1923 / 51 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Mar 1923 18:00:01 GMT) scan diff

Richtung hin ein weiteres Entgegenkommen gegenüber den alten Pächtern. Zuruf ntfs: Leider)

Ich bin mir dessen bewußt, daß ich mit diesen Forderungen gegenüber den Domänenpächtern weit darunter geblieben bin, den vollen Pachtwert der Domänen wirklich auszuschöpfen; ich bin zu diesem Ergebnis deshalb gekommen, erstens, weil auch ich, wie ich mir schon heworzuheben erlaubt habe, Wert darauf gelegt habe, den alten bewährten Domänenpächterstand zu erhalten, und weil ich weiterhin der Auffassung bin, daß man in bestehende Verträge nicht mit allzu barter Hand eingreifen soll. Die neue Pachtschutzordnung gibt an und für sich die Möglichkeit, die laufenden Verträge umzunellen, und ich darf mich nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen der Hoffnung und der Erwartung hingeben, daß das, was auch ich durch⸗ aus wünsche und auch in meinem Eilaß zum Ausdruck gebracht habe, in den weitaus meisten Fällen auf dem Wege friedlicher Vereinbarung zwischen den Domänenpächtern und der Domänenverwaltung zu einem Ziel gelangen wird.

Nun ist weiter von dem Herrn Vorredner der Einwand gemacht worden, diese Art der Zugrundelegung eines bestimmten Prozentsatzes stelle eine zu starre Regelung dar; ein derartiges System dürfe nicht angewandt werden, weil dabei nicht die individuelle Leistungsfähigkeit des Gutes ich nehme an, daß es auch die Meinung des Herrn Vorredners ist, daß die Leistungsfähigkeit des Gutes zu berück⸗ sichtigen ist und nicht die individuelle Leistungssähigkeit des Pächters; er bejaht das berücksichtigt ist. Dieiem Vorwurf gegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß die individuellen Ver⸗ schiedenheiten der Domänen dadurch zum Ausdruck kommen, daß sie bei der ursprünglichen Verpachtung im freien Ausgebot verschiedene Pachtpreise erzielt haben. Die Pächter, die die Domänen gepachtet haben, haben sich die Domänen natürlich angesehen und ihr Angebot nach der Beschaffenheit des Bodens abgegeben. Wenn ich jetzt 60 vH dieser Pachthöhe verlange, trage ich damit durchaus der Verschieden—⸗ heit dieser Domänen Rechnung. Darßber hinaus kann ich mir Ver⸗ hältnisse vorstellen, daß eine bis ins letzte durchgeführte gleichmäßige Erhöhnng der Pachten in Einzelfällen zu Härten führen kann. Aber auch dem trägt der Erlaß vom 26. Juli 1922 Rechnung, den der Herr Vorredner als eine Kriegsfanfare gegenüber den Domänen pächtern bezeichnet hat. Es ist hier ausdrücklich gesagt:

Wie bisher lege ich auch jetzt Wert darauf, daß eine gütliche Verständigung mit ihnen den Domänenpächtern erzielt und eine Berufung an die Pachteinigungsämter nach Möglichkeit ver mieden wird.

Selbstverständlich denkt kein Mensch daran, im Falle einer Nicht. einigung den Domänenpächtern die Anrufung des Pachteinigungsamts untersagen zu wollen, ganz abgesehen davon, daß kein Mensch die Zuständigkeit dafür besäße, ihnen das zu verbieten. Ich darf darauf hinweisen, daß ich persönlich kürzlich gegenüber einer Abordnung der Domänenpächter aus meiner Heimat, aus dem Regierungsbezirk Stralsund, erklärt habe, daß selbstverständlich der Rechtsweg im Falle der nicht gütlichen Einigung den Domänenpächtern offen stehe.

Sollte sich', heißt es weiter, bei der Verhandlung ergeben, daß die nach den Weisungen dieses Erlasses vorzunehmende Be— rechnung der erhöhten Pacht zu Ergebnissen führt, die wegen besonders

gearteter Verhältnisse des einzelnen Falles eine hillige Meosere=0 nickt = te =, o ifi obr weiterem zu meiner Entscheidung zu be⸗

richten. Dabei wird eine angemessene Berücksichtigung etwaiger Mehrleistungen in Betracht kommen können, die einige Domänen pächter bei Ausführung von Meliorationsbauten und Landes meliorationen übernommen haben.“

Sie wollen daraus ersehen, daß in diesem Erlaß durchaus dem Einzelfall Rechnung getragen und die Möglichkeit gegeben ist, von Festsetzung dieser 60 ½ο Abstand zu nehmen.

Der Herr Vorredner hat weiter gemeint, auch die Bemessung der Pachthöhe nur nach dem Roggen oder Weizen, was in einzelnen Fällen vorkommen kann, stelle ein Unbilligkeit gegenüber den Pächtern dar. Ich darf demgegenüber darauf hinweisen, daß bei Neu⸗ verpachtungen bei allen Domänen, die zur Ausbietung gelangt sind, der Pachtschlüssel abgestellt ist auf Roggen, und Weizen⸗ pacht, daß die Kartoffel aber nicht berücksichtigt ist. Man kann darüber verschiedener Meinung sein, ob das richtig ist. Ich würde es für eine nicht zu billigende ungleiche Behandlung der Domänenpächter mit neuen oder umzustellenden Verträgen an⸗ sehen, wenn man den letzteren eine andere abweichende Ber chnungtart zugestehen würde, ganz abgesehen davon, daß die Kartoffel ein nicht geeignetes Felderträgnis darstellt, weil sie keinen allgemein giltigen Preis hat, weil sie örtlich und zeitlich verschieden bewertet wird ich darf nur an die Preisbewegung im laufenden Jahr erinnern —, so daß in einzelnen Fällen, wo Kartoffelwirtschaften vorhanden sind, meines Erachtens auch dieser Umftand seinerzeit bei der ersten Verpachtung schon berücksichtigt worden ist, und es ist durchaus möglich

auch wieder unter Anwendung des Härteparagraphen, wenn ich ihn so bezeichnen darf die besonderen Verhältnisse dieser Einzel⸗ wirtschaften zu berücksichtigen und eine Pacht bemessung vorzunehmen, die den Verhältnissen tatsächlich Rechnung trägt.

Nach alledem möchte ich den Landtag bitten, doch die Neuregelung, bie vom preußischen Landwirtschaftsministerium in die Wege geleitet ist und, wie ich hier wiederhole, vor einem erfolgreichen Abschluß steht, nach Maßgabe dessen zu beurteilen, was ich mir eben auszuführen erlaubt habe. Ich bin überzeugt., daß damit den Domãänenyächtern nichts zugemutet wird, was sie nicht auch wirtschaftlich leisten können. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß die Domänenyächter daun so behandelt werden, wie sie es beanspruchen können, daß die Pachten keinerlei unnötige Belastung darstellen, und daß wir uns auf diesem Wege wenigstens dem Ziele nähern, über das wir wohl einig sind: keiner angemnessenen Verwertung unseres Domänenbesitzes.

ö Ergebnis soll auch durch die öffentliche Ausbietung allein nicht erreicht werden. Die öffentliche Ausbietung wird nicht einseitig und starr gehandhabt. Ter Ausschuß des Landtags hat zu dieser Frage kürzlich Stellung genommen. Dementspiechend ist auch schon immer verjähren worden, daß bei Domänen, für deren Erhaltung bei dein alten Pächter ganz besonders volkswirtschaftliche, landwirtschaft— liche oder auch andere Rücksichten sprachen, von der öffentlichen Aus— schreihung Abstand genommen wird. Eine Zusammenstellung darüber kann dem hohen Hause zugänglich gemacht werden; dann wird sich heransstellen, daß in einer ganzen Reihe von Fällen diesem Gesichts— punkt Rechnung getragen worden ist.

In diesem Zusammenhange möchte ich auf den Fall Grumkow⸗ Keiten eingehen, der von dem Herrn Vorredner angeschnitten worden ist. Es handelt sich um eine recht große, bisher nicht besonders gut bewirtschaftete ostpreußische Domäne. Dabei lasse ich die Frage ganz

dabingestellt, ob daran irgendeine Unterlassungssünde der pächterlschen Familie schuld ist oder nicht; ich stelle lediglich die Tatsache sest, die mir jeder Ostpreuße, der die dortigen Verhältnisse kennt, bestätigen wird, daß sie nicht besonders gut bewirtschaftet war. Mir lag daran, diese Domäne der alten pächterischen Familie zu erhalten; der vor⸗ letzte Pächter war der letzte Sohn der Familie Heidenreich, die über hundert Jahre auf der Domäne gesessen hatte, dessen Witwe hatte einen andern Landwirt geheiratet, und mir lag daran, diese Domäne in dem bisherigen Pachtbesitz zu erhalten. Es hat eine öffentliche Ausschreibung stattgesunden. Dabei blieb die Familie Girod⸗Heiden⸗ reich, die alte Familie, erheblich im Hintertreffen Deshalb habe ich den Zuschlag nicht erteilt, jondern habe durch sreihändige Ver⸗ handlungen versucht, von der alten Pächterfamilie die Zustimmung zu Bedingungen zu erhalten, unter denen ich sie in dem Pachtbesitz lassen konnte. Leider ist es mir nicht gelungen, auf der anderen Seite das nötige Entgegenkommen zu finden. Ich habe mich entschließen müssen, die Domäne noch einmal öffentlich auszuschreiben, weil ich mich der Hoffnung hingab, daß sich die bisherige pächterische Familie dann pielleicht enischließen würde, ein angemessenes Angebot abzugeben. Das ist leider nicht der Fall gewesen, und so bin ich allerdings dazu gekommen, den Zuschlag nicht dieser Familie, sondern einem andern bewährten Landwirt zu erteilen, und zwar aus folgenden Erwägungen: erstens gab mir der neue Pächter die Gewähr, daß er durchaus nenuzeitlich und intensiv wirtschaften würde, daß ihm das nötige Geld zur Verfügung stand. um die noch nicht vollendete Drainage durchzuführen, die auf diesem schweren Boden sehr not⸗ wendig ist; kurzum, er gewährte mir die Sicherheit, daß aus diesem an und für sich, wenn er richtig behandelt wird, wertwollen Boden auch die entsprechenden Erträge herausgeholt werden können. Zweitens war aber auch das finanzielle Ergebnis durchaus nicht in den Wind zu schlagen. Die alte pächterische Familie blieb in einem Rückstande von 880 Zentner Roggen je Jahr. Rechnen Sie das zu dem heutigen Roggenwert um, so macht das einen jährlichen Pachtausfall von 44 Millionen Mark, und wenn Sie das ohne Zins und Zinseszins auf die 18-jährige Pachtperiode umrechnen, so wären wir zu einem Minderergebnis von 792 Millionen Mark gekommen. Ich hätte nicht den Mut, dem hohen Haufe mit einem solchen Vertrage gegen⸗ überzutreten und ihn zu verteidigen, wenn ich sagen muß, daß ich, wo ich die Möglichkeit habe, einen vom landwirtschaftlichen Stand⸗ punkt besseien Ersatz zu finden, nicht zugegriffen und die Staatskasse um 809 Millionen oder eine Milliarde geschädigt hätte. So sehr ich das persönlich bedaure, so glaube ich aber, wirklich in diesem Falle das moͤgliche geleistet zu haben, um die gütliche Verständigung mit der früheren do mänenpächterischen Familie zu suchen.

Was nun sonst. das Ergebnis der Do mänenverpach⸗ tungen angeht, so darf ich die Erklärung aus dem Aus schuß wiederholen, daß die Zahlen des Haushalts allerdings nicht mehr zutreffen. Ich bedaure, daß diese Zahlen, um es ganz kurz zu sagen, falsche Zahlen sind. Das erklärt sich aber daraus, daß schon aus technischen Gründen die Zusammenstellungen jür den neuen Haushalt im Laufe des Sommers, im Auggust, gemacht und spätestens im Septembes abgeschlossen werden müssen, ein n= ==, = n=, unter normalen Verhältnissen nicht zu dem unerfreulichen Auseinanderfallen der Zahlen und der Wirklichkeit führt, der aber bei der gegenwärtigen, sich überstürzenden Geld⸗ veränderung leider zu diesem Auseinanderfallen geführt hat und auch führen mußte. Ich brauche Sie nur daran zu erinnern, daß im Sommer dieses Jahres wohl niemand erwarten konnte, daß der Dollar zeitweilig über 0 000 stehen würde und daß er sich auch jetzt noch etwa auf der Hälfte dieser Höhe bewegt. Also ich wiederhole, dadurch ist diese auch von mir bedauerte Unstimmigkeit zwischen der Wirklichkeit und den hier im Haushalt gemachten Zahlen zu ertlär en. Wie hoch sich die Wirklichkeit stellen wird, vermag ich auch heute noch nicht zu übersehen; ich muß mir vorbehalten, darüber spãter Auskunft zu geben.

Aber ich möchte weiter hervorhebeu, daß auch für das letzt⸗ verflossene Jahr, für das Sie die Ziffern gleichfalls hier noch einmal aufgeführt sehen, die Zablen des Haushalts nicht annähernd der Wirklichkeit entmwrechen, daß aus den eben schon dargelegten Gründen auch dort eine andere Entwicklung Platz gegriffen bat und die Zahlen der Wirklichkeit die Ziffern des Haushalts erheblich überholen. Wenn z. B. hier mit einem Pachtaufkommen im Jahre 1921 anschlagsmãßig von 33 Millionen gerechnet ist, so sind in der Tat 960 Millionen eingekommen, und ebenso hat sich hinsichtlich der selbstbewirischafteten Domänen eine erhebliche Verschiebung der Ziffern zugunsten des Haushaltsjahres, in dem wir uns befinden, ergeben. Kurzum, es ist auch hier eben alles im Fluß; und insofern möchte ich Herrn Abg. Klaußner doch bitten und die Bitte, die ich im Aus schuß schon ausgesprochen habe, wiederholen, diese Zahlen hier nicht als etwas Unumstößliches anzusehen (Zuruf im Zentrum.); Herr Kollege Schmelzer hat das in dankenswerter Weise schon ausgeführt. Und ich bitte um Entschuldigung, Herr Abg. Klaußner ich wußte nicht, daß Sie so schlecht einen Spaß verstehen. Nachdem ich im Ausschuß mit guten Gründen und ausführlich dargelegt hatte, wie die Ergebnisse der Selbstbewirtschaftung im Vergleich zu den verpachteten Domänen auf Grundlage der vorliegenden Zahlen eben nicht beurteilt werden können, und als ich, wie Sie dasselbe noch einmal gesagt haben, einen scherzhaften Zwischenruf gemacht habe, da dachte ich allerdings nicht, daß Ihre zarte iungfräuliche Seele dadurch so schwer getränkt werden würde, daß Sie hier das schwere Geschüt gegen mich auffahren würden, mir Mangel an Ernst in der Be⸗ urteilung dieser Verhältnisse vorzuwersen.

Also ich wiederhole, daß tatsächlich die Verpachtungszahlen anders liegen und die Vergleiche anders zu ziehen sind, daß aber selbstverständlich auch die Ergebnisse der Selbsthewirtschaftung besser gewesen sind, ziffernmäßig jedenfalls, als es aus dem Haushalt hervorgeht. Ich nehme an, daß das auch welterhin der Fall sein wird, und ich möchte doch der Auffassung erneut Ausdruck geben, daß wir uns schon auf dem richtigen Wege befinden, wenn wir in der Regel die Mehrzahl der Domänen verpachtet haben, uns daneben aber auch eine Reihe Domänen für die Selbstbewirtschaftung vor⸗ behalten, um nachprüfen zu können, ob die Pachterträge den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen. Ich bitte den Herrn Abgeordneten Klaußner, auch weiterhin sich darüber keiner Täuschung hinzugeben, daß, selbst den Fall vorausgesetzt, daß unsere gesamte Staatsdomänenfläche sich in eigener Bewirtschaftung befindet, dadurch ein Einfluß auf die Preisgestaltung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ausgeübt werden

könnte. (Sehr richtig) Es handelt sich um noch nicht ein Prozent

des gesamten landwirtschaftlich genutzten Grund und Bodens. Also von einer solchen ausschlaggebenden Bedeutung oder überhaupt von einer Einwirkung kann gar feine Rede sein. Im übrigen, Herr Ab⸗ geordneter Klaußner. ich möchte mal sehen, wenn wir die Erträgnisse der selbstbewirtschafteten Domänen verschenkten, was dann nicht nur der Herr Finanzminister, sondern auch das hohe Haus mit Recht für ein Gesicht machen würden und wie Sie mir erklären würden: Du bist wohl ganz des Teufels, daß Du so mit den Staatsdomänen, die doch Volksvermögen sind, umgehst und nicht eine entsprechende Ver⸗ wertung dieses Vermögens herausholst.

Da ich das Wort einmal habe, darf ich vielleicht gleich mit einigen kurzen Ausfübrungen auch auf die anderen Zweige des Domänenhaushalts eingehen und darauf hinweisen, daß es auch hin⸗ sichtlich der anderen, vor allem der Weingüter, mein Bestreven gewesen ist und sein muß, den höchstmöglichen Ertrag herauszuholen. Bei den Weingütern ist es allerdings erforderlich, um die höchstmög⸗ liche Rente zu erzielen, die Versäumnisse nachzubolen, die während des Kriegs auf den Domänenweingütern leider begangen werden mußten. Es war damals nicht möglich, die nötigen Bauten und vor allem nicht die gewaltigen Kulturarbeiten vorzunehmen, von deren vorzüglichem Stande und Fortschreiten ich mich im Sommer über⸗ zeugen konnte.

Weiterhin ist bei den Erträgnissen der Weindomänen zu berück⸗ sichtigen, daß sie von der Gunst oder Ungunst der Witterung viel mehr abhängig sind als Feldflächen. Es ist leider sestzustellen, daß diese Gunst des Himmels uns im verflossenen Sommer nicht gelächelt hat und daß damit auf den Weingütern ein Gewächs zustandegekommen ist, das dem Namen dieser sonst so erlauchten Weine nicht gerade Ehre machen würde. Wir haben uns deshalb entschlossen, diese Weine nicht selbst auszubauen, weil wir sie nicht als Originalabzüge der staatlichen Weinbauverwaltung auf die Menschheit loslassen wollen Andererseits geben wir selbstverständlich wie bisher nur reine Naturweine ab. Wir verwerten sie also nicht selost, sondern stoßen ste rechtzeitig ab, allerdings zu HPreisen, bei denen ich die wehmütigen Gefüble des Herrn Kollegen Weissermel verstehe. Aber ich muß offen gestehen, dem Herrn Abgeordneten Weissermel gönne ich schon lieber den 21 iger als den 221ger. (Heiterkeit und Bravol bei der Deutschnationalen Volkspartei. Das mengenmäßige Ergebnis der Weinernte kann nicht als schlecht be⸗ zeichnet werden. Ich darf Ihnen sür die Gelderträge einige Zahlen vorsühren. Die gesamten Staatsgüter umfassen etwa 300 ha Reben anbaufläche. Aus den Weingütern des Regierungsbezirks Wiesbaden wurden 1920 versteigert 694 bl mit einem Gesamterlös von rund 43 Millionen Mark. Das ergibt einen Durchschnittspreis von 6411 4A je Hektoliter. 1921 waren die entsprechenden Zahlen folgende. Es wurden verkauft 734 hl, daneben noch 7000 auf Flaschen ge⸗ zogene Weine. Der Gesamterlös betrug 5 652 498 4. Das ent⸗ spricht einem Durchschnittspreise von 6669 4 je Hektoliter oder 171 A die Flasche. Wohin sind die schönen Zeiten entschwunden, wo man für 171 4A eine Flasche des schönen Weins kaufen konnte. Heute kostet die leere Flasche mit Ausstattung schon das Doppelte. Endlich im Jahre 1922. Soweit der Wein schon verkauft war, sind von 1290 hl 259810000 , erzielt worden. Das entspricht einem Hektoliterdurchschnittspreise von 201 403 4A.

Die entsprechenden Zahlen für Trier, also für unsere Mosel⸗ weine, waren im Jahre 1920: Gesamierlös rund 14 Millionen, Durchschnittspreis ie Hektoliter 1562 44. Im Jahre 1921 wurden erlöst im ganzen 8 857 100 4; der Durchschnittspreis betrug eiwas über 10 000 4 je Hektoliter. Endlich im Jahre 1922 wurden 464 Millionen Mark erzielt bei einer Menge von 1860 hl; das ent⸗ spricht einem Durchschnittspreise von 26 000 6 je Hetioliter.

Im Regierungsbezirk Koblenz die Rheingauweine —: der Erlös betrug im Jahre 1920 1 648 000. , entsprechend einem Durch⸗ schnittspreise von 7751 4 je Hektoliter oder 138 A je Flasche. Im Jahre 1921 ist die entsprechende Zahl beinahe 2 Millionen Mark. Für das Jahr 1922 liegen die Zahlen noch nicht vor, aber es hat in einem Falle eine Versteigerung schon zu recht erheblichen Ergebnissen geführt.

Sie wollen also sehen, meine Damen und Herren, daß auch die Weinbauroherlöse sich in starker Aufwärtsbewegung befinden, daß den Einnahmen aber auch gewaltige Ausgaben, und zwar erheblich steigende Ausgaben, gegenüberstehen aus den Gründen, die ich mir bereits erlaubt habe anzuführen, daß die investierten Kapitalien vermehrt werden mußten, um die Weinberge, aber auch die Kelleranlagen er— heblich zu verbessern.

Was das Ergebnis unserer Bäderverwaltungen angeht, so sind auch hier die Ziffern des Haushalts von der Wirflich— keit weit überholt. Der Haushalt jür 1921 warf einen Ueberschuß von noch nicht 2 Millionen Mark aus. Tatsächlich sind es aber annähernd 160 Millionen Mart gewoiden. Gegenüber einer Ein⸗ nahme von 330 Millionen Mark stand eine Ausgabe von 165 Millionen Mark, so daß also auch nach dieser Richtung hin erhebliche Mehr einnahmen zu verzeichnen sind. Die Einnahmen sind vor allen Dingen auf den steigenden Absatz der Emser Kurpräparate zurũckzusühren, während in dem eigentlichen Kurbetriebe erhebliche Ueberschüsse nicht erzielt wurden, bei einzelnen Bädern sogar Unterergebnisse vorhanden waren. .

Was ich vorhin für die Weingüter gesagt habe, gilt auch für die Bäder und Brunnen. Es werden auch für sie noch erhebliche Kapitalien aufgewendet werden müssen, um die Versaumnisse der Kriegszeit nachzuholen und die Bäder auf die zeitgemäße Ausstattung zu bringen. Diese Ausgaben finden Sie in dem Haushalt, die tatsächlichen Zahlen werden aber auch von der Wirklichkeit überholt werden.

Meine Damen und Herren, was die anderen Einnahmen aug Moorgrundstücken, die Auswendungen für Meliorationen usw. angeht, die im umfangreichen Maße in dem Haushalt vorhanden sind, so behalte ich mir vor, darauf noch einzugehen.

Abg. Stendel (D. Vp.) lehnt die Selbstbewirtschaftung der Domänen ab und spricht dann über die neue Verpachtungsart nach, Roggenzentnern pro Morgen. Diese Berpachtung hat sich bewährt; zu verwerfen ist aber eine schematische Ausdehnung der Roggenpacht auf alle Domänen. Es gibt Fälle, wo es sich empfiehlt, als Verpachtung halb Roggen, halb Hackfrucht zu fordern. Was die Siedlung anbetrifft, so müssen zunächst in ausreichendem Maße Domänen zur Verfügung gestellt werden. Beim übrigen Grund- besitz hat Enteignung zu angemessenen Preisen zu erfolgen. Domänen hat der Staat aber zum Ertragswert anzubieten. Es ist nicht das Recht der Regierung, sich über die Vorschriften der Bachtschutzordnung hinwegzusetzen und etwa, wie das die Stral⸗ sunder Regierung in einem Fall getan haben soll, vor die ordent⸗ lichen Gerichte zu gehen. Die Kultivierung der Oedländereien muß kräftiger in Angriff genommen werden? Es handelt sich im

ganzen um 2 Millionen Hektar Staatsödländereien. Das reicht aber nicht aus. Darum muß insbesondere Hochmoorland auch an Privatsiedler gegeben werden, die in der Moorkultur bewandert sind. Staatssekretär Dr. Ramm: Für die Kultivierung der y Moore sind schwere Millionenopfer gebracht worden. as landwirtschaftliche Ministerium hat die Aufgabe, von diesen Aufwendungen möglichst viel wieder hereinzubringen. Wenn das Haus uns nach dem Wunsche des Abg. Stendel von dieser Ver⸗ w ung dispensiert, so wäre es etwas anderes. Unkultiviert önnen wir doch das Gelände nicht in die Hand der Moorbauern geben. Kultur zur Hebung der Volksernährung auf den Hoch- mooren zu treiben, ein solcher Versuch wird nie Erfolg haben. Abg. Schulz⸗Neukölln 6 300 009 Hektar umfaßt der preußische Staatsbesitz. Nichts ges ieht um diesen ungeheuren Gesitz für das Volk nutzbar zu machen. Die sämtlichen Landwirt schaftsminister, bis herunter zu Herrn Wendorff, haben lediglich eine Politit im Sinne der Domänenpächter getrieben; besonders Herr Wendorff sieht sich als deren Vertreter an, und die Sozial— demokraten stützen einen solchen Minister! In den Pachtverträgen steht nicht einmal die Vorschrift angemessener Löhne für die Land⸗ Arbeiter. Es spielt sogar die Rücksicht auf die Notwendigkeit des Baues von Arbeiterbohnungen bei dem Verkauf von Staats—

do mänen eine Rolle. Und dabei spricht auch der Minister immer

von dem bewährten“ Domänenpächterstand! * der Denkschrift über die Domänenverkäufe heißt es an einer Stelle, die Zinsen des Verkaufspreises seien höher als das Pachtgeld. Und das in einer Zeit, wo alles aus der Mark flüchtet! Laßt euch nach Dall⸗ dorf versetzen, da gehört ihr hin! (Rüge des Vizepräsidenten Garnich. Den Domänenpächtern überläßt man das Staatsland u lächerlichen Trinkgeldpreisen. An die Pommersche Landgesell⸗= . von der wir 6 so viele Landschiebungen erfahren haben, hat die Verwaltung eine Domäne im Regierungsbezirk Stralsund verkauft. Hat man in dem Verkaufsvertrag mit Herrn v. Dietze⸗ Barby dafür Sorge getragen, daß er nicht zum zehnfachen Preise oder noch höher weiter an Gemeinden verpachtet? Sicher nicht; man 3. ihm nur Gelegenheit gegeben, mit Staatsbesitz ein über— aus glänzendes Geschäft zu machen. Hier zeigt sich die absolut un⸗ soziole Einstellung der Regierung. (Zuruf des Abg. Schmelzer) Ihre schmalzigen Zwischenrufe können mich nicht aufregen. Wir haben es hier durchweg mit Mitgliedern der Familie Raffke zu tun. . Im Regierungsbezirk Koblenz ist als Ablösung für Pachtgeld Kinderarbeit zugelassen, und das im katholischen Rheinland, im Bereich des ö und der Pfaffen; da dürfen sich die Domänenpächter so schamlos gebärden, und die Regierung in ö. dreisten Frechheit steht ihnen beil (Vizepräsident Dr. Porsch ersucht den Redner, sich zu mäßigen.) Der Präßsident hat kein Empfinden dafür, wie gemein es ist, daß das Zentrum da nicht eingreift. Es ist eine Schmach, daß die Verwaltung uns solche Dregdenkschriften vorlegt, die nur die Verkommenheit unserer Zustände illustrieren. Die Besiedlung dient häufig nur dazu, Privaten Riesenvorteile zuzuwenden. Zum Teufel mit dieser Regierung und ihrem Minister! Dreimal Pfui! über folche Ver— waltung!

Abg, Wachhorst de Wente (Dem): 60 Prozent Pacht— preiserhöhung sind durchaus keine zu hohe Belastung— ö. die vertriebenen Ansiedler aus den abgetretenen Gebieten hat der Staat noch lange nicht genug getan; sie müssen menschenwürdig untergebracht werden und für ihre Ansiedlung muß viel energischer gearbeitet werden. Bedauerlicherweise steht hier der Jetzige Handelsminifter nicht auf dem Standpunkte, den so viele herdor⸗ ragende Sozialdemokraten ö Hätte man früher die Siedlungspolitik des alten Fritz fortgesetzt, dann stände es heute vielleicht anders; man hat die Ansiedlungslustigen vertröstet, für eine ernste Besleblungt tigkeit waren die Minister vor dem Kriege nicht zu haben. Die Folgen sind nicht ausgeblieben. Heute ist eine energische Siedlungspolitik eine zehnfache Notwendigkeit. Der größte Wunsch auch des kleinsten Landarbeiters geht auf ein eigenes Heim; er wird seine Arbeit um so freudiger tun, je mehr Aussicht sich ihm auf die endliche Erfüllung dieser Hoffnung bietet. Heute bildet das deutsche Element das Rückgrat der ameri— sanischen Landwirtschaft; will man jetzt eine neue Auswanderung in großem Stil schuldhaft herbeiführen oder geschehen lassen? Ein= gehende wissenschaftliche Untersuchungen haben zur Evidenz er⸗ geben, daß die Produktion und die Erträge der aufgeteilten Güter gegen die der ungeteilten sich außerordentlich gesteigert hatten; der kleine und Mittelbesitz arbeitet eben viel intensiber als der Großgrundbesitz. Wir bitten nochmals den Minister, die ver— triebenen Ansiedler bald dem Vaterlande wiederzugeben. (Beifall bei den Demokraten.)

Um 5/, Uhr wird die Beratung auf Donnerstag, 12 Uhr, vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Haushaltsausschuß des Reichstags warden die Beratungen über den Etat des Reichswirktfchafts⸗ ministerium s in der gestrigen Sitzung fortgesetzt. Laut Be⸗ richt des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger beautivortete der Reichswirtschaftsminister Dr. Becker zunächst einige Fragen der vorgestrigen batte. Das Eine und Ausfuhr⸗ amt in Ems werde nur von französischen Kräften verwaltet und diene in der ö der Handelsspionage. Der Minister 3. bereits den in Frage kommenden Handelskreisen die Inanspruchnahme dieses französischen Anites verboten, das glirklicherweise nicht be= nutzt werde. Auf die vorgestrige Anfrage des Abg. Dr. Rießer (D. Vp.) über den Stand der Verhandlungen der deutschen Lebens⸗ . wegen ihrer Schweizer Balutalaften ant⸗ wortete der Minister, daß diese noch in der Schwebe befindlich seien. Wegen der , n gen. Geldhypotheken auf deutschem Grundhesitz beginnen die weiteren Verhandlungen mit der Schweiz vyoraussichtlich am 12. März, wobei eine beide Teile befriedigende Lösung erwartet werden könne. Das Problem der Einrichtung von Goldkonten in Industrie und Handel werde zurzeit in den Ministe⸗ rien geprüft, sei aber noch nicht zum Abschluß gekommen. Hierauf wandte sich der Minister verschiebenen Fragen zu, die gestern aus der Mitte des Ausschusses bezüglich der Wirkung der Ruhrgebiets= besetzung laut geworden waren. Der Minister betonte, daß die Eisen⸗ und Kohlenproduktion im besetzten Gebiet wie bisher weiter gehe soweit nicht die Werke von sich aus die Prodnktion dämpften, da ihr Vorrat schon außerordentlich groß sei. Was die Kol lenförderung betreffe, so habe naturgemäß die Be⸗ setzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen und Belgier unter der Ärbeiterschaft starke Beunruhigung hervorgerufen, die der Förderung nicht zuträglich sei. Soweit nicht im Ruhrgebiet Kohle und Eisen selbst verwendet werden könne, würden sie im Wesent⸗ lichen auf Vorrat genommen. Infolgedessen seien im Ruhrgebiet die Vorräte an Kohle und Eisen sehr umfan reich. Bezüglich der weite verarbeitenden Industrie im besetzten biet erklärte der Minister, daß diese Industrie am stärksten unter dem mangelhaften Eisenbahnverkehr zu leiden habe. Ein Rohstoffmangel für die weiterverarbeitende Industrie bestehe aber nicht. Im unbesetzten Gebiet seien durch die Abschnürung der Kohlen- und Eisenver—⸗ i unzweifelhaft gewisse Schwierigkeiten entstanden. Glück⸗ icherweise biete sich genügend Ersatz durch die mit allen Mitteln auch von Amts wegen unterstützte Kohleneinfuhr aus dem Aus⸗ lande. Mit Genugtuung betonte der Minister, daß der Kohlen— einfuhr die Devisenentwicklung sehr zustatten komme. Heute sei die englische Kohle billiger als die deutsche Kohle.

lle Schwierigkeiten hätten sich bis jetzt auch infolge der günstigen Devisenentwicklung gut überwinden lassen. Auch die Einfuhr von Roheisen sowie von Walzwerk-Erzeugnissen und sonstigem Halb⸗ zeug aus anderen Staaten außer Frankreich und Belgien sei durch Zollmaßnahmen erleichtert worden. Außerdem soll die Einfuhr durch Frachtermäßigung begünstigt werden. Im übrigen sei die Versorgung mit Kohle und Roheisen auch im unbesetzten Gebiet infolge großer Lagerung als beruhigend zu bezeichnen. Da im

besetzten Gebiete jetzt hauptsächlich auf Lager gearbeitet werde, und nur wenig ausgeführt werden könne, so sei die Kredit beschaffung für die dortige Industrie von großer Wichtigkeit. Denn dort laufen die Löhne und Unkosten weiter, ohne daß die ent— sprechenden Eingänge erfolgen. Im Benehmen mit den beteil igten Kreisen habe man deshalb dafür gesorgt, daß durch angemessene Kreditgewährung im besetzten Gebiet nennenswerte Schwierigkeiten nicht mehr entstehen können. Die Hauptsache sei jedoch, daß die Arbeiterschaft im Ruhrgebiet bei der Arbeit gehalten werde und die Betriebe aufrechterhalten würden. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen betonte der Minister, daß es den Franzosen auch bis heute noch nicht gelungen sei, Kohle und Koks in nennens— werter Menge über die französische Grenze zu bringen. In den ersten drei Wochen hätten die Franzosen ungefähr 55 0)0 Tonnen Kohle fortschaffen können, eine Menge, die sie vor dem Ruhr— einbruch von Deutschland an einem einzigen Tage erhalten haben. Aus diesem Grunde sei es auch unverkennbar, daß gegenwärtig das in der Kohlen- und Koksversorgung von Deutschland ab— hängige Frankreich unter einer großen Kohlen- und Koksknappheit leide, wie man sie in Deutschland kaum im Kriege kennengelernt habe. Der allergrößte Teil der französischen Hochöfen an der West— grenze habe stillgelegt werden oder zum mindesten der Betrieb ge⸗ dämpft werden müssen. Auch hätten die französischen Eisenbahnen bereits Indufstriekohle beschlagnahmen müssen, um ihren Betrieb aufrechterhalten zu können. Demgegenüber sei Deutschland er— freulicherweise bisher aller Schwierigkeiten Herr geworden und nach menschlichem Ermessen könne man die zuversichtliche Hoffnung haben, daß in Deutschland auch in Zukunft die Verhältnisse in der erstrebten Weise gemeistert werden können. Was den Preisrückgang betreffe, so sei deutlich zu sehen, daß diejenigen Güter, zu deren Herstellung ausländisches Rohmaterial verwendet würde, ihren Preis ziemlich rasch abgebaut hätten. Der Minister verwies hier⸗ bei auf die Senkung der Margarinepreise. Allerdings könne der Preisabbau nicht so schnell erfolgen, wie der Devisenrückgang sich vollzogen habe; denn dn, Erzeugung und Verbrauch einer Ware liegen zu viele Stationen. Der Weg von der Produktion über den Großhandel durch den Zwischenhandel und Kleinhandel bis zum Konsumenten sei zu vielfältig, als daß er sich sofort allen Schwankungen des Devisenmarktes anpassen könnte. Aber be⸗ kanntlich habe der Reichswirtschaftsminifter sich bereits bei Beginn der Devisensenkung mit sämtlichen Spitzenverbänden in Ver⸗ bindung gesetzt, um einen systematischen Preisabbau zu erzielen. Außerdem sei ja bekanntlich ein Einvernehmen mit den Länder— regierungen und allen in Frage kommenden Behörden erzielt worden, um gemeinsam darauf hinzuarbeiten, daß eine Anpaffung der Warenpreise an die rückläufige Devisenentwicklung möglichst schnell erreicht werde. In diesem Sinne habe auch der preußische Handelsminister die Handelskammern verständigt; ebenso habe der Gedanke bei den Vertretern des Zentralverbandes für Einzelhandel grundsätzliche Billigung gefunden. Tatsächlich wären sogar schon eine ganze Reihe von Preisen für Waren abgebaut worden, die aus inländischem Material hergestellt seien. Die Basis für alle Warenpreise bilde jedoch die eisgestaltung der Kohle. Der Kohlenpreis werde ö drei Faktoren bestimmt: L durch die Eisenpreise, 2. durch die Holzpreise und g. durch die Bergarbeiterlöhne. Wie bekannt, seien die Eisenpreise nicht in die Höhe gegangen, vielmehr seien sie vor kurzem ermäßigt worden. Die Holzpreise seien allerdings in fortwährendem Steigen begriffen, so daß hieraus der merkwürdige Zustand entstehe, daß ausländisches Holz billiger sei als inländisches. In der Tat helfe man sich jetzt auch durch eine reichliche Einfuhr von Auslandsholz. Wenn es also gelänge, den dritten und letzten Faktor für die Kohlenpreis⸗ gestaltung, nämlich die Höhe der Bergarbeiterlöhne, auf dem der⸗ zeitigen Stand zu halten, so sei ein sehr wichtiger Schritt zur Lösung der allgemeinen Preisfrage getan. Demnach ssege es im Interesse der Arbeiterschaft sowohl wie des ganzen deutschen Volkes,

wenn der nun endlich schwach einsetzenden Entwicklung der Waren«

. nach unten nicht dadurch ein Riegel vorgeschoben werde, daß infolge weiterer Erhöhung der Bergarbeiterlöhne der Kohlenpreis und damit die gesamte Basis für die allgemeine Preisgestaltung wieder nach oben gedrückt werde. Der Minister anerkannte, daß bei Betrachtung des Lebenshaltungsindezes in der Vergangenheit eine Lohnerhöhung nicht ungerechtfertigt erscheine, aber die Preife seien ja eben im Begriffe, zu weichen, und man müsse deshalb nicht rüchwärts, sondern vorwůrls schauen. Allerdings sei auch zu erwägen, ob sich eine n n nicht als unvermeidlich erweise, wenn eine Erhöhung des Brotpreises eintreten sollte. Der Minister sei für seine Person der Ansicht, daß im Interesse einer Vermeidung der Lohnerhöhung und der sich daraus ergebenden weiteren Ge⸗ staltung des allgemeinen Preisniveaus möglichst der Brotpreis auf der alten Höhe gehalten werden müsse. Alsdann wandte sich der Minister auf Anfrage aus der Mitte des Ausschufseö dem im Jahre 1919 geschlossenen Vertrage zwischen der fran zösischen Re— gierung und den badischen Anilin⸗ und Sodawerken zu. Er er— klärte, daß, soweit das Reichswirtschaftsministerium in Betracht käme, die Reichsregierung von diesem Vertrage keine Kenntnis gehabt habe.

Abg. i. (Zentr) erklärte, zu der Ermahnung des Ministers, . rbeiterschaft einzuwirken, daß sie auch in Lohn— forderungen halten, dies sei nur dann möglich, wenn taät— achlich weitere reissteigerungen nicht mehr folgen würden und wenn vor allem in den lebenswichtigen Gegenständen eine Preis— enkung eintreten würde. Eine Brotpreiserhöhung müßsse daher 6. unterbleiben. Die Kreditbeschaffung für die kleinen und eittelbetriebe sei ebenso dringend wie für die Großbetriebe. Auch Notstandsarbeiten müßten alsbald vorbereitet werden. Besser als alle J,, sei Arbeit. Redner schlug weiter vor, daß die von der Eisenbahn⸗ und Postverwaltung im außer— ordentlichen Etat angeforderten Milliarden alsbald bewilligt würden, damit Handwerk und Gewerbe Arbeitsaufträge erhielten. Abg. von Raumer (D. Vp.) wies darauf hin, daß die Fine genen in ihrem jetzigen Ausmaß allen Richtlinien wider spräche, die seinerzeit zu ihrer Aufstellung geführt hätten. Die Kohlensteuer hätte nur dann einen Sinn, wenn sie die Aufgabe hätte, die Differenz zwischen Inlands- und Auslandspreisen aus— ugleichen. Abg. Leicht (BB. V.) fragte an, wann die Ab⸗ . der ausländischen Wertpapiere, deren Ablieferung seinerzeit in gutem Glauben auf Vorschlag des Reichswirtschafts ministeriums erfolgt sei, endlich erledigt sein werde und wann die Inhaber hoffen können, zu ihrem Eigentum zurückzugelangen. Auch regte Redner an, die Frage der Ga rn die vor dem Kriege in Goldmark eingezahlt worden seien und deren Rück⸗ zahlung jetzt in wertloser Papiermark erfolge, einmal neu zu prüfen. Abg. von Gu6rard (entr.) ftellte felt daß die Be⸗ hauptung der Badischen Anilin⸗ und Sodawerke, sie seien bei Ab= shluß des Vertrages im Jahre 1919 im Einvernehmen mit der Reichsregierung ö nach den Erklärungen des Ministers unzutreffend sei. eit 1919 sei der Vertrag von den Anilin werken über 37 Jahre nicht zur Auswirkung gebracht worden. Daß das jetzt geschehen sei, müsse seine Fraktion als e g bezeichnen, und zwar wegen der politischen Lage. Abg. Ho (Soz.) hielt die Zumutung des Reichswirtschaftsministers, die Löhne der Bergarbeiter auf dem derzeitigen Stand zu halten, für nicht durchführbar, wenn nicht gleichzeitig der Preisabbau . ö Gegenstände sich viel deutlicher als bisher vollziehe.

Alsdann äußerte sich der Reichsverkehrsminister Gröner über die Tarifpolitik der Eisenbahn. Die Personen⸗ tarife könnten wohl als nicht angefochten gelten. In dieser Hinsicht ginge die Tarispolitik dahin, daß die Einnahme aus dem Personen⸗ verkehr in ein der Vorkriegszeit ungefähr entsprechendes Verhältnis zu den Gütertarifeinnahmen zu bringen seien. Was die Gütertarife betreffe, so sei es ein Irrtum, anzunehmen, daß sie jetzt einen absolut maßgeblichen Einfluß auf die Preisbildung der Waren Ausüben. Die Erfahrung habe im Gegenteil gezeigt, daß die einzelnen Aufstiege in der Tenerung zeitlich und nach ihren Ursachen in gar

keiner Weise auf die Tarifpolitik der Eisenbahn zurückzuführen eien. Die Frachten für die wichtigen und lebensnotwendigen Güter seien insbesondere in der letzten Zeit in großem Umfange ermäßigt worden. Für Lebensmittel betrüge diese Ermäßigung 15 Prozent, für Holzwaren 33½ Prozent, für Kartoffeln 75 bis 89 Prozent. Die finanzielle Wirkung letztgenannter Maßnahmen stellte allein nach dem Stande der Tarife vom 15. Februar d. J. einen jähr⸗ lichen Einnahmeausfall von 316 Milliarden Mark dar. Für frisches Obst betrüge die Frachtermäßigung 50 Prozent, für frischen Kohl 29 Prozent, Düngemittek sei am 22. Januar d. J. eine weitere Ermäßigung um 10 bis 239 Prozent gewährt. Hier— durch sei ein jährlicher Einnahmeausfall von 80 Milliarden Mark errechnet. Die Ermäßigung für den Transport von Zeitungspapier mit 3375 bis 45 Prozent sei ja bekannt. Die Tiertarife seien ab 1. Januar d. J. um 10 Prozent, im Februar um 40 Prozent weniger erhöht worden als die übrigen Güter⸗ tarife. Auch hier sei die finanzielle Wirkung rechnerisch sehr groß. Sie stelle einen jährlichen Einnahmeausfall von 43 Milliarden Mark dar. Alsdann gab der Reichsverkehrsminister einen Bergleich der Preise und Frachten zwischen 1914 und Ende Februar 1923 für je eine Tonne bekannt. Für Kohle betrug beispielsweise am B. Februgr d. J. die Fracht 43 889 Mark pro Tonne für die Strecke Gelsenlirchen München, also vom Ruhrgebiet nach Bayern, das war ein Anteil von 385,7 Prozent an dem Preise der Kohle? Für die Strecke Hamburg München, die 159 Kilometer länger ist, also für den Landtransport der englischen Kohle nach Bayern, beträgt die volle Fracht 44 720 Mark, d. h. für eine Mehrstrecke von 159 Kilometern werden nicht ganz tausend Mark mehr berechnet. Der Anteil der Fracht am Preis der Kohle stellt jetzt nur 23.77 Prozent dar. Für Fracht von Stabeisen auf der Strecke Essen Halle wurde pro Tonne das 4873 fache gegenüber der Fracht von 1914 berechnet, während der Wert der Ware gegenüber 1914 das 10 643 fache ist. Der Wert der Kohle gegenüber 1914 beträgt jetzt das 13 583 fache während die Fracht nur das 4050fache darstellt. Bei Boum wolle ist der Wert das 13 973fache, die Fracht hat sich nur auf das 6819fache erhöht. Bei Ziegelsteinen ist die Steigerung des Wertes das 90MMYfache gegenüber 1914, die Steigerung der Fracht nur das 4470fache. Diese Beispiele beweijen, daß die Fracht von einer io großen Wichtigkeit auf die Preisgestaltung nicht ist, wie es all— gemein angenommen werde. Jedenfalls aber sagte auch der Reichz⸗ verkehrsminister zu, daß keinesfalls eine weitere Erböhnng der Gütertarife erfolgen solle, solange die Verhältnisse im Ruhrgehier nicht zu einen Ergebnis gelangt seien. Abg. Dr. Wie land (Dem.) sprach sich dagegen aus, daß von einem Ressort der Reichs⸗ regierung, nämlich dem Reichswirtschaftsministerium, mit allen möglichen Mitteln lobenswerterweise eine Senkung des Dellar⸗ kurses angestrebt werde, während andererseits von anderen Ressorts eine Erhöhung der Gütertarife befürwortet worden sei. Aust die Erhöhung der Kohlenpreise durch den Reichskohlenrat sei in dieser Zeit nicht gutzuheißen. « Abg. Dr. Hu go (D. Vp.) warnte davor, die Tarifpolitik der Eisenbahn jetzt einseitig nach fis kalischen Gesichtspunkten zu führen. Die Tarifpolitik der Eisenbahn dürfe keinesfalls die Politik des Reichswirtschaftsministeriums be⸗ hindern. Dies vaterländische Moment müsse in der Zeit des heftigsten Wirtschaftskrieges mit Frankreich unter allen Umftänden vermieden werden.

Der Steuerausschuß des Reichstags beendete gestern die zweite Lesung des Gesetzentwurfs über die Berxück— sichtigung der Geldent wertung in den Steuergesetzen, nachdem noch einige Meinungsverschiedenheiten durch Verhand- lungen der Parteien mit der Regierung über die Bewertungs— vorschriften bei der Vermögensstener geklärt worden waren. Ein Kompromißantrag der bürgerlichen Parteien will im Zwangs—⸗ anleihegesetz die nach 5 24a festgesetzten Werte vervierfachen, jedoch den Zusatz machen, daß, wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß diese Bewertung zu hoch sei, eine Veränderung vor- genommen werden kann, über die endgültig das Finanzgericht (nicht der Reichsfinanzhof) entscheidet, wenn mit dem Finanzamt keine Verständigung erzielt werden kann. Abg. Dr. Hertz (Soz.) erhob gegen diesen Zusatz Widerspruch. Es sei eine wesentliche Verschärfung bei der Bewertung notwendig. Ministerialdirektor Popitz verwies darauf, daß in dem Antrag die endgültige Entscheidung dem Finanzgericht obliege. Abg. Dr. Helfferich (D. Nat.) bemerkte, für seine Partei hätte der Multiplikator 3 genügt. Für Wertpapiere gebe es einen Kurs wert; für diese hätte er das Dreifache vorgeschlagen, für Industrie und Landwirtschaft nur das Doppelte. Unter dem Zwang der Verhältnisse sei er aber ausnahmsweise mit dem Kompromißantrag einverstanden. Seine Partei empfinde dies Gesetz als eine Tot⸗ geburt schlimmster Art. Man müßsse aber endlich fertig werden, um die Diskrepanz zwischen der Steuerzahlung der Lohn- und Gehaltsempfänger und derjenigen der übrigen Steuerpflichtigen ze beseitigen. Seine Partei beantrage daher die Entschließung, die Regierung zu ersuchen, dem k möglichster Beschleuni⸗ gung ein Gesetz vorzulegen, das die Besteuerung des Einkommens namentlich der Lohn- und Gehaltsempfänger auf eine neue, ge— rechte, der Lage des deutschen Geldwesens entsprechende und die Steuererhebung vereinfachende Grundlage stellt. Abg. Dr. Bern stein (Soz.) erklärte: So lange wir keine stabile Valura haben, können wir kein Gesetz machen, das nach allen Seiten

erecht ist. Unterschiede im Gewerbe können wir in den Steuer— ö nicht berücksichtigen, aber im Grundbesitz haben wir bekannte Werte. Mit den Preisen ändert sich auch der Wert des Grund= besitzes. Wir können also keine Konzessionen in dieser Beziehung machen und dem Kompromiß nicht zustimmen. Die Bewertungs- vorschriften für die Vermögensstener wurden durch die Aenderung des Zwangsanleihegesetzes nach dem Kompromißantrag an⸗ genommen. Auch der Steuertarif für die Vermögenssteuer wurde nach dem Kompromißantrag angenommen. Danach wurde die Staffe⸗ lung gegenüber dem Beschluß erster Lesung noch weiter auseinander zogen, so daß der höchste Steuersatz von 10 vom Tausend nicht bei ö über 40 Millionen, sondern erst über 60 Millionen Mark

erreicht wird. In den Bestimmungen über die .. der Geldentwertung bei der Zahlung der Einkommenstener, Körperschafts⸗ steuer, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer und Umsatzfkeuer wurde der

in erster Lesung heschlossene , n ver spätete Steuerzahlung von 19 v des Rückstandes für jeden Monat und von 20 vH bei mehr als dreimonatigem Rückstand auf 15 vH bzw. 20 vo erböht.

Bezüglich der Wiederherstellung des Bank geheimnifses und der Aufhebung des Depot gr s begründete Abg. Dr. Scholz (D. Vp.) eine Ent⸗

ießung:

Der Ausschuß gibt im Hinblick auf die volkswirtschaftlichen , . des Reichsbankpräsidenten der Erwartung Aus⸗ druck, daß das Reichsfinanzministerium geeignete Anordnungen erläßt, um zu verhüten, daß im Steuerermittlungsverfahren Personen, die kraft ihres Beruses zur Verschwiegenheit ver⸗ k sind, Auskunft erteilen müssen, wenn das Interesse des

eiches an der Auskunft zu der Belästigung und Schädigung der beruflichen Interessen in keinem Verhältnis steht.

Staatssekretär Zapf erklärte dies für eigentlich selbstver⸗ ständlich; die Entscheidung darüber müsse aber vom Bedürfnis der Steuerverwaltung aus gefällt werden. Abg. Dr. Hertz Soz ) lehnte namens seiner Partei diese Entschließung ab, die von den Interessen der Banken und Kreditinstitute und der Steuer⸗ pflichtigen ausgehe. Abg. Dr. Helfferich (D. Nat.) erwiderte. in der Entschließung sei ausdrücklich auf die volkswirtschastlichen Ausführungen des Reichsbanzpräsidenten hingewiesen. Die kent⸗ schließung wurde angenommen. Die Beseitigung der Kunden⸗ berzeichnisse und des Depotzvanges wurde auch in jveiter Lesung . Die Auskunftspflicht der Banken usw. bleibt be⸗ tehen. Ein Antrag aller bürgerlichen Parteien, daß die Ange=

örigen der freien Berufe bei der Veranlagung für 1922 20 vy ihres Einkommens, höchens aber 30 000 M als Werbungs⸗ losten in Abzug bringen können, wurde angenommen, In der Ex⸗ örterung über die Entschließung Helfferich bemerkte Staatssetretär Zapf noch, zu einer grundlegenden Regelung des Problems ge⸗—