1923 / 72 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 26 Mar 1923 18:00:01 GMT) scan diff

wird täglich viel zu viel produktionslose Arbeit geleistet, auch in den Parlamenten, auch hier im Reichstag. (CLebhafter Beifall rechts, Heiterkeit.) Abg. Herrmann (Dem): Wir haben nur eine Scheinwirt schaft und sehen überall ein allmähliches Zurückgleiten und Ab⸗ sterben. Die Schuld liegt in dem Verfailler Schandvertrag. Die Nlagen über die Durchführung der Getreideumlage angesichts der letzten Mißernte mehren sich besonders seitens des kleinen und mittleren Grundbesitzes. Wir stehen auf dem Grundsatz der freien Wirtschaft. Nur dadurch kann die Erzeugung gesteigert werden. Die Beträge für die Umlage sind keine Bezahlung mehr, sondern nur noch ein Trinkgeld. Das sind Leistungen der Landwirtschaft, die anerkannt werden müssen. Der Rückgang der landwirtschaft— lichen Anbaufläche beträgt fast das Dreifache des durch den Krieg und den Friedensvertrag verursachten Rückganges der Bevölkerung, nämlich beim Weizen 22,8 ,, beim Roggen 22,1 99, beim Hafer 21,4 3. Noch größer ist der Rückgang der Ernteerträge, der beim Getreide fast 55 9 beträgt. Die Milcherzeugung ist infolge Futter not, Seuchen usw. um rund 55 99 zurückgegangen. Hört, hört!) Der Redner drückt seine Befriedigung daruͤber aus, daß der Er⸗ nährungs- und Landwirtschaftsminister grundsätzlich auf dem Boden der freien Wirtschaft steht und der gemeinsamen Entschließung der Parteien zustimmt. Wir treten auch für die Verbilligung des Brotes für die minderbemittelten Kreise ein. Wir Landwirte sind heute die Wirtschaftsführer für das deutsche Volk; bricht die Land— wirtschaft zusammen, so bricht die Industrie und alles andere zu⸗ sammen. (Sehr richtig) Der Redner weist zahlenmäßig nach, daß die Steigerung der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse hinter dem allgemeinen Verteuerungsinder zurückbleibt. Der Redner be⸗ grüßt die Absicht der Regierung, der Landwirtschaft in der Kredit⸗ frage entgegenzukommen, und wünscht eine Aenderung der jetzigen Tarispolitik, unter der die wichtige Saatguterneuerung schwer leide. Der Düngemittelabsatz erstick e er sei zurzeit gleich Null infolge der unerschwinglichen Prelse für Düngemittel“ Das werde sich in erster Linie am Verbraucher rächen. Vor 1530 Jahren kam bei der Zwangswirtschaft des Direktoriums in Frankreich ein großer Teil der Bevölkerung an den Rand des Hungertodes. (Hört, hörth Lernen wir aus der Geschichte und beseitigen wir die Zwangswirt⸗ schaft völlig. Mit der nochmaligen Erörterung der Frage der Lreditgenossenschaft sind wir einverstanden. Zum Schluß weist der Redner den Vorwurf zurück, die Landwirte hätten kein Herz für die Not der Minderbemittelten. Mit der Verbilligung des Brotes für die Minderbemittelten sei seine Partei durchaus einverstanden. Abg. Lang (Bayer. Bp.) weist, unter besonderer Heran— ziehung der bayerischen Verhältnisse, auf die schlechten Ernte— ergebnisse des vergangenen Jahres hin, das alle Hoffnungen zunichte gemacht habe. Die Klagen über die Zwangswirtschaft seien so groß geworden, daß die Anschauungen sich darüber zu⸗ gunsten der freien Wirtschaft gewandelt haben. Die Landwirt schaft werde so angesehen, als sei sie im Besitze von Sachwerten, tatsächlich ist es aber nicht so. und der kleine und mitfssere Besitz in Bayern habe zu leiden. Der Bauernstand dürfe aber nicht zu⸗ grunde gehen, denn ihm komme eme große Aufgabe für die Er⸗ zährung des Volkes zu, die wichtigste Aufgabe, die es jetzt geben könne. Wir lehnen den sozialdemokratischen Antrag für die Zwangs⸗ wirtschaft, der die Lage für uns nur verschärft, ab und stimmen dem Antrag der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft , münchen auch die Sicherung und Verbilligung der Ernährung es. Volkes, aber der Landwirt muß von allen Fesseln befreit werden. Abg Heydem ann (Komm.): Die Ernährungsfrage ist die Schicksalsfrage des deutschen Volkes. Von dem Minister hätten wir mehr erwartet, sein Motto schien zu sein nach dem alten untherlied: „Mit unserer Macht ist nichts getan!“ Die Rede des Ministers war einerseits andererseits, aber nicht von durch— greifenden Maßnahmen. Das Wichtigste ist die Steigerung der Produktion. Die Agrarier haben stets behauptet, die inländische Landwirtschaft könne unser Volk! allein ernähren, aber Herr Schigse hat gestern zugegeben, daß der Krieg durch den Hunger es Volkes verloren worden sei. Damit ist die Dolchstoß⸗Legende beseitigt. Die bürgerlichen Parteien haben noch nichts getan, um ie angrchistische Wirtschaft in Deutschland, bei der sehr viele ktionslose Tätigkeit getrieben wird, abzuschaffen. Soll die ultion der Landwirtschaft gesteigert werden, so müssen die nische Nothilfe und alle anderen Schikanen gegen die Land— iter aufhören. Uns droht eine Agrarkrisis, wenn man die

Dinge so weiter gehen läßt. Wir brauchen eine Umstellung der ganzen Volkswirtschaft, der Landwirtschaft und Industrje. Sonst ecleben wir vielleicht schon in diesem Jahre eine Agrarkrisis und leiden dasselbe Schicksal, wie das irische Volk im vorigen Jahr— hundert. Wixtschaftlich stehen wir im Zeichen des Mordes von en und Kindern; Mörder sind alle, die am bisherigen Wirt— äbaftssysten festhalten. Unser Volk braucht die geistige und örberliche Gesundung. (Abg. Beuermann 1D. Vp] ruft: Die haben Sie Fesonders nötig!)

Abg. Eisenberger (Bayer. Bauernbund) verlangt Tarif⸗ ermäßigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Notwendig sei die Kultivierung von Oedländern. Ohne die Zwangs wirtschaft Väre die Landwirtschaft weiter. Man soll in wirtschaftlichen Fragen endlich Sachverständige aus der Landwirtschaft zuziehen, auch in Bayern. Jetzt siedeln sich überall Städter in Gebirgs⸗ dörfern an. Diese Salonbauern verhetzen die Bevölkerung. Wir müssen endlich nationale Wirtschaftspolitik treiben. Abg. Dendemann Komm.) erwidert mit einem Schimpfwort. Präsident Löbe ruft beide Abgeordnete zur Ordnung.)

Die Rede des Reichfinanzministers Dr. Hermes, der hierauf das Wort ergreift, wird nach Eingang des Steno— dßramins veröffentlicht werden.

Damit schließt die Aussprache.

Präsident Löbe teilt vor der Abstimmung mit, daß der Abg. Lentheußer (D. Vp) die Beschlußfähigkeit bezweifele; er mache von dem geschäftsordnungsmäßigen Recht Gebrauch, die Feststellung einige Zeit auszusetzen, bis die Mitglieder den Saal betreten haben können.

Die beiden Rechtsparteien haben bis auf wenige Mit⸗ glieder den Saal verlassen und erscheinen auch nicht wieder.

Präsident Löbe teilt mit, daß das Büro über die Beschluß⸗

fähigkeit nicht einig sei, und läßt diese durch Auszählung über den Antrag Gothein vornehmen, wonach die Entschließung des Aus⸗ husses gegen eine Beteiligung des Reichs an der Getreide-Keredit— Aktie nge sellschaft an den HYaushaltsausschuß zurückverwiesen werden soll.

Die Auszählung ergibt 139 Stimmen für, 3 Stimmen gegen den Antrag Gothein und 1L Stimmenthaltung. Das Haus ist nicht beschlußfähig. Die Rechtsparteien sind bei der Auszählung außerhalb des Saales geblieben.

Pxäsident L öbse: Da auch gesiern die Beschlußunfähigkeit absichtlich herbeigeführt. worden ist wie heute, mache ich densesben Versuch einer Verständigung wie gestern und beraume die nächfte Sitzung mit derselben Tagesordnung auf 2 Uhr an.

Lu

8 D m *

Die

328. Sitzung, Nachmittags 2 Uhr. . Fräsident Löhse eröffnet die neue Sitzung um 2 Uhr. Die Nechtsparteien sind wieder nicht im Saale anwefend.

Abg. Dittmann 3 Mur Geschäftsordnung: Vor der ganzen Welt sielle ich fest, was fich hier abspielt. Der Eruährungs— Etat sollte möglichst schnell erledigt werden, diesen Wunsch hatten die Rechtsparteien, die jetzt das Haus beschlußunfähig machen. Im Seniorenkonvent war man übe reingekommen, diesen Etat am Freitag und Sonnabend zu erledigen. Darum erhob ich gestern Widerspruch, als man gestern aller Abrede zuwider die Debatte zu Ende bringen wollte. Dieselben Parteien, die noch vor Ostern diesen Etat verabschiedet wissen wollten, weil die Landwirtschaft wissen müsse, ob Zwangswirtschaft oder freie Wirtschaft bestehen solle, verhindern jetzt die Entscheidung. Das muß vor dem Lande gebrandmarkt werden. Das Pfichtbewußtsein der Rechten war

gestern nicht so groß, um bis zum Schluß auszuhalten. Bei einer „Kreuz-⸗Zeitung“ tgestellt und auch heute in ganz zorwürfe gemacht.

Gelegenheit Tatsache mit aller Deutlichkeit fef zeise den Abgeordneten der Rechten

Ich beantrage über e namentliche Abstimmung. zir wollten gestern die Be— ozialdemokratie ie schleunige lbstimmungen Ich verspreche mir jetzt von der en Erfolg, stelle den Antrag auf e namentliche Abstimmung.

die Fortführung der Beratung Haus beschlußunfähig sei, beraumt aber zur Er⸗ Atgegennahme einer Erklärung 15 Uhr an.

des Volkes Schindluder alle sachlichen Anträge zu diesem Etat di

Abg. von Guürard Gentr): ratung fortführen, das hat aber die Wir waren es also n schiedung dieses Etats ausgesetzt werden, ist sehr häufi Fortsetzung der Verhandlungen Vertagung und beantrage darüber di

Präsident Löbe erklärt, daß zwecklos sei, da das H ledigung einiger der deutschvölkischen P

Interessen

icht in erster Linie, die

verhinderten. Die Praxis,

Petitionen und zur Eat artei eine neue Sitzung au

329. Sitzung, Nachmittags 214 Uhr. In der dritten Sitzung beantragt der ranken (Soz.), den Haushalt des Ernährungs⸗ e Tagesordnung zu setzen. n der Rechten so pflichtvergessen gewesen sie nicht hierhalten konnten, Er stimme

Abg. Müller⸗F ministeriums erneut auf verstehen, da

Er könne nicht die Abgeord ureisen, und daß die ie jetzt S „Kreuzzeitung“ zu,

orge. wegen der Abstimmung haben. die heute geschrieben habe: ie wohl Diäten und Freifahrkarten be— rhanden ist, wird dem Volke nicht gedient

(Bayr. Vp.) te man die Vo en ganz kurz erledigen, statt rörterung darüb bestimmte Abmachungen ni Ernährungshaushalt ohne) gestern das Plenum sabotiert. andern Partei billig sein. sind, sind jetzt zu

vie Interessen der Verlängerung der T deutschen und im besetzten Gebie ch weiterer ausgedehr

durchaus der : einer bürgerlichen Mehrheit, d ieht, aber im Hause nie vo

widerspricht dem An trag rlage über die Erhaltung der dessen habe eine stunden ange Man habe sich also an sonst hätte man gestern den Die Linke habe müsse auch jeder dwirte, die Abgeordnete Man solle doch auf Die künstliche gegen die süd⸗

Abg. Emmin Gestern woll

er stattgefun cht gehalten, veiteres erledi

zwecklose E

gen können. Was ihr recht sei, Die praktischen Lan ause notwendiger als hier andwirte mehr Rücksicht nehr agung sei eine Rücksichtslosigkeit t wohnenden Abgeordneten.

iter Geschäftsordnungsaussprache

Widerspruch Tagesordnung.

ausdrücklich Punktes auf die Antrag Müller erledigt. en ebenfalls erledigt.

gibt dann dem Abg. v. Graefe das Wort

Emminger gegen die Hinaufsetzung eines neuen Damit ist der Einige Petitionen werd Präsident Löbe zu einer Erklärung: Abg. von Graefe (de Zwischenrufen der Gestern hat der preußische achtung der Rechtsfwage un ösung der deutschvölkischen Damit hat Herr Se Reichsberfassung verftoßen, lösung nicht verfallen können schwerer, als er selbst vor ein Grundsätze aus

he Freiheitspartei) wird von empfangen. 5 ering in willkürlicher Miß— tzlichen Befugnisse die Auf⸗ (Lebh. Beifall ale Grundsätze der Parteien der Auf⸗ Ministers ist umso diese verfassunsmäßigen Wir legen gegen den Ver— schvölkischen Freiheitspartei, tags und seiner fundamentalen der Reichs⸗

zum Schutze

Minister Sey d seiner gese heitspartei verfügt. vering gegen fundament nach denen politische Das Vorgehen des igen Monaten drücklich anerkannt hat. sungsbruch nicht nur wegen londern auch wegen des Rechte schärfste Verw regierung, daß sie un der Reichsperfassun

gesamten Reichs in und erwarten von berzüglich die gebotenen Maßnahmen Gegen die Auflöfung der vir die Beschwerde eingeleg Auch hier verlangen wir nnfluß ausübt, unser Ver⸗ llen wir fest, daß alle Vorwürfe lkische Freiheitepartei Hochverrat azu getroffen habe, jeder Be Malzahn Komm. ruft

Wiederholung dieses Kommen Sie nur rauf en, wer feige ist. (Großer Lärm im he Abgeordneten

g ergreift. partei haben r che Behangjung w von der Reich ahren zu beschleunigen. des Herrn Severing, daß die n oder Vorbereitungen d entbehre. (Stürm. Lärm

Beha ir erwarten. Sregierung, daß sie ihren Ei

auf der Linken, Abg. Rufes, zweimal zur Ordnung gerufen. werde ich Ihnen zei einige kommunistis und auf den Redner los— Henning in die Nähe des Redners. hamlos, zwölfe endlich alle Damer die Sitzung nich Ruhe eingetreten ind auch nich

ganzen Hause, üne hinauf t sich Abg. der Rechten

gehen zur Rednert der anderen Seite stell Große Entrüstung auf Präsident Löbe bittet inzunehmen, sonst könne Nachdem einigermaßen Diese Vorwürfe Wir erheben

gegen einen!

und Herren, die Plätze e t zu Ende gefüh 1ist, kann der Redner fortfah Beweises belegt n Unterstellungen des Ministers des Gexichtsberfahrens als halt⸗ cht nur die Reichsregierung, son⸗ ob sie gewillt sind, un⸗ en, von dem schließlich Verhält sich der Reichstag Vorgehen gegen eine gen deshalb, ehen in die Osterferien

nicht gewillt, sidq Severing zu fügen; wir erkennen esetzlich nicht an und werden uns isteten Rechten nicht beeinträch⸗

die nächste Sitzung

t mit einem Schein des Protzst gegen die ungeheure Severing, die sich bei der Einleitun los erweisen werden. W dern auch den Re tätig das Vor jede einzelne? in dieser Frag im hohen Ha heute oder je

ichstag und sämtlich ehen des Herrn Severing anzuseh artej betroffen werden kann. e passiv, so erblicken wir dari use vertretene Partei. r jedenfalls vor dem Auseinander eine Vollsitzung zur Aussprache ring anzuberaumen. fassungsmidrigen Ver das Verbot des Herr! in unseren verfassungsmäßig gewährle tigen lassen.

Präsident Löbe auf den 11. April fe

Abg. Schuktz-Bromber raktion eine Interpellation we Freiheitspartei eingebracht habe

Wir beantra

über den Ue Meine Freunde sind ni bot des Herrn n Severing als ges

schlägt nunmehr vor,

g. (D. Nat) teilt mit, gen der Auflösung der deutsch zt he (Lärm links.)

Geschäftsordnun den 11. April angesetzt. g bleibt dem Präsidenten v er Tagesstunde.

Schluß nach 3 Uhr.

gsaussprache wird die Die Bestimmung der

Sitzung auf orbehalten, ebenso die

Tagesordnun Festsetzung d

Preußfischer Landtag. 7. Sitzung vom 23. März 1923. Nachtrag.

Die Rede des Ministers des antwortung der großen Anfrage be dem vorliegenden Steno

Meine Damen und Herren! 9 die letzte große ferien nicht unse

Innern Severing in Be— r Sozialdemokraten gramm folgenden Wortlaut:

ch bedaure außerordentlich, daß s vor Eintritt in die Oster—⸗ ren kämpfenden Brüdern an der Ruhr gewidmet werden konnte. (Sehr richtig! rechts) Es wäre meines Erachtens würdiger gewesen, wenn wir uns heute über Maßnahmen hätten unterhalten können, die darauf hinauszulau hrkampfe an der Ruhr, am Rhein und an der Saar er— (Sehr wahr!) Dagegen bietet heute der ehr unerfreuliches Bild der innerpolitischen Zerri Ich hoffe nichtsdestoweniger, daß die heutige Aus ihrem Effekt doch das von mir er stützt, nämlich die Ruhrkämpfer

Aussprache des Landtage

fen hätten, die Taktik

folgreicher zu gestalten. Landtag ein s

sehnte Ziel wenigstens unter—⸗ davon zu überzeugen, daß die

Vernünftigen im Lande und die preußische Volksvertretung un⸗ entwegt hinter ihnen stehen und wie ein Mann sich gegen die⸗ jenigen wenden wollen, die durch ihre Pläne und durch ihre Hand. lungen die Einheitsfront an der Ruhr stören. Man hat in der Presse gesagt, ich hätte die Absicht, heute eine sensationelle Rede zu halten. (Zuruf) Nein, das hat der Moniteur des Herrn Roßbach geschrieben, der „Tag“ und der „Lokalanzeiger“. Gört hört! Daran denke ich gar nicht. Mir waren die Dinge, die Sie . meine Herren von der Kommunistischen Partei, enthüllen wollten und immerfort enthüllen, ungefähr seit R Jahren bekannt. Wenn ich sie hier nicht zur Sprache gebracht, sondern mich bemüht habe sie in Verhandlungen mit den zuständigen Reichsstellen zur Er! ledigung zu bringen, so ist das wohl der beste Beweis dafür, daß mir nichts ferner liegt, als ein Sensationsbedürfnis zu befriedigen.

Es ist auch nicht richtig, daß ich einen Schlag gegen die natio⸗ nalistischen Verbände führen will. (Hört, hört! bei den Kom⸗ munisten.) Richtig ist, daß ich gegen alle Ruhestörer im Staate vorgehen will, ganz gleich, auf welcher Seite sie sich auch immer befinden, ganz gleich, welchen Mantel sie sich umhängen und welche Etikette sie sich geben. (Sehr gut! rechts, in der Mitte und bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei. Zurufe bei den Kommunisten.)

Der Herr Abg. Hauschildt hat die Unruhe erregenden Ge⸗ rüchte, die seit einigen Wochen in Preußen und im ganzen Reich herumgehen, mit dem Hinweis zu begründen versucht, es sei be— hauptet worden, die alten Selbstschutzorganisationen se ien die Rekrutierungszentren für den Fall äußerer Verwicklungen und die Kaders zur Organisation des Bürgerkrieges; endlich sei be⸗ hauptet worden, daß die Reichs- und Staatsorgane an den Be— strebungen der Selbstschutznverbände der einen oder anderen Art hervorragend beteiligt seien.

Die erste Lesart, daß die Selbstschutzorganisatio nen Rekrutie⸗ rungsgebiete für Formationen seien, die eventuell gegen den äußeren Feind ins Feld geführt werden könnten, ist wahrscheinlich durch die Haufen vorwiegend junger Leute unterstützt worden, die sich in den ersten Tagen des Ruhreinmarsches zunächst in West⸗ falen, dann in Hannover, der Provinz Sachsen, Brandenburg, später in Pommern und sogar in Ostpreußen bewegten. Es läßt sich nicht leugnen, daß einige dieser jungen Leute innige Ver— bindungen mit Selbstschutzorganisationen aufrechterhalten haben, zum Teil Mitglieder der Selbstschutzorganisationen sind. Hört, hört! bei den Kommunisten.) Ich möchte aber meinen, daß diese Bewegung nicht ohne weiteres mit den Selbstschutz bestrebungen zu⸗ sammengeworfen werden kann. Im Ruhrrevier selbst war das Gerücht verbreitet, daß alle waffenfähigen jungen Leute von den Franzosen zum französischen Heeresdienst gepreßt werden sollten oder aber, daß man sie zum mindesten derart verfolgen würde, daß sie glaubten, das Klügste zu tun, wenn sie das Ruhrgebiet ver— ließen und sich dem Reichswehrministerium zur Verfügung stellten, falls das Reichswehrministerium die Absicht habe, dem Einfall der Franzosen mit militärischer Gewalt zu begegnen. Das Reichs— wehrministerium hat die Hilfe dieser jungen Leute abgelehnt, und zwar in allen militärischen Stellen. Der Kommandeur des Wehr⸗ kreises in Münster hat sich an den Herrn Oberpräsidenten mit der Bitte gewandt, schleunigst für den Abtransport dieser jungen Leute zu sorgen. Das gleiche ist in Hannover geschehen, und auch hier in Berlin hat die zuständige Zentralstelle des Reichswehr— ministeriums gar keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie auch den Anschein vermieden sehen möchte, als ob diese jungen Leute, die sich in der Tat zu Zehntausenden im Lande bewegten (hört, hört! bei den Kommunisten), auch nur das geringste mit der Reichswehr zu tun hätten. Schließlich sind die einzelnen Trupps aufgelöst worden. Charakteristisch war, daß gerade diejenigen, die mit dem Hakenkreuz geschmückt waren, mit reichen Geldmitteln versehen waren chört, hört! links), was darauf schließen ließ, daß die Selbstschutzorganisationen auch beim Transport dieser jungen Leute ihre Hand im Spiel gehabt hatten.

Was nun die zweite Lesart anlangt, von der Herr Abgeordneter Hauschildt gesprochen hat, daß die Selbstschutzorganisationen die Sammelbecken des Bürgerkrieges seien oder doch werden könnten, so trifft sie meines Erachtens das Richtige.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber kann gar kein Zweifel sein: Wenn die Selbstschutzorganisationen von rechts weiterrüsten würden wie bisher, und wenn ihnen weiter wie bisher Arbeiterbataillone entgegengestellt würden, dann hätten wir zwar noch nicht heute den Bürgerkrieg, aber es ließe sich mit mathe⸗ matischer Genauigkeit berechnen, wann er losbrechen würde lsehr richtig! links), und ich habe das Gefühl, daß wir von diesem Termin nicht mehr weit entfernt geblieben wären. (Hört, hört! links) Das ist übrigens nichts Neues, diesem Gedanken habe ich bei früheren Debatten über die Selbstschutzorganisationen hier im hHause Ausdruck gegeben, und ich hatte die Genugtuung, daß fast alle Redner aus dem Hause mir zustimmten.

Was nun endlich die Beteiligung der Reichs- und Staats—⸗ organe an Selbstschutzorganisationen anlangt, so hat sich, diese Zusammenhänge klarzustellen, die „Rote Fahne“ sehr eingehend bemüht. (Zuruf bei den Kommunisten: Wie immer! Venrdient gemacht!! Und, wie immer, natürlich falsch. (Heiterkeit) Unter der Ueberschrift Die Hehler des Seeckt-Putsches“ Zurufe bei den Kommunisten) Meine Herren, Sie wollen doch eine Antwort von mir haben; ich bitte darum, mir einige Minuten Gehör zu schenken.

Unter der Ueberschrift „Die Hehler des Seeckt Putsches“ teilte unterm 15. März die „Rote Fahne“ folgendes mit:

Wir stehen vor oder vielleicht schon in einem neuen Kapp[— Putsch oder besser einem Seeckt-Putsch. Neben den bekannten Gehe imorganisationen sind diesmal Reichswehr und grüne Polizei hervorragend beteiligt. Alle Fäden laufen in den Händen des Führers der Reichswehr von Seeckt zusammen, der sich allerdings in letzter Zeit, weil er sich entdeckt glaubt. etwas zurückstellt. Der sorgfältig bis ins einzelne durchgearbeitete Plan ist in un ere Dände gefallen, und Nachforschungen haben die Richtigkeit der Sache ergeben. Die Regierung Cuno, zur Rede gestellt, erklärte sich machtlos, in diesem Augenblick etwas gegen von Seeckt unter. nehmen zu können. Das ganze umfangreiche Material befindet sich im Gewahrsam Severings, der es Ebert zugänglich machte, und, da Geßler auf seiten der Verschwörer zu stehen scheint ö. darum unzuverlässig ist, von den Reichsministern nur Oeser in Vertrauen gezogen hat. Mit seiner Hilfe glaubl man, wenn auch nur mit schwerem Bedenken die Sache noch abdrehen zu können.

1 Sätze, soviel Unwahrheiten. (Sehr richtig! bei der Ver— „igten Sozialdemokratischen Partei. Zurufe bei der Ver— ian Sozialdemokratischen Partei: Wie gewöhnlich) In der demolratischen Fraktion des Landtags das wird der Vor— nde der Fraktion bestätigen können sind derartige Mit⸗ lungen nie gemacht worden. (Sehr richtig! bei der Vereinigten aldemokratischen Partei) Was meine Mitwirkung bei den in ae stehenden Mitteilungen anlangt, so habe ich mich lediglich wauf beschränkt, vor einigen Wochen, als die Gerüchte, die heute mn Besprechung stehen, ziemlich stark auftauchten, eine knappe sach⸗ * und geschichtliche Darstellung der Tätigkeit der Selbstschutz⸗ nanisatio nen im letzten Halbjahr zu geben, um die Herren von 5 sozialdemokratischen Landtagsfraktion, deren Mitglied ich ja ach bin, davon zu überzeugen, daß die Behörden nicht etwa ge⸗ hafen, sondern zur Verhütung von Gefahren ihre Pflicht getan ken. Das ist richtig, meine Herren: Ich lege Wert darauf, mit r Reichswehr in guter Fühlung und in bestem Einvernehmen 1 und zu bleiben. Polizei und Reichswehr haben die Auf— u, die Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und die öffentliche zuhe und Ordnung, falls sie gestört werden sollte, wieder— etzustellen, und da geht es nicht an, daß die Polizei nach links teichswehr nach rechts zieht. Es ist notwendig, daß beide piassungsmäßigen Organe auf eine Linie gebracht werden. (Sehr bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei.) keen Erfolg herbeizuführen, habe ich mich mit dem Reichswehr⸗ nnisterium dann besonders in Verbindung gesetzt, wenn der Ver— uit auftauchte, daß die in Selbstschutzorganisationen oder für bsischutzorganisationen tätigen Personen, die sich Hauptmann fer Major nannten, nicht verabschiedete, sondern aktive Offiziere

Meine Stellungnahme zu dieser Frage wollen Sie aus einem lllaß ersehen, der in den letzten Tagen an die Herren Ober— nisidenten und Regierungspräsidenten gerichtet ist und der die Fustellung des Einvernehmens zwischen Reichswehrministerium ud preußischem Ministerium des Innern, vor allen Dingen die lnterbindung der Tätigkeit der Reichswehroffiziere in den Selbst⸗ Hutzrganisationen zum Zwecke haben soll. Der Erlaß lautet in inen wichtigsten Stellen:

In vielen Berichten, die in den letzten Monaten über die Tätigkeit der Selbstschutzorganisationen, unerlaubter Verbände Behörden nach hierher gelangt sind, ist die Behauptung auf—⸗ sestellt worden, daß mit den genannten Organisationen auch Offiziere in Verbindung stehen und zum Teil sogar eine recht emsige und umfangreiche Tätigkeit für sie entwickeln. wandfreie Feststellungen darüber, ob es sich bei diesen Offizieren m Angehörige der Reichswehr handelt oder um ehemalige aktive Offiziere des alten Heeres, die ihre militärische Rang⸗ bejeichuung im Zivilleben weiterführen, konnten nur in den Ültensten Fällen getroffen werden. Mir haben diese Vorgänge eranlassung gegeben, mich mit dem Herrn Reichswehrminister bindung zu setzen, um von ihm ein klares Verbot an die Offiziere der Reichswehr zu erwirken. minister hat mir zum wiederholten Male erklärt, daß er seine in der von mir erbetenen Art anweisen würde, und hinaus eine bestimmte Erklärung dieser Art auch in der 307. Sitzung des Reichstags vom Dienstag, den 27. Februar 3, abgegeben.

Tiefe Erklärung setze ich als bekannt voraus. g verzichten.

Diese Erklärung des Herrn Reichswehrministers läßt keinem zweifel mehr Raum, daß die Beteiligung an Zeitfreiwilligen—⸗ nd Selbstschutzkormationen unvereinbar ist mit der Stellung der heichswehroffiziere. Wenn die Reichswehr sich das Vertrauen der berfassungstreuen Kreise der Bevölkerung erwerben soll, ein ver— üilihes Instrument in der Hand der verfassungsmäßigen Regie⸗ ing zu sein, dann darf die Reichswehr nicht kompromittiert reren durch die Tätigkeit ihrer Angehörigen in Organisationen, hen Verfassungstreue nach allen bekannt gewordenen Vorgängen ueblich in Zweifel gezogen werden muß. nachgeordneten Ifizier festzustellen, der bei der Tätigkeit in Selbstschutzorgani⸗ tionen oder bei ihrer Unterstützung in irgend einer Form be— offen wird, und unverzüglich Meldung nach hierher gelangen lässen, wenn es sich um einen Offizier der Reichswehr handelt. dußselbe gilt selbstverständlich auch für die Man Der Herr Reichswehrminister, dem ich die Namen 1 Betroffenen sofort weiterleiten werde, wird entsprechend seiner llärung gegen Schuldige mit aller hen Mitteln vorgehen.

Zeitfreiwilligenforma⸗

und anderer durch Private und

Der Herr Reichswehr—

Ich darf auf ihre

nschaften der

Schärfe und mit allen gesetz⸗ (Zuruf bei den Kommunisten: Wann hen Sie den Erlaß herausgegeben?! Das habe ich Ihnen (Zuruf bei den Kommunisten.) r Himmel über einen bekehrten Sünder freut.“ onmunisten.)

Verhandlungen, die nicht allein zu diesem Erlaß führten, dern auch zu anderen Vereinbarungen mit ind im vorigen Jahre aufgenommen worden, als uchungen nach dem Rathenau-⸗Mord von den preußi⸗ Verwaltungsbehörden festgestellt wurde, daß trotz aller Auf⸗ noch Selbstschutzorganisationen und polizeiliche Befugnisse anmaßten. te scharf eingegriffen werden, und ich kann heute mit feststellen: die Verhandlungen mit dem Reichswehr— haben nicht nur das eine erreicht, daß wir uns jetzt klaren Linie befinden,

„Da sich auch Zuruf bei den

dem Reichswehr⸗ mmnisterium, f

Gört, hört!

Das wäre nicht erreicht worden, sten Tage an von den Regierungsstellen der Lärm en wäre, den ich ständig in (zu den Kommunisten) Presse finde. Hysterisches Geschrei ist kein Zeichen von Wir können das, was wir bei den Verwaltungsbehörden behörden verfolgen wollen, nicht einige Wochen vorher '. Presse bekannt geben. (Sehr richtig!) un haben Sie eben in der Geschäftsordnungsdebatte, an der er beteiligte, der Regierung zugemutet, sie solle Selbstschutzorganisationen (Zuruf bei

nacht word

ih err Mey sogenannten

l eldmitteln unterst en Kommuni

proletarischen ützen und mit Waffen versehen. sten) Sie können mich für reichlich gutmütig halten. it darf man die Selbstverleugnung doch nicht treiben,

oder sich nicht zum Selbstmord drängen lassen, derartige An erbietungen von den H

nehmen. (Zuruf bei den Kommunisten: Bielefeld! Soweit in den Abmachungen von Bielefeld ein berechtigter Kern steckt, nämlich den Widerwillen der gewerkschaftlichen Arbeiterschaft gegen jeden Polizeidienst und gegen jeden Militärdienst zu bekämpfen, diese Abneigung gegen jeden Waffendienst herabzumindern, soweit habe ich mich ehrlich bemüht, die entsprechenden Bielefelder Ab— machungen in die Tat umzusetzen. (Lachen bei den Kommunisten.) Ich habe auch zu meiner Genugtuung erfahren, daß die Tätigkeit insbesondere der grünen Polizei, die bei ihrer Gründung auf großes Mißtrauen der Arbeiterschaft stieß, auch in den Kreisen der links gerichteten Arbeiterschaft immer mehr anerkannt wird. (Sehr richtig!? Glauben Sie, daß sich irgendeine Regierung, die auf Ordnung, öffentliche Ruhe und Sicherheit halten will, sich bereit finden wird, Ihnen Waffen in die Hand zu geben? (Heiter— keit. Zuruf bei den Kommunisten: Sachsen! Wir sind hier nicht in Sachsen und nicht in Bayern, wir sind hier in Preußen, und da möchte ich erklären: Selbstschutzorganisationen jeglicher Art werden von der preußischen Regierung verboten (sehr richtigh,

erren der Kommunistischen Partei an zu

und nicht nur verboten, sondern aufgelöst, soweit sie sich schon zu⸗

sammengefunden haben, und wird dafür gesorgt, daß ihre einzelnen

kitglieder zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden,

falls sie die verbotene Tätigkeit fortsetzen. (Zuruf des Abg. Katz.) Herr Katz, ich fürchte, Sie werden mir in den nächsten Tagen den Vorwurf machen, daß ich zu gründlich aufgelöst habe. (Zuruf rechts: bei den Kommunisten! Große Heiterkeit) Ja, ja!

(Hört, hört! bei den Kommunisten) In diesem Zusammenhang

darf ich auf folgendes aufmerksam machen. In den letzten acht Tagen haben die rechtsgerichteten Organisationen ihre Existenz

und ihre Tätigkeit begründet mit dem Hinweis auf die Bildung bon roten Abwehrhundertschaften, die Bildung einer roten Armee“. In einem Brief, den ein Reichstagsabgeordneter an den Herrn Reichskanzler am 16. März geschrieben hat, heißt es ich möchte Ihnen diesen Brief als ein Dokument ich will sagen politischer Anreißerei und politischer Heuchelei zur Verlesung bringen:

Es ist keinem Eingeweihten mehr zweifelhaft, daß die radikalen sozialistischen Gruppen die Zeit für gekommen er— achten, unter dem Schutz der ganz oder halb sozialistischen Landesregierungen die zweite Revolution durchzuführen. Während im Reichstage schöne Reden gehalten werden über die Notwendigkeit der nationalen Geschlossenheit gegenüber dem Feinde, treibt die Linke zum Bürgerkriege. Wir richten die Frage an Sie, Herr Reichskanzler, sind Ihnen alle diese Vor⸗ gänge unbekannt? Das ist bei der Möglichkeit, sich unterrichten zu können, so gut wie ausgeschlossen. Wenn Sie aber unter— richtet sind, dann stehen wir vor der erschütternden Tatsache, daß die heutige Reichsregierung wohl national gesinnt ist, daß sie aber vollkommen machtlos ist und mit gebundenen Händen diesem verbrecherischen Treiben zusehen muß. Es rächt sich daher jetzt bitter die Politik, die um des sogenannten lieben Friedens willen, um angebliche Unruhen zu vermeiden, sich scheut, mit fester Hand jenem hochverräterischen Treiben ein Ende zu machen, und die in Wirklichkeit damit Deutschland zum Schau— platz des Bürgerkrieges macht. Noch ist es Zeit, ohne Rücksicht auf das Stirnrunzeln sozialistischer Machthaber durchzugreifen und durch einen Appell an alle wehrhaften völkischen Kreise sich eine Macht zu verschaffen, gegenüber der der Aufmarsch der hochverräterischen Elemente zuschanden werden muß. Wir er⸗ warten von Ihnen, Herr Reichskanzler, daß Sie umgehend alle notwendigen Schritte ergreifen.

Der Briefschreiber heißt Wulle. Gört! Hört! Dieser Brief ist am 16. März geschrieben worden. Am 7. März habe ich im Haupt ausschuß des Preußischen Landtages erklärt: Um der Banden— bildung, um der Bildung sogenannter roter Hundertschaften in Mitteldeutschland ein Ende zu machen, wird in den nächsten Wochen oder schon in den nächsten Tagen der Bezirk Suhl mit starker

Schutzpolizei belegt. (Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten)

Das war am 7. März. Ich lege Gewicht darauf, dieses Datum festzustellen; am 16. März schreibt Herr Wulle seinen Brief. (Er⸗ neute Zurufe bei den Kommunisten) Wie 1921! Ich lege weiter Gewicht auf diese Feststellung: in demselben Augenblick, als mir von der Tätigkeit kommunistischer Bataillone Mitteilung gemacht worden war, habe ich im Preußischen Landtage die not⸗ wendigen Abwehrmaßnahmen angekündigt. Wenn sich in Gevels⸗ berg und in Remscheid Hundertschaften gebildet haben, die sich polizeiliche Befugnisse anmaßen, die nachts Kontrollausschüsse durch die Straßen senden, die friedliche Bürger anfallen und von ihnen den Paß verlangen und die Leute verprügeln, die ihnen nicht in den Kram passen, dann ist es notwendig, daß man auch dieser Tätigkeit der Selbstschutzorganisationen von links ein Ende be— reitet. (Sehr richtig im Zentrum und bei den Sozialdemokraten. Hört! Hört! und Zurufe bei den Kommunisten.) Gerade weil ich die Reaktion bekämpfen will, bekämpfe ich zunächst die Auswüchse, die sich auf der anderen Seite gezeigt haben und zeigen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Unruhe bei den Kommunisten.)

Aber die Selbstschutzorganisationen von links, diese Arbeiter⸗ bataillone, diese roten Armeen, wie sie genannt werden, sind im Augenblick bei weitem nicht so gefährlich wie die Organisationen von rechts. (Sehr richtig! links) Sie, meine Herren von der kommunistischen Partei, sind politische Kinder. (Lebhafte Zu⸗ stimmung und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten, im Zentrum und rechts. Zurufe bei den Kommunisten) Sie prunken ja mit Ihrer Schwäche! Haben Sie in der „Deutschen Zeitung“ oder in der „Deutschen Tageszeitung“ oder in der „Kreuzzeitung“ schon einmal Artikel mit der Ueberschrift gefunden: Aufmarsch der vechtsgerichteten Selbstschutzorganisationen? Den Gefallen tun Ihnen die Herren von der Rechten freilich nicht ssehr richtig! bei den Sozialdemokraten); sie rüsten geräuschlos und bestreiten den militärischen Charakter ihrer Organisationen. Aber wenn bei Ihnen (n den Kommunisten) gelegentlich einmal ein paar irre⸗ geleitete Arbeiter zusammenlausen, dann prahlen Sie von prole— tarischen Selbstschutzorganisationen. (Widerspruch und Zurufe bei den Kommunisten.)

Ich sagte schon, daß die rechtsgerichteten Organisationen sehr viel gefährlicher seien, und daß der Kampf der Staatsregierung,

druck wendet. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich sagte schon, daß im ver jangenen Jahre nach dem Rathenau⸗Morde

von den preußischen Polizeibehörden Haussuchungen vorgenommen

der sich gleichmäßig gegen jede Ausschreitung richten muß, sich naturgemäß gegen die größeren Gefahren mit größerem Nach⸗

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seien, die ergeben hätten, daß zahlreiche gesetzlich aufgelöste Selbst⸗ schutzformationen noch unter anderen Bezeichnungen fortbeständen Diese Selbstschutzorganisationen hatten vielfache Zwecke. Zunächst wollten sie den wirtschaftlichen Terror in jeglicher Gestalt durch⸗ führen. In dem Merkblatt 15 des Brandenburgischen Heimat⸗ bundes, der im vergangenen Jahre aufgelöst worden ist, heißt es unter anderem wörtlich:

Einer der leitenden Grundgedanken, die zur Aufstellung unserer Organisation führten, war der Selbstschutz. Die Vor⸗ bereitungen für ihn und für den Schutz des Lieferstreiks der Landwirtschaft bleiben auch heute noch Hauptaufgaben der Herren Kreisleiter.

(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.) Durchführung des Liefer⸗ streiks der Landwirtschaft in der Provinz Brandenburg! Auch in der Provinz Pohmern Herr Kollege Schlange, das wird Sie interessieren sind solche Bestrebungen hervorgetreten.

Aber der industriellen Bevölkerung sollten nicht allein Lebens—

mittel entzogen werden, wenn es den Herren vom Heimatbunde so paßte, wo sozialistische Regierungen oder Regierungen mit sozialistischem Einschlag amtieren, da wollen die Herren Roßbach und Trabanten dafür sorgen, daß diese Länder keine Kohle be⸗ kommen. (Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten) Aus einem amtlichen Polizeibericht aus Thüringen ist folgendes festzustellen:

Der Vorsitzende der Geraer Versammlung, Lauterbach, er⸗ stattete den Bericht über eine von etwa 400 Personen besuchte Tagung in Berlin

diese Tagung hat im Januar dieses Jahres stattgefunden

und erwähnte unter anderem, daß die Organisation Roßbach augenblicklich eine Anhängerzahl von 100 000 Mitgliedern habe. Auch erwähnte er die Brigade Kraft, die ihren Sitz in Inster⸗ burg hat, und die in Oberschlesien im Steinkohlenrevier über 12 000 Mitglieder verfüge, darunter zahlreiche Arbeiter.

Ich möchte hier in Klammern bemerken, daß der liebe Gott dafüt gesorgt hat, daß auch die Roßbäche nicht zu einem Strom werden. Diese Zahlen sind sehr vorsichtig aufzufassen. Es stimmt nicht die Zahl 100 000, und es stimmt auch nicht die Zahl 12 000. Charak- teristisch ist nun diese Drohung. Er führte weiter aus, daß unter den Leuten Roßbachs und Krafts die Stimmung herrsche, daß man der Thüringer Regierung keine Kohlen mehr liefern werde, weil sie den deutschvölkischen Gedanken unterdrücke. (Lachen links.) Wenn Herr Roßbach sich als eine Art Kohlensyndikat aufmacht, dann ist das allerdings etwas erheiternd in diesen kritischen Tagen. Der Lieferstreik ist noch nicht arrangiert worden, und ich hoffe, daß die Auflösung der Organisationen in den östlichen Provinzen

Preußens auch dazu beitragen wird, daß dieses Gespenst uns in den nächsten Zeiten nicht zu schrecken braucht. Aber neben dem wirtschaftlichen ist auch der poli⸗

tische Terror auf die Fahne der rechtsgerichteten Selbstschutz⸗ ) ah rechte h ? organisationen geschrieben. Wie die Stimmung da gemacht wird,

das mag Ihnen ein Telegramm beweisen, das der auch auf dieser Tribüne des Landtags mehrfach genannte Major von Weberstedt in den letzten Tagen noch an die Ortsgruppen der Roßbach-Partei gerichtet hat. Dies Telegramm lautet: Sämtliche Ortsgruppen der Partei haben im Verlauf der nächsten Tage eine Depesche an den Reichskanzler zu richten, die, ohne den Wortlaut von hier festzulegen, folgendes enthalten soll: Verwahrung gegen die Verhaftung von völkischen Führern in Berlin, Schlesien und anderen Orten des Reiches, Mahnung an den Reichskanzler, nicht nachzugeben und im bisherigen Widerstande gegen die Ruhrbesetzung zu verharren, Forderung auf Beseitigung des preußischen Ministers Severing als des- jenigen, der durch seine Verfolgung der völkischen Bewegung und ihrer Führer die nationale Einheitsfront zerschlägt Geiterkeit), Treugelöbnis an den Reichskanzler für den Fall, daß Severings Tätigkeit unmöglich gemacht wird.

Daß es sich bei den Roßbach-Leuten insbesondere um den Sturz der preußischen Regierung und um die Entfernung insbesondere der sozialistischen Minister dreht, das mag auch eine Auslassung beweisen, die in den „Politischen Nachrichten“ des Herrn Roßbach vor einigen Wochen Aufnahme fand. Roßbach schreibt:

Wir sind genau darüber infovmiert, daß der Reichskanzler Cuno in der preußischen Regierung, vornehmlich in Severing, genau dieselben Schädlinge sieht, wie alle national denkenden Deutschen. Wir wissen auch, daß er sich auch die denkbar größte Mühe gibt, dieses Hindernis los zu werden. Gört, hört! links) Ich möchte dazu sagen, daß es allerdings eine Stelle gibt, die mich stürzen kann: das ist der Preußische Landtag. Sonst kenne ich keine Stelle und anerkenne ich keine Stelle, die mich von meinem Posten entfernen könnte. Sehr richtig! links) Das sage ich besonders den Bersuchen gegenüber, andere Behörden und andere Zentralstellen aufzubieten, um, wie man das diplo⸗ matisch nennt, zu intewenieren, tatsächlich aber Angelegenheiten meines Ressorts oder Preußens zu Angelegenheiten anderer staat— licher oder Reichsorgane zu machen.

Nicht allein Roßbach, sondern auch die Mitglieder des anz gelösten Heimatbundes in Brandenburg, in Pommern sind der Meinung, daß Reichstag, Landtag, parlamentarische Bertretuntts überhaupt Zwirnsfäden sind, die jetzt keine Rolle spielen bei dem sogenannten nationalen Befreiungskampf. n Organ des Brandenburgischen Landbundes heißt es an einer Stelle:

Der Reichstag ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel Zweck, und Preußen ist uns wertvoller als Herr Severing. Das Deutsche Reich heißt auch nicht Fritz Ebert. Wollen sich die sozialdemokratischen Führer restlos und rückhaltlos in einen Kampf auf Leben und Tod, in eine Schlachtfront der Ration einreihen, wohlan, dann seien sie uns willkommen. Anerdings wünschen wir sie dann in der vordersten Linie zu sehen, dort, wo die Opfer fallen.

(Große Heiterkeit und Zurufe.) Wie diese Mitglieder des auf⸗ gelösten Heimatbundes, die Mitglieder des Brandenburgischen Landbundes die Ideen Roßbachs weiter unterstützen, beweist eine weitere Auslassung des eben genannten Organs:

Als Vorbereitung zu einer kräftigen Abwehr der feindlichen Bestrebungen muß die Regierung sofort alle Frontsoldaten⸗ bewegungen und Selbstschutzbestrebungen wieder freigeben