. Die Sozialdemokraten werden also dem beantragten Vertrauensvotum zustimmen. Der „Vorwärts“ sucht

darüber nur hinwegzutäuschen, wenn er es so darstellt, als sei diese Resolution eigentlich gar kein rechtes Vertrauensvotum. Die sem elenden Täuschunge versuch muß ich hier ausdrücklich entgegentreten. Wenn die Sozialdemokraten dem Verxtrauensvotum heute zu⸗ stimmen, sind sie mitverantwortlich für das Programm Cuno. Aber die Arbeiter draußen werden dieses elende Gaukelspiel durch schauen. Herrn Schiffer gegenüber bemerke ich, daß das Parlament die Regierung nicht nur zu wählen, sondern auch beständig zu kontrollleren Bat. (Fräsident Löbe ersucht den Redner, der bereits Über eine Stunde gesprochen hat, sich zu beschränken. Die Vex⸗ elendung wird weitergehen, bis die Arbeiterschast selbst die Macht ergreift. Nur im Sozialismus gibt es Rettung gegen die Schäden der kapitalistischen Weltordnung.

Reichskanzler Dr. Cuno: Meine Damen und Herren! In einer Angelegenheit, die gestern das Haus beschäftigte, und die in schweren Vorwürfen gegen den Herrn Reichsminister für Er⸗

nährung und Landwirtschaft Dr. Müller ausklang, habe ich fol⸗ gendes mitzuteilen: Ich habe die Abschrift eines Briefes von

Dr. Müller erhalten, den er heute an den Herrn Reichspräsidenten gerichtet hat. Ich bringe diesen Brief zu Ihrer Kenntnis: Herr Reichspräsident!

In der gestrigen Sitzung des Reichstigs sind von den Ver⸗ tretern einer großen Partei gegen mich schwere Von würfe er⸗ hoben worden, die darauf hinausgehen, as wenn ich in der uns alle bewegenden Frage der Rheinlandpolttik eine vom vater⸗ ländischen Standpunkt aus nicht einwanesrtie Haltung ein— genommen hätte. Das Kebinett hit auf meine Bitte noch in der vergangenen Nacht diese Frage dahin geklärt, daß wegen meiner damaligen Haltung keinerlei Zweifel as mieiner vaterländischen Gesinnung gerechtsertigt sind.

(Hört, hört! links.) Ich beschränke mich hier auf die ausdrückliche Feststellung, daß meine damalige Tätigkeit sich immer auf verfassungsmäßigem Boden und in der Richtung der höchsten vaterländischen Ziele bewegt hat. Trotzdem bitte ich Sie, Herr Reichspräsident, mich aus dem Amte eines Ministers für Ernährung und Landwirt⸗ schaft zu entlassen. Ich habe mich zu diesem Amte nocht ge⸗ drängt, sondern bin dem an mich gegangenen Rufe gefolgt in der Ueberzeugung, daß bei der gegemvärtigen Not unseres Volks jeder seine beste und letzte Kraft auf dem Gebiete, das er be⸗ herrscht, hergeben muß. In demselben Geist stelle ich mein Amt wieder zur Verfügung. Die Ernährungsfrage ist in der nächsten Zukunft die grundlegende Frage der deutschen Wirtschaft. Sie zu lösen, ist nur möglich in rein sachlicher und von politischen Gegensätzen freier Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft, deren Unterstützung ich sicher bin, und mit den Konsumentenkreisen. Die gestern erhobenen ungerechtsertigten Angriffe habe eine solche Atmosphäre politischer Gegensätze und damit eine Lage ge⸗ schaffen, welche die Möglichkeit der sachlichen Lösung der Er⸗ nährungsprobleme so weit hinausschiebt, daß ich dafür die Ver⸗ antwortung vor dem Lande nicht mehr zu übernehmen vermag. (Lachen bei den Kommunisten.)

Aus diesem Grunde trete ich im Interesse des Vaterlandes von meinem Posten zurück. Damit erhalte ich die Freiheit, diese Sache so auszutragen, wie ich es als Minister für Ernährung und Landwirtschaft nicht hätte tun dürfen.

Meine Damen und Herren! Dieser Brief spricht für sich selbst (sehr wahr! auf der äußersten Linken) und bedarf nur einer kurzen Erläuterung.

Auf Wunsch des Herrn Müller hat nach einem Beschluß des Kabinetts der Herr Reichsminister der Justiz in der vergangenen Nacht die gegen Herrn Müller erhobenen Vorwürfe geprüft. Hierbei hat der Herr Abgeordnete Sollmann Göln) erklärt, er könne selbst nicht behaupten, daß Herr Müller zu irgendeiner Zeit die Loslösung der Rheinlande vom Reich erstrebt oder gewollt habe. (Lebhafte Rufe im Zentrum: Hört, hört! Damit scheiden Vorwürfe, die sich gegen die vaterländische Gesinnung des Herrn Müller richten, aus. Gleichwohl besteht er auf seinem Rücktritt. Er tut das in der Erwägung, daß er infolge der Angriffe persön⸗ liche Schwierigkeiten zu gewärtigen habe, die die volle Konzentration seiner Kräfte auf sein hochbedeutsames Amt unmöglich machen würden. Da ich gestern der Ueberze gung Ausdruck gegeben habe,

) Mit Ausnahme der durch Sperroruck hervorgehobenen Reden zer Herten Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

daß in dieser schweren Zeit nur sachliche Arbeit bestehen kann.! unfruchtbarer Parteikampf zurücktreten muß, mußte ich zu meinem Bedauern das Gesuch des Herrn Müller an den Herrn Reichs präsidenten weiterleiten. Ich bin mir der durch diesen fall vermehrten Schwierigteiten ernährungsministers eine Persönlichkeit zu gewinnen

1 S3wischen⸗

bewußt, für das Anit des Reichs gleicher Weise das Vertrauen der Landwirtschaft und Eignung zur Seite steht, hoffe aber, das Kabinett alsbalt zu können, und appelliere erneut im vollen Gefühl der Verantwortung, die auf uns allen lastet, an die sachl

schweren

iche Mit⸗

i

arbeit dieses hohen Hauses. (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartei und im Zentrum. Abgeordneter Ledebour: Also

Sie identifizieren sich mit der Agrarpolitik des

Lebhafte Rufe: Ruhe!)

Die Erklärung des Reichskanzlers wird von der äußersten Linten mit stürmischen Zurufsen begleitet, aus denen besonders heftige Hinweise des Abg. Le deb our auf die Agrarpolitik des Kabinetts heraustönen. Die Zwischen rufe werden durch Gegenrufe von der Rechten beantwortet, die im einzelnen nicht verständlich sind, da ein großer Tumult längere Zeit anhält.

Die Kommunisten Koenen und Genossen haben folgendes Miß rauensvotum beantragt:

Herrn Müller!

steigerung und außerdem, daß die Regierung durch Sicherung der

Die Erklärung des

Verdacht frei, daß sie irgendetwas zu tun hat. (Lachen links. Ruf links: Nationale Gesinnung! Ich habe ebensowenig, wie gestern Herr Marx, die Aßficht, mit Ihnen über nationale Gesinnung zu diskutieren. (Zustimmung rechts. Lärm links) Sie haben sich wiederholt dagegen gewandt, daß Ihnen von der rechten Seite nationale Ge⸗ sinnung abgesprochen wurde; vergiften Sie jetzt nicht den politischen Kampf durch Anzweislung der nationalen Gesinnung anderer. Ruf links: Vaterlandslose Gesellen! Wenn das Kabinett einen solchen Mann berief, konnte man annehmen, daß seine Stellung zu nationalen Fragen geprüft worden ist. Wir wollen doch in einer Zeit, wo das Rheinland so schwer bedroht ist, alle Kräfte im Rheinland zusammenfassen und nicht die politische Gesinnung sondieren. Tie Angelegenheit selbst ist für uns durch die Erklä⸗ rung des Reichskanzlers erledigt; er hat mitgeteilt, daß Herr Sollmann selbst erklärt habe, daß irgendwelche Tendenzen für die Abtrennung des Rheinlands von Deutschland bei Herrn Müller nicht zutage getreten seien. Aber ein Mann, der von der Partei⸗ seidenschaft so umdroht ist, kann nicht an der Spitze eines Ministeriums bleiben, das über den Parteien die schweren Fragen lösen muß. Wir begrüßen deshalb die gefundene Lösung. Es läge im Interesse des Ganzen, wenn damit diese Angelegenheit auch aus dem weiteren politischen Kampf ausschiede. Die Schwie⸗ rigleiten für die Vereinigte Sozialdemokratie, in die Regierung

einzutreten, sind von uns objektiv und unbefangen gewürdigt worden. Solche Schwierigkeiten bestanden auch für uns. Diese Schwierigkeiten sind bei den Flügelparteien naturgemäß groß. Ich

habe für die Zufammenarbeit schon seit langer Zeit gekämpft, auch schon als wir in der Regierung Fehrenbach saßen. Ich habe damals den Gedanken aufgeworfen, ob nicht eine große Koalition möglich wäre, um stabile Verhältnisse zu schaffen, eine Regierung auf lange Sicht zu bilden und dem Ausland gegenüber geschlossen zu sein. Diese Meinung ist damals bei uns ebenso umkämpft vorden, wie die Stellungnahme dazu innerhalb der sozialdemokra⸗ lischen Partei. Der Äbg. Breitscheid hat mich dafür zitiert, er hätte aber auch zitieren müssen, daß ich gesagt hahe, alle anderen Rücksichten müßten jetzt mit Rücksicht auf die außen⸗ politische Lage zurücktreten. Die Regierungsbildung ist nicht, wie die Legende draußen sagt, durch die Parteien und Fraktionen dieses Haufes erschwert worden. Es ist auch falsch, es sof hinzu⸗ stellen, als wenn die Fraktionen dem Reichskanzler das Leben schwergemacht hätten. Nein, die Sch wierigkeit, vor der Herr Cuno stand, war die, ob er Persönlichkeiten finden würde innerhalb oder außerhalb dieses Hauses, die gewillt waren, in dieser schweren Zeit die Verantwortung für die Führung der Geschäfte zu über⸗ nehmen. An dieser Verantwortung hat es gefehlt. Der Reichs⸗ kanzler hat uns ein Beispiel des Verantwortungsgefühls

gegeben, und wir müssen ihm dafür dankbar sein. Beifall.) Sonst wird heute immer darüber geklagt, daß die Vorsteher großer Wirtschaftsunternehmungen sich scheuten, in Staatsämter

einzutreten. Wenn es richtig ist, daß der Reichspräsident sich außer au Herrn v. Rosenberg auch sonst an Berufsdiplomaten ge— wandt hat und diese das Kommen überhaupt ablehnten, so zeigt sich auch hier wieder die Notwendigkeit einer Wiederherstellung der Stiaatsautorität, von der der neue Reichskanzler gesprochen hat. Niemand, der im Amt steht, darf einen Ruf ablehnen, er nuß kommen. Wenn wir eine ruhige und verfassungsmäßige Ent⸗ wicklung in Deutschland anstreben, so haben wir alles zu tun, um das Ansehen des Parlaments zu erhalten, und das erhalten wir vor allem durch Aufrechterhaltung der Würde des Parlaments hier in diesem Saal. (Sehr richtig!! Sonst wird sehr leicht das

Parlament draußen als der Sündenbock hingestellt werden. Ich bedauere die jetzige Entwicklung der Dinge. Was soll man

draußen sagen, wenn man hört, über das Programm des Reichs⸗ kanzlers sind beinahe alle Parteien einig, wenn dann aber dieselben Parteien, die das Programm billigen, nicht zur Regierungsbildung zusammenkommen. Sie (zu den Sozialdemokraten) beschweren sich darüber, daß Persönlichkeiten ins Kabinett gekommen seien, die scharfe Gegner Ihrer Anschauungen wären, insbesondere Herr

Becker. Nun hat aber in dem Kompromißkampf um die Steuer⸗ gesetze gerade Herr Dr. Becker Richtlinien aufgestellt, die der

damalige Reichskanzler Dr. Wirth namens der damaligen Re⸗ gierung, der doch auch sozialdemokratische Mitglieder angehörten, durchaus gebilligt hat. Die Ausführungen des Hexrn Dr, Breit⸗ scheid waren eigentlich etwas inkonsequent. Er wollte nach außen hin nur Verständigung und keine Machtmittel, aber für die innere Politik sahen seine Ausführungen danach aus: Nur Macht- mittel und keine Verständigung. (Sehr gut! Wenn er nämlich zum Ausdruck brachte, es sei natürlich in der kleinen Koalition für die Sozialdemokraten bequemer gewesen, so bedeutete das doch den Anspruch einer größeren Uneingeschränktheit in der Macht. Sie (zu den Sozialdemokraten) vertreten außenpolitisch den Standpunkt, daß man einen Sieg nicht überspannen soll, wenn man ihn nicht in Frage stellen will. Das sollten Sie auch auf innenpolitische Verhältnisse anwenden. Bei uns in Deutsch⸗ land gilt es jetzt, die verschiedenen geistigen und wirtschaftlichen Kräfté zu einem Ganzen zusammenzufassen, und dabei kann nicht lediglich nach der Fraktionsstärke verfahren werden. Wenn Sie die Deutsche Volkspartei mit Herrn Stinnes identifizieren. so hat auch auf dem sozialdemokratischen Parteitag Herr Bernstein den Ausdruck geprägt, man solle Stinnes nicht zum Kinderschreck der Sozialdemokratie machen. Es ist eine ganz falsche Ansicht, daß es sich bei den Vertretern der Industrie immer nur um den Profit handelt. Lesen Sie doch die Schriften Walter Rathenaus nach.

Die deutschen Wirtschaftler konzentrieren alle ihre Kräfte auf die

sich in

uns darüber, denn gerade

nzige mit aufrechterhalten,

utschland haben. Hinsichtlich

ft und die Monopolwirtschaft

als eine Neigung zur

gehabt wenn wir

t tten. J n durchaus nicht

gängen der Kartelle und Sy befangen, ich im Rh davor gewarnt, .

no 88653 9 3

ent⸗

weit

handelt es

O d 3 .

enn von 9e Bei den istischen Bestre he Gedanken.

darauf hin⸗

,,. ** . . 93 3 esen wird, daß Dr. Becker bei der Zwangsanleihe sich gegen

eine

zu hohe Belastung des Besitzes gewehrt habe, so sollte man doch rein nüchtern wirtschaftlich denken und fragen: War denn ein Weg falsch, der von der Entziehur ls absel

ig zu großen Ka überall in der Industrie Kre Kapital kaum der Betrieb fortgesetzt Gegenüber den Einwendungen von sozialdemo⸗ das Regierungsprogramm mit seinen Be⸗ verliest Redner eine Stelle aus einem Artikel des Sozialdemokraten Schippel in den „Sozialistischen Monatsheften“. Ich freue mich, so sährt Redner fort, daß der Reichskanzler und Herr Stinnes einer Meinung sind, daß nämlich eine Stabilisierung des rkkurses ohne Steigerung der Arbeit unmöglich ist. Den größte müssen wir darauf legen, daß wir unsere handelspolitische Selbstäudigkeit wiedergewinnen. Man sollte doch nicht den Eindruck erwecken, als wenn es in De) land Staatsmänner gäbe, die gegen die Stabilisierung der Mark wären. Minister, die nicht Letzte einsetzten, um unsere Währung zu heben, würde ich als Verbrecher am deutschen Volke betrachten. Den Währungsverfall haben wir mit dem Untergang deutscher Kulturschichten beza müssen. Entscheidend ist nicht der innere Konsum, sondern unser weltwirtschaftliches . .

wollte? ot, so daß ausländisches den kann. kratischer Seite

merkungen üher die Mehrarbeit

Heute herrscht

noch

geger

5 * Ma

das

nsoß Ansehen.

Das Markproblem ist nicht nur ein arithmetisches Exem sondern der Gradmesser des Vertrauens des einen Volkes in die Entwick— lung des anderen. Wir haben dieses Vertrauen verloren, seitdem die Welt an den Schwierigkeiten der Aufbringung der ersten Gold— milliarde sah, daß wir dazu gar nicht in der Lage waren, und zweitens, auch die Empfindung hatte, daß wir nicht selbst alles taten, um aus dem Elend herauszukommen. Wenn die Produktion Deutschlands nur um 20 vH gesteigert würde, so würde die Wirkung ein erhebliches Steigen der Mark sein. (Zustimmung.) Dann noch eine innerpolitische Frage, betreffend den Schutz der Republik. Ich bin der Meinung, daß die Verhältnisse nach innen so beruhigt sind, daß wir bei voller Aufrechterhaltung der . strafungen uns die Frage vorlegen sollten, ob wir weiter polizei⸗ lichen Schutz in bezug auf die Organisationen und die Presse gebrauchen. (Lebhafte Zustimmung recht8s, Unruhe und Hört Hört-Rufe links.) Ich könnte darauf hinweisen, daß manche Or gane, die Dr. Köster verboten hat, auch mich und meine Partei in pöbelhaftester Weise angegriffen haben. Aber ich komme übe ein gewisses Empfinden nicht hinweg, und wende mich gerade an die Herren auf der Linken, die demokratisch denlen: Auch die Sozialdemokratie kann innerlich keine Freude daran haben, Be— stimmungen bestehen zu lassen, die auf der Basis von Ausnahme⸗ gesetzen einen Einschnitt in Recht und Freiheit bedeuten. Die Verahschiedung jener Gesetze war ein politischer Akt, zu dem ich mich heute noch bekenne, und war durch die damaligen Be⸗ strebungen notwendig geworden. (Zuruf links: Heute noch! Aber ich frage doch, ob heute noch dieselben Beweggründe obwalten. (Abg. Dittmann: Jawohl! Den Gedanken, daß man geistige Bewegungen nur mit geistigen Mitteln bekämpfen soll, sollte man nicht ohne dringendste Notwendigkeit aufgeben. Meinung, daß das Kabinett die Aufgabe hat, sich die Frage zu überlegen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, dieses Gesetz, das nichts anderes war als eine Kodifikation der Not, in denjenigen Bestimmungen aufzuheben, die außerhalb der Bestrafung von Mördern in der Beschränkung des Rechts und der freien Meinung

liegen (Zustimmung rechts.) Bezüglich der Außenpolitik gebe ich dem Reichskanzler vollkommen zu, daß wir nicht auf die Un—

einigkeit der Alliierten bauen sollen, weil wir sonst die Leid— tragenden sein würden. In England ist die Partei ans Ruder gekommen, die am meisten an den alten Traditionen festhält, sedenfalls mehr als die hin und her flackernde Politik von Lloyd George. Aber gegenwärtig scheint mir, als wenn der Blick des englischen Außenministers mehr nach Indien als nach Europa lenkte. In Italien ist Nitti beseitigt, der am meisten Sanktionspolitik bekämpfte, und seine Zeitung ist zerstört. Reden des jetzigen italienischen Ministerpräsidenten sind unklar aber irgendeine aktive Politik in der Richtung Nittis lassen sie nicht erkennen. Die Vereinigten Staaten würden vielleicht eine aktivere Politik in Europa treiben, wenn sie nicht durch das Parla⸗ ment gehemmt würden. Das bedauere ich besonders deshalb, weil der Kanzler meinte, daß ohne das aktive Eingreifen der Vereinigten Staaten die Reparationsfrage überhaupt nicht definitiv zu regeln ist. Seien wir froh, wenn wir unsere Handelsbeziehungen R Amerika aufrechterhalten können. Ein hervorragender Amerikane sagte mir, ein kaufkräftiges Europa sei für die Ver—

abhängig von dem Unterschied zwischen Stabilität und Prosperität. Zur Prosperität käönne man nur kommen, wenn Europa kauf⸗ kräftig sei. Dieser weltwirtschaftliche Gedankengang s t allmählich in weitere Kreise zu dringen. Man hat in letzter Zeit oft das Wort varüert, ob die Politik oder die Wirtschaft das Schicksal der Völker sei. Auch Nathenau, der manchmal mit Idee spielte, würde nicht zweifeln, daß die Politik das Schicksal Völker ist, aber zu keiner Zeit war die Politik mehr durch Wirt schaft beeinflußt als jetzt. Die ganze Weltfrage, die ganze deutsche Frage kann nur gelöst werden durch das Zusammenwirlen Nationen, aber nicht durch den reinen zifismus. Die Welt ist nie weniger pazifistisch eingestellt gewesen als jetzt. (Sehr wahr!) Zu einer Aktion Deutschlands mit dem Völkerbund habe ich kein Vertrauen, denn die größte Enttäuschung für Deutschland war die oberschlesische Entscheidung im Völkerbund. (Sehr wahr!) Ich kann das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht in diesem Bunde gesichert sehen. Kann der Sozialismus seine internationalen Be— ziehungen zur Verfügung stellen? Ich sehe ihn überall zu schwach, um dieses Ziel zu erreichen. Allerdings ist er jetzt in England durch den Sieg der Labour Party gestärkt, aber nur als Führerin der Opposition

c8

gegen eine konservative Mehrheit. Was der Soziolismus für uns tun kann, werden wir allerdings dankbar anerkennen. Aber es bleibt uns nur, was man auf der Linken ironisch als internationalen Kapitalismus bezeichnet, was ich aber Verbundenheit der weltwirtschaftlichen Interessen nennen möchte. Das Passivum des Welthandels ist für uns das bestn Aktivum. Die Weltwirtschaft war früher auf das sehr konservative System des Güteraustausches eingestellt. Dieser Austausch ist zerschlagen.

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.!

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorstehet der Geschäftssielle Rechnungsrat Mengerina in Berlin

Verlag der Geschäftsstelle ( Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin Wilhelmstr 32.

Sechs Beilagen leinschließlich Börsenbeilage) und Erste. Zweite. Dritte und Vierte Zentrol⸗Handelsregister⸗ Beilage

Ich bin der

zum Deut f chen Reichsanzeiger

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 27. November

und Preußischen Staatsanzeiger

1827

Nr. 268.

. Gortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Die Weltwirtschaft war ferner auf ein feststehendes Währungs⸗ ystem in allen Hauptländern eingestellt. Die Währung ist ver⸗ fallen. Damit ist die ganze Kalkulation zugrunde gerichtet. Die Frage, wie wir eine sichere Grundlage für die Einstellung einer gesunden Weltwirtschaft wiederfinden, interessiert auch die Bankiers Und die Volkswirtschaftler in England, sogar auch in Frankreich. Nach einem bekannten Wort wird sich der Bolschewismus in Europa nicht durch Flüsse oder Kanäle aufhalten lassen, aber erst, wenn er Deutschland kaput gemacht hat. Wenn für die Verbunden⸗ heit des Kampfes gegen den Bolschewismus auch die Wirtschafts⸗ kreise sich interessieren, um Deutschland nicht versinken zu lassen, so soll man diese Gebundenheit der Weltwirtschaft begrüßen. Ich sehe darin den einzigen Weg zur Lösung. Wir müssen unbedingt etwas gegen die Ueberflutung mit Ausländern tun. Die Engländer halten uns immer vor, wir sollten unser Budget in Ordnung bringen. Das können wir nicht tun, wenn Hunderte und Tausende von Ausländern für geringes Geld in Deutschland verkehren. (Sehr richtig!! Hier könnte man die Mittel für neue Einnahmen schasfen. (Sehr guth Die Entscheidung darüber, ob man in Brüssel den weltwirtschaftlichen Gedankengängen folgen wird oder nicht, hängt von Frankreich ab. Nie war Frankreich so übermächtig wie jetzt, und nie war Europa so in die Hand einer Macht ge— gehen wie jetzt. Der Staatsmann würde nicht rvealpolitisch handeln, der nicht diese Situation zum Ausgangspunkt seiner Ueberlegungen machte. Wir sehen einen Ideenkampf in Frankreich, die einen ver⸗ langen positive Pfänder und das Rheinland, die anderen sehen den weltwirtschaftlichen Zusammenhang, daß der Währungsverfall von Osten nach Westen geht und sich auch nicht durch Flüsse und politische Grenzen aufhalten läßt. Wenn man in Frankreich nicht die Folgerung aus dem Untergang Deutschlands zieht, dann wird der Frank genau dieselbe Bewegung machen wie der russische Rubel, die polnische Mark und die deutsche Mark. Man wirft uns in Frantreich vor, wir führten die Markentwertung künstlich herbei. It das überhaupt möglich? Ferner, wir hätten keine Leistungen hervorgebracht. Rathenau wie Simon hat uns ein erschütterndes Bild davon gegeben: Noch nie hat ein Volk in der Weltgeschichte so viel geleistet wie Deutschland durch Reparationen. Clemenceau

behauptet in Amerika, Deutschland bereite die Revanche vor. Ich ö mich, daß hervorragende Amerikaner sich dagegen gewandt haben. Ein hervorragender Franzose sagte mir: „Ja, wenn wir nicht Deutschland durch militärische Mittel im Schach halten, wird dann nicht bei der Stimmung des deutschen Volkes

der Gedanke sein, in Vexbindung mit dem Osten oder durch neue Mittel der Chemie wieder gegen Frankreich vorzugehen?“ Ich frage, warum wendet sich der Haß des deutschen Volkes gegen Frankreich und nicht gegen England? Als der Weltkrieg kam, war kein Gefühl des Hasses gegen Frankreich, man hatte nur eine starke Abneigung gegen England, in dem man den Urheber des Krieges sah. Daß es anders geworden ist, liegt nicht am Krieg, sondern an der Fortsetzung des Krieges nach dem geschlossenen Frieden. (Sehr wahr!) Daz ist die Politik der ortgesetzten Dem ũ⸗ figung Deutschlands, die sich ein Volk von dem Streben des deutschen Volkes nicht auf die Dauer gefallen lassen kann. (Zu⸗ stimm ung.) Es ist der ganze Ton, in dem zu uns gesprochen wird, gleichviel, ob unsere Regierung rechts oder links steßt. England war ebenso erfolgreich im Kriege und hat uns tief geschädigt, aber hringt nns eine andere Form entgegen. Zwar ist es, nicht eine

Formfrane, aber bis heute sehen wir noch nicht, daß wir mit Frankreich im Frieden stehen. Die Politik Frankreichs will Deutsch⸗

fand über Verfailles hinaus zertrümmern. Eine solche Politik fann nicht durch Jahrzehnte geführt werden, ohne Europa wieder in den Kriegswirrwarr zu stürzen. Man schafft dadurch nicht ein posst'sches Definitivum, sonde rn ein Provisorium. Man kann die Lente im Saargebiet zwingen, den Franken anzunehmen, man kann Zollgrenzen errichten., aber das nationale Empfinden des Rheinlands hat sich nie heißer geäußert, als unter dieser Gewalt⸗ pofitik. (Lebhafter Beifall Es giht allerdings auch in Frankreich sulche, die ehrlich mit uns eine Verständigung wollen. Wir müssen ernstlich die Frage einer wirtschaftlichen Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland betreiben. Eine Politik des Wieder⸗ aufbaus und der Annäherung der französischen und deutschen Schwerindustrie ist aber mit der Politik der Sanktionen und Ulti⸗ n und mit der Fortsetzung der Besetzung nicht vereinbar. wahr!) Ein Abbau dieser Politik ist etappenweise unbedingt notwendig, wenn Frankreich nicht allmählich in eine moralische Isolierung in der Welt lommen will. Ich kann mir die Liefe— vungen zum Wiederaufbau Nordfrankreichs nur denken, wenn um so viel Milliarden, wie wir liefern, auch die Besatzungskosten herabgemindert werden. Alles kommt jetzt auf eine definitive Regelung des Reparationsproblems an. (Sehr richtig! Das dent ce Volk bann nur freudig sein Letztes geben, wenn es weiß, daß es für sich arbeitet, und wenn die Höhe seiner Verpflichtungen seststeht. In diesem Sinne muß unser Außenminister aktive Politik treiben. Für unsere Leistungen müssen uns politische Konzessio nen gemacht werden.

Wir billigen das Programm des Reichskanzlers. Um so besser, wenn kanzlers war, dann

es auch das Programm des vorigen Reichs—

werden die, die hinter Wirth standen, auch hinter Cuno stehen. Der Reichskanzler nennt sein Kabinett ein „absnet! der Arbeit. Müßig, darüber zu streiten, welche Parteien es bilden. Nie war der Parteienkampf weniger no wendig als jetzt, wo Herr Marx sagte, der Feind stehe vor den Toren. Wir müssen uns zusammenfinden in dem einen Gedanken der Arbeit. Lebhafter Beifall.)

Abg. Leicht (Bayer. Vp): Alle Redner hätten der schweren Siunde Rechnung tragen müssen, in der der Reichskanzler die Regierung übernommen hat, insbesondere auch die Redner den Sozialdemokratie. Am meisten bedaure ich, daß Herr Breitscheid der außenvolitischen Lage nicht genügend Rechnung getragen hat. Ingesichts unserer Notlage hätte sich eine einheitliche Linie im sen, auch bei dieser Besprechung finden lassen sollen. In der vom Wolf und dem Lamm handelt es sich darum, wer das Wasser getrübt hat. Diese . scheint mir hier um gekehrt zu sein. Heiterkeit, Wer noch keine Not in unserem Lande er⸗ kennen will, wandere doch einmal durch unser Land, um zu sehen, wie Gewerbe und Handwerk untergehen. Sehr wahr!) Welche Sorgen best ehen in den kinderreichen Familien für die Ernährung und in der Wohnungsnot! Auffällig, daß in den Großstädten eine Wohnungsnot nur für die Ausländer nicht hesteht! (Sehr wahr) Die Sagre sträuben sich, wenn wir bedenken, daß vielleicht in einem Vierteliahr die Pflege⸗ und Krankenanstalten ihre Dienste einstellen müssen. Wenn unsere Studenten zu 70 bis 80 vH. körperlich arbeiten müssen, um ihre Studien fortsetzen zu können, so zeugt das von dem Idealismus unserer Studenten. aber auch von unserer Not. (Sehr wahr) Erst Brot! dann Nepa⸗ ral lhnen! Erst muß man leben, dann kann man leisten. (Sehr wahr!! Ich unterstreiche die Ausführungen des Vorredners über die Reparationsfrage. Eigentlich war kein Anlaß zu einer Regierungs⸗ krise, eine Stabilisierung der Mark, die die Sozialdemokratie doch auch will, ist gar nicht möglich ohne wirtschaftliche Maßnahmen hr Hebung unserer Produktion.

zrundlage sein, aber es muß doch Ausnahmen geben. Die Sozial⸗

demolralen jagten gestern, in der Sandwirtschaft gebe es Aus⸗

Der Achtstundentag soll die.

nahmen. Gewiß, die Landwirte arbeiten mehr als acht Stunden, aber die landwirtschaftlichen Arbeiter nicht. In Bayern wird das Programm des Reichskanzlers volles Vertrauen finden. Beifall.)

Abg. v. Graefe (Deutsch⸗völkisch : Im Volk draußen voll⸗ zieht sich eine Bewegung von wachsender politischer Bedeutung, in deren Namen wir sprechen. (Lachen links.) Auch Sie Gu den Sozialdemokraten) haben einmal sehr klein angefangen. Die Parteigruppierungen hier entsprechen nicht mehr den Verhält⸗ nissen draußen im Lande. Der Tanz des internationalen Groß⸗ kapitals um das goldene Kalb hat auch die Sozialdemokraten und Demokraten beeinflußt. Die ganze Politik des Zentrums, Kanzlers Wirth, war auf die Gewinnung der Gunst des Bank⸗ kapitals eingestellt; Herr Straßmann und seine Freunde wollen dasselbe, und his in die Kreise der Deutschnationalen Volksparten reichen diese Bestrebungen. (Aha! links.) Ich erinnere an das Beispiel Indiens. Wo ist das Volk Indiens, auch ein Volk der Dichter und Denker, geblieben unter der Herrschaft des englischen Kapitals? Das internationale Kapital wird auch uns zugrunde richten, diese Kräfte, die den Krieg mit verschuldeten, können nie am Wiederaufbau Deutschlands teilnehmen. Eine völ kisch⸗ idealistische Bewegung allein wird uns weiter bringen durch Arbeit zur Wiedergeburt! Kreise mit jüdischem Empfinden Gelächter links) werden uns nicht helfen, denn diese jüdischen Kreise sind uns zum Fluch geworden. Eine überparlamentaxische Regierung ist nach unferen heutigen Zuständen undenkbar. Das neue Kabi⸗ nett hat seinen Kurs nicht scharf umrissen, es fehlt ein klares Bekenntnis zu einer neuen Politik. Im Gegenteil, der alte Kurs soll weiter gesteuert werden, und daher auch die tiefe Sehnsucht nach Mitbeteiligung der Sozialdemokratie. Nun trotz des Theater⸗ donners des Herrn Breitscheid werden ja auch die Sozialdemo⸗ kraten dem Kabinett ein verklausuliertes Vertrauensvotum er⸗ teilen, denn das Kabinett steht ja auf dem Boden der Note vom 13. November. Gerade diese Note scheint mir ein verhängnis⸗ voller Schritt, eine böse Erbschaft zu sein, die Herr Wirth dem neuen Kabinett hinterlassen hat. Herr Cuno hätte lieber sagen sollen, daß er diese Erbschaft ablehnt. Auch den Mut hätte er besitzen müssen zu sagen, daß weitere Reparationen unmöglich sind. Die logische Konsequenz der gestrigen Ausführungen des Reichskanzlers führt rettungslos zur Fortsetzung der Erfüllungspolitik. Völkische Einheit muß im Gegensatz zu jüdischem Marzismus und Kapi⸗ talismus wieder zur Geltung kommen. Darauf warten Millionen Deutsche, und dem Kanzler, der das Steuer in diese Richtung herumwirft, wird das Vertrauen des Volkes uneingeschränkt gehören.

Abg. Müller⸗Franken (Soz.): Das wären schöne völkische Kreise, die nach Ansicht des Vorredners den Wiederaufbau leiten sollen! Was hat es mit Preßfreiheit zu tun, wenn man sich vor Mord und Brandstiftung schützt, wie sie z. B. das bayerische Blatt „Heimatland“ gegen die „Roten“ empfiehlt? Herr Schiffer hat keine Ursache, uns Flucht vor der Verantwortlichkeit vorzuwerfen. Gerade die Demokraten haben sich der BVerantwortlichkeit mehr als einmal entzogen. Ich muß die Legende zerstören, daß wir das Kabinett Wirth zerstört hätten. Kein hürgerlicher Minißster hat mehr als Dr. Wirth das Vertrauen der Arbeiterschaft besessen. Seine auswärtige Politik war das einzig Richtige unter den heutigen Verhältnissen. In Frankreich fragt man immer wieder, ob man Sicherheit gegen einen neuen Angriff Deutschlands habe. Wenn es auch törichte Furcht ist, müssen wir doch mit der Stim— mung in der französischen Kammer rechnen. Darum legten wir Wert darauf, daß mit Herrn Dr. Wirth ein zuverlässiger Repu⸗ blikaner an der Spitze des Kabinetts stand. Wir haben Herrn Wirth geraten, nichts weiter zu ändern, als den Posten des aus⸗ wärtigen Ministers zu besetzen. Gegen eine Sanierung der VPost durch einen Ruf an die Wirtschaftskreise hatten wir auch nichts

einzuwenden. Aber mit dem Wirtschaftselend ist es auch so eine Sache. Ein Wirtschaftler bleibt nun einmal, den bürgerlichen Traditionen getreu, lieber beim Geschäft,

und wenn er doch ein Staatsamt übernimmt, wie Rathenau, wird er ermordet. Die Kraftprobe ist von uns, sondern von anderer Stelle ausgegangen, nicht von der Volkspartei. Es ist offenes Geheimnis, daß der agrarische Flügel des Zentrums unter Führung Stegerwalds mit einem Male die große Koalition ver— langte. Vielleicht wollte man uns zum Nachgeben zwingen, aber wir sind fest geblieben und haben Nein gesagt. Von einer völligen Einigung über ein Programm war bei den Verhandlungen keine Rede. Wir Sozialdemokraten blieben dabei, daß die Stabilisierung der Mark das Primäre bleiben muß. Steigerung der Produktion ohne Stabilisierung der Mark, ohne Besserung der elenden Ernährungs⸗ verhältnisse ist unmöglich. Solange der Arbeiter nicht weiß, was er mit den elenden Papiermark Wochenlohn anfangen soll, kann man ihm keine Mehrarbeit zumuten. Der Arbeiter flucht der freien Wirtschaft und nun will man die Axt an die letzten Ueber⸗ bleibsel der Zwangswirtschaft legen! Der Hauptstoß ging gegen den sozialdemokratischen Wirtschaftsminisier. Wir wollten nicht in erster Linie die Hilse des Auslands, sondern eine Stütze der Währung aus eigener Kraft im Innern. Herr Stinne; hat gegen die Note vom 13. November gewütet; in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ hat er sich dazu einen Mann engagiert, der mit der Sozialdemokratie zerfallen ist und als literarischer Raufbold gilt. Aus der Deutschen Volkspartei sind bereits Stimmen laut ge—

nicht

worden, die Koalitien auf die Deutschnalionalen auszudehnen. Herr Mittelmann schreibt von der Volkspartei als von „Treu—

händern“ der Deutschnationalen. Soll uns das nicht mißtrauisch machen? Angesichts der Stellung der Deutschnationalen zur Frage der Hergabe des Reichsbanlcwldes würden sie sich nur ins Gesicht Hhlagen. wenn sie der Regierung Vertrauen aussprächen. Den Fall Müller hätte sich die Regierung ersparen können, wenn sie unsere Fraktion vorher befragt hätte. Das Kabinett ist nur ein Kabinett der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft. Aber Deutschland kann nur leben mit der Republik, für die wir alle unsere Kräfte einsetzen. Der Reiche lkanzler hat sich auf den Boden der Weimarer Verfassung gestellt. Wir müssen zu einer Stabilisierung der Mark kommen und werden darin die Regierung unterstützen. Im übrigen werden wir den Boden der sachlichen Qpposition nicht ver⸗ lassen. Dig Massen draußen werden unsere Stellungnahme ver⸗ stehen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Ein bon den Demokraten gestellter Schlußantrag wird gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen. Die Kommunisten begleiten diesen Beschluß mit stürmischem Widerspruch und rufen: Unerhört.

Abg. Sollmann (Zoz) bemerkt persönlich: Da die Form der Erkläxung des Reichskanzlers zu dem Mißverständnis Anlaß geben könnte, ich hätte irgendeine meiner Behauptungen zuxück⸗ genommen oder auch nur gemildert, stelle ich folgendes sest: Nach der gestrigen Reichstagssitzung ließ mich Justizminister Dr. Heinze in das ÄAmtszimmer des Reichskanzlers bitten, wo neben dem Reichsjustizminister Dr. Karl Müller anwesend war. Später nahm an der Sitzung, die bis Mitternacht dauerte, Arbeitsminister Dr. Bruns teil. Ueber den Verlauf der Besprechungen habe ich zu erklären, daß ich kein Wort von meinen Behauytungen in meiner Reichstagsrede zurückgenommen habe, und Herr Dr. Müller hat nicht eine einzige meiner Behauptungen widerlegen können. Meine Behauptung, daß Herr Dr. Müller Vorsitzender eines

Attionsausschusses zur Alegalen Herbeiführung der rheinischen Republik gewesen ist, ist nicht widerlegt und nicht erschüttert worden, ebenso hat Dr. Müller bestätigt, daß in diesem Aktions⸗ ausschuß Gesinnungsgenossen Dortens gesessen haben. Auch von der Reise nach Frankreich hat Dr. Müller gewußt und zugegeben, daß in dem Attionskomitee sich die Bestrebungen einer Loslösung vom Reich geltend gemacht haben. Er habe sichs deswegen vom Aktionskomitee zurückgezogen, aber Dr. Müller hat nichts davon gesagt, daß er einen Einzigen der Verschwörer gegen das Reich

dem Strafrichter ausgeliefert hätte. Als Reichsminister war Dr. Müller ein unmöglicher Mann. Abg. Koenen (Komm.) bemerkt, seine Partei habe ein

1 Interesse daran, auf die Rede der Stinnespartei zu anworten, und beantrage nochmalige Abstimmung über den Schlußantrag.

Vizeprästdent Sr. Bell erwidert, daß er nach der Geschäfts⸗ ordnung durchaus richtig verfahren sei.

Abg. Koenen verlangt vor der Abstimmung, daß das Miß⸗ trauensbotum seiner Partei zuerst zur Abstimmung gebracht werde, und nennt den Vertrauensantrag der Demokraten ein Velegen⸗ heitsgestammel, aber kein wirkliches Vertrauensvotum.

Unter großer Heiterkeit stimmt der größte Teib- des Hauses dem Verlangen, über den kommunistischen Antzag zuerst abzustimmen, zu. Dagegen wird der kommunistische Antrag, über den Antrag der Demokraten namentlich ab- zustimmen, nur von den Kommunisten, also nicht genügend unterstützt. Abg. Höllein ruft durch den Saal, daß nicht einmal die deutsch⸗-völkischen Teutonen die namentliche Aßb— stimmung unterstützt hätten. In einfacher Abstimmung wird darauf der Mißtrauensantrag der Kommunisten gegen die Stimmen der Antragsteller und der Ledebour⸗Gruppe abgelehnt.

Der Antrag der Demokraten wird vom gesamten Hause mit Ausnahme der Kommunisten, der Ledebour⸗ Gruppe und der deutsch-völkischen Abgeordneten Wulle und v. Graefe, angenommen.

In zweiter und dritter Beratung wird 8 de ber das

Hause beantragte Novelle zum Gesetz über Branntweinmonopol ohne Erörterung nach den

Anträgen des Ausschusses angenommen.

Um 3 Uhr vertagt sich das Haus bis Montag, den 4. Dezember, Nachmittags 2 Uhr ( Interpellationen, kleinere Vorlagen, Geschäftsordnung).

Preußischer Landtag. 184. Sitzung vom 24. November 1922. Nachtrag.

Die Rede, die in Beantwortung der Großen Anfrage den deutschnationalen Abgeordneten über die Terrorisierung deutsch⸗ national gesinnter Arbeiter und der Großen Anfrage der Kom— munisten über einen angeblich drohenden Rechtsputsch der Minister des Innern Severing gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren, ich habe zu den in den beiden großen Anfragen berührten Gegenständen hier von der Tribüne des Landtages schon so oft Stellung genommen, daß ich glaube, in Ihrem Einverständnis zu handeln wenn ich mich heute der größten Kürze befleißige. (Sehr gut!) Der Herr Abgeordnete Pieck hat in der Begründung der Anfrage seiner politischen Freunde gesagt, daß er sich gar keinen Illusionen darüber hingebe, daß die Re⸗ gierung nicht die Kraft und den Willen habe, die in der großen Anfrage der Herren von der Kommunistischen Partei geschilderten und beklagten Vorgänge energisch zu bekämpfen. Wenn der Herr Abgeordnete Pieck ein so geringes Vertrauen zu dem Reichs⸗ und Staatsministerium hat, dann verstehe ich eigentlich nicht, warum er und seine politischen Freunde es für nützlich halten, die große Anfrage in eine Aufforderung an die Reichsregierung ausklingen zu lassen, den faseistischen Gefahren energisch entgegenzutreten. (Abgeordneter Pieck: Ein letzter Versuch) Wenn Sie gar kein Vertrauen zur Reichs⸗ und Staatsregierung haben, dann müssen Sie sich doch auch sagen, daß auch dieser letzte Versuch ein ver⸗ geblicher sein wird. (Zurufe bei den Kommunisten: Wahrschein⸗ lich wird es so werden!) Ich verspräche mir deswegen, wenn ich mich auf Ihren Standpunkt stellen wollte, von diesen Erörterungen gar keinen Erfolg, und Sie selbst deuten diese Meinung ja auch durch Ihre Zurufe an.

Aber, meine Damen und Herren, ich möchte auf die Kehrseite der Medaille aufmerksam machen. Wenn in Ihrer Pyesse, in Ihren großen Anfragen und in anderen Kundgebungen Ihrer Partei stets die fascistische Gefahr an die Wand gemalt, wenn manchmal in einem geradezu hysterischen Geschrei davon gesprochen wird, daß ein deutscher Mussolini schon vor den Toren stände, dann, glaube ich, kann einmal eine derartige Abstumpfung der gesamten Oeffentlichkeit, insbesondere auch Ihrer Parteifreunde, eintreten, daß man, wenn der Wolf wirklich kommt, dem Geschrei der Kinder nicht mehr glaubt. (Sehr richtig! bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei. Zurufe bei den Kommunisten: Das haben Sie beim Kapp⸗Putsch auch gesagt!)

Dann, meine Damen und Herren, noch eins. Diese Debatte könnte ja einen Erfolg haben, wenn sie dahin führte, daß wir uns abgewöhnten, die Oeffentlichkeit durch die ständigen Hinweise auf baldige Links- und Rechtsputsche zu beunruhigen. Ich fürchte, aus den früheren Erfahrungen gewitzigt, daß das aber nicht ein⸗ tritt, und darum halte ich mich jetzt für verpflichtet, darauf hinzu⸗ weisen, daß in der Tat diese ständige Beunruhigung der Oeffent⸗ lichkeit durch die Hervorzerrung von manchmal belanglosen Kleinig⸗ keiten, durch die Aufbauschung dieser Kleinigkeiten zu „Putschen“ uns in eine sehr üble wirtschaftliche Situation bringen kann. (Sehr richtig! Zurufe bei den Kommunisten: Das sind die Folgen Ihrer üblen Wirtschaft!)

Eine schleswig⸗holsteinische Handelskammer hat mir kürzlich berichtet, daß die Aufträge aus Skandinavien, die früher mehrere Industriestãdte Schleswig⸗Holsteins monatelang beschäftigt haben,. jetzt ausbleiben, weil die Auftraggeber kein Vertrauen mehr zur deutschen Industrie haben (hört, hört! Lachen bei den Kommu⸗