in being auf die Verfügung über die öffen lichen Wohnungsbaumittel in sich birgt. Ich bitte das hohe Haus noch einmal dringend, hier eine Nachprüfung vorzunehmen.
Die Verhältnisse auf dem haben sich in den letzten Wochen leicht gebessert. Der Pfandbrief absatz hat sich gehoben, wenn auch in bescheidenen Grenzen. Das Sparkapital sucht also diese Kapitalsanlage wieder auf, trotz der schlechten Erfahrungen der Inflationszeit. Tatsächlich sind auch die Goldpfandbriefe bei zeitgemäßer Verzinsung heute mit die sicherste Kapitalsan lage für die sparenden Schichten unseres Volkes. Die Hypothekenbanken geben allerdings das ihnen aus dem Pfandbrief⸗ absatz zufließende Kapital nur sehr vorsichtig und in beschränktem Umfange auf städtische und vorstädtische Wohnungsbauten. Sie be— vorzugen vielmehr die landwirtschaftliche und Industriebeleihung und Hypotheken auf andere bevorzugte Objekte, Luxusvillen und dergleichen. Hier zeigt es sich, wie wichtig die Errichtung der Preußi⸗— schen Landespfandbriefanstalt gewesen ist, die vorbildlich und zurzeit in lebhaftem Geschäft die Wohnungsneubauten an Klein⸗ und Mittelhäusern fördert. Sie betätigt sich damit als ein wichtiger Regulator im Hypothekengeschäft, wofür sie auch bei ihrer Gründung in Aussicht genommen war. Auch für die Zukunft wird ihr jede mögliche staatliche Förderung zuteil werden müssen. Ihr Betriebs⸗ kapital ist noch schwach, und Reserven hat sie noch kaum bilden können. Anderseits reicht der staatliche Zwischenkreditfonds nicht entfernt an die tatsächlichen Bedürfnisse heran. Hier gilt es vecht⸗ zeitig mit staatlichen Mitteln ein zuspringen. (Abgeordneter Meyer Solingen]: Deshalb haben wir den Antrag gestellt) — Durchaus merkennenswert, Herr Kollege Meyer.
Auch die Stadtschaften arbeiten verdienstlich in denjenigen Provinzen, wo solche gegründet sind. .
Aber auch sie leiden empfindlich unter dem Mangel an Betriebs kapital. Ihnen aus dieser Lage herauszuhelfen, ist freilich nicht Sache des Staates, sondern Aufgabe der Provinzen. Der Staat ist gesetzlich zwar dazu berufen, die Gründung von Stadtschaften zu fördern. Ist die Gründung vollzogen, so sind die betreffenden Anstalten, sobald sie nicht selbst vorwärtskommen können, auf die Stützung durch ihre Garantieverbände, die Provinzen, angewiesen. Hler kann aber den Gemeinden, in deren Bezirken sich Stadtschaften betätigen, nur dringend empfohlen werden, ihre Aufmerksamkeit diesem hohen, wirt⸗ schaftlich wichtigen Zwecke zuzuwenden. Einen staatlichen Druck auf die privaten Hypothekenbanken auszuüben, dahingehend, sich in särkerem Maße in den Dienst der Aufgaben der Verwaltungsressorts zu stellen, halte ich im Augenblick, wo die Banken schwer darum kämpfen, sich den in der Inflationszeit ohne ihr Verschulden ver⸗ orengegangenen Fundus wieder aufzubauen, nicht für ratsam. Immer⸗ hin sind die Kredite, die die Hypothekenban ken jetzt vorzugsweise anderen volkswirtschaftlichen Zwecken zuleiten, der Gesamtheit von Nutzen. Die Staatsregierung wird zu geeigneter Zeit, wenn die Hypothekenbanken, was mit Sicherheit zu erwarten ist, demnächst wieder festen Boden unter den Füßen haben werden, eine stärkere Berücksichtigung derjenigen Zwecke fördern, die — bei normaler Wirt- schaflslage — zu verfolgen die eigentliche Aufgabe der Hypothekenbanken ist. Sogenannte zweite Hypotheken sind heute überhaupt nicht zu haben, weder von Banken, noch von anderen Kreditanstalten, noch aus Privathand. Die Hypothekenaktienbanken dürfen ohnehin auf Grund des Hypothekenbankgesetzes nur erste Stellen beleihen; ander⸗ seits geben die öffentlich- rechtlichen Realkreditanstalten, soweit sie nach ihrer Satzung auch die zweite Stelle finanzieren dürfen, nur bei desonders günstigen Objekten Darlehen, die über die normale Grenze einer ersten Hypothek hinausreichen. Diese Zurückhaltung kann bei den heutigen Verhältnissen auf dem Baumarkt, insbesondere bei der Schwierigkeit, einwandfreie Grundstückstapen zu gewinnen, wie ander- seits im Hinblick auf die ihnen aus dem Pfandbriefabsatz nur be⸗ schränkt zufließenden Gesamtmittel nur gutgeheißen werden. Die zweite Stelle wird deshalb bis auf weiteres mit der Hauszinssteuer⸗ Hypothek und aus eigenen Mitteln des Bauherrn zu finanzieren sein.
Was nun die Wohnungszwangswirischaft anbetrifft, so ist die Frage ihrer Beibehaltung gerade in den letzten Monaten in der breitesten Oeffentlichkeit eingehend und nachdrücklich erörtert worden. In der Presse ist bereils für die allernächste Zeit die völlige Auf⸗ hebung der Wohnungszwangswirtschaft in Aussicht gestellt und da⸗ durch in die Mieterkreise die größte Beunruhigung hineingetragen worden. (Sehr richtig! links) Aus diesem Grunde halte ich es für meine Pflicht, bei meinen Ausführungen gleich zu betonen, daß ich an eine völlige Beseitigung oder auch nur an eine weitgehende Locke⸗ Wohnungszwangswirtschaft so lange nicht denken kann, als
— 6
Realkredit markt
rung der die Nachfrage nach Wohnungen gegenüber dem Angebot in einem so argen Mißverhältnis steht, wie es zurzeit bedauerlicherweise, be⸗ sonders in den dichtbevölkerten Teilen Preußens, noch der Fall ist. Abg. Lademdorff: Dann können Sie die Wohnungszwangswirtschaft überhaupt nie aufheben) Herr Ladendorff, Sie gestatten, daß ich darüber anderer Ansicht bin. (Abg. Ladendorff: Das gestatte ich) — Das ist sehr nett von Ihnen. — Anderseits bin ich durchaus bereit, eine allmähliche Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft auf einzelnen Gebieten vorzunehmen, soweit ich sie unter Berücksichtigung der all⸗ gemeinen wirtschaftlichen Lage für vertretbar halte. Ich glaube vor allem, in Uebereinstimmung mit der Reichsregierung und den Regie⸗ rungen der übrigen Länder, für eine Aufhebung der Bewirtschaftung möblierter Räume, soweit sie an Einzelpersonen vermietet sind, in denjenigen Gemeinden eintreten zu können, wo, z. B. wie jetzt in Berlin, das Angebot die Nachfrage erheblich überstelgt. Damit wird den Wohnungsämtern eine weitere Aufgabe genommen.
Seit langem bin ich der Auffassung, daß bei den Wohnungs— ämlern es versucht werden muß, sogleich mit der Einschränkung der Aufgaben eine verständige Verminderung des Personals, insbesondere unter Ausschaltung minderwertiger Kräfte, in erhöhtem Maße durch⸗ zuführen. Ich habe deshalb bereits durch Erlaß vom 4. März 1924 die Gemeindebe hörden angewiesen, mit allem Nachdruck bei dem durch die Finanznot gebotenen allgemeinen Personalabbau ganz besonders auf einen entschiedenen Abbau der von ihnen eingerichteten Wohnungs⸗ ämter bedacht zu sein und diesen Abbau, zum mindesten entsprechend der Verminderung der von den Wohnungsämtern zu erledigenden Ge⸗ schäfte, mit tunlichster Beschleunigung zu betreiben. Nach den mir zugegangenen Berichten der Regierungspräsidenten hat auch überall ein Abbau stattgefunden, und zwar in den meisten Orten bis zu 40 und 50 Prozent. Dem weiteren Abbau und der Tätigkeit der Wohnungsämter überhaupt werde ich auch in Zukunft mein besonderes Interesse zuwenden.
Als wichtigsten Teil der Wohnungszwangswirtschaft sehe ich den Mieterschustz an. (Sehr richtig! Ob es zweckmäßig und schon heute angebracht erscheint, das Mieterschutzgesetz in einzelnen, nicht
grundlegenden Bestimmungen abzuändern, ist eine Frage, die augen— blicklich bel den zuständigen Stellen erörtert wird. Angebot und Nachfrage müssen, ebenso wie bei der Raumverteilung, so auch bei der Mietpreisgestaltung für Wohn⸗- und Geschäftsräume berücksichtigt werden. Gerade der von mir vor einem Jahre gemachte Versuch der völligen Herausnahme der reinen Geschäfts⸗ und Industriehäuser aus der Zwangsmiete hat gezeigt, daß eine solche jedenfalls zurzeit auch von den wirtschaftlichen Interessenkreisen noch nicht getragen werden kann. (Sehr richtig!) . Selbstverständlich muß die gesetzliche Miete den Bedürfnissen nach ordnungts mäßiger Instandbaltung der Häuser, soweit es die allgemeine wirtschaftliche Lage irgendwie gestattet, Rechnung tragen. Ich verkenne nicht, daß der schlechte bauliche Zustand der Häuser durchaus nicht immer dem bösen Willen der Hausbesitzer zuzuschreiben ist. Das Bauverbot während des Krieges und die Schwierigkeiten der Materialbeschaffung, ferner auch die jegliche Bewirtschaftung auf weitere Sicht verhindernde Inflation machte es bis zum letzten Jahre außerordentlich schwierig, erhebliche notwendige Reparaturen auszu— führen. (Sehr richtig Es ist deshalb alsbald nach der Stabilisierung der Währung mein Hauptbestreben gewesen, dem Hausbesitzer, soweit wie irgend von der Allgemeinheit traghar, diejenigen Mittel an Hand zu geben, die ihm eine ordnungsmäßige Instandhaltung seines Haufes ermöglichen. Zwar hatte ich bereits, um der fortschreitenden Kaufkraftentwertung der Papiermark Rechnung zu tragen, durch Erlaß vom 9. Juli 1923 die Gemeinden ermächtigt, die Zuschläge für laufende und große Instandsetzungsarbeiten zur Grundmiete jeweilig in dem Verhältnis allmonatlich zu erhöhen, wie sich der Tarifstundenlohn eines Maurers (Vollarbeiter über 19 Jahre) in dem für die Gemeinde in Frage kommenden Tarifgebiete seit der letzten Festsetzung der Mietzuschläge erhöht hatte. Leider aber wurde auch diese Maßnahme im Herbst 1923 durch den katastrophalen Sturz der Mark ihrer praktischen Auswirkung beraubt. Eine dauernde Regelung konnte ich erst nach Stabilisierung der Währung im Januar dieses Jahres schaffen. Ich habe dann auch durch Erlaß vom 12. Januar 1924 für alle Gemeinden Preußens eine gleichmäßige gesetzliche Miete in der Weise festgesetzt, daß zu der leider damals mit Räcksicht auf das Reichsgesetz noch nicht zu eliminierenden Papiermarkgrund⸗ miete nunmehr sogenannte Goldzuschläge für Verwaltung und Zinssteigerung, für laufende Instandhaltung und Betriebskosten traten. Dieses System der Mietzinsbildung, das auf dem Reichs⸗ mietengesetz beruhte, zwang zu einer weitesten Zulassung von Umlagen, um den Hauswirt in denjenigen Gemeinden, die unverhältnismäßig hohe Betriebskosten forderten, schadlos zu halten. Mein Bestreben nach Vereinfachung der Berechnung der gesetzlichen Miete konnte ich endlich im April d. J. verwirklichen, nachdem mir durch die inzwischen erlassene Dritte Reichssteuer⸗ notverordnung die Möglichkeit einer Aenderung des Reichsmieten⸗ gesetzes hinsichtlich der Mietzinsbildung von Landes wegen er⸗— möglicht war. Die nur noch formale, praktisch völlig über⸗ holte Papiermarkgrundmiete wurde beseitigt und die gesetzliche Miete nunmehr lediglich in ein Verhältnis zur reinen Friedensmiete gesetzt. Während bis zum 1. Juli hierbei die einzelnen Bestand⸗ teile der Miete nebeneinander in einem bestimmten Hundertsatz der Friedensmiete festgestellt wurden, ist mit diesem Verfahren vom 1. Juli d. J. ab im Interesse der weiteren Vereinfachung gebrochen worden und die gesetzliche Miete nunmehr wieder für ganz Preußen in einem einzigen bestimmten Hundersatz der Friedensmiete festgesetzt worden, indem neben den Kosten für die Verwaltung, dem Zinsendienst, den laufenden Instandsetzungsarbeiten und den Betriebskosten auch die großen Instandsetzungsarbeiten berücksichtigt worden sind. Das Ver⸗ fahren der Sonderfestsetzung eines Zuschlags zur Beschaffung von Mitteln zur Verzinsung und Tilgung für große Instandsetzungs⸗ arbeiten durch das Mietseinigungsamt ist beseitigt worden, weil dieses sich in der Praxis nicht bewährt und vielfach nur unnötige Kosten verursacht hat. (Sehr gut! links.) Weiter habe ich, ausgehend von dem Grundsatze, daß in der Friedensmiete sämtliche steuerliche Belastungen enthalten waren, auch die Hauszinssteuer in den einheitlichen Mietsatz mit aufgenommen, so daß nunmehr auch das Umlageverfahren für die staatliche Hauszinssteuer, wie es bis zum 1. Juli bestand, in Fortfall gekommen ist. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände und insbesondere in dem Bestreben, dem Hausbesitzer die für die In⸗ standsetzung notwendigen Mittel, soweit sie von der Allgemeinheit irgendwie tragbar sind, in steigendem Maße zu gewähren, habe ich am J. Juli den einheitlichen Mietsatz auf 62 vH der reinen Friedensmiete festgesetzt. (Abg. Ladendorff: Einschließlich der Hauszinssteuer ) — Einschließlich der Hauszinssteuer. In diesem Satz sind vor allem die Kosten für Instandhaltung mit etwa 19 und diejenigen für die damalige staatliche Hauszinssteuer mit etwa 18 06K in An— rechnung gebracht worden. Eine Umlagemöglichkeit habe ich nur noch ausnahmsweise da zugelassen, wo örtliche Verhältnisse es unbedingt geboten. Das gilt von dem bekanntlich nicht von allen Gemeinden gleichmäßig erhobenen besonderen Gemeindezuschlag zur Grundver⸗ mögenssteuer und dem weiter zulässigen gemeindlichen Zuschlag zur Hauszinssteuer in Gemäßheit der Zweiten Preußischen Steuernotver⸗ ordnung. Weiter habe ich ausnahmsweise, um in jedem Falle auch auf diesem wichtigen Gebiete wegen der tatsächlichen Unkosten den Vermieter schadlos zu halten, diesem ein Wahlrecht hinsichtlich des Wassergeldes gewährt dahin, daß er entweder sich mit dem ein heitlichen Zuschlag von 62 0 auch für das Wassergeld als abgefunden ansieht, oder aber dieses in voller Höhe auf die Mieter umlegt, dafür aber dann den allgemeinen Satz von 62 00 um 3 oo auf 59 o kürzt. Für die Monate August und September habe ich die Miete unver⸗ ändert belassen, im Oktober aber wegen der Erhöhung der Hauszins⸗ steuer die mir zurzeit als höchstens tragbar erscheinende Hinaufsetzung auf 66 6360 vorgenommen. Wenn Sie dagegen die fast überall, wenigstens in den größeren Orten, mehr als 4 0; betragende Haus⸗ zinssteuer umgerechnet betrachten, und zwar für die besondere gemeindliche Hauszinssteuer, so kommen wir auf einen tatsächlich ge⸗ zahlten Mietpreis von 74 bis 75 oo. (Sehr richtigh e. Auch für die Zukunft werde ich mir bei der Festsetzung der gesetzlichen Miete die Möglichkeit der Instandhaltung der Häuser, so⸗ weit es die allgemeine Lage zuläßt, ganz besonders angelegen sein lassen. Die Befürchtung, daß die Hausbesitzer die ihm in der Miete für die Instandhaltung seines Hauses zufließenden Mittel nicht für diesen Zweck verwenden könnte, erscheint mir nicht gerechtfertigt, nach⸗ dem ich durch 5 11 meiner Anordnung vom 17. April 1924 die Mieter in die Lage versetzt habe, bei der Gemeindebehörde dle in diesem Paragraphen vorgesehenen Zwangsmaßnahmen gegen den Ver—
mieter in Gang zu bringen, falls der Vermieter einmal seine Pflicht
und Schuldigkelt auf dlesem Gebiet nicht tut. (Abg. dadenderf Sehr richtig!! Ich glaube also, daß diesem Einwand dadurch Genjg⸗ geschehen ist. Ich sage noch einmal: einer sofortigen Aufhebung 9 Zwangsmirtschaft könnte ich unter keinen Umständen zustimmen.
; 3 M zaliche ; ij ö * sehe auch nicht von heute auf die Möglichkeit, die Ving — D tsch 837 ĩ S . , ,, . ö. 6 n Cn Een E anzeiger und
glaube, Ihnen an Hand meiner Darlegungen für 1924 jedenfal⸗
nachgewiesen zu haben, soweit es irgend die allgemeinen wirtschaftlich Verhältnisse gestatten, auf einen vernünftigen Abbau dieser Zwang, wirtschaft hinzuarbeiten. U
Wenn ich mir dann noch kurz einige Bemerkungen über de Arbeiten meiner Abteilung für die allgemeine Völ kg, wohlfahrt erlauben darf, so möchte ich darauf hinweisen, daß n verflossenen Jahre diese Arbeiten an Umfang und Bedeutung nh nur nicht abgenommen, sondern noch zugenommen haben, insbesonden deswegen, weil das letzte Jahr ein rechtes Notstandsiahr war. R
Währungskrise war die Ursache allgemeinen wirtschaftlichen Nieder
gangs. Die Folge davon war, daß die Zahl der Kranken un Schwachen, der Verarmten und Erwerbslosen, der Obdachlosen un Verwahrlosten sich zunächst noch vergrößerte. Ihren Nöten in h friedigender Weise abzuhelfen, verbot leider der traurige Stand zen Staatsfinanzen. Aber was nur irgendwie geschehen konnte, um ihn zu helfen, ist zum mindesten von uns versucht worden.
Glücklicherweise haben die letzten Monate doch eine Besser in der Gesamtlage gebracht. Das gilt besonders von den Erwerhg, losen.
Die allgemeine Besserung der Arbeitsmarktlage hält an, besonden in den vorwiegend landwirtschaftlichen Bezirken. Eine rückläusp— Bewegung ist hier allerdings sehr bald zu erwarten. Daneben sin aber auch in rein industriellen Bezirken Besserungsanzeichen erkennhn, Inwieweit die verbesserte Arbeitsmarktlage in der Industtt, besonders im Rheinland, von Dauer sein wird, läßt sich noch nit übersehen. Ich glaube aber immerhin, daß Anzeichen dafür vorliesn die darauf schließen lassen, daß man mit einer dauernden Besserng
rechnen kann.
Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger hat bereits mit dea 1. September d. J. mit rund 362 000 ihren Höhepunkt überschrist und ist am 15. September auf rund 359 000, am 1. Oktober af rund 325 000 gefallen. Von diesen Erwerbslosen wird fast Hälfte länger als drei Monate, davon wiederum etwa die Hils länger als sechs Monate unterstützt.
Beachtlich ist, daß bei einer durchschnittlichen Erwerbslosensfp von rund 9os9 der Bevölkerung bezw. etwa 2.7 0so der Krankenlassen mitglieder die Erwerbslosenzahl für das besetzte Gebiet die gleih Höhe wie im gesamten unbesetzten Gebiet aufweist. (Lebhaftes hä hört! link)
Eine verhältnismäßig geringe Erwerbslosigkeit, und zwar zwischt O,? und 5H osc der Bevölkerung weisen auf: Grenzmark, Ostpreusn Brandenburg, Pommern, Schleswig⸗Holstein, Hannover und Nied schlesien, überwiegend landwirtschaftliche Bezirke; eine mäßige zwischt 8 und 10 6 099 der Bevölkerung: Oberschlesien, Provinz Sachen Berlin; darüber hinaus Hessen⸗-Nassau 10 00, Westfalen 14 06m schließlich das Rheinland 19 ooo. (Kebhaftes hört, hörth
Bei Pflichtarbeiten, kleinen und großen Notstandsarbeiten sindi Preußen rund 25,8 M = rund 93 000 Erwerbslose beschäftigt gegen einem Reichsdurchschnitt von 24,3 0.
Uebe? die Erfahrungen mit der Pflichtarbeit und kleing Notstandsarbeiten, d. h. solchen, die vom Verwaltungs autsht des zuständigen Arbeitsnachweises hauptsächlich mit den Beiträgen a Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Mittelaufbringungsverordnmnm finanziert werden, kann ein abschließendes Urteil noch nicht gegchh werden, obschon die Erfahrungen nach den vorliegenden Berichten g im allgemeinen befriedigend zu bezeichnen sind. (Zuruf linke: M können wir nicht behaupten)
Der Gefahrenausgleich hat sich inzwischen erfreulicherweise din ausgewirkt, daß zurzeit und voraussichtlich auch für die nächs Monate die Nachschußpflicht von Reich und Staat in der unh stützenden Erwerbslosenfürsorge sich erübrigt.
Bereits mit Erlaß vom 12. April d. J. sind die Oberpräsidenn angeregt worden, für den Notfall Aufstellungen über soh bezw. in absehbarer Zeit greifbare zusätzliche Arbeitsgeleget heit zu machen. Die Berichte liegen größtenteils gesichtet wobei es sich insgesamt vorbehaltlich ihrer Finanzierung um 7M lionen Tagewerke handelt, d. h. es können rund 50 000 Grwerhä für sechs Monate beschäftigt werden. .
Daneben sind bereits eine Reihe von Notstandsarbeit im Gange, die sich infolge der Entlastung der produktiven Emmen losenfürsarge durch Pflichtarbeit und kleine Notstandsarbeiten? wichtigere Maßnahmen eistrecken konnten. Es ist gelungen, n anderen, zum Teil volkswirtschaftlich bedeutsamen Arbeiten m weniger als rund zwei Drittel der verfügbaren Mittel Arbeiten der) produktion (Meliorationen) und einem Teil des Schlüsselgewen (Landarbeiterwohnungen) zuzuwenden. Erwähnt seien meh Meliorationsaktionen, Beteiligung am Reichskulturwerk, an! deutschen Oedlandkulturgesellchaft und eine umfangreiche Aktion Herstellung von Landarbeiterwohnungen. Insgesamt bis Atk dieses Haushaltjahres sind rund 15 400 Landarbeiterwohnungen! stellt. Ausführliche Angaben über diese Aktionen sind in Artikelserie der „‚Volkswohlfahrt“, unseres Verffentlichungẽbsth vom 15. Oktober enthalten, die denjenigen, die sich dafür in essieren, gern zur Verfügung gestellt werden kann.
Aufgabe der produktiven Erwerbslosen fürsoh wird es sein, mehr noch als bisher neben der Bekämpfung pero! wiederkehrender Arbeitslosigkeit sich der dauernden Erwerbslosen infolge weitgehender Veränderungen unserer Wirtschaftsverhilmm berufsüberzählig geworden sind, und ihrer Umstellung anzunehmen,
(Fortsetzung in der Ersten Beilage)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charloltenki
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Meng e til in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering in Berlin.
Druck der Norddentschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. Berlin,. Wilhelmstr. 32.
Zwei Beilagen und Erste und Zweite Zentral⸗Handelscegister ˖ Beilage.
Erste Beilage
; Berlin, Montag, den 20. 9ↄktober
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Preußzischen Staatsanzeiger
1924
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Die Für sorge für die sonstigen Notleidenden sich durch das Inkrafttreten der Fürsorgepflichtverordnung gegen— dem Voriahre erheblich geändert. Ueber die Durchtührung der onnung läßt sich zurzeit ein abschließendes Urteil naturgemäß abgeben. Dle vom Reiche vorgesehenen endgültigen Grundsätze
Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge werden diesen Tagen durch den Reichsrat beraten. Bis zu ihrem Erlaß zich, wie bisher, bemüht sein, den Fürsorgebedürftigen ausreichende serstützung zu sichern. (Bravo!)
Die staatliche Wohlfahrtspflege bedarf, um ihre Ziele völlig zu chen, einer verständnisvollen Mitarbelt der Kräfte, die in den ugfaltigen Organisationen der freien Wohlfahrtspflege fam sind. Eine planmäßige Ergänzung der öffentlichen Fürsorge⸗ suhmen durch private Liebestätigkeit ist gerade jetzt um so un— ehrlicher, als die wohlfahrtspflegerischen Leistungen der öffentlichen sreischaften unter dem Zwange zu äußerster Sparsamkeit hinter
an sich wünschenswerten Maß vielfach leider weit zurückblelben sen. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich das Ministerium für tzwohlfahrt angelegen sein lassen, bei jeder sich bietenden Gelegen⸗ die Arbeit der freien Wohlfahrtsorganisationen anzuregen und firdern, sie unbeschadet ihrer Selbständigkeit mit den Einrichtungen öffentlichen Wohlfahrtspflege in Verbindung zu bringen und durch planmäßige Zusammenfassung, die unwirtschaftlicher Kräfte— nlitterung vorbeugen sollte, zu stetiger Wirkung zu führen.
Weittragende Aufgaben auf diesem Gebiete traten an das nisterium heran, als die Besetzung des Ruhrgebiets und ihre wirt— stlichen Folgen Massennotstände von einem bisher nicht gekannten ang zunächst nur im besetzten Gebiet selbst, bald aber auch in übrigen Landesteilen heraufführten. Neben die staatlichen Hilfs—⸗ Fnahmen trat alsbald die sich überall in erfreulicher Weise regende gate Hilfstätigkeit, die in dem „Deutschen Volksopfer“ eine auf ltester Grundlage ruhende Zusammenfassung fand. Aus den Er— hen der Sammlungen, die das „Deutsche Volksopfer“ allenthalben unbesetzten Gebiet durchführte, konnten bisher über 10 Millionen diark, berechnet nach dem Lebenshaltungsinder, der bedrängten mark zugeführt werden. Ich glaube, daß das doch immerhin ein Iltat ist, daß sich neben den sonstigen Maßnahmen sehen lassen f. Bei der organisatorischen Durchführung der Sammlungen ie bei der Verteilung der Sammlungserträge hat das Wohlfahrts⸗ sterium weitgehend mitgewirkt.
Im Spätherbst des vorigen Jahres ist das Hilfswerk des eutschen Volksopfers“ umgestaltet und erweitert worden zu der heutschen Nothilfe, die sich die Linderung der Not im umten Reichsgebiet zur Aufgabe setzt, dabei aber auf das besetzte let nach wie vor ihr besonderes Augenmerk richtet. In der ttschen Nothilfe ist ebenso wie im Deutschen Volksopfer der danke der Arbeitsgemeinschaft zwischen öffentlicher und freier Wohl⸗ tzpflege verwirklicht, und zwar sowohl in dem örtlichen Unter— wie in den Spitzen. Auch an der Arbeit der Deutschen Nothilfe, namentlich im vorigen Winter sehr wertvolle Dienste geleistet hat , voraussichtlich im kommenden Winter vor sehr umfangreichen fgaben gestellt sein wird, nimmt das Wohlfahrtsministerium fort⸗ fend tätigen und regen Anteil.
Infolge der Finanznot konnten im laufenden Etatsiahr für die terstützung der öffentlichen und privaten Wohl— hrtspflege sowie zur Kinderverschickung auf das Land und in holungsheime nur außerordentlich geringe Mittel zur Verfügung ellt werden. Dank der vom Reich gewährten Uebergangsmittel Fl des Finanzausgleichsgesetzes ist es gelungen, Wohlfahrts— lalten wesentliche Beihilfen in Form von Zuschüssen oder Dar hen zu bewilligen. Obwohl der § 87 des Reichsmonopolgesetzes gehoben ist, hat doch die Reichsregierung in dankenswerter Weise Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs eine größere Summe in den heingestellt. Ein großer Teil dieser Mittel wird den großen lbänden zur Bekämpfung der Trunksucht, der Geschlechtskrankheiten der Tuberkulose zur Verfügung gestellt, der Rest nach Abzweigung s. Nesewefonds beim Reichs ministerium des Innern auf die Länder heilt, allerdings nur in Raten. Bel der Verwendung dieses Be⸗ 6 hat ein besonderer Beirat mitzuwirken, der in nächster Zeit zu⸗ nentreten wird.
Auf dem Gebiete der Fürsorgeerziehung stehen wir le, nach dem Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes, des ußischen Ausführungegesetzes dazu und der Ausführungsbestim— ngen, einer völlig veränderten Rechtslage gegenüber. Träger der tsorgeerniehung sind nunmehr ausschließlich die Kommunalverbände, früheren Ortsarmenverbände und auch die Polizei sind von der lentragungspflicht befreit, und es steht daher zu hoffen, daß nicht jr aus finanziellen Gründen die Fürsorgeerziehung unterbleibt, wo sir das heranwachsende Geschlecht noch der einzige Weg ist, aus Zögling ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu machen. 66 hat eine starke Bewegung eingesetzt, die Fürsorgeerziehung reinen Selbstverwaltungsangelegenhelt der Kommunalverbände zu hen. Auf die Rechtsfrage, ob die Fürsorgeerziehung bislang ilerraltungeangelegenheit oder Auftragssache gewesen ist, ich mich in diesem Augenblick nicht näher einlassen. Ich le nur betonen, daß denn doch das Interesse, die heran—⸗ hiende Jugend vor der sittlichen und körperlichen Verwahrlosung shützen, weit über den Rahmen der Kommunalverbände hinaus. l und nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht des atsministertums ist. (Sehr richtig! im Zentr) Dieser Pflicht mag das Staatsministerium aber nicht nachzukommen, wenn es serlei Einfluß auf die Ausführung der Fürsorgeerziehung hat. Mir int auch der Streit um das Prinzip, ob F ürsorgeerziehung tragsangelegenheit oder Selbstverwaltungs⸗ he ist nicht das Bedeutungsvollste. Wichtiger ist meiner Ansicht . wohl die Frage: wie dienen wir am besten dem Wehl unserer der Der Weg, der als der beste anerkannt wird, soll und muß eichlagen werden, und das Staateministerium wird keinen Augen⸗ zaudern, wenn bessere Wege gezeigt werden, diese zu beschreiten.
Auch in dem letzten Jahr sind mir bezüglich der Fürsorge⸗
erziehung mancherlei einzelne Beschwerden zu Ohren gekommen. Die von mir angestellten Nachprüfungen haben ergeben, daß die Be— schwerden in allen Fällen übertrieben, meist aber sogar grundlos waren. Wo Mißssände tatsächlich bestanden, sind sie sofort beseitigt worden. Ich benutze die Gelegenheit, um Klarheit über meine Auffassung über die Fürsorgeerziehungsarbeit im allgemeinen zu schaffen. . Wenn immer wieder behauptet wird, der Geist in den Er— ziehungsanstalten sei rückständig, fo kann dem nicht entschteden genug entgegengetreten werden. Es geht nicht an, Einzelfälle als Be— urteilungsmaßstab für das gesamte Erzlehungswesen anzuwenden. (Sehr richtig! rechts) In einer ganzen Reihe von Provinzen haben in den letzten Jahren zahlreiche Besuche von Erziehungsanstalten durch Personen der verschiedensten Stände und Parteien stattgefunden, bei denen überall zugegeben wurde, daß über die Erziehungsanstalten nach allen Richtungen hin, über ihre äußere und innere Beschaffen⸗ heit, über die Behandlung, Erziehung und Ausbildung der Zöglinge vielfach falsche Vorstellungen geherrscht haben.
Zu dem Personalin den Erziehungsanstalten be— merke ich folgendes: Die weltüberwiegende Zahl der in der Für— sorgeerziehung tätigen Personen bei den provinziellen und privaten Anstalten besteht aus vorgebildeten Kräften der inneren Mission und der geistlichen Orden sowie aus ausgesuchten Handwerksmeistern und Landwirten. Die Zahl der Erzieher mit dem Zivilversorgungsschein macht selbst bei den provinzialeigenen Anstalten einen ganz geringen Prozentsatz, nicht einmal 5 oο aus. Ich möchte mir aber dann auch die Bemerkung dazu gestatten, daß im übrigen der Zivilversorgungs— schein seinen Besitzer doch auch noch nicht zu einer idealen Berust— aufsassung und zu pädagogischem Geschick unfähig macht. (Sehr richtig Alle Bestrebungen zur Ausbildung und Fortbildung des Personals werden von der Staatsregierung und den Pro— vinzen gefördert. Es gibt genau so wie in anderen Berufügruppen vielleicht auch unter den Inhabern eines Zivilversorgungsscheins Leute, die vielleicht nicht allen Anforderungen entsprechen; aber das kommt doch nicht nur da vor, sondern auch bei anderen. Deshalb möchte ich dringend bitten, diese Verallgemeinerung zu unterlassen. Nach den Untersuchungen und Ergebnissen in den Anstalten, die ich auch persönlich angesehen habe, muß ich das unter allen Umständen aufrecht erhalten.
Wenn von Ausbeutung der Kinder gesprochen wird, so muß leider gesagt werden, daß auf Seiten mancher Eltern dahin ge— sündigt wird. Bei manchen Anträgen auf vorzeitige Entlassung aus der Fürsorgeerziehung habe ich feststellen können, daß die Eltern vor⸗ wiegend darum die Entlassung erstrebten, weil sie die Kinder zur wirtschaftlichen Tätigkeit heranziehen und deren Verdienst für sich verwenden wollten, die Frage aber, ob auch die Voraussetzungen einer guten Erziehung gegeben seien, für sie keine oder nur eine unter— geordnete Rolle spielte.
Zu der vielfach aufgestelltn Behauptung, daß die An⸗— stalten durch die Arbeiten der 35glinge erhalten werden, bemerke ich, daß die Zöglinge auch unserer Ansicht nach nicht müßig gehen sollen (sehr richtig! im Zentrum) sondern, um auß— gebildet werden zu können, mit Arbeit, und zwar möglichst mit produktiver Arbeit beschäftigt werden müssen, und zum anderen, daß die hohen an die Anstalten zu zahlenden Pflegegelder beweisen, daß eine Erhaltung der Anstalten durch die Arbeiten der Zöglinge mit Sachkunde wohl kaum behauptet werden kann. Daß sich, wie auf allen Gebieten des Lebens, so auch bei der Fürsorgeerziehung in einzelnen Fällen einmal Mißstände zeigen, wird sich kaum vermeiden lassen. Man darf aber darüber nicht die Anerkennung für das ver⸗ gessen, was bisher unter den denkbar schwierigsten. Verhältnissen in diesen Anstalten geleistet worden ist. Die warme, ausopfernde Liebe, mit der die an der Fürsorgeerziehung Beteiligten ständig und durchgängig bestrebt sind, Segen zu schaffen, verdient Anerkennung und Dank, und ich glaube, den will auch das hohe Haus diesen Leuten, die diese Arbeit machen, nicht vorenthalten. (Sehr richtigh
Auch für die sonstige Jugendfürsorge hat das Reichs« jugendwohlfahrtsgesetz mancherlei Aenderungen gebracht. Ueber die Durchführung des Gesetzes liegen abschließende Ergebnisse zurzeit noch nicht vor. Es scheint aber, daß fast überall die Gemeinden und Kreise mit Eifer und bestem Willen an die Errichtung von Jugend⸗ ämtern oder jugendamtlichen Stellen herangehen und die Erfüllung der im Gesetz vorgesehenen Aufgaben im Rahmen des Möglichen in Angriff nehmen. Die Zahl der Anträge auf Befreiung von der Amtsvormundschaft, auf Herabsetzung des Pflegekinderalters und auf Befreiung von den Aufgaben der Jugendgerichtshilfe ist nach den bisher vorliegenden Berichten erfreulicherweise im ganzen nur gering.
Daß die Durchführung eines organisatorisch für die Selbstverwaltung so bedeutsamen Gesetzes, wie es das Reichs⸗ jugend wohlfahrtsgesetz ist, nicht überall ganz ohne Härten und Schwierigkeiten vor sich geht, ist selbstverständlich. Diese Fälle sind aber erfreulicherweise nur vereinzelt. Bedauerlich und eine gewisse Härte war die durch das Gesetz gebotene Kündigung der bisher mit der Pflegekinderaufsicht bei der Polizei beschäftigten Halte⸗ kinderdamen. Seitens des Wohlfahrtsministeriums ist von Anfang an alles geschehen, um hier eine Milderung herbeizuführen. Es kann heute mitgeteilt werden, daß von den 35 zum 1. April in Berlin gekündigten Damen jetzt nur noch 11 als unterstützun gs⸗ bedürftig bezeichnet zu werden brauchen. Ein Teil der Damen hat an anderer Stelle im Polizeipräsidium, ein Teil an Berliner Bezirks⸗ ämtern oder in der freien Wohlfahrtspflege oder anderwärts Be⸗ schäftigung gefunden; ein Teil bezieht Witwenpension oder hat unter⸗ stützungspflichtige und „fähige Angehörige. Für die hilfsbedürftigen elf Damen ist beim Finanzministerium von mir die Bewilligung einer möglichst hohen laufenden Unterstützung beantragt worden. Die Entscheidung des Herrn Finanzministers steht noch aus. Leider sind ja mit Rücksicht auf die finanzielle Notlage des Staates die für solche Zwecke in den Etat eingestellten Mittel nur beschränkt.
Ueber die Wirkung der Einführung des Reichsjugendwohlfahrte« gesebes läßt sich allgemein wohl jetzt schon sagen, daß sie in weiten
Kreisen unseres Volkes, namentlich in denen der freien Wohlfahrts⸗ pflege, ein starker Ansporn zu vermehrter Fürsorge und Arbeit an unserer Jugend geworden ist. In bezug auf die Zusammenarbeit von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege können wir, glaube ich, mit bestem Vertrauen in die Zukunft sehen. Beide Teile sind sich klar, daß sie notwendig einander brauchen, und fast überall besteht auf beiden Seiten der ehrliche Wille, gut miteinander zusammen⸗ zuarbeiten.
Auch für die Aufgaben auf dem Gebiete der Fürsorge für die sittlich gefährdeten Frauen und Mädchen zeigt sich ein steigendes Verantwortungsbewußtsein in der öffentlichen und privaten Wohlfahrtspflege. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß hier weiterhin vorbeugende wertvolle Arbeit geleistet und dadurch unser Volk vor schweren gesundheitlichen und sittlichen Schäden be⸗ wahrt wird. Von meinem Ministerium wird jedenfalls nach wie vor allen diesen Bestrebungen der Fürsorge für unsere gefährdete Jugend allezeit die tatkräftigste Hilfe zuteil werden.
Darüber, daß für die Erhaltung und Wiederher⸗ stellung der Gesundheit un seres Nachwuchses alles nur Erdenkliche geschehen muß, sind wir sicher alle einig. Die Kinderspeisung — in weitestem Maße unkerstüßt von dem Auslande, namentlich Amerika, wofür wir sehr dankbar sein müssen — wird auch weiter fortgesetzt werden müssen. Allerdings fließen die Mittel hierzu aus dem Auslande nur noch spärlich; aber bis zum 31. März 1925 ist die Speisung von etwa 300 000 Kinderm dank der Auslandsmittel noch gesichert. Man wird Mittel und Wege finden müssen, um auch diese Speisungen weiterhin fortzu setzen; denn es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß die Not der Kinder ihr Ende noch nicht erreicht hat.
Den fortgeseßten Bemühungen ist es gelungen, auch in diesem Jahre eine große Anzahl von Kindern auf dem Lande und in Heimen unterzubringen, und zwar sind in einzelnen Familien nach den Schätzungen — eine ganz genaue Statistik konnte noch nicht aufgenommen werden — eiwa 200 000 Kinder unter⸗ gebracht, in Erholungéheimen und Heilstätten 80 000 Kinder; das Ausland hat über 45 000 Kinder aufgenommen. Hierbei sind die Kinder aus den besetzten Gebieten besonders berücksichtigt worden. Wer gesehen hat, wie gekräftigt an Leib und Seele die Kinden zurückkommen, wird nur mit Dankbarkeit aller derer gedenken können, die sich um die Aufnahme der Kinder im Inlande und Auslande ver⸗ dient gemacht haben. (Zuruf bei den Kommunisten) — Das hat mit Paradies nicht das geringste zu tun, Herr Abgeordneter Hoffmann. Aber wenn jemand Gutes an unseren Kindern tut, wollen wir das gern und dankbar anerkennen. (Sehr richtigh
Die im Hauptausschuß angeregte Frage der Schaffung eines großen Kinderheimsin Preußen, ähnlich wie auf dem Heuberg, in Wöllershof, in Hammelberg und auf der Weg scheide, ist zurzeit Gegenstand eingehender Erwägung. Manche auf dem Gebiete der Kindererholungsfürsorge Sachverständige sind der Ansicht, daß kleine Heime den Vorzug verdienen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Jedenfalls aber würde die Beschaffung eines so großen Heimes erhebliche Kosten verursachen, und ich glaube, daß weder in diesem noch in den nächsten Jahren die Möglichkeit vorliegt, große Beträge dafür bereitzustellen. Immer mehr gehen Städte, Kreise und Vereine dazu über, selbst solche Erholungsheime und Heil⸗ stätten einzurichten, wie sie auch seitens einzelner Arbeitgeber bereits geschaffen worden sind — ein Zeichen, daß weite Kreise von den Notwendigkeit überzeugt sind, nach Kräften für die Erholungsfürsorge der Kinder zu sorgen.
Den kinderreichen Familien konnte das Ministerium Unterstützungen leider nur in beschränktem Umfange gewähren. Die kinderreichen Familien fanden aber bei der Entsendung von Kindern zum Landaufenthalt weitgehende Berücksichtigung. Ich möchte mich nun noch kurz zur Pflege der schulentlassenen Jugend wenden, deren körperliche, geistige und sittliche Erziehung zu fördern ich nach wie vor als eine meiner vornehmsten Aufquben betrachte.
Hierbei möchte ich zunächst hervorheben, daß das Reichsjugend⸗ wohlfahrtsgesetz die Wohlfahrt der schulentlassenen Jugend als Auf⸗ gabe der Jugendämter nennt, aber nur als Kann⸗Aufgabe und an letzter Stelle. Die Jugendämter sind schon mit einer Fülle jugend⸗ fürsorgerischer Aufgaben bedacht, so daß es ihnen oft schwer werden wird, diesen in vollem Umfange gerecht zu werden. Sie werden dahen vielfach nicht über die nötigen sachkundigen Kräfte verfügen, um auch die mannigfachen Aufgaben der Jugendpflege zu übernehmen. Detz⸗ wegen habe ich mich in meinen Grlassen vom 8. und 19. April d. J. dafür eingesetzt, daß die bestehenden Orts⸗, Kreis⸗ und Bezirks⸗ ausschüsse für Jugendpflege aufrechterhalten bleiben, zumal bei den Uebernahme der Jugendpflege durch die Jugendämter leicht eine Büro kratisierung der Jugendpflege und ihre Zurückdrängung zugunsten den Jugendfürsorge bei den stark belasteten Jugendämtern eintreten kann. Dieser Standpunkt wird, wie ich betonen möchte, von den Jugend⸗ verbänden selbst geteilt. Ihnen voran ging die „Arbeiterjugend“, die sich in der Reichsausschußsitzung in Leipzig ausdrücklich für die Aufrechterhaltung der bisherigen Ausschüsse aus ⸗ gesprochen hat. (Hört, hört! rechts und im Zentrum. — Zuruf bein der Sozialdemokratischen Partei) — Ja, das ist streitig, wer das noch nicht begriffen hat (Heiterkeit); das läßt sich so genau im einzelnen noch nicht feststellen. Unserer Ansicht nach ist die Jugendpflege für die schulentlassene Jugend in den freien Ausschüssen viel besser auf⸗ gehoben (sehr richtig im Zentrum und rechts) als in der bürokratischen Bevormundung durch Aemter und beamtete Personen. (Jurufe links) Das trotz alledem hier und da ein Beamter die Hauptaufgaben er⸗ füllen kann, wie das in größeren Städten der Fall ist, das ist uns nicht unbekannt. Aber im großen und ganzen liegt die Jugendpflege besser in Händen der freien Vereinigungen, die sich in den Orts⸗ Kreis⸗ und Bezirksausschüssen zusammentun und lieber dorthin ihre Vertreter entsenden als in amtliche Stellen. (Erneute Zurufe bei den Sozialdemokraten) — Sie sehen, daß die Meinungen darüber aus⸗ einandergehen; aber die Jugendverbände selbst sind jedenfalls unserer
Auffassung. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts) Außer den