. n n,. . R . . 2 na. . ö. ö mem
am Fälligkeitstage abgehoben werben, wenn die Schatzanwelsung der Vermittlungsstelle wenigstens zwei Wochen vorher ein⸗ gereicht wird.
Der Betrag der etwa fehlenden Zinsscheine wird vom Kapital zurückbehalten. Mit dem Ablaufe des 31. März 1924 hört die Verzinsung der gekündigten Schatz⸗ anweisungen auf. —
Vordrucke zu den Quittungen werden von sämtlichen Ein— lösungsstellen unentgeltlich verabfolgt.
Von den zum 1. April 1915 (Serie VI), 1916 11. 191 (vn), 1918 (Xv), 1915 (V,. 1920 (XVI, 1821 96), 1922 17) und 1523 [X) gekündigten Schatzanweisungen ist eine große Anzahl noch nicht zur Einlösung vorgelegt worden. Die In⸗ haber werden aufgefordert, sie zur Vermeidung weiteren Zins⸗ verlustes schleunigst einzureichen.
Berlin, den 6. Oktober 1923.
Hauptverwaltung der Staatsschulden.
Evangelischer Oberkirchenrat. Der Pfarrer und Konfistorialtat im Nebenamt Kähler
in Münster ist zum Generalsuperintendenten der Provinz
Pommern im Hauptamt ernannt worben. Ihm ist der aus ganz Vorpommern und 6 Diözesen aus Hinterpommern be—⸗ stehende Sprengel übertragen.
Ministerium für Wissenschaft, Kun st
und Volksbildung.
Das Preußische Staatsministerium hat den Studienrat der staatlichen Augusta⸗Schule in Berlin Busch zum Studien— direltor einer staatlichen höheren Lehranftalt ernannt und ihm die Leitung der Paul Gerhard -Schule — Staatliches Real⸗ gymnasium — in Lübben übertragen.
Die Wahl des Studiendirekiors Kleffner an dem Gym⸗
nasium mit Realpreg mnasium in Bottrop zum Oberstudlen⸗
direftor an einer höheren Lehranstalt des Patronatsbereichs
der Stadt Bottrop und die Wahl des Studienrats Rieger an
der Lateinischen Hauptschule der Francke'schen Stiftungen in
. a. S. zum Dberstudienrat an einer der stiftischen höheren ehranstalten daselbst ist bestätigt worden.
Bekanntmachurg.
Auf Grund des § 21 des Gesetzes zum Schutze ber Nepublik vom 21. Juli 1922 habe ich den in Strehlen (Schlesien) erscheinenden‚Volksboten“ auf die Dauer von vier Wochen, und zwar vom 3. Oktober bis 31. Oktober 193 einschließlich verboten.
Breslau, den 2. Oktober 1923.
Der Oberpräsident der Provinz Niederschlesien. Zimmer.
a 2 O Q rx 2 , , m, Nichtamtliches.
Dentsches Reich.
Der Königlich schwedische Gesandte Freiherr Ramel nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der en hd wieder übernommen.
Der österreichische Gesandte Riedl hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Legationsrat Buch⸗ ber ger die Geschäfte der Gesandischaft.
Uebersicht
H. der Einnahmen der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung und HI. ver Einnahmen ver Deutschen Reichsbahn für die Zeit vom 1. April bis 31. August 1923,
III. über den Stand der schwebenden Schuld am 30. Sept iber 1923.
—— e O t ᷣQmm·K„„ „„,
Aufgekommen sind
Aufgekommen sind
Mithin Rechnungsjahr 1923 Im Reiche:
vom 1. April , ,. gz bis Cnde . August 1923
ö 4 *
im Monat August 1922
haushaltsplan flt die ö r das Rechnungg⸗
j 6a ;
gegen Rechnungsjahr 1922
vom 1. April p insgesamt
1922 bis Ende 4 mehr — weniger ahr August 1922 (Epalte 4 gegen 6) n, auf y k e.
—
2
3 1 5
6 7 8
I. Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung!) .. Darunter: Postgebühren Telegraphengebühren .. Fernsprechgebühren Scheckverkehr
IE. Deutsche Reichsbahn. Personen⸗ und Gepäckverkehr Güterverkehr Sonstige Betriebseinnahmen
2 821 992 894
1 569 440 380 68h h13 324 3h8 hhß h 75
40 284 928
6 331 hoo db 436
3 761 474 859 961 2 014 526 4532 097 2654 464 715 907 133 bo6 142 936
b 6 l 354 705 924
3 364 196 293 892 1 846 352 288 816 149 129 404278 105 6653 124 647
2 264 906 000 16 219 520 000 578 865 000
9 404 119 620 000 45 h18 S875 182 000 10653 583 068 000
S 298 797 444 000 41 346 522 417 0900 S8 989 298 0090
764 608 28 00
23 892 000 000 S0 607 000 009 198 980 000 000 33 450 000 009
6 321 Sol 621 867
3 745 9b 260 429 2 012 999 833 782 2562 bb7 488 94 133 202 262787
9 699 264 578
b hl? h98 632 1615 598 315 1897226093
303 880 149
* *
1200 000 0900 000 8 600 000 0090 000 110 880 900 000
9 396 987 337 ooo 4b 462 176 419 000 1051805 677 000
8 132283 000 bb ho I67 000 17177391000
Zusammen. ...
bo bog 309 159 000 bh 76 b77 70 00 18 0593 291 000
9 Infolge der Verkehrsschwierigkeiten im besetzten Gebiet fehlen die Angaben der Oberpostdirektion Dortmund.
II. Stand der schwebenden Schuld am 30. September 1923.
1. Diskontierte Schatzanweisungen.. 3. . J Davon: a) mit dreimonatiger Laufzeit (bei der Reichsbank diskontiert) .
b) sonstige, mit einer längeren Laufzeit ausgegebene Schatzanweisungen ö 2. Weitere Zahlungsverpflichtungen aus Schatzanweisungen und Schatzwechseln ;
3. Sicherhestsleistungen mit Schatzanweisungen und Schatzwech
Berlin, den 4. Oktober 1923.
Reichsfinanzministerium.
seln (hierunter 386 320 Milliarden fär Zwecke der Reichsgetreideversorgung).
66 608 441 000 bb od gh9 429 000 ] 9 910 880 000 000
***
46 716 6165 248 406 850 A
68 220 773 122 444 . b 944 423 008 609
D e Tr. r dos *
Summe III....
Deutscher Reichstag. 385. Sitzung vom 6. Oktober 1923, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichten büros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) )
Am Regierungstische: der 1 Dr. Strese⸗ mann, der Reichsminister des Innern Sollmann, der n rr der . Dr. Luther, der Reichswirt⸗ . ter Dr. Koeth, der Reichsarbeitsminister Dr. rauns, der ß Dr. Radbruch, der Reichswehrminister Dr. Ge z ler, der Reichspostminister Hoefle und der Reichsverkehrsminister Oe ser. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 30 Min. Von der Tagesordnung abgesetzt werden das Ermächti⸗ un gs ere und das Gesetz über die Errichtung einer Wäh⸗ rungsbank. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt der . Abg. Koenen ,, mit heftigen Ausfällen gegen die bayerlsche Regierung, einen Antrag sofert zur Beratung zu stellen, der die Aufhebung der bayerischen Streikverordnung fordert. Abg. Höllein 96. beantragt weiter, einen Antrag sofort u behandeln, der die Aufhebung der vom ,,, verordneten orzensur über Nachrichten von Unruhen verlangt. 1. Redner be⸗ uptet, daß dig Konterrevolution marschiert sei, und da 3 ihre aten im Dunkeln verschleiern wolle. m il f alle habe Geßler die Stirn besessen, von national -⸗kommunistischen Haufen zu 6 um durch das Schwenken des roten Tuches den deutschen Spießbürger zu erschrecken. uf Vorschlag des Präsidenten werden beide Anträge mit der Aussprache verbunden. ö. der Tagesordnung steht an erster Stelle die Ent⸗ gegennahme einer Erklärungder Reichsregierung. Reichskanzler Dr Stresemann: Meine Damen und Herren! Die Vorgänge der letzten Tage haben zu einer Neubildung der Regierung geführt. Diese Neubildung hat sich auf der alten parteipolitischen Grundlage vollzogen. Sie hat Veränderungen in der Besetzung des Reichswirtschaftsministeriums, ferner in der Besetzung des Reichsfinanzministeriums gebracht. ministerium wird von Herrn Dr. e. h. Koeth geführt, das Reichs finanzministerium von dem bisherigen Minister für Ernährung und Landwirtschaft, Herrn Dr. Luther. Das Reichsministerium für Er— nährung und Landwirtschaft bleibt vorläufig offen. Es ist die Absicht der Regierung, es möglichst mit einer aus der Landwirtschaft stammenden oder mit ihr im engsten Vertrauensberhältnis stehenden Persönlichkeit zu besetzen. Die letzten Ereignisse haben eine sehr scharfe Kritik erfahren. Der Verband der Eisen⸗ und Stahl—⸗ industriellen sagt mit Bezug auf diese letzten Tage, der Parlamen—⸗ tarismus habe versagt. (Sehr richtig! auf der äußersten Rechten.) Ich werde auf die Bedeutung dieser Kritik, soweit der Parlamen⸗ tarismus in Betracht kommt, eingehen. Aber gestatten Sie mir, an die⸗ jenigen Herren, die aus der Wirtschaft heraus hier Kritik daran üben, daß unttt dem parlamentarischen System, unter der Herrschaft der politischen Entwicklung der letzten Jahre eine wirtschaftliche und finanzielle Zerrüttung eingetreten sei, doch einmal eine Gegenfrage zu stellen. Hat denn nicht auch die Wirtschaft versagt, indem sie sich
Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden ver Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
Das Reichswirtschafts
in ihren führenden Persönlichkeiten nicht dem Staat zur Verfügung gestellt hat? (Cebh. Zustimmung bei den Sozialdemokraten und in der Mitte) Seit der Zeit, als das Kabinett Fehrenbach sich hier zum ersten Male dem Reichstage vorstellte, haben die Bemühungen nicht aufgehört, für die großen Ministerien der Wirtschaft und der Finanzen, für die Ordnung unseres Verkehrs. und Postwesens die jenigen Herren heranzuziehen, die ihrerseits auf Grund einer prakti- schen Lebenserfahrung stets davon ausgehen, daß das Fehlen dieser Erfahrung wesentlich zu einem Mißerfolg der Verwaltung bei⸗ getragen habe. Nun, meine Herren, diejenigen Persönlichkeiten, die sich zur Verfügung gestellt haben, die wir Männer der Wirtschaft nannten, fast immer waren es solche, die aus dem Beamtentum hervor- gegangen waren und dann in die Wirtschaft kamen. Das war der Fall bei Persönlichkeiten, wie dem heutigen Botschafter Dr. Wied feldt, wie dem Reichskanzler Cuno u. a. Wann aber haben die Herren, die da sagen, daß der Parlamentarismus versage, ihre führenden Köpfe mit ihrer Lebenserfahrung dem Staate zur Ver fügung gestellt, um zu zeigen, wie man es besser macht, wie man die Reichsverkehrsanstalten kaufmännisch aufzieht, um den Parlamen⸗ tarismus einmal ad absurdum zu führen? (Stürmische Zustimmung links Den Parlamentarismus führt man nicht ad absurdum mit Resolutionen, sondern dadurch, daß man durch praktische Mitarbeit an führender Stelle zeigt, daß und wie die Dinge zu bessern sind. Das muß ich an dieser Stelle gegenüber der Kritik ausführen. Meine Herren, eine zweite Frage! Die Vorgänge, die sich in den letzten Tagen abgespielt haben, geben gewiß auch zu berechtigter Kritik Veranlassung. Aber ich möchte doch auf eines hinweisen. Es ist ein Irrtum, wenn es so hingestellt wird, als ob diese ganzen Vorgänge sich lediglich bezogen auf einen Kampf um die Macht, auf einen Kampf um andere politische Einstellung. Um was handelte es sich denn in der Grundfrage, die hier vorlag? Es wurde so hin⸗ gestellt, als hätte das Kabinett die Führung verloren, als hätte es sie plötzlich an die Fraktionen abgegeben und dadurch die Ent⸗ scheidung aus dem Kabinettszimmer in das Plenum des Reichtstags verlegt. Ich würde ein solches Uebergeben der Entscheidung vom Kabinett an das Plenum des Reichstags und die Führung der Fraktionen für einen ganz falsch verstandenen Parlamentarismus und für eine falsch verstandene Demokratie halten. (Lebhafter Beifall bei den Demokraten) Hier aber lagen die Dinge so: Wir traten an den Reichstag heran, um ein CErmächtigungsgesetz zu erhalten und den Reichstag zu veranlassen, auf verfassungsmäßig ihm zu⸗ stehende Rechte auf längere Zeit hinaus zu verzichten und dem Kabinett Vollmachten zu geben, die weit hinausgehen über das, was jemals, glaube ich, ein Kabinett, das auf legalem Wege vor- gehen will, erbeten hat. (Lebhafte Zustimmung) Für diese ver⸗ fassungändernden Bestimmungen ist hier im Hause die Annahme durch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Es war ganz klar, daß bei der Bedeutung dieser Sachlage nicht eine Blankovollmacht verlangt und gegeben werden konnte, sondern daß man sich wenigstens über die Grundlinien dessen klarwerden mußte, was in bezug auf die Wirtschaft, in bezug auf die Finanzen und auf dem Gebiete der Sozialpolitik dann unter späterer Nichtmitwirkung des Reichstags hier geschehen sollte. Dem galten die Verhandlungen, und bei diesem Problem
einer Festsetzung, nicht von Prinzipien — denn über Prinzipien win man sich leicht einigen —, sondern dessen, was hier praktisch geschehen sollte, und angesichts der Bedeutung dieser Frage entstanden die Differenzen, die wir erlebt haben und die jetzt in der Neubildung der Regierung ihre Erledigung gefunden haben.
Wenn ich nach diesem Rückblick auf die letzten Tage jetzt auf die Gesamtlage eingehe, so gestatten Sie mir, zu beginnen mit dem, was unsere ganze Lage zweifelloß am meisten beeindruckt. Es sind das die außenpolitischen Verhältnisse. Ich habe mit Bedauern ein Kritik des deutschnationalen Parteiaufrufs gelesen, der da von da Regierung sagt, sie zeige mehr Vertrauen zum Feinde als zum eigenen Volk. Das bezog sich auf die Aufgabe des passiven Widerstandt Weiter habe ich eine Kritik der Regierung gelesen, und zwar in einem meiner Partei nahestehenden Blatte im Westen, man bedauert daß die Regierung bei der Aufgabe des passiven Widerstands di materiellen Gesichtspunkte sehr in den Vordergrund gestellt habe die ideellen Gesichtspunkte aber dahinter habe zurücktreten lassen Eine große und eine weitgehende Kritik spricht davon, daß ma einen Mißerfolg mit der Aufgabe des passiwven Widerstandes gehabt habe, weil die Erfolglosigkeit der außenpolitischen Wirkung kla zutage liege.
Gestatten Sie mir, mich mit diesen Argumenten auseinander zusetzen, wenn ich von der Phase der Entwicklung spreche, die di wichtigste bisher in dieser außenpolitischen Entwicklung ist, nämlich von der uns aufgezwungenen Aufgabe des passiven Widerstandt— Diese Kritik, die ich dargelegt habe, geht von einer falschen Auffassum aus über die Gründe, die die Regierung zu dieser Maßnahme wer⸗ anlaßt haben. Wie war die Situation, die das Kabinett vorgefunden hat, als es zur Regierung berufen wurde? Der Ruhrkampf wan
unerhörten Bedrückung der gesamten Bevölkerung, unter Gewalt tätigkeiten sondergleichen, die eine maßlose seelische Depression aus gelöst hatten, die vielleicht aus dem passiven Widerstand hervorgim und hervorgehen mußte.
Der Widerstand entsprang so unmittelbar dem Willen der Br völkerung, daß niemand ihn damals beim Einbruch der Franzosen irgendwie durch Machtmittel hätte zurückhalten können. Beamte, Wirtschaftler und Arbeiter haben zusammengehalten in diesem Wider stande, getragen von nationaler Begeisterung und von Leidenschaften dieses deutsche Land nicht der Gewalttätigkeit des Einbruchs aut zuliefern.
Wie war die Idee des Widerstandes? Ich darf darauf hinweisen daß ich als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses schon in den ersten Monaten, als dieser Widerstand geleistet wurde, darauf aufmerksam gemacht habe, daß der Widerstand nicht etwa Selbstzweck sei unt dauernd anhalten könne. Er solle vielmehr durch seine Wirkung di Einbruchmächte dahin bringen, daß sie einsehen, daß die produktiht Ausnutzung des Ruhrgebiets ihnen nicht gelänge, daß sie einsehen, daß sie einer ihnen abweisend gegenüberstehenden Bevölkerung gegem überständen, daß sie durch die Schwierigkeiten des Landes, die ihnen erwüchsen, gezwungen würden, mit uns den Weg der Verhandlungt! zu gehen. Diese Verhandlungen sollten die Grundlage bilden für ein
freies Rheinland und die Wiederverfügung des Ruhrgebietes. Ma
seit Januar geführt worden, er war geführt worden unter einet
hat mir den Ausdruck „Wiedewerfügung“ flbelgenommen, man hat ihn als eine Einschränkung angesehen. Gewiß, es ist eine Ein schränkung der mißverstandenen Formel des früheren Herrn Reichs kanzlers Cuno, die man ihm in den Mund gelegt hat und die er niemals getan hat, daß man sich erst an den Verhandlungstisch mit ben Franzosen und Belgiern setzen werde, wenn sie das Ruhrgebiet beräumt hätten. Er hat wiederholt betont, daß er diesen Satz nie ausgesprochen habe. Ich möchte an die Herren von der Rechten, die ebenso wie ich in der Machtpolitik den bewegenden Faktor des Volks⸗ lebens sehen, die Frage richten, ob sie glauben, daß die größte Militärmacht der Welt sich zurückziehen werde aus einem okkupierten Lande, wenn sie aussprechen, daß sie erst Verhandlungen führen wollen, sobald diese Macht sich aus dem okkupierten Lande zurück— gezogen habe. Das würde vollkommen dieser Idee widersprechen, die gerade von seiten dieser Kritik ausgesprochen wurde. Man kann die Frage wohl aufwerfen: Hättet Ihr den passiven Widerstand bedingslos aufgeben dürfen? Man kann ferner die Frage aufwerfen, vb zu einer früheren Zeit ein Abbruch des passiven Widerstandes uns die Möglichkeit gegeben hätte, Bedingungen durchzusetzen, damals, als der passive Widerstand auf der Höhe war, als infolge davon die Enttäuschung über den bisherigen Mißerfolg beim Gegner das Maximum erreicht hatte, als Herr Poincars damals in Frankreich ben schärfsten Angriffen wegen der Ergebnislosigkeit dieser Einbruchs politik sich ausgesetzt sah. Aber es mußte sich naturgemäß ergeben, daß die Zeit dazu führte, die Wirkung des passiven Widerstandes ab⸗ zuschwächen. Die moralische Widerstandskraft in einem Volke, das sobiel durchgemacht hat wie das deutsche, kann nicht ewig dauern. Wer im Januar gesagt hätte, daß diese Drangsalierungen neun Monate lang getragen würden, den hätte man damals einen Uto— pisten genannt, weil wir alle der Meinung waren, daß diese Dinge viel früher ihr Ende finden würden. Meine Herren! Diese Wider. standskraft ist erlahmt, man soll der Bevölkerung daraus keinen Vorwurf machen. Es gibt etwas, was über die Grenzen dessen hin⸗ ausgeht, was die Völker ertragen können.
Es haben sich im Zusammenhang mit dem Sinken der mora— lischen Widerstandsfähigkeit auch gewisse Zeichen der Demoralisation gezeigt in einer zu weitgehenden Inanspruchnahme von Reichsmitteln. Ich bringe das in Zusammenhang mit einem Sinken der moralischen Widerstandsfähigkeit, und ich sage Ihnen: gerade wenn plötzlich un⸗ berechtigterweise in der Kritik nur die eine Seite dieses Bildes gezeigt wurde, dann soll man auf die andere hinweisen, auf das, was das Volk erlitten und erduldet hat. Von diesem Gesichtspunkte aus waren meine Ausführungen gerichtet gegen eine in der Oeffentlichkeit laut werdende Kritik, die es gerade so hinstellt, als ob dort über⸗ haupt nur noch Reichsrentner gewesen wären, und nicht ein Volk gesessen hätte, das Unendliches für sein Vaterland erduldet hat.
Meine Herren! Die Situation, die wir vorfanden, war die eines nicht mehr auf der Höhe stehenden moralischen passiven Widerstandes. Es war infolgedessen klar, daß angesichts der Ermattung, die ein getreten war, mit diesem Widerstand allein Franzosen und Belgier aus dem Einbruchsgebiet nicht mehr herauszubringen waren. Je schwächer der Widerstand wurde, desto schwerer war es, ihn diplo—⸗ matisch irgendwie für Deutschland ausnutzen zu können.
Die weitere Kritik, das Ueberwiegen des Materiellen in der Auf fassung der Reichsregierung! Mir liegt es durchaus nicht, irgendwie in der ganzen Auffassung der Verhältnisse unserer Zeit das materielle Moment in den Vordergrund zu stellen. Ich bin der Meinung: Wenn wir überhaupt an einen Wiederaufstieg Deutschlands glauben, dann kann dieser Wiederaufstieg nur aus dem Sittlichen hervorgehen, und alles, was wir auf materiellem Gebiete tun, wird demgegenüber vollkommen versagen. Unsere finanzielle Not auf materiellem Gebiete erwähne ich hier, weil sie selbstverständlich wie ein Barometer den Einbruchsmächten anzeigte, wie es mit uns stand. Denn wir haben heute ein Barometer, das täglich der ganzen Welt zeigt, wie es mit Deutschlands Finanzkraft bestellt ist. Wenn wir uns fragten, ob wir mit dem passiven Widerstand noch diplomatische Erfolge erringen konnten, mußten wir uns gleichzeitig fragen, ob man denn nicht aus dem fortschreitenden Verfall der Währung, den noch keine technische Maßnahme aufzuhalten vermocht hat und der rasende Fortschritte machte, nachdem weite Bestandteile unseres Reichsbankgoldes zu der Stützungsaktion verwandt waren, sehen konnte, daß dieses Deutsch⸗ land finanziell am Erliegen war und daß damit natürlich die Mög⸗ lichkeit auch schwand, angesichts dieser der Welt bekannten Tatsache mit dem passiven Widerstand positiv etwas zu erreichen. Dazu kam, daß sich aus dem besetzten Gebiet die Meldungen über den Wunsch der Bevölkerung nach Abbruch dessen, was sie erdulden mußte, häuften. Auch die Ausdauer einer solchen Bevölkerung kann nur begrenzt sein. Heute, nachdem diese Dinge zu Ende sind, darf ich Ihnen sagen, daß ich zwei Tage nach Antritt meines Amtes die Leiter der Ausschüsse, darunter eine Persönlichkeit wie den Herrn Oberbürgermeister Jarres, gesprochen und ihnen als erste Frage vorgelegt habe: Wie lange glauben Sie, daß die Bevölkerung diese Dinge noch ertragen kann? Der Widerstand ist fortgeführt worden über diese Periode hinaus, die uns als diejenige genannt wurde, in der es nichts anderes mehr gebe, als den Widerstand in sich selbst auflösen zu sehen.
Von dem Augenblick an mußten bei uns auch Bemühungen ein⸗ treten, eine Formel zu finden, die uns die Möglichkeit gab, die Auf ⸗ gabe des passiven Widerstandes zu außenpolitischen Ergebnissen zu benutzen. Diese Aufgabe ist unzweifelhaft nicht gelöst worden. Wir haben in dieser Beziehung einen Mißerfolg erlitten. Ich glaube aber nicht, daß Sie sagen können, daß Menschen oder Parteien an diesem Mißerfolg Schuld getragen haben. Wir waren nicht bereit, den passiven Widerstand bedingungslos aufzugeben. Wir waren bereit, einmal die Formel der englischen Regierung vom 20. Juli anzu⸗ nehmen, die in ganz anderer Weise die Wiederaufnahme der Arbeit im besetzten Gebiet regeln wollte, als es das französische Gelbbuch vorsah. Wir waren bemüht, weiter durch eine Politik der Regierung, die die Diskussion über den Grundgedanken des Memorandums vom J. Juni wieder aufnahm, die aber über die ganzen Gedanken der Garantie der Wirtschaft hinausging, indem sie die mittelbare Haftung gegenüber dem Staat in eine unmittelbare umwandelte, die Grund⸗ lage für eine internationale Anleihe und durch diese internationale Anleihe die Möglichkeit zu schaffen, die Besatzungsmächte aus dem Ruhrgebiet herauszubringen. Mit der Idee, Lösegeld für deutsche Freiheit zu zahlen, versuchten wir eine Atmosphäre zu schaffen, die es möglich machte, die Aufgabe des passiven Widerstandes uns als ein Opfer bezahlen zu lassen, und zwar mit dem, was uns zunächst am Herzen lag, mit der Freiheit der Gefangenen, mit der Wiedergabe Per Heimat an die Vertriebenen und später mit einer unter unserer
Mitwirkung ersolgenden Wiederaufnahme ber ganzen Arbeit im Ruhrgebiet.
Wir haben nach dieser Richtung Vorschläge unterbreitet, wir haben nach dieser Richtung Besprechungen eingeleitet. Die so hoffnungsvoll begonnenen Unterhaltungen wurden zum Abbruch ge⸗ bracht durch die von dem französischen Ministerräsidenten bei anderen Mächten durchgesetzte Forderung der bedingungslosen Aufgabe des passiven Widerstandes. In dieser Frage war eine völlige Einheits front bei den Alliierten vorhanden. Ich habe Vorwürfe gegen die Regierung nach der Richtung gehört, sie habe einen vollkommenen Kurswechsel vorgenommen, sie sei nicht in der Lage gewejstn, den großen moralischen Erfolg der englischen Note vom II. August aus⸗ zunutzen. (Sehr richtig! bei der Deutschvölkischen Frein eitspartei.
Ja, es haben sich sogar einige Kritiker erhoben, die den Gedanken
zum Ausdruck brachten: Wie konntet Ihr erwarten, daß England an Euch aktives Interesse nahm, wenn Ihr Euch selbst so schlapp zeigtet, den passiven Widerstand aufzugeben? Diejenigen, die diese Kritik aussprechen, würde ich doch bitten, einmal die Rede zu lesen, die Lord Curzon gestern in der englischen Reichskonferenz gehalten hat. In dieser Rede hat Lord Curzon nicht davon gesprochen, welchen Stand ⸗ punkt die englische Regierung jetzt einnehme, sondern er hat davon gesprochen, welche Ratschläge die englische Regierung der Regierung Cuno zum Abbruch des passiven Widerstandes gegeben hätte. Ich darf Ihnen versichern, daß gerade in diesen Ideen der Gedanke ent— halten war, ein früherer Abbruch des passiven Wiverstandes hätte dazu führen können, daß wir ihn nicht bedingungslos abzubrechen brauchten. (gZqustimmung rechts; in der Mitte und bei den Sozial⸗ demokraten) Darauf bezieht sich auch die ganz harte und zum Teil unparlamentarische Kritik, die Lord Curzon in den Epitheta, die er gebraucht, an die Fortsetzung des Widerstandes über den Zeitpunkt binaus knüpft, an dem noch mit diesem Widerstand etwas zu erreichen war. Ich glaube, man darf daraus wohl das eine erseben, daß es unrichtig ist, anzunehmen, wir hätten uns irgendeinen Sekundanten verprellt, und zwar dadurch, daß wir eine einseitige Orientierung vor⸗ genommen hätten.
Ich darf auch auf das hinweisen, was ich wiederholt von dieser Stelle aus zum Ausdruck gebracht habe: Jede Idee, in der heutigen internationalen Situation von deutscher Seite aus einen Alliierten gegen den anderen auszuspielen, wäre eine politische Dummheit, die sich an uns selber rächen würde. (Lebhafte Zustimmung rechts, in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Abg. v. Graefe: Das zu sagen ist eine noch größere Dummheit) Herr v. Graefe, das ist ein Werturteil, das ich meinerseits nicht unterschreibe. Es ist ganz klar, daß in der gegenwärtigen internationalen Situaton — ich wiederhole das — die einzige Möglichkeit der Lösung des Reparationsproblems nur besteht in einer Vereinbarung zwischen den Alliierten auf der einen Seite und Deutschland auf der anderen Seite. (Zustimmung in der Mitte und links.) Glaubt irgend jemand, daß hier ein Heraus ⸗ nehmen irgend eines Alliierten uns die Möglichkeit gebe, damit die Ansprüche eines anderen abzutun? Möglich, daß Selbstinteressen der einzelnen Alliierten sie veranlassen könnten, sich einer zu starken Schwächung Deutschlands entgegenzustellen — solche Selbstinteressen gibt es — sie werden sich aber nur im Zusammenwirken der Alliierten geltend machen und um so mehr sich geltend machen, um so weniger wir irgend jemanden anspornen, nach dieser Richtung hin etwas zu tun und damit vor der Welt als Sekundant Deutschlands etwa zu erscheinen. (Sehr gut! in der Mitte und links,) Ich darf damit diesen Gedankengang zu Ende führen. Ich darf aber dann weiter auf ein Zweites eingehen. Ich habe Ihnen offen zugestanden: Es ist kein außenpolitischer Erfolg mit der Aufgabe des passiven Widerstandes erreicht worden. Aber ich verwahre mich dagegen, daß die Aufgabe des passiven Widerstandes etwa von uns aus in Aussicht genommen wäre, von uns aus den Vertretern der besetzten Gebiete etwa so dargestellt worden sei, daß wir sagten: Wir geben den passiven Widerstand auf, weil wir glauben und wissen, daß dann der Weg ins Freie gegeben ist. Nein, meine Herren, ehe der Entschluß der Reichsregierung ge⸗ faßt war, habe ich in einer Ansprache an die Vertreter der besetzten Gebiete zum Ausdruck gebracht: ich warne vor jeder Illusion, daß uns im jetzigen Zeitpunkt die Aufgabe des passiven Widerstandes die Er leichterung und Verständigung brächte, die wir wohl alle erhoffen, und ich habe ausgeführt: ich bin nicht nur skeptisch, ich bin ganz stark pessimistisch nach dieser Richtung, und ich glaube, daß wir ganz schweren Zeiten entgegengehen, ganz schweren neuen Bedrückungen, und daß der Kampf gegen diese Bedrückungen vielleicht seinen Höhe⸗ punkt erst erreichen wird, wenn wir in die neue Phase eingetreten sind. Ich darf darauf später eingehen. Ich verwahre mich deshalb nur dagegen, daß wir dem Gegner mehr getraut hätten als dem eigenen Volke. Wir wissen, was wir dem eigenen Volke zugemutet haben mit dem Abbruch des passiven Widerstandes. Das ist auch in dem Auf⸗ ruf des Herrn Reichspräsidenten zum Ausdruck gekommen. Wir haben nicht dem Gegner getraut, sondern wir haben den Widerstand auf⸗— geben müssen, weil wir der Meinung waren, daß wir sonst sehenden Auges in den Abgrund in bezug auf unsere eigenen deutschen Ver⸗ hältnisse hineinkommen würden. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links) Meine Herren, man kann heute nicht diese materiellen Dinge einfach als quantits négligeable, als etwas Sekundäres auf⸗ fassen. Wir haben uns wohl überlegt — auch das gestehe ich offen —, ob es nicht Möglichkeiten gäbe, den passiven Widerstand länger fort⸗ zusetzen, unter anderen Formen. Denn daß wir ihn Herrn Poincars zuliebe aufgegeben hätten, davon ist gar keine Rede; dem deutschen Volke zuliebe haben wir ihn aufgegeben, nicht dem französischen Ministerpräsidenten zuliebe. (Lebhafte Zustimmung.) Wenn wir mit seiner Weiterführung etwas hätten erreichen können, wenn wir uns gesagt hätten: wird er weitergeführt, so bringt er uns deutsche Freiheit, dann hätten wir ihn weitergeführt.
Aber so lagen die Dinge nicht! Schon früher ist von der Elastizität des Widerstandes gesprochen worden. Aus den besetzten Gebieten selbst sagte man, daß die Starrheit des Widerstandes ihn in einzelnen Teilen zerbräche. Gleichzeitig forderten die anderen größere Aktivität. Neun Monate waren vergangen. Der Widerstand war keine Waffe mehr. Gleichzeitig aber brachte er uns in eine finanzielle Zerrüttung, die den Markverfall in seinem Endeffekt gar nicht mehr absehen ließ, so daß wir den Augenblick vor Augen sahen, wo über haupt die deutsche Mark nicht nur im Auslande, sondern auch im Inlande aufhörte, irgendein Zahlungsmittel zu sein. Wir mußten uns sagen: Infolge finanzieller Erschöpfung müssen wit den Kampf aufgeben, weil alle die Folgen dieses Währungsverfalls sich dann nicht nur im besetzten, sondern auch im unbesetzten Deutschland geltend machen würden. Ich glaube, daß diese Gesichtspunkte und der Gedanke, daß eine Festung kapitulieren muß, weil sie keinen
Probiant mehr hat oder weil bie guführung von Proviant die Gefahr in sich birgt, daß bat ganze Volk nachher nicht mehr in der Lage ist, sich zu ernähren, keine Sache ist, der man sich als nationaler Mann zu schämen hat. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volktz⸗ partei, in der Mitte und links) Auch wenn man als nationaler Mann trauert, daß die Verhältnisse dahin gekommen sind. ( Grneute lebhafte Zustimmung) Wenn deshalb die Rheinisch · Westfälische Zeitung“ schreibt, der Kanzler, der das getan hätte, gehöre vor den Staatsgerichtshof, dann erkläre ich hier: Ich bin gern bereit, mich vor jedem Staatsgerichtähof wegen dessen zu verteidigen, was ich getan habe! (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartei, im Zentrum, bei den Demokraten und Sozialdemokraten) Ich möchte denjenigen, die diese Angriffe mit ihrer nationalen Gesinnung be⸗ gründen, sagen: der Mut, die Aufgabe des passiven Widerstandes verantwortlich auf sich zu nehmen, ist vielleicht mehr national, als die Phrasen, mit denen dagegen angekämpft wurde. (Lebhafte Zu— stimmung und Beifall bei den Mehrheitéparteien) Ich war mir bewußt, daß ich in dem Augenblick, wo ich das tat, als Führer meiner Partei, die nach einer ganz anderen Richtung eingestellt war, damit nicht nur vielleicht die eigene politische Stellung in der Partei, ja das Leben auf das Spiel setzte. Aber was fehlt uns im dentschen Volke? Uns fehlt der Mut zur Verantwortlichkeit! Sonst würden die Wirtschaftler die Stellen in der Regierung einnehmen, sonst würde man den Mut haben, auch einmal gegen populäre Strömungen anzukämpfen. (Stürmischer Beifall) Deshalb verwahre ich mich dagegen, daß hier in dieser Weise, wie es geschehen ist, davon ge⸗ sprochen wird, als wenn alle diese Gründe, die ich hier mit Schonung angeführt habe, in bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse, aus irgend- einer Schlappheit des Willens heraus geboren wären, aus irgend- einer pazifistischen Einstellung, aus irgendeiner Vertrauensduselei gegenüber denen, die uns weiß Gott, in ihrem Verhalten seit dem Friedensvertrag von Versailles keinen Beweis davon gegeben haben, daß wir ihnen gegenüber irgendwie Vertrauen in ihre Gerechtigkeit haben können. Wenn ich das hier zum Ausdruck bringe, so darf ich das Eine doch sagen gegenüber Manchem. Ich knüpfe da an Aus führungen an, die ich vorhin gemacht habe, daß es unrichtig ist, nun nachträglich, weil der Kampf verloren ist — denn er ist ver⸗ loren, soweit der passive Widerstand in Betracht kam — nun Kritik zu üben, als wäre der Kampf von vornherein eine falsche Idee ge wesen, und etwa die Schuldfrage aufzuwerfen, wet uns in diese Situation geführt hätte. Wir kämpfen für die Idee. Die Idee unterlag der machtpolitischen Einstellung der Verhältnisse, aber die Idee leuchtet weiter und hat der Welt das eine gezeigt, daß die⸗ jenigen die Welt belogen haben, die da sagten, daß im Rheinland ein deutscher Stamm sei, der sich freue, wenn Frankreich zu ihm käme, die da sagten, daß nur die Regierung und die Industrie die Arbeiter verhinderten, sich mit den Franzosen zu verbrüdern; sie hat der Welt gezeigt, daß ein solcher Kampf eines Volkes durch diese Zeit hindurch, unter Bedrückungen, die seelisch schwerer zu ertragen sind, als der Kampf in offenem Felde, nur von einem Volk geführt werden konnte, das in treuer Liebe auch in Not und Elend zu seinem deutschen Vaterlande steht. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen.) An dieser Idee, an der Bekundung dieser Ideengänge der Welt gegenüber, kann gar nichts ändern, wenn Separatisten unter dem Schutz französischer Bajonette irgendeine Kundgebung in rheinischen Landen veranstalten. (Sehr richtig) Was dort in diesen letzten Tagen geschehen ist, das zeigt ja doch gerade, wie wenig selbst diese Not und Zerrüttung des ganzen Lebens und die seelischen Pein igungen an der großen Einstellung des Volkes etwas geändert haben. Und danken möchte ich auch an dieser Stelle den Männern der Schutz⸗ polizei, die dort in Düsseldorf gegenüber unerhörtester Vergewalti= gung ihre Pflicht getan haben. (Stürmischer Beifall) Nach dieser Richtung wird auch die Aufgabe des passiven Widerstandes nichts ändern. Dieser Beweis ist vor der Welt geliefert. Denen dafür zu danken, die alles erduldet haben, was er mit sich gebracht hat und was weiter die Verhältnisse mit sich bringen, ist, glaube ich, eine Pflicht, in der alle Parteien, in der das ganze Volk einig sein sollten. (Anhaltender Beifall.)
Gestatten sie mir nach dieser Behandlung der Frage des passiven Widerstandes und seiner Aufgabe als solcher einen kurzen Blick auf die gesamte außenpolitische Lage zu werfen. Wir haben noch keine Antwort auf das deutsche Memorandum vom 7. Juni er⸗ halten (Hört! hörth, auch nicht von England (Hört! hörth. Einig= keit der Alliierten besteht nicht über die Grundsätze dieser Antwort. Es scheint, daß ebenso wie manchmal die Einigkeit in Fraktionen über Formulierungen und Grundsätze nicht zu erreichen ist (Heiter keith, auch sonst im diplomatischen Verkehr einheitliche Schrift ⸗ stücke sehr schwer zu verfassen sind. Wir haben jedenfalls mit der Tatsache zu rechnen, daß selbst die starke Einstellung Deutschlands auf Gedankengänge, die in England verstanden wurden, daß selbst die bedingungslose Hingabe an die Entscheidung eines internationalen Schiedsgerichts, das weiteste, was man von einem Volk verlangen kann, daß selbst das uns nicht dahin gebracht hat, irgendwie zu einer gemeinschaftlichen Basis der Verhandlungen mit den Alliierten zu kommen.
Die Behandlung, die Deutschland seit dem Friedensvertrag er⸗ fahren hat, dauert in ähnlicher Form fort. Sie hat sich auch nicht geändert, seitdem der passive Widerstand aufgegeben worden ist. (Hört! hört! bei den Deutschnationalen) Wir waren bereit, Ver⸗ handlungen aufzunehmen über die Fragen, wie das Leben im besetzten Gebiet wiederhergestellt werden sollte. Wir waren bereit, Verhand⸗ lungen über Reparationen wieder aufzunehmen, und ich darf wohl sagen, unsere Angebote sind das weitgehendste, was jemals ein Volk angeboten hat. (Hört! hört! bei den Deutschnationalen) Sie gehen hinaus über den Friedensvertrag selbst. (Hört! hört! bei den Deutsch— nationalen) — Gewiß, meine Herren, darüber ist gar kein Zweifel — sie gehen hinaus über die Bindungen, die der Friedensvertrag uns auferlegt, die lediglich das Vermögen des Reiches und der Länder unmittelbar haftbar machen lsehr richtigh; sie haben den ganz großen Gedanken aufgegriffen, auch das Vermögen der Privatwirtschaft haft⸗ bar zu machen (sehr richtig! bei den Demokraten und Sonisal⸗ demokrateny, um, wenn es sein muß, durch Schuldknechtschaft der eigenen Wirtschaft herauszukommen aus der Knechtschaft des ganzen Volkes. (Sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte.) Trotzdem sind auch diese weitgehenden Angebote bisher nicht irgendwie Grundlage der Weiterentwicklung der Verhältnisse geworden.
Es gibt kein Buch traurigerer Erinnerungen als die Denkschrift der Reichsregierung über die Angebote Deutschlands an die alliierten Mächte. (Z;ustimmung und Bewegung) Das ist ein Stück Welt ⸗