das Koalitionsrecht man behält es ihnen vor mit der Begrundung daß die Landwirtschaft zu den lebenswichtigen Betrieben gehöre. Bei jedem Landarbeiterstreik wurde sofort die Technische Notbiife eingeietzt. Das Versammlungsrecht wird für die Landarbeiter durch Sipo und Reichswehr illuüsorisch gemacht Von den 898 landwntschaftlichen Betrieben im Regierungebezirk Königsberg sind 144, im Regierungs⸗ bezirk Köslin von 787 Betrieben 97 ohne Betriebsräte und so weiter Gerade angesichts der niedrigen Löhne in der Landwirtschaft sind die Betrjebsräte erforderlich. Die Arbeitszeit ist weit siber acht Stunden ausgedebnt; die Landwirtschaft hat den Achtstundentag äberhaupt nicht fennengelernt, wohl aber den Zehn- und Elfstuntentag, auch wenn man den Durchschnitt des ganzen Jahres berechnet. In Ost— preußen haben die Arbeiter einen Stundenlohn von 21,8 Pfennigen. in Schlesien etwa 19 Pfennigen. Nach allen Abzügen bleiben dem Arbeiter in der Woche 7 Mark (hört! hört! b. d. Komm). Das Elend der Wohnungsverhältnisse auf dem Lande kann man ga! nicht sfreng genug schildern Kinderarbeit ist verhoten, geht aber mal auf das Land, dann könnt Ihr sehen, wie die Kinder ausgebeutet werden mit Viehhüten, Schweinesüttern ufw Der sozialdemokratische Landarbeiterverband hat nichts jür die Landarbeiter gegeben, sogar ihre Streiks abgewürgt. Herr Schmidt⸗Cöxpenick hat ja gesagt sie dürften nicht streilen, weil es ein lebenswichtiger Betrieb sei. Wir werden aber den Landarbeiterverband umgestalten damit er eine Kampforganisation werden kann. Auch ron dem Inter— nationalen Arbeitsamt haben die Landarbeiter nichts zu erwarten Unter dem tapitalistischen Spstem kann ihnen nicht geholfen weiden Wir werden den Kapitalismus beseitigen. (Beisall bei den Komm. Gelächter).
übg. Schmidt- Köpenick (Soz ): Den Abg Obendieck habe ich in den Landarbeiteiversammlungen in Pommern nicht zu sehen be— kommen Allein uns ist es zu verdanken, daß das Internationale Arbeitsamt in Genf sich mit der Landwirtschaft bejchättigt hat und jetzt das Koglition⸗- und Veisammlungerecht der Landarbeiter inter— national gesichert ist. Das Landwirischaftsministerinm ist dafür verantwortlich zu machen, wenn das KRoalitionsrecht der Land⸗ arbeiter umgangen wird Wir werden dafür sorgen, daß das Koalitionsrecht tatsächlich
duichgesührt wird und daß die Freizügigkeit auch nicht durch Maßnahmen der Reichsbahn illusorisch gemacht wird Wir sind nicht mit der Technischen Nothilfe einverstanden, aber ei Streiks der Wasserwerke und Gag— werke mußlen sie eingesetzt werden. Gerade Kommunisten sind jetzt beim Eisenbahnerstreik unter den Streitbrechern; die Kommunisten zerstören überhaupt jede Organifation Warum sorgen denn die Kommunissen nicht für höbere Landarbeiterlöhne? Sie haben eben nnter den Landarbeitein gar feine Anhänger. (Widerspruch bei den Kemmunisten) Wir stimmen der Vorlage zu. Die Kemmunisten sollten wirklich für die Arbeiter arbeiten. (Beifall bei den Sozial« demokraten) Die Vorlagen werden dem sozialpolitischen Ausschuß über⸗
ei den dem Reichstag zur Kenntnisnahme übergebenen Washingtoner Abkommen über die Beschäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft bedauert die
Abg. Nemirtz (Soz), daß seitens des Arbeitäminifteriums bisher auf dielem Gebiete nichts geschehen sei Notwendig ei, daß auch dieses Ucbereinkommen als Gesetzentwurf vorgelegt werde
Abg. Martha Arendsee (Komm) fordert staatliche Ent⸗ bindungé- und Kindenürforgeanstalten und lehnt die privaten und kirchlichen Einrichtungen ah
Tie Vorlage geht ebenfalls an den Sozialpolitischen Ausschuß.
Es folgt die Beratung des Haushalts des Reichs— justizministeriums, mit der die Beratung einer großen Reiß von Anträgen und Interpellatlonen neu verbunden wird, die sich auf Angelegenheiten der Juslisverwaltung beziehen. Auf Wunsch der Justizverwaltung, deren Vertreter erklärt, daß innerhalb des Ministeriums die Erörterung über die auf Landesverrat sich beziehenden Anträge der Sozialdemo— Hennte non da bn alls geschlossen. — ** Mark an. ät
Ver Haushaltsausschuß hat in diesen Etat einen neuen
Titel eingefügt, der 120 006. für die Ausbildung von Juristen im Ausland auswirft.
og Dr Korsch (Komm) erstattet den Bericht über die Ausschußverbantlungen Als er im Laufe seines Berichts seine ver⸗ sönlichen Auffassungen über den Rechtestaat“ zum Ausdruck bringt, perweist ihn Vizepräsident Gräf Thüringen darauf, daß er ass Pelichterstatter leziglich obiseftiv über die Verhandlungen im Ausschuß zu sprechen babe Der Berichterstatter erwidert, daß er wu versönlichen Bemerkungen ebenso daz Recht habe, wie fürzlicͤch der Abg. Quaatz, der als KRiexichterstatter über den Verfehrsetat dem Geneialdirektor Oeser einen Sajito— mertale vorgeworfen habe Vizepiäsident Grän erjucht den Redner, sich leinen Anordnungen zu jügen. Der Berichterstatter bemerft in weiteren ReiJauf seines Reserais daß im Aneschuß zum eisten Male ven allen Parjeien, alleidings mit verichjedenen Gründen, den dentschen Richtern der Vorwurf der Parteilichkeit gemacht worden sei. (Unruhe und Widerspruch rechts. Ruf: Sie phantasieren!) Besenders interessant seien im Ausschuß die Ankstellungen ven den Parteien jowohl von rechtz wie von links an dem Staattz⸗ ßerichtshos zum Schutze der Nepublik gewejen, darunter fei be— sonders die Kritik dee Vertteteis der Dentschen Volt partei hervor- zuhehen. (Abg. D. Wunderlich D Vyp.): Das ist falsch, ich habe sowohl das Für wie das Wider auseinandergesetzt Abg. Dr. Kahl D. Vy Ter Barichterstatter macht sich lauter Phantafien zuiecht.) — Vözepräsident Gräf eisucht den Redner dringend, angesichts des Hiellachen Widerspruchs. den er im Hause finde, sich streng an die Vergänge im Auejchuß zu halten Der Berichterstatter erwähnt so— dann die Remängelungen an der parteipolnischen JZujammensetzung des Staategerichtehoftäz und geht darauf auf die zivile Rechtepflege uber.
Abg Dr Levi (Soz. jordert Beseitigung der setzten Justiz⸗ reform des Ministers Emminger, die nur eine Verstepfung des Juslij= betriebs jur Folge gehabt habe. Wir haben, so sährt Redner fort, zur dentichen Regierung nicht das Vertrauen, daß sie das Maß von Charakfterstärke. Takt und ähnlichen Ferligleiten besitzt, um parteiliche Einflüsse in der Nechtsprechung auszuschalten Man ollie nur an den letzten Prozen Beweredeiff⸗Krohner denken. Es ift sehr merfwurdig, daß sich Bewerstorff an teine feiner Aeußerungen mehr erinnern kann Välle Beweredorff die Aeußerungen nicht getan. dann würde er Kroner öffentlich als Lügner bezeichnet halen. Ein zweiter Fall ist der Fall Ahledorf, der sich an den Fall Beweredoiff anichsießt. Es wäre mindestens richterlicher Taft gewesen. wenn Abledorn Nie Kensequenzen gezegen häte. Selbstberständlich kann man aus Einielfällen keinen Schluß auf die Gesinnung der deutschen Richter im allgemeinen zieben Aber es ist doch bezeichnend, daß auch die Nschteroraanisasionen kein Wort der Verurseilung und kollegialen Mißbillianng finden Berguerlich ift es, wenn Angeklagte, die gebeime Waffenlager oder Oiganijationen aus republifaniicher Ge⸗ sinnung anzeigen, wegen Landes perrais verurteilt werden Diese ganzen Lantesverratsprozesse dienen nnr dazu gewisse Organisattonen und Kräfte, die außenpolitisch gar feine, innerpolitssch aber gloße Bedeutung haben, zu sicheirn und zu garanslieren Das alles hat mit dem Schutz des Reichs nichts zu tun. Es ist en unmöglicher Zustand, wenn das Wehimiisterium immer wieder Giörterungen über diese Angelegenheiten verhindern will. Es muß über diefe Gefahren gesprochen werden. Tas Ausland erfährt doch alls was ee wissen will. Es kann vielleickt uns noch Informationen seben. Ter Redner führt kelonders Bejchwerde über die bayerssche hiechtjprechung und fordert Wiederautnabme der Verjahren por den baverischen Voltegerichten Tiejenigen Kieif, die heute gegen die Belassung des Staalsgerichtebols beim Reichénericht austreten. sind früher entichteden dalür eingefreten. Zweisellos erfrent sich Keute der Staatenenrichtehof feiner großen Beliebtheit mehr Seinen Zweck, die Sünder von rechis zu erfassen. hat, er nicht erült. Recht senterbar ist auch das Verbälinis jwischen Verteidigung und Voisitzendemn im gegenwärtigen Tichela—
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Prozeß Einer dringenden Nachprüfung bedarf die Frage der vor⸗ laufigen Festnahme. Pier wud von der Pottzei in letzter Zeit oft krasser Mißbrauch getrieben Die Ehre eines Menichen muß auch der Polizei heilig jein, jo lange nicht eine Tat seftgestellt ist oder wichtige Gründe vorliegen Unerhört ist es, wie Angeklagte bei den Polizei⸗ behörden oft seelijchen Qualen ausgesetzt werden. (Zuruf des Abg. Lohmann (D Nat): Das sind Seperingsche Beamte!! Der Redner schließt: Nichts ist für ein Volk schwerer tragbar, als wenn es in seinem Rechtsgefühl verletzt wird Darauf zu achten, muß die Auf— gabe der deusschen Juhtiz sein.
Abg. Dr. Barth (D Nat): Ich trete zunächst der Art der Berichterstastung des Abg. Korsch entgegen. Zum Teil waren seine Ausführungen Phantasien, namentlich kann keine Rede davon gein, daß von allen Parteien den Richtern Parteilichfeit vorgeworfen sei. Wenn sich die Linke über das Fechenbach⸗Urteil durch ein Ausnahme— gericht bejchwert, so vergißt sie, daß auch der Staatégerichts hof zum Schutze der Republik auf einem Ausnahmegesetz beruht Und der demokratische Herr Müller-Meiningen ertlärte, daß Fechenbach ein Landesperräter sei und bleibe, den auch das Reichsgericht als solchen verurteilt haben würde. Das Denunziantentum hat leider bei uns so zugenommen, daß selbst fianzösische Osffisiere sich mit Ekel davon abgewendet haben. Für die dem Landgerichtsdirektor Beweisdorff in Magdeburg unter— geichohenen pripaten Aeußerungen ist keinerlei Beweis erbracht worden. Tie Angriffe der Vemokraten gegen das Magdeburger Urteil können leinen deutschen Richter veranlassen gegen jeine Ueberzeugung zu handeln. Diesen Zweck verfolgten aber die Angriffe. Das Magde⸗ burger Gericht war nicht nur aus Berufsrichtern sondern auch aus Lajen zusammengesetzt. Die Hoffnungen, daß sich bei stärkerer Oeran— ziehung des Laienelement, dem alten Wunsch der Linken, die Angriffe auf die Berusrichter mindern würden, haben sich nicht erfüllt. Der Landgerichts direktor Dr Krohner ist mit Recht wegen formaler Beleidigung des Magdeburger Gerichts verurteilt worden. Nun be— schwerte sich die Presse der Linken daß Krohner sehr schnell ab— genrteilt worden ist, der Rothardt-⸗Prozeß aber so verzögert worden ist. Das war nicht Schuld des Gerichts, sondern eine andere Stelle, die die Verzögerung bis nach den Reichetagsmahlen veranlaßt hat. Der Reichsgerichtepräsident Dr. Simons hat einmal gejagt, der Zu— jsammenhang des Staatsgerichtshofs mit dem Reichsgericht helaste das letztere moralisch, da zu befürchten sei, daß der Partei— geist im Staatsgerichtähof auch auf die Senate des Reichs— gerichts übergreifen tönne. Herr Dr. Simons ist nicht ein Mann der Rechten, fondern der Demokraten. Herr Dr Lepi hat sich über die vorläufige Festnahme des Rechtsanwalts Werthauer beichwert. Dr. Werthauer ist uns in Sachsen besonders bekannt; der Minister— präsident Zeigner hat ihm einen Auftrag in der Auseiganderfetznng des jächsischen Staates mit dem Königshanse zugeichanzt und Wert⸗ hauer hat dafür nicht weniger als Fiebenbunderttausend Mark liquidiert. Bei dem Barmat-Sftandal mußte der Staatt anwalt scharf zugreisen. Das Herr Werthauer darunter hat leiden müssen, ist nicht so ichlimm wie alles,. was dieser Sfandal zutage geiördert hat Der republikanische Richterbund verlangt demokratische Gesinnung von den Richtern Wenn die Herren wahrhaft Demokraten wären, fönnten sie nur Richter wünschen, die charaktersesst sind Dazu ist in der Weimarer Versassung ausdrücklich die politische Meinungsfreiheit der RBeamten, also auch der Richter, anerkannt worden. Wenn die Justiz herabgewürdigt würde zur Tienerin der jeweilig berischenden Partei, dann wäre das in der Tat das Ende einer unparteinschen Justiz und eines unabhängigen Richterstandes (Sehr nichtig! rechts Wir haben in den letzten Jahren im Rechtsansschuß wiederholt Anträge zur Sicherstellung eines unabhängigen Richteistandes gestellt, ohne die Zustimmung der Demokraten zu finden. Wir Deutschnationale sind es jetzt, die die großen Ejitungenschaften des alten Liberalismus verteidigen müssen gegen die Demokrasen, die sie heute verleugnen. (Untuhe bei den Demokraten) In keiner Zeit war die Unabhängig⸗ feit der Gerichte jo notwendig wie gerade jetzt. Die Landesjustiz— verwaltungen haben das Recht, die Vorsitzenden von Kammern und Senaten zu bestimmen. Das maß in die Hände des Gerichts selbst gelegt weiden. Ein unhaltvarer Zustand ist es, daß das Reichs— alli iniste in, aul. Grind zeg. He gl dinge wert ge eh es Lie, dne. Die Unabhängigkeit des Richterstandes muß por allem erhalten bleiben. damit das Wort wieder Geltung bekommt: justitia (undamentum regnorum! (Beifall recht.)
Abg, Hampe (Wirtichastl. Vereinig : Die Rechtsprechung soll nicht nach Voltstümlichteit haschen. Wenn zwei streiten, kann es nur einer jein, der den Prozeß gewinnt. Und im Strafprozeß wird der Verurteilte immer sagen, daß er zu Unrecht perurteilt sei. Ertlär— licherweise leidet auch die Rechtspflege unter der Unvollfommenheit aller menschlichen Einrichtungen. Wenn wir leidenschaftelos urteilen, müssen wir anerkennen, daß wir mindestens eine ebenso gute, wenn nicht in mancher Beziebung bessere Rechtepflege haben als andere Länder. Nun ist unser Volk nicht so erzogen wie z. B. das englihsche, daß es schon in einem gewissen Nationalstol; die Urteile seiner Gerichte anerkennt. Von allen Reformen, die wir seit Jahren wünichen, ist jetzt wenigstens das neue Strafgesetzbuch in Sicht, und hesonders erfreulich ist die Mitteilung des Ministertz gewesen, daß bei der Autarbeitung unmer ein reges Zuiammenarbeiten mit Oefter reich gewesen ist. Ersreulich ist es daß in dem neuen Straf— gesetzbuch auch der 5 175 wieder enhalten sein wird (Widerspruch linke). Das ist notwendig angesichte der fürchterlichen Enthüllungen durch den Haaimann-Prozeß und duich den Fall Denke in Schlesien. Die Sprache des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nich polfg— jümlich genug ist viel zu wistenschastsich Im Ehe scheidungeprozeß ist vor allem die Langsamfeit des Verfahrens zu bemängeln. Der Redner lehnt aber mit aller Entschtedenbeit eine Vermehrung der Ehe⸗ scheidungegründe ab Die Grundlage der letzten Prozeßiesorm war leider nur em Ermächtigungsgesetz Im sjbrigen sind die Prozeß— gesetze infolge ihres diftatorijchen Ursprungs erftenlicherweije aus einem (Guß. Die übermäßige Heranse hung des Laienelements hat ihre großen Bedenten und Nachteile. In der Zihilproteßordnung sollte man das Mahnverfahren nicht obligatorijch gestalten. Das obligatorische Guteversahren — an sich ein guter Gedanke — wird die Prozesse noch mehr in die Länge ziehen. Den Lurns einer unentgeltlichen Nechtepflege können wir uns nicht leisten, aber eine Herabietzung der Gerichte— gebühren ist erwünscht. Ebenso eine Erhöhung der Sachverständigen⸗ gebühren. Die Sondergerichte sollten nun endlich abgeschafft werten. Der Staatsgerichtshof hat feine Berechtigung mehr, nachdem die Verhältnisse sich beruhigt haben. Wenn eine Staatsform fich nicht mehr aus sich selbst aufrechterhalten kann, so kann sie auch ein Staategerichtshofß nicht mehr halten. Sehr peinlich ist vor allem auch der politische Charakter dieses Ausnahmegerichts.
Darauf werden die Beratungen abgebrochen. — Mittwoch 2 Uhr Wahlgesetzantrag für die Reichs präsidentenwahl, Justizetat. Schluß 7 Uhr.
Freußijcher Landtag. 209. Sitzung vom 19. März 1925, Nachmittags 2 Uhr. (Gericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Präsident Bartels eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Minuten. Haus und Tribünen sind sehr stark besetzt. Auf der, Tagesordnung steht als erster Punkt Wahl des Ministerpräsidenten.
Nach Verlesung der neueingegangenen Vorlagen tritt das Haus sofort in die Wahl ein. Tie Wahl erfolgt ohne Aus— sprache, ist namentlich und wird durch Abgabe verdeckter Stimmzettel vorgenommen. Wie bei der letzten Wahl stimmen die Fraktionen der Weimarer Koalition, Zentrum, Sozialdemokraten und Demokraten, wieder für Marx, die Konimunisten für Pieck. Deutschnationale und Deutsche
miüsse hermehrt
Volkspartei haben in Dr. v. Richter wieder einen gemein⸗ samen Kandidaten aufgestellt. Die Freiheitspartei scheint im ersten Wahlgang wieder einen eigenen Kandidaten aufgestellt zu kaben, um dann im zweiten Wahlgang für Dr. v. Richter zu stimmen. Die Wirtschaftliche Vereinigung wird wiederum Ladendorff für den ersten Wahlgang ausstellen; wie sie sich für den zweiten Wahlgang entscheiden wird, steht noch nicht fest. Jedenfalls will die Wirtschaftliche Vereinigung weiße Zettel nicht wieder abgeben. Wie weiter während der Ab— stimmung bekannt wind, fehlen als krank die Abgeordneten Winterfeld (D. Nat), Steffens (D. Vp), Siebert (Soz.), Eismann (Sentr), Skjellerup (Komm), Jordan (Wirtschaftl. Vereinig) und Graf von Hell dorff (Nat. Soz.).
Der Wahlakt, der ohne Zwischenfälle vor sich geht, wird um 2 Uhr 55 Minuten geschlossen und das Ergebnis durch die Beisitzer festgestellt. Um 3 Uhr 15 Min, teilt Präsident Bartels das folgende Resultat mit: Es wurden abgegeben 443 Stimmzettel. Unbeschrieben 1, ungültig keiner. Von den 442 Stimmzetteln beträgt die Mehrheit 222. Es haben erhalten: Marx (Zentr.) 222, Dr. v. Richter (D. Vp.) 151, Pieck (Komm.) 42, Körner (Nat. Sez.) 11, Ladendorff (Wirt⸗ schaftl. Vereinig) 16. Marx hat damit die absolute Mehrheit und ist zum Ministerpräsidenten gewählt. (Lebbafter Beifall in der Mitte. Zuruf der Kommunisten: Auf wie lange?)! Damit ist der erste Gegenstand der Tagesordnung erledigt.
Ohne Aussprache werden die Anträge über die Haffkrank⸗ heit der Ausschußberatung überwiesen. Das Haus tritt darauf ein in die zweite Beratung des Nachtrags⸗ stellenplans zum Haushalt 1924.
Abg. Grzesin ski ( Soz) berichtet über den Nachtragsstellen⸗ plan. Der Hauptausschuß hat den Nächtragsplan mit der Aenderung, daß er schon vom 1. Juli statt vom 1. Oktober 1924 ab gelten soll, im übrigen unverändert genehmigt. Zwei Entschließungen fordern Vorschläge für die Schaffung von Beförderungs- und Aufrückungs— stellen für die Amtsgehilfen sowie für die Beamten der Polizei und der Landjägerei im gleichen Umfange wie für die analogen Beamten der Reichsfinanzverwaltung und eine Gegenüberstellung der Endarund-— gehälter der preußischen Beamten von 1913 mit 1. Dezember 192.
der unteren Beamten verraten zu haben.
Der Nachtragsplan und das zugehörige Gesetz werden nach dem Ausschußvorschlag in zweiter Lesung und sofort auch in dritter Beratung angenommen. Auch die Entschließungen gelangen zur Annahme. .
Darauf setzt das Haus die gemeinsame Aussprache über die Uranträge und Großen Aufragen, betr. das Gruben- unglück auf der Zeche „Minister Stein“, fort.
Abg. Steger (Gentr.) richtet die Aufmerksamkeit auf die großen Unfallziffern im Bergbau. Die Kontrolle müsse verschärft, die Berg⸗ arbeiter müßten erhöht an ihr beteiligt werden. Auf der Zeche „Minister Stein“ habe die Verwaltung die Berieselung in den letzten Wochen, wo sich der Einbau der Steinstaubsperren der Vollendung näherte, offenbar nicht mehr recht ernst genommen. Er selbst habe in der Grube Kohlenstaub in Menge vorgefunden, der nicht erst, wie die Verwaltung jetzt behaupte, duich die Explosion angeweht worden sei. Eine Bergpolizeiverordnung müsse das Schießen auf den Fettkoh len- flözen mit Schlagwettererscheinungen sofort verbieten. Hoffentlich folge dem Versprechen der Bergverwaltung auf Verschärfung der Kon⸗ trolle die Tat. Die Lehrschießmeisterkurse seien zu einer Schießmeister⸗ schule auszubauen. Die Genehmigung abfallender Wetterführungen
dürfe nur ganz ausnahmsweise erteikt werden. Die Zahl der Einfahrer * ine Kester Not. / So Sch lang ive kler-=
En ti ict lin fen r nn arif Notwendigkeit. Seine Fraktion fordere im unterirdischen Grubenbetrieb die Errichtung von Rettungskammern, es gelte, Menscheitleben zu erhalten bv. zi retten, da könnten finan⸗ zielle Bedenken schon gar nicht mitsprechen. Nach den gefundenen Auf— zeichnungen hätten 17 der von der Epplosion Betroffenen noch drei Stunden nach Lerfelben gelebt, ehe sie ben tödlichen Gasen und Nach— schwaden zum Opfer gefallen seien. Wären Rettungskammern por— handen gewesen, so hätte manches Leben gerettet werben können Das heutige Soll- und Prämiensystem sei eine neue Steigerung der Unfall= gefahr: es müsse beseitigt werden. Die wirksamste Vorbeugung liege allerdings für die Bergleute in ausreichenden Löhnen und menschen— würdiger Behandlung; in beiden Richtungen sei noch sehr vie! zu bessern. Noch immer komme es vor, daß Bergleute, die den verdienten, aber ihnen vorenthaltenen vollen Lohn heim Gewerbegericht einklagten, die Kündigung erhielten. Mit allem Ernst und Nackdruck welde das Zentrum an die Anträge herantreten.
In der Aussprache über das Grubenunglück führt dann der
Abg. Hartmann (Dem) aus: Troß jahrzehntelanger Be— mühungen der Parlamente und der Regierungen sst es bisher leider nicht gelungen, die zahlreichen schweren Unglücksfälle im Bergbau zu verhüten. Menschenwille und Menschenkraft reichen noch nicht aus, um Massennunfälle zu verhindern, und es wird nun allen Ernstes daran gegangen werden müssen, diejenigen Maßnahmen einzuleiten und wirk— sam durchzuführen, die einen wirklichen Schutz für Leben und Gesund— heit der Arbeiter bieten können. Wenn die wirklichen Urfachen der Katastrophe auf Zeche „Minister Stein“ nicht restlos aufgeklärt werden konnten, so hat das seinen Grund darin, daß die Zeugen, die zweifelsfreie Auskunft geben könnten, im Grabe liegen. Die Unfall⸗ zffern im Ruhrberabau haben sich von 1 Prozent der Belegschaft im Jahre 171 auf 12 Prozent 17234 erhöht bei einer Verminderung der Belegscheft von 52686 272 auf 441 287 Mann. Alle Sicherbeits⸗ maßnahmen bleiben wen ig wirkungsvoll, wenn es nicht auch die Lohn= und Arbeitsverhältnisse den Bergleuten möglich machen, die Unfall— verhütungseinrichtungen und die dazu gehörenden Vorschriften auch wirklich einzuhglten. Bei dem Antreibersystem sind Leben und Gesund⸗ heit stark gefährdet. Im Dezember 1924 ist auf der Ungsückestätte die 1 fache Leistung der Vorkrienszeik erreicht worden Ganz be—⸗ sonders ist darauf hinzuwirken, daß das Recht der Betriebsräte zur Grubenbefahrung zum Zwecke der Unfallverhütung nicht eingeschränkt wird, wie es heute mehrfach geschieht. Der Grundsatz, daß man nicht Berebau treibt, um Gefahren zu bekämpfen, sordern um Kohlen zu fördern, ist in dieser Form unhaltbar, denn damit richtet man nicht nur Menschenleben zugrunde, sondern den Bergbau überhaupt. Die Unfall! und Hinterbliebenenversicherung bedarf einer Reform. Auch in. ( inzelfall muß bei Unfällen eine Besserung der Bezüge herbei eführt werden. Insbesondere wird eine Prüfung dahin notwendig . ob in a n wen mit Schlagwettergefahr ein Verbot der Sch eßarbeit durchgeführt werden kann, ob sich die Einrichtung von Rettungskammern empfiehlt und ob es nicht zweckmäßig wäre, die Preßlurftzuführung in den Gruben unten auf die Sohle zu verlegen. Besonderer Dank gebührt den Rettungsmannschaften. Es wird die Frage zu prüfen sein, ob sie nicht hauptberuflich beschäftigt werden können, damit sie auch vorbeugend und unfallperhütend zu wirken im— stande sind. Auf den Gräbern der getöteten Bergleute miüß eine Förde— rung des Arbeiterschutzes erblühen. .
Abg. Franz⸗Oberschlesien (Soz.) wirft den Deutschnationalen vor, daß sie tro aller schönen Reden gegen eine wirkliche Gruben kontrolle unter Mitbeteiligung der Arbeiter seien (Lacken bei den Deutschnationalen. Mit mitleidigen Worten sei es nicht getan. Es sei empörend, daß z. B. in Oberschlesien ein Bergwerksdirektor den Betriebsräten die Vornahme der Grubenkontrolle verweigert habe. Auch die Vorschriften über die Berieselung vor der Schußabaabe würden nicht ordnungsgemäß beachtet. Ebenso seji es mit den vor— geschriebenen Uehnngen der Rettungsmannschaften bestellt. Das alles hätten amtliche Protofolle festgestellt, der Staatsanwalt aber greife
nicht in solche Gesetzwidrißkesl ten ein. Gire Verschärfung der Pol zen⸗ Adnnngen könne nichts helfen, wenn sie nicht auf die wirklich Schuldigen angewandt würden. Wo gäbe es denn Grubenbesitzer, die
man wirklich bestraft habe? Die Ueberfüllung der Wagen trũge erhebliche Schuld an den Kohlenstauberplosionen. Es sei zu begrüßen, daß der Bergrat Krämer Abgeordneter geworden sei, dadurch sei er wenigstens hei der Grubenkontrolle ausgeschaltet worden. Die Lohnhöhe in Oberschlesien sei skandalös. 80 Prozent von Arbeiterkindern feien dort nach dem Zeugnis des Berliner Oberbürgermeisters Böß tuberkulös. In Oherschlesien gäbe es einen Lohn von 60 bis 70 Mark monatsich (Abg. Dr. Pinkerneil (D. Vp.) schüttelt mit dem Kopf Die An—⸗ nahme der sozialdemokratischen Änträge zur Besserung der Gruben— kontrolle diene auch den Interessen der Bergverwaltungen selbst.
Mittwoch 12 Uhr; Fortsetzung der Aussprache, Kleine Vorlagen, Grundvermögenssteuer, Anträge.
Schluß 6 Uhr 10 Minuten.
Parlamentarische Nachrichten.
Der,. Hau shaltsausschuß des Reichstags heschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung zunächst mit den Beschlüffen des sozial⸗ politischen Ausschüffes zur Zu satzsteigerung für Renlen aus der Invalidenversichérumg. Hierzu lagen drei An— träge vor, Ein Antrag des Abg, Te usch (Gentr.) wollte den bis.
rigen Reichszuschuß um die Hälfte erhöhen, ein Antrag Haas
gden (Dem) wollte den Zuschüß verdoppeln und ein Antrag Hoch (Soz. ihn verdreifachen. Reichsfinanzminster von Schkieben erklaͤrte, laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereing deutscher fete r leaer, daß die Regierung dem geforderten Zuschuß es Reiches in Höhe von 115 Millionen? zugestimmkt habe, wies aber ö hin, daß die finanziellen Schwierigker ten erst mit dem Jahre 1926 wegen der Reparationszahlungen und der ersten Steuerperanlagung für die Einkommenfteuer voll in die Erscheinung treten werden und dann ein erheblicher Fehlbetrag vor— handen sein werde. Deshalb müffe man bei der Beschlußfaffung über dauernde neue Belastungen größte Vorsicht walten lassen. Er empfehle deshalb, die Beratung der Sache auf kurze Zeit auszufetzen. Hierauf wurde diese Frage bis guf Donnerstag zurückgestellt. — Es folgte die Weltlerberatung es Marineetats. Abg. Stücklen (Soz.) berichtete über die Schiffsbauten Und Armierungen, die im Marimne— gaunehglt vorgesehen sind. Abg. Creutz burg (Komm. beantragte die Streiching aller einmaligen Ausgaben für Schiffsneubauten, artilleristische Armierungen und Torpedoarmierungen Er betonte dabei, daß die Kommunisten grundsätzlich die Landesverteidigung nicht ablehnten, porausgesetzt, daß die Arbeiterschaft die politische Macht in Händen habe. Aber die Kommunistische Partei habe kein Intereffe daran den kapitalistischen Stgat zu verteidigen. Abg. Künstler (Soz.) wollte sich nicht zum Amwast irgendwelcher neuen Rüstungen machen, wies aber darauf hin, daß der Sowjetarmee wahrscheinlich ein Bünznis mit. Deutschland sehr angenehm wäre, wenn nur die deutsche, Wehrmacht größer wäre;. Aus diesem Grunde verstehe er die Logik der kommumistischen Ausführungen nicht. Abg. Dr. Haas (Dem.) wies ebenfalls auf die logischen Wedersprüche in den Aus⸗ führungen des kommunistischen Redners hin. Abg. Schöpflin ( Soz.) ragt den Reichswehrminister, welchen Sinn überhaupt das Halten der Flotte habe, die doch viel zu klein sei, um irgendeinen ernfklichen Kampswert zu haben, andererseits aber beträchtliche Mittel zu ihrer Unterhaltung erfordere. Der Chef der Marineleltung dmüiral 8e ner führte demgegenüber aus, daß selbstverständlich die deutsche Marine, nicht in der Lage sei, zu den großen Marinen der arderen Weltmächte in irgendwelche Konkurrenz zu treten. Aber die Marine dürfe, weder den Schiffbau verlernen, noch dürfe die Kunft, mit Schiffen in Verbänden zu fahren, ganz außer Uebung geraten. Trotz⸗ dem soll die deutsche Marine keine Exerzier. und Modell marine sein sondern sie soll die deutsche Küste sichern und die deutsche Reutralitäl berteidigen können sowie eine Repräsentation des Deutfchen Resches in fernen Meeren ausüben können. Abg. Brüninghaus (D. Ww.) wies darauf hin, das die Arbeiter auf den Werften gang anderer An= sicht seien als die kommunistischen Abgeordneten. Diese Werftarbeiter . in einer Resolution ausdrücklich den Reichstga ersucht, die Warihnebauten zu bewilligen, damit sie Arbeit und Lohn behielten Nr Redner beleuchtete dann die riesengroßen Rüstungen der übrigen Mächte, an deren umfangreicken W'ehrbor keis wien sselt 1e, del sähs Bauprogramm unendlich winzig erscheine. Außerdem handle es sich beim Bau des kleinen Kreuzers A lediglich um den Resltbetrag der Baukosten, der doch nun einmal bewilligt werden müsse, nachdem mit dem Schiffsbau seit Jahren begonnen worden sei. Der Ausschuß ge— nehmigte alsdann die Kosten für Schiffsbauten und Armierunnen so⸗ wie für die Bedürfnisse der Werft in Wilhelmshaven, des Arsenals in Kiel, der Artilleriewerwaltung, des Torvedo⸗ und Minenwesens so⸗ wie des Unterkunftswesens usw. und verabschiedete den Marneetat. — Auf Anfrage des Aba. Künst ler (Soz.) wurde zum Schluß noch sestgestellt, daß Großadmiral von Tirpitz als Mitarbeiter des Werkes über die Krienzereignisse zur See keine Akten aus dem Marine und Kriegsarchiv erhalten hätte. Hierauf vertagte sich der Ausschuß auf hente.
Im Reichstag sausschuß für Wohnungswesen war vor einiger Zeit auf Antrag des Vorsitzenden, des demokratischen Abgeordneten Kü l; der Beschluß gefaßt worden, daß der gefamte Ertrag der Hauszinssteuer, die mit mindesteng 2 v. H. der Friedens— miete zu erheben ift, zur Förderung des Wehnumäbaues und zur Wohnungserhaltung berwendet werden soll. Der Ausschuß hat jetzt, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, weiterhin auf Antrag der Abgeordneten Dr. Külz; und Trem mer (Zentz) den weiteren Beschluß gefaßt, die Reichsregierung zu ersuchen, dem Reichstag his spätestens 30. April 19235 Gesetzentwürfe zur Ab⸗ änderung des Reichsmietengesetzes. des Mieterschutzgesetzes und des Wohnungsmarnelgesetzes vorzulegen unter Verwendung der vom Reichswirtschaftsrat am 5. Februar 1925 herausgegebenen Leitsätze und der dem Reichstag sowie dem Aeltestenausschuß zunegangenen Anträge als Material. Der Beschluß wurde mit allen Stimmen gegen die der Sozialdemokraten und Kommunisten gefaßt. Der Ausschuß ging dabei von der Erwägung aus, daß es Sache der Regierung sein müsse, die Führung und die Initigtibe guf diesen bedeutsamen gesetzgeberischen Gebieten zu ergreifen und dem Reichstag die Möglichkeit zu geben, an Hand ganz bestimmter konkreter gesetzgeberischer Vorschläge seine Stellungnahme zu den einzelnen Problemen zu bekunden. Der Aus⸗ schuß war der Ueberzeugung., daß auf diese Weise am ehesten positive Ergebnisse erzielt werden würden. Reichstagsausschuß für Verkehrs- angelegenheiten beschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung mit dem Gisenbahnerstrenk. .
Reichsberkehrsminister Dr. Krohne gab einleitende Er⸗ klärungen über Anlaß und Lage des Streiks, die von den nach— folgenden Rednern ergänzt wurden.
Dem Nachrichtenbürs des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge gab zunächst der Ministerialdirektor Vogel auf Grund von Erklärungen der e , über die Lohnbewegung bei der Reichsbahn die folgenden Aufschlüsse: Die am Lohntarifvertrag 6 die Arbeiter der Reichsbahn beteiligten Gewerkschaften haben die Lohn- und Arbeitszeitparagraphen des Lohntarifvertrags zum 1. März d. J. gekündigt. Se forderten hinsichtlich der Entlohnung mit Rück⸗ sicht auf das ungenügende Lohnein kommen eine allgemeine Lohn⸗ erhöhung (genau bestimmte Forderungen sind nicht gestellt worden) und quf dem Gebiete der Arbeltszeit grundsätzlich den 8Stundentag — insbesondere für das Betriebs- und Verkehrspersonal — ohne Minde—⸗ rung des jetzigen Lohneinkommens. Ferner verlangten sie eine all— gemeine Nachprüfung der Dienstdauervorschriften unter sehr weit- gehenden Forderungen zugunsten des Personals. Die Deutsche Reichs—⸗ bahngesellschaft hat in der Lohnfrage den Standpunkt eingenommen, daß eine allgemeine Erhöhung der Löhne zurzeit nicht in Frage kommen könne. Sie hat ndesfen ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, . die Lohnberhältnisse an solchen Orten nachzuprüfen, an denen We Löhne der Reichsbahngrbeiter zu denen der vergleichbaren Industriearbeiter in einem offensichtlichen Mißverhältnis stehen, wie z. B im Wirtschaftsgebiet Berlin Hamburg und an einzelnen Stellen in Sachsen, mit dem Ziel der Erhöhung bereits bestehender oder der Einführung neuer Ortslohnzulagen. In der Arbeitszeitfrage wurde den Gewerkschaften gegenüber der Standpunkt vertreten, daß zurzeit eine Aenderung der gegenwärtigen Arbeitszeitregelung nicht
Der K
vorgenommen werden könne. Nach eingehenden Verhandlungen er⸗ klärte die Deutsche Re r daher rf, am 7. März d. J. den Gewerkschaften erstens, daß sie bereit sei, über eine Erhöhung der Ortslohnzulagen ab 1. März d. J. zu verhandeln und im letzten Drittel des Monats März die Frage elner allgemeinen Lohnerhöhung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Verhältnisse erneut mit den Ge werkschaften zu prüfen. Zweitens, daß sie damit einverftanden sei, daß eine gemeinschaftliche Fommission zur Beratung etwa bestehender Härten in der Dienstdauer eingesetzt wird. Darauf gaben die Ge— werkschaften folgende Erklärung ab: „Die Gewerkschaften sind nächt in der Lage, diesen Vorschlag anzunehmen, und müssen ihn zu ihrem Bedauern ablehnen. Wenn die Verwaltung andere Vorschläge nicht zu machen hat, dann betrachten die Gewerkschaften die Verhandlungen
als ergebnislos.“ — Ministerialdirektor Guthrod: Am Dienstag,
den 24. Februar d. J sind rund 4) Arbeiter der Eilgutabfertigung deipzig Magdeburg Thüringer Bahnhof und der Umladestelle Wahren wegen Verzögerung der Lohnverhandlungen in den Streik getreten. Nachdem Gegenmaßnghmen ergriffen waren, wurde die Urbest am Mittwoch, den 25. Februar d. J., Mittags wieder auf⸗ gengmmen mit der Erklärung, daß die Arbeit Donnerstag, den 5. März d. J. wieder niedergelegt werden würde wenn nicht bis dahin eine Entscheidung bei den schwebenden Lohnberhandlungen ge⸗ troffen sei. Von Maßregelungen der Streikenden ist abgesehen worden. Da die mit den Gewerkschaften von der Reichsbahngesell⸗ schaft in Berlin geführten Verhandlungen, die noch andauern, bis zu dem bezeichneten Tage nicht abgeschlossen waren, traten die Güter— bodenarbeiter der gengnunten Dienststellen und zugleich mit ihnen die⸗ lenigen der Güterabfertigungen Leipzig⸗Dresdner und Bayerischer Bahnhof sowie eig. High am 4. März d, J. in Ausstand. Infolge des sefortigen Einsatzes der Personalbetriebshilfe kehrte ein Teil der Streikenden zur Arbenrt zurück. Den übrigen Arbeitern wurde rist zur Wiederaufnahme der Arbeit auf nachmittag 2 Uhr gestellt. Diese Fristsetzung war ohne Erfolg. Der Streik dehnte sich sofort auf die Rangierbahnhöfe zu Chemnitz und Dresden aus und sprang von da aus über auf die Verkehrsstraße von Sachsen, nach dem Osten in, Richtung Breslau, und zwar guf die Bahnhöfe Kohlfurth und Görlitz und ugch Norden in der Richtung Berlin, wo die Rangier— bahnhöfe des Anhalter, des Hamburger und des Schlesischen Bahnhofs in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auch nach Westdeutschland, in den Bezirk der Direktion Elberfeld und ins beseßzte Gebiet drohte eine Zeitlang der Streik hinüberzugreifen, doch nehmen die Arbe ter im Direktionsbezirk Elberfeld zunächst eine abwartende Haltung ein, während eine Ausdehnung ins besetzte Gebiet durch die Interalliierte Kommission unterbunden worden ist, die den Gewerkschaflen gegen⸗ über nachdrücklich betont hat, daß sie einen Streik unter allen Üm— ständen verbieten würde und die Arbeiterschaft vor den Folgen warne. Durch den Streik ist ausschließlich der Güter— verkehr betroffen, dagegen ist der Personen⸗ und Ezpreß⸗ verkehr nicht beeinflußt worden. Demgemäß sind am Streik in der Hauptsache Güterboden-⸗ und Ranqierarbeiter beteil: in geringem Umfange Lokomotipbehandlungspersonal und Arb Bahnbetriebswerkstätten sowie Bahnunterhaltungsarbeiker. Als satz für die Streikenden werden außer dem Beamtenpersonal willige Arbeiter, Wartegeldempfänger, Ruhestandsbeamte, neu gestellte Arbeiter und AÄngehörige der Personalbetriebshilfe verwendet. Von dem Einsatz der „Teno“ konnte bisher abgesehen werden. Eine erhebliche Erschwerung im Güterverkehr ist bisher nicht eingetreten, die Rangierbahnhöfe arbeiten zu eiwa zwei Drittel ihrer alten Leistungsfähigkeit. Seit gestern ist der Streik im Abflauen begriffen. In Berlin sind etwa 130 Mann zur Arbeit zurückgekehrt. — Nach den Ausführungen der Abg. Koch (D. Nat., Bender (Soz.) und Koenen (Komm) teilt Staatssekretär Geib vom Reichsarbeits— ministerium mit, daß das Reichsarbeitsministerium bereits zu einer Vorbesprechung über die Frage der Einleitung eines Schlichtungs— verfahrens eingeladen hat; diese Einladung war zunächst für Mitt— woch ergangen, der Termin ist aber auf Wunsch der Gewerkschaften auf ghnner tag vertagt worden — Hierauf geht folgender Antrag Dr. Most (D. Vp.) ein: Nachdem der Vertreter des Reichs⸗ arbeitsministers die Erklärung abgegeben hat, daß der Reichsarbeits= minister in der Frage des Eisenbahnerstreiks bereits in Tätigkeit ge—⸗ treten ist, vertagt der Ausschuß die Weiterberatung der Angelegen— heit. bis das Ergehnis der Schritte des Ren bearbeite ministers u Kere , ,. iche ere r ie, , . r ehh dẽß Pir er chnerl fh. n den verantwortlichen Minister erblickt. Er hat aber auch zu überlegen, was ihm eigentlich zu tun möglich sei. Gewiß habe er ein Aufsichtsrecht, insbesondere darüber, daß der Betrieb der Reichsbahn zufriedenstellend geführt werde. Aber, wenn er Lohnerhöhungen verlangen wollte, würde die Frage gleich auf das Problem der wirtschaftlichen Tragbarkeit geschohen, das letzten Endes vom Verwaltungsrat der Reichsbahn zu lösen sei. Jedenfalls sei es ganz irrig, wenn behguptet werde. daß das Reichsverkehrs« ministerium sich um die Entwicklung der Lohnstreitigkeiten der Reichsbahn nicht gekümmert hätte. Es diene doch der Sache gar nicht, wenn vom Reichsverkehrsminister Lohnerhöhungen verlangt und Tariferhöhungen abgelehnt werden würden, und es dann darüber zum Streit vor dem besonderen Gericht, das das Reichsbahngesetz vorsieht,
käme. Dem Reichsverkehrsminister sei auch insbesondere Untätigkeit in bezug auf die Werkstättenschließung vorgeworfen worden. Aber er bitte doch zu bedenken, daß er nach dem Gesetz keine Handhabe be⸗ sitze, dagegen einzuschreiten Er habe das schon im Plenum des Reichstages gesagt und dabei erklärt, daß er trotzdem die Sache für so wichtig halte, daß er sich mit der Reichsbahngesellschaff darüber ins Benehmen setzen würde. Das habe er getan. Er müsse sich aber dagegen wehren, daß gegen ihn Angriffe wegen Untätigkeit gerichtet würzen. obwohl man doch wisse, daß das Gesetz die Befugnisse der reichsreg rung gegenüber der Reichsbahngesellschaft stark beschränkt habe. — Ministerialdirektor Gutbrod (Reichsberkehrsministerium) legte dar, daß der Tarifvertrag erft am 31. Januar zum 1. März ge⸗ kündigt worden sei., und daß bas Reichsverkehrsministerium sich selt⸗= dem ständig mit der Hauptverwaltung der Reichsbahn über den Gang der Lonhverhandlungen in Verbindung gehalten habe. Hierauf wurde der Antrag Mo st (D. Vp.) im Verfolg eines An trages Fischbeck (Dem.) in der Form angenommen, daß der Ausschuß von der Er⸗ klärung des Vertreters des Reichsarbeitsministers, nach welcher der Reichsarbeitsminister in der Frage des Eisenbahnerstrelks bereits in Tätigkeit getreten ist, mit Befriedigung Kenntnis nimmt und er⸗ wartet, daß der Reichsarbeitsminister auch weiterhin alleß ihm Mög liche zur Beilegung des Streiks tun wird. Der Ausschuß vertagte die weitere Besprechung der Angelegenheit, bis das Ergebnis der Schritte des Reichsarbeitsministers zu übersehen ist.
Der Reichstagsausschuß zur Unter uch ung der Ursachen Les deutschen Zusammenbruchs bon 1918 (Vors. Dr. Philipp) hatte dem Thef der Operationeabteilung der früheren Obersten Heeresleitung, jetzigen Generalmajor im Reichs⸗ wehrministerium Wetzel, die in der Presse öfter erwähnten Gut— achten der Herren von Kuhl, Schwertfeger und Delbrück samt den Ver— handlungsstenogrammen des Ausschusses zur Kenntnis gebracht, und Generalmajor Wetzell hatte sich in einem Schriftsatz zu diesem Mate⸗ rial geäußert. Der Ausschuß trat gestern, wie das Nachrichtenbü des Vereins deutscher Zeitungsverleger berichtet, zur Ausspra diesen Schriftsotz in Gegenwart der Sachberftändigen und des majors Wetzell zufammen. Berichterstat
1 1
. . den Abschluß d — einhalten zu können, worauf alsbald die Veröffentlichung de
teils schon gedruckten Materials erfolgt.
Grundrente. Der Regierungs- vertreter stellte in Aussicht, daß die Regierung bereit sei, mit dem Reichstag in Verhandlungen einzutreten, aus denen eine ab⸗ schließende Ordnung der ganzen Frage erzielt werden könne.
— Im Volkswirtschaftlichen Ausschuß des Reichstags wurde gestern die Regierungsvorlage über einen Gesetzentwurf, der eine allgemeine Volks“. Berufs und Betrieb szählung für das Jahr 1925 vorsieht, ver— abschiedet. Die Vorlage der Regierung wurde ohne wesentliche Aende⸗ rungen angenommen. In der Begründung des Gesetzentwurfs über eine allgemeine Volkszählung wird mitgeteilt, daß seit dem 1. De⸗ zember 1919 keine allgemeine Volkszählung in Deutschland mehr statt⸗ gefunden hätte. Nach dem Vorschlage der Regierung würde die Volks zählung im Juni dieses Jahres stattfinden und dabei inbesondere die Vermönensverschiebungen und Betriebänderungen statistisch zu er⸗ fassen suchen. Angenommen wurde ein Antrag. die Zählung am
,, 116 wurde
— Im Bildungsausschuß des Reichstags gestern die Grundschulfrage zum Abschluß gebracht. An- genommen wurde ein vereinigter Antrag der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei und des Zentrums, der einen Gesetzentwurf betreffs Dauer der Grundschule enhält. Im wesentlichen wird darin bestimmt, daß besonders leistungsfähige Schüler bereits nach drei Jahren zur Serta überzugehen berechtigt sind Gegen den Entwurf stimmten die Sozialdemokraten und die Kommunisten. Die neue Regelung wird Ostern 1335 bereits in Mecklenburg, Württemberg, Baden und Bayern eingeführt werden können; die übrigen Länder werden am 19. März in einer Konferenz weilere Maßnahmen be— schließen, um se bald als möalich nach dem Antrage des Aasschusses in der Grundschulfrage zu verfahren.
Getreidevreise a
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deu lt schen Börsen
8 é. und Fruchtmärtten in der Woche vom 1 bis 7. März 1925.
In Reichsmart für 50 k.
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Wöchentliche *)
Zahl am
Gerste
Notierungen Roggen
Somuer Winter⸗ Brau ⸗F Futter⸗
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I Großhandelseinkfäpr. ab fränk. Stat. . ab märk Stat. (Gerste: ab Station) ... ab Bremen oder Unterweserhafen. .... ab schles. Verladestationen J frei Chemnitz in Ladungen von 200 — 300 3Ztr. Großhandels verkautspreise waggonfr. Dortmund , , waggonjr jächs. Versandstat. bei Bez. v. mind. 10 t frei Waggon Duisburg . . waggontt. Erfurt od. Nachbarvollbahnstat. o. Sack rei Essen . . , Fiachtparität Frankf. a. M. ohne Sack ?.. bei Waggonbez. ab ostthür. Verladestationen ab Gleiwitz ohne Sack . ; ab inl Station einschl. Vorpommern. Gew Mt ei Hambunmnmn⸗ La Plata eif Hamburg .. ab hannoversche Stationen J Frachtparität Karlsruhe ohne Sack... ab Station b. waggonw. Bezug ohne Sack bezw. ab Holstein J . ihn ,,,, . I GJ b. Lad v. 00 Ztr i. Bez Magdeb je nach Lage d. Stat. Großhandelseinstandspi. loko HV. waggonsrei Mannheim ohne Sack. . ab jüdbayer. Verladestat., waggonwelse ohne Sack ab Station ohne Sack J ö Güroßhandelspreis ab vogtländischen Stationen ab nahegelegener Stat. ohne Sack ... Großhandelspreis ab württembg. Station .. Worms.. bahnfrei Worms. JJ Würzburg . Großhandelseinkaufspreis ab fränk. Station .. Anmerkungen * Wo mehrere Angaben verlagen, Futtergerste. — *) Rheinischer 1025. — 3) Western Rye II. ) Roggen und Weizen je J, Gerste 2 und Hafer h. Notierungen. Berlin, den 11. März 19285.
Aachen. Bamberg Berlin. Bremen. Breslau. Chemnitz Dortmund.
Dresden.. Duisburg. ,,, . Frankfurt a. M. Gera . Gleiwitz. Hamburg
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Hannover Karlsruhe 89
ö Königsberg i. Leipzig. Magdeburg Mom; Mannheim München. Nürnberg Plauen Stettin Stuttgart.
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11, S0 * 11.75 1450 / 1256 — 1287 1,24)
13 oa : 13. z 11.90 1335359 ; 1420 zd
11.75 ? 12.25 13.20 3.2 13,50 1290 216 12,25) 13.25 ? 15, 13 12 00 1 1225 11.88 ; 13 387
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sind aus diesen Durchschnitte gebildet worden. — ). Wmüer, und
4 Manitoba J. — 5) Rosass. — 6 Torddeutscher 11,69. — Statistisches Reichsamt. Wagem ann.