1923 / 185 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Aug 1923 18:00:01 GMT) scan diff

schlägen, die Gewalttat und Terror auch gegen die Bevölkerung des besetzten Gebietes selbst zur Folge haben (Zurufe von den Kommu— nisten) mit aller Kraft fortzusetzen und die Bevölkerung, die ihn aus eigenem Entschluß leistet, im nichtbesetzten Gebiet mit höchster Aktivität zu stützen. (Lebhaftes Bravo rechts.) Ob sich ein Weg zu Verhandlungen bald öffnet, ob nicht in jedem Falle ist es not⸗ wendig, daß wir alles tun, uns selbst zu helfen und der Welt den

Beweis dieses Willens zu geben. (Erner es Bravo rechts Das gilt vor allem auf finanzpolitischem Gebiete. Der Zerfall der deutschen Währung ist das

Schlimmste, was uns betroffen hat. (Zuruf von den Kommunisten: Was Sie auf dem Gewissen haben) Wir haben ihn nach Kräften und Mitteln aufzuhalten versucht und so wenigstens zeitweise Be⸗ ruhigung schaffen können. Der Zerfall hat in den letzten Tagen

einen Umfang angenommen, der tiefste Sorge und ich verhehle es nicht Verbitterung weckt. (Zurufe von den Kommunisten.) Wir stehen vor der Gefahr, von der Auslandszufuhr, sowelt nicht der

selhst Devisen Umlauf erhält, wie durch eine Valutablockade abgeschnitten zu Im Inland hat sich eine Währungskluft aufgetan, die uns vor schwere Gefahren stellt sind en hin ich sicher mit ill Einhalt zu tun und der breiten Kreise des deutschen Volkes Aus—

Käufer aus dem

werden

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Darum ist die Regierung und Uns entschlossen, alles im wirtschaftlichen Lose gleich zu schaffen

Die Börsenvorgänge der letzten T Ruhigdenkende fragen lassen, ob wir noch Zeit dazu haben

L. zu tun, um diesem Ver

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age werden auch Sicher ist,

daß diese Zeit kurz ist. Desto rascher müssen wir arbeiten. (Sehr richtig) Lassen Sie mich deshalb mit einem Worte gerade auf diese Vorgänge eingehen

Daß ö. er Einheitskurs des Dollars auf die Dauer nicht zu halten war, darüber waren alle Wirtschaftsverständigen, wohin sie auch gehörten, aus Bank und Börse, Handel und Industrie, Wissen schaft und Genossenschaften sich einig, wie überhaupt jeder Zwangs⸗ eingriff in den Devisenverkehr auf die Dauer versagen muß, weil er sich uf deutsche Börsenplätze beschränken kann, während die Mark Seiner Aufhebung folgte ein Dabei wirkte zweifellos

nur in der Welt gehandelt wird. neuer ungeheuerlicher Sprung des Dollars. mit, daß noch zahlreiche Aufträge vorlagen, die, um gegenüber den zum billigeren Inlandpreis berücksichtigt zu werden, weit über den Bedarf hinausgegangen waren. (Hört! hört! bei den Wir werden daher mit einem abschließenden Urteil

ganzen

dann geschehen kann, in dieser Stunde zu sprechen, wäre nicht nützlich. Nur das eine kann ich sagen: Rücksichlen auf irgendeinen Stand und Lebensbedürfnisse einzelner, auch großer Wirt⸗ ise schrecken mich nicht im geringsten in einer Zeit (lebhafte den Komunisten), in der so piele unseres alten Mittel Standesforderungen spielen keine Rolle, Aber freilich auf dem Boden auf dem Boden der wirk— schaftlichen Denkgesetze und in den Grenzen des für die Staatsmacht

gingen so wenig wie lheoretische Erwägungen.

eit des Wirtschaftslebens,

Durchseßbaren muß ich bleiben. (Lebhafte Zurufe von den Kom⸗ munisten. Abg Koenen: Des Profitsh Innerhalb dieser Grenzen

l 18 h nur ein Gebot, das Wohl des gesamten Volkes, und nur

einen Prüfftein: die Zweckmäßigkeit und Nüt lichkeit für dieses Ge— samtwohl. (Zurufe von den Kommunisten: Sie Bankrotteur! Sie Heuchler! Große Unruhe bei der Mehrheit. Abg. Schiele:

krotteur hat er gesagt! Abg. Koenen: Ihr seid die Nutznießer! Präsidenten.)

Präsident! Herr Abgeordneter Koenen und Herr Abge⸗ „inen letzten Versuch machen, in der tiefen sich befindet, serregte Zurufe bei den je doch mich wenigstens aussprechen! Beispiel zu ersparen, daß durch unsere Sitzung unterbrochen dommunisten. Rufe und Gegenrufe zwischen den K zmmunisten und den Vereiniglen Sozial⸗

( . !

. 26 biüetlell

(Sehr richtig! Lärm bei den

8 . M5; T . MMW'as Or Cuno, Reichskanzler: Meine Damen und Herren! Was

auch geschehen mag, Zwangsmaßnahmen können immer nur auf kurze Zeit hem Sie können nicht heilen. So lange weite Schichten unseres Volkes unhemmbar von der Sucht nach dem Dollar beherrscht sind, ist grundsätzliche Besserung nicht zu erwarten. Wer Devisen

zurückhält, handelt paterlandsverräterisch und

r schuld der Mitverantwortung.

Endgültige Heilung unserer Finanzen und unserer Währung ist

freilich überhaupt nur möglich, wenn unsere außenpolitische Lage ge— klärt und die Neparationsfrage in erträglicher Weise geregelt ist. (Sehr richtig) Das haben uns ausländische Sachverständige, das haben uns selbst unsere Gläubigerstaaten bescheinigt. Nach den Er—

en wir kein Recht, eine Zwischenlösung Inflation und dem Verfall der Mark

fahrungen dieser Zeit aber hall länger aufzuschieben, um der Einhalt zu tun.

Das Programm, das ich Ihnen heute vorlege, das der Herr Finanzminister im einzelnen erörtern wird, umfaßt drei Maß⸗ nahmen: zum etsten die Schaffung einer wertbe ständigen inneren Anleihe, zum anderen neue ertbeständige Steuergesetze und zum dritten Maßnahmen zur Förderung unserer Wirtschaft.

Um die Unruhe zu beseitigen, die infolge der Markentwertung aus der Unsicherheit der Anlage und Preisbildung sich ergibt, habe ich es für meine dringende Pflicht gehalten, mich mit aller Kraft für eine ertragreiche, mit guten Sicherheiten ausgestattete wer tbeständige innere Anleihe einzusetzen. Diese Anleihe soll erstens zur Ent⸗ lastung der Notenpresse rasch Mittel in Form fundierter Schulden bereitstellen und so insbesondere die Lücke ausfüllen, bis die Steuer⸗ gesetze wirksam werden. Sie soll zweitens der Wirtschaft und dem gesamten Volke eine wertbeständige Anlagemög lichkeit schaffen und den Blutumlauf unserer Wittschaft wieder herzustellen und normal zu gestalten helfen. Das unsinnige Anstürmen der Käufer auf die Ware, aber auch die verderbliche Flucht in Devisen soll sein Motiv dadurch verlieren, daß es dem Papiermarkbesitzer ermöglicht wird, auf andere, verständige, nicht mit strafrechtlichem und wirtschaft⸗ lichem Risiko verbundenen Weise sich den Wert von heute für später⸗

hin zu sichern. Dem Verkäufer wird die Möglichkeit eröffnet, für

seine Ware einen Gegenwert zu erhalten, der beständig bleibt, so daß für ihn der Grund zur Zurückhaltung de Erlöses in Ware oder zum Tauschhand gebung der Anlage in kleinen Beträgen ohne Zinsschein, aber mit Aus⸗ diese Zinsen soll dem Handel ein wertbeständiges

Ware, zur Neuanlage des

r el entfällt. Durch die Ve

gleich für

Zahlungsmittel! eröffnet und dadurch, daß auf dieser Grundlage Banken und Sparkassen ihren Kunden wertbeständige Konten eröffnen, auch für alle anderen Beträge wertbeständige Anlagen er⸗ möglicht werden

Die Anleihe soll drittens die erforderlichen Devisen zu beschaffen erleichtern. Schon in der Vorbereitung der Anleihe haben sich die Kreise der großgewerblichen Wirtscha ft bereit er⸗ einen sehr erheblichen Devisenbetrag erneut für Dollarschatz⸗ anweisungen der Reichsbank hinzugeben (aha! bei den Kommunistem), so daß damit die Stockung in der Einfuhr von Lebensmitteln über⸗ wunden werden kann.

Viertens soll die Anleihe den Spartrieb und damit den Arbeitstrieb in allen Volkskreisen erneut beleben. Das Sparen in der guten alten Weise der Sparkasse und des Sparbuchs soll wieder Sinn und Vernunft erhalten. Dem Jugendlichen, der ein seine augen—⸗ blicklichen Bedürfnisse überschreitendes Einkommen erhält (ohol bei den Kommunisten), soll mit Grund wieder gesagt werden können, daß er unverantwortlich und töricht handelt, wenn er das Einkommen in Luxuswaren und Luxusgenuß umsetzt. (Sehr richtig! in der Mitte und rechts Zurufe bei den Kommunisten.)

Endlich und das ist nicht das Geringste soll und wird die Anleihe den entschlossenen Willen des deutschen Volkes bekunden, unter allen Umständen für die Finanzierung seines Reiches Sorge zu tragen. (Zurufe von den Kommunisten) Ein besonderer Gesetzentwurf soll die Sicherheiten schaffen, die für die Anleihe bestellt werden. Diese Sicherheiten bestehen darin, daß die deutsche Vermögenssteuer, also eine wertbeständige Steuer, für die jährlichen Zinsleistungen und daß weiter das gesamte deutsche Privatvermögen für die Anleihe verhaftet ist. Aber es wäre leichtfertig und ungenügend, die Finanzierung des Reichsbedarfs nur auf eine Anleihe zu gründen. Mit ihr muß die Schaffung neuer Einnahmequellen Hand in Hand gehen. (Sehr richtig!

Unsere Steuergesetze bedürfen einer tiefgreifenden grund— sätzlichen Reform. Aber während wir diese einleiten, müssen wir rasch ein Notprogramm durchführen, um, was nur immer mit Er— haltung der Wirtschaft vereinbar ist, an Steuereinnahmen rasch und zuperlässig dem Reiche zuzuführen. Zu diesem Zweck schlägt Ihnen die Regierung, wie der Herr Finanzminister im einzelnen erläutern wird, Maßnahmen vor, die, soweit es noch nicht geschehen ist, unsere Steuern der Entwertung anpassen und in der Erhebung eines Rhein Ruhropfers, das nach dem Einkommenfteuermaßstabe erhoben wird, eine Notsteuer vorsehen. Die Vorgänge der letzten Tage zeigen klar, daß die Anpassung an die Geldentwertung im Wege fester Vei⸗ vielfältigungszahlen verbesserungsbedürftig und die Schaffung der Wertbeständigkeit aller Steuern nicht länger aufzuschieben ist. Sehr richtig! in der Mitte und rechts) Was an Anregungen aus diesem hohen Hause kommt, werde ich gern prüfen und, soweit es mit der Lage des Augenblicks vereinbar ist, in das Programm einfügen, denn, worauf es mir in der großen Linie der Gesamtpolitik ankommt, das ist rascheste, zuverlässigste Entlastung unserer Notenpresse. (Zuruf von den Kommunisten: Profitmachereih Selbst brutal wirkende Steuern, sofern sie nur nicht die Wirtschaft zum Erliegen bringen, müssen auf Zeit in Kauf genommen werden bis zu dem Augenblick, wo eine grund—⸗ sätzliche Reform unseres Steuerwesens durchgeführt ist. Wir müssen ein Notdach bauen, um unter diesem den Bau im ganzen um— gestalten und erneuern zu können. (Erregte Zurufe von den Kom— munisten. Gegenrufe rechts) Darum hat die Regierung bereits die Arbeit aufgenommen, um alsbald zu einer grundsätzlichen Reform derart zu kommen, daß die Anpassung an die Entwertung des Geldes erreicht und zwangsläufig sichergestellt wird, die Hemmnisse, die bisher die angemessene und wirksame Heranziehung des Einkommens und Ver— mögens behinderten, beseitigt, Steuer- und Kapitalflucht eingedämmt werden und wieder eine gesunde Steuermoral Platz greift. (Zurufe von den Kommunisten) Dazu wird auch notwendig sein, eine grundsätzliche Reform des Finanwerhältnisses zwischen Reich, Ländern und Ge— meinden in Angriff zu nehmen, die nicht von heute auf morgen durch— zuführen, aber auf lange Sicht vorzubereiten und in die Wege zu leiten ist, um jenes Maß von Selbständigkeit und Selbstverantwortung der Finanzgebarung herzustellen, ohne das die notwendige unerhittlich scharfe und harte Sparsamkeit nicht zu erreichen ist.

3 lart

Diese unerbittlich harte Sparpflicht gilt auch für den Reich shaushalt. Der seit einigen Monaten auf Ersuchen der Reichsregierung nach dieser Richtung hin tätige Präsident des Rech⸗ nungshofes des Deutschen Reiches hat durch Anregung von Verein fachungen in einer Reihe von Reichsbehörden, insbesondere mit dem Ziele der Aufhebung und Zusammenlegung von Behörden, im Zu— ammenwirken mit den Ressorts beachtenswerte Erfolge erzielt und ie Arbeit des Sparausschusses des Reichstags ergänzt. Ich nenne davon die Auflösung des Reichsschatzministeriums, den umfangreichen Abbau der Reichsversorgungsbehörden und mehrerer ministerium für Wiederaufbau naͤchgeordneter Reichsdienststellen, die Zusammenlegung der Behörden, dazu bedeutende Ersparnisse im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Weitere Ergebnisse sind von der im Gang befindlichen systematischen Durchprüfung des behördlichen Betriebes zu erwarten. Die Aufstellung des Haushalts für das Rechnungsjahr 1924 wird dem Reichstag Gelegenheit geben, auch seinerseits in dieser Richtung vorzugehen. Umfassendere Maßnahmen sind in Vorbereitung.

Anleihe und Steuergesetze sollen dem Währungsverfall entgegen wirken und sollen damit unserer Wirtschaft wieder eine ehrliche, gesunde Grundlage geben. Darum sind auch die Stenerlasten, so schwer sie sein werden, in großem Zusammenhang gesehen, kein Opfer für die Wirtschaft, sondern sie sind notwendig auch um dieser selbst willen Steuern und Anleihe müssen durch wirtschaftliche Maß nahmen ergänzt werden.

Währungspolitisch steht die Reichsbank vor großen Aufgaben, die mit Vorsicht, aber auch Entschlossenheit gelöst werden müssen. (Sehr richtig) So notwendig Selbständigkeit der Reichsbank ist, so hat sie ihren höheren Zweck im Wohl des Reiches und kann daher nicht anders als im engsten Zusammenhang mit den allgemeinen wirt⸗— schaftspolitischen Maßnahmen der Reichsregierung wahrgenommen werden. Die Einführung der Goldkonten und des wert beständigen Kredits, für die ich mich eingesetzt habe und ein⸗ setze, kräftigst zu fördern, halte ich ebenso für Pflicht der Reichsbank wie der Reichsregierung, und ich bin dabei der Uebereinstimmung mit den gesetzgebenden Körperschaften sicher.

Durch die Börsenvorgänge der letzten Tage dürfen wir uns nicht darüber täuschen lassen, daß die Devisenzwangsregelung abgebaut werden muß. Die Wirtschaft freilich mag sich gesagt sein lassen, daß der Zeit= punkt vom Wirtschaftsgange der nächsten Wochen, also davon abhängt,

s

dem Reichs⸗

ob und wie sie aus sich heraus die Notwendigkeiten unserer Lage be—⸗ rücksichtigt.

Die Einfuhr muß auf das absolut notwendige Maß beschränkt werden. (Sehr richtig Der Ausfuhr muß jede nur mögliche Unterstützung gewährt werden, um die deutsche Handels⸗ und Zahlungs

bilanz günstiger zu gestalten und uns Devisen zuzuführen. Soweit wir an Weltmarktpreisen angelangt sind, haben die Außen handelsstellen ihre eigentliche Bedeutung verloren. Sehr

richtig! bei den Deutschen Demokraten) Die Regierung wird daher für die Einschränkung ihrer Tätigkeit und ihres Umfangs auf das notwendigste, mit den Erfordernissen der Ausfuhr vereinbare Maß eintreten, aber nur in folgerichtiger Anlehnung an die Entwicklung, die im Sinne der Erleichterung dieser Fesseln zu gestalten bei der Wirt— schaft selbst liegt. (Bravo! bei den Deutschen Demokraten.)

Die Bestimmungen der Demobilmachungsveror d⸗ nungen alsbald, soweit es notwendig ist, in organisch ineinander⸗ gefügte Gesetze umzuwandeln, ist eine dringende Aufgabe, die im Herbst dieses Jahres gelöst werden muß.

Mit diesen Maßnahmen der Regierung aber, meine Damen und Herren, ist es nicht getan; das wichtigste liegt beim Volke selbst (sehr richtig) und den Berufskreisen, die seine Wirtschaft tragen, hängt ab von der Stärke seiner Staatsgesinnung. Und wehe für Gegenwart und Zukunft, wenn diese Staatsgesinnung nun versagen sollte! (Sehr guth

Die Ernährungsfrage erfüllt nicht nur die Einwohner der großen Städte, sondern auch anderwärts die Verbraucher bis in die kleinsten Orte hinein mit ernster Sorge, und aus dieser Sorge stammt ein großer Teil der Erregung und Beunruhigung, die durch unser Volk geht. In der Tat sind die alljährlich sich beim Uebergang von dem einen zum anderen Erntejahr ergebenden Schwierigkeiten infolge der Verspätung der Ernte besonders ernst geworden. Zuruf bei den Kommunisten) Durch gesteigerte Einfuhr dem Inlands⸗ mangel abzuhelfen, war nur in geringem Umfang möglich. Nun aber ist die Einfuhr der notwendigen Fette auf längere Zeit ge⸗— sichert In der Kartoffelversorgung sind wir über die schlimmste Zeit hinaus. Eine Stockung in der Brotver sorgung ist nicht zu befürchten, da in den Händen des Reichs eine genügende Getreidemenge ist, um die ausreichende Versorgung sicherzustellen. Die Ernteaussichten sind sehr erfreulich. Die Führer der Landwirtschaft haben mir erklärt, daß sie sich mit aller Kraft für die rasche, ungesäumte Zufuhr der Ernteerzeugnisse an den Ver⸗ brauch einsetzen werden. Auch von hier aus wende ich mich an die Landwirtschaft; ihr Bestand ist gesichert. Glücklicher als andere Schichten unseres Mitelstandes hat sie sich in harter Arbeit freilich, wie wir gern anerkennen ihre Werte erhalten. Die Verwertung ihrer Erzeugnisse ist ihr freigegeben. Um so höher und einster ist ihre Pflicht. Auch in den Kreisen der Landwirtschaft muß man sich darüber klar sein, daß eine Privatwirtschaft, die nicht mehr aus sich heraus im normalen Umlauf das Notwendige an die Verbraucher gibt, sich selbst preisgibt. (Sehr richtig! vechts) Gerade im Hinblick auf die kommende Getreideernte und im Hinblick auf die Kartoffelversorgung. die sich im Herbst vielleicht auf besonders knappe Zeit zusammendrängen wird, rufe ich daher auch von dieser Stelle aus die Landwirtschaft mit aller Dringlichkeit auf, nicht nur an Arbeit, sondern auch an Lieferung ihre Pflicht zu tun. (Zurufe von den Kommunisten.) Ich wende mich besonders an die der Landwirtschaft nah e stehenden per sönlichkeiten dieses Hau ses. daß sie ihren ganzen Einfluß, ihren persönlichen und politischen Einfluß im Lande dahin geltend machen und über den Ernst der Lage und den Ernst der Auffassung der Regierung keinen Zweifel lassen.

Die Ernährung ist nicht nur eine Mengenfrage, sondern eine Geldfrage. Darum ist die Reichsregierung trotz offenkundiger ernster Bedenken dazu übergegangen, hne und Gehälter innerhalb ihres Bereiches in starkem Umfange der Teuerung anzupassen. Die Ver handlungen des Reichstages vor einem Monat schlossen mit Er klärungen der Regierung darüber, daß die Reichsregierung auch für die Arbeiter in Privatbetrieben eine schnellere und bessere Anpassung Ter Löhne an die Teuerung für erforderlich hält, und daß sie in diesem Herr Reichsarbeitsminister noch besonders erklärte, tun werde, was sie tun könne. (Unruhe und Zuruf von den Kom⸗ munisten: Hungerinderh Das ist geschehen. Aber auch für die Folge ist es dringend notwendig und ich rufe dazu die Arbeitgeber aller Stände auf daß der Entwertung des Geldes rasch und wirksam in den Löhnen und Gehältern ein Ausgleich geboten wird. Wir alle werden naturgemäß den Friedensstand nicht erreichen können. Das gilt für unser ganzes Volk und wird, sobald wir nur einmal wieder eine gesunde Grundlage der Wirtschaft erreicht haben werden, auch für diejenigen gelten, die es bisher verstanden, der Entwertung wie der Steuergesetzgebung sich zu eniziehen. Denn wir sind an Substanz im Inland und Ausland und demgemäß an Ertragsmöglichkeit gegenüber der Zeit vor dem Kriege unendlich viel ärmer geworden. (Zurufe von der äußersten Linken; Wir müssen daher als Volk weniger ver⸗ brauchen, mehr sparen und mehr arbeiten. Dazu sollen gerade auch die Gesetze führen, die ich angekündigt habe. (Große Unruhe und lebhafte Zucufe von den Kommunisten. Gegenrufe rechts) Arbeiten und Sparen aber setzt ein ausreichendes Mindestmaß und eine die Höherleistung ausreichend berücksichtigende Höherbewertung in Gehalt und Lohn in allen Schichten unseres Volkes unbedingt voraus. Und hierfür das ihre zu tun, rufe ich Arbeitgeber aller Berufe heute mit besonderer Dringlichkeit auf.

Meine Damen und Herren! Nur auf solcher Grundlage wird es möglich sein, die innere Ruhe im Reiche zu erhalten. Wirt⸗ schaftliche Not und Enttäuschung, Bitterkeit und Empörung über die auf unserem Volke lastende Not und Schmach schaffen günstige Vor—⸗ bedingungen für radikale Umtriebe.

Sinne, wie der

Wenn die kommunistische Aktiv ität wäch st (Zurufe

von den Kommunisten, wenn extrem nationalistische Be⸗

strebungen ohne Rüchsicht auf die außen⸗ und in nenpolit sche Gesamtlage sich verstärken und da und dort merkwürdige Gedanken verbindungen jwischen ihnen zu laufen scheinen, kann die um den Frieden Europas besorgte Welt sich darüber wundern, da doch die Hüter der hochkapitalistischen Interessen des französischen Rentner staates selbst mit der Pflugschar den Boden für solche Saat aufreißen und bereiten? Desto notwendiger ist die Wachsamkeit und Besinnung aller, die es mit dem deutschen Staate und seiner ruhigen gesetzmäßigen Entwicklung ehrlich meinen. Die Regierung ist auf dem Posten und

wird gegen Unruhen, von welcher Seite sie kommen mögen, mit aller

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Kraft vorgehen und zeigen, daß die deutsche Ren sich zu schützen. Glocke des Präsidenten.

1A

(Andauernde lärmende Zuruse von d mmunisten.

Präsident: Ich bitte um Ruhe.)

lik stark genug ist

So verbrecherisch die Anzettelung des Bůrgerkrieges ist, so schädlich ist auch das Gerede vom Bürgerkrieg (sehr wahr! rechts und in der Mitte; Zurufe von den Kommunisten: Ihr macht den Bürgerkriegh, selbst wenn es aus ehrlicher Sorge entspringt. Wer da glaubt, in dieser Zeit die sogenannte innere Auseinander⸗ setzung bis zum Kampfe betreiben zu müssen oder dem Vaterlande

7 Yrit Geheimbündelei, mit Verdächtigung und Verunglimpfung anderer

är die Einheit des Reiches werden zu lassen.

n

zu dienen, der beweist eine politische Kurzsichtigkeit, die ihm auch in den Augen derer, die in Verbitterung schwer Anschluß an den heutigen Staat finden können, den Anspruch auf Führung nehmen sollte. (Sehr richtig! rechts) Vaterländische Gesinnung ist jetzt weniger als je eine Sache der Entzweiung, sondern der Einigung (sehr wahr! rechts und in der Mitte), keine Sache der großen Worte, keine Sache auch, so hoch ich das Bedürfnis unseres Volkes nach seelischer Erquickung und den Wert einer Kundgebung, wie sie etwa das große deutsche Turnfest war, veranschlage, fortgesetzter Feste und Feiern, sondern ist stiller, tapferer Dienst an der Erziehung der Jugend zu nationaler Wärme und harrender kluger Einsicht, an der sozialen Versöhnung der Stände und an staatlicher Gesinnung. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte. Zurufe von der äußersten Linken.)

Führung des Volkes scheint mir die gemeinsame Aufgabe der Politik des Reichs wie der Länder zu sein. Zu Verfas f

Solche

ssungsstreit und Verfassungsreformen ist jetzt keine Zeit, weder nach der einen noch nach der anderen Seite. (Andauernde Zurufe von der äußersten Linken Aber mit den im Reiche gegebenen Mitteln gedenke ich weiter mit allem Nachdruck dafür zu sorgen, daß die verfassungs⸗ mäßige Grundlage überall im Reich unangetastet bleibt. (Lebhaftes Bravo! rechts und in der Mitte.) Die Verfassung der Länder bietet ihnen rechtlich die Möglicheit einer weit auseinandergehenden politischen Entwicklung. Dieser rechtlichen Möglichkeit steht die nationale Pflicht gegenüber, die Verschiedenheit nicht zu einer Gefahr

d (Sehr wahr! rechts und in der Mitte) Es ist ein alter, im deutschen Volke viel zu wenig beachteter Grundsatz, daß die Innenpolitik sich der Außenpolitik unterordneten muß. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Diese Außenpolitik, wie sie im Einklang mit der Be⸗ völkerung an Rhein und Ruhr geführt wird, hat die notwendige Voraussetzung, daß die innere Einheit unseres Volkes sich nicht zer— spalten wird. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte) Dem muß jede parteipolitische Bestrebung und Absicht sich unterordnen; denn auch Parteibildung und Parteiwille haben ihre innere Berechti⸗ gung nur insoweit, als sie Mittel und Werkzeug sind zum Dienst an der Nation. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Die Einheit der Nation zu erhalten, ist unsere erste Aufgabe. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) wir der Republik.

Darum dienen Und wir können es freudig und stolz tun; denn ein

Staat und ein Volk, die den Kampf um die Freiheit so führen wie das deutsche Volk seit nunmehr sieben Monaten, sind trotz aller

Schmarotzer und Schädlinge der Ehre würdig im Inland und Ausland

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Als im Herbst 1918 der Krieg verloren gegeben wurde, gingen

Glaube und Hoffnung vieler auf einen Verständigungs⸗— Frieder I; 8a ff ö. . X.. c M . 3 ö. (. rieden. Die Hoffnungen wurden enttäuscht. Heute sehen wir

keine Möglichkeit eines Verständigungsfriedens; wir sehen nur die Forderung nach der Kapitulation. So geht der Kampf weiter. Er fordert ein starkes Volk und eine starke Regierung. Darum ist es Pflicht des Reichstags, dem Volke die stärkste Regierung zu geben, die möglich

(lautes Lachen auf der äußersten Linken), und sie mit der ganzen Autorität des Parlaments zu befestigen und zu stärken.

Meine Damen und Herren! Mehr als acht Monate ist es her, daß ich das Amt des Reichskanzlers übernommen habe. Ich habe es nicht aus Ehrgeiz oder aus irgendwelchem anderen Willen heraus getan (sehr richtig! bei der Deutschen Volksparteih, als mit meiner ganzen Politik dem Vaterlande zu dienen. (Stürmisches Bravo!

rechts und in der Mitte. Lärmende Zurufe von der äußersten Linken. Gegenrufe rechts: Ruhe! Erneute lärmende Zurufe von der äußersten Linken. Glocke des Präsidenten. Präsident: Ich bitte um Ruhe.)

Ich werde ihm bis zum letzten Tage meiner Kraft dienen, wenn Sie, die Vertreter des Volkes, mir Ihr Vertrauen geben, aber nicht einen Tag länger. (Bravo! rechts.)

Es muß Klarheit zwischen uns geschaffen werden, wie es mit diesem Vertrauen steht. (Zurufe von der äußersten Linken) Deshalb bitte ich Sie, über die Regierungs- vorlagen mit aller Offenheit Ihre Meinung zu sagen, dar ir sehen können, ob wir in gemeinsamer Arbeit das Volk retten können oder

(Stürmischer Beifall und Händeklatschen auch auf den Tribünen Lärmende Ruse von der äußersten Linken. Große Unruhe)

i

Reichsminister der Finanzen Dr. Hermes: Meine Damen

und Herren! Der Herr Reichskanzler hat Ihnen soeben die außen— politische Lage des Reichs dargelegt (Anhaltende Unruhe. Glocke des Präsidenten. Präsident: Meine Damen und

Herren, ich bitte doch um Ruhe!) lage geschildert, in der wir

und die allgemeine Wirtschafts⸗ uns befinden. Mir liegt es ob, die

M manzielle Lage des Reiches zu erläutern und auf die Gesetzentwürfe

Feinzugehen,

welche die Reichsregierung dem hohen Hause zur Be— schlußfassung unterbreitet hat. Diese Gesetzentwürfe betreffen einen Nachtrag zum Reichshaushalt für das Rechnungsjahr 1923, ein Gesetz über die Sicherung und steuerliche Behandlung einer wert— beständigen Anleihe des Deutschen Reiches, ein Gesetz über die Er— hebung eines Opfers für Rhein und Ruhr (Unruhe. Glocke. präsident: Meine Damen und Herren! Ich bitte aber doch, die Ruhe vollkommen zu halten. Die Ausführungen des Herrn Reichsfinanzministers sind so wichtig, daß das Haus sie anhören muß.) ein Gesetz zur Abänderung eines Gesetzes vom 9. Juli 1923 über die Erhebung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und die Körper⸗ schaftssteuer, ein Gesetz über Abänderung einzelner Verbrauchssteuern und ein Steuerzinsgesetz. Außer diesen Gesetzentwürfen, deren außer— ordentliche finanzielle Tragweite ich Ihnen sofort schildern werde, sind inschneidende Maßregeln in Vorbereitung auf dem Gebiete des Tarif— vesens bei den Reichsbahnen und der Reichspost. Auf steuerlichem zebiete wird, wie ich schon jetzt bemerken möchte, weiter ein Entwurf ur Abänderung des Vermögenssteuer⸗ und Erbschaftssteuergesetzes vwie zur Erhöhung der Umsatzsteuer demnächst vom Reichsministerium erabschiedet werden. Auf dem Gebiete der Einkommensteuer sind ie Arbeiten zur Anpassung an die veränderten Verhältnisse im

ollen Gange. inanzen des Reichs sind unzweifelhaft in einem schrecken— regenden Zustande wie noch nie seit Beendigung des Kriegs. (Zu⸗

den Komm.) Die Gesamtausgaben des Reichs haben be⸗

lfe von ei ngen einschließlich der Ausgaben der Betriebsverwaltungen und der

Aufwendungen zur Ausführung des Friedensvertrags im März 3807 Milliarden. April 2848 Milliarden. Mai 3934 Milliarden, Juni 14 521 Milliarden, Juli 37 058 Milliarden. Hiervon waren

durch Einnahmen gedeckt: im März 794 Milliarden, im April 100 Milliarden, im Mai 2101 Milliarden, im Juni 27765 Milliarden. Von den Gesamtausgaben sind also durch Einnahmen gedeckt gewesen: im März rund 21 vH, im April 355 vH, im Mai rund 53 vp, im

Juni 19 v5. Um einen klareren Einblick zu gewinnen, ist es aber notwendig, aus den Gesamtaausgaben die Zuschüsse zu den Betriebsverwaltungen, die Kosten der Ruhrabwehr und die Auf⸗ wendungen für die Durchführung des Vertrags von Versailles auszuscheiden. stach Ausscheidung dieser Ausgaben stellt sich nun das prozentuale Verhältnis zwischen den Ausgaben der allgemeinen Reichsverwaltung und den Einnahmen wie folgt: im März b8 vH, im April 83 vh, im Mai 199 vH (es ist der

Monat der Einkommensteuereingänge), im Juni 42 vo (der Termin der Zahlung der Vierteliahrsgehälter).

Die schwebende Schuld des Reichs hat sich unter dem Zwang dieser Verhältnisse seit dem 11. Januar 1923 von 1 Billion 629 Milliarden bis zum 4. August dieses Jahres auf 69 Billionen 606 Milliarden vermehrt. (Hört! hört! und Zurufe bei den Kommunisten.)

Zu diesen wenigen Zahlenreihen, mit deren Vermehrung ich Sie nicht ermüden möchte, darf ich ergänzend eine allgemeine Feststellung machen. Erstens: abgesehen von der Ruhrabwehr und den not— wendigen Besoldungen sind es besonders die Reichsbetriebe und die Aus— führung des Vertrages von Versailles, welche das Anschwellen der Aus— gabenseite zu so außerordentlicher Größe veranlaßt haben; zweitens: die Ausgaben der allgemeinen Reichsverwaltung, aus denen ich zurzeit die Ausgaben für das Extraordinarium noch nicht besonders errechnen kann, sind durch die Einnahmen des Reichs ietzt ebenfalls nicht mehr gedeckt. Der Mangel an Deckung erreicht aber hier kein Maß, als für die Zukunft unheilvoll angesehen werden müßte.

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Forschen wir nach den Ursachen des gegenwärtigen Unheils, so finden wir, daß, wenn eine gewisse Ruhepause in der Abwärtsbewegung der Mark eingetreten war oder einzutreten schien, auch die Finanzen

des Reichs nahe daran waren, ins Gleichgewicht zu kommen. Aber immer wieder traten Ereignisse ein, die alle Bemühungen

für Ausgleichung des Haushalts vereitelten und das Tempo der Abwärtsbewegung beschleunigten. Ich will heute auf die einzelnen Phasen der Entwicklung, die Ihnen, meine Damen Herren, ja wohl bekannt sind und die auch oft genug der Außenwelt gegenüber von diesem Platz aus dargelegt worden sind, nicht näher eingehen, sondern nur mit Nachdruck darauf hinweisen, daß auch die letzte ungeheuerliche Entwicklung ihre Ursachen nicht im Inlande, sondern im Auslande findet. (Zurufe bei den Komm.)

Wenn ich vorhin gesagt habe, daß noch niemals seit Beendigung des Krieges die Finanzlage so erschreckend war wie heute, so darf ich andererseits auch sagen, daß noch niemals seit dem Vertrage von Versailles Eingriffe in die deutsche Hoheit, in das deutsche Finanz— wesen und die deutsche Wirtschaft in einem solch unerhörten Maße vorgenommen worden sind, wie wir sie in den jetzt eine Reihe von Monaten herrschenden Zuständen im Westen unse Reichs zu beklagen haben. Das Deutsche Reich hat in der Er⸗ kenntnis, daß es den Vertrag ei Leistungsfähigkeit erfüllen muß, bisher alles versucht, um seinen Ver— pflichtungen s als möglich nachzukommen. Die Bemühungen

und

soweit waren aufrichtig und ehrlich gemeint (Zuruf bei den Kommunisten: Glauben Sie das?) und von großen finanziellen Anstrengungen be— gleitet, die ihre Wirkungen auf das Wirtschaftsleben im allgemeinen

und die Lebenshaltung des einzelnen nicht verfehlten. Wenn allen

diesen Bemühungen (Unruhe und Zuruf bei den Kommunisten) der Erfolg bisher versagt blieh. so lag dies einerseits daran, daß das Maß der Leistungen, das von uns ver— langt wurde und noch verlangt wird, in keinem Verhältnis zu

unserer Leistungssähigkeit steht und daß andererseits unsere Leistungs⸗ fähigkeit durch die außenpolitischen Verhältnisse, namentlich die un— versöhnliche Haltung Frankreichs von Tag zu Tag geschwächt wird. Wenn wir insbesondere das letzte Vorgehen Frankreichs an Rhein

und Ruhr betrachten, so darf sich in der ganzen Welt niemand wundern, wenn die Entwertung der Mark ins Ungemessene geht und damit die deutschen Finanzen am Rande des Abgrundes stehen. (Sehr richtig) Durch die Absperrung des Rhein- und Ruhrgebiets sind auch der Wirtschaft des unbesetzten Gebiets Fesseln angelegt worden, d desto mehr auf die Reichseinnahmen ihre Rückwirkung ausüben. Indem

die Gewaltaktion im Ruhrgebiet die dortige Gütererzeugung zu einer an Stillstand grenzenden Verlangsamung brachte, wirkte sie zugleich lähmend auf die Wirtschaft des unbesetzten Gebiets, in der ausgesprochenen Absicht Frankreichs, hierdurch und durch die daraus sich ergebende Verwirrung Reich und Land seinen politischen Willen aufzuzwingen. Wenn es trotz der ungeheuren Schäden und trotz der im besetzten Gebiet waltenden brutalen Gewalt in angestrengtester Arbeit gelungen ist, das wirtschaftliche Leben des gesamten Reichs noch in Gang zu halten, so ist das ein Zeichen für die Entschlossen— heit des deutschen Volks, sein Recht und feine Freiheit zu verteidigen. (Sehr richtig! rechts) Freilich die Finanzen des Reichs haben durch diesen Stoß auf das schwerste gelitten.

Bei den Ausgaben ließ nicht nur die Notwendigkeit, den be⸗ drängten Brüdern an Rhein und Ruhr nach Möglichkeit die not— wendige Hilfe zu bringen, ein starkes Anschwellen hervortreten, sondern sie werden in noch weit größerem Maße belastet durch die Auswirkungen der Besetzung auf das gesamte deutsche Wirtschaftsleben. Die unaufhaltsam rasende Abwärtsbewegung der Mark hat auch die Preise im unbesetzten Deutschland ins Ungemessene gesteigert und da— mit auch die Ausgaben, insbesondere der Löhne und Gehälter, in einer Weise erhöht, daß die Einnahmen nicht mehr im entferntesten Schritt halten konnten.

Nach dieser allgemeinen Betrachtung möchte ich mich, meine Damen und Herren, im einzelnen den wichtigsten Kapiteln unserer Ausgabewirtschaft zuwenden. Ich werde die Ruhrabwehr, die Reichs⸗ bahn, die Post und die Ausführung des Friedensvertrags betrachten und im Anschluß hieran die Verbesserung der Einnahmen durch Steuern und Anleihen behandeln.

Bei der Ruhrabwehr hat es sich im wesentlichen darum! gehandelt, diejenigen Erwerbskreise zu unterstützen, auf welchen die Last des Kampfes in erster Linie ruht. Durch die Maßregeln der Besatzungsbehörden ist die Gütererzeugung des besetzten Gebiets im weiten Umfange gelähmt worden. Das Schwinden der Absatz⸗ möglichkeit für weite gewerbliche Kreise des besetzten Gebiets, welchen

durch die Besetzung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit genommen war, machte die Erschließung von Kreditquellen für die Industrie zum

Zwecke der Aufrechterhaltung und Fortführung ihrer Betriebe in großem Umfange zur Notwendigkeit. Bei der in dieser Hinsicht

getroffenen Regelung ist darauf Bedacht genommen worden, zu ver—⸗ hindern, daß durch Bewilligung von Papiermarkkrediten bei einer weiteren Entwertung der Papiermark den Beteiligten ein ungerecht⸗ fertigter Vorteil zu Lasten des Reichs entstehen könnte. Wie in dem zur Koutrolle der Ruhrkredite eingesetzten Ausschuß des Reichstags im einzelnen dargelegt worden ist, ist die Gewährung derartiger Kredite und die Uebernahme von Bürgschaften für solche grundsätzlich in wertbeständiger Form erfolgt.

Der Finanzierung des Ruhrkampfes soll der Entwurf eines Ge⸗ setzes über die Erhebung eines Opfers für Ruhr und Rhein dienen, auf den ich später im einzelnen näher eingehen werde. Vom Ruhr⸗ einbruch sind, wie Sie wissen, die Reichsbahnen besonders schwer be⸗ troffen. Neben den unmittelbaren Ausgaben, die sie aus diesem Grunde haben, ist ein außerordentlich hoher Einnahmeausfall zu ver— zeichnen. Daher rühren die nicht nur in Papiermark, sondern auch im übrigen absolut wachsenden Anforderungen, welche die Reichsbahn an die allgemeine Reichskasse in den letzten Monaten gestellt hat. Von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung mußten naturgemäß die

Reichsbetriebsverwaltungen der Reichsbahn und Post im be- sonderen Maße beeinflußt werden. Die Geldentwertung hatte

auch hier sprunghaft aufeinanderfolgende Erhöhungen der Personal⸗ und Sachausgaben zur Folge. Trotzdem wäre es der bahn möglich gewesen, im Rechnungsjahre 1922 die laufenden Ausgaben durch Einnahmen zu decken, wenn nicht der Ruhreinbruch erfolgt wäre. Immerhin ist der hierdurch entslandene Fehlbetrag für

Reichs⸗

das Jahr 1922 noch verhältnismäßig gering geblieben. Er stellt sich nach vorläufiger Feststellung auf etwa 370 Milliarden Mark.

Für das Rechnungsiahr 1923 muß infolge des Ruhreinbruchs ebenfalls mit einem Fehlbetrag gerechnet werden. Wie sich die Verhältnisse tatsächlich entwickeln werden, läßt sich zurzeit noch nicht übersehen. zedenfalls wird durch äußerste Sparsamkeit auf allen Gebieten des ö Vorsorge

.

Betriebs und der Verwaltung sowie durch Tarifmaßnahmen werden, daß die Ausgaben des ordentlichen Haushalts nach

getroffen d 3 4 1 3 [ . J. 8 Möglichkeit durch Einnahmen gedeckt werden.

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Die Reichspost ist gegenüber der Reichsbahn in einer un— günstigeren Lage, da sie mit ihren Gebührensätzen der zunehmenden Geldentwertung nicht schnell genug und ausreichend sich anpassen konnte.

Der Posthaushalt gibt für 1922 Milliarden Mark, der Voranschlag Fehlbetrag von etwas mehr als ei liche Abbärdung bei stetigen Wi wäre. Der seit April in besonderem Ma entwertung konnte die Post jedoch nicht schnell durchgreifende Betriebs⸗ und Verwaltungsreformen eine Ersparnis Hunderten von Milliarden Mark brachten und trotzdem die Tarife mehrfach erhöht warden. So ergibt sich nach dem gegenwärtigen Stande ein wesentlich höherer Fehlbetrag, dessen Abbürdung mit allen Kräften angestrebt wird durch weitere energische Einschränkung

8 91318 . i Farzforkkki 19 9 ro n3cRkhste an 9 der Ausgaben und durch Tariferhöhungen, deren nächste am 1. Sep⸗

einen Fehlbetrag von rund 200 für 1923 rechnete mit einem einer Billion Mark, dessen allmäh⸗

möglich gewesen ze eingetretenen Geld genug folgen, trotzdem

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tember erfolgen soll.

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er ipassung der ntwertung bei der Post so sehr altbar. Um die erläßliche schnellere Anpassung der Einnahmen an die Geldentwertung zu erreichen, Tarife der Eisenbahn und Post auf wert⸗ eständiger Grundlage aufgebaut werden, und zwar in der Weise, daß für die Tarife feste Grundzahlen bestimmt und diese mit einer de jeweiligen Wirtschaftslage entsprechenden Schlüsselzahl vervielfäl

werden. Die Verhandlungen hierüber stehen vor dem Abschluß, es i beabsichtigt d

s die neuen Maßnahmen bei der Eisenbahn Anfang und bei der Post Mitte September

Zustand,

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einzuführen.

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Die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts und Post sind auf das alleräußerste Maß eingeschränkt. D mäßige Erhöhung der Geldbeträge ist hier lediglich durch die Geld⸗ entwertung bedingt.

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In seiner gegenwärtigen furchtbaren Lage ist das Reih noch gezwungen, gewaltige Aufwendungen für die Ausführung des Ver trages von Versailles zu machen. Während der Dauer der Ruhr— besetzung, nämlich in der Zeit vom 11. Januar bis 20. Juli 1923, sind hierfür folgende Bet aufgebracht worden: für Reparations⸗ barzahlungen (belgische Schatzwechsel) 927 Milliarden Papiermark (hört, hört! rechts, Lieferung von Kohle und Koks und Neben⸗ produkten (Italien) 327 Milliarden (hört, hört!, Viehlieferungen Wi

164 Milliarden, Wiederausbaulieferungen (Wiederaufhaumaterial, Holz, Maschinen, Lokomotiven usw.) 2297 Milliarden, Ab— lieferung von Schiffen 290 Milliarden, englische Sanktions⸗ abgabe 1000 Milliarden, Besatzungskosten und interallierte Kommifsionen 524 Milliarden, Lieferungen außerhalb der Repa⸗

rationen 71 Milliarden. Insgesamt ergibt sich so eine Be⸗ lastung des Reichshaushalts in Höhe von fast 6 Billionen Mark. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Zuruf links: Wieviel ist das in Gold?) Ich will dieses Bild verdeutlichen durch die Gol dmarkwerte unserer Lieferungen und Leistungen, zu deren Aufbringung hauptsäch— lich diese erwähnten 6 Billionen Papiermark verwandt worden sind. Die am Ruhreinbruch nicht beteiligten Staaten haben in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1923 mit Einschluß der englischen Repara tionsabgabe Sachleistungen im Werte von rund 270 Mil⸗ lionen Goldmark erhalten. Dazu treten 268 Millionen Goldmark, die zur Einlösung der auf Grund des Beschlusses der Reparations⸗ kommission vom 31. August 1922 an Belgien begebenen Schatz⸗ wechsel in bar bezahlt worden sind.

Es kann vor der Welt nicht laut und deutlich genug betont werden, daß das von Frankreich unerhört vergewaltigte Deutschland neben seinen allgemeinen großen Opfern noch derartig gewaltige Reparalionsleistungen bewirkt hat, die zu der Vermehrung der schwebenden Schuld zwischen dem 11. Januar und dem 31. Juli in wesentlichem Maße beigetragen haben. (Hört! hört!)

Meine Damen und Herren! Wenn ich mich nunmehr der Vermehrung der Einnahmen zuwende, so will ich mich auf dem steuerlichen Gebiete lediglich mit den Maßnahmen befassen, die fortan wirken sollen. Unter den neuen Vorlagen steht in erster Linie der Entwurf eines Gesetzes für das Opfer für Rhein und Ruhr. Dieser Gesetzentwurf will in erster Linie die leistungsfähigen Steuerpflichtigen in großem Umfange auf Grund der Einkommen- und Körverschastssteuervorauszahlungen heranziehen. Es soll jeweils das Doppelte der im 3. und 4. Kalenderjahr 1924