1923 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Dec 1923 18:00:01 GMT) scan diff

22 n,

Daß

würde, das Verhältnis zwischen Reich und Ländern zu verschlechtern und nicht zu dem zu machen, das ich erstrebe. Ich möchte aber auch dringend bitten, daß die Herren, denen ich auch versön⸗ lich in jeder Beziehung nahetreten möchte auch mir gegenüber Vertrauen an den Tag legen dadurch. daß, wenn Sie irgendwe che Wüniche, sei es in amtlicher Eigenschaft, sei es als Personen, an mich u richten haben, dies unter allen Umständen obne alle Umschweife

n. Ich werde Ihnen, joweit es meine schwachen Kräfte vermögen,

erzeit zur Verfügung stehen, und bin bereit, jede Frage von Mann zu Mann zu behandeln im Sinne der Vaterlandeliebe und mit dem ersten Ziel, dem Reich und den Ländern Bestehen und Wohlergehen zu sichern und zu sördem. Das ist mein Vorhaben, und ich bitte Sie um Ihr Vertrauen und um Ihren kräftigen, auf Ihre reiche Erfahrung gestützten Beistand (Beifall).

Preußischer Staatssekretär Weißmann erwiderte:

Im Namen des Reichsrats begrüße ich Sie im neuen Amt und danke Ihnen jür Ihre Worte. Die Länder wissen ganz genau, daß Sie nur Vaterlandeliebe veranlaßt hat, in diesem Augenblick ichwerster Not die ungeheure Verantwortung ihres Amts auf sich zu laden. Ich danke Ihnen für die Worte, die Sie über das Verhältnis zwischen Deich und Ländern gesprochen haben. Es ist schon öfters zum Ausdruck gekommen, daß eine Regierung, die wirklich ewas erreichen will, nur dann zum Ziel gelangen fann. wenn sie in vollem und innigem Zu⸗ sammenarbesten mit den Ländern ihre Pläne ausarbeitet und ausführt. Die es Vertrauen, daß Sie den Ländern ausgesprochen haben, erwidere ich im Namen des Reichsrats. Mit allen Kiäften werden die Länder und ihre Vertretungen im Reichsrat die Reichsregierung unterstützen und die unerbörten Schwierigkeiten zu überwinden versuchen, die augenblicklich das Reich und die Länder bedrohen.

Nunmehr sollte in die Tagesordnung eingetreten werden. Da noch keine Ausschußbergtung stattgefunden hat, wurde zu⸗ nächst auf Ant ag des preußischen Ministerialdirektors Meister bie Oeffentlichkeit ausgeschlossen. Nach Wiederherstellung der Oefsentlichkeit wurde als Ergebnis der vertraulichen Be⸗ ratungen mitgeteilt: Ber Reichsrat ist der Meinung, daß das Ermächtigungsgesetz ein verfassungsänderndes ist, allo zu seiner Annahme im Reicheiat und im Reichstag einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Die Vorschläge der Reichs iegierung werden nicht als eine hinreichende Wahrung der Inteiessen des Reicherats und der Länder angelehen, aber der Reichs⸗ rat gebt nicht so weit, seine Zustimmung als Voraussetzung für jede gesetzgeberische Maßnahme der Reichsregierung unter dem Ermächti⸗ unfsgesetz zu betrachten. Die Reichsregierung hat erllärt., daß dem zerjassungtartifel 67 gemäß mit den Ausschüssen des Reichsrats weiter verhandelt werden soll. Der Reichsrat verlangt aber weiter und das ist ihm zugestanden worden daß dasselbe Recht, die Aufhebung einer unter dem Eimächtigungsgesetz erlassenen Verordnung zu verlangen, das dem Reichstag zugestanden ist, auch dem Reichsrat gewährt wird. Der Absatz? im eisten Paragraphen des Ermächti⸗ gungsgesetzes soll entsprechend geändert werden.

Vor der Abstimmung wurden verschiedene Erklärungen abgegeben:

Oberpräsident der Provinz Sachsen, Abg. Hörsing, wies auf die furchtbare Notlage hin, in die der größte Teil der Bevölke⸗ tung durch die wachsende Arbeitslosigkeit, den Wucher und die zu ringe Entlohnung geraten sei. Die Regierung Stresemann habe

otz aller Mahnungen des Reiche rats nichts Wirksames getan, um dieser Not abzuhelfen, sie habe im Gegenteil die fapijalistischen Kreise estützt, die durch Massenentlassungen von Aibeitern die Arbeitelosig⸗ eit noch vermehrt bätten. Das sogenannte Abbausystem der Regierung vergrößere noch die Not. Dagegen habe es bisber an allen durch⸗ greisenden Plänen zur produktiven Erweibslosenfürsorge durch Schaffung von Aibeitsmöglichkeit gefeblt. Als ein übler Skandal, so heißt es weiter, muß es bezeicknet werden. daß bei vielen Entlassenen die . gesetzlichen Vorautsetzungen für die Erwerbslosenunter⸗ üͤtzung von den Arbeitgebein nicht ausgesprochen werden. Damit werden die unglüclichen Menschen dem Hungertode überantwortet oder dem Gejängnis und Zuchthaus ausgelietert. Gegen ö. enso

1 hat die Reichsregierung nichts unternommen. emmungelos hat sich der Wucher mit allen Lebensmitteln und Be— Während die Arbeiter, Angestellten und Beamten höchstens 60 bis 70 Prozent des Vorkriegeeinkommens

darfsartifeln entwickelt.

baben. sind die . durchschnittlich 200 Prozent über den Vorfriegspreis gesteigert worden, obgleich die Weltteuerung nur 70 Prozent beträgt. Die gegenwärtige Senkung der Preise tst nicht besserer Einsicht oder der Rentenmark, sondein dem Umstand uzuschreiben, daß bereits zwei Drittel der Bevölferung ohne Kauf aft sind. Während die Gehalts, und Lohnempfänger in immer größere Not geraten, hat der Besitz, besonders der landwirtschaftliche, nicht nur seinen Bestand erhalten, sondern gegenüber der Vorkriege—⸗ zeit seine Substanz vermehrt. Hat die Regierung Stresemann nichts egen diese Zustände in wirtschamtlicher Beziehung unternommen. so t sie politisch durch die Verhängung des militärijchen Belagerungs⸗ zustandes einen noch trostloseren und geradezu ungesetzlichen Zustand eschaffen. Voraussetznng für die Verhängung des Belagerungszustandes t, daß Unruhen besiehen, deren die Polizei nicht mehr Herr werden kann. So lange waren Unruhen aber nirgends außer in Bayern vorhanden, und hier af der militärische Besagerungszustand nicht n. Für das übrige Reich fehlt aber diese Voraussetzung, und damit steht der Belagerungszustand gegen Gesetz und Recht. Gerade weil wir eine gesestigte Reichswehr wollen, wenden wir uns gegen ihre . Tängteit, die politisch einseitig und wirtschaftlich ohne jedes erfländnis ist. Während kommunistische, sozialdemokratische und parteilose republikaniiche Beamte von den. Reichswehrkommandeuren entfernt werden, sehen wir, daß die Reichswehr mit den ärgsten einden der Rerublik aufgefüllt wird. (Vorsitzender Minister r. Jarres: Ich vermag bei allem Entgegenkommen nicht ein⸗ zusehen, was diese Ausfübiüngen mit dem Ermächtigungesgesetz zu tun 65. Ich will den Wunsch aussprechen., daß diesen unhaltbaren uständen mit dem Ermächtigungsgesetz ein Ende gemacht werde. Noch dor wenigen Tagen baben die Organisationen des „Stahlhelm“ usw. mit einer Eiklärung hinter den Hochverräter Ludendorff sich gestellt. Diese Organisationen sind aber nicht aufgelöst, vielmehr wird die Reichswehr mit diesen Leuten aufgefüllt und das Heer damit um seinen guten Ruf gebracht. Tem Reich kostet dieies überflüjsige Experiment zabllofe Milliarden. Militärische Bejeblshaber vom General bis zum Leutnant spielen sich als Vorgesetze der Ver— waltungsbehörden und selbst der Landesregierungen auf. Sie be⸗ ienen sich eines verletzenden Tones und unterrichten die Landes⸗ und Provinzialregierungen nur nachrichtlich. Auch durch wirt⸗ schastliche Maßnahmen der Befeblehaber wird die Autorität der Tandesregierungen untergiaben. Alles dies sowie die Tatsache, die Generale reynblikanisch esinnte Beamte ihrer Aemter entheben und Reaktionäre an ö. Stelle setzen, war der Streesemann-Regierung bekannt, ohne daß sie dagegen etwas unter— nommen hat. Wenn ich rotz alledem für das Ermächtigungsgesetz sftimme, so geschieht das unter der bestimmten Voraussetzung, daß erstens die Regierung produktive Arbeitemöglichkeit für die unendliche Zahl der Erwerhglosen schafft, zweitens beim Beamten und Behörden⸗ abbau so vorgeht, daß nicht neue Erwerbslose geschaffen werden, dritiens die Preise aller Lebenemittel und Gebrauchsartifel so herab- setzt, daß die Preise sich dem Weltmartt anpassen, viertens die Bezüge dei Arbeiter, Ängestellten und Beamten in ein angemessenes Verhältnis zu den Preisen des täglichen Bedarfs bringt und fünsteneden innen 62 außenpolitisch untragbaren militärischen Ausnahme⸗zustand sofort seitigt. . Für die thäringische Regierung erklärte der Gesandte Dr. Münzel: Die thüringische Regierung leidet schwer unter dem Aus nahmezustand. weil die militärische Gewalt sich in Verhältnisse ein⸗ mischt die der Landesregierung vorbehalten sind. Der Militärbefehls⸗ haber hatte es sogar für notwendig gehalten, in die Regelung des Buß tages einzugreifen, obwohl dies kaum mit Gründen der öffentlichen Didnung und Sicherheit zu rechtfertigen ist. Die Entlassung eines Oberrealschülers in Jena wegen Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die mit der Schulzucht nicht vereinbar war,

bat er jum Gegenstand von Erörterungen gemacht. Er nahm Stellung ju den KBejichwerden von Gemeinden über die Ein⸗ gemeindung in größeie Gemeinden. Tat Vorgehen der Beteblebaber bei den Verhastungen setzt sich über das Schut hanigesetz 43 Die tbüningische Regieiung bat sich wegen dieser Dinge an die eichs⸗· regierung gewandt. Ich wünde es begiüßen, wenn das Ermächtigunge⸗ esetz den Abbau des mistärischen Ausnabmezustandes für Thüringen . würde. Ich bin beauftragt, mich der Stimme zu ent⸗ halten, weil die Auswirkungen des Ermächtigungsgesetzes nicht zu überseben sind und die Aujzählung der davon betroffenen Materie im Gesetze nicht enthalten ist.

Auf Antrag des preußischen Staatssekretärs Weißmann wurden die von der Provinz Sachsen und Thüringen vorge⸗ brachten Wünsche und Beschwerden einem Ausschuß überwiesen.

Landesrat Gerlach erklärte als Vertreter der preußischen Rheinprovinz: Ich kann dem Ermächtignngegesetz nicht zustimmen. Die außenvpolitischen Interessen des Reiches hindern mich diesen Standpunkt aussührlich darzulegen Ich kann nur kurz ertlären, daß zu der Politik eines Teils der Männer, die gegenwärtig in der Reichsregierung sitzen, die weitesten Kreise der rheinischen Bevölkerung nicht das Vertrauen haben, das vorhanden sein müßte, um einem so weittragenden Gesetz die Zustimmung zu geben. ;

Staatsrat Dr. ron Wol! erklärte: Die baverische Regierung erkennt die Notwendigkeit des Gesetzes, und will ihm nicht entgegen⸗ treien. Sie müßte aber Gaiantien dagegen verlangen., daß das Er⸗ mächtigungegesetz nicht eiwa zu einer Vergewaltigung oder zu einer erbeblichen. Sd ädigung der Inleressen der Länder führt. Sie hat deshalb den Wunsch gehabt, daß die Verordnungen nicht erlassen werden, ohne daß die Ausschüsse des Reicheiats sich vorher eingehend mit ihnen befassen können und ohne daß der Reicherat vorher diesen Verordnungen ausdrücklich seine Zustimmnng eiteilt hat. Die in der vertraulichen Beratung beschlossene Aenderung des Gesetzes bedeutet zweisel los eine Verbesserung, aber man ann darüber im Zweifel sein, ob sie ausreicht Es ist nicht dasselbe, ob der Reichsrat den Erlaß einer Verordnung von seiner Zustimmung abhängig macht oder ob er erst nachträglich ihre Aufhebung verlangen kann. Darum muß ich mir vorbehalten, die bayerische Stimme nach= träglich zu Protokoll zu geben. Qberpräsident Hörsing hat gesagt, nur in Bayern wären Unruhen vorhanden geween. eine näbere Be⸗ gründung dieses Vorwurfs glaubte er nicht geben zu sollen. Ich weise darauf hin, daß die Zustände, die dazu geführt haben, im Reiche den Belagerungszustand von Reichs wegen zu verhängen, in Vayern keineswe s vorhanden waren. Die Ruhe und Sicherheit der Person und des Eigentums waren und sind heute noch in Bavern absolut gewährleistet. Wir haben volitische Unruhen gehabt, aber die haben nichts zu tun mit den Verhältnissen, die zu dem Belagerungszustand im Reiche geführt haben. Behauptungen des Obeipräsidenten Hörsing einlegen und bedame, daß sie in öffentlicher Sitzung ohne Begründung vorgebracht worden sind.

Nachdem noch der Vertreter der braunschweigischen Regierung sich gegen das Ermächtigungsgesetz ausgesprochen hatte, wurde die Abstimmung vorgenommen. Sie ergab die Annahme des Gesetzes mit 45 gegen 9 Stimmen, also mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Dagegen stimmten die Ver⸗ treter der Rhelnprovinz und der Lärder Sachsen und Braun⸗ schweig. Der Stimme enthielten sich die Vertreter von Thü⸗ ringen und Bayern. Die bayerische Regierung will ihre end⸗ gültige Stimmabgabe nachholen.

Deutscher Reichstag. 894. Sitzung vom 4. Dezember 1923, Nachmittags 3 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger).

Am Regierungstische: Reichskanzler Marx, Reichsminister des Innern Dr. Jarres, Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresem ann, Reichswehrminister Dr. Geßler, Reichs⸗ finanzminister Dr. Luther, Reichswirtschaftsminister Hamm, Reichs justizminister Emminger, Reichsarbeitsminister Dr. Brauns, Reichsminister für Ernährung und Land⸗ wirtschaft Graf von Kanitz, Reichspostminister Dr. Höfle.

. Löbe eröffnet die Sitzung um 3 Uhr 25 Minuten.

uf der Tagesordnung steht als erster Punkt die Ent⸗ gegennahme einer Erklärung der Reichsregierung.

Der zwe ite Punkt der Tagesordnung, die erste und zweite Beratung des Ermächtigungsgesetzes, wird von der Tagesordnung abgesetzt; der Gesetzentwurf soll erst morgen behandelt werden.

Darauf erhält sofort der Reichskanzler Marx das Wort, der von den Kommunisten mit dem Zuruf: Handlanger des Generals von Seeckt! begrüßt wird.

Reichskanzler Dr. Marx: Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat bereits die Namen der Mitglieder des neuen Kabinetts Ihnen mitgeteilt, so daß ich dieser formellen Vorstellung hier enthoben bin. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß das Mi⸗ nisterium für die besetzten Gebiete einstweilen noch nicht besetzt worden ist. Vorläufig wird es vom Herin Reichsminister Dr. Höfle verwaltet. Die Entscheidung über eine endgültige Besetzung des Ministeriums behalte ich mir vor.

Mit besonderem Danke habe ich es begrüßt, daß mein verehrter Vorgänger Herr Dr. Stiesemann sich bereit gefunden hat, das Amt des Reichs ministers für das Antwärtige in meinem Kabinett zu übernehmen. (Lebhaftes Bravo rechts und in der Mitte.) Dadurch ist die Stetigkeit der auewärtigen Politik, wie sie in so hohem Maße gerade zu unserer Zeit wünschenswert ist, gesichert. Ich spreche ihm für seine Bereit⸗ willigkeit, insbesondere aber auch für seine erfolgreiche und für das deutsche Volk bedeutungevolle Tätigkeit als Chef des letzten Kabinetts auch von dieser Stelle aus den herzlichsten Dank aus. (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte. Lachen und Zuruse von der äußeisten Linken.)

Diesen herzlichen Dank schulde ich auch den Herren NReicht⸗ ministern Fuchs und Koeth, die leider nicht mehr für das Kabinett gewonnen werden konnten. Herr Fuchs hat seine reichen Erfahrungen mit heimatliebendem Herzen dem schwergeprüften Rheinlande zur Ver⸗ fügung gestellt und als Minister für die besetzten Gebiete Hervor⸗ ragendes geleistet. Sein Gesundheitszustand hat es ihm nicht ge— stattet, das Amt beizubehalten.

Zu meinem größten Bedauern und wohl zum größten Schaden des Deutschen Reiches und Volkes hat die durch den Be⸗ schluß des Reichstags vom 23. November hervorgerufene Krisis weit länger gedauert, als es wünschenswert gewesen wäre. Ich will nicht in den Fehler verfallen, den ich in meiner letzten Erklärung, die ich an dieser Stelle namens der Zertrumspartei abgab, gerügt habe. Ich will nicht der Versuchung unterliegen, zu untersuchen, wer die Schuld an der hinter uns liegenden Regierungskrisis zu übernehmen hat. Angesichts der traurigen, geradezu fürchter⸗ lichen politischen und finanziellen Lage unseres Vaterlandes halte ich es für die wichtigste und erste Pflicht eines jeden, der im Partei⸗ und öffentlichen Leben steht, vor allem aber auch für die Pflicht der Regierung, alles hintanzustellen, was irgendwie geeignet

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Ich muß deshalb Veiwahrung gegen die

st. die leider schon allwu großen Gegensätze in unserem Volke zu in tlesen. (3ustimmung rechts und in der Mitte) Mein Kampf 9

weder gegen rechts noch gegen links, sondern gegen alle diejenigen, di

dem deutschen Volfe mit Gewalt und List das Letzte und Beste rauben wollen, was ihm noch geblieben ist: Die Einheit der Nation.“ (Stürmische Zustimmung rechts und in der Min Lachen und Zurufe auf der äußersten Linken) Ich halte ö deshalb für das zwingende Gebot der Stunde, alles zu versuchen um bestehende Gegensätze auszugleichen und das Hervortreln neuer ju vermeiden. (Wiederholte Zuruje von der äußersten Linken, Es wäre vielleicht gut, wenn Sie (zur äußersten Linken) sich diesen Beispiel anschlössen. (Lebbaste Rufe rechts und in der Mütz Sehr gut! Lachen auf der äußersten Linken) Die ganze Kmst der Regierung jowohl wie der politischen Parteien muß meines Er, achtens darauf gerichtet sein, unser Volk und unser Vaterland aul dem tiefen Abgrund wirtzchafilichen und finan iellen Verfalls, in den wir durch den unglücklichen Ausgang des Weltkrieges gestürzt sinz wieder herauszuheben und zu retten.

Herr Dr. Strejemann hat in seiner Rede vom 22. Novembe unsere Lage eine geradezu trostlose genannt. Er ist des halb von ven schiedenen Seiten kritisiert worden. Und dennoch bat er nach meiner Meß nung vollkommen richtig gesprochen. (Sehr wahr! rechts und in der Miue Das deutsche Volt in allen seinen Teilen muß und soll es wissen um immer mehr von der Ueberzeugung durchdrungen werden, daß wir m unseien wirtschastlichen und finanziellen Kräften tatjächlich am Enn sind (3ustimmung rechts und in der Mitte), daß vieles, was un schön und gut und wünschenswert, vielleicht sogar notwendig erschein ja, was uns geradezu eine Herzenssache ist, dennoch zurückgeslell werden muß angesichts der verzweifelten Lage ünserer Finanzen, dern Stand uns mit der Brutalität unwiderleglicher Zahlen auf t Alternative hinweist: Was ist wichtiger und wertvoller, das nach Leben des deutschen Volfes oder eine vorläufige Befriedigung anen tennenswerter Bedürfnisse mit dem baldigen völligen Zusammenhruch mit Hunger und Chaos im Gefolge?

Der Herr Finanzminister Dr Luther hat bereits am 22. No vember in eingehender Darlegung den geradezu kaiasttophalen Sian unserer Finanzen gekennzeichnet. Ich möchte hier nur im allgemeing darauf verweisen und lediglich noch folgendes dazu bemerken:

In der Finanzfrage sieht sich die Reichsregierung vor eine Am gabe von einer vielleicht in der Weltgeschichte nie dagewesenn Schwierigkeit gestellt. Die Verzögerung der Regierungebildunz hat unersetzliche Tage verstreichen lassen. (Hört! Hört! rech Eine sehr wesentliche Erhöhung der Einnahmen, die planvoll von bereitet war, muß sofort mit aller Entschiedenheit und Schnelligket in die Tat umgesetzt werden. (Zuruf von den Kommunisten) Nich minder müssen alle bereits ergriffenen und noch zu eigreifendn Maßnahmen zur Beschränkung der Ausgaben mit einem solchen Nach druck angesaßt werden, daß alle k Hindernisse rüch sichtslos überwunden werden.

Es ist außerordentlich beklagen swert, daß trotz der ununten brochenen Hinweise von Regierungsleite auf den unerhörten Er der Finanzlage es immer noch Bevölkerungskreise gibt, die gen Steuerbelastungen und Ausgabenbeschtänkungen Einwände erheng (ehr richtig! in der Mitte und rechts; Lachen bei den Kommunistz die aus dem Arsenal eines einigermaßen normalen Staatslebe entnommen sind. Die Bevölkerung muß endlich in ihrer Gesamthel davon durchdrungen werden, daß, wenn nicht Volk und Reich i einen hoffnungslosen Strudel der Vernichtung versinken sollen, jah die Stunde größten Opferns gekommen ist. (Lebhafte Zustimmung it der Mitte und rechts. Lachen und Zurufe bei den Komm. Glock des Präsidenten) Daß dabei gleichzeitig zur Ueberwindung der furcht baren Eiwerbslosigkeit die Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden muß, macht die ganze Sachlage so überaus schwierig. Die Regierung wird ihr äußerstes tun, um der Schwierigkeiten Herr zu wenden (erneute Zurufe von den Komm.), kann dies aber nur, wenn sie endlich auf volles Verständnis sür die ganze schwere Sachlage im Volt stößt und das scheint auch bei einigen Parteien hier im Parlamen noch immer nicht der Fall zu sein. (Lebbafte Rufe: Sehr wahr! Wiederholte lärmende Zurufe von den Ko]mm.) Es muß jetzt begriffen werden, daß im Finanzproblem für uns die Frage über Sein oba Nichtsein liegt. (Erneute lärmende Zurufe von den Komm. Glocke

Bei diesem Sachverhalt will es mir nebensächlich und übe flüssig erscheinen, hier eine längere Rede über ein Programm n halten, daß die Regierung demnächst durchzuführen beabsichtigt. Di Zeit ist für uns zu kostbar, als daß wir sie mit längeren Erön rungen zubringen dürften, wo die allgemeine Not immer dringende ruft. Nicht Worte soll das Volk hören, sondern Taten sehen! Da kommt, daß über die Einzelheiten der äußeren und inneren Polit in verschiedenen Reden der letzten Regierung ausführliche Da legungen erfolgt sind. (Sehr richtig h

Es dürfte sich erübrigen, dies jetzt nochmals zu tun, zumal, die gegenwärtige Regierung sich in ibrer grundsätzlichen Einstella nicht von der vorigen unterscheidet. (Hört! hört! Zurufe von de Kormunisten.)

Entscheidend für das Verhalten der Regierung muß die gerade katastrophale Lage unserer Wirtschaft und unserer Finanzen seün Es ist eine Lebensfrage für Reich und Volk, hier die richtigen Min und Wege zu finden, die zur Rettung und Besserung führen.

Als einen solchen Weg glaubt die Regierung ein Ermächtigung gesetz ansehen zu sollen, das ihr in ausreichendem Maße die Mönlib keit gewährt, mit der durch die Zwangslage erforderten Schnelligh diejenigen Maßnahmen zu treffen, die sie nach pflichtmäßigem 6 messen und genauester Prüfung der Verhältnisse für erforderlich m geeignet hält, das gewünschte Ziel zu erreichen. Die Regierung! der Meinung, daß angesichts des ungeheuren Zwanges der Zeit len wierige Verhandlungen im Reichstag, wie sie die Beratungen en schneidender wirtschaftlicher und finanzieller Gesetze erfordth würde, nicht wünschenswert, ja geradezu unerträglich scheinen. (Sehr richtig! in der Mitte und rechts) handelt sich nicht mehr um Monate oder Wochen, sondern M noch um Tage, in denen sich zeigen muß, ob es gelingt, uns vor do drohenden völligen Verfall noch im letzten Augenblick zu retth Durch das Ermächtigungsgesetz, das bereits diesen Vormittag * Reichsrat mit Zweidrittelmehrheit angenommen worden ist, soll Reichsregierung ermächtigt werden, alle Maßnahmen zu treffen. d im Hinblick auf die Not von Volk und Reich für erforderlich dringend erachtet werden. (Sehr gut! in der Mitte und rechts) erster Linie kommen Verordnungen über steuerliche Maßnahmen! Betracht, die sich im Rahmen und in der Richtung der Aussührunn? des Herrn Dr. Luther vom 22. November bewegen. (Zuruf n den Komm.: Schonung des Besitzes ) Sie müssen diese Rede nn

*

é angebört oder nicht verslanden baben! (Heitere ZJustimmung.) auch im Übrigen soll rie Reichsregierung das Recht baben, ge Matnabmen zu treffen. die lach ibrem vflichtmäßigen Er— en als dringende Forderungen der Notlage erscheinen.

Wir verkennen nicht, daß durch die Zustimmung zu einem solchen en der Reichetag auf wichtige Rechte einer demokratischen Staats afuung zeitweilig wenigstens verzichtet. Wir appellieren an Vaterlandsliebe und das Pflichtgesühl der Volksvertreter, wenn e bitten, in schwerer Zeit einer Regierung, die glaubt, auf die zmmung weiter Kreise der Volksvertretung rechnen zu dürsen⸗ ergewoͤbnliche Vollmachten zu geben. Kenn ich nun noch einige Fragen berübren darf, deren Be zortung von besonderem Interesse sein dürfte, so möchte ich schst mich zur Frage des Verbältnisses des Reichs zu den Ländern geen. Es ist überaus schmernlich. feststellen zu müssen, daß zu Zeit, wo die Einmütigkeit aller deut chen Stämme mit Rückicht Hie Gefahren, die uns durch die Uebermacht unserer Gegner ben, wünschenswerter wäre als je zuvor, das Verhälmis **. Reich und einzelnen Ländern in vielfachen Beziehungen ge ht ist. Es soll meine eiste und nach Erledigung der dringendsten rren Fragen wichtigste Aufgabe sein, in kürzester Zeit, wenn d möglich, die Klärung des Verhältnisses zwischen Reich und dem zu versuchen und womöglich herbeizuführen. Unter selbst⸗ ständlicher Achtung der Bestimmmungen unserer Reiche verfassung D man doch in manchen Beziehungen die vielsach gewünschte Er lerung der Befunnisse der Länder zugestehen können.

Ich schließe mich in dieser Beziehung, auch was die in der Ever fassung bereits begründeten gesetzgeberischen Zuständigkeiten Reichsregierung anlangt, durchaus der Erklärung des Herrn Reichs⸗ bers Dr. Wirth an, die er in einem Briefe vom 20 Aucust 1922 den baverischen Ministerpräsidenten Graf Lerchenfeld niedergelegt

Es heißt dort unter anderem:

Die Reichsregierung wird nicht ohne Not von den noch nicht aus⸗ eschspften Zuständigkeiten und soweit möglich nicht obne Zustim⸗ ung des Reichsrats Gebrauch machen, und sie ist nicht willens, seherige Aufgaben der Länder in die Verwaltung des Reichs durch eue Reichs⸗. Mittel⸗ oder Unterbehörden zu übernehmen.

etwa entstandene Mißverständnisse und Meinungeverschiedenheiten znräumen, scheint mit hier der Weg der Verhandlungen zwischen Regierungen des Reichs und der einzelnen Länder aussichtsreich in höchstem Maße wünschenswert. Ich beabsichtige deshalb, zlichst bald in solche Verhandlungen mit den in erster Linie in lacht kommenden Regierungen einzutreten.

In engster Verbindung mit dieser Frage steht dann die der Auf⸗ na des bestehenden militärischen Ausnahmezustandes.

Wie die Vorgänge der letzten Wochen und Monate zeigen, den die schweren innen, und außenpolitischen Nöte des deutschen

kes immer wieder von verbrecherischen Elementen zur Erreichung

politischen Ziele ausgenützt. Diese Umsturzversuche müssen von ernstbaftesten Folgen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Selbst an sich geringe Rubestörungen, Ladenplünderungen usw. en sich auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung ünd Kredit- ährung sofort in verhängnisvollster Weise aus. Daher ist die rechterhaltung von Ruhe und Ordnung in der nächsten Zeit von z entscheidender Bedeutung für unsere innen, und außenpolitische fwicklung und die wichtigste Vorbedingung für den wirtschaftlichen undungsprozeß. Unter diesen Umständen ist der militärische Aus⸗ mezustand, der alle Machtfaktoren in den Händen des Reiches zentriert, zurzeit nicht zu entbehren. Wir dürfen uns keiner uschung darüber hingeben, daß die augenblickliche Ruhe im Reich

sentlich eine Folge des Ausnahmezustandes ist. (Sehr richtig! in

Mitte) Der Ausnahmezustand gibt uns auch die Mittel an Hand, um die Maßnabmen zur Sanierung der Wirtschaft d Linderung der Nöte wirksam zu unterstützen und gegen derbrecherischen Nutznießer dieser Not, gegen Wucher, Selbstsucht, 6 und dergl. rücksichtslos einzuschreiten. Ich weiß, daß gerade militärischen Stellen ihren ganzen Einfluß aufbieten, um die be⸗ nden Teile des Landes zum Hilfswerk für die breite Masse des lkes anzuhalten. Selbstverständlich ist, daß der Ausnahmezustand em Namen entsprechend, eine Ausnahme bleiben und abgebaut werden 5, sobald es nur immer die Verhältnisse erlauben. Ich verspreche, aller Sorgfalt den Gang der Dinge im Auge zu behalten. bald nur irgendwie sich mir eine Veranlassung zeigt, werde ich in sorgfaltige Prüfung darüber eintreten, ob Einschränkungen und eichterungen der bestehenden Verordnungen herbeigeführt werden nen. Selbstredend werde ich, soebald ich die Frage bejahen müßte, erforderlichen Schritte unverzüglich unternehmen.

Ihre besondere Aufmerksamkeit und ibre tätige Fürsorge wird die e Reichtregierung den besetzten Gebietsteilen unseres Vaterlandes zenden. (Lebhafter Beifall) In vollem Einvernehmen mit den derholten Verlautbarungen der Regierungen der deutschen Länder ärt die Reichsregierung, daß sie gegenüber allen Abtrennungs— uchen an der Zugehörigkeit des Rhein⸗ und Ruhrgebiets

Reich und zu den Ländern unbedingt festhält. (Lebhafter ; al. Die Bevölkerung an Rhein und Ruhr, die so unend⸗ e Leiden auf sich nimmt und mit unerschütterlicher Standhaftig⸗ an ihrem Deutschtum festhält, kann sich darauf verlassen, daß wir 8 (mn ihren Gunsten tun werden, was nur irgendwie in der Kraft Reichs und des deutschen Volkes liegt. (Bravo! im Zentrum, der D. V. und bei den D. D)

In erster Linie werden wir der Fürsorge unserer noch iahlreichen angenen nicht vergessen. (Lebhafte Bravorufe.) Ich glaube, mich auß diese verhältniemäßig kurzen Darlegungen tränken zu sollen An die Volkevertretung richte ich die herzliche die dringende Bitte, sich bei der bevorstehenden Verhandlung zig und allein von dem Gedanken leiten zu lassen, der die Regierung elt: Alles Trennende soll vor der Not der Stunde zurückgestellt den! Jetzt gilt es für des Neiches und des Volkes Wohl zu iten und zu handeln! (Lebhafter Beifall bei der D. V., im trum, bei den D. D. und bei der Bayer. Vp)

ent Löbe schlägt unter Hinweis auf den Beschluß des 9. enngts vor, damit die Parteien zu dem Ermächtigungegesetz und Ih. Regierungserflarung Stellung nehmen können, die Sitzung 9 en und die Beratung auf morgen zu vertagen.

einn von Graefe (Teutschvölk.) fragt an, ob der in der Presse * igte Antrag auf Aufhebung seiner Immunität eingegangen ahh elm Falle würde er bitten, schon morgen seine Immunität nürnen, um Alles klaislellen zu können, was in München vor— . sei, Als der Abg. Traub seinerzeit auch wegen Hoch= angellagt gewesen war, habe der Reeichtag die Immunität

(hoben. Präsident Lzbe: Di frag ist bei ate bis ö ö,,

angen.

Abg. von Graefe bittet den Prüslbenten, dem Ursprung der Pressenachricht nachzugehen.

Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Mlttwoch 2 Uhr: Er⸗ mächtigungsgesetz. 9 amn z h

Preußischer Landtag. WI. Sitzung vom 4. Dezember 1923, Nachmittags 3 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt Frau Wolf⸗ stein (Comm.) sofortige Äeratung des kommunistischen An⸗ trags auf Freilassung zu Unrecht verhafteter Passanten und Teilnehmer aus Anlaß der unlängst in Berlin veranstalteten kommunistischen Demonstration Da Widerspruch gegen die ie , Beratung erhoben wird, ist der Antrag damit er⸗ edigt.

Der weitere Antrag der Kommunisien auf Beratung der kommunistischen Großen Anfrage über das Verbot einer öffent⸗ lichen Wählerversammlung, das „durch eine verrückt gewordene Militärdiktatur“ erlassen sei, erledigt sich durch den Hinweis des Präsidenten, die Anfrage würde geschäftsordnungsmäßig behandelt werden.

Das Haug tritt in die Tagesordnung ein und verabschiedet den Entwurf über die Vereinigung der Landgemeinde Rotthausen mit der Stadt Gelsen kirchen. Der Ent— wurf wird angenommen mit Einfügung einer Bestimmung da— hin, daß der Bürgermeister Hohoff in Rotthausen als besoldeter Beigeordneter in den Dienst der Stadt Gelsenkirchen kommt.

Hierauf tritt das Haus ein in die erste Beratung des Ge⸗ setzentwurfs, betreffend die Kirchen vepfassungen der evangelischen Landeskirchen.

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Boelitz: Meine Damen und Herren! Das Pieußische Staatsministerium legt dem Landtage beute in der Drucksache Nr. 7266 den Ent wurf eines Gesetzes, betreffend die Kirchen, verfassungen der evangelischen Landeskirchen vor. Der Entwurf ist, wie das Staatsministerim in seinem Schreiben an den Herrn Präsidenten des Landtags auch zum Ausdruck gebracht hat außerordentlich dringlich, und ich wäre für eine beschleunigte Be⸗ handlung und Verabschiedung sehr dankbar. Der Aeltestenausschuß

ist sich darüber schlüssig geworden, daß eine Generaldebatte beute

nicht stattfinden soll, aber trotzdem halte ich es für meine Pflicht. diesen außerordentlich wichtigen Gesetzentwurf mit einigen einleitenden Worten diesem hohen Hause selbst vorzulegen.

Der Gesetzentwurf bringt Erörterungen und wichtige Verhand⸗ lungen zum Abschluß, die infolge der durch die Staatsumwälzung geschaffenen neuen Lage der evangelischen Landeskirchen Preußens not⸗ wendig geworden waren. Bis zur Staatsumwälzung war es so, daß der preußische König der Träger des obersten Kirchenregiments war, dem durch Gesetze und Verordnungen wichtige Befugnisse hinsichtlich der Rechtsordnung der evangelischen Landeskirche zustanden. Nach der Staatsumwälzung ist durch die Beseitigung der Monarchie eine Aenderung eingetreten. Die Kirchenveifassungen mußten die so entstandene Lücke unter allen Um⸗ ständen schließen. Das hat man empfunden. als man das Gesetz zur vorläufigen Regelung der Staatsgewalt in Preußen am 20 März 1919 schuf und einen § 5 in dieses Gesetz aufnahm, der bestimmte, daß bis zum Erlaß der künftigen Ver⸗ fassung die Rechte des Königs als des Trägers des landesherrlichen Kirchenregiments auf drei Minister evangelischen Glaubens übergehen sollten, die vom Staatsministerium dazu zu bestimmen seien. Es ist kirchlicherseits wiederholt anerkannt worden und das mag auch hier hervorgehoben werden daß diese Herren durch die Art der Führung der Geschäfte die Ueberleitung in die neuen Verhältnisse wesentlich erleichtert haben. Aber bei der Verabschiedung der Verfassung am 30 November 1920 lag die Kirchenverfassung noch nicht vor, und so mußte die Bestimmung des S5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Staatsgewalt in Preußen auch in die Preußische Ver⸗ fassung übernommen werden; das ist im Artikel 82 geschehen. Als ein gewisser Fortschritt gegenüber dem 5 5. des Gesetzes ist diese Ver sassungsbestimmung insofern zu verzeichnen, als hier anerkannt ist, daß es in erster Linie eine kirchliche Angelegenheit sei, die Frage zu regeln, wer zur Ausübung des obersten Kirchenregiments berufen sein

oll. Es ist ersichtlich, daß so die Bestimmung des Artikels 82 nur eine provisorische Bedeutung hat. Sie ist inzwischen gegenstande los geworden, da die evangelischen Kirchen die Rechte des Königs als des Trägers des landesherrlichen Kirchenregiments auf kirchliche Organe übertragen haben.

Wenn das Gesetz, das Ihnen, meine Damen und Herren, heute vorliegt, zur Annahme gelangt, ist damit eine lange Epoche in der Entwicklung der evangelischen Kirche zum Abschluß gekommen. Die nahe Verbindung der evangelischen Kirche mit dem Landesherrn, wie sie von Luther geschaffen worden ist, ist vielfach angefochten worden, es ist auch ohne weiteres zuzugeben, daß diese Verbindung nicht von jedem Mangel frei gewesen ist. Sie hat in ihrer 400 jährigen Ge⸗ schichte zweifellos Schattenseiten aufzuweisen gehabt, die aus dem Staatekirchentum erwachsen sind. Es ist hier jedoch nicht der Ort, hierauf einzugehen. Trotz freimütiger Anerken⸗ nung mancher Schattenseiten, muß aber betont werden, die enge Verbindung der Kirche mit dem Landesherrn eine Institution gewesen ist, von der sehr viel Segen auf Land und Volk ausgegangen ist. Es wäre eine Undankbarkeit, wenn man nicht anerkennen sollte, daß die evangelische Kirche in den vier Jahrhunderten ihres Bestehens dem landesherrlichen Kirchenregiment zu großem Dank veipflichtet ist.

Es galt aber, meine Damen und Herren, nicht nur Lücken zu schließen, die durch den Fortfall des Trägers des landesherrlichen Kirch enregiments entstanden waren, sondern es wurde zugleich auch eine tief eingreifende Revision der Verfassungen der Kirchen im Hinblick des Artikels der Reichsverfassung vorgenommen.

Ich möchte hier einen Augenblick verweilen. Die Neuregelung.

der Kirchenverfassungen, die Ihnen vorliegen, ist in allen sieben Landeskirchen nicht durch die bisherigen obersten Synoden erfolgt, sondern diese haben nur die Wablgesetze für verfassunggebende Kirchenversammlungen beschlossen. Diese Wahlgesetze haben dann die staatsgesetzliche Bestätigung erhalten: die Wahlgesetze der alten Provinzen am 8. Juli 1920 und die der neuen Provinzen am 18. April 1921. Es haben dann inzwischen die versass unggebenden Kirchen⸗ versammlungen getagt, und sie haben in der Zeit vom September 1922 bis zum März 1923 ihre Verfassungen zum Abschluß gebracht.

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

daß

Alle sleben Landeskirchen haben mir bann lhre Verfassungen mit dem Antrag vorgelegt, die zum Inkrafttreten der Kirchen⸗ verfassungenerforderlichen staatlichen Maßnahmen zu veranlassen.

Die Kirchenverfassungen für Hannover -(lIutheri ch), für Schleswig-Holstein, für Hannover - (reformiert), für Nassau und für Frankfunt sind einstimmig angenommen worden. Die Kirchenverfassung für Hessen ist mit 64 gegen 4 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen angenommen worden und die Kirchen verfassung der Altpreußischen Anion mit 126 gegen 77 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen.

Ginwendungen kirchlicherseits gegen die Kirchen verfassungen sind bei den ersten sechs Landeskirchen nur gegen die Kirchenverfassung von Hessen mir bekannt geworden, und zwar sind es lutherische Kirchengemeinden und ihre Geistlichen in Marburg und Umgegend gewesen, die Einspruch bei diesem hohen Hause ein⸗ gelegt haben. Dieser Einspruch wird in dem Ausschuß mit ver⸗ handelt werden. Anders liegt es in der Kirchenverfassung der Alt preußischen Union. Es ist Ihnen bekannt, daß während der Verhand⸗ lungen und nach den Verhandlungen der Verfassunggebenden Kirchen⸗ versammlung in der Oeffentlichkeit eine lebhafte Beunruhigung ein⸗ getieten war und auch eme lebhafte Agitation einsetzte. Es waren zwei Punkte, gegen die sich vor allem diese Bewegung richtete: ein⸗ mal die Präambel und zum anderen das Wahlrecht für die Generalsynode.

Meine Damen und Herren, ich will hier auf dem Präambel streit nicht näher eingehen. Das Staatsministerium ist der Auf⸗ fassung, daß es sich bei der Präambel zunächst um eine innerkirchliche Angelegenheit handelt. (Sehr richtig! rechts) Voraussetzung ist allerdings dabei, daß die Präambel nicht Bestandteil der Versassung selbst ist (sehr richtig ), und daß die Präambel ein Bekenntnis vorspruch ist, dem keine gesetzliche Bindung zukommt. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Damen und Herren, ich befinde mich hier in voller Ueber⸗ einstimmung mit dem Präsidenten der verfassunggebenden Kirchen versammlung, dem leider verstorbenen Generalsuperintendenten D. Reinhardt, unserem ehemaligen geschätzten Kollegen hier im Landtag, mit dem ich jetzt vor einem Jahr hier in diesem Saale kurz vor seinem Tode mich eingehend über diese Frage unterhalten babe und der mir ausdrücklich bestätigt hat., daß unter keinen Umständen diesem Bekenntnisvorspruch eine lehrgesetzliche Bindung zukomme. Es ist von Wichtigteit, daß auch der Staatsrat hierzu Stellung ge⸗ nommen und einstimmig eine Resolution angenommen hat mit folgendem Wortlaut:

Gegenüber den Bedenken, die hinsichtlich der Verfassung der altpreußischen Union wegen des sie einleitenden Vorspruchs ge⸗ äußert worden sind, erklärt der Staatsrat ausdrücklich, daß er diesen Vorspruch nicht als einen Teil der Verfassung selbst betrachtet, insbesondere kommt ihm keine lehrgesetzliche Berbindlichkeit zu.

Ich halte es aber auch für meine Pflicht., hier ausdrücklich und bestimmt zu erklären, daß die Preußische Unterrichts verwaltung unter keinen Umständen der Präambel für den evangelischen Religiong unterricht an aller Art Schulen und für den Lehrbetrieb an den evangelischen theologijchen Fakultäten irgend eine lehrgesetzliche Ver⸗ bindlichkeit zugestehen kann, Versuchen, bier einen Zwang auszuüben, wird das Preußische Ministerium für Wissenschaft Kunst und Volks bildung und werde ich perjsönlich niemals die Hand bieten. Be⸗ strebungen in der Lehrerschaft, die leider hervorgetreten sind und dahin gehen, den evangelischen Religionsunterricht niederzu⸗ legen, da die Präambel mit der Gewissenssreibeit nicht vereinbar sei, möchte ich mit dem Hinweis begegnen, daß für den evangelischen Religionsunterricht an aller Art Schulen lediglich die Lehrpläne sür den evangelischen Religions- unterricht maßgebend sind, wie sie in den Richtlinien für die Durch⸗ führung der Grundschule vom 18. Juli 1921, in den Richtlinien für die oberen Lehrgänge der Volkeschulen vom 15. Oktober 1922 und in den Lehrplänen für mittlere Schulen und höhere Schulen niedergelegt sind. Diele Lehrpläne lassen die Freiheit, die im Wesen der evan⸗ gelischen Kirche begründet liegt, und ich hoffe, daß der evangelische Religionsunterricht auch weiter im Geiste der Wahrhaftigkeit erteilt wird und daß die Lehreischaft fortfährt, den Enterricht im Geiste der Verinnerlichung des Religionsunterrichts und im Geiste der Ver innerlichung des religiösen Lebens der Jugend zu erteilen.

Man kann hier einwenden, daß diese Lehrpläne in der Ver gangenheit abgeschlossen sind, und daß die Zukunft uns hier Ueber⸗ raschungen bringen kann. Ich hege in dieser Hinsicht feine Be⸗ sürchtungen. Erst jetzt, nachdem die Annahme der Verfassung erfolgt ist, haben wir vom Preußischen Kultusministerium die Lehrpläne für den evangelischen Religionsunterricht an der Deutschen Oberschule und der Deutschen Aufbauschule ausgearbeitet, und jwar im Be⸗ nehmen mit den kirchlichen Behörden Daß die Preußische Unter richtsverwaltung hierbei den soeben entwickelten Grundsätzen getreu geblieben ist, kann ich aufs nachdrücklichste versichern.

Zweitens hat man sich in der Oeffentlichkeit sehr stark gegen das Wahlrecht zur Generalsynode in der Verfassung der alt⸗ preußischen Union gewandt. Die Generalsynode wird nach der neuen Kirchenverfassung durch die Provinzialsynoden gewählt, die ihrerseits wieder aus den Wahlen der Gemeindekörperschaften hervorgehen. Wir haben dadurch allerdings nicht die Urwahl, wie sie vielfach erstrebt worden ist, sondern ein Siebsystem, wenn auch in genilderter Form. Wenn nun die Generalsynode lediglich für innerkirchliche Ver⸗ hältnisse zuständig wäre, dann wäre die ganze Frage nur eine innerkirchliche Angelegenheit. Da sie aber gleichzeitig über die Landes kirchensteuern verfügt, stellt die Bildung der Generalsynode einen Faktor dar, an dem auch der Staat mit beteiligt ist. Ich halte es für meine Pflicht, auch von dieser Stelle aus auf die Bedenken hin⸗ zuweisen, die im Staatsrat in dieser Hinsicht zur Sprache gebracht worden sind. Man legte hier dar, daß infolge der Zusammensetzung der Generalsynode, bei der ganz besonders die Geistlichen das Ueber⸗ gewicht hätten, eine genügende Vertretung der Steuerpflichtigen nicht zum Ausdruck komme. Demgegenüber steht das Staatsministerium auf dem Standpunkt, daß die Bestimmungen über die Zusammen« setzung der Generalsynode der altpreußischen Union, wie sie vorliegen, staatlicherseits zu tragen sind. Artifel 2 des vorliegenden Gesetzes sieht aber ausdrücklich vor, daß dem Staat bei Aenderung der Ver⸗

tretung ein Einspruchsrecht zusteht. Ich bin der Meinung, daß hier 9

Sicherungen geschaffen sind, die unseres Erachtens völlig ausreichen.

Nun sind mir die Kirchenverfassungen mit dem Antrag vor gelegt worden, die nach Inkrafttreten der Kirchenverfassung erforder⸗ lichen staatlichen Maßnahmen zu veranlassen. Es war da⸗