1924 / 27 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Feb 1924 18:00:01 GMT) scan diff

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Preußischer Landtag. 296. Sitzung vom 30. Januar 1924. Nachtrag.

Die Rede, die der Finanzminister Dr. von Richter im Laufe der Beratung über die Grundvermögenssteuer gehalten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm wie folgt:

Meine Damen und Herren! In den beiden letzten Jahren war ich ungefähr zu derselben Zeit, zu der ich heute zu Ihnen zu sprechen die Ehre habe, in der Lage, Ihnen den Entwurf des Staatshaushalts für das kommende Jahr vorzulegen und zu dessen Begründung einen Ueberblick über die augenblickliche und die voraussichtliche künftige Entwicklung der preußischen Finanzen zu geben. Aus Gründen, die ich schon wiederholt kurz dargelegt habe, mußte das Staatsministerium in diesem Jahre bisher davon absehen, Ihnen den Staatshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1924 rechtzeitig vorzulegen. Die Veranlassung dazu liegt in den Ihnen bekannten Verhältnissen: daß dieser Staatshaushalt bei rechtzeitiger Feststellung und Vorlegung Ihnen ein Bild hätte geben müssen, das wohl auch nach Ihrer und jedenfalls nach Auf⸗ fassung des Staatsministeriums völlig unzutreffend gewesen wäre und für Sie keinerlei Bedeutung gehabt hätte. Denn in die Arbeiten zur Aufstellung unseres Haushalts fielen damals die katastrophale Entwertung unserer Währung und gleichzeitig von Mitte November vorigen Jahres an die Stillegung der Noten⸗ presse und die Ausgabe der Rentenmark. Hätten wir Ihnen nun damals oder auch jetzt noch auf Grund des Umstandes, daß die Papiermark nach wie vor unsere einzige gesetzliche Währung ist, einen Haushalt in Papiermark vorgelegt, so wären damit alle die Nachteile verbunden gewesen und wiederholt worden, die Sie ja in der Beratung des Haushalts des laufenden Rechnungs⸗ jahres bereits verspürt hatten. Das hohe Haus hätte sich kein zutreffendes Bild der Einnahmen und der Ausgaben machen können, wir hätten mit jenen unglaublich hohen Zählen operiert, bei denen sich ja eigentlich niemand mehr etwas denken konnte, die uns scheinbar ein Bild gaben von einem ungeheuren Reichtum, in Wirklichkeit aber nur eine ungeheure Zahlenmenge darstellten, während der wirkliche Wert dahinter von Tag zu Tag verschwand, so daß man sich bei diesen ungeheuren Zahlen mir ist es wenigstens in meinem Privatleben so gegangen, und ich glaube, Ihnen eben o auch im Staatsleben der wirklichen Verarmung, in der wir uns befinden, kaum oder nur sehr wenig bewußt wurde. Wir haben uns infolgedessen in der Staatsregierung gesagt und diejenigen Herren aus den verschiedenen Fraktionen, mit denen ich darüber gesprochen habe, haben mir darin durchaus zuge⸗ stimmt —, daß es unsere Pflicht sei und daß es für Sie allein Wert haben könne, einen Haushalt für das Jahr 1924 zu erhalten, bei dem man sich ich will mal diesen krassen Ausdruck ge⸗ brauchen überhaupt etwas denken konnte, mit dem man einen Begriff von der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des preußischen Staates verbinden konnte. und wir haben uns gesagt, daß gegenüber diesem nach unserer Auffassung richtigen und unter allen Umständen zu erreichenden Ziele der Nachteil, daß der Haus⸗ halt Ihnen verfassungsmäßig zu spät vorgelegt wird, mit in Kauf genommen werden müßte. Denn es kann ja nicht darauf an⸗ kommen, daß man die einzelnen Positionen des Haushalts hier benutzt, um an den Gegenstand, an das Dispositiv anzuknüpfen und nur Reden zur Sache zu halten, sondern die Hauptsache des Haushalts ist doch schließlich, namentlich unter den jetzigen Verhältnissen, daß er die Möglichkeit geben soll, dem Landtage eine Einwirkung auf die finanzielle Führung der Staatsgeschäfte zu schaffen, von deren richtiger Führung mehr wie je die ganze Gestaltung des Staatswesens, die Bestreitung sachlicher Bedürf⸗ nisse, abhängt. Von diesem Gesichtspunkte aus glaube ich mich mit Ihnen, meine Damen und Herren, in Uebereinstimmung zu befinden, wenn ich sage: der Nachteil, der durch diese ver⸗ spätete Vorlegung des Haushalts entsteht, wird von dem Vorteil aufgewogen, der dadurch herbeigeführt wird, daß wir Ihnen einen auf Goldmark eingestellten Haushalt vorlegen, wie es im Reiche ebenfalls der Fall ist, einen Haushalt, mit dessen Zahlen Sie tatsächlich Begriffe verbinden und bei der sachlichen Entscheidung operieren können.

Wenn dem aber so ist und wenn wir auf der anderen Seite vor der Tatsache stehen, daß die Regierung sich genötigt sieht, an Sie mit der Bitte um Bewilligung einer neuen Steuer oder um Erhöhung einer schon vorhandenen Steuer heranzutreten, in einem Ausmaße, von dem wir in der Regierung ohne weiteres anerkennen, daß diese Forderung für alle davon Betroffenen eine ganz außerordentliche Belastung bedeutet, dann, glaube ich, meine Damen und Herren, haben Sie auch das Recht, von dem Finanz⸗ minister zu verlangen, daß er Ihnen einen Ueberblick über die Finanzlage des preußischen Staates gibt und diese außerordentlich starken Opfer, diese Anforderungen an die steuerzahlende Be⸗ völkerung wenigstens begründet. Insofern werden auch Sie es⸗ berechtigt finden, wenn ich mich bei dieser Gelegenheit nicht nur in dem engeren Rahmen der Erwägungen halte, welche uns jetzt im Hauptausschuß und vorher im Ständigen Ausschuß wiederholt bei der Grundsteuer beschäftigt haben, sondern wenn ich mir in meinen Ausführungen den Rahmen etwas weiter ziehe und auf die gesamte Finanzlage des preußischen Staates und das, was da⸗ mit zusammenhängt, eingehe.

Dabei ist es natürlich unmöglich, von dem Verhältnis des preußischen Staates zum Reich abzusehen, und zwar das möchte ich gleich sagen nicht nur in finanzieller Beziehung, sondern auch, wenn auch nur oberflächlich und in großem Rahmen, in sonstiger Beziehung. Es ist natürlich nicht meine Aufgabe, Ihnen jetzt hier eine politische Rede zu halten über die Beziehungen zwischen dem Reich und den einzelnen Ländern, insbesondere zwischen dem Reich und dem größten Lande, Preußen, so sehr viel⸗ leicht auch bei anderer Gelegenheit allein die Tatsache der Ihnen ja bekannten baverischen Denkschrift Veranlassung dazu geben könnte. Aber ich bin als Finanzminister dazu naturgemäß nicht berufen, sondern das würde in erster Linie Sache des Herrn Minister⸗ präsidenten sein. Aber auf der anderen Seite muß ich natürlich auf diese Verhältnisse wenigstens so weit eingehen, wie sie gleich⸗ zeitig meine Verwaltung betreffen und gleichzeitig auf die finan⸗ zielle Gestaltung des Verhälm zwischen dem Reich und den Ländern und damit auf die finanzielle Gestaltung Preußens und auf die Grundlage denn das sind die finanziellen Verhältnisse eines staatlichen Eigenlebens der Länder und insbesondere des größten Landes, Preußens, Bezug haben.

wähnten Ueberweisungen.

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Meine Damen w B en, , Fab glaube ich, wiederholt von dieser Stelle und im allgemeinen wohl mit Zustimmung min⸗ destens einer großen Mehrheit dieses hohen Hauses leider, möchte ich sagen ausführen müssen, daß die Gestaltung des Verhält⸗ nisses zwischen Reich und Ländern, wie sie nun einmal durch die Weimarer Verfassung und durch Gesetze geschaffen worden ist. die sich auf diese Verfassung stützen, wie ich schon sagte, wohl auch nach Auffassung der großen Mehrheit dieses Hauses, nicht den Inter⸗ essen völlig und genügend Rechnung trug und Rechnung trägt, auf deren Wahrung nun einmal die einzelnen Länder einen An⸗ spruch haben, solange sie als gleichberechtigte Gliedstaaten des Reiches bestehen.

Es ist nicht ganz leicht, wenn man auf Grund der Erfahrungen, die ich nun in einer mehr als zweijährigen Tätigkeit als preußischer Finanzminister gemacht habe, zu der Ueberzeugung kommt, daß diese Verhältnisse in keiner Weise den Notwendigkeiten entsprechen. Das zeigt sich ja leider bei anderen Ländern auch, selbst bei denjenigen Ländern und derjenigen Bevölkerung, die durchaus nicht partikularistisch sind, die durchaus ehrlichen Willens sind, dem Reiche zu geben, was des Reiches ist, die durchaus anerkennen, daß ein starkes, einiges Deutsches Reich eine Lebensnotwendigkeit für das Leben der einzelnen Länder ist, daß eine Schwächung dieses Reiches nach außen und innen auch eine Schwächung der einzelnen Länder bedeuten würde. Es ist für diejenigen, die dieser Ansicht sind, doch schwer, wenn sie allmählich zu der Ueberzeugung kommen, daß die Ziehung der Grenzen zwischen den Aufgaben und zwischen der Tätigkeit des Reiches auf der einen und der Länder auf der anderen Seite nicht so erfolgt ist, daß dabei wirklich die Lebens⸗ interessen der Länder voll und genügend zu ihrem Rechte kommen. Durch diese Verhältnisse wird die nach meiner Auffassung un⸗ geheuer große politische Gefahr heraufbeschworen, daß auch die⸗ jenigen Kreise, von denen ich eben sprach, nicht mit wahrer Zu⸗ friedenheit an dem Reiche hängen, sondern wenigstens ich will nicht zu weit gehen zu einer vielfach herberen Kritik gegenüber dem Reiche und seinen Maßnahmen herausgefordert werden. Meine Damen und Herren, Sie haben ja aus den verschiedenen Kundgebungen der Reichsregierung entnommen, daß diese zum mindesten damals, als Herr Dr. Stresemann eine kurze Zeit Reichs⸗ kanzler war, und ebenso unter der Reichskanzlerschaft des jetzigen Herrn Reichskanzlers Marx, diesen Gedanken, daß tatsächlich die jetzigen Verhältnisse für Reich und Länder unbefriedigend sind, anerkannt hat, und daß deshalb, weil auch das Reich an zufriedenen Gliedern selbst das allergrößte Interesse hat, diese Verhältnisse nach der Richtung geändert werden müssen, daß den Ländern eine größere Bewegungsfreiheit und damit eine größere Zufriedenheit zuteil wird. Ich freue mich, feststellen zu dürfen, daß diese Ge⸗ danken die wir hier ja öfter schon ausgesprochen haben, die ich persönlich und vor 26 Dingen auch der preußische Herr Minister⸗ präfident in Unterredungen mit leitenden Männern des Reiches vertreten haben, immer wieder in der Reichsregierung auf frucht⸗ baren Boden gefallen sind.

Meine Damen und Herren, das, was ich Ihnen sagte, gilt vor allen Dingen von der Gestaltung der finanziellen Be⸗ ziehungen. Sie wissen so gut wie ich, daß in dem alten Reiche die Regelung verhältnismäßig einfach war. Es war im großen und ganzen, um es auf eine kurze Formel zu bringen, der Grundsatz aufgestellt: die direkten Steuern den einzelnen Bundes⸗ staaten, die indirekten Steuern, Zölle und Verbrauchsabgaben

dem Reiche, und was das Reich durch diese Einnahmen nicht

decken konnte, das wurde bekanntlich auf dem Wege der Ma⸗ trikularbeiträge aufgebracht, die zweifellos auf einer sehr rohen Grundlage beruhten. Man hat bekanntlich nach dem verlorenen Kriege aus Gründen, die ich hier nicht kritisieren will, die ich persönlich aber, wie ich das hier wiederholt gesagt habe, mindestens in großem Umfange für zutreffend halte, von dieser sehr ein⸗ fachen und sehr reinlichen Scheidung abgehen zu müssen ge⸗ glaubt. Das Reich hat die wichtigsten direkten Steuern, wie die Einkommen⸗ und Körperschaftssteuer, die Vermögenssteuer, grund⸗ sätzlich für sich in Anspruch genommen. Da nun einmal das Deutsche Reich kein Einheitsstaat ist, sondern aus einzelnen Gliedern, den Ländern, besteht und da man diesen Gliedstaaten des Reiches die Möglichkeit einer zufriedenen staatlichen Existenz geben wollte, ist man dazu übergegangen, diese grundsätzlich vom Reiche in Anspruch genommenen direkten Steuern in allmählich steigendem Maße den Ländern als Ueberweisungssteuern zur Be⸗ friedigung ihres eignen staatlichen Lebens zu überlassen.

Was ich von den Ländern sage, meine Herren, das gilt natürlich in demselben Umfange für die Gemeinden. Früher be⸗ ruhte die starke Finanzkraft des preußischen Staates bekanntlich im wesentlichen auf seiner Einkommen und Ergänzungssteuer, die neben den preußischen Eisenbahnen sein Rückgrat bildeten. Beide Einnahmequellen sind uns genommen worden. Die finanzielle Grundlage der Gemeinden beruhte im wesentlichen auf den Zuschlägen, die sie zur Einkommensteuer erheben konnten. Auch das ist weggefallen. Das Reich mußte für die Einkommen⸗ steuer und die Körperschaftssteuer, die es für sich beschlagnahmt hatte, Ersatz schaffen. Dieser Ersatz bestand in den von mir er⸗ Diese Ueberweisungen führten natur⸗ gemäß sowohl finanziell wie auch, sagen wir, politisch zu äußerst unerwünschten Zuständen. Finanziell unerwünscht insofern, als schließlich ein Land von der Größe Preußens, das noch immer ungefähr drei Fünftel der Bevölkerung des Deutschen Reiches umfaßt, im großen und ganzen zu einem Kostgänger des Reiches geworden ist. Den Gemeinden ging es ebenso. Das war politisch insofern bedenklich, als es immer das weiß jeder, der in der Verwaltung eines großen oder kleinen Staates, eines großen oder kleinen Gemeinwesens zu tun hat im höchsten Grade unrichtig ist, den einen über die Ausgaben bestimmen und den andern zahlen zu lassen. Wir waren abhängig nicht von den Einnahmen, die wir uns selber schufen, unsere Ausgaben waren nicht begrenzt im Hinblick auf die Verantwortung, Deckung für sie durch Einnahmen zu schaffen, sondern wir waren von dem Reiche abhängig. Diese Konstruktion, dieses Kostgängertum, bei dem das gebe ich ohne weiteres zu die Anforderungen an das Reich naturgemäß, da man selbst für die Aufbringung der Mittel nicht zu sorgen hatte, sehr weit gingen, führte dazu, daß man mit Anforderungen an das Reich herantrat, die das Reich vielfach beim besten Willen nicht erfüllen konnte, und daß sowohl in den Ländern wie in den Gemeinden das Gefühl der Verantwortung ertötet wurde. Dieses Gefühl der Verantwortung dafür, daß man für die finanzielle und politische Existenz eines

Landes oder einer Gemeinde zu sorgen hat, das ist eigentlich die Grundlage des staallichen, jedenfalls des parlamemarischen Lebens überhaupt. In dem Augenblick, in dem der Landtag, in dem die Stadtverordnetenversammlungen sich nicht mehr darüber den Kopf zu zerbrechen brauchen, wie sie die Einnahmen für die Ausgaben schaffen können, in dem der einzelne, der über die Aus. gaben bestimmt, nicht mehr seinen Wählern dafür verantwortlich ist, daß er Ausgaben bewilligt hat, für die seine Wähler zu größeren Steuerleistungen herangezogen werden, in dem Augen⸗ blick ist meiner Meinung nach die Grundlage des staatlichen und des gemeindlichen Lebens völlig verschoben und ein zufriedenes Leben weder im Staate noch in den Gemeinden auf die Dauer möglich. Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir uns und das ist ja in diesem hohen Hause immer wieder gefordert worden seit langem dafür eingesetzt, daß diese Dotations⸗, diese Zuschußwirtschaft, dieses Kostgängertum der Länder und der Gemeinden beim Reich unter allen Umständen aufhören müsse. Ich freue mich, feststellen zu können, daß diese Gedanken seit längerer Zeit oder wenigstens seit Monaten bei der Reichs—⸗ regierung und namentlich bei dem jetzigen Herrn Reichsfinanz⸗ minister auf immer stärkere Zustimmung gestoßen sind, wie das ja sowohl in seinen Reden wie in den Reden anderer Reichs⸗ minister in der Oeffentlichkeit zum Ausdruck gekommen ist.

Meine Damen und Herren, ich verkenne gar nicht, daß es für die Reichsregierung gewiß auch außenpolitische Schwierigkeiten hat oder gehabt hat, in solchem Umfange namentlich bezüglich der Einkommen steuer den gemeinsamen Wünschen aller Länder Rechnung zu tragen. Aber schließlich hat sich der Herr Reichsfinanzminister Dr. Luther und mit ihm die Reichsregierung doch wenigstens bereiterklärt, den Ländern von der Einkommensteuer statt der 75 2, die wir bisher hatten, nunmehr einen Anteil von 90 3. zuzuweisen. Es ist das ein Anteil man könnte vielleicht auf 95 85 kommen der tatsächl ich dem Reich jetzt nicht viel mehr als das zur Bestreitung der ihm ver⸗ bleibenden Verwaltungskosten Notwendige beläßt. Meine Damen und Herren, ich weiß sehr wohl wir haben uns darüber ja wieder- holt hier unterhalten man kann selbstverständlich sehr verschiedener Ansicht darüber sein, ob man grundsätzlich daran festhalten soll, daß diese nun wieder mit das Rückgrat der einzelnen Länder bildende Einkommensteuer die auch den großen Vorteil hat, daß sie die Steuer ist, die am meisten die Leistungsfähigkeit des einzelnen berück sichtigt und insofern also den Erfordernissen der steuerlichen Gerechtig= keit am meisten Rechnung trägt besser dem Reich zu überlassen ist, soweit die materielle Gesetzgebung und die Veranlagung dieser Steuer in Frage kommt, den Gemeinden und Ländern aber nur die vom Reich geregelte und veranlagte Steuer auszuschütten ist, oder ob

man so weit gehen will, auch die materielle Gesetzgebung einschließlich

der Veranlagung dieser Steuer den Ländern zu überlassen. Die An⸗= sichten darüber sind in den einzelnen Ländern und sicher auch in den einzelnen Gemeinden verschieden. Mindestens kann man aber jeden- falls nicht leugnen: was wir brauchen, meine Damen und Herren, war und ist auß diesem Gebiete eine schnelle Hilfe und auch eine Umstellung nach‘. materiellen Seite. Eine Schaffung von einzel⸗ staatlichen Steue loehörden, die die Veranlagung dieser Steuer in die Hand nehmen, hätte jedenfalls eine Zeit erfordert, auf die wir unter keinen Umständen warten konnten. Deshalb, glaube ich, ist es doch das richtige gewesen, wenn man jetzt das erreicht hat, was man augen blicklich erreichen konnte, nämlich die Uebempeisung dieser 90 8, der vom Reich veranlagten Steuern an die einzelnen Länder.

Meine Damen und Herren, diese Ueberweisung der 90 . an die einzelnen Länder hat nun eigentlich mehr als Finanzminister muß ich sagen: leider eine politische Bedeutung in dem Sinne, wie ich eben erwähnte, als eine rein finanzielle. Denn zu derselben Zeit, wo das Reich uns diese 90 3 geben will, sagt es uns natürlich: dann fällt die Notwendigkeit dieses Dotationssystems, von dem ich eben sprach, vor allen Dingen also der Besoldungszuschüsse zu euren Beamtengehältern die ja bekanntlich mit etwa 75 3 vom Reich gezahlt werden fort. Es ist mindestens sehr zweifelhaft, ob wir rein finanziell betrachtet bei dem Fortfall dieser Besoldungszuschüsse und dem Bekommen dieser 90 295, d. h. eines Plus von 15 3. gegen⸗ über den bisherigen 75 3 Einkommen- und Körperschaftssteuer, ein gutes Geschäft machen. Ich bin nun, und ich befinde mich da mit den anderen Ländern in Uebereinstimmung, folgender Ansicht. Daß wir von diesen Besoldungszuschüssen unter allen Umständen loskommen müssen, darüber kann nach meiner Ueberzeugung gar kein Zweifel herrschen. Auf der anderen Seite liegt die Sache so: die Besoldungs⸗ zuschüsse sind uns damals im wesentlichen gewährt worden, weil die Ueberweisungen aus der Einkommensteuer des Reiches uns zeitlich verspätet und damit bei der kolossalen Geldentwertung in entwertetem Gelde zugegangen waren und wir deshalb das Aequivalent, das wir für die Zahlung unserer Beamtengehälter brauchten, in diesem ent- werteten Gelde nicht bekommen konnten. Infolgedessen hat das Reich das ist der wesentliche Teil der Besoldungszuschüsse sich bereit erklärt, uns die Zuschüsse zu den Beamtengehältern zu zahlen.

Nun hat der Herr Reichsfinanzminister natürlich recht, wenn er sagt: in dem Augenblick, wo dieser aus der Inflation, der Geld- entwertung, stammende Grund fortfällt, in dem Augenblick, wo wir seit dem 15. November v. J. die Notenpresse stillgelegt und die Renten mark eingeführt haben, fällt auch der Grund für diese Besoldungs= zuschüsse fort. Das ist, wie ich zugebe theoretisch zwar nicht ganz weil es nämlich nicht der alleinige Grund für die Besoldungszuschüsse ist aber doch größtenteils richtig praktisch aber gar nicht. Denn, wenn die Besoldungszuschüsse wegfallen sollen womit ich ein verstanden bin infolge der Mehrüberweifungen an Einkommensteuer seitens des Reiches, infolge der Stabilisierung der Mark und des damit verbundenen Eingangs von Geldern, die nicht im Augenblick des Ein- gangs so viel weniger wert waren und sich immer weiter bei uns ver⸗ ringerten, dann trifft das natürlich praktisch nur zu je nach der Ver⸗ mehrung des Eingangs der Steuern. Wir können also in dem Augen- blick, wo wir tatsächlich die Rentenmark eingeführt und die deutsche Mark bis zu einem gewissen Grade stabil gemacht haben, nicht so tun, als ob die Vorteile dieser Stabilisierung mit demselben Tage schon den einzelnen Ländern zugute gekommen wären und als ob die einzelnen Länder nun infolgedessen in der Lage wären, diese fortfallenden Be— soldungszuschüsse aus eigenen Mitteln zu tragen. Das ist natürlich erst in dem Augenblick und in dem Verhältnis möglich, wo diese uns überwiesenen Steuern sich tatsächlich dem stabilen Geldwerte anpassen und wir also in den uns überwiesenen Steuern auch wirklich ent— sprechend mehr Mittel haben, um die Besoldungszuschüsse decken zu können. Deshalb habe ich dem Reichsfinanzminister gegenüber geltend gemacht, daß es schlechterdings unmöglich ist und dieser selben Auf fassung sind auch die Finanzminister sämtlicher anderen Länder ge-

lerungen auf da kräftigfte unterstütä. werden. MNeine Damen und Herren, ich richte gerade an dieses hohe Haus in biesem Augenblick auch bei dieser Frage der Gestaltung unserer Ein

esen mit einem Male diese Besoldungszuschüsse wegfallen zu assen, daß vielmehr nur ein allmählicher Abbau entsprechend der Steigerung der uns überwiesenen Einnahmen denkbar ist. Denn sonst würden wir nicht in der Lage sein ich komme darauf noch kurz ,

M uns nur sehr geringe andere Mittel zur Verfügung stehen, diese

Beamtengehälter zu zahlen. Das Reich würde schließlich auf unsere

Kosten mit dieser Stabilisierung der Währung ein gutes Geschäft

machen Dem kann sich naturgemäß ein einzelstaatlicher Finanzminister

nnter keinen Umständen unterwerfen. Die Verhandlungen darüber sind woch nicht völlig abgeschlossen. Kollege vom Reich, Herr Dr. Luther, sich mit Rücksicht auf die außen⸗ bblitischen Verhältnisse und auf alles das, was er zu leisten hat infolge rdVer Besetzung von Ruhr und Rhein, in einer unendlich schwierigeren Rage befindet als meine übrigen Kollegen und auch ich. Aber darüber

Ich weiß sehr wohl, daß mein Herr

ann glaube ich auch nach Meinung des Herrn Reichsfinanzministers

rin Zweifel sein, daß jedenfalls diese Sanierung der Währung gleich⸗

äßig dem Reich wie den Ländern zugute kommen muß und nicht dazu ihren darf, daß das Reich auf Kosten der Länder ein Geschäft macht.

Meine Damen und Herren, ich sprach eben von der Sanierung nserer Währung. Ich meine, es ist hoch erfreulich, daß es in einem mfange, den man vielleicht nicht voll erwarten konnte, doch seit dem

November gelungen ist, eine Stabilisierung der Mark herbeizu= Rhbren, die selbstverständlich nur dann zu einer dauernden Gesundung

icht nur unserer Finanzen, sondern unseres ganzen wirtschaftlichen ebens führen kann, wenn sie dauernd ist. Es ist ganz selbstverständlich. man an diese Sanierung nun nicht die Hoffnung knüpfen kann, als

wir nun aus allen Kalamitäten heraus seien (sehr richtig); Sie

vwissen ebenso gut wie ich, daß die Bemühungen, die der jetzige Herr Reichsbankpräsident der bekanntlich von Anfang an ein Gegner

eser Zwischenlösung der Rentenmark war angestellt hat, schon evor er Reichsbankpräsident war, und noch mehr, seitdem er es ist,

wieder dahin gehen, nun möglichst schnell aus dieser Renten⸗ mark heraus zu einer wirklichen Goldmark zu gelangen. Meine

Damen und Herren, ich bin in dieser Beziehung kein großer Optimist,

veil wir ja in allen unseren Hoffnungen auf das Ausland leider schon echt oft schwere Enttäuschungen erlebt haben, aber wir dürfen doch

agen, daß jedenfalls zurzeit diese Bemühungen wir wollen ein

al sagen: von einem wirklichen Hoffnungsschimmer umstrahlt sind, und daß soweit menschenmöglich überhaupt ein Urteil über die Zu⸗ nft denkbar ist, wir hoffen dürfen, daß in der Tat diese Bestrebungen ahne deren Verwirklichung wir ja schließlich an sich dem Ruin ent⸗ degengehen würden, von Erfolg gekrönt sein werden. Ich will hier

4 nuf das einzelne, auf die schwierige Frage, inwieweit und unter vVelchen Umständen bei dieser Sanierung ausländisches Kapital heran⸗

unziehen ist und herangezogen werden muß, bei dieser Gelegenheit nicht ngehen. Jedenfalls aber kann darüber gar kein Zweifel sein, daß die age, die finanziell wirtschaftlich und damit politisch die große Frage Existenz des Deutschen Reichs und aller Länder einschließlich eußens ist, zurzeit die Währungsfrage ist, und daß diese Währungs- age unter allen Umständen bei allen wirtschaftlichen, politischen,

knanziellen und sonstigen sachlichen Entscheidungen den Vorrang haben muß vor allen anderen, selbst sonst noch so berechtigten Gesichts⸗ Munkten.

Meine Damen und Herren, mit der Frage der Sanierung unserer

( Währung steht und fällt das Deutsche Reich und damit die deutschen Ränder und die deutschen Gemeinden, und alle Bestrebungen des PDerrn Reichsfinanzministers, diese Währung zu stützen,

müssen einer Meinung nach deshalb unbedingt von allen deutschen Re⸗ (Sehr richtigh

hmen und unserer Ausgaben die Bitte, diese Frage nicht ledig

. ich von dem Gesichtspunkt aus zu betrachten: ist es angenehm oder Guch nur nbtig, diese Steuer zu zahlen, diese Ausgabe zu leisten oder

nicht zu leisten? Meine Damen und Herren, daß wir nach diesem

lorenen Kriege, nach dieser jetzt ein Jahr andauernden Besetzung on Rhein und Ruhr unserem wirtschaftlich am höchsten stehenden ebieter Steuern zahlen müssen und noch lange Steuern zahlen üssen bis zum Weißbluten, darüber mässen sich alle Kreise des eutschen Volkes klar sein. (Sehr richtig) Wenn wir nicht diese Opferwilligkeit in allen Kreisen unseres deutschen Volkes aufrichten,

dann ist an eine Stabilisierung der Währung nicht zu denken. (Sehr wVahrh

Es kommt hinzu: wenn die Verhandlungen, die, wie ich glaube,

don Herrn Dr. Schacht bis zu einem gewissen Grade verheißungsvoll

Paris begonnen worden sind, zu einem Erfolge führen sollen, denn wir die Hilfe des Auslandes, auf die wir angewiesen sind,

. nrhalten sollen, wenn wir eine Atempause in den Lasten, die uns

uferlegt sind, bekommen sollen, dann ist das zweifellos nur möglich ich spreche jetzt nicht von Frankreich, ich spreche im wesentlichen

bon England und Amerika wenn die Leute, die dort dazu bereit ind, die am Zusammenbruche Deutschlands kein Interesse haben,

ondern die mit mir der Ansicht sind, daß ein Zusammenbruch Deutsch⸗ ands den Zusammenbruch Europas zur Folge haben würde, wenn diese Leute sehen, daß wir selbst willens sind, das zu leisten, was dir leisten können und aus eigener Kraft auch wirklich leisten.

Von diesem Gesichtspunkt aus ich komme noch darauf ist einer Meinung nach die Frage der preußischen Grundsteuer, wie ich as schon im Ausschuß gesagt habe, von einer an sich finanziellen Frage zu einer außerordentlich wichtigen, zu einer hochpolitischen Frage, sowohl nach innen wie nach außen geworden. Ich brauche Sie kur an den nur wenige Monate zurückliegenden Justand zu erinnern, vo die Mark, die wir bekamen, nach einigen Stunden oder wenigstens ach einigen Tagen schon unseren Händen entglitten waren. Ich rauche Sie nur an die Beruhigung zu erinnern, die doch schließlich bis zu einem gewissen Grade jetzt dadurch eingekehrt ist, daß die keute sich wieder Geld für den nächsten Tag oder für die nächste

Woche hinlegen können, daß sie nicht sofort alles zum Teil überflüssig

nusgeben müssen, weil ihnen sonst das Geld unter den Händen ver⸗ innen würde: in dieser pfychologischen Einstellung der ganzen Be⸗

öBölkerung, namentlich auch der Frauen, die zweifellos aufatmen, daz /

e wieder Geld bekommen, das eine gewisse Wertbeständigkeit besitzt, dieser psychologischen Beruhigung des ganzen Volkes liegt meiner

MNeinung nach neben dem eigentlichen Effekt der Stabilisierung ein

nendliches wichtiges politisches Moment. (Sehr richtigh All die klagen, die seinerzeit mit Recht teils aus dem Hause, teils von inderer Seite an mich gekommen sind, die erschütternden Klagen grüber, daß Beamte im Ruhestande, daß Witwen und Waisen chließlich nichts an Geldwert bekommen haben, weil sie es sound— viel später. soundsoviel entwertet bekamen das waren die Folgen davon, daß wir trotz aller Mühe, trotz aller Arbeit nicht den

kosten zwischengerufen.

Zustand erreichen konnten, daß dieses Geld den Empfängern so schnell erreichbar war, wie die Entwertung sortschritt. Darin lag in weitesten Kreisen die Unzufriedenheit, der wir selbst unter Anstellung und Beschäftigung immer neuer Beamten nicht Herr werden konnten. Wie ich eben sagte, muß die Rücksicht auf die Sanierung oder die Festhaltung der Sanierung unserer Währung selbstverständlich dahin führen anders ist es nicht möglich daß nicht nur im Reich, sondern auch in den einzelnen Ländern, insbesondere in dem größten Lande, nur ein Haushalt für 1924 aufgestellt werden kann, in dem Einnahmen und Ausgaben sich die Wage halten. Würde das nicht der Fall sein, so würde ich jedenfalls als Finanzminister nicht wissen, woher ich die Deckung für dieses Defizit nehmen soll. Ich komme auf die Einnahmen und Ausgaben des voraussichtlichen Haushalts nachher noch zu sprechen. Sie wollen sich aber vergegenwärtigen, meine Damen und Herren, daß es tatsächlich an sich etwas Unsolides in sich hat, ein Defizit durch Anleihe zu decken. Man könnte ja vielleicht sagen: dieses Defizit entsteht durch die ungeheuren Lasten, die uns auferlegt sind; diese Lasten des verlorenen Krieges müssen und können natürlich nicht nur von der jetzigen Generation ge⸗ tragen, sondern müssen auf weitere Generationen verteilt werden. Ich erkenne das an, habe es auch damals gesagt. Aber diese Möglichkeit der Aufnahme einer Anleihe selbst zu berechtigten Zwecken ist uns durch den Artikel 248 des Friedensvertrages so gut wie genommen. Mir ist das früher nicht so klar geworden wie in der letzten Zeit, wo ich versucht habe, Anleihen zu durchaus berechtigten Zwecken zu erhalten. Durch Artikel 248 des Friedens⸗ vertrages ist das Deutsche Reich, der preußische Staat und sind die anderen Länder dem Auslande gegenüber so gut wie kreditunfähig geworden, und die Möglichkeit, die Summen, die wir brauchen, im Inlande aufzubringen, besteht nach allen Erfahrungen nicht. (Sehr richtig Der Herr Reichsverkehrsminister hat neulich eine Anleihe mit der Gemeinschaft Deutscher Hypothekenbanken abge⸗— schlossen. Er bekommt dafür Pfandbriefe. Die Pfandbriefe sind natürlich nicht das, was er haben will, sondern er will eben Geld haben und wird infolgedessen genötigt sein, diese Pfandbriefe auf den Markt zu werfen, zum mindesten zu lombardieren. Bei dem letzteren Verfahren bekommt er sehr wenig. Wenn er sie auf den Markt wirft, namentlich in dem Umfange, in dem er sie braucht, so besteht die große wirtschaftliche Gefahr, wenn er sie überhaupt los wird, daß der Kurs der ganzen Pfandbriefe, auch anderer, ganz erheblich gedrückt wird und dabei eine Unmenge von Leuten, die Geld in Pfandbriefen haben, in Mitleidenschaft gezogen werden. R

Also mit der Möglichkeit, im Inlande das Geld zu beschaffen, ist das solche Sache. Mit Pfandbriefen kann ich Bedürfnisse des Staates nicht befriedigen. Wenn ich diese Pfandbriefe in Geld umzusetzen versuche, so treten alle diejenigen Nachteile ein, von denen ich eben sprach.

Ist das aber so, so bleibt in der Tat nichts weiter übrig, als daß wir uns, von kleineren Ausnahmen abgesehen, mit eiserner Energie bemühen, unsere Ausgaben und Einnahmen im Staats⸗ haushalt in Uebereinstimmung zu bringen. Ein anderes Mittel gibt es nicht. Dieses Mittel muß unter allen Umständen ge⸗ funden werden, mag es uns so hart anmuten wie nur etwas. Die Zeiten, wo man sich darüber hinwegsetzen konnte wo schließlich für den preußischen Staat oder das Deutsche Reich der Abschluß eines Haushalts mit soundsoviel Defizit etwas war, was man mit in Kauf nahm, weil man sich sagte: wir sind an sich kein armes Land diese Zeiten sind deshalb vorüber, weil wir zwar kein armes Land sind —; ich weiß so gut wie Sie, meine Damen und Herren, wir haben ein starkes Vermögen in unseren Forsten, Domänen auf die Bergwerke werde ich, weil sie zum großen Teil im besetzten Gebiet liegen, weniger eingehen (Abg. Weis— sermel:; Aktiengesellschaft)h, aber wir können die Werte, die darin stecken Herr Abgeordneter Weissermel, das glauben Sie doch auch —, wegen des Artikel 248 nicht gut liquide machen, weil uns im Gegensatz zu dem Zustand vor hundert Jahren, wo der preußische Staat seine Domänen verpfändete, wo er also hypothe⸗ karischen Kredit bekam, wir diesen hypothekarischen Kredit auf unser Staatsvermögen aufzunehmen infolge des Artikel 248 des Versailler Friedensvertrages verhindert sind. Deshalb werden wir uns daran gewöhnen müssen, eine Opferwilligkeit gegenüber dem Staat zu zeigen, die allerdings über alles das hinausgeht, was wir bisher für erträglich gehalten haben. Ich möchte dabei immer noch an ein Beispiel erinnern, was Ihnen ja fast allen bekannt sein wird. Nach dem verlorenen Kriege von 1806607 hat man in Ostpreußen, und namentlich die ostpreußische Land⸗ schaft, die ostpreußischen Grundbesitzer, die Stadt Königsberg Schulden aufgenommen, bei deren Rückzahlung erst Anfang dieses Jahrhunderts die letzte Mark bezahlt worden ist. Dieses Zeichen von Opferwilligkeit damals, glaube ich, muß auch jetzt dem ganzen deutschen und preußischen Volke vor Augen stehen, wenn wir aus diesem Elend, in dem wir uns befinden und in der nächsten Zeit befinden werden, wieder herauskommen wollen.

Meine Damen und Herren, ich darf auf den voraussichtlichen Haushalt für das Jahr 192 eingehen. Erfreulicherweise es ist dies auch eine Freude der Stabilisierung der Mark haben seitdem die Einnahmen an Einkommen⸗ und sonstigen Steuern des Reiches nicht unerheblich zugenommen, und, wenigstens nach Auffassung des Reichsfinanzministers, werden wir uns weiter trotz mancher Schwierigkeiten in bezug auf den Eingang der Steuern auf einer aufsteigenden Linie bewegen. Aber das setzt natürlich voraus, daß uns nicht durch Zustände, wie sie jetzt namentlich im besetzten Gebiete bestehen und durch die Micum⸗ verträge geschaffen worden sind, die Möglichkeit eines Auf⸗ blühens gerade in den wirtschaftlich leistungsfähigsten Landes⸗ teilen vollkommen genommen wird. Ich bitte, sich den ganzen Ernst vor Augen zu führen, was es für Deutschland, was es für den preußischen Staat bedeutet, wenn gerade die leistungsfähigsten Teile seines Gebietes nicht nur so gut wie völlig ausfallen,

sondern zum großen Teil Zuschußbezirke geworden sind. Sie wissen alle, daß neben den moralischen Leiden, denen die Be⸗

völkerung des besetzten Gebietes ausgesetzt ist, auch in anderer Beziehung ganz andere Anforderungen als in dem unbesetzten Gebiet an die Bevölkerung gestellt werden. Ich darf darauf aufmerksam machen: es wurde vorhin das Wort Besatzungs⸗ Ich bin der Ansicht, daß diejenigen Herren, die von Besatzungskosten in diesem Sinne glauben sprechen zu müssen, von dem eigentlichen Inhalt dieser Be⸗ satzungskosten keine Ahnung haben. (Sehr richtig) Es scheint

so, und in der Oeffentlichkeit wird damit operiert, es scheint auch diesen Herren so zu gehen, als ob die Besatzungskosten Kosten seien, die wir im wesentlichen nach Paris und Brüssel zahlen. Nein, meine Damen und Herren, das sind zum sehr erheblichen Teil die Entschädigungen, die wir der Bevölkerung des besetzten Gebiets für all den Schaden zahlen, den sie durch die Besatzung hat, für all die materiellen Opfer, die von ihr verlangt werden. In dem Augenblick darin liegt trotz aller großen finanziellen Schwierigkeiten für uns und das Reich die Notwendigkeit der Fortzahlung der Besatzungskosten, wenn es uns nicht gelingt, sie durch Vertrag aufzuheben in dem Augenblick, wo wir unserer⸗ seits die Zahlung dieser Besatzungskosten an Frankreich und Belgien einstellen, hält sich einfach die Besatzung an die Be— wohner (sehr wahr!), und sie requirieren von den Bewohnern das⸗ jenige, was wir ihnen bisher bezahlt haben. In dieser Ver⸗ sammlung, die vor einiger Zeit hier stattfand und in der die Vertreter aller Parteien zu Worte kamen, wurde gerade darauf ungeheuerer Wert gelegt: Zahlt die Besatzungskosten weiter in unserm Interesse, weil wir sonst Opfer der Willkür der Be⸗ satzungsmächte sind, weil wir sonst das Gefühl haben, von euch verlassen zu sein! (Sehr wahr! Darin liegt der tiefe Sinn und die moralische Rechtfertigung der Zahlung der Besatzungs⸗ kosten. Mit ein paar Redensarten, daß diese Besatzungskosten nach Paris und Brüssel gehen und daß man sie sparen sollte, ist diese furchtbar ernste vaterländische Frage wirklich nicht zu lösen. (Sehr wahr!)

Im preußischen Haushalt spielen nun naturgemäß ent⸗ sprechend meinen vorherigen Ausführungen die Ueberweisungen aus den Reichssteuern eine große Rolle. Wir bekommen 90 8 der Körperschafts- und der Einkommensteuer vom Reich. Ins- gesamt erhalten wir aus Reichssteuerüberweisungen rund 1 Mil- liarde 938 Millionen, wovon jedoch mehr als die Hälfte den Ge⸗ meinden und Gemeindeverbänden als Anteil zusteht. Demgegen⸗ über spielen die Einnahmen aus eigenen Steuern Sie wissen, daß wir noch die kleinen Steuern, Stempelsteuer, Hausiersteuer, Wanderlagersteuer haben kaum eine Rolle außer der Grund⸗ vermögenssteuer, die wir nach den Beschlüssen, die vorhin im Ausschuß gefaßt sind, glauben mit rund 250 Millionen einsetzen zu können. Dazu treten dann die Ueberschüsse aus den Betriebs—⸗ verwaltungen mit rund 150 Millionen, ferner die Einnahmen aus Kosten und Geldstrafen mit 193 Millionen. Das macht eine Gesamteinnahme von 1 695 000 9000 A einschließlich der durch⸗ laufenden Posten. Ich sagte, daß nach Auffassung des Herrn Reichsfinanzministers sich die Einkommen- und Vermögenssteuer in einer erfreulich aufsteigenden Linie befindet. Ob das bleiben wird, hängt von der Gestaltung unserer wirtschaftlichen Ver—⸗ hältnisse und davon ab, ob es gelingt, von gewissen Ausgaben, die wir jetzt im besetzten Gebiet leisten müssen ich erinnere an die Erwerbslosenfürsorge und andere auf die Dauer vermöge Gesundung der dortigen Verhältnisse frei zu kommen und davon, andere Verträge zu erhalten für die Micumverträge, die auf die Dauer das Wirtschaftsleben an Rhein und Ruhr nicht ertragen kann. (Sehr richtig!

Aber noch eins. Je härter die Verhältnisse im besetzten Gebiet sind, je mehr die Bevölkerung dort unter diesen seelischen Qualen zu leiden hat und je mehr sie auch dem finanziellen Druck ausgesetzt ist, je mehr sie Opfer bringen muß, wie wir sie im unbesetzten Gebiet nicht zu bringen haben, um so weniger darf in dieser Bevölkerung das Gefühl aufkommen, daß wir im unbesetzten Gebiet nicht bereit wären, alle Opfer zu bringen, um dieses schwere Los mit ihnen zu teilen und es ihnen zu erleichtern (sehxt wahrh, und daß wir gerade aus diesem Grunde Opfer bringen müssen, die weit über das hinausgehen, was wir jemals für tragbar gehalten haben. Ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß wir uns andererseits gerade im Interesse des besetzten Gebietes und wegen der Zukunft unseres Vaterlandes nicht auch noch im unbesetzten Gebiet ruiniren dürfen; davon kann selbstverständlich keine Rede sein; denn damit würde natürlich für immer die Möglichkeit zerstört sein, jemals wieder vom unbesetzten Gebiet aus günstigere finanzielle, wirtschaftliche und politische Ver⸗ hältnisse für unser Vaterland herbeizuführen. Aber wenn es uns nicht gelingt, in den Bewohnern des besetzten Gebietes das Gefühl zu erhalten: wir sind von dem übrigen deutschen und preußischen Vaterlande nicht verlassen, dann gewinnen die Ablösungsbestre⸗ bungen immer mehr an Bedeutung, die von Franzosen und Belgiern natürlich gefördert werden, die aber auch ohnehin je größer die Not ist, desto stärker in manchen Kreisen der Bevölkerung ein williges Ohr finden, daß man sich sagt: was habt ihr denn davon, daß ihr zu Preußen haltet, Opfer bringen sie nicht für euch, ihr müßt womöglich noch etwas für sie zahlen. Deshalb ist es aus höchstem politischen und vaterländischen Interesse unumgänglich notwendig, uns an diesen Gedanken zu gewöhnen, daß gerade die Tatsache der Besetzung von Rhein und Ruhr, unserer wichtigsten und leistungsfähigsten Gebiete, die früher uns anderen geholfen haben, manches durchzuführen, was wir allein nicht hätten leisten können (sehr richtig! im Zentrum und links), uns andere zwingt, sie nun in den Stunden der höchsten Not nicht zu verlassen, sondern jetzt auch bereitwillig für diejenigen Opfer zu bringen, die früher Opfer für uns gebracht haben. (Sehr gut! Sehr wahr!)

Ich sagte vorhin schon, daß es unter diesen Umständen nur durch eine Balancierung unseres Haushalts in Einnahme und Ausgabe möglich ist, zu geordneten Verhältnissen bei uns zu kommen, und man muß sich darüber klar sein, daß, wenn das Defizit im Inlande und im Auslande durch Anleihen nicht gedeckt werden kann, dann gar nichts anderes übrig bleibt, als daß wir uns die Möglichkeit der Balancierung des Etats einerseits durch Drosselung, durch Verminderung der Ausgaben, andererseits durch Erhöhung der Einnahmen schaffen.

Der preußische Haushalt, den ich hier vor mir habe, und aus dem ich Ihnen nachher gern noch einige andere Zahlen geben werde, schließt, nachdem die Zahlen sich durch die heutigen Be⸗ schlüsse über die Grundsteuer etwas verschoben haben, mit einem Fehlbetrage von rund 427 Millionen Goldmark ab. Dabei handelt es sich natürlich um Schätzungen, die auf absolute Sicherheit keinen Anspruch erheben können; denn namentlich die größten Einnahmen, die Ueberweisungen vom Reiche aus der Einkommen⸗ und Körper⸗ schaftssteuer, sind naturgemäß auch nur geschätzt und in unseren Haushalt selbstverständlich mit den Zahlen eingestellt, die das Reich seiner eigenen Einstellung in den Reichshaushaltsplan zugrunde legt. Also es kommt hier nicht auf ein paar Mark an. Aber, meine Damen und Herren, darüber möchte ich beinen Zweifel lassen: