m Deutschland gegenwärtig das zugrunde, was einst Deutschland an besten Kräften der Welt draußen gegeben hat. (Sehr richtigh Was der Bundeskanzler Dr. Seipel, was die Abgeordneten Bauer und Dinglhofer über deutsche Not im österreichischen Parlament gesprochen haben, indem sie es begrüßten, daß wir vom Bruderkrieg befreit worden sind, und indem sie die herzlichsten Wünsche für die Weiter⸗ entwicklung der deutschen Verhältnisse zum Ausdruck brachten, alles das wird bei uns, auch wenn wir staatlich getrennt sind, ein brüder liches Echo finden in diesen Zeiten der Not. (Lebhaftes Braboh Aber nicht ausländische Hilfe allein kann die Lösung bringen. Es wird im wesentlichen auf die eigene Kraft des deutschen Volkes an kommen.
Nun darf ich mich den Vorwürfen zuwenden, die davon sprechen, was ja auch vorhin in dem von dem Herrn Präsidenten zurück. gewiesenen Zwischentuf zum Ausdruck kam, als wenn eine deutsche Reichsregierung nicht das Recht hätte, ausländische Hilfe anzurufen, indem man ihr den Vorwurf macht, daß sie selbst nicht das Letzte getan hätte, um dieser Not zu steuern. Ich darf demgegenüber ein Bild der Entwicklung geben, wie sie sich seit der Aufgabe des passiven Widerstandes vollzogen hat. Als der passive Widerstand aufgegeben war, haben wir erwartet, daß zur Wiederingangsetzung des Wirtschafts⸗ lebens im besetzten Gebiet Verhandlungen von Regierung zu Regie rung stattfinden würden. Ich bemerke auch von dieser Stelle aus: wir haben ein Recht darauf gehabt, das anzunehmen; denn ausdrücklich und offiziell ist erklärt worden, daß die Verhandlungen zwischen den Regierungen über alle Fragen 24 Stunden nach Aufgabe des passiven Widerstandes beginnen würden. (Sehr richtig! und Hört, hörth Man hat versucht, sich von dieser Zusage dadurch frei zu machen, daß man plötzlich die Fiktion aufstellte, der passiwwe Widerstand sei gar nicht aufgegeben, daß man plötzlich davon sprach, wir hätten die Beamten in der Pfalz noch auf drei Monate hinaus unterstützt, wir erfüllten noch weiter Leistungen an das besetzte Gebiet für Arbeitslose usp. Es war ganz selbstwverständlich, daß die Aufgabe des passiven Widerstandes nicht gleichbedeutend sein konnte mit Auf- gabe finanzieller Hilfe für das besetzte Gebiet. mung) Diese Einwendungen konnten in keiner Weise Frankreich berechtigen, nun das abzulehnen, was es vorher zum Ausdruck gebracht hatte. (Sehr richtig) Wenn ein großer Wirrwarr eingetreten ist, dann sind in erster Linie dafür diejenigen verantwortlich, die es ab⸗ lehnen, mit den Instanzen Verhandlungen zu führen, die doch schließ⸗ lich dazu da sind, durch ihre Verwaltung Dinge in Ordnung zu bringen, wenn sie zusammengestürzt sind. (Sehr wahr) Nun sagt man uns, wir hätten Zeit versäumt, um schnell diese Dinge zu regeln. Wir haben zunächst um diese Idee der Aufgabe des passiven Wider- standes kämpfen müssen. Wir haben den Nachweis erbracht, daß die Verordnungen zurückgezogen seien. Wir haben immer und immer wieder darauf hingewiesen, daß wir zu Verhandlungen bereit seien; wir haben verlangt, daß wir bei den Verhandlungen gehört würden. Als wir damit nicht durchkamen und bis heute nicht durchgekommen sind (hört, hört) — meiner Meinung nach ist es unerhört, in den Be⸗ ziehungen der Völker zueinander, (lebhafte Zustimmung) in dieser Weise die verantwortliche Regierung, die für ihr Volk zu sprechen und zu verhandeln hat, von der Möglichkeit auszuschalten, ihrem Volke zu helfen (sehr wahr) — als diese Dinge nicht weiter gingen, da mußten wir den Weg gehen, einzelne Kreise der dortigen Be—⸗ völkerung zu beauftragen, ihrerseits die Verhandlungen zu führen, die wir unmittelbar nicht mehr führen konnten. Damit haben die⸗ jenigen Verhandlungen begonnen, die vorgestern der Herr Abg. Wels hier erörtert, die er vielfach kritisiert hat und die er vielfach falsch kritisiert hat. Das sind die Verhandlungen, die geführt worden sind von Vertretern der Wirtschaft mit Vertretern der französischen Be⸗ hörde. Der Herr Abg. Wels sprach von dem Halbdunkel dieser Ver⸗ handlungen. Herr Kollege Wels, ich bin sehr gern bereit, diese ganzen Verhandlungen dem Reichstag zur Verfügung zu stellen in allen den Protokollen, die darüber gewechselt worden sind, so wie wir ja auch die Briefe, die wir an die Herren geschrieben haben, in der Presse ver⸗ öffentlicht haben. (Zuruf bei den Kommunisten) Es wird davon gesprochen, daß hierbei insbesondere die Frage der Arbeitszeit etwa im Mittelpunkte gestanden habe oder für diese Verhandlungen wesent⸗ lich gewesen sei. Ich habe mich gegen die Aeußerungen des Herrn Klöckner, die in der ersten Verhandlung mit Degoutte erfolgten, bereits in der „Kölnischen Zeitung“ in einem Interview gewandt. Aber für die weiteren Verhandlungen, für die Paraphierung der Verträge, hat die Frage der Arbeitszeit gar keine Rolle gespielt, und ich habe in dem ersten Antwortschreiben, das ich den Herren gab, zum Ausdruck gebracht, und zwar ganz unmißverständlich: für die Regelung der Arbeitszeit gelten die deutschen Gesetze. (Zuruf bei den Kommunisten) Damit war diese Frage überhaupt aus den Ver⸗ handlungen ausgeschaltet. — Was geht mich denn Herr Degoutte an! Glauben Sie, daß mich das interessiert, was Herr Degoutte in bezug auf diese Dinge seinerseits zu sagen hat. (Bravol — Zuruf bei den Kommunisten: Aber Ihre Unterhändler haben das Degoutte ange⸗ boten! — Gegenrufe.)
Wenn jene ersten Verhandlungen der ersten Tage keine In⸗ struktionen der Regierung für Einzelheiten vorsahen, so möchte ich hier doch auch einmal in aller Offenheit sagen, daß ich die Verant⸗ wortung dafür ablehne. Damals befand sich das Kabinett in De— mission, und wenn diese ganzen Verhältnisse, die Kabinettskrisen und Demissionen zur Dauereinrichtung in Deutschland werden lassen, fortdauern, dann müssen diejenigen Folgerungen daraus gezogen werden, die sich daraus ergeben, daß Regierungen nicht verhandlungs« fähig sind. (Zustimmung in der Mitte) Wir waren damals nicht in der Lage, Instruktionen zu geben, weil wir selbst nicht wußten, ob wir unsererseits nicht anderen dadurch präjudizierten. (Abg. Wels: Das müssen Sie den Herren um Herrn Stinnes sagen, die die Krisen herbeigeführt habenh — Möge es sich jeder gesagt sein lassen, der da glaubt, daß es ihn trifft. (Sehr guth
Als dann die Regierung ihrerseits in der Lage war, In⸗ struktionen zu geben, sind diese Instruktionen auf folgender Grund lage gegeben worden: Wir haben uns bereit erklärt, trotzdem die Reparationsleistungen Deutschlands ruhen, die Garantie für die Kohlenlieferungen der Industrie an Frankreich und an die Be⸗ satzungsmächte zu übernehmen. Wir haben uns bereit erklärt, in Garantie einzutreten für die Kohlensteuern, die dort aufgebracht werden. Wir haben das angesichts der Finanzlage des Reiches aur getan auf der Grundlage, daß diese Leistungen nach Sanierung der deutschen Reichsfinanzen erfolgen, und haben nur zugegeben, daß gewisse Steuern darauf angerechnet werden konnlen.
Wenn man nun immer sagt, die Reichsregierung habe kein Interesse mehr für das besetzte Gebiet gehabt, so möchte ich einmal diese einzelnen Tatsachen feststellen. Während wir uns alle darüber
(Eebhafte Zustim
klar sind, und selbst der Herr Ministerpräsidenk Poincars davon gesprochen hat, daß Deutschland ein Moratorium und eine inter- nationale Anleihe brauche, haben wir uns bereit erklärt, hier unsererseits noch einmal in Garantie zu treten, weil wir uns für moralisch verpflichtet hielten, das Wirtschaftsleben des Rheinlandes wieder in Gang zu bringen, nachdem es zum Stillstand gekommen war, weil die Bewohner an Rhein und Ruhr, getreu den Gesetzen auch des Reiches, ihrerseits diesen Stillstand herbeigeführt hatten. Zu diesem Gedanken habe ich mich bekamt, zu diesem Gedanken bekenne ich mich, und deshalb haben wir, trotz der trostlosen Finanz ˖ lage des Reiches, diese Verpflichtungen auf uns genommen, und ich glaube, das ist doch das Wesentliche, das man auch vor dem Rhein⸗ lande einmal sagen sollte, daß dasselbe Deutschland, das nicht mehr in der Lage ist, irgendwelche anderen Reparationsleistungen zu machen, sich hier bereit erklärt hat, mit dem Rest seiner Leistungs⸗ kraft einzutreten, um das Wirtschaftsleben dort in Gang zu bringen. (Bravol und sehr richtigh
Dann das Zweite! Der Herr Abgeordnete Wels sagt in seiner Kritik: Ja, das Ingangkommen des Wirtschaftslebens. die Be⸗ kämpfung der Arbeitslosigkeit ist das Wesentliche und Essentielle, und deshalb dürfe und durfte man seitens der Reichsregierung diese Ver handlungen nicht an einer politischen Frage scheitern lassen. Wir sind uns der Verantwortung wohl bewußt, und Sie können mir das eine glauben: wenn der Tag käme, an dem ich die telegraphische Nachricht erhielte, daß diese Verhandlungen beendet seien, und daß diese ganze große hunderttausendköpfige Belegschaft der Bergarbeiter und der andern Arbeiter wieder zur Arbeit zurückkehren könnte, ich glaube, das würde für jeden, der überhaupt ein Herz im Leibe hat, ein Tag tiefster innerer Befriedigung und der Wegnahme einer Last unerhörter Ver⸗ antwortlichkeit sein.
Aber wie stehen denn die Dinge in bezug auf die politische Frage? Wir alle haben hier sehr oft an dieser Stelle und anderwärts gesehen, was sich in der Weltgeschichte aus dem Schuldbekenntnis in Versailles ergeben hat. (Lebhafte Zustimmung.) Sollen wir hier irgendwie durch eine Unterschrift der deutschen Reichsregierung auch den Ruhreinbruch legalisieren? Soll darauf später aufgebaut werden, daß alles, wozu wir schließlich die Bevölkerung mit aufgefordert haben, nicht auf dem Boden Deutschlands gestanden habe? Wenn ich jetzt anerkenne, daß diese Kohlenlieferungen nicht auf Reparationskonto, sondern auf Bezahlung des Ruhreinbruchs angerechnet werden, dann legalisiere ich als Chef der Reichsregierung den Ruhreinbruch, und das ist ausgeschlossen! (Stürmischer Beifall.) Wenn eine solche Aner⸗ kennung durch die deutsche Reichsregierung erfolgte, dann würde das weiter auch eine Illoyalität gegenüber den alliierten Mächten sein. Wir stehen nicht einem Gläubiger gegenüber, wir stehen einer Ge—⸗ meinschaft von Gläubigern gegenüber. (Sehr richtigl in der Mitte.) Es dürfen nicht mit Zustimmung der deutschen Reichsregierung Leistungen, die unerhört hoch sind, in die Kassen einer Macht fließen, die selbst von einem ihrer Verbündeten des rechtswidrigen Einmarsches in das Ruhrgebiet beschuldigt ist. Cebhafte Zustimmung.)
Infolgedessen hatten wir die Verpflichtung, diese Zumutung zurückzuweisen, die in letzter Stunde kam, nachdem man sich über alle Punkte geeinigt hatte. Nicht die Deutschen haben die politische Frage in biese Angelegenheit hineingeworfen, wie behauptet worden ist. Nach⸗ dem wir bis zum letzten, bis zum Aussaugen der letzten deutschen finanziellen Kräfte auf allen wirtschaftlichen und finanziellen Gebieten nachgegeben hatten, da kam in zwölfter Stunde die politische Frage: wir rechnen euch das nicht auf Reparationskonto an! Daß wir da nicht Ja saglen, sondern daß wir da unsere Rechte wahrten, daß wir dann auch diejenigen diplomatischen Schritte unternahmen, um zu ver⸗ anlassen, daß diese Dinge im Sinne des Versailler Vertrages und der Verhandlungen der Alliierten untereinander bereinigt werden, das waren wir Deutschland schuldig, auch wenn dadurch noch weitere Tage dieser furchtbare Zustand der Arbeitslosigkeit anhielt. So leicht dürfen Unterschriften nicht gegeben werden in Fragen, die noch auf lange Zukunft hinaus nachwirken können! (Lebhafte Zustimmung.)
Nun wird Herr Abgeordneter Wels vielleicht sagen, daß man sich mit einem Protest hätte begnügen können, daß nach dieser Richtung hin Deuischlands Rechte hätten gewahrt werden können. Meine Herren, wir haben schon früher — ich erinnere an Verhandlungen in Spa — lange eingehende Debatten gehabt, inwieweit bei Aner⸗ kennung von Verhältnissen auf der anderen Seite ein Protest allein eine Rechtsgrundlage schafft. Zum mindesten mußten wir, nachdem diese Dinge erst in den letzten Tagen vorgebracht wurden, auch die jenige Fühlungnahme suchen, auf die ich hingewiesen habe, und die doch auch nicht ohne Einfluß und Eindruck geblieben ist, und die die Reparationskommission wird veranlassen müssen, sich klar zu der Frage zu äußern, ob irgend welche Leistungen der deutschen Wirtschaft benutzt werden können, unter Hintansetzung anderer Alliierter, auch solcher, die, wie Italien, selbst an Kohlenlieferungen beteiligt sind, hier diese einseitige Entscheidung zu treffen.
Wir kämpfen bei allen diesen Fragen auch um die Freiheit dessen, was uns an Rheinflotte und Rheinschiffahrt geblieben ist. Auch hier hat man unser Angebot der frachtfreien Beförderung der Kohle bis zur Grenze nicht angenommen, und die Bestrebungen gehen un⸗ zweifelhaft darauf hinaus, die Abtretung eines großen Teils auch dieser Rheinflotte durch Beschlagnahme, die unterminiert ist, zunächst herbeizuführen, so daß im Deutschen Reich nicht einmal auf dem Rhein nicht einmal auf diesem Strome bie deutsche Flagze wehen darf. (Bewegung) Bei dem Kampf um diese Dinge geht es nicht darum, um den Tag zu gewinnen, die Zustimmung zu geben; da gilt es, die Grundsätze für eine große Zukunft festzulegen. (Lebhafte Zustimmung.) Von diesem Gesichtspunkt aus hat die Reichsregierung gehandelt, von diesem Gesichtspunkt aus haben wir finanziell alles getan, haben uns aber politisch unser Recht gewahrt, um das wir noch weiter kämpfen. Käme der Tag bald — und ich hoffe, daß sich Formeln dafür finden lassen, die unser Recht wahren — an dem dann durch Unterzeichnung diese Dinge in Ordnung gebracht werden können, dann wird damit auch für uns selbst die größte Erleichterung in der Rhein und Ruhrfrage kommen! (Unruhe und Jurufe bei den Kom— munisten) — Ach Gott, der Zuruf ist so — lebhafte Zurufe: dumm) — so, daß ich keinen parlamentarischen Ausdruck finde, um Ihnen darauf zu antworten. Wie kann man denn diese Frage „Kapitulation und Widerstand“ als etwas Gegensätzliches hinstellen? Die Aufgabe des passiven Widerstandes war wieder der Schlüssel zu dem Tore der freien Wirtschaft im Ruhrgebiet, und daß man dann um diese freie Wirtschaft kämpft, ist das Logische und nicht der Widerspruch, den Sie sich konstruieren wollen. (Lebhafte Zustimmung.)
Meine Damen und Herren, ich darf dann zu der grundsätzlichen Einstellung der Reichsregierung zu der Rhein- und Ruhrfrage kommen. Der Reichsregierung ist vorgeworfen worden, daß sie eine grundsätzlich
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ö * X . neue politische Einstellung hier vorgenommen habe. Ich habe n großem Interesse, wie das selbstverständlich ist, den Reden . die die Führer zweier großer, außerhalb der Regierung befindliche Parteien hier gehalten haben. Aber ich bin mir nicht recht kn daraus geworden, wie denn eigentlich die Dinge mit der Regierung; einstellung liegen. Der Abg. Wels hat gesagt: das ist ein ganz nee Kurs, der gesteuert wird; der Abg. Hergt hat gesagt: es steht ja es daß sich gar nichts geändert hat. (Heiterkeit Also auch in diese Richtung scheinen die Auffassungen verschieden zu sein. Darf ich hier aber einmal die Genesis der Entwicklung de Rhein⸗ und Ruhrfrage zum Ausdruck bringen. Wenn davon R. sprochen wird, daß hier eine grundsätzlich neue Einstellung stattfinde
so darf ich doch darauf hinweisen, daß ich bereits in der Zeit, in a
die Herren der Sozialdemokratie dem Kabinett angehörten, in eine Rede in Hagen ausdrücklich darauf hingewiesen habe. daß unsen Mittel begrenzt seien und nicht ausreichten, um der Hungerkatastrephe wirksam entgegenzuwirken, daß auf Frankreich die Verantwortung fin diese Hungerkatastrophe fiele. Ich darf darauf hinweisen, wenn man weiter sagt, wir hätten ganz plötzlich die Bebölkerung vor eine Ent, schließung der Reichsregierung gestellt, daß ich in einer Unterredun mit der Magdeburgischen Zeitung“, die an die ganze deutsche Press gegeben worden ist, vom 9. November dieses Jahres folgende gesagt habe:
Unsere finanzielle Leistungsfähigkeit hat ihre Grenzen. Ange sichts der gegenwärtigen Situation muß ich in allem Ernst in Einverständnis mit dem Kabinett das eine erklären: wir sind an Ende unserer Kraft, über eine kurze Zeit hinaus können wir di riesenhaften Summen für die Millionen Erwerbslosen und ihn Angehörigen nicht mehr aufbringen. Wenn infolge des Versagent
unserer Kräfte Hungersnot und Anarchie in diesen Gebieten au.
brechen, wenn eine fleißige Bevölkerung gezwungen wird, die Häme ruhen zu lassen, und unser Wirtschaftsleben weiter bis in de Rest zerstört wird, so tragen dafür die Verantwortung diejenigen französischen Behörden, die etwa die jetzt noch geführten Verhan lungen weiter gefährden. (Sehr richtig! bei der D. D. — Junf von den Kommunisten: Die Kapitalisten, die nichts bezahlen wollen! — Lachen und Zurufe in der Mitte) Meine Herren, wenn Verhandlungen geführt werden, bei denen O Prozent der Produktion an eine andere Macht abgegeben werden wenn die Reichsregierung die Garantie übernimmt, diese Summe ihrerseits zu ersetzen, sobald ihre Finanzen saniert sind — und ih sehe diese Sanierung noch nicht — wenn diese Industriellen aut ländische Kredite aufnehmen müssen, die sie bis jetzt vergebens in M Höhe gesucht haben, in der sie zahlen sollen — 15 Millionen Dolln allein der Bergbauliche Verein — wie töricht und aufhetzenn demagogisch ist es dann, davon zu reden, diese Verhandlungen kämen nicht zustande, weil die Kapitalisten nicht zahlen wollen. (Lebhafte Beifall) Das ist nichts anderes als Demagogie! Das ist nicht anderes als Unterstützung der Politik, die uns vor aller Welt hin ins Unrecht setzen will, während wir die Welt anrufen wollen zu charitativen Hilfe für eine Hungersnot, die durch französische Maß nahmen herbeigeführt wird. (Stürmischer Beifall. — Zurufe ben den Kommunisten. — Gegenrufe rechts: Ruhe! — Fortgesetzte Zurnj von den Kommunisten. — Glocke des Präsidenten) Nur von Ich zu Zeit! (Heiterkeit) Ich sage: es geht ein ganz gerader Weg ban der Rede in Hagen über die Erklärung der Magdeburgischen Zeitung zu der letzten Erklärung der Reichsregierung.
Nun lassen Sie mich zu dieser Erklärung und zu den geführte
Verhandlungen zu unserer grundsätzlichen Einstellung noch einig Worte hier sagen. Es klingt auch hier durch die Debatte hindurh immer der eine Vorwurf, als fehle es uns an einer gerechten Ein schätzung der ideellen Kräfte, als seien wir vielleicht als Wirtschaftle vollkommen in finanziellen Erwägungen befangen. Darf ich wem diese Kritẽk von links geübt wird, daran erinnern, daß es der frühen Herr Reichsfinanzminister Hilferding gewesen ist, der einmal saßte, was ich leider unterschreiben muß, daß bei den gegenwärtigen Ven hältnissen die Politik vielfach zu einem Objekt der Währnngk— entwicklung geworden ist. Wer will denn daran zweifeln, daß nicht m große soziale und wirtschaftliche, sondern auch politische Folgerung einfach dabon abhängig sind, ob es uns gelingt, irgendwie zu stabile Währungsverhältnissen zu kommen! (Sehr richtigl in der Mitte
Nun habe ich damals am 9. November bereits auch auf R neue Situation hingewiesen, die von dem Augenblick an käme, in den die Rentenmark herbeigeführt würde. Wir haben die Tage hier durch gemacht, in denen namentlich auch von der preußischen Staatsregiernn auf den Erust der Lage in der Reichshauptstadt hingewiesen wunde in der die Verzweiflung der Menschen über die Unbeständigkeit n Lebens durch die Unbeständigkeit der Währungsverhältnisse ihrn Höhepunkt erreicht hatte. Wenn jetzt nicht dieser Uebergang lu Wertbeständigkeit eine Fiktion sein soll, eine Illusion, irgendehn Traum, der zusammenbricht und der dann die Verzweiflung aba vervielfacht, dann muß eine Reichsregierung von diesen finanziellu Verhältnissen abhängig sein und muß sich in ihrer ganzen Wirtschafth und Finanzpolitik von diesen Dingen in erster Linie leiten lasset Wir haben als selbstverständliche Folge der Schaffung der Renten mark die Bilanzierung des Haushaltsplans. Wir haben den Hauk haltsplan auf Gold gestellt. Wir müssen suchen, daß er bilanzietz denn Sie können keine Währung halten, wenn Sie nicht den Cl im Gleichgewicht haben. (Sehr wahr! in der Mitte und linkt Sonst geht die ganze Entwicklung wieder an, die einstmals mit ba Papiermark begonnen hat. Das Parlament und die Parteien müsse sich auf diese Tatsache einstellen und ihre Folgerung daraus ziehn in bezug auf die Wünsche, mit denen sie an die Regierung herantreten (Lebhafte Justimmung) Herr Hergt verlangt auf der einen Sit Ordnung der Finanzen und kritisiert auf der anderen Seite ba Beamtenabbau. Beides geht nicht. (Erneute Zustimmung in de Mitte, gZurufe rechts] Eines oder das Andere! Es muß auch i dieser Beziehung die Folgerung gezogen werden. (Unterbrechunge! rechts) Daß Herr Hergt den Beamtenabbau kritisiert hat, unlerlieg doch keinem Zweifel. Wir werden in dieser Beziehung ganz enh
schieden — und ich sage das auch mit aller Offenheit — vielleich
mit Brutalität gegenüber dem Cinzelnen vorgehen müssen. Aber hit handelt es sich darum, den Staat zu erhalten, der nicht zu retten it wenn auch diese Währung in den Abgrund versinkt. (Zuruf von den Kommunisten: Ist ja schon) Es scheint beinahe eine gmis Genugtuung aus diesem Zwischenruf herauszuklingen. ¶ Widersprich bei den Kommunisten.) z
Es scheint, als wenn der Herr Abgeordnete Wels nun anch nommen hat, daß die Rentenbank und ihr Verwaltungsrat ein Verhöt mit dem Reichskanzler angestellt hätten, ein gewisses Katechisieren. er auch den richtigen volkewirtschaftlichen und sozialen Glauben hätte
* er das Verkrauen den Rentenbank genieße. Nein, Herr Abgeord⸗ neter Wels, so haben sich die Dinge nicht vollzogen. Daß die Herren bes Verwaltungsrats den Wunsch hatten, an jenem 15. November, an bem die Rentenmark ins Leben trat, mit dem Reichskanzler zu sprechen, so wie leider viel zu viel Deputationen solche Wünsche gegen⸗ über jedem Reichskanzler aussprechen, und daß bei der Gelegenheit die Herren sich ebenso über ihre Wünsche aussprachen, wie das Gewerk chaften, Beamtenorganisationen, Industrielle, Vertreter der Landwirt⸗ schaft, sonst bei solchen Gelegenheiten tun, darüber kann man sich doch nicht wundern.
Aber das eine gebe ich Ihnen zu: Wir sind der Auffassung, daß wit verpflichtet sind, der Rentenbank gegenüber unsere Kredite zu be⸗ gründen. Ich glaube, daß es ganz gut ist, wenn sich jede Reichs- regierung diese Fessel selbst auferlegt, um nicht gegenüber ihrer finan⸗ ziellen Verantwortlichkeit zu weit getrieben zu werden. Denn der Verwaltungsrat der Rentenbank ist doch auch seinerseits verantwortlich für die ganze Parität des von ihm ausgegebenen Geldzeichens, für seine Rentenbriefe, für diejenige Verhaftung des Grund und Bodens, die doch dafür in Gang gesetzt ist. Sie gilt nicht nur dem Reich, sie ist auch der Wirtschaft gegeben.
Daß also bei dieser Gelegenheit die Herren den Wunsch hatten, auch über Wirtschaftsfragen mit dem Reichskanzler zu sprechen, ist verständlich. Im übrigen ist das Kommuniqus nicht von der Reichs⸗ regierung herausgegeben, sondern von der Rentenbank. Dann hat auch der Reichskanzler nicht allem zugestimmt, was dort gesagt ist. Es ist ausdrücklich im Kommuniqus auch gesagt, daß er in wesentlichen Grundlagen mit den Herren übereingestimmt hätte. Sie (zum Ab— geordneten Wels) erwähnten zum Beispiel die Abschaffung des Acht⸗ stundentages. Gesprochen haben die Herren vom Arbeitszeitgesetz. Daß es notwendig ist — das sage ich hier mit aller Offenheit — daß eine Gesundung der Wirtschaft ohne baldige Lösung der Arbeitszeit- frage überhaupt undiskutierbar ist, dazu brauche ich nicht den Ver— waltungsrat der Rentenbank zu hören. Cebhafte Zustimmung in der Mitte Das ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit. Guruf von den Kommunisten: Bei Millionen Arbeitslosen) — Welch eine quartanerhafte volkswirtschaftliche Anschauung ist es, an= zunehmen, daß eine Erhöhung der Arbeitszeit die Zahl der Arbeits losen unbedingt vermehren müßte! Es kommt darauf an, ob Sie Aufträge erhalten oder in bestimmter Frist liefern können und ob überhaupt im Auslande in bezug auf Finanzkredite die Empfindung
besteht, daß die Produktivität der Wirtschaft bei uns gesichert ist. (Zu⸗
stimmung in der Mitte) Das sind die Gesetze des volkswirtschaft⸗ lichen Handelns.
Nun weiter die Frage der Leistungen, die wir gegenüber dem besetzten Gebiet zu übernehmen haben. Man hat uns por allen Dingen zum Vorwurf gemacht, daß wir erklärt haben, daß wir nur noch begrenzte Zeit hindurch die Leistungen übernehmen könnten für Anforderungen im besetzten Gebiet. Wenn wir bei dieser Gelegenheit ins besondere auch auf die Frage der Ewwerbslosenunterstützung hin ⸗ gewiesen haben, so ist es aus dem Grunde geschehen, um gerade da⸗ durch auch die politische Verantwortlichkeit Frankreichs vor der ganzen Welt kundzutun. Es ist keine volkswirtschaftliche Arbeitslosigkeit, die dort herrscht. Auch die Verhältnisse in Deutschland, so schlimm sie sind, würden nur eine viel geringere Zahl von Arbeitslosen an Ruhr und Rhein sehen, wenn nicht durch das politische Diktat von Paris in Bezug auf diese politische Frage die Aufnahme der Arbeit überhaupt unmöglich gemacht würde. (Sehr richtigl in der Mitte.)
Und daß wir uns dagegen wehren, daß wir diese politische Verantwort⸗ lichkeit klar machen wollen, daß wir erklären — und das entspricht den Tatsachen — daß wir am Ende unserer finanziellen Kraft sind, daß sie begrenzt ist nach denjenigen Ziffern, die wir genannt haben, weil sonst eben alles andere ins Schwanken kommt, — ja, meine Herren, das sind Abhängigkeiten, die heute bestehen, Abhängigkeiten, die sich nur ändern können, wenn wir ausländische finanzielle Hilfe
bekommen, Abhängigkeiten, die bestehen werden für jede einzelne Regierung, gleichgültig, wie sie zusammengesetzt ist.
Man hat nun vom politischen Gesichtspunkt aus gesagt, daß hierin die Kriegserklärung an Frankreich läge, daß diese ganze Aktion lediglich der Auftakt wäre und nur als solche anzusehen sei, um darauf das Zerreißen des Vertrages von Versailles aufzubauen. Ach nein, dat Zerreißen des Vertrags von Versailles geschieht von ganz anderer Seite. (Lebhafte Zustimmung.) Das geschieht von Seiten derjenigen, die auch die wenigen Rechte, die dieser furchtbare Vertrag uns gibt, uns gegenüber nicht zur Anwendung bringen, und das geschieht mittel⸗ bas von denen, die es dulden, daß wir uns gegen Recht und Gesetz
in der Lage befinden, in der wir sind. (Lebhafte Zustimmung.) Nein,
wir haben nicht gesprochen vom deutschen Zerreißen des Vertrags, aber
vom Ruhen der Leistungen aus diesem Vertrag dann, wenn wir nicht
mehr in der Lage sind, dem rheinischen Gebiet selber Mittel zu geben. Tas eigene Volk hungern zu lassen und dem Gegner zu zahlen trotz rechtswidriger Besetzung, das ist eine Politik, die ich allerdings
meinerseits niemals mitmachen werde. (Lebhafter Beifall in der Mitte.)
Das ist der Zusammenhang zwischen Rhein, und Ruhrpolitik und dem Ruhen der Leistungen. Wenn die Leistungen ruhen müssen gegenüber dem Rheinlande, können Sie nicht die Leistungen aufrecht erhalten gegenüber Frankreich, zumal nicht in einer Zeit, in der die Pfänderpolitik in der Weise produktiv von Herrn Poincars gemacht ird, wie er das jetzt versucht bei den Verträgen, aus denen doch rausgeholt wird, was nur herauszitholen ist und in denen die monat. liche Kohlenleistung bereits auf 160 000 Tonnen doch wieder von ihm verlangt wird.
Wenn man deshalb diese ganze Entwicklung hinstellt als eine Rechtsentwicklung der Reichsregierung, seitdem die Sozialdemokratie aus der Reichsregierung ausgeschieden ist (Abg. Wels: Und Herr Jartes hineingekommen ist) — und Herr Jarres hineingekommen ist, so darf ich doch auf das eine hinweisen, Herr Kollege Wels — ich tue das lediglich, um die politische Situation zu kennzeichnen —, deß die deutsche Reichsregierung bei ihren Maßnahmen, die Sie so heftig kritisiert haben, die Ihre Presse — und das hat mich aufs tiefste verletzt — hingestellt hat als irgendeine auch nur mittelbar geduldete Unterstützung von separatistischen Bestrebungen, die volle Unterstützung des preußischen Staastministeriums unter der Führung Ihres Fraktionskollegen Braun gehabt hat. (Hört! hört! in der Mitte) Wenn man deshalb diese Meinung für falsch hält, so mögen Sie sie bekämpfen, aber politische Konsequenzen daraus zu ziehen, als wenn in dieser Auffassung sich zeige, daß eine Rechtsentwicklung, ein schwankendes Verhalten, eine irgendwie nicht geradlinige Politik, die sich daraus ergebe, daß der Kanzler in einer anderen Umgebung andere Ansichten hätte, eingetreten wäre, so weise ich das zurück. (Sehr gut! in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei) Ich habe in einer Zeit mich eingesetzs für weitere Leistungen an das
Rheinland und die beseßzten Gebiele, als die preußische Staaks⸗ regierung glaubte, diese Politik nicht mehr verantworten zu können. (Hört hört! bei den Deutschen Demokraten) Daraus bitte ich das eine zu ersehen, daß es hier nicht auf politische Einstellungen ankommt, sondern darauf, daß eben diejenigen, die verantwortlich sind für die Weiterentwicklung der Finanzen, die quälende Verant⸗ wortung unserer finanziellen Not an sich fühlen und daraus auch Folgerungen ziehen müssen, die politisch wirklich schwer zu ertragen sind. In dem Augenblick — und noch hoffe ich, daß dieser Augenblick kommt = an dem die Verhandlungen zwischen den Industriellen und den französischen Behörden, die, wie ich noch einmal. wiederhole, genau geführt werden nach den Instruktionen der deutschen Reichs⸗ regierung, zu einem Ergebnis geführt haben und wo infolgedessen vollswirtschaftlich wieder die gleichen Verhältnisse hergestellt sind, daß nicht eine politisch erzwungene Arbeitslosigkeit dauernd dort bleibt, werden wir selbstverständlich Rhein und Ruhr mit dem übrigen Deutschland gleich behandeln müssen, und zwar bis zum Ende unserer Kraft. Und wenn dieses Ende eintritt, dann muß unter Umständen
im ganzen Deutschland abgebaut werden, wenn eben infolge der
furchtbaren Zahl derjenigen, die keine Arbeit finden, unsere Kraft zur Unterstützung zu gering ist, um überhaupt dem einzelnen irgendwie helfen zu können. (bhafte Zurufe und Unruhe bei den Kommu— nisten. — Zustimmung bei den übrigen Parteien) Ich kann das eine sagen, daß wir alles getan haben, um diesen Verträgen zur An⸗ nahme zu verhelfen. Es sind auch einzelne Verträge geschlossen worden; in bezug auf andere gehen die Verhandlungen Tag für Tag weiter. (Zuruf bei den Kommunisten) Im übrigen werde ich keiner Frage aus dem Wege gehen, welche politischen Konsequenzen sie auch für mich hat. Darauf kommt es nicht an, ob man geht oder nicht, sondern darauf, ob man mit Ehren geht oder nicht. Ich sage das eine: diese ganzen Verträge bedingen, daß im besetzten Gebiet weit mehr gearbeitet wird als bisher, sonst sind die Produktionskosten nicht aufzubringen. (Zuruf bei den Kommunisten: Stinnes) Was geht mich Herr Stinnes an! Ich habe von ihm keine Marschroute entgegenzunehmen, habe es nie getan und werde es auch nie tun. Nicht Herr Stinnes ist der Führer der Partei, ich bin es und habe das bisher stets unabhängig zum Ausdruck gebracht. Hier handelt es sich um ganz andere Dinge. Wenn Sie sich auf den Standpunkt stellen, daß nicht mehr gearbeitet wird als bisher, dann kommt die Wirt— schaft im Ruhrgebiet überhaupt nicht in Gang. (Lebhafte Zu⸗ stimmung in der Mitte und rechts) Wenn Sie wollen, daß die Wirtschaft in Gang gebracht wird, dann muß bei Abgabe von 40 Prozent an den Feind wenigstens die Produktion selber sich lohnen, sonst ist nach den volkswirtschaftlichen Gesetzen eine solche Produktion nicht in Gang zu bringen. Wenn mir mitgeteilt wird, daß es große Zechen gibt, in denen bei doppelter Belegschaft die Produktion 80 Prozent des Friedens beträgt, so sind das eben Dinge, die nicht ertragen werden können, die unmöglich sind und das Land zugrunde richten. (Zuruf bei den Kommunisten) Gerade wenn die Produktivität gesichert ist, kann sich die Lohmpolitik auf einer Basis aufbauen, die dem Arbeiter das gibt, worauf er ein Anrecht hat. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte. — Zurufe und Un⸗ ruhe bei den Kommunisten. — Heiterkeit. — Glocke des Präsidenten. Präsident Löbe: Ich bitte um Ruheh
Wenn im übrigen Verhandlungen stattgefunden haben zwischen der Reichsregierung und Vertretern des besetzten Gebietes über die Vertretung der Belange der Bevölkerung des besetzten Gebietes, so bitte ich auch das nicht anzusehen als eine Auffassung der Reichs regierung, daß sie sich trennen oder irgendwie Abschied vom besetzten Gebiet nehmen wolle. Meine Herren, ich muß immer auf den Aus⸗ gangspunkt zurückkommen. Der Regierung wird das Verhandeln un⸗ möglich gemacht. Sollen wir nun den Einzelnen schuldig werden lassen, weil seine Regierung ihm nicht helfen kann? Sollen wir den Einzelnen auf sich selbst stellen oder sollen wir der Bevölkerung dieses okkupierten Gebietes nicht die Möglichkeit geben, daß bestimmte Gremien, soweit Verhandlungen in Betracht kommen, die wir nicht zu führen vermögen, ihrerseits sich für die Bevölkerung einsetzen. Glauben Sie, daß dieser Abschied von der Ausübung der Reichssouveränität uns sicher nicht leicht fallen würde. Er ist aber auch vor der Welt das flagrante Beispiel dafür, wie das Recht gegenüber Deutschland im besetzten Gebiet gebeugt worden ist. (Sehr gut! in der Mitte) Denn was ist das besetzte Gebiet heute? Es ist in Wirklichkeit im Zustande eines bekriegten Okkupationsgebiets ohne die Rechte, die ein be—⸗ kriegtes Okkupationsgebiet nach dem Völkerrecht hat. (Lebhafte Zu⸗ stimmung) Das ist das, was aus Rhein und Ruhr unter den Peitschenhieben der französischen Politik und unter dem französischen Imperialismus geworden ist.
Wenn wir nun sehen, wie gequält dieses Volk ist, wenn wir diese fortwährenden Versuche sehen, uns zur Hilfe zu bewegen, wenn uns versagt wird, für die Leute einzutreten, wenn wir dann nach einem Weg suchen, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, für die Bevölkerung einzutreten, so ist das doch wahrlich nicht ein Regieren gegen das besetzte Gebiet, sondern ein Eingehen auf die Not des besetzten Ge— bietes. Sehr wahr! in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei.) In welcher Form das im einzelnen erfolgt, mit welchen Kompetenzen, das ist bis zur Stunde nicht abgeschlossen und darüber zu sprechen muß ich mir deshalb versagen, weil der Wunsch aller Parteien des besetzten Gebietes nach dieser Richtung an mich gerichtet worden ist. Einen Appell aber möchte ich hier auch an die Länder richten, die an den besetzten Gebieten beteiligt sind. Wenn uns der Atem finanziell ausgeht, dann muß auch versucht werden, daß Kraftque! en, die hier noch im Länderbesitz liegen, unter allen Umständen mit benutzt werden lsehr richtigl in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei)h; denn wir sind in unserer Kraft begrenzt, wir werden umsomehr in dem Kampfe, der sich ja einmal über Ruhr und Rhein entscheidet — und wir sind ja auf dem Höhepunkt dieses Kampfes, wir denken nicht daran, diesen Kampf auch nur einen Augenblick aufzugeben — ich sage, wir werden um so eher darauf rechnen können, daß er uns nicht nur das Land, sondern die Herzen der Bewohner zurückbringt, wenn hier von allen Seiten das Letzte getan wird, um diesem Lande zu
helfen. (Sehr richtig! in der Mitte und bei der Deutschen Volks partei.
Meine Herren, ich darf nachher auf die Frage kommen, ob noch eine Möglichkeit wirtschaftlich⸗finanzieller Hilfe auf anderem Gebiete besteht; ich darf das im Zusammenhang mit den Finanzfragen erörtern.
Ich wende mich dann denjenigen Fragen der inneren Politik zu, die neben der Rhein, und Ruhrfrage das meiste Interesse für sich beanspruchen. (Zurufe von den Kommunisten: Belagerungszustand) — Jawohl, der ist auch dabei, denken Sie, dapauf bin ich sogar selbst gekommen. (Große Heiterkeit) Meine Herren, unter diesen Fragen steht zunächst die Frage der Vorgänge in Bayern. Ich glaube, es
gibt niemand, der nicht mit kieffter Erschütterung bi
trachtet hat, die sich am 8. und 9. = e ,, haben Allerdings ist der Herr Abgordnete Hergt ja sehr schnell mit dem Problem fertig geworden, indem er festgestellt hat: Die Reichs regierung ist daran schuld (Heiterkeit in der Mitte und bei der Deut. schen Volkspartei), daß diese Verhältnisse gekommen sind. Die Zu⸗ stände der Reichsregierung hätten schließlich diese Erplosion herkei—= geführt. Ja, darf ich da einmal das eine sagen. Was ist denn das erste Erfordernis der Reichsregierung? Das ist, glaube ich, Autorität nach innen. Daran mag es uns fehlen; aber ich glaube, sobiel Auto⸗ ritt, wie die verfassungsmäßige Regierung in Bayern, hat die Reichs regierung auch gehabt. (Sehr gut! und Heiterkeit in der Mitte) Soviel Ruhe und Ordnung wie in Bayern ist in anderen Ländern zum mindesten auch gewesen. Bedauerlich ist meiner Meinung, daß diejenige Regierung, die verfassungsmäßig dazu da war, um Bayern zu vertreten, sich in eine Abhängigkeit begeben hat von Organisationen, die nicht die Staatsverantwortlichkeit hatten (sehr richtig! in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei)h, und deshalb nicht geeignet war, sich zum Protektor einer Regierung aufzuwerfen, die sie beließ oder die sie stürzen konnte. (Sehr gut! in der Mitte und bei der Deuischen Volkspartei) Ich warne andererseits, den Weg zu gehen, den man bis zu diesem Punkte in Bayern hat kommen lassen. (Sehr gut! in der Mitte) Es handelt sich darum, daß diese illegalen Einflußnahmen auf eine verfassungsmäßige Regierung schon im Ent—⸗ stehen zurückgewiesen werden, sonst überschatten sie nachher die ver⸗ fassungsmäßige Regierung selbst. (Sehr wahr! in der Mitte)
Wenn man nun sagt, die Reichsregierung sei gegenüber diesen Vorgängen hilflos gewesen, so darf ich doch darauf hinweisen, daß die Gegenmaßnahmen, die die Reichsregierung am Abend des 8. No⸗ vember getroffen hat, ganz klar und eindeutig gewesen sind. Wenn nicht die Vorgänge in der Nacht des 9. November gekommen wären, die am nächsten Tage zu der Erklärung in Berlin geführt haben, daß in Bayern die verfassungsmäßige Regierung wieder im Vollbesitz ihrer Macht wäre (Lachen bei den Kommunisten), dann wären selbst⸗ verständlich auch alle Folgerungen aus den Maßnahmen der Re⸗ gierung selbst gezogen worden. Wenn man ihr weiter vorwirft, sie habe in den darauffolgenden Tagen nicht nur auf wirtschaftlichem Ge⸗ biete, sondem auch auf anderen Gebieten, auch auf politischem, auf Bayern eingewirkt, so übernehme ich dafür durchaus die Verant- wortung, und zwar aus zwei Gründen. Einmal hatten wir meiner Meinung nach alle Veranlassung, die verfassungsmäßige Regierung in Bayern zu stützen. Ob sie uns politisch freundlich oder unfreundlich gegenübersteht, hat mit dieser sachgemäßen Einstellung einer Reichs⸗ regierung nicht das geringste zu tun. (Sehr richtig! in der Mitte.) Der zweite Grund ist das politische Moment: in dem Augenblick, in dem diejenigen, die für diese Vorgänge des 9. November verantwortlich waren, mit gegenseitigen Beschuldigungen aufträten, die die Hoffnung aufkommen ließen, daß alle die illegalen Organisationen damit ein Ende finden würden oder wenigstens die Führerschaft einzelner, die bis dahin dem Ganzen das Gestänge gegeben hat, wäre es direkt politisch falsch gewesen, von hier aus in diese Auseinandersetzung ein⸗ greifen zu wollen. (gZurufe von den Kommunisten.) Ich komme auch auf Sachsen, denn ich habe angenommen, daß Sie auch dafür Interesse haben! (Abg. Ledebour: Sie haben es dazu kommen lassen! Sie haben Lossow unterstützt — Herr Ledebour ich glaube, Sie stehen den Dingen neuerdings etwas fremder gegenüber, sonst würden Sie solche Zwischenrufe nicht machen. Die Unterstützung des Herrn von Lossow durch die Reichsregierung ist bisher in Bayern noch nicht behauptet worden. Ich glaube auch nicht, daß der Herr Kollege Leicht dieser Meinung sein wird. (Wiederholte Zurufe des Abg. Ledebour. — Glocke des Präsidenten.)
Meine Herren, diese bayerischen Vorgänge haben eine sehr be—⸗ dauerliche Rückwirkung gehabt, die weit in die Gegenwart hinein⸗ reicht. Ich sprach vorhin von Rhein und Ruhr. Es ist sehr bedauerlich, daß derartige Vorgänge in einer Zeit möglich waren, in der dort die Bevölkerung um ihr nacktes Leben kämpft, in der sich dort alle Bevölkerungsteile gegen Separatistenbewegungen einsetzen. in der dort das Volk mit seinem Leben gegen eine Bedrückung kämpft, die nun schon Jahre währt, kämpft für ein einiges Deutschland und dann sehen muß, wie dieser Gedanke des einigen Deutschlands durch derarlige Putsche, durch derartige Aufrufe und durch eine derartige Zerreißung des einheitlichen deutschen Volkskörpers kaputtgeschlagen wird. Die „Kölnische Vollkszeitung“ schrieb ihrerseits:
Aus der tiefen Not am Rhein rufen wir es nach Bayern und nach Sachsen mahnend und eindringlich: Bändigt Euer Ungestüm! Indem Ihr das Gefüge des Reiches lockert, zertrümmert Ihr hier das Vertrauen. In Bayern wird jetzt das Grab geschaufelt, in das der deutsche Westen versinken könnte.
Das ist eine Auffassung aus dem besetzten Gebiet, die, glaube ich, das wiedergibt, was ohne Unterschied fast alle Parteien im besetzten Gebiete angesichts dieser Vorgänge empfinden. (Sehr richtigh
Die zweite bedauerliche Rückwirkung dieser Vorgänge ist die Wirkung auf das Ausland. Das Ausland leidet an sich schon unter einem Zerrbilde, das von Deutschland gemacht worden ist. Das geht bis weit in die Zeit des Friedens hinein, und das hat sich verstärkt und vervielfacht im Kriege. Wir haben uns bemüht, diesem Zerrbild die richtigen Züge zu geben. Aber, meine Herren, wenn Sie sich einmal vorstellen, wie derartige Vorgänge auf das Ausland wirken müssen, und wie alle diejenigen, die sich bemühen, Deutschland als nicht kreditwürdig, als doch dem Untergange geweiht hinzustellen, solche Dinge auszunutzen vermögen, dann werden Sie einen Begriff davon bekommen, wie lange Zeit es dauern wird, um solche Rück⸗ wirkungen wieder in Ordnung zu bringen. (Sehr wahr! bei der Deutschen Volkspartei, im Zentrum und bei den Deutschen Demo⸗ kraten. — Zurufe von den Kommunisten: Und den Kronprinzen haben Sie wieder hereingelassen) — Gewiß habe ich das zugelassen! Dazu bekenne ich mich, und dafür übernehme ich auch die Verantwortung. Aber was haben denn diese Dinge miteinander zu tun? Und schließe lich ist das auch eine Frage der Menschlichkeit! (Lachen bei den Kommunisten) Wenn wir jahrelang um die letzten Gefangenen in Avignon gekämpft haben, dann haben wir auch ein Recht, für die Heimkehr des deutschen Kronprinzen zu kämpfen. (Stürmischer Bei⸗ fall rechts) Für mich und für die Reichsregierung ist der deutscht Kronprinz ein deutscher Staatsbürger wie jeder andere, der genau dat gleiche Recht auf diejenigen Freiheiten hat, die jeder andere Bürger besitzt. (Andauernde Zurufe von den Kommunisten) — Hert Präsident, ist es wirklich nicht möglich, daß ich Ruhe bekomme? (Wiederholte Unterbrechungen von den Kommunisten) Ich habt nicht die Absicht, in einer kommunistischen Fraktionssitzung zu sprechen, sondern die Absicht, zum Deutschen Reichstag zu sprechent