Bescheid über die Zulassung von Hündmttteln.
Dis Zündmittel Aluminium-Brista-⸗Sprengtapsel (Brisanztapsel) Nr. 7 der Rheinisch⸗Westfälischen Spyreng⸗ stoff⸗Aktien⸗(esellschaft in Köln wird hiermit sür den Bezirk des unterzeichneten Oberbergamts zum Gebrauch in den der Aufsicht der Berabehörden unterstehenden Betrieben zugelassen:
A. Nähere Mertmale des Zündmittel -.
1. Herstellende Firma: Rheinisch. Westfälische Sprengstoff⸗Aktien⸗ Gesellschaft
2 Sitz der Firma: Köln a. Rhein:
3. Herstellungsort Fabrik in Troisdorf;
4 Bezeichnung des Zündmütels: Aluminium-Briska⸗Spreng—⸗ kapsel (Brisanzkapsel) Nr 7;
b. Beschaffenheit: Spiengkapsel mit Hülse aus Aluminium von 38.5 mm Länge und Ho mm äußerem Duichmesser und kegel— förmigem Eindruck am Boden; Primärladung aus Bleiazid— WBleitrinitrorejorzinat⸗-Gemisch; Sefundärladung aus Tetiyl; ge⸗ lochtes Innenhütchen aus Aluminium zum Abdecken) der Ladung; Leerraum der Kavsel von 17 mm Länge—
Bk Ver wendungsbereich: Gesamter Bergbau des Oberbergamtsbezirltz Dortmund. Dortmund, den 4. März 1925. Preußisches Oberbergamt. Overthun.
Nichtamtliches. Dentsches Reich.
. Der Königlich schwedische Gesandte Freiherr Ramel hat Nerlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Legationtzrat Freiherr Kos kull die Geschäste der Gesandtschaft.
Der chilenische Gesandte Irarrazaval ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.
Preußen.
Am R. März starb an den Folgen eines im Januar d. Is. erlittenen Unfalls der Ministerialrat im preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe Geh. Oberregierungsrat Heinrich Ehrenhold Schulze im Alter von 565 Jahren. Der Verstorbene war 1894 als Regierungsreferendar in den preußischen Verwaltungsdienst eingetreten und nach be⸗ standenem Assesso rexamen in verschiedenen amtlichen Stellungen, beim Polizeipräsidium in Magdeburg, beim Landratsami Glogau, als landrätlicher Hilfsbeamter in Neuhautz a. d. Elbe sowie bei den Regierungen in Minden und Bromberg, tätig. Im Jahre 1911 wurde Schulze, der 1906 zum Regierungsrat befördert werden war, in das Ministerium für Handel und Gewerhe einberufen, um hier die Bearbeitung der Fach- und Forthildungsschulen für die weibliche Jugend und der Textil— sachschulen zu übernehmen. Im Kriege wurde Schulze, der 1912 zum Vortragenden Rat und 1916 zum Geheimen Ober— TLegierungsrat befördert wurde, neben seinem Referate im Ministerium zeitweise die Leitung der Reichszuckerstelle über— tragen. Vom 1. November 1923 bis zum 1. Dezember 1923 war er aus dem preußischen Dienste beurlaubt, um als Reichsbevollmächtigter die Außenhandelsstelle für Textilwirt— schaft zu leiten. Nach Beendigung dieses Urlaubs übernahm er im Ministerium die Angelegenheiten des Handwerks. In allen amtlichen Stellungen ist Schulze mit großer Sachkunde und unermüdlichem Eifer tätig gewesen, die 3 Frische und Beweglichteit seines Wesens ermöglichte es ihm, den verschieden⸗ artigsten Aufgaben des Verwaltungsbienstes gerecht zu werden. Seine Liebenswürdigkeit und nie versagende Hilfsbereitschaft sichern ihm ein ehrendes Andenken bei allen seinen Mitarbeitern.
Deutscher Reichstag. 34. Sitzung vom 11. März 1925, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger ).)
Am Regierungstisch: Reichsjustizminister Dr. Frenken.
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Minuten. .
Der Gesetzentwurf des Abgeordneten Be . (D. Nat.) über die Aufwertung aller Geldschulben wird dem guafwerti lun dari hn überwiesen.
Auf, der Tagesordnung steht dann der Antrag Koch⸗ Weser (Dem.) Dittmann (Soz) und v. Gu srard hen) über die Vorbereitungen zur Wahl des
teichspräsidenten. U. a. wird ein amtlicher Stimm⸗ zettel gefordert.
Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) beantragt Ueberweisung des Antrags an den Rechtsausschuß.
Abg. Ku be (Nat. Soz) spricht bei großer Unruhe der Mittel⸗ parteien ironisch von der glorreichen Weimarer Verfassung, die von ihren geistigen Vätern dauernd durchlöchert werde, nun auch wieder mit diesem Antrage. Man will die Wahl des Reichspräsidenten allein in die Hände der Parteien legen; das . der demo⸗ ktratischen Verfassung, da dabei wertvolle Teile bes Volkes nicht gehört werden, wie der Jungdeutsche Orden und der Frontbann (lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten). Die sind wert— voller als Sie. (Präsident Löbe ruft den Redner zur Ordnung.) Der Antrag verlangt . Stimmen für einen Wahlvor— hin Dann ö Sie lieber die ganze Weimarer Verfassung ab⸗ chaffen. (Große Unruhe links. Auch die christlichen Gewerk— chaften werden hier entrechtet. Es c hier nicht um den Kuh⸗
andel unter den Parteien, sondern um das Wohl des Volkes. Wir ehnen das Gesetz ab.
Spiel mit der Demokratie ein Ende deutet eine Aenderung der Verfassung. soziglisten; ironische Rufe links: Heil)
Präsident Löbe bemerkt, daß eine Verfassungsänderung, die einer qualifizierten Mehrheit bedürfe, nicht vorliege.
Abg. Dittmann (Soz. führt aus, daß die Antragsteller erade auf alle Parteien Rücksicht genommen hätten, die bei den etzten Wahlen mehr als fünshunderttausend Stimmen erhalten hätten; darunter fielen auch die Deutschvölkischen.
Damit schließt die erste Beratung. Nach der Annahme des Gesetzentwurfs in zweiter Beratung wird dieser aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen an den Rechtsausschuß überwiesen, der ihn am Donnerstag Vormittag erledigen soll.
Darauf wird die gestern abgebrochene Beratung des Haushalts des Reichssustizministeriums fortgesetzt. .
) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden
Es wird die rr kommen, wo dieses ganze
inden wird. Das Gesetz be⸗ (Beifall bei den National⸗
Abg. Schulte (Zentr), Breslau: Der Abgeordnete Korsch hat gestern nicht einen objektiven Bericht erstattet, sondern eine harteipolitische Rede gehalten und hat sich auch durch wiederholte Mahnungen des Präsidenten nicht davon abbringen lassen. Das Haus hat Anspruch auf eine objektive Berichterstattung über die Aussch ßoerhandlungen, und wir protestieren aufs schärfste gegen solche Vorgänge. Der Abgeordnete Korsch scheint mir auch nicht geeignet, über die Objektivität des Richterstandes zu urteilen. Dle Fustizreform des Ministers Emminger hat nichts Neues gebracht, sondern nur die Forderungen erfüllt, die seit langem in der Juxristenwelt erhoben wurden und die auch im Rechtsausschuß des Reichstags beschlossen waren. Leider hat diese Reform die lange Dauer der Zivilprozesse nicht genügend beschneiden können. Ein Fortschritt ist die stärkere Heranziehung des Laienelements im Strasprozeß; dies wurde schon vor langen Jahren von den Zentrums— männern Reichensperger und Rintelen verlangt. Wir freuen uns, daß der neue Entwurf des Strafgesetzbuchs im Zusammenarbeiten mit Oesterreich zustandegekommen ist und daß das stammperwandte Oesterreich auch an der Begründung mitgewirkt hat. Erfreulich ist ferner, daß Mittel für die Ausbildung von Juristen im Auslande ausgeworfen sind. So können unsere Juristen die fremde Gesetz« gebung kennen lernen, und das kann dem wirtschaftlichen Verkehr mit dem Auslande nach dem Dawes⸗Abkommen besonders dienlich werden. Im einzelnen bemerke ich zum Etat, daß es eine alte Forderung ist, daß das Reichspatentamt sich aus den Gebühren selbst erhalten soll. Nun hatz aber bas Patentamt hohe Ueberschüsse erztelt, für 1925 find die Gebühreneinnahmen auf 10 Millionen veranschlagt. Der Ueber— schuß kann ja der Justizverwaltung erwünscht sein, aber es fragt sich
doch, ob das Patentamt die geeignete Stelle ist, wo Ueberschüsse erzielt werden müssen. Unsere Erfinder und unsere Industrie müssen konkurrenzfähig bleiben, aber die hohen Gebühren verhindern vielfach die Ausnutzung von Erfindungen oder die Erfinder müssen sich in Schulden stürzen Wir wünschen, daß die Gebührenfrage ernstlich geprüft und die Gebühren herabgesetzt werden. Die Beschäftigung des Patentamts hat sich ständig gehoben, deshalb müßte diesem Amt auch eine gehobene Stellung eingeräumt werden. Aus einer miß— verstandenen Aeußerung meines Freundes Wegmann im Ausschuß hat man gefolgert, daß das Zentrum für die Aufhebung des Repubkik— schutzgesetzes sei. Herr Wegmann hat aber nur gesagt, wenn die Ver⸗ hältnisse sich ändern, werde er prüfen, ob der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik aufgehoben werden kann. Wir sind derselben Meinung, daß das Republikschutzgesetz ein Ausnahmegesetz ist, das beseitigt werden kann, wenn die Integrität der Republik gesichert ist. Für das Reichsgericht ist der Staatsgerichtshof eine unangenehme Belastung, die aber getragen wird, solange es nötig ist. Manche Urteile scheinen eine Objektivität der Richter vermissen zu lassen und müssen scharf kritisierk werden, daß aber der Reichstag dazu das geeignete Forum ist, um solche Dinge agitatorisch zu verwerten, kann ich nicht finden (3Zustimmung). Dadurch wird immer der Anschein erweckt, als könnten solche einzelnen Fälle verallgemeinert werben. Solche Fälle von mangelnder Objektivität sollten dagegen der Justiz⸗ verwaltung zur Kenntnis gebracht werden. Am meisten werden Enk— gleisungen von den Richtern selbst verurteilt. Aber die Richter sollten auch außerhalb ihrer forensischen Tätigkeit eine partei⸗ politische Stellungnahme möglichst vermeiden. Die Kritik des Vor— Iitzenden des republikanischen Richterbundes, Dr. Kroner, an dem Magdeburger Urteil — mag sie auch berechtigt gewesen sein — war leider, ausgeartet. Allerdings, wenn Landgerichtsdireklor Bewersdorf wirklich die Aeußerung getan haben sollte: „Der Sattlergeselle muß herunter“, se wäre das aufs äußerste zu verurteilen. Wir bedauern es aufs lebhafteste, daß man die Erleichterung der Ehescheidungen und Beseitigung der Aktreibungsstrafen erstrebt. Die Ehescheidung mit gegenseitiger Einwilligung hat früher bestanden. Wir haben aber damit schlechte Erfahrungen gemacht, und das Bürgerlsche Gesetz⸗ buch hat deshalb das Moment des Verschuldens als Voraussetzung der Ehescheidung vorgesehen Die Bischofskonferenz von 1921 hat in einem Schreiben an den Reichstag dringend darum gebeten, von jeder Erleichterung der Ehescheidung abzusehen, und zwar nicht allein aus christlichdogmatischen Gründen, sondern weiht die Ehe die Grundlage unseres ganzen Lebens ist. Allen christlichen Kreifen ist diese Frage eine Herzenssache. In Preußen betrug die Zahl der Ghescheidungen im Jahre 1590 noch nicht 4060 und stseg dann 1900 auf 5000, 195 auf 7000, 1913 auf 116090, 1919 auf 13 000 und dann in zwei Jahren bis 1921 auf das Doppelte, auf 25 000. Sozialdemokraten und Kommunisten beantragen die Aufhebung der Strafen für die Abtreibung. Das sieht ja so aus, als hätte das deutsche Volk gar kein Interesse mehr an der eigenen Erhaltung. Die Fälle, in welchen der Arzt die Abtreibung aus medizinischen Gründen vornehmen muß, sind sehr selten. Auch die Zahl der Be⸗ strafungen wegen Abtreibungen ist erschreckend gestiegen, sie betrug in Preußen im Jahre 1916 1164 und ist 1971 auf 4248 gestiegen; daneben kamen 160 Bestrafungen wegen Beihilfe vor, Und dabei muß man bedenken, daß weit mehr Fälle vorkommen, die nicht zur Kenntnis gelangen. (Ruf von den Kömmunisten: So ist die Not ne— stiegen Gewiß, die Not spielt auch da eine Rolle, aber gegen die
Not müssen andere Mittel helfen, z. B. die Beseitigung der Woh⸗ nungsnot. (Wiederholte Zwischenrufe der Kommunisten. Durch die Abtreibung wird die Gesundheit und die Seele des Wesbes ver⸗ nichtet und die Wurzel unseres Volkes untergraben. Wir werden diese Anträge auf das schärfste bekämpfen und hoffen darin auch auf Unterstützung durch andere Parteien. (Beifall im Zentrum) Abg. Dr. Kahl (D. Vp) schließt sich der Verwahrung gegen die Berichterstattung des Abg. Dr. . Wir . . in Zulunft Berichte, die nicht aufklären, sondern entstellen. Es muß alles zurückgestellt werden, um die erschütterte Autorität des Rechts im deutschen Volke wiederherzustellen. Das kann nicht durch Gesetz reform geschehen, sondern es muß eine Gesinnungsreform vorausgehen. Besonders in der Aufwertungsfrage herrscht große Rechtsunsicherheit. Ich bekenne mich als gundsätzlicher Anhänger einer Aufwertung innerhalb der Grenzen des Möglichen. Aber ungeheuer schädl ich ist die Agitation, die es so darstellt. als ob eine Böswilligkeit des Reiches oder Staates vorliegt. Wir nehmen keinen Mißgriff der Rechtssprechung in Schutz. Wir wenden uns aber auch hier gegen die einseitige Kritik oder politische Aus⸗ schlachtung. Unendlich höher als das Einzelinteresse muß auch in der Rechtspflege das Allgemeininteresse stehen. Hier und da werden sich Härten nicht vermeiden lassen. Auch wir halten es juristisch für untragbar, daß Verteidigern gegenüber das Hauzrecht geltend gemacht wird. Man darf aber wegen eines Einzelfalles nicht immer die Rechtssprechung als Ganzes angreifen. Dasselbe gilt . die Kritik richterlicher Urteile. Zweifellos sind befremdliche Irteile ergangen. Sachliche Kritik muß immer frei sein und ist auch kein Eingriff in ein Verfahren. Viel eher bedeuten die Arbeiten der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse einen solchen Eingriff. Kein wahres Wort ist an der Behauptung des Berichterstatters, daß im Ausschuß alle Parteien gegen die Partei— lichkeit der ir gen Richter Stellung genommen hätten. Heraus mit parteipolitischen Maßstäben, sowohl aus richterlichen Urteilen wie aus der Kritik! Wir fordern wieder Achtung bor dem deutschen Richtertum. Bedauerlich ist die Scheidung der Richter durch den republikanischen Richterbund. Die Staatsform hat mit der richter— lichen Tätigkeit in keinem Falle etwas zu tun. Ueberhaupt ist die fortwährende Gegenüberstellung von Republikanern und Monarchisten nicht nur eine Unwahrheit, sondern ein nationales Unglück. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Diese Scheidung deckt sich nicht im geringsten mit der Wahrheit, sie vergiftet unser öffent⸗ liches Leben. (Zuruse der Komm) Sie (zu den Komm.) schimpfen dauernd auf die Verfassung, genießen aber ihre Wohltaten. Der Kommunismus ist der Todfeind des Staates und der Reichs— autorität, er muß darum mit allen Mitteln bekämpft werden. (Lärm bei den Komm.) Wenn in der Frage des Staatsgerichts⸗ hofs einige Parteien eine andere Stellung eingenommen haben als früher, so liegt das daran, daß man in der Zwischenzeit die Erfahrung gemacht hat, daß Mängel, die im Staatsgerichtshof hervorgetreten sind, auf das völlig unpolitische Reichsgericht abfärben. In der Amnestiesrage müssen sümwerwiegende Konflikte
der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
mit den Ländern vermieden werden. Größte Zurückhaltung ist
hier notwendig, besonders angesichts der Haltung der Kommunisten! Die Stra rechte re sorm ist zu begrüßen Wir erwarten, daß der ä . Beratungen darüber bald abschließt. Ein Gewinn für das Volk wird sie aber nur sein, wenn m Strafvollzug die richtige Mischung von Ernst und Menschlichkeit gefunden wird, . ein großzügiger Ausbau des Sicherungsgedankens gegen Rücksall erfolgt. Für den Strafrichter muß der beste Richter gerade gut genug sein. Zu lösen ist auch das große Problem der Verbrechens verhütung. Schon mit der Zucht im Hause, in der Werkstatt, in der Schule muß begonnen werden. Notwendig ist , die Pflege der Vaterlandsliebe zur Vermeidung des 1 chens von Hoch- und Landesverrat. Ohne Erfüllung dieser Forderungen werden die Erwartungen aus der Strafrechtsrefo rm enttäuscht werden. Der Teilreformen will man sich nach Möglich⸗ leit enthalten. Auch der sozialdemokratische Antrag über? den Landes verratsparagraphen sollte zurückgestellt werden. Abg. Levi Hatz ron einer Landesverrats seuche gesprochen Wer sind denn die Träger dieser Seuche? Etwa die Richter? Nach meiner Meinung die Landesverräter selber. Verwahrung muß ich einlegen gegen die Auffassung des Zentrumsredners, daß jede Sittlichkeit und staatspolitische Gesi mung sich gegen die Resorm der Ehescheidung . müsse, In dieser Frage gilt es, den klaffenden Riß zwischen Recht und Leben zu schließen. Eine Vermehrung der Ehescheidungen würde wahrscheinlich durch eine Resorm nach Ablauf der erften Jahre nicht eintreten. Das zeigen die Beispiele anderer Länder. Was wir jetzt in Deutschland auf diesem Gebiete beobachten, sind ner allem Reaktionen der Kriegsjahre. Ich werde im Ausschuß den Standpunkt einer gemäßigten Reform des Ehescheidungsrechts vertreten. Wir haben zum Justizminister das Vertrauen, daß er den richtigen Weg verfolgt. Wir richten aber den Appell, Achtung vor dem Recht zu haben, an alle deutschen Volksgenossen. GBeifant bei der D. Vp.)
Reichsminister der Justiz Dr. Frenken: Meine sehr ver⸗ ehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich meinem Herrn Vor⸗ redner für den Schlußappell, den er an alle, die es angeht, gerichtet hat. Der Herr Vorredner hat mit Recht hervorgehoben, daß die Besprechung des Justizetats, ich möchte sagen, dazu verurteilt ist, sich auf Besprechung von Einzelfragen zu erstrecken. Große Fragen allgemeiner Art treten kaum hervor. So bin auch ich in die Not⸗ wendigkeit versetzt, auf die Einzelfragen, die hier zur Erörterung gekommen sind, näher einzugehen.
Der Herr Abgeordnete Levi hat sehr herbe Kritik an den Justiz⸗ reformen geübt, die man gemeinhin als Emmingersche Reformen bezeichnet. Er hat sogar von einer Verstopfung des Zivilprozesses gesprochen. Ja, jede Teilreform wird Mängel an sich tragen. Aber daß Erfahrungen gemacht worden seien, die zu einer solchen Kritik berechtigten, ist nicht zu unserer Kenntnis gekommen. Die Zeit ist auch noch viel zu kurz, als daß man ein abschließendes Urteil fällen könnte. Ich darf weiter hervorheben, daß schon seit geraumer Zeit eine Kommission tätig ist, die die Aufgabe hat, das ganze Zivil⸗ prozeßrecht neu zu regeln. Da wäre es doch sehr merkwürdig, wenn man nach so kurzer Zeit abermals eine die frühere Reform vielleicht abändernde Teilreform vornehmen wollte. Das wäre ein Weg, den Sie wohl alle nicht für gangbar halten.
Dasselbe gilt von den Emmingerschen Reformen auf dem Gebiete des Strafprozeßrechts. Da ist die Kritik nicht so herb ausgefallen; aber immerhin sind Bemängelungen vorgebracht worden, die meines Erachtens nicht die Erfahrungen zur Grundlage haben, die nötig wären, wenn man zu einer Verurteilung kommen wollte. Auch hier muß man sich die Sache erst einmal einleben lassen. Wenn es zu einer Reform des Strafrechts kommt, wenn ein Einführungs⸗ gesetz zum Strafgesetzbuch geschaffen wird und eine Abänderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgenommen wird, was vielleicht not⸗ wendig sein wird, dann wird man mit der Prüfung darüber einsetzen können, ob die Teilreformen, die man vorgenommen hat, sich bewährt haben oder nicht, und man wird dann die Erfahrungen, die man gemacht hat, erst recht für eine größere Reform verwerten können.
Der Herr Abgeordnete Dr. Levi hat dann einen Straffall zur Sprache gebracht, der sich auf einen Angeklagten Wand bezogen hat. Ich kann auf die Sache im einzelnen noch nicht eingehen, weil sie noch in der Gnadeninstanz schwebt. (Abgeordneter Höllein: Ist das ein schwebendes Verfahren?! — Ja, wenn Sie das nicht wissen, dann sage ich es Ihnen hiermit. (Abgeordneter Höllein: Es ist kein schwebendes Verfahren) In diesem Strafverfahren ist der An⸗ geklagte Wand wegen Hehlerei und Landesverrat zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden. (Zurufe links.) Ich gebe zu, daß die Hegründung des Urteils, wenn man einzelne Sätze aus dem Zu⸗ sammenhang herausnimmt, als nicht ganz glücklich erscheinen kann. Aber wer das Urteil und vie Urteilsgründe in ihrem ganzen Zu⸗ sammenhang liest, muß anerkennen, daß das Urteil des Reichsgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wohl begründet ist (Wider spruch links), daß insbesondere auch die Feststellung, es handele sich bei der Uckunde, die preisgegeben worden sei, um eine solche, deren Geheimhaltung im Interesse des Landes geboten gewesen war, durchaus zutrifft.
Der Herr Abgeordnete Dr. Levi hat weiter die Frage des Straf⸗ maßes in diesem Urteil einer Kritik unterzogen. Wenn es sich darum handelt, sich über die Strafwürdigkeit eines Angeklagten im Spezial⸗ falle zu unterrichten, dann ist es auch nach der Richtung der Straf⸗ würdigkeit von einiger Bedeutung, sich einmal die Genesis des Straffalles anzusehen, und das möchte ich auch im vorliegenden Fall.
Es hat einen Mitangeklagten des Verurteilten Wand gegeben, der inzwischen verstorben ist. Dieser Mann hatte in einer Reihe von Fällen aus dem Reichsarchiv in Potsdam Urkunden gestohlen. Gurufe links. Tirpitz) — Ich kann auf den Zwischenruf nicht ein gehen. (Erneute Zurufe links.) — Ich bin bereit, bei anderer Gelegenheit auch darauf zu kommen, aber wenn Sie mich so unter⸗ brechen, könnte es mir passieren, daß ich den Zusammenhang verlöre (Lachen links), und das möchte ich im Interesse der übrigen Zuhörer nicht gern erleben. Ich könnte das ertragen, aber im Interesse der übrigen Zuhörer möchte ich das nicht gern haben. (Sehr richtig!) Der Verstorbene hatte in einer Reihe von Fällen Urkunden gestohlen, und zwar hatte er sich in vielen Fällen unter falschem Namen in das Archiv eingeführt, einmal war er aber über die Mauer gestiegen, in das Archiv eingedrungen und hatte Urkunden gestohlen. Diese Tatsachen gingen voran.
Der Angeklagte Wand hat sich von diesem Dieb die Urkunden verschafft. Den Dieb hat er bezahlt, er hat ihm mindestens nach und nach 1200 Mark bezahlt chört, hört! rechts, und dann hat der An geklagte Wand — der Verurteilte — diese Urkunden an einen Belgier gegeben, und zwar hat er natürlich ein Geschäft daraus gemacht. So ist die Sache in die Oeffentlichkeit gekommen
Nun darf ich den Herren — denn das bin ich doch dem Reichs- gericht schuldig, da sein Urteil in der Weise kritisiert wird, wie es geschehen ist — auch noch das mitteilen, was das Reichsgericht über die Frage gesagt hat, ob dem Ameklagten mildernde Umstände zur Seite standen. Da sagt das Reichsgericht:
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Mildernde Umstände sind nicht vorhanden. Der Angeklagte hat weder bei der Hehlerei noch beim Landesverrat aus anderen Beweggründen als aus schnödem Eigennutz gehandelt.
(Hört, hört! rechts.)
Schon bei Herausgabe seiner Aufsätze über die „Etappe Gent“ und seinem diese Aufsätze zusammenfassenden Buche war nicht, wie er glauben machen will, die im vaterländischen Interesse liegende Absicht maßgebend, die vorgekommenen angeblichen Miß— stände als Verfehlungen nur weniger Deutscher hinzustellen, die von der Masse des Volkes mißbilligt würden, er wollte vielmehr zuerst in dem „richtiggehenden Sensationsblatt ziemlich übelster Sorte“,
— so hatte der angeklagte Verurteilte selbst das Blatt bezeichnet — nur um der Skandalsucht des schlechtesten Teils der Bevölkerung zu genügen ohne Rücksicht darauf, ob er damit leichtfertig die Ehre anderer angriff, sich einen leichten Verdienst verschaffen, und er scheute auch nicht davor zurück.! obwohl er sich eine größere Anzahl von Strafverfahren und eine empfindliche Gefängnisstrafe zugezogen hatte, diese Veröffentlichungen, wenn auch unter Weglassung der ihm gefährlich gewordenen Stellen, durch weitere Veröffentlichung geldlich auszuschlachten, und zwar durch eine Ausgabe in französischer Sprache in Belgien und dann in dem zu hochverräterischen Zwecken gegen das Deutsche Reich gegründeten und betriebenen Blatte des rheinischen Separatisten—⸗ führers Smeets, der „Rheinischen Republik“.
(Hört, hört! rechts.)
In demselben Sinne geht es weiter. Ich glaubte, es dem Reichs—
gericht schuldig zu sein, die Sache auch einmal von einer anderen
Seite zu beleuchten. (Sehr gut! rechts.)
Es ist sodann von dem Herrn Abgeordneten Levi, aber auch von anderen Herren die Frage der vorläufigen Festnahme durch die Polizei erörtert worden, und zwar in dem Sinne: der vorläufig Fest— genommene ist nach dem Gesetz — das ist der 5 128 der Strasprozeß⸗ ordnung — unverzüglich dem Richter vorzuführen. Solange ich mich nun erinnern kann — und das ist schon sehr lange — hat man nun darüber gestritten, was es heißt: er ist unverzüglich vorzuführen. „Unverzüglich“ — das ist wohl jetzt allgemein anerkannt, auch vom obersten Gerichtshof — heißt soviel wie „ohne schuldhafte Ver— gögerung“. Alle sind darin einig, daß das nicht etwa binnen 24 Stunden zu geschehen hat; sondern man muß der Polizeibehörde, die vor dem Verdacht eines schweren Verbrechens steht, ein modicum tempus lassen, um sich, wenn sie einen Verdacht hat, noch einmal zu fragen: wie kannst du den Verdacht, von dem du eigentlich selbst überzeugt bist, noch weiter stützen? Da stehen sich die Interessen ber persönlichen Freiheit auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Interessen der Allgemeinheit, die doch vor dem Verbrecher geschützt werden müssen, einander gegenüber, und die müssen verständig gegeneinander abgewogen werden. Wenn da Fälle vorgekommen sind, wie sie hier zur Sprache gebracht wurden, daß man einen so vorläufig Festgenommenen etwa drei Wochen festgehalten hat es ist das ge⸗ sagt worden — oder, wenn man Mittel angewendet hat, die ich als verwerfliche Mittel bezeichnen würde, um den Festeenommenen zu einem Geständnis zu bringen, sei es, daß man ihn foltert — ich glaube, der Ausdruck ist auch gefallen — sei es, daß man ihn sonst gefügig macht, indem man ihm zu trinken oder zu essen gibt, so ver— urteile ich alle diese Machinationen, und wenn Sie jemand finden, der mich in der Verurteilung dieser Dinge übertrifft, dann haben Sie ben Prozeß gewonnen. (Heiterkeit) Ich kann deshalb an die Herren Abgeordneten, die diese Fälle zur Sprache gebracht haben, nur die dringende Bitte richten, Sie möchten die Fälle so bezeichnen, daß ich sie an die zuständige Stelle weiter geben kann. (Abgeordneter Dr. Levi: Die preußische Justizverwaltung antwortet mir seit fünf⸗ viertel Jahren nicht auf einen solchen Fall) — Ich kann im Augenblick darauf keine Antwort geben. Ich würde bedauern, wenn ein Versehen vorläge. Sie werden aber auch zugeben, daß ich das nicht zu verant'vorten hätte, wenn da ein Fehler vorgekommen wäre. Da müßten Sie einen anderen Weg gehen. Jedenfalls bitte ich Sie, mir, wenn Sie solche Fälle haben, diese mitzuteilen. Ich verspreche Ihnen, daß ich sie der zuständigen Stelle zuleiten werde. Ein Mehreres kann ich nicht tun. Selbst bin ich nicht zuständig. Mir ist die Polizeibehörde, die hier in Betracht kommt, nicht unterstellt; sondern sie untersteht in Preußen, wie Sie wissen, dem Minister des Innern. (Zuruf rechts: Herrn Severingh
Es ist dann auch viel vom Staatsgerichtshof die Rede gewesen. Dieser Gerichtshof ist in den Zeiten allergrößter politischer Erregung errichtet worden, und das hat immer etwas Mißliches und Gefährliches. Ich will nicht des näheren auf die Besetzung dieses Gerichtshofs eingehen. Nur eins möchte ich betonen: etwaige Vorwürfe gegen die Rechtsprechung dieses Gerichtshofs, namentlich nach der Richtung hin, daß er seine Sprüche nicht optima ide fällte, müßte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Er mag nach politischer Einstellung besetzt sein, aber irgendwelche Anhalts⸗ punkte dafür, daß dadurch, und zwar im Sinne einer gewissen — mala fides wäre vielleicht zuviel gesagt — aber einer gewissen der⸗ artigen Einstellung, seine Sprüche irgendwie berührt seien, vermag ich nicht anzuerkennen.
Es ist dann auch von einem Falle gesprochen worden, der sich vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig ereignet hat, in dem ein Ver— teidiger von dem Vorsitzenden aus dem Sitzungssaal gewiesen worden ist. Ich muß auch hier an die Spitze meiner Ausführungen den Satz stellen, daß ich es mir versage, in die tatsächlichen Verhält⸗ nisse des Vorganges einzudringen und daran irgendeine Würdigung zu knüpfen. Das steht mir nicht zu. Das einzige, meine sehr ver⸗ ehrten Damen und Herren, was Sie von mir in diesem Falle erwarten können, ist eine Erklärung darüber, wie ich rechtlich zu der Frage stehe, ob unter Umständen dem Vorsitzenden eines Gerichts das Recht zusteht, äußerstenfalls auch einen Verteidiger, auch einen Wahlverteidiger, aus dem Sitzungssaal zu verweisen. Der Fall ist, soweit ich es übersehen kann, bisher gerichtlich, namentlich höchstgerichtlich, nicht entschieden. Ich glaube, es ist überhaupt das erstemal, daß sich ein solcher Fall ereignet hat. (Zuruf von den Kommunisten: Natürlich, es gibt auch nur einen Niedner! Das wird sich ja im Laufe meiner Erörterungen zeigen, ob der Zuruf, der den Namen Niedner zum Gegenstande hatte, in diesem Falle am Platze war. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Vorsitzende eines Gerichts, dem nach dem Gesetz die Pflicht ob— liegt, die Verhandlung zu leiten, die Ordnung bei der Leitung aufrechtzuerhalten und die Verhandlung auch zu Ende zu bringen, das Recht hat, wenn sich da Hemmungen einstellen, auch zu dem äußersten Mittel zu greifen, denjenigen, der die Hemmungen hervorruft, aus dem Sitzungssaal zu verweisen. (Hört! hört! bei
den Kommunisten) Sie mögen „hört! hört!“ sagen, das ist meine Auffassung. Wenn Sie eine andere haben, mögen Sie sie ver— treten. — Also ich stehe auf dem Standpunkt, der Vorsitzende des Gerichts hat das Recht, äußerstenfalls jedes Hemmnis, das sich der Leitung der Sache und dem Ziel, die Sache zum Abschluß zu bringen, entgegenstellt, zu beseitigen. Dieses Recht hat er nach meiner Auffassung nicht bloß gegenüber dem Verteidiger, er hat dasselbe Recht gegen jeden, der ihn daran hindert, die Verhandlung zu leiten und zu Ende zu führen. (Zuruf von den Sozialdemo⸗ kraten: Zu Ende zu führen, ohne den Verteidiger und die Zeugen zu hören! Den Zuruf verstehe ich nicht! (Heiterkeit und Zurufe.) Es mag an mir liegen, aber er ist für mich unverständlich.
Also, meine Herren, mehr können Sie von mir nicht verlangen. Das ist meine Rechtsauffassung. (Zurufe links.)
Sodann ist von mehreren der Herren Vorredner die Frage der Ehescheidung berührt worden. Es besteht, wie Sie wissen, die Vestrebung, die Ehescheidung in der Richtung zu erleichtern, daß das Verschuldungsprinzip, wenn nicht ausgeschaltet wird — es heißt ja, es soll nur ergänzt werden —, in der Richtung geändert wird, daß man die Ehescheidung auch dann zugelassen haben will, wenn an der Zerrüttung des ehelichen Lebens ein Verschulden nicht besteht. Meine Herren, da stehen sich die Weltanschauungen schroff gegenüber. Es ist ja schon während der Behandlung meines Etats hervorgetreten, wie die Meinungen auseinandergehen. Ich kann nicht zusagen, daß ich die Hand dazu bieten werde, eine erleichterte Ehescheidung zum Gesetz zu machen. (Lebhafte Rufe links: Hört! Hört!) Hört! Hört! Heiterkeit.)
Auch die Frage des Gebührenwesens ist, zunächst von dem Herrn Abgeordneten Hampe, besprochen worden, und zwar in dem Sinne, daß die Gebühren zu hoch seien Der Herr Abgeordnete Hampe hat recht. Auch nach meiner Auffassung sind die Gebühren bei den hohen Werten zu hoch. Das ist aber auch von der Reichsjustiz⸗ verwaltung anerkannt, und es schweben Erwägungen darüber, wie das anders einzurichten ist.
Dann ist noch die Frage der Gerichtsschreiber erörtert worden. Ich habe zu der Frage bereits im Ausschuß Stellung genommen Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als ich dort gesagt habe. Ich stehe der Sache an sich sympathisch gegenüber. Ich muß aber zugeben: es ist nicht so leicht, wie die Herren, auch die interessierten Herren, sich das wohl denken. Die Frage wird aber geprüft werden, auch bei den Ländern, und wir werden das Ergebnis dieser Prüfung ab⸗ warten müssen. Besonders dringlich sehe ich die Sache nicht an.
Dann hat einer der Herren geglaubt, der Entwurf des Straf⸗ gesetzbuchs möchte einem größeren Kreise zugänglich gemacht werden, allen Mitgliedern des Reichstags. Ich glaube, meine Herren, das ist schon sehr weitgehend geschehen. Aber wer sich sonst noch dafür interessieren möchte: der Entwurf ist im Buchhandel erschienen, ich glaube, er kostet 50 Pfennig. (Große Heiterkeit und Zurufe) Das wird auch keine weltbewegende Sache sein.
Meine Herren, ich glaube, das ist das, was ich vorerst auf die verschiedenen Erörterungen der Herren Abgeordneten zu erwidern habe. (Zuruf von den Kommunisten.)
Abg. Dr. Korsch (Komm.) wirft den Justizorganen vor, daß sie sich zu gut auf irdische Angelegenheiten verstehen und die geistigen vernachlässigen. Der Republikanische Richterbund habe ein neues schwarz-⸗rot⸗goldenes Strebertum großgezogen. Wir haben eine . Politisierung der Justiz. Der Redner bringt dann zahlreiche Einzelfälle vor, um zu beweisen, daß die Justiz gegen die Kommunisten in ,,,. Weise vorgehe. Nedner schließt: Meine gemessene Redezeit erlaubt mir nicht, die Justizschande in der Amnestiefrage genügend zu besprechen. Der Stagtsgerichtshof, der die Kommunistische Partei von, vornherein als hochverräterisch ansieht, urteilt nur nach parteipolitischen Rück⸗ sichten. Der 6. politische Prozeß wird aber vor dem Welt⸗ gerichtshof entschieden werden. Die Weltgeschichte wird das Todes⸗ urteil über ihren Staat, ihre Justiz und ihre Gesellschaft voll⸗ strecken. (Beifall bei den Kommunisten.)
Die Beratung wird hier abgebrochen.
Das Haus nimmt sodann noch den Antrag der Kommu⸗ nisten an, worin die Reichsregierung ersucht wird, auf die Länder dahin zu wirken, daß sie bei den Vorbereitungen für die Wahl des Reichspräfidenten jede Beschränkung der Wahl⸗ freiheit aufs schärfste untersagen.
Nächste Sitzung Donnerstag 2 Uhr. Fortsetzung der Beratung des Justizetats; Aenderung des Wahlgesetzes für die Reichspräsidentenwahl; kleinere Vorlagen. Vor der Sitzung findet um 12 Uhr die Vereidigung des Stellvertretenden Reichspräsidenten statt.
Schluß gegen 6, Uhr.
Preußischer Landtag. 21. Sitzung vom 11. März 1925, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Präsident Bartels eröffnet die Sitzung nach 12 Uhr.
Die Mitgliederzahl des neu eingesetzten Ständigen Aus⸗= chusses für Wohnungs⸗ und Heimstättenwesen wird auf 29 estgestellt.
Das Haus setzt dann die gemeinsame Beratung der Uranträge und Großen Anfragen, betreffend das Gruben⸗ unglück auf der Zeche „Minister Stein“ bei Dortmund, fort. . ;
Abg. Schwenk- Oberhausen (Wirtschaftl. Vereinig.) hebt die besonderen Gefahren des bergbaulichen Betriebes und die damit gegebene besondere Verpflichtung aller Beteiligten, auf die Ver⸗ minderung dieser Gefahren und die Schonung und Erhaltung von Leben unb Gesundheit der Bergarbeiter hinzuarbeiten, nachdrück⸗ lich hervor. Die Unfallstatistik . aber sachlich und objektiv beurteilt werden. Jede agitatorische und demagogische Aus⸗ beutung der Unfallziffern sei vom Uebel. (Unruhe und Wider⸗ spruch bei den Kommunisten) Vielmehr als bisher müsse die gesamte e, , über die Explosions⸗- usw. Gefahren aufgeklärt werden. Die Zahl der Einfahrer sei zu vermehren, aber die Re⸗ gierung müsse sich die Entscheidung über die Auswahl und Eig⸗ nung der Einfahrer vorbehalten. (Lärmender Protest bei den Kommunisten. Die Mitwirkung der Belegschaften bzw. der Bergarheiterorganisationen bei dieser Auswahl und vollends die direkte ö der Grubenkontrolleure durch die Verbände würde geradezu die Sozialisierung des Bergbaues bedeuten. Die Be⸗ triebs räte seien stets nur auf die Stärkung ihrer Machtbefugnisse bedacht. Dart jeder objeltive Spruch des Berggewerbegerichts werde von ihnen in der hestigsten Weise angegrifsen und agitatorisch ausgenutzt. Die Lohnverhä in isse auf „Minister Stein“ seien mit Unrecht als besonders erbärmlich hingestellt worden; man habe vereinzelte Fälle niedriger Monatslohnzahlungen verallgemeinert, und das sei das Gegenteil einer sachlichen und unparteüschen Würdigung. Die Anklagen gegen die Bergbehörden, die vom besten Willen beseelt seien, dienten lediglich Agitationszwecken. (Lachen bei den Kommunisten.) Eine große Reihe von Zechen sei schon
freiwillig zur Einführung des Steinstaubverfahrens übergegangen. Es sei doch im Interesse der Bergherren selbst gelegen, alles zu tun, was die Belegschaft an Leib und Leben sichert, was einen ge—⸗ ordneten stetigen Betrieb verbürgt, also auch die bergpolizeilichen Vorschriften genau befolgen zu lassen. Die Organisation des deutschen Bergbaues sei als vorzüglich auch vom Auslande anerkannt; das müsse konstatiert werden, wenn es den Kommu⸗ nisten auch noch so unangenehm sei. (Gelächter bei den Kommu⸗ nisten,. Daß die Zechenverwaltung ihre Pflicht tue, werde doch durch die Tatsache bewiesen, daß sich trotz des Unglücks Hunderte von Bergarbeitern gemeldet hätten und angelegt worden seien. Selbstverständlich sei schlechte Behandlung der Bergarbeiter, zumal der älteren, eine grobe Ungehörigkeit; aber auch hier werde aufs Aergste übertrieben. (Zuruf bei den Kommunisten: Sie können dem Hause gesiohlen bleiben Redner bemäingelt speziell an den Anträgen des Abg. Steger (Zentr., daß darin die Rücksicht auf die Rentabilität des Unternehmens ganz außer Acht gelassen sei; was gewinne denn die e, , n,, n. wenn die Betriebe stillgelegt würden? An demselben Mangel krankten auch die sozialdemokratischen Anträge, und der Unxorsichtigkeit und Leicht⸗ fertigkeit vieler Bergarbeiter werde in den Anträgen fast nirgends Rechnung getragen. Nicht in der Manier Sobottka, sondern in der Manier Effert und Osterroth müßten diese so hochernsten Fragen behandelt werden. Eine ausnahmsweise Vorzugsunter⸗ stützung der Witwen und Waisen, die das Dortmunder Unglück geschaffen, wäre ein Unrecht gegenüber den Witwen und Waisen in der übrigen deutschen Industrie und gegenüber den Witwen und Waisen aus dem Kriege, die alle das gleiche Recht auf Be⸗ rücksichtigzung haben.
Präsident Bartels erteilt dem kommunistischen Abgeord⸗
neten, der „Sie können dem Hause gestohlen bleiben!“ gerufen hat, einen Ordnungsruf. Abg. Kaiser⸗Anklam (Nat. Soz) bemängelt den geringen Lohn des Bergmanns, der in schwerer Arbeit täglich sein Leben einsetzen müsse. Man betreibe Raubbau mit seiner Arbeitskraft. Die gefällten Schiedssprüche könnten von den Bergarbeitern nicht anerkannt werden. Parteipolitische Scklagworte hülfen nichts. Den Kommunisten und Sozialdemokraten spreche er das Recht ab, die Interessen der Arbeiter deutschen Blutes zu vertreten. (Andauernd lärmende Unterbrechungen und Lachen bei den Kommunisten und Soziademokraten) Erst wenn man eine wahr⸗ hafte Volksgemeinschaft habe, werde auch die Ausbeutung ver⸗ schwinden. Als in seinen weiteren Ausführungen der Redner es als unerhört bezeichnet daß für das Begräbnis von Ebert drei Millionen Goldmark ausgegeben worden wären, setzte bei den Sozialdemokraten ein nicht endenwollender Entrüstungssturm ein, Pfuirufe wollten kein Ende nehmen. Sobald der Redner ver⸗ suchte, weiter zu reden, wurde er durch erneute Unterbrechungen und Schlußrufe der Sozialdemokraten daran gehindert.
Die Versuche des Vizepräsidenten Dr. v. Kries, dem Redner das Wort zu verschaffen, mißlangen. Daher erklärte der Vizepräsident die Sitzung auf eine Viertelstunde Kür unterbrochen.
Schluß 1340 Uhr.
In der um 1,55 Uhr beginnenden neuen Sitzung bittet Vizepräsident Dr. v. Kries, die Verhandlungen nicht durch neue Lärmszenen weiter zu unterbrechen; auch die Steno⸗ graphen hätten nichts mehr aufnehmen können.
Abg. Kaiser (Nat. Soz) setzt, beim Beginn seiner Rede wiederum von Schluß⸗ und Pfuirufen der Sozialdemokraten unter- brochen, seine Ausführungen fort. Er wiederholt, daß für die Orfer der Katastrophen im Ruhrgebiet und für deren Hinterbliebene nichts Ausreichendes geschehe. Damit könne man die Wusgaben für Eberts Bexräbnis nicht in Einklang bringen. Der Redner schließt mit der Aufforderung, einig zu sein. (Gelächter bei den Sozialdemokraten und erneute Lärmkundgebungen gegen den abtretenden Redner.)
Abg. Dr. von Waldthausen (D. Nat) weist die zahl⸗ reichen Beschwerden des sozialdemokratischen Abgeordneten Husemann zurück. Die Sozialdemokraten sollten sich doch lieber an ihren eigenen Minister Siering wenden, der für die meisten der vor⸗ gebrachten Beschwerden zuständig sei. (Zurufe der Sozialdemokraten: Die Deutschnationalen haben ja alle Besserungsmaßnahmen ver⸗ hindert! — Lachen und Widerspruch rechts) Durch unzutreffende Beschwerden werde die Autorität der Beamten auf das empfindlichste geschädigt. Der Vorwurf des Abgeordneten Husemann, die Weiter⸗ gabe von Schlagwettermeldungen an die zuständigen Stellen sci von Zechenbeamten verhindert worden, habe sich auf Grund einer Nachↄ prüfung und Anhörung des zuständigen Obmanns als unrichtig er⸗ wiesen. So sei es mit den schweren Vorwürfen von sozialdemo⸗ kratischer Seite bestellt. (Hört! hört! rechts. — Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Es sei auch nicht angängig, wie es der Zentrums⸗ abgeordnete Steger getan habe, die niedrigen Löhne für Unglücke ver⸗ antwortlich zu machen. Mit einem solchen Argument könne man schließlich überall kommen. An den niedrigen Bezügen der Berg— arbeiter seien nicht zuletzt doch auch die vielen Feierschichten schuld. (Zuruf rechts: Die Kredite seien an die Barmets gegangen) Auf den Halden lägen tausende von Tonnen, so daß man wieder Still⸗ legungen zu befürchten habe. Auch seine Partei trete für menschen⸗ würdige Behandlung und für Menschlichkeit ein. Wenn die Kom⸗ munisten aber hier Klage erhüben, so würde man auf der anderen Seite die Erschießung des Bergassessors Althaus und andere Un— menschlichkeiten niemals vergessen. (Sehr richtig! rechts Die Kommunisten sollten an diese Taten und an die Greueltaten in Ruß⸗ land denken, die das Entsetzen der gesamten gesitteten Welt erregt hätten. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Dr. Pin kerneil (D Vp.): Wir sind bereit, alle vor⸗ gebrachten Beschwerden, Anregungen und Anträge einer gründlichen Ausschußprüfung zu unterwerfen. Zwangsläufig ist die Debatte auf die Erörterung der Grubensicherheit und des Grubensicherheitswesens überhaupt übergegangen. Erste Voraussetzung für einen ruhigen, geordneten Betrieb ist die Pflichterfüllung der . die doch alle aus den Reihen der praktischen Bergleute stammen. Wenn Herr Sobottka hier von einem Steiger erzählt, der frisch vom Dienst als Oberleutnant in die Grube versetzt worden ist, so ist zu bemerken, daß der Betreffende schon vor dem Kriege zwei Jahre Bergmann gewesen ist und seit fünf Jahren Gynbensteiger ist. (Hört! hört! rechts; Zur Vermehrung der Revierbeamten muß das allerbeste Material ausgewählt werden. Mit seinem Betriebsrat muß jeder Direktor fertig werden können; wer das nicht kann, tut mir leid. Die Beseitigung des Prämiensystems wäre auch für die Bergarbeiter ein verhängnisvoller Schritt, gerade im Interesse der fleißigen Be⸗ amten muß es beibehalten werden. (Widerspruch links.) Wir treten durchaus dafür ein, daß der Bergmann keine Nahrungssorgen hat, und darum sind wir auch für ausreichende Löhne. Auf „Minister Stein“ haben über dem Lohndurchschnitt 78, unter ihm nur 22 Pro— zent der Hauer rerdient. Was nützen dem Hauer höhere Löhne, wenn zugleich die Zabl der Feierschichten vermehrt werden muß? Wenn heute jeden Tag ein Kapital von 12 Millionen auf der Halde ver zinst werden muß, wie soll der Bergbau da vollendete technische Ein⸗ richtungen schaffen? Die Hauptsache ist die Steigerung des Ah— satzes, und da kann nur ein? ganz andere Frachtpolitik belfen sonst ist die Katastrophe des Ruhrbergbaues unausbleiblich. Den Kapitalis⸗ mus, dessen Opfer die Bergleute sein sollen, haben wir in den letzten Wochen in den Untersuchungsausschüssen kennengelernt. (Sehr aut!
recht Wir schützen den Bergbau nicht um des Kapitals willen, sondern um des Volkes willen. (Cachen links) ö
Fin Vertreter des Handel sministerium s ver- . ich Über die Unfallstatistil und die Methode ihrer Aufstellung. Aus der Statistik der Todesfälle ergibt sich unwiderleglich eine grozentugle Abnahme der Tötungen seit 1920. Ausnahmen von den Nen huren der Bergpolizeiverordnung zu gestatten, bleibt bem
Oberbergamt vorbehalten; eine solche allgemeine Befugnis ist unent⸗
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