1924 / 51 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Feb 1924 18:00:01 GMT) scan diff

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die beiden maßgebenden Ausschüsse von Reichsrat und Reichstag über⸗ einstimmend der Regierung geraten haben Aber politisch und parlamentarisch wäre es unerträglich, wenn, nachdem die Regierung diesen beiden Ausschüssen folgte, nun plötzlich das Gegenteil be— schlossen wird. .

Es wird weiter gegenüber der Verordnung vom 4. Januar behauptet, sie gefährde die Einheit der Rechtsprechung, und ich habe mit Interesse erst jüngst einen Artikel des Oberreichsanwalts Dr. Ebermeyer in der Tagespresse gelesen. der ähnliche Befürchtungen ausspricht. Ich glaube, meine verehrten Damen und Herren, diese Befürchtung kann gar nicht ernst genug genommen werden. Genau besehen, hätte die Frage schon seit einigen Jahren nachgeprüft werden müssen; denn die Entwicklung unserer Gesetzgebung ging in den letzten Jahren in der Richtung auf eine ständige Erweiterung der Zuständig⸗ keit der Schöffengerichte, deren Revision bekanntlich an die Ober landesgerichte geht, und schon bisher hatte der Staatsanwalt in weitem Umfange es in der Hand; welche Zuständigkeit er begründen wollte. In Wirklichkeit ist aber bis jetzt nirgendwo ein Schaden eingetreten, und ich bin überzeugt, daß auch die Befürchtungen auf Grund der Verordnung vom 4. Januar 1924 sich als ganz gegenstandslos erweisen werden. Ich habe eher die Sorge, daß das Reichsgericht in Zukunft mit zuviel Revisionen beschäftigt werden wird.

Da ist zunächst die Revision in Schwurgerichtssachen. Gewiß ist die Zuständigkeit der Schwurgerichte eingeschränkt. Bisher aber war die Revision, wo es statt der Begründung des Urteils nur den Spruch der Geschworenen gab, eine Formalität. In Zukunft, wo jedes schwurgerichtliche Urteil begründet sein muß. wird die Revision erhöhte Bedeutung haben.

Es gibt ferner eine Revision an das Reichsgericht gegen die Urteile der Schöffengerichte mit zwei Amtsrichtern. Die Zuziehung eines zweiten Amtsrichters kann notwendig werden trotz einfacher Rechtslage bei Vorliegen besonders umfangreichen Prozeßstoffes, so daß es über die Durchschnittskräfte eines Strafrichters hinausgeht, sowohl den Prozeß zu leiten als auch das Beweismaterial für die Beratung und Begründung zu sammeln; ferner wenn es mit Rücksicht auf die Bedeutung der planmäßigen Bekämpfung des Berufẽs— verbrechertums nowendig ist; endlich, wenn es erwünscht erscheint, daß eine Frage im Interesse der Rechtseinheit durch das Reichsgericht entschieden wird.

Unter den Vertretern der Justizverwaltungen im Reichsrat bestand hierin Uebereinstimmung, die auch in den Vollzugsanweisungen von Preußen, Bayern, Sachsen und einer Reihe anderer Länder bereits einen entsprechenden Niederschlag gefunden hat. Vorsorglich habe ich mich im gleichen Sinne auch noch schriftlich an die Landesjustiz- verwaltungen gewendet, und ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich die Wahrung der Rechtseinheit für ein so hohes Rechtsgut halte, daß ich im Falle des Auftretens von Mißständen der erste wäre, der Abhilfe im Wege der Gesetzgebung vornehmen würde. Ich habe aber keine Sorge, daß ich mich je an diese technisch sehr schwierige Frage heranmachen müßte

Ich habe verehrte Anwesende, hierbei die Bekämpfung des Berufsberbrechertums schon gestreift, und während man auf der einen Seite der Verordnung den Vorwurf macht, daß sie immer noch zu wenig Laien beranziehe, wird ihr von der entgegengesetzten Seite der Vorwurf gemacht, daß sie durch zu starke Beteiligung des Laien elements die planmäßige Bekämpfung des Berufsverbrechertums unmöglich mache. Es liegen daher nach beiden Richtungen hin

Anträge in diesem hohen Hane vor. Man beruft sich was die unn nnen, Derampfung des Berufsverbrechertums betrifft, nament⸗

lich auf ein Gutachten eines so hervorragenden Sachkenners, wie es Professor Gustav Aschaffenburg ist, der allerdings zur Erhaltung der Strafkammern folgendes geschrieben hat, was sich auch alle Schöffen stets vor Augen halten sollten: Es ist den wenigsten Laien gegeben, die psychologische Eigenart von Menschen, die sie im Betriebe des Gerichtsverfahrens nur flüchtig sehen, zu durchschauen. Heuchelei des Angeklagten, Ge⸗ schicklichkeit des Verteidigers, parteipolitische Einstellung, nicht zum wenigsten auch der Mangel an Erfahrung über die Bedeutsamkeit der Zeugenaussagen und endlich das Fehlen jeden strafrechtlichen Verständnisses werden in Zukunft in erschütterndem Umfange die Rechtsprechung beeinflussen. Die Urteile werden auf eine ober- flächliche Eindruckspsychologie statt auf vertiefte Erkenntnis be⸗ gründet werden. So werden in Zukunft Fehlurteile erst recht nicht ausbleiben können, und die Unzufriedenheit, das Gerede von der Parteilichkeit der Richter und die Erschütterung des Rechtsbewußt⸗ seins unseres Volkes werden wachsen. Man hat mir sogar durch Deputationen vorstellen lassen, daß, wenn ich vielleicht bis jetzt die Beibehaltung der Schöffen auch bei der Bekämpfung des Berufsverbrechertums als günstig festgestellt habe, ich meine Erfahrungen nur aus dem Material der süddeutschen, nicht der norddeutschen, speziell der Berliner Schöffen nehme. Ich kann das nicht zugeben. Ich habe das feste Vertrauen, daß im ganzen Deutschen Reiche die Schöffen ganz gleichmäßig, auch in Berlin, wenn und soweit es sich um den Kampf gegen das Berufsverbrecher⸗ tum handelt, ihre Pflicht tun werden. Sollte aber bei der Beurteilung irgendeines Gelegenheitssünders vie Zuziehung von Schöffen wirklich einmal ein etwas milderes Strafmaß mit sich bringen, so würde ich nicht glauben, daß hierburch allein schon bie Sicherheit des Staates gefährdet wird.

Freilich dem wird die Reichsjustizwerwaltung nicht zustimmen können, daß bei der großen Strafkammer das Verhältnis von zwei Berufsrichtern und drei Schöffen richtiger wäre als das in der Ver— ordnung vorgesehene von drei Berufsrichtern und zwei Schöfsen. Wenn Sie sich vorstellen, daß es sich um ein Berufungsverfahren handelt, in dem vielfach doch auch der Nachdruck auf Rechtsfragen liegen wird, so erscheint es mir schwierig, wenn nicht unmöglich, den Schöffen zuzumuten falls, wie nicht gang selten, die Ansichten der Juristen ausemandergehen, nun zwischen den widersprechenden Ansichten der beiden Berufsrichter auszuwählen, welcher juristischen Auffassung sie folgen sollen

Bei der Frage der Gefährdung der Rechtseinheit ist auch wieder— holt die Einführung der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für Landesperratssachen und Verrat militärischer Geheimnisse gerügt worden. (Sehr wahr! bei den Vereinigten Sozialdemokraten) Die Rechtseinheit ist dadurch gewahrt, daß zunächst alles in die Hand des Oberreichsanwalts zusammenläuft. Denn, verehrte Anwesende, es erscheint notwendig, daß das gesamte Material zum Zweck der ein heitlichen Strafverfolgung in der Strafverfolgungebehörde gesammelt wird; in einer einheitlichen, eingigen, die allein den nötigen Ueberblick über alle Vorkommnisse im Reiche haben kann, nicht nur im In⸗ teresse der Rechttzeinheit, sondern in erster Linie auch im Interesse

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eines Erfolgs ber Abwehr selbst. Der Oberreichsanwalt kann die Strafverfolgung abgeben. soll aber nur Strafsachen von minderer Bedeutung abgeben.

Ich darf aber in diesem Zusammenhang über die in der öffent⸗ lichen Diskussion soviel erörterten Fragen der Landesverratsprozesse allgemein ein Wort sagen. Ich habe im Dezember in einer Presse⸗ konferenz die Zahlen bis zum 30. November 1923 mitteilen lassen. Ich bin heute in der Lage, die Zahlen bis zum 51. Dezember 1925, also über das ganze Jahr 1923 abschließend mitzuteilen. Danach betrug die Gesamtzahl der angefallenen Landesverratssachen 1351 Hiervon die Zahl der durch die Presse begangenen: 32. Der Prozent⸗ satz der Pressesachen ist also ein verhältnismäßig sehr kleiner. Ich habe mir mitteilen lassen, daß es sich hierbei nicht nur um Artikel handelt die sich äuf verborgene Waffenlager oder angebliche mili⸗ tärische Rüstungen bezogen. sondern auch auf verschiedene andere Dinge. Von diesen 32 Pressesachen ist bis Ablauf des Jahres 19823 in meiner Amtstätigkeit nur eine angefallen, und diese bezog sich noch dazu nicht auf irgendein verborgenes Waffenlager; in den ersten mwei Monaten des neuen Jahres diesbezüglich 3.

Ich erwähne das nicht etwa. weil ich die Verantwortung für das, was die mir unterstellten Behörden vor meinem Amtsantritt verfügt haben, ablehnen wollte, sondern weil ich damit begründe, daß ich mangels eigener Kenntnis auf eine summarische Mitteilung angewiesen bin. So konnte es sich auch ereignen, daß der Fall Quint“, der in der Oeffentlichkeit ein so unberechtigtes Aufsehen erregte, mir selbst erst durch die Presse zur Kenntnis kam; denn ich habe natürlich anderes zu tun, als den Herrn Oberreichsanwalt daraufhin zu überwachen, ob und wieviel Landesverratsprozesse und in welcher Weise sie behandelt werden. Sie werden nach den Be— stimmungen der Gesetze behandelt. Die Verantwortung hierfür ist, ganz allgemein gesprochen, für mich, meine Herren Vorgänger und meine Nachfolger viel einfacher, als man sich nach den lebhaften Presseerörterungen vorstellen möchte. Das Gesetz bestimmt für alle Verbrechen den Verfolgungszwang. Ich bin daher nicht in der Lage, eine mir zugegangene Anzeige liegen zu lassen; und erst recht müßte ich, falls ich den Eindruck hätte, daß irgendeine Sache einstellungs⸗ reif ist, es ablehnen, die Sache von mir aus einzustellen. Dazu bin ich nicht zuständig, sondern der Oberreichsanwalt. (Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten Dinge aber zu unterdrücken oder nicht verfolgen zu lassen, die nach dem Gesetze verfolgt werden müssen. steht mir nicht zu; denn der Reichsiustizminister steht nicht über. sondern unter dem Gesetze, er mag von welcher Seite des Hauses gestellt werden und heißen wie immer.

Was aber den Antrag auf Abänderung des 5 M des Reichs strafgesetzbuches betrifft, so ist es niemand benommen, im Gegenteil Recht und Pflicht jedes Staatsbürgers, die Behörden auf ver- brecherische Zustände hinzuweisen. und eine solche Mitteilung an die Behörden kann nie für sich allein als Landesverrat aufgefaßt werden. Kommt die Mitteilung aber durch die Presse, so ist doch damit deutlich gemacht, daß der Mitteilende sie nicht oder wenigstens nicht

nur den Behörden, sondern auch anderen, der breiten Oeffentlichkeit,

ja vielleicht auch dem Ausland, regelmäßig sogar auch dem Ausland, zur Kenntnis bringen will. Hier ist allerdings eine notwendige Schranke gezogen: wenn es sich nämlich um Dinge handelt, von denen sich jeder sagen muß, daß ihre öffentliche Erörterung für das deutsche Volk äußere Gefahren heraufbeschwört, dann darf zwar jederzeit und

soll auch die Bekanntgabe an die Behörde erfolgen, aber keine öffent liche Bekanntgabe durch die Presse. Das unv nichts anderes befagt

die Rechtsprechung des Reichsgerichts. (Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten) Diese Schranke hinwegzuräumen, kann in der heutigen bedrängten Lage des Reiches weniger als je in Frage kommen.

Am schärfsten, meine Damen und Herren, fand Widerspruch die erweiterte Zuständigkeit des Einzelrichters. Man darf hierbei nicht übersehen, daß die Erweiterung der Berufung, die Vermehrung der Beiziehung der Laienrichter an und für sich erhebliche Verteuerungen der Strafrechtspflege mit sich bringt. Will man in einer Zeit der Erschöpfung aller Staatskassen diese Neuerungen einführen, so muß man mit in Kauf nehmen, daß in anderer Weise Kosten eingespart werden müssen, um diese Wünsche des Parlaments zu erfüllen.

Die Landesjustizverwaltungen haben in der letzten Zeit, nament⸗ lich in den schweren Uebergangsmonaten mehr wie einmal mich wissen lassen, daß sie zweifelten, ob bei den überkärglich zugeschnittenen Mitteln überhaupt noch eine geordnete Strafrechtspflege durchgeführt werden könne. Darauf muß auch die Oeffentlichkeit, muß auch das Parlament Rücksicht nehmen. Es geht nicht an zu sagen, es darf bei anderen Etats gespart werden, aber bei dem Etat der Justiz⸗ verwaltungen nicht. Volksgesundheit, Volksbildung sind ebenso wichtige Ziele des öffentlichen Lebens wie die Strafrechtspflege, und sie alle haben sich zu unser aller Schmerz gleichmäßig Ein⸗ schränkungen in der unerhörtesten Form gefallen lassen müssen Ein großer Teil der leichteren und auch der schweren Strafsachen, soweit es sich um Rückfallsdelikte handelt, werden in Zukunft von dem Einzelrichter abgeurteilt werden. So weit es sich um schwere Dieb⸗ stähle handelt, wird die Staatsamwaltschaft nur in leichteren Fällen bei der Einreichung der Anklageschrift es beantragen. Außerdem kann der Beschuldigte selbst der Aburteilung vor dem Einzelrichter wider sprechen und muß ausdrücklich hierüber nach der Verordnung belehrt werden.

Im übrigen wird es eine Frage der richterlichen Erziehung und eine Frage des Verantwortlichkeitsgefühls sein, daß der Einzelrichter jeweils namentlich auch das richtige Strafmaß findet. Eine Gleich heit im Strafmaß hat sich auch bisher und in der Vergangenheit durch keinerlei Vorschriften erzielen lassen. Es ist das häufig be⸗ dauert worden, konnte aber nie geändert werden. Im übrigen habe ich gefunden, daß, je größer die Verantwortung ist, vor die ein Mensch gestellt wird, um so mehr auch sein Verantwortungsgefühl sich steigert, und wir dürfen nicht vergessen, daß Krieg und Nachkriegszeit auch für den Richternachwuchs eine Schulung war, die ihn zweifellos ge—⸗ hoben, menschlich reifer und sozial mitempfindender gemacht hat. Auch hier gilt, daß die Gesetze so gut oder schlecht sind wie die zu ihrer Ausführung berufenen Organe.

Die Auswahl der richtigen Strafrichter wird danach in Zu⸗ kunft eine besonders bedeutsame Aufgabe sein. Der Strafrichter muß nicht nur fäbig sein, eine Verhandlung zu leiten, er muß die Gabe haben oder hierzu erzogen werden, Angeklagte und Jeugen sachgemäß zu vernehmen. Er muß psychologisches Verständnis und soziales Gefühl besitzen, weder glauben, durch forsches Auftreten und schneidige Strafen mangelnde Menschenkenntnis ersetzen zu können, noch auch, überaltert und abgestumpft, gleichgültig als Routinier dem

Schicksal der Angeklagten gegenüberstehen. Er muß sich bewußt sein

e R . z . . = * 2. J X daß jeder einzelne Fall, der für ihn Hunderten ist. für den Angeklagten der eine und einzige Fall ist der vielleicht über das Leben und über das Schicksal des Angeklagten, auch über feine Einstellung zum Staat und zur Rechtsordnung, ent⸗ scheidet. in der Rechtsmittelinstanz berichtigt wird, kann den Angeklagten zum erbitterten Querulanten, zum Zweifler an der Rechtsordnung machen. ; . Dem Strafrichter ist eine schwere, aber stolze, große Aufgabe

übertragen worden, eine große Verantwortung, der aber wie ich über⸗

zeugt bin, ein erhöhtes Pflichtgefühl gegenübersteht. Ich glaube der deutsche Richter wird sich seiner erhöhten Aufgabe gewachsen zeigen.

Meine verehrten Damen und Herren, während bei den bisher erörterten Problemen es sich um Fragen handelte, die, zwar seit Jahren unter den Juristen bestritten ohne persönliche Leidenschaft behandelt werden können, weil jeder der Kritiker nur die bestmögliche Form des Prozesses im Interesse des Volksganzen erzielen will, handelt es sich bei der dritten Gruppe von Verordnungen um Fragen von tiefeinschneidender wirtschaftlicher Bedeutung, bei der gleichzeitig die Interessen der kämpfenden Interessenten mit ungeheurer Wucht aufeinanderprallen und jeweils mit der Behauptung auftreten, daß das, was ihren Interessen entspricht, auch das allein gültige Recht werden sollte. ö.

Es sind zwei wirtschaftlich folgenschwere Verordnungen, die Goldbilanzverordnung und die Auswertungsfrage der dritten Steuer⸗ notverordnung. So tief einschneidend die Goldbilanzverordnung für unsere Wirtschaft ist, so schwierig die einzelne Ausgestaltung, so ist es immerhin bemerkenswert, daß Wirtschaft und Literatur sich in

weitestem Umfange darin einig waren, daß die Goldbilanzberordnung

erlassen werden mußte, daß sie vor dem 31. Dezember erlassen werden mußte und daß gewisse Richtlinien darin enthalten sein mußten. Durchführungsbestimmungen sind ausdrücklich vorgesehen, und ich freue mich, feststellen zu können, daß unter sämtlichen Wirtschafts⸗ gruppen in der Zwischenzeit auch über did Durchführungsbestimmungen weitgehende Uebereinstimmung erzielt werden konnte Die Durch⸗ führungsbestimmungen zur Goldbilanzverordnung werden nach dieser Einigung in einem weiten Umfange die in der eigentlichen Verord · nung nur als möglich vorgesehenen Kleinaktien von 20 6 bringen und damit gerade der Schicht des geistigen und gewerblichen Mittel · standes besonders dienlich sein, die in der Flucht aus den festverzins⸗ lichen, entwerteten Papieren dort eine gewisse Sicherheit vor der Geldentwertung zu finden glaubten und nun Gefahr laufen, auch auf dieser Insel von den Wogen der Währungsumstellung verschlungen zu werden.

Das Problem der Kleinaktien ist ja bereits vor dem Kriege vielfach erörtert worden und hat in den Zeiten der Kapital⸗ und Kreditnot eine ganz besonders wirtschaftliche, aber auch soziale Bedeutung, einmal um dem so schwer getroffenen Mittelstand die letzten Reste seines spärlichen Vermögens zu erhalten, andernteils aber auch um den Arbeitern, falls, wie wir alle wünschen und hoffen, ihnen wieder einmal bessere Löhne beschieden sein werden, die Möglichkeit zu geben, sich selbst auch finanziell an der Pro⸗ duktion, in der sie stehen, in geeigneter Weise zu beteiligen.

Bei der Goldbilanzverordnung kommt noch dazu, daß das Saar · gebiet und das Memelland bereits mit einem ähnlichen Versuche vorausgegangen waren, so daß man aus den Erfahrungen dieser beiden deutschen Gebiete Nutzen ziehen konnte, während bei dem weiteren Problem der Aufwertung dies keinesfalls zutrifft. Dies erscheint zunächst verwunderlich, wo wir doch in neuerer Zeit, wie auch früher in der Geschichte wiederholt, einen Währungsverfall hatten, und man infolgedessen annehmen sollte, daß andere Länder, die uns im Währungsverfall vorangegangen sind, in der Frage der gesetzlichen Regelung der Aufwertung ebenfalls Beispiel sein könnten. Dies trifft aber nicht zu.

In Oesterreich hat ein Gutachten des Obersten Gerichtshofs in Wien vom 8. März 1923 den Anspruch auf Aufwertung ver⸗ neint und damit indirekt den Satz ausgesprochen: Papierkrone gleich Goldkrone. Man kann nicht einwenden, daß dieses Beispiel für die deutschen Verhältnisse gleichgültig wäre, weil die Krone niemals einen solchen Tiefstand erreicht habe wie die Mark. Das ist zwar richtig, aber sobald die Währung unter ein Tausendstel der ursprünglichen Kaufkraft herabsinkt ist es für die über⸗ wiegende Anzahl der Gläubiger wirtschaftlich ganz gleich, ob es sich um die Entwertung auf ein Tausendstel. ein Millionstel oder ein Billionstel der ursprünglichen Forderung handelt. Die Forderung muß dann als wertlos abgeschrieben werden, und so ist es auch vielfach in Oesterreich geschehen; denn bei dem Satz Papierkrone gleich Goldkrone oder Papierkrone gleich sa m der früheren Friedenskrone blieb in den meisten Fällen von den Forderungen nichts übrig. Nun ist aus Anstands⸗ und anderen Rücksichten in Oesterreich dieser Satz nicht überall in der Praxis eingehalten worden. Aber ein Rechtsanspruch ist nicht gegeben, vielmehr des sogenannte Nommalprinzip bis jetzt ausdrücklich aufrecht erhalten worden, und auch heute noch hält man in Oester⸗ reich die Frage für gesetzgeberisch unlösbar.

Polen ist einen anderen Weg gegangen. Es hat verhältniẽ⸗ mäßig bald schon eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Warschau vom 25. Februar 1922 erhalten, wonach indirekt das Recht auf Aufwertung anerkannt wird. Allein die polnische Recht⸗ sprechung hat mit diesem noch dazu von einem ganz besonderen Fall ausgehenden Urteil nichts Rechtes anfangen können, und ich habe aus dem Herbst 1923 verschiedene Urteile polnischer Gerich:e zu Gesicht bekommen, aus denen die Schwierigkeit, einwandfreie Gesichtspunkte für die Aufwertung zu erhalten, deutlich zu ersehen ist. So statuiert ein Urteil des Appellgerichts Posen vom 10. No⸗ vember 1923, daß die Aufwertung ungefähr im Verhältnis der Hypothek zum Wert des Grundstücks bei der Heimzahlung er= folgen soll; eine sicherlich durchaus billigenswerte Entscheidung, bei der nur das eine nicht übersehen werden darf, daß es sich hier um mehrere Unbekannte handelt, von denen jede einzelne im Prozeß eingehend behauptet, berechnet und bewiesen werden muß.

Für Rußland kann ich Ihnen aus der russischen Rechtsprechung irgendeine Entscheidung überhaupt nicht aufweisen. Dagegen ist es interessant, ein Urteil über russische Geldverhälnisse von dem Obersten englischen Gerichtshof, und zwar vom 1. Juni 1920 anzuführen, das um so interessanter ist, weil es sich hierbei um eine Forderung handelt, für die ein wertvolles Pfand haf tete. wobei Gläubiger und Schuldner noch die ursprünglich einander gegenüberstehenden Personen waren. Trotzdem hat der Oberste englische Gerichtshof erkannt, daß die jeweilige Währung

vielleicht nur einer von

Ja sogar eine falsch erkannte Geldstrafe selbst wenn sie

sachfolgerin der vorausgehenden zu gelten habe, daß also Sowjiet⸗ bel 194 geeih Golsrädel vor 1914 sei und Foccrungen aus sodrubel mit Sowjetrubel beglichen werden könnten. In Frankreich hat der berühmte Artikel 1865 des Code civile e Frage im Sinne eines Verbots der Aufwertung geröst. Während kr französischen Revolution hat man sich mit der Aufwertung ederhoit versucht und die Gesengebung und Rechtsprechung hat sich fließtich in einem vollständigen Gestrüpp verloren. Ich habe aus é Jahren 1797 und 1796 über X) Gesetze, zum Teil hoch⸗ teressanten Inhaltes feststellen können, in denen versucht wurde, s Auswertungsproblem zu meistern. Aus diesen Erfahrungen raus hat dann der Code civile die Aufwertung verboten und im

Ugemeinen hat die Rechtsprechung tirtz kleiner Schwankungen diesen

andpunkt eingehalten. Diesem Vorbild sind Italien und die liederlande geforgt, wobei allerdings zu berüchsichtigen ist, daß, soweit h wenigstens feststellen konnte, die Niederlande nie in die Lage men, diese Vorschriften praktisch anzuwenden. ;

Dagegen hat die Frage der Aufwertung in den Vereinigten taaten von Amerika früher einmal eine große Rolle gespielt. In bige des Bürgerkrieges trat auch in den Vereinigten Staaten sehr and ein zum Teil recht erheblicher Währungsverfall ein. Die Gesetz— foung griff bereits 1362 im Sinne des Nominalprinzips, also eines sdiretten Aufwertungsperbotes, ein, und die Rechtsprechung hielt esen Gesichtspunkt trotz aller Anfechtung durch, wobei und 3s ist ebenfalls sehr interessant gerade um die Frage der Ver⸗ sssungsmäßigkeit der Gesetze ein sich über ein Jahrzehnt hinziehender jsampf durchzukämpfen war. Dabei sind in einigen dieser Urteile s Obersten Gerichtshofs Grundsätze ausgesprochen, die ich aus gemeinen staatspolitischen Gründen auch der deutschen Oeffentlich⸗ et zur Erwägung anheimstellen möchte. In emem dieser Urteile eßzt es:

Bei der Untexsuchung, ob der Gesetzgeber im Einklang mit der Verfassung gehandelt habe oder nicht spreche zunächst die Ver mutung für den Gesetzgeber. Das Gericht könne daher dem Gesetz die Verfassungsmäßigkeit nur dann absprechen, wenn es unbedingt davon überzeugt sei, daß der Gesetzgeber seine Befugnisse über—⸗ schritten habe.

dabei ist in Betracht zu ziehen, daß nach amerikanischen Verfassungos⸗ sundsätzen an und für sich jeglicher Eingriff in bestehende Verträge nzulässig war und daß es sich bei der gesetzlichen Regelung um ein ollständiges Aufwertungsverbot handelte.

Im übrigen darf hervorgehoben werden, daß auch der deutsche eseßgeber während des ganzen Jahres 1923 durchaus noch auf dem boden stand: Mark gleich Mark. Ich darf erinnern an die Voll—⸗ stung des Reichstages vom 15. Mai 1923, wo es sich darum mndelte, die kleinen Gläubiger im Reichsschuldbuch abzufertigen. Fine Aufwertung wurde im Rechtsausschuß und im Plenum aus— tücklich abgelehnt und nur als Abfindung für ein bestehendes Recht ine kleine Erhöhung der Einlösungssumme durchgesetzt. wt sich also der Gesetzgeber zu einer Zeit, wo die deutsche Währung sreits verfallen war, ausdrücklich gegen die Aufwertung festgelegt. sbenso lag, wenn man die Resolution des Rechtsausschusses in der Vollsitung vom 7. Juli 1923 mit der dann herausgekommenen Regelung der Altenteilbezüge vergleicht, eine ausdrückliche Ablehnung er Aufwertung auch hier durch den Gesetzgeber vor. .

Ich darf endlich darauf hinweisen, daß während der Steuer

sebatte im Spätsommer und Herbst 1923 von verschiedenen Seiten,

ils es sich darum handelte, die dem gesamten Grundbesitz auferlegten scweren Lasten zu begründen und zu rechtfertigen, darauf hingewiesen purde, daß der gesamte Grundbesitz durch den Währungsberfall im sesentlichen schuldenfrei geworden sei, was natürlich nur dann einen sinn hat und haben kann, wenn der Gesetzgeber davon absehen will, spiter die Aufwertung wieder einzuführen. Und so mußte infolge⸗ essen einer der konsequentesten Verfechter des Aufwertungsgedankens, ber Herr Abgeordnete Dr. Düringer, und zwar im November 1923. in der Einleitung zu einem Gesetzeskommentar feststellen, daß bis um November 1923 der Gesetzgeber an dem Satz Mark gleich Mark u seinem größten Bedauern festgehalten habe. In der vielfach bekämpften Formel Mark gleich Mark trat die grundlegende Wendung uist ein, als das Urteil des Reichsgerichts vom 28 November 1923 schien. Damit trat gleichzeitig ein vollständiger Frontwechsel des Reichsgerichts und auch des gesamten Schrifttums ein, wie der hoch ngesehene Zivilrechtslehrer Professor Oertmann in einer aus— keichneten Schrift über die Aufwertungsfrage vor wenigen Tagen nachgewiesen hat. Man hat diese Entscheidung gepriesen, man hat se scharf kritisiert. Man hat gerügt, daß das Reichsgericht, ohne keß der Beklagte sich überhaupt ausdrücklich darauf bezog, förmlich bei den Haaren herbeigezogen, die Aufwertungsfrage angeschnitten habe, daß das Reichsgericht einen erheblich gesteigerten Wert der Grundstücke angenommen habe, während inzwischen infolge der Währungsumstellung es sich erweise, daß, nach Gold berechnet, Grund nd Boden, namentlich der städtische Hausbesitz, zum Teil höchstens ein Zehntel des Vorkriegswertes noch darstelle, daß es ganz ungewiß seE, auf welchen Zeitpunkt bei den schwankenden Wirtschafts berhältnissen die Relation festzusetzen sei daß der Satz: „der aus den Währungtzverhältnissen sich ergebende Zwangskurs könne still⸗ Hhweigend wegbedungen werden“, mit dem Wesen des Zwangskurses in Widerspruch stehe, weil der Zwangskurs doch bedeute, daß seine Hültigkeit nicht stillschweigend oder durch Verkehrssitte wegbedungen werden dürfe, daß ferner alle Forderungen aus der Zeit des Währungsberfalls in Gleichungen mit mehreren Unbekannten auf— (elöst seien, weil nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts nunmehr ü berücksichtigen seien Wirtschaftsverhältnisse von Gläubiger, von Schuldner und Lasten öffentlicher Art. Es wurde ferner geklagt, ß über die dingliche Sicherung nichts ausgesprochen sei usw., wobei ich hier schon einschalten darf daß wir in der III. Steuernot— betordnung auf Wunsch sämtlicher Parteien zur Regelung der ding— lichen Rangfrage einen recht bedenklichen Eingriff in das Grundbuch—= techt machen mußten.

Verehrte Anwesende! Ich kann in alle diese Probleme im Zusammenhang mit dieser Debatte natürlich nicht hineingehen. Man lun über die einzelnen Gründe des reichsgerichtlichen Urteils denken. wie man will. Ich für meinen Teil habe keinen Zweifel, daß das heichẽgericht den einen oder anderen seiner niedergelegten Gründe säter modifizieren oder aufheben wird. Es ist sich auch der un— scheuren Schwierigkeit des Problems bewußt gewesen und vorsichtig U zögernd an die Lösung herangegangen. Aber es hat die Lösung in einem Zeitpunkt gebracht, der allein der richtige war, nämlich bei Beginn der Stabilisierung. Denn in Wirklichkeit bedeutete die Ent beidung des Reichsgerichts nicht die Ausdeutung bestehender Rechts-

be, sondern ein rechtspolitisches Bekenntnis, indirekt die Auf

cufgenommen we entwertung Betroffenen in den Kreisen der Beamten und An—

Damals

forderung an den Gefetzgeber, daß es jetzt an der Zeit sei, diese Dinge gesetzlich zu regeln Und deses Wort wurde vernommen und dankbar von den zahllosen Schichten der durch die Geld—⸗

gestellten, der freien Berufe, der Rentner der Witwen und Waisen.

Denn sie wußten, daß der Gesetzgeber unter Führung dieses reichs

gerichtlichen Urteils seine Aufgabe antreten und zu Ende führen würde.

Wie man sich auch zu den einzelnen Gründen des Urteils stellen mag,

es war eine große Tat, und ich bin dem Reichsgericht dankbar, daß es in dem richtigen Zeitpunkt eine Lösung versuchte und es der Reichs regierung ermöglichte, auf eine dem allgemeinen Volksempfinden, der Ethik und der Sittlichkeit entsprechende Weise die Frage gesetz⸗ geberisch zu lösen Das ist in den Artikeln 1 und II der dritten

Steuernotverordnung geschehen.

Meine verehrten Anwesenden! Es ist keine Schande, zu ge— stehen, daß das Problem ungeheuer schwer war Nach Oertmann hat das Reichsgericht bei der mündlichen Verkündung der Entscheidung betont, daß es sich bewußt sei, doß der von ihm aufgestellte Grundsatz noch zu vielen Schwierigkeiten und Zweifeln führen könnte. Noch kürzlich wird ja aus Oesterreich mitgeteilt, daß dort die Lösung des Problems gesucht, aber als unmöglich aufgegeben worden ist Von Polen kann ich Ihnen erzählen, daß trotz des beinahe zwei Jahre zurückliegenden Urteils des Obersten Gerichtshofes und trotz dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisses man über einen übrigens sehr inter essanten Vorentwurf aus dem Januar 1924 bis jetzt nicht hinaus— gekommen ist Die polnischen Zeitungen haben den im Auftrage der Regierung ausgearbeiteten Vorentwurf eines angesehenen Zivil⸗ rechtslehers der Universität Krakau gebracht, besprochen und über— einstimmend die Unlösbarkeit des Problems betont. Professor Oert— mann, dessen Schrift ich vorhin schon erwähnte, bekennt sich als bekehrt durch das Reichsgericht. Aber gerade seine Schrift ist der

ausgezeichnetste Beweis dafür, daß diese Frage sich trotz des Reichs⸗

gerichtsurteils allein auf Grund des bisherigen Rechts überhaupt nicht lösen läßt, sondern daß sie eine rechtspolitische, eine Frage von eminenter ethischer und sozialer Bedeutung ist, aber de lege ferenda, nicht de lege lata. Freilich, viele Verehrer des reichsgerichtlichen Urteils haben wohl überhaupt das Urteil nicht gelesen; denn es lehnt ausdrücklich eine Stellungnahme über Aufwertung von Anleihe—⸗ forderungen (hört, hört! in der Mitte), Sparkassenguthaben oder Pfandbriefforderungen ab. Es enthält auch nicht eingehende Richt⸗ linien, sondern nur den Hinweis darauf, daß auf die Wirtschaftslage des Gläubigers, des Schuldners und auf die allgemeinen Lasten namentlich öffentlicher Art Rücksicht zu nehmen ist. Wie groß jedoch ist die steuerliche Belastung vor der dritten Steuernotverordnung gewesen, wie groß ist sie nach ihr? Schon diese eine Frage zwingt dazu, daß der Gesetzgeber die Führung in der Beantwortung dieser Frage in die Hand nimmt. In den verschiedenen erstinstanziellen Urteilen, die ich über den Prozentsatz der Aufwertung gelesen habe,

habe ich aber auch mit keinem Worte eine Berücksichtigung dieser

fundamentalen Frage gefunden. (Hört, hört! in der Mitte) Wie

ernst ist die Wirtschaftslage des Schuldners? Wir haben in den

letzten Wochen glaubhafte Nachweise, interessante Schätzungen aus dem Gebiete des gesamten Immobilien marktes darüber bekommen, daß zurzeit der gemeine Wert der Grundstücke durchschnittlich höchstens 10 Prozent des Vorkriegswertes ist, von seltenen Ausnahmen ab⸗ gesehen, die es natürlich gibt, in denen der gemeine Wert bis auf 50, 100, ja 150 Prozent geht. Da erhebt sich nun sofort die Frage: welcher Zeitpunkt soll hier maßgebend sein? Es ist möglich, daß in einigen Jahren sich dieser Zustand des Immovillenmarktes wesent⸗= lich ändert. Es ist auch möglich, daß die Grundstücke noch weiter entwertet werden, wenn sie z. B. in der Zwischenzeit zugunsten der Reparationsverpflichtungen belastet werden. Soll man also warten, soll man eine Sperre einführen? Aber wäre das nicht vielleicht sogar ein Unrecht gegenüber dem Gläubiger? Oder soll man statt eines schematischen Satzes möglichste Freiheit in der Beurteilung der Aufwertung zulassen, vielleicht Höchst⸗ und Mindestsätze? Selbst Mügel, doch einer der konsequentesten Verfechter des Aufwertungs⸗ gedankens, bekennt in der „Kölnischen Zeitung“ vom V. Februar 1924, daß es gerade vom Standpunkte des Rechtes aus geboten sei, das Recht so zu gestalten, daß nicht eine nicht zu bewältigende Menge von Rechtsstreitigkeiten entstehe, die auf lange Zeit hinaus Unsicher⸗ heit mit sich bringe, den Realkredit wegen des zweifelhaften Bestandes der Grundstücksbelastung gefährde und unerträgliche Kosten verursache; es sei daher keine unzulässige Entrechtung, sondern eine der Gerechtig⸗ keit entsprechende Maßnahme, wenn darauf verzichtet werde, in jedem einzelnen Falle zu ermitteln, was billig ist, sondern wenn durch Fest⸗ setzung von Durchschnittssätzen der Aufwertung eine in gleicher Weise Gläubiger und Schuldner schädigende Ungewißheit in praktischer Weise beseitigt würde.

Diese Streitfälle bei Zulassung einer beweglichen Grenze nach oben zu reduzieren, erscheint vollständig ausgeschlossen. Denn die Verarmung von Gläubiger und Schuldner ist überall gleichmäßig so groß, daß einige Hundert Goldmark mehr oder weniger für jeden der Beteiligten so bedeutsam sind, daß er sich gezwungen sehen wird, darum zu kämpfen. Es mußte daher im allgemeinen ein fester Satz an= genommen werden. Dazu kommt, daß wir in der dritten Steuer notverordnung doch nicht etwa wie im juristischen Vorlesungssaale juristische Begriffsmöglichkeiten sezieren, sondern daß diese juristischen Formen unterstützende Begriffe für das gesamte Wirtschaftsleben darstellen sollen.

Was die Wirtschaft braucht, das ist Klarheit. Was sie weiter braucht, ist Kredit, der ohne Klarheit der Vorbelastung nicht gegeben werden kann. Man kann auch nicht unterscheiden und sagen: der In dustrie wollen wir feste, schematische Grundsätze und Sätze über ihre hypothekarischen und sonstigen Verpflichtungen geben, dagegen die Landwirtschaft, den städtischen Hausbesitz soll man sich abzappeln lassen auf einer ungewissen, schwankenden Basis, bis Gläubiger oder Schuldner ermüdet früher oder später nach Monaten oder Jahren sich in Güte einigen. Die Möglichkeit der Kreditbeschaffung auch für Hausbesitz und Landwirtschaft, die ohne baldigste Klarbeit in der Be⸗ wertung von Forderungen und Lasten unmöglich ist, bedeutet zurzeit

Leben und Sterben für die deutsche Wirtschaft und das deutsche Volk.

Aus wirtschaftlichen Gründen, nicht aus juristischen, mußte auch die Heimzahlung binautgeschoben werden. Das ist bitter für viele Gläubiger, die in ihrer Not glaubten, einen bald flüssig zu machenden Vermögensbestand durch die Aufwertung zu erhalten. Aber wer ist bei den heutigen Verhältnissen in der Lage, größere Kapitalien heim - zuzahlen? Wenn wir die Wirtschaft als Ganzes nebmen und ven den einzelnen Ausnahmefällen absehen, mit denen wir uns den Blick für das große Ganze nicht trüben lassen dürfen, dann ist zu Deim— zahlungen in größerem Stile zurzeit überbaupt niemand in der

Lage Wir hoffen auf Kredite, auf Krebite im Inland und im Ausland. Aber selbst menn wir sie erhalten, so doch nicht, um Schulden heimzuzahlen sondern um die Produktion in Gang zu bringen; also Kredite, um die Prodaktion zu fördern nicht um den Konsum zu steigern. Und solange die Wirtschaft nicht angekurbelt und im Gange ist, ist es unmöglich, den Schuldner zu vepflichten, sofort zu zahlen. Es ist unmöglich, ihn zu verpflichten. Kredite aufzu= nehmen, um Schulden heimzuzahlen, statt die Wirtschaft in Gang zu bringen Denn nirgends gilt wohl mehr als in diesem Falle, daß das Bessere der Feind des Guten ist, und daß eine Erfüllung aller dieser Wünsche unserem an und für sich todkranken Wirtschafts⸗ leben unserer sehr ernsten Währungslage den Todesstoß versetzen könnte. Wäre dann allen diesen unzähligen verarmten Existenzen des Mittelstandes geholfen, wenn unsere Währung wieder ins Schwanken käme? Wenn im August, September 1923 jemand in diesem hehen Hause aufgetreten wäre und den damals Verzweifelten ver⸗ sprochen hätte: ich bringe euch eine Aufwertung auf 19 3 in Gold! er wäre als Retter und Heiland gefeiert worden. (Zustimmung.) Jetzt, wo die Währung hoffentlich nicht nur vorübergehend stabil ist, wo man die Nöte des Jahres 1923 anscheinend im Fluge vergessen hat, erscheint manchem das nunmehr Versuchte ungenügend.

Die Sozialdemokratische Partei, die bisher die Aufwertung aufs schärfste bekämpfte, hat zur Aufwertungssrage eine Reihe von Anträgen gestellt, denen, sie überbietend, nunmehr ein Antrag Düringer und Genossen gefolgt ist. Zunächst den Antrag, eine Crhöhung des Aufwertungsbetrages auf 20 vH zuzulassen, wenn der Schuldner leistungsfähig ist! Es kann zugegeben werden, daß über die Höhe des Aufwertungsbetrages verschiedene Meinun⸗ gen bestehen können. Es gibt kein Naturgesetz, nach dem man sagen kann: ausgerechnet 10 9, ausgerechnet 15 3 oder aus⸗ gerechnet 20 3! ist allein richtig. Nachdem die Entscheidung aber gefallen ist, muß im Interesse der Wirtschaftsruhe an der einmal getroffenen Entscheidung auch festgehalten werden.

Der Antrag der Sozialdemokraten hat aber den weiteren für die Wirtschaft äußerst bedenklichen Mangel, daß nicht nur in den wenigen bereits vorgesehenen Fällen der Leistungsunfähigkeit der Schuldners die 15 3 unterschritten werden können, sondern daß oie Aufwertung auch nach oben hin beweglich gemacht wird. Ver⸗ vielfachung der Prozesse und Vervielfachung der Unsicherheit wird dadurch in die Aufwertungsfrage erneut hineingetragen.

Die weiteren Anträge der Sozialdemokraten fordern Vor— verlegung des Fälligkeitstermins vom 1. Januar 1932 auf den 1. Januar 1927 und Eintritt des vollen Zinssatzes von 5 vH in Gold bereits am 1. Januar 1926 statt 1. Januar 1928. Diese beiden Anträge sind bei einem Aufwertungssatz von 15 vr bei unserer heutigen Wirtschaftslage zurzeit ganz untragbar. Die Aufwertung ist praktisch, wirtschaftlich das Wiederaufleben von Geldforderungen, deren Gegenwert bereits in der Wirtschaft ver braucht ist. Die Wirtschaft braucht Anlaufzeiten, um dieses Gold⸗ kapital wieder zu erzeugen. Sie kann es erst nach Ueberwindung der Deflationskrise, wenn ihr die Möglichkeit gegeben ist, nach Stärkung der Produktion wesentliche Ertragsüberschüsse zurück zulegen. Die Durchführung des Aufwertungsgedankens hãng: davon ab gesamtwirtschaftlich gesehen —, daß die Wirtschaf: auf längere Zeit davor geschützt ist, das Kapital aus dem Pra⸗ duktionsprozesse herauszuziehen. Dieser elementaren Forderung

widersprechen die Anträge der Sozialdemokraten, so menschlich

verständlich und auch populär sie sind. . . Wenn schließlich vie Sozialdemokraten in die Anträge über

die Aufwertung auch die Forderung einbeziehen wollen, daß die nach dem 1. Juli 1922 zurückgezahlten Hypotheken noch nach träglich eine Aufwertung erfahren sollen, so bedeutet das eine Rückwärtsrevidierung der Inflationswirtschaft auch auf den Teil, der bereits als endgültig abgeschlossen anzujehen ist. Die Be unruhigung weiter Kreise der Bevölkerung würde die Folge sein, eine Beunruhigung, die in gar keinem Verhältnis zu seinen Vor⸗ teilen steht, die den Aufwertungsberechtigten aus einer solchen Regelung erwüchse.

Man versucht nun auch den Nachweis, daß die Regelung der Aufwertungsfrage in der dritten Steuernotverordnung der Ver fassung widerspreche. Ich gestehe, meine verehrten Anwesenden daß ich trotz ernsten Bemühens diese Darlegungen bis heute nich ganz verstanden habe. Zuerst hieß es, Art. 153 Abs. 2 der Ver fassung stehe der dritten Steuernotverordnung im Wege; es liege eine Enteignung vor, und diese Enteignung könne nur gegen an gemessene Entschädigung vorgenommen werden. Es ist zweifellos eine Enteignung nicht vorgenommen worden. Mügel, Důringe und eine Reihe anderer hochangesehener Juristen unter den Auf wertungsfreunden haben dies selbst zugegeben. Selbst wenn eine Enteignung vorläge käme immer noch in Betracht, deß Art. 18 Abs. 2 Satz 2 der Reichsverfassung vorsieht, daß ein Re ichsge et anderes bestimmen könne. Daß dieses Reichsgesetz auch in eine Verordnung auf Grund des Ermächtigungsgesetzes besteben lann kann füglich überhaupt nicht bezweifelt werden. Das Schrifttum der Aufwertungsfreunde ist daher auch in der neuesten Zeit von dem Art. 153 Abs. 2 Satz 2 abgekommen und fieht die Ver fassungsänderung in Art. 153 Abs. 1 Satz 1. der sagt:

Das Eigentum wird don der Verfassung gewährleistet.

Dieser Satz ist ein Bekenntnis zum Eigentumsinstitut als solchem ein Programmsatz gegenüber den damaligen Sorgen an Umstellung in eine bolschewistische Wirtschaftsauffassung. Diese Satz kann überhaupt nicht abgeändert werden, auch nicht mi Zweidrittelmehrheit, sondern ist eines der Kernstücke der Reick verfassung, mit denen die deutsche Reichsverfassung stebt und fall Seine Abänderung würde nicht Verfassungsändernng. onder. Negierung des Staates, so wie er ist, und Revolution bedeuten

Aber sind wir nicht gerade dirrch unsere Finanzpolntik n Begriff, Wirtschaft und Eigentum, welch letzteres durch Krieg und Inflation bis auf ein Zehntel derunter entwertet worden iñt endlich wieder zu sichern und zu gewährleisten? Waren nich umgekehrt Eigentum und Wirtschaft in der Inflationsʒzeit aur böchste gefährdet? Und würden sie nicht wirtschaftlich und politiso gesehen wieder aufs höchste gefährdet werden, wenn durch Ver age der dritten Steuernotverordnung eine neue verdeerende Inflatis hereinbräche mit allen Folgen, die auch dolitisch diermit de Deutschland bereindrächen?

Man übersieht noch dazu. daß Inhalt und Schrenken de Eigentums an den einzelnen Brodaktionsgütern und Vet dens stücken, zu denen zweifellos allerdings auch Forderungen gedered nach demselben Absatz des Artikels 188 sich aus dem Gesetze evgeben daß diese Geketze feldst nicht Berfalluüng charakter Sa Dade