1925 / 68 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Mar 1925 18:00:01 GMT) scan diff

Der Notetat wird darauf in dritter Lesung endgültig gegen Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. Das kommunistische Mißtrauensvotum wird in einfacher Abstinimung gegen Sozialdemokraten und Kommunisten abgelehnt. Die Entschließung über die Wahrung der Interessen des Reichs bei der Umstellung der Deutschen Werke wird angenommen.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Verlängerung der Fristen der dritten Steuern etvergr dnung in bezug auf die Aufwertung, die am 31. März d. J. ablaufen sollte, bis zum 30. Juni d. J.

Abg. Dr. Schett er (Zentr) herichtet über die Verhandlungen des Aufwertungsausschusses. Die Fristverlängerung sei 3 veworden, weil das neue ile, , , nicht vor dem 1. Apri erledigt werden könne. Der Ausschuß habe der Vorlage noch folgende Bestimmung eingefügt: „Der Wiederherstellung eines gelöschten Rechts zum Zwecke, der Aufwertung steht der öffentliche Glaube des Grundbuchs insoweit nicht entgegen, als ein nach der Löschung ein— getragenes Recht nach dem 1. April 1925 begründet worden ist.“ Dr. Schetter entr !) bemerkt sodann als Redner, daß seine Fraktion schwere Bedenken gegen die in dieser als Art. III ein- gefügten Bestimmung liegende Kreditsperre habe. Es sei zu prüfen, Eb man dem Aufwertungsgläubiger nicht in anderer Weise helfen könne. Allerdings könne man andererseiks den Gedanken, der in dem Art. III liege, nicht ohne weiteres abweisen, und er , des⸗ halb die Zuͤrückverweifung dieses Artikels an den Ausschuß.

Reichsminister der Justiz Dr. Frenken: Meine Damen und Herren! Ich habe namens der Reichsregierung folgende Erklärung abzugeben:

Das Reichskabinett hat hinsichtlich des Aufwertungsgesetzes inzwischen die entscheidenden Beschlüsse gefaßt. Der Gesetzentwurf wird noch vor der Reichspräsidentenwahl im Laufe der nächsten Woche den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden. Die Reichsregierung wird von sich aus in den allernächsten Tagen eine ; nn us gen ei eingehende Darlegung der wichtigsten und grundlegenden Be⸗ stimmungen des Entwurfs der Oeffentlichkeit unterbreiten. urufe links.)

Bezüglich des in den Gesetzentwurf eingefügten Artikels III wird der Herr Staatssekretär Dr. Josl noch das Wort nehmen.

Staatssekretär Jo sl: Wir haben schon im Ausschuß darauf häingewiefen, daß die Bestimmung des Art. III den Kreditverkehr lahmlegen und sich tatsächlich als Kreditsperre auswirken würpße. Inzwischen haben die wirtschaftlichen Ressorts des Reiches dem Jufstizminislerium gegenüber diese Bedenken noch vertieft und das Neichsbankdirektorium hat eingehend zu der Lage mit folgender Erklärung Stellung genommen: „Aus der Presse entnehmen wir, daß dem Gesetzentwurf über die Verlängerung der Anmeldungsfristen als Ärt. III auf Antrag des Abgeordneten Keil ein neuer Zusatz ein⸗ gefügt worden ist. Wir müssen gegen die Einfügung dieses Artikels die allerschwersten Bedenken erheben, weil diese Maßnahme für das in, und ausländische Kreditgeschäft geradezu ruinös wirkt. Die Auf—⸗ nahme neuer Realkredite würde durch die Zerstörung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, auf den der gesamtg Nealkredit sich gründet, unterbunden werden, weil sich keine Kreditgeber finden werden, welche die Gefahr laufen wollen, aus ihrer nach der jetzigen Beschaffenheit des Grundbuchrechts gesichert erscheinenden Positien herausgedrängt zu werden. Es ist vorzusehen, daß durch diese Maß⸗ nahme das Geschäft der Hypothekenbanken., und sonstiger Realkredit⸗

geber völlig unterbunden wird, was für die kreditbedürftigen Kreise, namentlich auch für die Landwirtschaft, welche sich gegenwärtig in der schwersten Kreditkrisis befindet, die allerschwersten Nachteile zur Folge hätte. Der gegenwärtige starke Kreditbedars unserer gesamten Wirt⸗ schaft, welche Kreditmiftel dringend zum Wiederqufbau benötigt, darf als bekannt vovausgesetzt werden. Es wird iedoch nicht nur eine Zurückhaltung der Kreditgeber gegenüber der Gewährung neuer, föndern auch gegenüber der Verlängerung bereits laufender Kredite zu befürchten sein. Unter solchen Umständen wird es unausbleiblich werden, daß die an die Reichsbank herankommenden Kreditansprüche sich vermehren werden, was unter Umständen auch die Währung ge⸗ fährden könnte. Wir machen darauf aufmerksam, daß auch alle Ver⸗ suche, langfristige Auslandskredite zu erhalten, insbesondere auch für die Landwirtschaft, zum Scheitern verurteilt sein müssen, solange nicht polle Klarheit im Grundbuchrecht in der Aufwertungsfrage bezüglich der alten Rechte gewährleistet ist. Wir bemerken noch ergebenst, daß die weslgus größe Anzahl der grgsßen Auslandskreditgeschäfte hrbo— thekarisch sichergestellt zu werden pflegt.“ Hiernach kann die Reichs⸗ regierung den Artilel III unter feinen Umständen annehmen. Wenn der Gedanke verfolgt werden soll, so wird er jedenfalls aus diesem

Gesetz herausgelassen werden müssen, er könnte nur durch ein neues Gesetz geregelt werden. Ich bitte deshalb, den Artikel Il zu er— neuter Prüfung an den Ausschuß zurückzuverweisen.

Von der demokratischen Fraktion Koch⸗Weser und Ge⸗ nossen ist folgende Entschließung beantragt worden:

Der Reichstag bedauert, daß die Reichsregierung ihrem Ver⸗ sprechen, den Gesetzentwurf über die Aufwertung bis Anfang März vorzulegen, bis heute noch nicht nachgekommen ist, und dadurch der Zustand schwerer e hen und Beunruhigung für weite Kreise des Volks derursacht werden faner. .

Abg. Keil (Sz Rlt die Erklärung des Reiche justizministers für ganz unz ulänglich. Man sehe der Entscheidung der Regierung mit. Sbannung entgegen. Man habe allerdings zu Regierungs⸗ erklärungen fein großes Vertrauen mehr. Die Absichten der Re—⸗ gierung würtzen anscheinend weit zurückbleiben hinter den deutsch⸗ nationalen Wahlversprechungen. Die Regierung habe Angst vor der nn n ber Sparer und Gläubiger. Hinter dem Best'schen Ent⸗ wurf ständen nur sechtehn Mitglieder der Deutschnationalen Fraktion. Gegen die Verschleypungsberfuche der Rechten müsse Protest er⸗ hoben werden. Die Beunwuhigunng der Gläubiger und Sparer wachse von Tag zu Tag. Sie habe auch schon politische Folgen gezeigt. Der Syyothekengläubiger⸗ und SVaperschutzberband wolle für die Reichs⸗ väsiden kempahl Stimmenthaltung üben. Bisher habe er be

Ldinnungs los hinter den Rechtsvarteien gestanden. (Hört, hört! links.) Die Erhöhung. des. Marjmalsatzes von 15 auf 25 35 würde heute, wo die Ruhrindustriellen so reiche Entschädigunmmen aus Reichsmitteln

rhalten hahen, ein Hohngelächter unter den, Gläubigern hervorrufen. In ihren Wahlflugblättern hätten die Deutschnationglen für die Be—⸗ seitigung der dritten Steuernotverordnung und eine bedeutende Auf⸗ wertung einzutreten versprochen und vom Fingngdiktator Luther ge⸗ sprochen. (Hesterkeit und härtl hört! links] Heute Pfeife de Wind aus einem anderen Loch. In einem Auffatz des Grafen Westarp eiße es, daß über den Interessen der Gläubiger und Schuldner das Inseresse des Landes stehe. Vor Tische las man es anders. Da hieß ez, der Abgeordnele Best sei deswegen auf die Wahllisten gestellt worden, um die Aufwertungsforderungen durchzudrücken. Heute er⸗ liege Herr Best den Großgrundbesitzern in seiner Fraktion. (Sehr wahr! links.)

= Abg. Höl lein (Komm): Die Art, wie hier die Aufwertungs⸗ frage behandelt wird, wirkt geradezu grotesk. Es wird in Zieser An⸗ elegenheil ein frivoles, Spie! auf Kosten und quf dem Nücken der beutschen Arbeiter gespielt. Es ist. nehwendig. die sen, Parteien, die an den Wäßlern den grandiofen Wahlbetrug verübt haben, einmal die Maske vom Gesicht zu reißen. Wenn Herr Abgeordneter Keil sich hier gegen die Deutschnationalen wendet muß ich ihm sagen, baß feine Partei ia doch nur Lückenbüßer der Rechten ist. Wir sind mit den Deutschnationalen nie gegangen, wenn es sich Darum handelte, das Proletariat auszubeuten. (Zurufe bei den Sozial demokraten; Preußen) Herr Keil hat hier nichts davon gesagt, wo er die Mittel füt die Aufwertung hernnehmen will Wahrscheinsich wird er sie auf die Schultesn des Proletariats abwälzen wollen.

* Genau so demagogisch wie We Partei des Herrn Keil und die

Veutschnationalen wirbt auch die Reichsregigrung. die ja nur ein

Reichs justizminister Frenken abgegeben hat, besagt überhaupt nichts wesentliches, wie denn der Reichstag überhaupt behandelt wird, wie ein Schuhputzer; die Regierung gibt dem Reichstag nur Erklärungen ab, wenn es ihr paßt. Wir Kommunisten lehnen es ab, die dema⸗ gogische Politik mitzumachen, auf Kosten der Arbeiter eine Auf⸗ wertung herbeizuführen. Die Kosten für die soziale Aufwertung, wie 6m. sie fordern, müssen von denen getragen werden, die sich an der . d ,. in so unverschämten. Weise bereichert haben. Aber

V will, davon nichts wissen; lie baut im Gegenteil nach . nach alle Besitzsteuern ab, und die Sozialdemokratie ist der ge⸗ 1 Bourgeoisie. (Heiterkeit bei den Sozial⸗

i, ö . i rn . ; ge . (Datz; * 'gierung hat erklärt, sie wer die notwendigen Vorlagen den gesetzgebenden Körpersch . 5 nächsten Wochen zuleiten. Im Haushaltsausschuß habe ich darauf , daß der Entwurf eben ein Regierungeentwurß . , Stellung nehmen müssen. Ich weiß nicht, weshalb die Regierung nicht, meiner, dringenden Bftte ent Prechend. heute hier die notwendigsten Erklärungen abgegeben hat. ö . ., das eine Gute daß die in den nächsten , , erwar ende ö läruhg etwas ausführlicher die Dinge He— handeln wird die das ganze Volk lebhaft beschäftigen. (Zuruf; Be; onders di. Spekulgnten) Der Redner bespricht bann den Arttker 3 , ; rl nn, n J eitig isse Wirtschaftsinter un Auge zu haben schien. Es hätte doch auch einige . ö. Worte für den anderen Teil der Wirtschaft finden sollen. Dem An= trag quf Zurückweisung an den Ausschuß stimmt der Redner zu, damit dort in ausführlicher Beratung ein tragbares Kompromiß erzielt werden könne. Ich weiß allerdings nichtz so fährt er fort, aus welchem Grunde die Sozialdemokratie so plötzlich aus einem Aufwertung gegner zu einem Aufwertungsfreund geworden ist. Wir nehmen aber die Hilfe an, woher sie auch kommen mag, selbst von der Sozialdemo⸗ kratie. Der 31. Mai scheint in den Augen der Sozialdemokraten irgendeine ggitaterische Bedeutung zu haben. Wir wollten mit unserer . bis zum 30, Juni nicht bloß auf die Regierung, son⸗ ö die anderen Parteien einen Druck qusüben, um ihnen

Deleg heit zu geben, zu zeigen, daß es ihnen mit der Sache auch wirkich ernst ist.

Slaatssekretär Jo el betont sodann, daß verfassungsmäßi nicht der Reichstag eine vom Reichspräsidenten erlassene w Kraft setzen kann, sondern nur, der, Reichspräsident selhst nach einem entsprechenden Beschluß des Reichstags. .

Abg., Koch-Weser Dem) bemundert die schlangenmenschartige Fähigkeit, mit der Abg. Hergt versucht habe, sich aus der Schlinge zu befresen, in die feine Partei geraten sei. Er erklärt sodann: Die Be⸗ denken gegen den 5 3 teilen wir und werden für die Zurückverweisung stimmen. Aber schwerg Bedenken. bestehen auch, gegen den gefährlichen Zustand, der sich bei Bestehenbleiben dieser Lücke ergiht. Die Ver⸗ antwortung trägt die Regierung, die ihrem Versprechen auf Vor⸗ legung des Gesetzen twurfs nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Mit ihr teilen die Verantwortung die Parteien, die in ber Regierung vertreten sind und sich dadurch zum Teil in einen, noch nie dagewesenen ungeheuerlichen und peinlichen Gegensatz setzen zu ihren zügellosen Wahlpersprechungen und jhrer verantwortungslosen und unsachlichen Opposition. Diese Verantworflichkeit festzustellen ist der Zweck unseres Antrags.

Abg. Dr. Wun de r lich (D. Vp) ist durchaus den Meinung, daß im Interesse der kleinen Sparer etwas geschehen müsse. Er er⸗ klärt: Eine so tiefgehende Aenderung unserer Grundrechte dürfe aber nicht übers Knie gebrochen werden. Die taktischen Manöver zwischen rechts und links und links und rechts wirkten auf unbeteiligte Zu⸗ schauer allmählich langweilig. Die gestellten Anträge lehne seine Fraktion ab. Sie sei für ruh ag und, sachliche Arbeit.

Abg. Dr. Törifsen, (Wirtschaftl. Vereinig) bedauert gleich⸗ falls die vselen Worte, die in der Sache gemacht worden seien, bittet aber um Annahme der Anträge.

Abg. Seifert schließ sich dem Vorredner an und tritt gleichfalls für Annahme der Anträge und für die Aufhebung der Dritten Steuernobvergrdnung spätestens bis zum 30. Juni ein.

Abg. Best (D. Nat) führt aus: Wer die Aufwertung wirklich wolle, müsse auch wünschen, daß sie praktisch wirklich durchgeführt werken könne. Ber Eintragung von aufzuwerkenden Hypotheken von zweifelhafter Grundlage müsse vorgebeugt werden. Den zu Unrecht auf einen geringen Bruchteil ihres Rechts beschränkten Gläubigern müsse andererseits vom Gesetzneber auch geholfen werden. Gegen die ieberweifung an den Äusschuß könne er nichts machen. Der Abg. Dr. Wunderlich habe im Ausschuß nie einem Antrage zugunsten der Auf⸗ wertung zugestimmt. (Hört, hört! rechts. Unerhört bei der Deut— schen Volkepartei) Er (Rednen) werde seine Stimme nachdrücklich auch weiter für eine gerechte Aufwertung erheben.

Abg. Dr. Wunder kich (D. Vp) weist die bom Abg. Best aufaestellte Behauptung zurück. Er hahe sich an dem Spiel und Widerspiel im Ausschuß allerdings nie beteiligt; das sei aber kein Beweis gegen seine Aufwertungsfreundlichkeit.

Damit schließt die Aussprache, Ein sozialdemokratischer Antrag, die Fristen nur bis zum 31. Mai zu verlängern, wird abgelehnt, und die Vorlage in zweiter und dritter Lesung gegen die Kommunisten angenommen. Artikel III der Aus⸗ schußbeschlüsse wird an den Ausschuß zurückverwiesen. Die demsokratische Eutschließung wird abgelehnt.

Es folgt die Beratung der aus Anlaß der Vorgänge in Halle, Frankfurt a. Main und Stuttgart gestellten Anträge der Kommunisten und der Sozialdemokraten, wonach für die Wahl des Reichspräsidenten die Wahlfreiheit gesichert werden soll. . .

Abg. Koenen (Kemm4): Die Reichsregierung hat sich bisher um die Sicherung der Wahlfreiheit herumgedrückt. Aber die Toten reiten schnell, schneller als die Regierung und der Reichstag. Dreißig⸗ tausend Menschen sind gestern den Toten bei der Bestattung in Halle gefolgt. Die Polizei hat dahei erfahren, wie sie vom Volke verachtet sst. Bas Volk hat damit sein Urteil auch über Severing gesprochen. Die Gewerkschaften in Halle haben die Parole des Generalstreiks ausgegeben, um einmal eine stärkere Sprache zu reden. Der Vorgang in Halle geschah gerade am fünften Jahrestage des Kapp-Putsches, als die Regierung ausreißen mußte, Die reakllonäre Regierung wallte Devertna schützen, als er die Polizei mit Waffen gegen das Volk rieb. Der Meuchel mord in Halle wird ein blutiges Fanal sein. Die Reichsverfassung sichert die Wahlfreiheit zu, in Halle hat man sie aber in Blut ersäuft. Das Verhot für ausländische Redner besteht seit 1920 nicht mehr, das Verbot in Halle war also rechtsungültig, wie Severing anerkennen mußte. Der schuldige Oberleutnant Pietzker kam fu spät in die Verfammlung, hörte, daß ein Ausländer gesprochen habe, und schrie in die Versammlung hinein, daß sie aufgelöst sei. Als die Menge schon begann, den Saal zu räumen, fiel ein Schuß und dann noch einer. Wie einst ein geistes kranker Hohenzoller einen Schuß erfand, um sich zu retten, soll auch hier wieder ein Schuß aus der Menge gefallen sein, und man fond zwei Schußlöcher in der Bühne. Es hat sich aber herausgestellt, daß diefe Löcher Nagellöcher sind, die schon vor einigen Wochen durch eine Nagelung entstanden sind. Tat⸗ sächlich ist der erst! Schuß von einem Schupomann, der zweite vom Oberleutnant Piebker abgegehen worden. (Widerspruch rechts) Wir haben Zeugen dafür. Die Verfammlung war so ruhig wie selten eine, aber der ganze Polizeiangriff war beabsichtigt und geplant. Redner schildert eine Menge von. Einzelheiten grausamer Behandlung der Menge durch die Polizei, durch Gummiknüppel und Revolver⸗ bedrohung. Ein bürgerlicher Teilnehmer schreibt, daß er so schlimme Szenen nicht einmal im Kriege erlebt habe. Der sozialdemokratische Regierungspräsident Grützner, der sich schon in seinem Amt in Düssel⸗ dorf blutrünftig gezeigt hat, hat jetzt in Halle endlich seinen Blutdurst gestillt. Das ist das Urteil eines Sozialdemokraten über ihn. Cärm bel den Sozialdemokraten) Auch der sozialdemokratische Polizeipräsi⸗ dent Runge hat diesen Rummel hervorgerufen, den nicht einmal mehr Herr Severing ertragen kenn. Aber das ist das System der Braun uͤnd Vering, das die Schupo ausgebildet und Männer wie Grützner und Runge großgezogen hat. (Lärm bei den Sozialdemokraten.) Das „Berliner Tageblatt“ hat die R rechheit, zu schreiben: „Die Kom⸗

Reflex der demagogischen Strömangen ist. Die Erklärung, die der

Severing, Grütz ner, Runge nicht mehr von sich abwischen können. Und 22 Severing will Herr Marx durchaus halten, weil er sich einwandfrei in seinem Amt bewährt habe! Auf Anfrage des Mini-⸗ steriums hat der sozialdemokratische Regierungspräsident Grützner auch nachträglich erklärt, er decke die Tätigkeit seiner Beamten vollkommen. Er hat also nachträglich noch kein Empfinden für dieses Blutbad ge⸗ habt. Runge hat sich erbärmlich gedrückt. Die Bluttat von Halle lt ein. blutiges Ausrufunge zeichen hinter dem Satz des Proletariats: Jetzt ist es genug! Der Reichstag hat zwar jetzt Wahlfreiheit be⸗ schlossen, aber kommunistische Wahlfonds sind beschlagnahmt, kom⸗ munistische Zeitungen verboten worden. Das ist die Wahlpropaganda e hen se,, en Präsidentenkandidaten Dtto tzzraun. err Bolz, entrumsmitglied des Deutschen Reichstags, hat als Württembergischer Minister Die Schamlosigkeit besessen, unsere Parteéiangehörigen ohne eine Spur von Gerechtigkeit festzusetzen. (Glocke des Präsidenten. Ordnungsruf) Das Verfahren des schwarz rot⸗go denen Herrn Bol ist ein System. [Zuruf vom Abg. Höllein Komm.): Rechtsvperbrecher⸗ pack. Vizepräfident Bell; Herr Abgeordneter Höllein, haben Sie den Ausdruck Rechtsverbrecherpack mit Bezug auf ein Mitglled des Hauses gebraucht? Abg. Höllein (Komm.): Nein, aber mit Bezug auf die württembergische Regierungsmethode. Vizepräsident Bell: Dann pufe ich Sie nicht zu: Ordnung, Heiterkeit Auch in Ham—= burg ist, wie in Halle, die Arbeiterschaft in Bewegung gekommen: in Hamburg wegen der skandalösen Behandlung der dortigen Festungs⸗ gefangenen. Der Reichstag wird, zu an den haben, ob es der Luther⸗Regierung mit Hilfe der Severing⸗Banditen weiter möglich sein soll, Arbeiter zu nieucheln. (Beifall bei den Kommunisten.) Abg. GCrispin (Soz.): Der Vorwurf, daß die Hallenser An⸗ gelegenheit verschlepyt sei, richtet sich allein gegen die Kommunisten, die im Landtag damit einverstgnden waren, Laß Bie Besprechung der Vorgänge auf Freitag zurückgestellt würde. Der Redner verweist auf die Erklärungen, die der preußische Innenminister Severing im Land⸗ lag über Halle abgegeben hat, und erklärt: Dig beiden angeblich aus- ländischen Kommunisten haben nach Halle in Magdeburg und Breslau gesprochen. Damit entfallen die maßlosen Vorwürfe gegen Severing. Kundgel ungen und Zurufe bei den Kommunisten. Ich freue mich, daß mein Darstellung geeignet ist, die Kommunisten vor ohnmächtiger Wut aufheulen zu lassen. (Heiterkeit Aber wir sind natürlich auch der Ansicht, daß in Halle das Blutbad hätte vermieden werden können, wenn nicht die Polizeibeamten den Kopf. verloren hätten. Daraus kann man aber Sebering keinchg, Porwarf machen. Wir berurteilen es, daß Polizeibeamte in die Massen hineinschießen, sind aber der Ansicht, daß in Holle auch Provokateure am Werke waren, denn es wurden in dem Saal verschiedene Geschosse gefunden, die nicht aus Polijeipistylen stammen. Im ührigen haben wir gesehen, daß den Kommunisten die Toten, und Gefangenen nur gut sind, um Wabl— agitation zu treiben. (Lärmende Kundgebungen bei den Kommunisten. Zurufe. Glocke des Präsidenten) Ein kommunistischer Ver⸗ frauensmann, der feitdem nicht mehr auffindbar ist, hat. zu Protokoll gegeben, daß ihm das Verbot der Ausländerreden und die Androhung von polizeilichen Maßnahmen dagegen bekannt waren Danach hätte sich der Bersammlungsleiter richten müssen. (Zwischen rufe bei den Kommunisten. Vizepräsident Dr. Bell: Der Abgeordnete Torgler Komm.) hat eben dem Redner zugerufen: Der Dummkopf mit dem Christuskopf! Ich rufe ihn dafür zur Ordnung. Lärm bei den Kommunisten) Das Auftreten der Kommunisten zeigt tagtäglich, daß es den Bolschewisten hier gar nicht darum zu tun ist, Arbeiterblut zu paren, (Lärm bei den Kommunssten.) Die Redner und die „Rote Fahne“ sagen ja immerfortz daß sie Zusammenstöße wollen. An einer Stelle heißt es, das Gluivergießen in Halle sei von den So⸗ laldemofraten Planmäßig gemacht worden, weil sie die Stimmen ür Thälmann fürchteten, wollten sie möglichst viele Kommunisten tot⸗ inn lassen. Lautes Gelächter bei den Sozialdemokraten. Eine leberschrift lautet: „Proletariermord, um Thälmanns Wahl zu ver= Man spricht von den Barmat⸗-Soziglisten und schickt dann den Barmgt⸗Kommunisten Koenen vor. (Heiterkeit; Die So⸗ zialdemokraten schützen die Arbeiter gegen die Reaktion don rechts und gegen den. Bolschewismus von links. Wo blieb die Freiheit n einer bolschewistischen Republik? In Spomjetzußland gibt es zwei Millionen Arbeitslaser und die in Arbeit befindlichen deute in, den Fahr ken leiden unter inem fürchterlichen Antreibersystem. Lärm und Widersprüch bei den Kammunsten) Die zussischen Anhester klagen: Wenn wir nur solche Verhältnisse wie in den westlichen Staaten hätten! Arbeiter, die sich auflehnen, werden erschossen oder in die Eiswüsten oder Gefängnisse geschickt. Und erst die Jugend⸗ erziehung in Rußland! . Erziehung wird auf Deutschland über⸗= tragen; hier werden die Kinder bei Zusammenstößen auf die Straße geschickt. (Fortdauern der Lärm, bei, den Kommunisten. Vöze⸗ srästdent Bell muß widerholt dringend um Ruhe bitten. Studenten sind durch den bolschewistischen Terror in Rußland zum Selbstmord getrieben worden. In Rußland sind Leute ohne jedes Urteil in die Gefängnisse gesteckt worden. Sinowjew hat wegen eines Attentats einfach achtzig Leute aus den Gefängnissen geholt, und erschießen lassen ohne jede Schuld. sei

hindern“.

Der amerikanische Sozialist Schwarz und seine Frau, die aus Interesse für die Verbrüderung nach Rußland gekommen waren, wurden ins Gefängnis geworfen, weil sie der Spitzelei verdächtigt wurden. Sinowjem log und gah an, daß sie abge eist seien. Frau Schwarz, die getrennt von ihrem Manne in einer Zelle saß, ergab sich dem Hungerstreik, um ihre Freilassung zu er— zwingen. Als sie dem Tode nahe war, wurde sie an die Grenze gebracht. Sie kam bis Reval und starb dort an den Folgen des Hungerstreiks. (Große Bewegung und Cntrüstung bei den Sozial⸗ demokraten Es ist eine Pflicht und eine Rotwendigkeit, das deulssche Proletariat von solchen gewissenlesen Elementen zu säubern. Wir bauern? aufs tieffte, daß man mit, Unterdrückungsmaßnghmen gegen bie Kommunssten vorgeht. Damit stärkt man sie nur. Die kommu⸗ nistiscke Bewegung brngt sich felber um. Tärm hei den Kommunisten.) Var fommmunfstische Antrag ist nickt ernst zu nehmen siz nehmen ihn auch selber nicht ernst. CLärmender Woderspruch bei den Kommunisten.)

Die Rede des Reichsministers des Innern Schiele, de hierauf das Wort ergreift, wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.

Hierauf vertagt das Haus morgen, Sonnabend, Vormittags 11 Uhr. ordnung stehen außerdem kleine Vorlagen.

Schluß 7 Uhr.

die Weiterberatung auf Auf der Tages⸗

Preußischer Landtag. 25. Sitzung vom 19. März 1925. Nachtrag. Die Rede, die der Minister des Innern Sey ering im

Anschluß an die Begründung des kommunistischen Antrags betreffs der Zusammenstöße in Halle und Berlin⸗Neukölln am

153 und 15. März durch den Abg. Krüger⸗Halle gehalten hat, lautet nach dem Stenogramm wie folgt:

Meine Damen und Herren! Als ich mich vor einigen Tagen auf Anfrage bereit erklärte, die Vorgänge in Halle auf Grund meiner Ermittlungen aufzuklären und in den Parlamenten Auskunft über das Ergebnis meiner Ermittlungen zu erteilen, da war ich mir gang klar darüber, daß eine genaue erschöpfende Auskunft, wie sie Herr Abgeordneter Waentig erbat, nicht erteilt werden könnte. Trotzdem hielt ich eine schleunige parlamentarische Behandlung dieser Angelegenheit erforderlich, damit die politische Ausschlachtung der beklagenswerten Vorgänge nach Möglichkeit unterbunden wird. Zu⸗ rufe bei den Kommunisten) Ich könnte mich dabei auf den bequemen Standpunkt stellen, daß die Polizeibehörde und der Regierungs⸗ präsident in Merseburg gesprochen hat und damit die Sache erledigt

munisten schießen auf die Polizei“. Das Blut von Halle werden die

wäre. So ungefähr wie Frau Krüger, die sich die Sache sehr leicht

gemacht hat. Sie erklärt und „stellt fest“, und für sie ist damit rie Sache sonnenklar. Aber es haben sich schon bei einer ober⸗ flächlichen Betrachtung der Dinge Fehler auf so vielen Seiten herausgestellt, daß ich nicht der Meinung bin, daß die polizeilichen Auskünfte allein ein erschöpfendes Bild geben könnten, und mich allein in den Stand setzen könnten, die notwendigen Schlußfol gerungen für die Organisation der Polizei in Halle zu ziehen. Ich muß also hier erklären, daß die Ergebnisse, die ich heute mitteile, nur Teil⸗ ergebnisse sind, und muß es mir vorbehalten, weitere Aufklärung an Drt und Stelle durch eine Ministerialkommission vornehmen zu lassen. Guruse bei den Kommunisten) Sie haben, Herr Pieck, unterstützt durch Ihre Freunde, vorhin bemerkt. daß ich das nach Ihrer Meinung ungesetzliche Verbot des Polizeipräsidenten gedeckt hätte (Abg. Pieck: Jawohl), und Sie haben weiter wahrheitswidrig behauptet, daß ich den Beamten, den Oberleutnant Pietzker als mustergültigen Beamten bezeichnet habe. (Abg. Pieck: Jawohlh Sie sind sehr schnell fertig mit dem Wort. Das hat zwar die Rote Fahne“ geschrieben, es entsprechen aber beide Behauptungen nicht den Tatsachen. (Hört, hört! bei den Kommunisten.)

Ich habe am Sonnabend morgen, als mich die beiden Ab⸗ geordneten Menzel und Obuch anriefen mit dem Ersuchen, ihnen ine Unterredung über diesen Fall zu gestatten, dem Ersuchen ent⸗ sprochen und den Herren erklärt, daß ich nicht in der Lage sei, ein abschließendes Urteil abzugeben. Ich habe wörtlich gesagt: eines Mannes Rede sei keines Mannes Rede, und ich habe hinzugefügt, daß ich nicht nur die Polizeibeamten, sondern auch Versammlungs⸗ teilnehmer befragen würde, und daß ich erst auf Grund des gesamten Berichts mir mein Urteil bülden würde.

Was die bis dahin angestellten Ermittlungen und Nachrichten anlange, so müsse ich allerdings erklären, daß die ausführenden Organe in Halle nach meiner Auffassung keine Schuld treffe. (Aha! bei den Kommunisten) Ich hatte die Genugtuung, daß Herr Menzel am Schluß der Besprechung erklärte: ich sehe ein, daß Sie als Minister nicht anders handeln können. (Hört, hört! bei der So zialdemo⸗ kratischen Partei Stürmische Zurufe bei den Kommunisten.)

Nun gestatten Sie mir, daß ich an Hand der Anfrage und der Dispositionen des Interpellanten Herrn Dr. Waentig die Auskünfte erteile, die mir heute vorliegen. Der Herr Kollege Waentig hat gemeint, daß das Verbot, das der Polizeipräsident erlassen habe, ungesetzlich gewesen sei. Soweit kann ich ihm nicht folgen. (Aha! bei den Kommunisten) Ich wäre neugierig, meine sehr verehrten Herren von der Kommunistischen Partei, einmal von Ihnen zu erfahren, ob Sie das rednerische Auftreten deutscher Sozialdemo⸗ kraten in Rußland ohne weiteres gewährleisteten. (Heiterkeit) In der Reichverfassung ist das Recht der freien Meinungsäußerung, das Recht der freien Rede allen Deutschen eingeräumt, aber nicht den Ausländern. (Lachen bei den Kommunisten und rechts und Rufe: Basch) Meine Damen und Herren, wenn Sie „Basch“ rufen, dann haben Sie damit kein Glück, das setzt meine Beweisführung nicht matt. Vor etwa drei Wochen ich kann mich im Datum jrren hat hier in Berlin die große Kundgebung des Reichs⸗ landbundes stattgefunden, und ich habe in den Zeitungsberichten gelesen, daß auf dieser Tagung auch Ausländer gesprochen haben. (Zurufe rechts: Aber Deutsche, Deutsch⸗Oesterreicher Ja, das mag vom völkischen Standpunkt eine Nuance sein, aber nicht vom staatsrechtlichen. (Erneute Zurufe links und rechts.)

Ich sage noch einmal: das Verbot war an sich nicht ungesetzlich. Wenn die Gefahr bestand, daß die Ausländer die öffentliche Ruhe und Ordnung stören konnten, dann. wäre der Polizeipräsident von Halle nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen, das Rede⸗ verbot für die Ausländer zu erlassen. Generelle Anweisungen über ein Redeverbot der Ausländer habe ich nie erlassen und werde ich auch nicht erlassen. Ich meine, das wäre ein Armutszeugnis aller⸗ ersten Ranges, wenn wir glauben wollten, daß einige Reden von Ausländern das feste Gefüge Preußens oder des Reichs auseinander⸗ sprengen könnten. (Zuruf bei den Kommunisten: Warum decken Sie dann Runge?) Freu Krüger, wollen Sie mir die Bemerkung gestatten: wenn das Staatsministerium auf meinen Antrag beschlossen hat, den Polizeipräsidenten Runge zur Disposition zu stellen, dann kann doch von einer Deckung des Herrn Runge kein Rede sein. (Sehr richtig! und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Ich sage: ein generelles Verbot kann nicht erlassen werden, und ich habe keins erlassen. Die Frage, um die es sich hier dreht, ist lediglich eine Frage sagen wir einmal polizeilicher Zweck⸗ mäßigkeit. Und da muß ich sagen: ich habe den Polizeipräsidenten Runge nicht verstanden, als er das Verbot erlassen hat. Ich habe versucht, mir das zu erklären, und habe das auch den Herren Kollegen Obuch und Menzel gesagt. Die Kommunistische Partei hatte schon vier Wochen vorher zu einer großen Kampagne gegen die „Luther⸗ Regierung“ und gegen die Regierung „Braun⸗Severing“ aufgerufen; und wer die Terminologie der Kommunisten kennt, der weiß, daß diese Aufrufe nicht so in der Sprache „Lavendel, Myrth und Thymian“ gehalten sind (große Heiterkeit); sie sind ebenso blutrünstig wie alle kommunistischen Ankündigungen, und ich habe mich gefragt, ob vielleicht unter dem Eindruck dieser Ankündigungen, die am 13. und 15. und 18. März in Massendemonstrationen ihren Ausdruck finden sollten, vielleicht auch noch unter dem Eindruck des inzwischen hier und dort proklamierten Eisenbahnerstreiks die Polizeibehörde in Halle etwa zu dem Verbot gekommen ist. Bei der Prüfung dieser Fragen bin ich zu einem negativen Ergebnis gekommen. Diese Be⸗ weggründe lagen nicht vor. Um so unverständlicher war das Verbot. Ich habe am Sonnabend früh sofort bei der Polizeiverwaltung in Halle Erkundigungen eingezogen: Waren die Namen der ausländischen Redner angekündigt, und mußte man von den Persönlichkeiten der ausländischen Redner besorgen, daß sie durch ihre Ausführungen die Oeffentlichkeit in Halle aufreizten? Es wurde mir beides verneint. Es wurde mir mitgeteilt, es sei in den Bekanntmachungen nur von zwei ausländischen Genossen die Rede gewesen. (Zurufe bei den Kommunisten. Nein, ich habe das Verbot nicht gekannt. (Er⸗ neuter Zuruf bei den Kommunisten.) Herr Rechtsanwalt Obuch, ich verweigere die Aussage. (Große Heiterkeit) Ich sage also noch einmal:; mir erschien das Verbot des Polizeipräsidenten sehr unzweck⸗

mäßig. Was mich aber zwang, den Antrag auf Verabschiedung des Polizeipräsidenten zu stellen, das war folgendes. Wer ein Verbot erläßt in so kritischen Tagen, wie wir sie jetzt durchleben, bei Beginn der Wahlkampagne für die Präsidentenwahl, in einem Augenblick, wo es zu einem Eisenbahnerstreik kommen konnte, in einem Augen⸗ blick, wo besorgt werden mußte, daß polizeiliche Verbote nicht ohne Schwierigkeiten abgehen, der mußte zur Stelle bleiben und die Wir⸗ kung seines Verbots kontrollieren. Das hat der Polizeipräsident von Halle nicht befolgt er ist zu einer Dienstreise nach Berlin gefahren.

r

war er nicht und hat die Ausführung seines Verbots Organen überlassen, die, wie sich später herausgestellt hat, nicht in der Lage waren, diese politisch und polizeilich schwierigen Dinge reibungslos zur Durchführung zu bringen. Nun die Ausführung! Ich muß da zunächst Frau Krüger be⸗ richtigen. Frau Krüger hat gesagt, es sei dem Parteisekretär der Kommunistischen Partei telephonisch gesagt worden, daß die beiden Ausländer nicht reden dürften. Das ist nicht richtig. Wäre es so, dann könnte man vieles auf kommunistischer Seite entschuldigen, und dann würde die Schuld der Polizeiverwaltung noch größer erscheinen. (Zurufe bei den Kommunisten: Noch größer) Ja, meine Herren, was ich eben gesagt habe, war doch ein Eingeständnis eines Ver⸗ schuldens der Polizei. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei) Ich habe hier die Abschrift eines Protokolls, das so lautet: Bestellt erscheint der Parteisekretär Otto Härtel, wohnhaft Dieskauer Straße 16. Dem Erschienenen wurde eröffnet, daß gegen das beabsichtigte Auftreten der Ausländer gemäß den gesetz⸗ lichen Bestimmungen über die Ausländer eingeschritten werde. Härtel erklärte: „Ich habe von dem Hinweis auf das Einschreiten gegen die Ausländer Kenntnis genommen, und ich werde das Weitere mit der Leitung besprechen. Ich werbe versuchen, bis um 1 Uhr nachmittags dem Polizeipräsidenten eine Nachricht zugehen zu lassen.“ (gezeichnet Otto Härtel. Das ist der Parieisekretär der Kommunistischen Partei. (Jurufe bei den Kommunisten) Das war am 13. März, am Tage der Ver⸗ sammlung. Herr Härtel war am Nachmittag des 13. März auf telephonischen Anruf der Polizeivetwaltung, die sich erkundigt hatte, welchen Erfolg seine Bemühungen, seine Umfrage beim Ortsverein der Kommunistischen Partei gehabt habe, nicht aufzufinden, und er (Hört, hört! Zurufe bei den dieses Verhalten des

kurrenz mit

(Lachen rechts.

haben Sie am Schluß Ihrer Ausführungen gesagt.

nie eingefallen. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. Zurufe bei den Kommunisten.) Ich soll die kommunistische Presse verboten haben. Ich habe gelegentlich einzelne kommunistische Blätter verboten, weil ich als Polizeiminister dazu verpflichtet war. Aber daß das Verhalten des preußischen Polizeiministers gegenüber der kommunistischen Presse sehr milde gewesen ist, bestätigen auch Ihre Leute. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. Zuruf: Das sind die politischen Kinder) Aber sehr unartige Kinder.

Ich komme nun zu der Frage, ob die Ausführung des Ver—⸗ sammlungsverbots zweckmäßig gewesen ist. Da gelange ich wieder, um das vorweg zu bemerken, zu einem runden Nein. Wenn ich Polizei⸗ präsident oder, sagen wir einmal, Kriminalkommissar oder Polizei— oberleutnant gewesen wäre und hätte, wenn festgestellt worden wäre, daß bis Nachmittags 4 Uhr keine Erklärung der Kommunistischen Partei vorgelegen hätte, die Weisung gehabt, Reden der Ausländer zu verhindern, dann hätte ich den Herren von der Kommunistzschen Partei die Auflage gemacht, bis spätestens 5 Uhr Nachmittags Sicherungen dafür zu geben, daß die Ausländer nicht sprechen, oder aber ich hätte die Versammlung überhaupt verboten. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei Zurufe bei den Kommunisten.) Ich freue mich, daß Sie mich so kennen. (Heiterkeit) Ich glaube, in dieser Auffassung oder sagen wir einmal in diesem Ver⸗ trautsein mit meiner Mentalität liegt für mich eine gewisse An— erkennung; denn mir liegt daran, Blutvergießen um jeden Preis zu verhüten. (Sehr richtig! Stürmische Zurufe bei den Kom— munisten.)

Es ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ungeheuer schwer, aus einer Menge von 2000 Menschen, die dicht gedrängt in einem Versammlungslokal stehen oder sitzen, jemand heraus—⸗ zuholen. Es ist aber verhältnismäßig leicht, durch zweckmäßige polizeiliche Maßnahmen ein Versammlungslokal abzusperren.

Nun hat die Polizei noch das Mißgeschick gehabt, daß sie erst einschritt, als die beiden Ausländer schon gesprochen hatten. Wenn die Autorität des Staates, der Polizeiverwaltung schon eine solche Einbuße erlitten hatte, daß die beiden Ausländer gesprochen hatten und damit das Verbot durchbrochen war, dann brauchte es nicht noch zu einem größeren Fiasko der staatlichen Autorität zu kommen. (Sehr richtig) Ich kann also nicht zugeben, daß die Durchführung des Versammlungeverbots zweckmäßig angeordnet und die Ausführung selbst zweckmäßig durchgeführt worden ist.

Was die Schuld der Einberufer anlangt, so habe ich eben schon darauf verwiesen, daß der Parteisekretär Härtel unverantwort⸗ lich gehandelt hat, als er entgegen seinem Versprechen der Polizei⸗ behörde keine Mitteilung machte, daß er nicht einmal Abends irgend⸗ einem Polizeibeamten Mitteilung von der Entschließung des kom⸗ munistischen Ortsvereins gemacht hat. Wenn dem Herrn Partei⸗ sekretär oder der Leitung des Ortsvereins in Halle die vom Polizei⸗ präsidenten getroffene Maßnahme nicht zusagte, stand es ihm frei, sich beschwerdeführend an den Regierungspräsidenten oder an mich zu wenden. Gebhafte Zurufe bei den Kommunisten) Nein, das ist nicht cichtig. Ich hätte, wenn Sie mich telephonisch angerufen hätten (Lebhafte Zwischenrufe und große Unruhe bei den Kom⸗ munisten Ich gebe es auf, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen.

Nun, meine Herren, die Schuld der Versammlungsteilnehmer Ich wiederhole noch einmal, es ist heute eine erschöpfende Aus⸗ kunft über die Vorgänge nicht zu geben. Aber so viel steht fest: es sind leider acht Tote zu beklagen. (Rufe bei den Kommunisten: Zehn) Davon ist einer durch Quetschungen verstorben, einer durch Herzschlag und sechs durch Schuswerletzungen. Die Schußverletzungen können nach dem bisherigen Befund nicht nur von Schüssen der Schutzpolizei herbeigeführt sein. (Hört, hört! bei der Sozialdemo⸗ kratischen Partei. Lärm bei den Kommunisten) Meine Herren, ich habe hier ein Gutachten:

Es erscheint der Privatbüchsenmacher, Inhaber eines Waffen⸗ geschäfts, Rudolf Hesler, 38 Jahre alt, hier, Leipziger Str. 21 wohnhaft, und sagt zur Sache als Sachverständiger vernommen, folgendes aus:

Zur Sache:

Mir sind zunächst zwei Teile eines Bleigeschosses vorgelegt worden, wie mir mitgeteilt wurde, aus dem Kopf einer erschossenen

. .

Teil des Geschosses ist stark deformiert. Der kleinere Eplitter ist abgebrochen. Der gefundene Geschoßteil besteht nur aus Blei. Es fehlen sämtliche Stahl mantelteile. Dieses Vorhandensein von Stahlmantelteilen ist unbedingt erforderlich, wenn das Geschoß aus einer Polizeipistole herrühren soll. Der Stahlmantel des Polizei⸗ geschosses ist ein Vollmantel, und es ist nicht möglich, daß der Blei⸗ kern sich vollständig herausschälen kann. Aus diesem Grunde gebe ich mein Gutachten dahin ab, daß beide Geschoßteile nicht aus einer Polizeipatrone herrühren, sondern aus einem Trommel⸗ revol ver.

(Zurufe bei den Kommunisten.)

Weiter wird mir vorgelegt ein Mantelgeschoß, Kaliber 7,65, am 14. März 1925 zwischen 10 bis 11 Uhr Vormittags bei der Tatortaufnahme im großen Saal des Volksparkes etwa 3 Meter vom hinteren Ausgang, der nach der Treppe zum unteren Saale führt, von Herrn Polizeihauptwachtmeister Riedmüller gefunden. Das Geschoß stammt aus einer Selbstladepistole, Kaliber 765. (Zuruf bei den Kommunisten: Die von Ihren Offizieren getragen wird!) die von der Polizei nicht geführt wird. Man kann sehen, daß das Geschoß auf Sand oder Kies aufgeschlagen ist.

Ich könnte Ihnen, um darzutun, daß im Saal unmittelbar nach den Vorgängen Patronenhülsen, die nicht der Waffe der Schutzpolizei entstammen, aufge unden worden sind, die Zeugnisse einiger Polizei⸗ beamter zur Verlesung bringen. Ich verzichte darauf, weil mir die se Beweisführung das erkläre ich einseitig erscheint und weil ich darin eine restlose Klärung des Sachverhalts nicht erblicke. Meine Herren, ich werde aber den Dingen auf den Grund gehen, nicht nur an Hand der Aussagen der Polizeibeamten, sondern aller Be- teiligten, die über die Vorgänge irgend etwas aussagen können. An die Damen und Herren der Kommunistischen Partei richte ich aber die dringende Bitte, ebenso objektiv zu sein und nicht das als lautere Wahrheit (Großer Lärm bei den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.])

Meine Damen und Herren, ich sagte, Frau Krüger habe in ihren Ausführungen eine Anzahl von Beschuldigungen erhoben, die schon um deswillen nicht stimmen, weil die Beteiligten mit dieser Art der Darstellung gar nicht einmal einverstanden sind. Sie hat die Frau unseres Kollegen Kilian zitiert als Eideshelferin für ihre Aussage. Sie hat gesagt, daß Frau Kilian mitgeteilt habe, sie sei von den Polizeiorganen des Herrn Polizei⸗Oberleutnants Pietzker mißhandelt worden. Guruf bei den Kommunisten: Ueber beide Augen ge⸗ schlagen) Ueber beide Augen geschlagen? Haben Sie etwa noch weitere Einzelheiten vorzutragen? Zuruf bei den Kommunisten: Genügt das noch nicht?! Nein, das genügt nicht. Meine Damen und Herren, ich habe hier die Aussage der Frau Kilian selbst. Die Aussage der Frau Kilian darüber lautet so:

Ich wurde nun von der flüchtenden Menge der Treppe nach zugeschoben und kam auf der Treppe hierbei zu Fall. Hierbei habe ich, indem die Menge über meinen Körper flutete, Verletzungen, wie Quetschungen an den Augen, Händen, Füßen und vor allem an der linken Körperhälfte davongetragen. Während des Gedränges auf der Treppe habe ich wohl noch eine Anzahl Schüsse im Saal

fallen hören. Von wem diese jedoch abgegeben worden sind, ent⸗ zieht sich meiner Kenntnis. Wegen meiner Verletzungen wurde ich dem Diakonissenhause und später der hiesigen Augenklinik zuge⸗ führt. Meine Verletzungen sind schwerer Natur, jedoch haben die⸗ selben noch keinen Einfluß auf mein Leben. (Zuruf bei den Kommunisten: Nun?) Daraus geht hervor, daß für die Quetschungen und Verletzungen der Frau Kilian die Polizei nicht verantwortlich gemacht werden kann. Guruf bei den Kommu⸗ nisten: Die Polizei ist überhaupt nicht verantwortlich! Vernommen zwei Stunden nach dem Mord) Ich weiß nicht, ob das ein Vor⸗ wurf oder ein Kompliment sein soll. (Zuruf bei den Kommunisten: Was sagen Sie hierzu?) Das ist ein Zeitungsausschnitt. SHeiter⸗ keit. Zurufe bei den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, die Frau Abg. Krüger hat dann weiter behauptet. (Große Unruhe bei den Kommunisten und Zuruf: Lump! Glocke des Präsidenten.) Meine Damen und Herren, die Frau Abg. Krüger hat dann davon gesprochen, daß die Schutzpolizei die zurückdrängende Menge an dem Weggehen durch die Notausgänge verhindert habe. Das Gegenteil ist richtig. Nach den überein⸗ stimmenden Aussagen sämtlicher Beteiligten haben die Polizeibeamten die Versammlungsteilnehmer auf die Notausgänge aufmerksam ge⸗ macht. (Hört, hört! Zuruf bei den Kommunisten: Das ist eine Lüge) Richtig dagegen ist nach den Aussagen mehreren Versamm⸗ lungsteilnehmer, daß die auf der Bühne postierten Angehörigen des Roten Frontkämpferbundes in die Versammlung hineingerufen haben: „Hier bleiben! Den Saal nicht verlassen““ (Ruse: Ahal Zuruf bei den Kemmunisten: Vielleicht in anderem Zusammen—⸗ hange! Wo haben Sie den Bericht her? Von welchen Spitz eln?)

Und nun, meine Damen und Herren, noch eines an die Adresse der Kommunistischen Partei gerichtet. Was ich getan habe die Anordnung einer streng unparteiischen schonungslosen Untersuchung —, das ist nicht geschehen auf Grund Ihrer Anträge. (Zuruf bei den Kommunisten: Die Gewerkschaften zuziehen! Warum haben Sie den Schupomann entlassen?) Das habe ich getan, weil ich die Verpflichtung habe, die Polizei Preußens von ungeeigneten Männern frei zu halten. Erregte Zurufe bei den Kommunisten.)

Meine Damen und Herren, alle Parteien dieses Hauses haben ein Recht, der Polizei und auch dem Minister des Innern die schwersten sachlichen Vorwürfe dann zu machen, wenn es durch Fehler in der Organisation (Zurufe bei den Kommunisten: Die Fehler haben wir ja festgestellt) oder durch ungeeignete Männer zu solchen Explosionen kommt, wie sie in Halle stattgefunden haben. Zuruf bei den Kommunisten: Warum haben Sie den Schupomann ent⸗ lassen, der sich zu schießen geweigert hat? Zurufe von verschiedenen Seiten. Große Unruhe. Glocke des Präsidenten) Aber Sie, meine Herren Kommunisten, haben kein Recht, die moralisch Ent rüsteten zu spielen. Kennen Sie dieses Buch? Redner hält den Mitgliedern der Kommunistischen Partei ein rotes Buch vor. Rufe bei den Kommunisten: Ja, ja! Große Unruhe. Glocke des Präsidenten.) .

Dieses Buch beschäftigt sich mit einem Reglement für den Bürgerkrieg. (Zuruf bei den Kommunisten: Den Sie seit 1915 geführt haben, Herr Severing! Heiterkeit) Wenn es nicht ein wenig anmaßend wäre, würde ich Ihnen, Herr Bartels, antworten, daß das Ei klüger sein will als die Henne. (Heiterkeit) In diesem Reglement zum Bürgerkrieg heißt es unter anderem:

Die Arbeit der Parteien in der Armee, in der Flotte, in der

Polizei zwecks Zersetzung derselben. Der Charakter und das

Gurufe bei den Kommunisten) Sie irren, meine Herren, bei mir

Person, und zwar des Hans Dittar, stammend. Der großere

Tempo der Arbeit. Die Bewaffnung. Erzeugung von Waffen,

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