1923 / 107 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 May 1923 18:00:01 GMT) scan diff

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als ob sie im Monde wohnten, und nicht in dieser elenden Republik. J München haben sich Anhänger der 3, . die hier solchen ntrag einbringen, bewaffnet, um eing Versammlung der Arbeiter u sprengen. ogar Geschütze und Maschinengewehre wurden auf he Versammlung friedlicher Arbeiter. gerichtet. Und was ist ge- ehen, um dagegen einzuschreiten? Nichts, sondern „die Schützer der rdnung“ haben mit den bewaffneten Banden fraternisiert. Den ae , Faschisten sind am 1. Mai von der Reichswehr Waffen liefert worden. Kein Staatsanwalt ift gegen den Fabrikanten Rüchenmeister in Chemnitz eingeschritten, der ein ganzes Arsenal von Maschinengewehren eingemauert hatte, während man nicht dulden will, daß Arbeiter zum Schutz der Republik sich hewaffnen. In einem Berliner ulgebäude 66 vorgestern Abend bei einer Prügelei aus Anlaß des Ueberfalles einer Versammlung der kommu⸗ nistischen Jugend Mitglieder der letzteren ö. die Kommunisten ge⸗ choffen. Dis Polizei hat nicht die verhaftet, die geschossen hahen, ndern die Mitglieder der kommunistischen Jugend (Hört; hört! links). o ist ähnliches an Versammlungssprengungen geleistet worden? (Lachen rechts und Zurufe Der faschistische Terror soll von Bayern aus auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Redner kommt guf die Vorgänge im preußischen Landtag zu sprechen und zitiert einen Artikel der „Kreuz Zeitung“, worin es als ein Skandal bezeichnet wird, daß war die Kommuniften, aber nicht Helen die sozialdemokratischen , ausgewiesen wurden. ezeichnend ist, so fährt Redner sort, daß dieses Haus sich gestern nicht einmal dazu entschließen konnte, unseren Antrag der Geschäftsordnungskommission zu über⸗ weisen. Und was ist heute in diesem sogenannten Parlament von . geschehen? Mehrere kommunistische und sozialdemokrati che bgeordnete waren heute auf der Tribüne, dig geräumt werden sollte. Nach Wiedereröffnung der Sitzung sprach Präsident Leinert davon, daß „sogenannte“ Abgeordnete auf den Tribünen seien. (Hört! hörth So spricht ein sozialdemokratischer Präsident von gewählten Volks— vertretern! Die Presse hat heute im Abgeordnetenhaus gestreikt und sich dadurch, auch die Vertreter der bürgerlichen ref! mit den 1. erklärt. Im preußischen Landtag ist der ungeheuerlichste Verfassungsbruch begangen worden. (Beifall bei den Kommunisten.) .

Abg. v. Gräfe (deutschvölk. Freiheitsp.): Mein herzlichstes Beileid am Grabe eines unschuldig hingemordeten Gesetzes, das so stolz den Namen seiner bürgerlichen Väter führte. Durch die Ge⸗ schichte dieses Gesetzes zeigt sich daß der ganze Parlamentarismus eine lächerliche Komödie ist. Das ist die beste Unterstüßung für einen unserer Hauptprogrammpunkte gegen den Parlamentarismus. Hoffentlich wird das Eich. noch geschehen bei unserem Kampf gegen die Judenherrschaft. (Lachen links.)

Abg. Dr. Bell Gentr.): Die Ausführungen des Abgeordneten Remmele über die Vorgänge im preußischen Parlament gehören nicht hierher. Wir scheuen allerdings nicht eine Auseinandersetzung über jene. Dinge, um so weniger als wir selbst in keiner Weise dabei . sind. Zur Sache selbst stimme ich den Ausführungen des Abg. Brodauf bei. Dem Antrag Warmut werden wir nicht zu⸗ stinimen, da ihm sachliche und juristisch. Bedenken entgegenstehen. Unser Antrag will keiner Partei zu nahe treten, wir wollen die Orbnung schützen gegen jede Gewalttätigkeit, von welcher Seite sie auch kommen mag. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Dr. Le vi (Soz.): Meine Partei wird das . in jeder Vssung ablehnen. Es ist ganz klar, wohin das Gesetz zielt, es soll Stagtsanwälten und Richtern der Sinn für angebliche Straftaten der Arbeiter 3 werden. So tölpelhaft ist. man . nicht, direkt in das Gesetz hineinzuschreiben, daß es sich gegen die rbeiter zichtet. Eine Garantie für unharteiische Durchführung des e .

mätfitiirtrit, ü.. Be, mm,, rännen se i i i ; ,. ** ne Väter nicht übernehmen. Unsere Partei weiß die Versammlungsfreéihein . un schätzen, uns

sollten Sie nicht . daß wir keinen Schutz der Versammitungs= treiheit wollen. Die Vorgänge im Preußischen Landtag beweisen, baß ein Recht nicht ohne weiteres denen, die es genießen, geläufig zu sein braucht. Ich hoffe, daß so jugendliche, lernbeglerige Genossen wie Scholem u. 4. im Gebrauch dieses Rechts weitere Fortschritte machen werden. Den Mißbrauch des Rechts soll man aber nicht mit Polizei oder neuen Gesetzen bekämpfen.

In der , wird der Antrag Warmuth „Der Versuch ist strafbar“ gegen die Stimmen der beiden Rechts⸗ parteien abgelehnt. Ueber den Antrag der Deutschnationalen, wonach der Versuch nur unter bestimmten Voraussetzungen strafbar sein soll, wird namentlich abgestimmt. Der Antrag wird mit 232 gegen 116 Stimmen abgelehnt. Das Gesetz wird, darauf mit sämtlichen bürgerlichen Stimmen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kom— munisten in der Fassung des Antrags Marx⸗Brodauf an⸗ genommen. Der Antrag der Kommunisten auf namentliche Abstimmung in der Gesamtabstimmung über das ganze Gesetz findet nicht die erforderliche Unterstützung von 50 Mitgliedern. Vizepräsident Rießer erteilt dem Abgeordneten Levi nach= träglich einen Ordnungsruf, für die Bemerkung, daß das Verhalten des Reichsjustizministers eine Beugung des Ren zugunsten des Herrn von Knilling und seiner landesverräterischen Politik darstelle.

In allen drei Lesungen wird das Gesetz über die Verteilung des Gewinns der Reichsbank für das Jahr 1922, wonach von dem Gewinn vorweg 17.2 Milliarden Mark an das Reich abgeführt würden, ohne Er⸗ örterung angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die Beseitigung kleiner im Reichs⸗ schuldbucheingetragener Forderungen,.

Abg. Schücking (Dem ; Von der Kriegsanleihe stehen noch sehr viele kleine Konten im Reichsschuldbuch, der Finanzminister soll nun ermächtigt werden, eine Mindestgrenze festzusetzen, etwa fünf⸗ tausend Mark und die Forderungen darunter in bar zurückzuzahlen. Dieser Gesetzentwurf hat einen technischen Zweck, aber doch auch große materielle Bedeutung. Die kleinen Zahler von Kriegsanleihe ollen jetzt ihr Geld zurücknehmen, und zwar in schlechter Papiermark. Mit dem Grundsatz „Mark gleich Mark! muß gebrochen werden. Es dient nicht der Staatsgesinnung, wenn der Staat in dieser Weise seine Bürger beraubt. Wir halten dieses Gesetz für sehr gefährlich, es muß im Rechtsausschuß nen lin, geprüft werden.

Staatssekretär Schroeder bittet, um rasche Erledigung im Ausschuß, da sonst im Juli nochmals die schwierige Zinsberechnung der kleinen Konten stattfinden muß. Die Zahler würzen nicht ge— lchädigt, sollten sogar noch bevorzugt werden. Wenn sie ihr Geld nicht haben wollen, können sie es im Schuldbuch stehen lassen.

Der Gesetzentwurf wird dem Rechtsausschuß überwiesen.

Darauf wird die zweite Beratung des Reichs haushalts für 1923 mit dem Haushalt des Reichsfinanz⸗ ministerium s fortgesetzt.

Abg. Hen ke * Leider haben wir noch keine Aussicht auf eine Gesundung unserer Finanzen. Das Landessteuergesetz muß be⸗ schleunigt werden, man darf nicht darauf warten, bis die Frage der Umsatzsteuer gelöst iß, Wir sind gegen eine err der Umsatz⸗ steuer, ohne dieses kann das Landessteuergesetz sofort fertiggemacht werden. Der soziale Charakter der Steuergeseßgebung ist nach dem Kriege nicht gewahrt worden. Unser Volk ist verarmt und leidet schwer unter den Folgen des Krieges und der Zertrümmerung unseres Landes. Unser Arbeiter hat ein Vielfaches an Steuern zu tragen wie der französische Arbeiter. Die Ruhrarbeiter leisten den passiven Widerstand nicht auf Befehl der Regierung, nicht diese hat den passiven Widerstand , sondern die Bey llrun⸗ selbst. Die Stützungsaktion für die Mark ist xechtzeitig von uns gefordert worden, sie ist Voraussetzung für die Gesundung. Aber man seh erst tatenlos der Geldentwertung zu, von der manche Kreise Vorteil gehabt haben. Die Proteste des Herrn Havenstein gegen das Vor⸗ gehen des Herrn Stinnes waren nur schwach, An der Börse betätigt 6 nicht das wirklich wirtschaftliche edürfnis nach Devisen, sondern ie Spekulation. Wir müssen den passiven Widerstand gegen die Devifenkontrolle brechen, wir haben deshalb die Einsetzung eines

,,, für solidaris

Untersuchungsausschusses über die Devisenspekulgtion beantragt. Von der Einkommensteuer werden 1am ß Prozent allein durch den Lohn⸗ abzug aufgebracht. In England ist das Verhältnis zwischen Ein⸗ kommensteuer und Besitzsteuer umgekehrt wie bei ung. Durch das neue Geldentwertungsgesetz ist der Besitz noch mehr begünstigt worden als vorher; zahlreiche Unternehmungen sind durch die Bewertung der zugelassenen Abzüge fiene fen geworden. Die großen Aktiengesellschaften sind bestrebt, ihre ohen Geschäftsgewinne zu verstecken, schon um nicht zu Lohnforderungen anzureizen. Ein Ge⸗ wissen haben die Aktienbesitzer niemals bewlesen. Wir halten es für nolwendig, an der Ruhr den passiven Widerstand fortzusetzen, aber ur . der Repargtionsfrage muß die Stützungsg tion für die

ark k werden, da 6. die Voraussetzung . die Gesun⸗ dung unserer Finanzen ist. Wir haben eine Enkschließung beantragt, daß die Kosten der Ruhraktion nicht getragen werden dürfen von den armen Steuerzahlern, sondern von den großen. Einkommen und Vermögen, d. h. von denen, die am meisten Vorteil von der Ruhr⸗ aktion haben. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Um 6 Uhr wird die weitere Beratung auf Mittwoch 2 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. 240. Sitzung vom 8. Mai 1925, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichten büros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) *)

Vizepräsident Dr. von Kries eröffnet um 12 Uhr die Sitzung. . ö Die Abg. Frau Geffke Comm.) bringt vor Eintritt in die Tagesordnung erneut den gestern abgelehnten Antrag ein, die Polizei aus dem Abgeordnetenhause zu entfernen und führt aus: ö Nicht wir sind daran schuld, daß man die Polizei ins arlament hineingeholt hat. ¶Widerspruch bei der Mehr⸗ heit). Die Sozialdemokraten haben vielmehr schon vor längerer eit die Prügelftrafe im Landtag eingeführt. Abgeordneter Katz, der blutig geschlagen wurde, ist auen e fen worden, während die Schläger leer ausgegangen sind. Wir betrachten das Parlament nicht As ein Pensiongt für höhere Töchler. (Gelächter bei der Mehrheit) Wir haben unsere Obstruktion gestern mit vollem Bewußtsein ge⸗ srieben im Hinblick auf unsere Verantwortung gegenüber der Arheiter= aft. Sie Kommunisten sind das einzige Sprgchrohr dieser Arbeiter⸗ aft, und sie sollen nun mit Hilfe der Sozialdemokraten durch olizeifauste aus dem Parlament entfernt werden. Die Kommunisten ind auch im Ruhrgebiet die i. des Widerstandes gegen die fran 6 chen Bajonette. (Cebhafter Widerspruch bei der Mehrheit) Wir lehnen es ab, in diesem Parlament zu verhandeln, solange nicht die Polizei aus dem Haufe entfernt ist. S etwas war selbst unter bem alten Regime nicht möglich. Die. Sozialdemokratie hat. die Schande auf sich geladen, derartige fascistisch Methoden einzuführen. Wir werden unsern Widerstand gegen diese Methoden fortseßen. Abg. . ein (Komm): Wir beantragen Absetzung der Dis⸗ fussion Über s ecultusetat, well es in den Tagen der größten Kultur⸗ chmach eine Lächerlichkeit wäre, über Kultur zu reden. Wir ver⸗ angen, daß die kommunistischen Anträge sofort zur Beratung hommen. Wenn die Kommunisten durch brutale Polizelfäuste zum Verlgssen des Parlaments gezwungen wurden, so kennen wir die Ursache, Kurz por dem Ümfall im Ruhrgebiet, kurz vor dem Verrat der Arbeiter= intereffen mit Hilfe der Sozialdemokraten will die Sozialdemokratie die Arbeiter dabon überzeugen, daß mit den Kommunisten zusammen sine Cinheitefront gegen die Ausbeuter und gegen Poincars und seine Militärban den nichl gebildet werden kann. Die Arbeiter werden der Sozialdemokratie etwas pfeifen. Sie dHurchschauen das schmähliche Treiben der Sozialdemokratie, die unter dem Beifall der bürgerlichen Meute die Kommunisten aus dem Saale schaffen läßt. (Der Redner grchält einen Ordnungsruf wegen des Ausdrucks: Bürgerliche Meute.) Die gestrigen Vorgänge haben gezgigt, daß es in Preußen schlimmer ist als unter hen Bajonetten der Franzosen im Ruhrgebiet. (Stür= mische Entrüstungskundgebungen der Mehrheit). Die Kommunisten sind außerstande, unter der Gewalt der Polizei an den Verhand— lungen keilzunehmen. Sie werden dafür sorgen, daß erst die Polizei aus dem Hause gejagt wird. . ö (Soz): Zu unserm Bedauern sind wir in einer schäftsordnungsdebatte nicht in der Lage, die vollkommen hlsch Darstellung, die dig Abgeordneten Geffte und Eberlein von en . der letzten Tage gegeben haben, richtig zu stellen. Wir stellen nur fest: Was hier geschehen ist, hat mit irgendwelchen poli⸗ lischen Vorgängen im Reiche oder im Ruhrrevier garnichts, zu tun. Es war lediglich Notwehr gen ,,,, , te . Be⸗ chimpfungen und gegen den Versuch einer kleinen inderheit, die rbeitsmehrheit des Parlgments planmäßig zu sabotieren. (Unruhe bei den Kommunisten) Wir achten jede i lh! und jedes Recht (Lachen bei den . aber 3 Recht hat seine Grenze da, wo eine Minderheit bersucht, mit ben brutalsten Mitteln der Here gr. Mehrheit des Parlaments ihren Willen in en, Die uld an all, den schmählichen Vorgängen der letzten Tage, auch daran, daß Polizei in dieses Haus 9 werden mußte, tragen allein diejenigen, die die Ordnung des Hauses dauernd aufs gröb⸗ lichste gestört haben. (Beifall bei der , Wir werden gegen diese planmäßige Ordnungsstörung alle die Mittel anwenden, die nötig sind, um den ungestörten Gang unserer Verhandlungen zu , Von diesem Gesichtspunkt aus lehnen wir jetzt die kommu⸗ niftischen Anträge sämtlich ab, fahren in unseren sachlichen Beratungen fort und erklären den Kommunisten: Ihr Bemühen, den Landtag an seiner sachlichen Arbeit durch rohe Gewalt zu hindern, wird an unserer eisernen Geschlossenheit scheitern. (Lebhafter Beifall bei der Mehrheit.)

Abg. Dahlem (Komm): Wir beantragen, daß in die Debatte nicht ,,. wird, bepor, die Polizei aus dem . entfernt ist. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, wo ich Verhandlungen für die Arbeitlerschaft geführt habe und wo die , ,. untey fran⸗ of en Bajonetten steht. Ich muß objektiv feststellen, daß ich unter en französischen Bajonetten mehr Freiheit gespürt habe als hier. Stürmische laute Entrüstungskundgebungen der Mehrheit) Sie wollen hier diskutieren über Kultur, in einem Moment, wo man hier an der Spitze der Unkultur marschiert. Was hier Passiert, ist in keinem Parlament bisher geschehen (stürmischer ir n und andauernder Lärm). Sehen Sie heute in die ausländische resse hinein; Sie haben, den Franzosen die besten Waffen e hen. die Franzosen können jetzt den Ruhrarheitern sagen: Seht Ihr denn nicht, wie Eure eigene Regierung Euch, behandelt? Eberlein hat ganz recht, Sie bereiten die Demoralisation der deutschen Arbeiter⸗ fe vor, die Brechung des Widerstandswillens der Arbeiterschaft. Wir machen Sie dafür verantwortlich, wenn Poincars jetzt um so seichter die Zertrümmerung der Abwehrfront an der Ruhr erreicht. Wir erklären heute offen, daß Ihr aiif, den Sie gegen uns unternommen haben, nichts anderes bedeutet, als die verschleierte Kapitulation vor Poincaré! E Schallendes Gelächter im ganzen Haufe) Ihr Vorgehen bedeutet nichts anderes, als Landesberrgt erneutes stürmisches Gelächter und andauernder großer Lärm), als je Äufgabe der Einheitsfront der Arbeiterklasse im uhrgebiet, für die wir Kommunisten eingetreten sind fortdauerndes Lachen). Unsere Partei hat es als einzige gewagt, die rbeiter zum Widerstand gegen den französischen Einbruch aufzufordern, wiederum sind drei kommu⸗ nistische Zeitungen von den , . auf drei Monate oder auf unbestimmte Hit verboten worden. Arbeiter, die noch etwas auf ihre roletarische hre halten, können nicht dulden, daß hier unter solchen ie n. verhandelt wird.

Präsident Leine rt: Ihre Redezeit ist abgelaufen.

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben 3.

*. V X . * 8 ; 8X D M X VTX J *

8. *

Ein Antrag auf Schluß der Geschãstsordnungs debatte wird gegen die Kommunisten angenommen. Gegen bie soforti Verhandlung des kommunistischen Antrages auf Enijfernun d ee Polizeibeamken aus dem Hause wird fast einstimmiger Widen spruch laut. Die D e n, also unverändert *

In erster und zweiter Beratung wird die Vorlage wegen ufhebung des . fut die Eisenbahnverwaltung ohne Aussprache dur Annahme erledigt. ;

Die No velle zum Gesetz über Bereit stellung von Staatsmitteln zur s rderunmg von e n n ,, vom 18 4prEIIBA2 an den Landwirtschaftsausschuß, die Vorlage wegn Kebertragung richterlicher Geschäfte Rin Zwangsverstelgerungs⸗ und 3Zwangsverwal— kfungssachen auf Gerichts schreiber an den Rechts

J ö ; .

em Hauptausschuß überweist das Haus die Vorlagen

wegen . Staatsmittei

, asserkräften im oberen uellgebiet der Weser und für den Ausbau

von Wasserkräften des Mains.

Von den Sozialbemokraten, dem Zentrum und der Deut⸗ chen Volkspartei ist ein Gesetzentwurf über die Be⸗ tellung von Stellvertretern der Landes—

irektoren in den Provinzen Nieder- und Oberschlesien eingebracht. Auf nn von Krieg (D. Nat) wird dieser Gesetzentwurf dem Verfassungsausschu überwiesen,

In erster und zweiter Beratung wird der von den Regie⸗ rungsparteien eingebrachte Urantrag auf Annahme eines Ge⸗ setzentwurfs zur Sicherung des Siedlungs— verbandes Ruhrkohlenbezirk ohne Aussprache un— verändert angenommen.

Zur zweiten Beratung steht sodann der Gesetz entwurf über Aufsichtsräte bei Berggewerkschaften, Ohne Erörterung wird die Vorlage in weiter und . auch in dritter Lesung nach den Ausschußvor chlägen verabschiedet.

Darauf nimmt das Haus in zweiter und dritter Lesung die Vorlage an, durch welche nunmehr auch in der Provin Oberschlefien, und zwar vom 1. 9ktober 192 an, das Gesetz wegen Einführung einen . in Kraft gesetzt wird.

Nach dem Vorschlage des Aeltestenrats wird der Urantrag verschiedener Parteien über die Fortführ 31 g 16 eberland⸗

Mittelspannungsnetzes für die U. r werke O ö preußens dem Hauptausschuß überwiesen. Darauf kritt das Haus in die Fortsetzung der zweiten Be⸗

ratung des Haushalts des Ministeriums für rn fene k llgemeine

der allgemeinen Besprechung über Ministerium, i, ,,, und 8. Verwaltung nebst den dazu gestellten Entschließungsanträgen und über das Ministergehalt wird die Beratung wieder eröffnet. In Verbindung damit werden er⸗ örtert die Große Anfrage des Zentrums über religionslose Konfessionsschulen, die Große Anfrage der Deutsch⸗Hannove⸗ raner über die Landankäufe im Osten des Staates vom Han noverschen Klosterfonds und der Urantragg der Deutschnatio⸗ nalen über die Besoldung der Hilfsgeistlichen.

Der Abg. Hoff (Dem.) versucht, als erster Redner zum Kultushaushalt zu sprechen. Er wird durch andauernden Lärm der Kommunisten daran gehindert. Immer wieder ö. man die Rufe: „Polizei raus!“ Wiederholt mahnt der. zrisident Leinert zur Ruhe und erklärt schließlich; Die Polizei kommt nicht heraus. . Sie den Redner sprechen! Ich werde dem Landtag gleich Ruhe verschaffen. Als die lärmenden Unter. brechungen der Kommunisten andauernd anhalten, schließt det k 5 die Mitglieder der kommunistischen Fraktien König,

berlein, Dahlem von der Sitzung aus. a , ,,. nicht aus dem Saale entfernen, erklärt Prä⸗ ident Le inert die Sitzung er unterbrochen. Erneuter stürmi⸗ cher Lärm bei den Kommunisten. Präsident Le inert forderl

je Mitglieder des Haufes auf, den Saal zu verlassen und läßt auch . Tribuͤnen räumen. chluß der Sitzung: 1 Uhr.

Auf den Tribünenplätzen, die für Reichstagsabgeorbnele veserviert find, haben inzwischen mehrere kommunistische Nich tagsabgeordnete Platz . Die Vertreter der Prist haben gleichfalls ihre Sitze 3. geräumt. .

Um 14 Uhr eröffnet Präsident Leinert die Sitzung von neuem mit der Mittellung, daß die Abgeordneten b Eberlein und König, die inzwischen von Polizei beam ö. aus dem Saal hene ug ghet sind, durch ihr Verhalten sich f den Ausschluß auf acht Sitzungstage zugezogen haben, und er klärte ferner, daß er infolge einer Namenzsverwechslung aug den kommunistischen Abgeordneten Plenge hinaus en, habe, während er den Abg. Schönebeck gemeint habe. Erh h biese Ausweisung aber jetzt nicht aufrechterhalten. Der Präfß dent fährt fort:

uns möchle ich noch bemerken, Diese betrübenden ug bedan

1e Vorfälle sind keine Gegenstände der Sensation, Mir pi gesagt, daß auf einer Tribüne angeblich Reichs lagsabgeordnete geweigert haben, meiner Aufforderung zu folgen, da sie 36 Gäste bei uns anzusehen sind. Außerdem mu ih meinem . Bebauern Ausdruck geben, daß die Presse es nicht für nötig. (a hat, meiner Aufforderung 6 solgen. Gs sind das kein Sen g Nur mit tiefftem Abschen kann man diese Dinge betrachten. ö 6 ich 7 , eb gan diese g, dcn bene fn,

nsation machen will. J ann nur jagen . n . wäre, wenn solche Dinge sich weiter ereignel Ollten. Als der Präsident dann dem Abg. Hoff Dem) zur 3 setzung seiner Rede das Wort gibt, rufen die als ie . lweter' der kommunistischen Fraktion im Saale gehlie , Abgeordneten Schönbeck und Frau Geff ke e. ö Hier wird nicht gesprochen, solange die Polizei im Haus j Als wiederholte Ruhemahningen des ten . Fleiben, verfügt der Präfibent auch den Ausschluß der

Geffte und Schönbeck. J fin Sitzung ist unterbrochen. Der Präsident läßt di

verlassen auf Aufforderung der Polizeibeamten den 2 dem gun . 3 revolutionäre Ala en tan Hierauf verläßt die Presse geschlossen die Pressettib inen ö stellt die Berichterstattung ö der vom Präsidente Presse gegenüber geübten Kritik ein.

Schluß 2 Uhr.

*

ĩ

m in einer pvechung eines Ausschusses der , mit dem . Leinert Aufflärung ge⸗ 6 ist über die der reh i gemachten Aeuße⸗ gen, nimmt die Presse 2,40 Uhr die Berichterstattung zeder auf.

run Abg. Hoff (Dem) verlangt Reform der Sehver⸗

bil , far Wissenschaft Gunst und Vollebildung Dr. Boe Li . ine Damen und Herren, die Frage der Einengung unseres Etats ch die finanzielle Not unserer Tage bat uns im Ausschuß und

ah bier im Plenum auf das lebhafteste beschäftigt, und das Wort

wa der Sparpolitik hat unsere Verhandlungen drüben im

sugschuß wie hier im Plenum begleitet. Wir müssen uns klar

herüber sein: wenn auf allen Gebieten unseres Staates, und oft

a, wo es vielleicht am schmerzhaftesten ist, Ersparnisse ge⸗

nacht werden müssen, so können sich die Bereiche des

Ninisteriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung diesen

Notwendigkeiten nicht entziehen. Es ist vollkommen richtig, pen man immer wieder darauf hinweist: Man hat uns durch inen erbarmungslosen Friedensvertrag fast alles genommen; aber msete geistigen Güter, unsere Kulturhöhe kann man uns nicht nehmen; wir müssen uns mit aller Kraft, die uns zu Gebote steht, usttengen, daß wir in dieser Zeit beispielloser Not unsere Kultur⸗ kiöhe halten, wenn möglich steigern. Aber auf der anderen Seite bin sch auch überzeugt, daß ich in diesem hohen Hause das Verständnis defüt finde, daß, wenn auf allen anderen Gebieten, so auch auf diesem hebiet notwendigste Einschränkungen erfolgen müssen, und daß gar⸗ nichts anderes denkbar ist auch für den Kultusminister als in Kompromiß mit der Finanzverwaltung iu schließen. Immerhin müssen wir dankbar anerkennen, daß der Staat noch mmer in die Lage versetzt werden konnte, die kulturellen Aufgaben, pem auch unter einer gewissen Selbstbeschränkung, erfolgreich weiter durchsuführen. Und wir wollen uns doch das eine klar machen, daß öe Ausgaben Preußens auf dem Gebiete des Ninisteriums für Wissenschaft, Kunst und Volks⸗— bildung im Verhältnis zu den übrigen Ausgaben Preußens pon 12559 (o im Jahre 1914 nicht etwa gefallen, sondern nich etwas gestiegen sind, nämlich auf 13,2 0 im Jahre 1563. Freilich, das ist richtig: innerhalb des Etats haben beträchtliche Verschiebungen stattgefunden. Es sind die Kosten sir die Rohbedürfnisse am meisten gestiegen. Es ist während der Verhandlungen im Hauptausschuß nicht mit Unrecht hierauf aufmerksam gemacht worden, daß z. B. die Unterhaltung der Gebäude gegen das Jahr 1914 um das 2b fache gestiegen sei. Bei⸗ ling bemerkt, ist übrigens jetzt vom Finanzministerium zugestanden norden, daß diese Ausgabe um das 80 fache steigen dürfe. Auch die algemeinen Ausgaben, die Geschäftsbedürfnisse sind stark geliegen: im Verhältnis zum Jahre 1913 um das do fache, ja die Fosten für die Heizung sogar um das 2650 fache. Aber hier liegen in der Lat auch absolute Notwendigkeiten vor. Wir müssen zunächst rersuchen, die Betriebe aufrecht zu erhalten. Denn die Instandhaltung der Werkstätten geistigen Lebens ist auch schon eine Kulturtat, wenn Riume nicht geheizt und Geschäftebedürfnisse nicht mehr befriedigt werden können, kann naturgemäß auch die darauf angewiesene Kultur⸗ arbeit nicht gedeihen.

Aber das ist richtig: Auf dem eigentlich kulturellen Gebiet sind die Ausgaben nicht in dem Maße gestiegen, wie es die Entwicklung umnserer Geldverhältnisse wünschenwert erscheinen läßt. Unsere Sammlungen, unsere Lehrmittel, die Förderung illgemein⸗wissenschaftlicher und künstlerischer Zwecke haben zweifellos leiden müssen und leiden auch heute noch. Unser Streben wird es sein, hier, soweit es in unseren Kräften steht, nu bessern, vielleicht dadurch, daß wir uns auf das Notwendigste noch neht konzentrieren als bisher und vielleicht in größerem Maßstabe eine ge⸗ vsse Hlanwirtschaft durch Zusammenlegung von Sammlungen, von Lehr⸗ lichereien, von Bibliotheken einführen. Fraglich ist es, ob man etwa tine wesentliche Erhöhung der Einnahmen aus eigenen Betrieben erstreben soll, sagen wir durch eine ganz außerordent⸗ liche Steigerung der Schulgelder, durch eine große Steigerung der Imnmatrikulationsgebühren und der Vorlesungsgebühren, der Eintritts⸗ neise für Museen, Sammlungen, Theater usw. Denn es besteht hier li Gefahr, daß gerade der Stand am stärksten getroffen wird, der bither vorzugs weise der Träger der Kultur gewesen ist. (Sehr richtig h Wat nutzt es, wenn durch eine gewisse Gruppe neuer Reicher vielleicht eine perübergehende beträchtliche Steigerung erzielt wird und der schwer dende Mittelstand dabei in Bedrängnis kommt. Ich glaube aber, Naß wir überzeugt sein dürfen, daß das Finanzministerium im Bereich der Möglichkeit auch hier weiter helfen wird.

Vir müssen aber auch und darauf ist auch im Hauptausschuß siewiesen worden ein Kompromiß mit den Städten schließen. Die Städte haben in den vergangenen Jahrzehnten mit vorbildlicher kunft gerade unsere blühenden Schulen, Volksschulen, Mittelschulen ud höhere Schulen, erhalten und entwickelt, und wir wollen dankbar merkennen, was hier geschehen ist, und was vor allem geschehen ist luch weitschauende Politik tüchtiger Stadiverwaltungen. Deshalb nissen wir Verständnis für die Nöte der Städte haben, in die zt vor allem dadurch geraten sind, daß ihnen ihre Steuer— . nicht erhalten geblieben ist. Deshalb werden wir n, Tershllãge der Städte, die uns unterbreitet werden, wie hier , Staat durch größere Unterhaltungszuschüsse geholfen werden 6 auf. das ernsthafteste prüfen, und wir stehen in Verhandlungen it dem Fdinaniministerium, um diese Unterhaltungszuschüsse nach Möglichkeit zu erhöhen. (Bravo)

. bei der Frage der Erhöhung der Schulgelder

ö. wir uns dem nicht verschließen können, was die Städte uns

. ragen . haben, daß eine erhebliche Erhöhung des Schulgeldes

a müßte, und wir haben schweren Herzens einer Erhöhung des

. von 4000 auf 20 000 M im Jahre zugestimmt; bei einer

e enen Entwertung des Geldes werden wir einer weiteren

3 jung des Schulgeldes kaum widerstehen können. Aber ich möchte

1 noch einmal, und hier besonders an die Städte die

. richten, daß doch nicht durch überspannte Maßnahmen

ö . Schichten von Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden,

. . vorzugsweise dem Staate die hervorragendsten Beamten

; ne,. gestellt haben. Aber alle Sparmaßnahmen, ; . sind und die getroffen werden müssen, haben ihre Grenzen.

ö. aben ihre Grenzen an dreierlei: Zunächst darf unter

n. Um ständen die geistige Substanz unseres

ö. es angegriffen werden; daneben müssen die

mkräfte, die in unserm Volke schlum mern,

werden, und schließlich darf die körperliche Er⸗ tüchtigung unserer Jugend nicht unterbunden werden. Halten wir uns das immer vor Augen! Ich habe mir erlaubt, im Ausschuß das näher auszuführen, und habe wiederholt darauf hingewiesen, daß das Schicksal des deutschen Volkes doch zuletzt von seinen geistigen und sitt⸗ lichen Kräften abhängt. Wir müssen alles tun, um diese Kräfte zu wecken, lebendig zu erhalten, zu stärken und voll zur Aus wirkung kommen zu lassen.

An diesem Maßstab gemessen, müssen wir Uebertreibungen und Forderungen einer übertriebenen Sparpolitik entgegentreten, die in der Oeffentlichkeit vielfach erhoben werden. Alles, was auf eine Minderung der Leistung hinauskommen würde, muß unter allen Um⸗ ständen zurückgewiesen werden. Daher ist eine Zusammen⸗ legung von Klassen in größtem Maßstabe vollkommen unmöglich. Man rege sich in der Oeffentlichkeit nicht darüber auf, wenn einmal eine Unterprima und Oberprima, die zusammen vielleicht 15 Schüler haben, zusammengelegt werden. Wir kennen Klassen auf dem Lande, in denen 60, 70, 80 Schüler heute noch zusammensitzen müssen, und es ist mir mitgeteilt worden, daß es Schulklassen auf dem Lande gibt, auch heute noch, in denen so viel Schüler sind wie in einer kleinen sechsstufigen Realschule. Da ist es vom Gesichtspunkt einer verständigen Sparpolitik durchaus geboten, derartige Klassen zusammenzulegen, und ich bin überzeugt, daß mit 15 Primanern, wenn sie im kombinierten Unterricht zusammen⸗ gefaßt werden, auch pädagogisch durchaus Ersprießliches geleistet werden kann. Gibt man das ruhig zu, so kann man andererseits auch über⸗ triebenen Forderungen von Zusammenlegungen mit gutem Gewissen entgegentreten. Sparkamkeit am rechten Fleck ermöglicht die Durch⸗ führung anderer Aufgaben, die notwendiger und brennender sind. Ferner müssen wir den Versuch einer zu starken Inanspruchnahme der Lehrkräfte durch eine Uebersteigerung der Wochenstundenzahl entgegen⸗ treten. Wir müssen noch mehr der Forderung entgegentreten, daß die Dauer der höheren Schulen von 9 auf 8 Jahre herab- gesetzt werden soll. (Bravo) Solche Sparmaßnahmen würden sich für die Zukunft auf das bitterste rächen. (Sehr richtig) Man ver⸗ gesse doch nicht den Zusammenhang zwischen geistiger Entwicklung und wirtschaftlichem Leben. Das ist doch der Hauptgesichtspunkt, der jmmer wieder in jenen Jahren, als man sich lebhaft um die Einheits schule stritt, die Gemüter bewegte: daß alle latenten Kräfte in unserm Volksleben zur Entwicklung

gebracht werden müßten. Das ist der wichtigste Gedanke der Einheitsschule.

Die Durchführung der Einheitsschule ist oft einer recht herben Kritik unterworfen worden. Halten wir an dem grundlegenden Gedanken fest, der in der Aufstiegsmöglichkeit jedes Menschen zu der von ihm erreichbaren höchsten Bildung besteht, und sehen wir zu, was dafür in Preußen bereits geschehen ist, so werden Sie, glaube ich, zustimmen, daß die Einheitsschule bei uns in Preußen auf dem besten Wege der Verwirklichung ist. Wir wollen keine toten Gleise, von denen soeben auch der Herr Abg. Hoff gesprochen hat. Wir wollen Uebergangs⸗ und Aufstiegsmöglichkeiten, soweit sie in dem Aufbau der Einheitsschule irgendwie möglich sind. Verbindet man mit diesem Gedanken den anderen, daß ein organischer Zusammenhang unseres gesamten Bildungswesens erreicht werden muß, so sind wir

wert vor hundert Jahren das Werk Wilhelm von Humboldts gewesen ist, so tief bedauerlich ist es, daß damals der große Entwurf Süverns nicht Gesetz geworden ist, der bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Einheitsschule in Preußen gesetzlich festlegen wollte. Ich glaube, daß im vergangenen Jahrhundert gerade durch das Scheitern dieses groß angelegten Entwurfs unendlich viel von Isolierung, Zersplitterung und Erstarrung in unser gesamtes Schulwesen hineingekommen ist. Nehmen wir den dritten Gedanken hinzu, die Einordnung des Einzelnen in die Volks⸗ gemeinschaft, in den Staat, dann haben wir, glaube ich, die Fundamentalgedanken, auf denen die Einheitsschule beruht.

Der Herr Abg. Holtz hat im Ausschuß zu meinen Ausführungen über die Einheitsschule darauf hingewiesen, daß wir doch im Haus— halt noch immer getrennte Kapitel für Volksschulen und höhere Schulen hätten. Das ist etwas rein Aeußerliches und kommt für die Würdigung des Geleisteten nicht in Betracht. Schwerer war

hat, daß jede Reform und jeder Reformpersuch dem Ministerium erst abgerungen werden müßte. Meine Damen und Herren, darf ich Sie an ein Wort erinnern, das Harnack auf der Reichs⸗ schulkonferenz gesprochen hat, gerade in jenem Ausschuß, der sich mit dem Aufbau des Schulwesens befaßte, wo viel über die Grundschule und den organischen Aufbau auf der Grund⸗ schule gesprochen worden ist. Damals sagte Harnack: ‚Das ganze Leben, die Betrachtung der Natur wie die Entwicklung des Menschen⸗ geschlechts lehrt uns eindringlich, daß alle Organisationsumwandlungen langsam, still und stetig vor sich gehen. Und gerade jemehr sie unter dem Einfluß der äußerlich zwingenden Verhältnisse in dieser lang⸗ samen Umbildung begriffen sind, desto stärkere Organismen erzeugen sie im Laufe der Zeit. Wenn von mir hier von der Tribüne dieses Hauses wiederholt darauf hingewiesen ist, daß wir langsam und stetig in dieser Hinsicht arbeiten müssen, so ist damit vielleicht doch wohl das Tempo unserer Arbeit richtiger angegeben, als wenn wir mit überstürzten Reformen kämen. *

Sie gestatten mir, daß ich hier eiwas ausführlicher verweile, und ich möchte denjenigen, die auch heute noch zu den ent— schiedenen Schulresormern gehören oder sich zu ihnen rechnen, zurufen: Schauen Sie nicht immer zurück in die Vergangenheit, hinein in die Theorien und die Konstruktionen, die damals während des Krieges, zu Ende des Krieges und nach der Umwälzung aufgestellt worden sind, sondern wagen Sie einmal ganz frisch und frei und unbefangen den Blick hinzurichten auf das, was bisher geschehen ist.

Ich spreche zunächst von der Grundschule. Durch das Reich sgrundschulgesetz vom 28. April 1920 ist ohne jeden gweifel damals alles das festgelegt worden, was heute wieder vielfach umstritten ist. Dieses Reichsgrundschulgesetz ist dann in Preußen durch Runderlaß vom 13. April 1921 zum ersten Mal näher er⸗ läutert worden. Als dann im Laufe der nächsten beiden Jahre häufiger Umgehungen des Grundschulgesetzes bemerkbar wurden, haben im Reichsschulausschuß erneut Beratungen stattgefunden, und dann ist eine Verständigung aller Länder erzielt worden. Diese Verständigung hat für Preußen zuerst ihren Niederschlag in einem

u nter allen Umständen zur Entfaltung gebracht!

auch hier ein gut Stück weiterge kommen. So groß und bewunderns⸗

der Vorwurf, den der Herr Abg. König hier im Plenum erhoben

vom 31. März d. J., in dem die Durchführung in einer Reihe von Zweifelsfällen näher erläutert wird. Das Reichsministerium des Innern hatte am 18. Juli 1921 Richtlinien für die Durch⸗ führung des Grundschulgesetzes vorgelegt. Hier heißt es im zweiten Teil Absatz 1: . Eine Sonderung der Schüler innerhalb der Grundschule zu dem Zwecke, bestimmte Kindergruppen auf den Eintritt in die höhere Schule vorzubereiten, darf nicht erfolgen. Ein Durchlaufen der Grundschule in weniger als vier Jahren würde dem §1 des Reichs grundschulgesetzes widersprechen und ist auch aus sachlichen Gründen abzulehnen. Die Aufnahme in eine mittlere oder höhere Schule ist ausnahmslos erst nach Erfüllung der vierjährigen Grundschul⸗ pflicht gestattet.

In mündlicher Verhandlung mit dem Reichsministerium des Innern ist nun wiederholt erklärt worden, daß sämtliche Länder diesen Richtlinien zugestimmt hätten und daß nur Preußen noch im Ver zuge sei. Preußen hat dann, nachdem noch gewisse Verhandlungen über die Privatvorschulen stattgefunden hatten, ebenfalls diesen Richt⸗ linien des Reichministeriums des Innern vom 18. Juli 1921 zuge⸗ stimmt.

Es ist darauf hingewiesen worden, daß Württemberg eine andere Regelung getroffen habe. Das ist bis zu einem gewissen Grade rich tig. Württemberg hat im April vorigen Jahres, bevor es den Richtlinien zugestimmt hatte, einen Erlaß herausgehen lassen, nach dem eine ge⸗ wisse Differenzierung in der Grundschule möglich sein solle. Dann aber hat auch Württemberg den Richtlinien des Reichsministeriums des Innern zugestimmt. So sind diese vom Reichsministerium des Innern im Einvernehmen mit allen Ländern herausgegebenen Richt- linien für alle Länder verbindlich; sie sind im Reichsministerialblatt veröffentlicht worden; und so besteht dieses Grundschulgesetz auch für Preußen, und nach ihm habe ich mich unter allen Umständen zu richten.

Herr Abg. Oelze war der Meinung, ich könnte doch mal fünf gerade sein lassen, und er verlangte die differenzierte Grundschule; und zwar motivierte er das damit, daß ich ja sonst mit der Ver⸗ fassung nicht so ängstlich sei; wenn ich mich in der Frage der sogenannten „Sammelklassen“ nicht ganz an die Verfassung hielte, so brauchte ich mich vielleicht hier auch nicht so ganz daran zu halten. Hier handelt es sich aber um zwei ganz verschiedene Dinge. Auf der einen Seite um ein bestimmtes Reichsgesetz, das ich als preußischer Minister unter allen Umständen durchzuführen verpflichtet bin, auf der anderen Seite, bei den Sammelkassen, um einen gewissen Wider spruch in der Verfassung, der auf irgendeine Weise gelöst werden muß. Ich komme noch darauf zurück.

Nun verlangt Herr Abg. Oelze die differenzierte Grundschule. In welchem Umfange, ist nicht klar zu erkennen. Aber ich muß doch sagen, daß das zurzeit eine rein pädagogische Frage ist, die uns staatspolitisch hier überhaupt nicht interessieren sollte; sie wäre reizvoll für eine pädagogische Diskussion, wie sie ja auch auf der Reichsschulkonferenz in breitem Umfange gepflogen worden ist⸗ Für uns kommt das wiederhole ich lediglich das Reichsgrund= schulgesetz in Frage, und ich erwähne hier ausdrücklich, daß schon in dem 25. Ausschuß des Reichstags, der über den Entwurf eines Ge— setzes, betreffend Grundschulen und Aufhebung der Vorschulen be= raten hatte, ein Antrag eingebracht worden ist, im 5 1 den Abs. 3 wie folgt zu fassen:

Für besondere Fälle kann durch die Landeszentralbehörden zu gelassen werden, daß der Lehrgang der Grundschule ein Jahr ver⸗ kürzt oder verlängert wird.

Dieser Antrag ist damals abgelehnt worden und ist auch von der Partei, die ihn im Ausschuß eingebracht hatte, im Plenum nicht wieder vorgebracht worden. Auch die Plenarverhandlungen, die dann im März und im April über das Reichsschulgesetz stattgefunden haben, zeigen, daß sich alle Parteien einperstanden erklärt haben mit der vierjährigen sozialen Grundschule, und daß gerade der Abg. Dr. Mumm es gewesen ist, der, ich glaube, seinen Parteifreunden ist erster Linie, dann aber auch denen, die sich an den Gedanken einer sozialen Einheitsschule noch nicht recht gewöhnen konnten, das Gewissen ge⸗ schärft hat. Sie gestatten, daß ich die Worte des Herrn Abg. Dr. Mumm Ihnen in die Erinnerung zurückrufe. Herr Dr. Mumm sagte in der Sitzung vom 19. April, an dem Tage, als in dritter Lefung die Abstimmung über das Reichsgrundschulgesetz stattfand:

„Von dieser Stelle her, wo man als von einer Kanzel weithin gehört wird, möchte ich eine Bitte an manche Schichten unseres Volkes richten, die bisher dem Gedanken der sozialen Grund⸗ schule fremd oder ablehnend gegenübergestanden haben. Ich möchte die Bitte an alle Gesinnungsgenossen richten, daß sie ver⸗ suchen sollten, die Gründe, die für die Einführung einer sozialen Schule, einer Grundschule für alle Schichten unseres Volkes sprechen, zu würdigen, und daß sie tun möchten, was geschehen kann, um diesem Gedanken in den Herjen aller Schichten unseres Volkes Bahn zu brechen.

(Hört, hört! bei der D. V.⸗P.) Wenn in weiten Bezirken unseres deutschen Vaterlandes, in Süd deutschland und Sachsen, ebenso in Westfalen, seit langem an Stelle der Vorschulen die allgemeine Volksschule für die ersten Jahre ge⸗ treten ist, so muß auch im übrigen Gebiete des deutschen Vater⸗ landes neu geprüft werden, wie weit es möglich ist, sein eigen Kind auch auf die allgemeine Schule zu schicken und dadurch, wenn auch manche Gefahren darin liegen möchten, doch zugleich ihm ein Gefühl der sozialen Gemeinbürgerschaft zu geben, das für unser deutsches Volk von großer Bedeutung werden kann. Wenn manchmal im Siegerlande Gewerke und Arbeiter das brüderliche Du der ersten Schuljahre durch ihr ganzes Leben hindurch beibehalten, dann liegt darin ein Element sozlaler Versöhnung, das in einer Zeit voll solch furchtbarer Spannung, wie es die Gegenwart ist, wahrlich nicht gering geschätzt werden sollte. Kultusminister Bosse hat nie berent⸗ in seiner Jugend die Volksschule besucht zu haben? Es ist damals in den Verhandlungen des Ausschusses und im Plenum überhaupt nicht mehr über die Dauer der Grundschule diskutiert worden. Es ist darüber verhandelt worden, ob die Grund- schule eine Simultanschule sein solle oder nicht, und es ist viel über die Frage der privaten Vorschulen gesprochen worden. Eine An— regung der Leitung eines provinzialen philologischen Vereins, unter ÜUmständen auch differenzierte Klassen einzuführen, ist nur kurz von dem Herrn Abgeordneten Mumm in der dritten Lesung erwãbnrt worden. Er hat diese Anregung „gütiger Erwägung“ der dabei beteiligten Instanzen empfohlen.

Das ist die Stellung, die damals im Ausschuß und im Plenum

des Reichstags zu der viersãhrigen sorialen Grundschule n eingeno

Runderlaß vom 16. Januar d. J. gefunden und dann in einem Erlaß

worden sst.