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Aujwertungsfrage eme wirtschaftliche Hilfe zuteil werden, die jedoch in Uebereinstimmung mit der Regierungsvorlage keinesfalls über den Rahmen hmausgehen darf. welchen unsere arm gewordene Volts— gemein'chaft ohne Gefährdung ihres Bestandes zu ertragen vermag.
Wenn Sie so, meine Damen und Herten, jowohl bei der Ver—
abichiedung der Steuergesetze wie bei der Erledigung der Auf— wertungäfrage die unabweisbaren Bedürsnisse des Staats und die Interessen des einzelnen scharf und soigfältig gegeneinander abwägen, dann werden sich Ihre Beschlüsse jetzt und in der Zukunft zum Segen des Volfsganzen auswirken und eine dauernde Grundlage schaffen zum Wiederaufbau unseres Vaterlandes. (Beifall rechts.)
Hierauf erhält das Wort Reichsjustizminister Frenken.
Reichsminister der Justiz Dr. Fren ken: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige grundsätzliche Ausführungen zu dem Entwurf des furz sogenannten Aufwertungsgesetzes. In der Regierungserklärung vom 19. Januar d. J. hat der Herr Reichs— kanzler zur Aufwertungssrage gesetzageberische Vorschläge in Auesicht gestellt, die endgültiges Recht schaffen sollen. Dabei soll, so heißt es in der Re—⸗ gierungserklärung, mit vollem Verständnis für die Notlage insbesondere der alten Sparer in Ergänzung der Dritten Steuernotverordnung im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen den berechtigten Wünschen der durch die Geldentwertung Geschädigten Rechnung getragen werden. Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Aufwertungsgesetzes ist dazu bestimmt, für das Gebiet der Hypotheken und anderer privatrecht⸗ licher Ansprüche dieses gegebene Versprechen einzulösen. Die Grund— aufsassung, die für die Reichsregierung bei der Lösung des Problems maßgebend gewesen ist, und die Ziele, die sie mit der Vorlage ver— folgt, sind in den kurzen Worten der erwähnten Erklärung so prägnant und erschöpfend gekennzeichnet, daß ich mich auf wenige Ausführungen beschränken kann
Tie Reichsregierung ist sich dessen bewußt, daß die Aufwertungẽ— frage weder eine reine Rechtsfrage noch eine rein wirtschaftliche Frage ist Sie geht vielmehr davon aus und ist davon überzeugt, daß es gilt, das Streben nach höchster Gerechtigkeit mit der Verantwortung für den wirtschaftlichen Fortbestand und den wirtschaftlichen Aufstieg unseres Vaterlandes zu versöhnen. Die Reichsregierung betrachtet die Aufwertungsfrage vor allem aber auch als eine soziale Frage von höchster Bedeutung sowie als eine Frage der Ehtik. Sie ist der Ueberzeugung, daß die Aufwertungsfrage zu einer Schicksalsfrage des deutschen Volkes zu werden droht, wenn bei ihrer Lösung nicht alle diese Gesichtspuntte: Recht und Sittengesetz. Wirtschafts- und Sozial, politik in gleichem Maße Berücksichtigung finden, und wenn es nicht gelingt, nunmehr schnell und endgültig Klarheit über die dem einzelnen Volksgenossen zukommenden Rechte und Veipflichtungen zu schaffen
diesen Eiwägungen heraus hat die Reichsregierung die indipscuelle Lösung der Aufwertungsfrage, mag sie vom Rechtsstand— punste aus noch so naheliegen, ablehnen müssen, da die Individual⸗ auswertung ohne zahlreiche Prozesse die erforderliche Klarheit nicht zu schaffen vermag. Diese Klarheit kann nur durch eine schematische, generelle Lösung erreicht werden. Dabei betone ich, daß der Entwurf des Aufwertungsgesetzes, um nicht einem bei der Vielgestaltigkeit des Wirtschastelebens unerreichbaren Ziel nachzujagen, die Frage der Auf⸗ wertung nicht etwa für alle Gebiete des Rechtsverkehrs regeln will sondern sich in bewußter und gewollter Beschränkung ebenso wie die Dritte Steuernotverordnung nur auf die Vermögenslage erstreckt und im übrigen auf das allgemeine Recht verweist.
Ter Herr Reichsfinanzminister hat bereits darauf hingewiesen, daß zwischen den Ihnen vorliegenden Entwürfen der Steuergesetze, des Finanzausgleichs und des Aufwertungsgesetzes ein untiennbarer Zusammenhang bestebt Damit ist bereits angedeutet, daß wirtschafts— politische Erwägungen den Inhalt des Aulswertungsgesetzes maßgebend beeinflussen mußten. Gleichwohl werden Sie bei eingehender Prüfung des Entwurfs nicht verkennen., daß die Vorlage der Reichsregierung in zahlreichen und wichtigen Punkten die Lage der Gläubiger bessert und vom Standpunkt des Rechts, der Ethik und des sosialen Emp— findens wesentliche Forischritte gegenüber der Dritten Steuernotver— ordnung bedeutet (Sehr wahr! bei den Deutschnationalen“)
Ich wende mich nunmehr zu den wichtigsten Einzetheiten der Vorlage. Zunächst bringt der Entwurf eine Erhöhung des Auf— wertungssatzes für Hypotheken, Grundschulden und Reallasten sowie für hypothekarisch gesicherte Forderungen. Ucher den Weg, auf dem dieses Ziel am besten zu erreichen ist, hat sich zwischen der Reichs— regierung und dem Reichsrat eine Einigung nicht erzielen lassen Die Reichsregierung glaubt, daß — allgemein gesprochen — ein Unter— schied zwischen mündelsicheren und nichtmündelsicheren Rechten gemacht werden müsse. Dieser Gedanke hat auch im Aufwertungsausschuß des Reichstags fast allseitig Zustimmung gefunden. Die Regierungs— vorlage will daher den Aufwertungssatz von 15 9υ nur bei den Rechten, die zur Zeit ihres Erwerbs durch den jetzigen Gläubiger innerhalb der ersten Hälfte des Wehrbeitragewerts lagen, erhöhen, und zwar um eine Zusatzauswertung von 10 Prozent. Diese Zusatzaufwertung soll, um eine allzu plötzliche und zu starke Belastung des Schuldners zu vermeiden, hinsichtlich des Veizinsungsbeginns, der Fälligkeit und des grundbuchlichen Ranges anders behandelt werden als die 15 prozentige Autwertung. Die von der Reichsregierung vorge—⸗ schlagene Lösung der Rangfrage, wonach die Zusatzaufwertung in die zweite Hälfte des Grundstückewerts verwiesen wird, hat den großen wirtjchastlichen Vorteil, daß dem Eigentümer der unbelastete Teil der ersten Hälite zur Sicherstellung neuer Kiedite srei bleibt. Der Reichsrat will demgegenüber den Aufwertungsjatz bei allen dinglichen Rechten auf 20 Prozent erhöhen und auch die Verzinsung, die Fälligkeit und die Rangsrage einheitlich regeln. Zuzugeben ist, daß der Vorschlag des Reichsrats für die Praxis, insbesondere für den Grundbuchvertehr, eine gewisse Vereinfachung gegenüber der Regierungs⸗ vorlage bedeutet. Dieser Vorteil wiegt jedoch nach Ansicht der Reichs⸗ regierung den Verlust des Grundbuchgesetzes für eine neue Kredit bvpothek nicht auf. Gewiß ist es im übrigen richtig, daß nach den Vorschlägen des Reichsrats auch die sogenannten zweiten Hypotheken, die sich vorwiegend in den Händen des Mittelstandes befinden, an der erhöhten Aufwertung teilnehmen würden. Dasselbe würde aber auch für dritte und vierte Hypotheken gelten, und es will der Reichsregierung nicht richtig erscheinen, sogenannte Schornstein. bypotheken ebenso zu behandeln wie mündelsichere Anlagen. Es kann nicht anerkannt werden, daß nach der Regierungsvorlage die Erhöhung des Aufwertungsjatzes im wesentlichen nicht den ge— schädigten Privatgläubigern, sondern den Kreditinstituten zugute kommen würde; diese sind ja nur Kiediwermittler gewesen; die
Aufbereitung aus der Kohle Oel gewönnen, mit dem wir uns vom Ausland unabhängig machen würden. Das Kohlensyndikat habe aus
daher zugunsten der Pfandbriefinhaber, der Sparkassengläubiger auswirten
Die Zinssätze sind gegenüber der Dritten Steuernotverordnung wesentlich erböht. Eine weitere Verbesserung bringt den Gläubigern die Eintührung einer auch die innere Kauffiaft berückichtigenden
Meßzahl an Stelle des Dollars.
Die Auswenung der bypothektarisch gesicherten Forderung soll regelmäßig auf den gesetzlich sestgesetzten Normaljatz beschränkt bleiben; diese Regelung ist unvermeidlich, soll nicht die durch die schematische Aufwertung des dinglichen Rechts erreichte Sicherheit in der Be— urteilung der Kiedusicherheit des Schuldners auf dem Umweg über die persönliche Forderung wieder zunichte gemacht werden. Nur aus— nahmeweise oll eine Aufwertung nach allgemeinen Grundsätzen er— folgen dürsen. Der Kreis der Ausnahmen ist jedoch gegenüber dem geltenden Recht erweitert worden; insbesondere ist der für Resikauf. geldforderungen bestehende Stichtag vom 31. Dezember 1918 um 7 Jahre auf den 31. Dezember 1911 zurücverlegt
Von einschneidender Bedeutung ist die Erfüllung des Wunsches
nach Aufwertung bereits getilgter Forderungen. Die Rückwirkung soll nach dem Entwurf platzgreisen bei allen Zahlungen, die der Gläubiger nach dem 15. Dezember 1922 angenommen hat, einerlei ob er einen Vorbehalt gemacht hat oder nicht. Für die Wahl des Stichtags war entscheidend, daß erstmalig im Januar 1923 Er— klärungen der Reichsregierung verlautbar wurden, nach denen gesetz liche Maßnahmen zum Schutz der Hypothekengläubiger nicht zu er— warten seien. Wer mit Rücksicht auf diese Erklärungen geglaubt hat, der Zurückzahlung von Kapitalschulden durch seinen Schuldner keinen Widerstand entgegensetzen zu können, soll geschützt wewen. Dabei möchte ich jedoch auf eins hinweisen. Wegen jener Er— klärungen sing vielfach Angriffe gegen die damalige Regierung er— hoben worden. Diese Angriffe halte ich für unbegründet. Die Währungspolitik hielt damals aus zwingenden Gründen an dem Satz „Mark gleich Mart“ fest. Diese Währungspolitik wäre auf das schwerste gefährdet worden, wenn etwa die Justizgesetzgebung andere Wege eingeschlagen und sich zu dem Gedanten der Aufwertung bekannt hätte; die Folgen für die allgemeine politische Lage unseres Vaterlandes, das sich damals mitten im Ruhrkampf befand, wären unabsehbar gewesen. Nach meiner Ueberzeugung konnte daher die Reichsregierung damals gar nicht anders handeln, als alle gesetz‚ geberischen Maßnahmen auf dem Gebiete der Aufwertung ablehnen. Die rückwirkende Aufwertung über den 15. Dezember 1922 und über die Hälfte des gesetzlichen Auswertungsbetrags zuzulassen, glaubt die Reichsregierung aus wiürschaftlichen Gründen nicht verantworten zu können. Im übrigen soll aber die Rückwirkung auch vor Vergleichen und rechfekräftigen Urteilen nicht Halt machen. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs soll nicht angetastet werden.
Eine Höherauswertung der Industrieobligationen und eine Auf— wertung der Bankguthaben erscheint der Reichsregierung ebenso wie dem Reichsrat und dem Vorläufigen Wirtschaftsrat nicht tragbar— Die nähere Darlegung der wirtschaftlichen Tatsachen, die zu dieser Stellungnahme zwingen, darf sich die Neichsregierung für die Ausschuß— beratungen vorbehalten
Die neuen Vorschriften werden auch für die Gläubiger von Pfandbriefen, Sparkassenguthaben und Versicherungsansprüchen eine erhebliche Erhöhung der Verteilungsquote bringen. Den Sparkassen— gläubigern wird insbesondere auch die bevorzugte Behandlung der Soarkassen bei der Ablösung der öffentlichen Anleihen zugute kommen.
Meine Damen und Herten! Die Lösung der Aujwertungsfrage bedeutet für Sie eine große und schwere Aufgabe. Ich hoffe und wünsche, daß es Ihnen gelingen möge, Ihre Arbeiten in kürzester Frist zu beenden; ein Ziel haben Sie sich ja selbst mit dem 30. Juni d. J. gesetzt, zu dem Sie die Aufbebung des Artikel 1 der Dritten Steuernotverordnung beschlossen haben, wobei Sie davon ausgegangen sind, daß an diesem Tage die Neuregelung in Kraft getreten sein wird. Ich hoffe und wünsche aber weiter, daß das Ergebnis Ihrer Arbeiten eine endgültige Lösung des heißumstrittenen Aufwertungs— problems bringen und so die für den sozialen Frieden und unser Wirischaftéleben so überaus notwendige Beruhigung schaffen möge zum Wohle unserer Volksgenossen, zum Heile unseres Vaterlands. (Bravo!)
Hierauf wird die Beratung des Gegenstandes abgebrochen, um sie am Montag fortzusetzen. g
Das Haus tritt darauf in die Beratung des Haushalts des Reichs wirtschaftsministeriums ein.
Abg. Schmäidt⸗Berlin (Soz.) weist darauf hin, daß wir uns nach glücklicher Ueberwindung der Inflationszeit am Abschluß einer Epoche unserer Wirtschaft befinden. Der Redner wendet sich dann gegen die Gefahr der Bildung großer Unternehmergruppen. Er meint, wir hätten heute noch nicht die Auswirkungen solcher Zu— sammenschlüsse vor uns; die würden sich erst in Zukunft zeigen. Der gegenmvärtig herrschende Kapitalmangel sei nichts als eine Folge der Nuflatien, die eben zu einer Zerstörung der Sparkapitale führte. Bei Betrachtung der gegenwärtigen Konkurrenzunfähigkeit unserer Industrie gegenüber dem Auslande würde immer auf die zu hohe Belastung der deutschen Industrie durch Steuern hingewiesen. Wan brauche sich aber nur den Großhandelsindex der mit uns im Handel stehenden Ic der anzusehen, um zu merken, daß bei diesen Klagen stark übertrieben werde. Dabei seien noch nicht einmal die Arbeifer— löhne in Deutschland böher als anderswo. Im Gegenteil zahle Eng— land seinen Arbeitern mehr als zweimal so hohe Löhne. Es sei doch nicht so unmöglich für die deutsche Industrie, konkurrenzfähig auf dem Auslandsmarkt zu bleiben, die Wirkschaftler müßten nur die Quellen der Preisdifferenzen klarer feststellen. Der Krieg habe uns viele Absatzgebiete verlorengehen lafsen. Es fehlen Kapitalien für den Wiederaufbau des , der Schiffahrt usw. Alle Ver⸗— hältnisse auf dem Weltmarkt hätten sich verschoben, die Vereinigten Staaten von Amerika seien heute im Besitze von 56 Prozent der Rohstoffproduktion der ganzen Welt und 6. zum Gläubiger fast der ganzen Welt geworden. Wir können mit dem Ausland nur kon— kurrieren, wenn wir uns auf die Herstellung von Waren konzen— trieren, bie qualifizierte Arbeitskräfte erfordert. Die Arbeitslöhne und die Gehälter der unteren Beamten müssen erhöht werden, um die Kaufkraft zugunsten unserer Produktion zu heben. Seine Partei warne aber vor jeglichen Maßnahmen, die wieder eine Inflation herbeiführen könnten. Dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht gebühre Dank für sein energisches Auftreten gegen den Ansturm, der nach einer Erhöhung der Kreditgewährung drängte. Die Ueber— produktion an Steinkohle miu hintangehalten werden und wir müßten die Absatzmöglichkeiten für unsere Kohle möglichst zu steigern suchen und ferner nach einer anderen Verwendung der Kohle streben, indem wir die vollständige Verkokung vornähmen und durch chemische
Versicherten
rein kapitalistischen Gründen, ohne sich um die sozialpolitischen Folgen zu kümmern, die Stillegung von Zechen dekretiert. Das Wirt⸗ schaftsministerium dürfte dieses rücksichtslose Vorgehen der Berg— herren guch nur indirekt nicht unterstütßen. Die großen Konzerne hielten für sie das Syndikat selbst nicht mehr für nötig. Es müsse aber erhalten bleiben, damit die Streitfragen nicht auf dem Rücken
ihnen zufließende Auswertung ihrer erststelligen Hypotheken wird sich
und der
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ausländischer Kohle schützen. elsässischen Konkurrenz schwer leiden, wenn es nicht gelungen wäre, das Kalisyndikat zwangsweise zu bilden. Die Bildung von Kali konzernen innerhalb des Syndikats müsse aber verhindert werden. Auf dem Gebiete der Landespolitik wünsche seine Partei, daß die Zollvorlage möglichst bald an den Reichstag gelange. Bei den Han⸗ delsvertragsverhandlungen müsse beachtet werden, daß wir auf Roh⸗— stoffe und Nahrungsmittel, die kein Volk entbehren könne, aus dem Ausland angewiesen seien Seine Partei bedauere die Ablehnung des Panischen Handelsvertrages im Reichstagsausschuß, es müsse aber den Regierungsparteien überlassen werden, ihrerseits die Mehrheit für die Annahme des Vertrages im Plenum zu stellen. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Konzessionen müßten wir bei jedem Handels— bertrag machen Wenn es trotzdem gelinge, unseren heimischen Weinbau gegenüber Spanien zu schützen, so sollte uns das nur freuen. Abstand nehmen sollten wir von jedem Versuch, unsere Aus⸗ fuhr durch Ausfuhrprämien zu heben; das habe immer nur die Wirkung, daß uns die anderen Staaten ebenso antworten In d Wahl des Reichspräsidenten sehe er keine Förderung unserer wi schaftlichen Beziehungen zum Ausland; wir müßten uns bemühen um die Beseitigung des Mißtrauens und um die Verständigung mit den anderen Völkern (Beifall bei den Sozialdemokraten.) s
Abg. v. Rau mer (D Vp.) gibt nachträglich noch einen Bericht über die Ausschußverhandlungen. Der Ausschuß fordert zur Er— leichterung der Vorbereitungsarbeiten für die deutsche Zoll- und Handelspolitik baldige Durchführung der Produktionsstatistik für die perschiedenen deutschen Wirtschaftszweige, ferner Beibringung der ein— schlägigen Auslandsstatistiken. Der Ausschuß setzt sich für die
weitere Entwicklung des, Reichswirtschaftsgerichts ein, fordert Unterstützung des Instituts für wirtschaftliche Betriebs—
führung im Handwerk zu Karlsruhe sowie die Vorlage eines Berufs— ausbildungsgesetzes. Weiter verlangt der Ausschuß die Prüfune der gefährdeten Lage des deutschen Obstabsatzes, die Vertagung eines Reichsbemannungsgesetzes für Seeschiffe fowie eines Gesetzes über die Einrichtung bon Arbeitnehmervertretungen für die Betriebe der Seeschiffahrt. Der Beitrag zur Hebung der Birtschaftlichkeit der ge⸗ werblichen, industriellen und landwirtschaftlichen Produktion ist von 50 C09. Mark auf 16. Millionen Mark erhöht worden
Abg. Leije une⸗Jung (D. Nat.) schließt sich den Ausführungen des Reichskanzlers auf dem Industrie⸗ und Handelstag an. Es gebe keinen Sland, dem es nicht schlecht gehe, wenn die wirtschaft⸗ lichen Grundlagen des Volksganzen unkerhöhlt seien. Die ein⸗ zelnen Wirtschaftsgruppen und Berufsstände seien eng aufeinander angewiesen, darum solle man keine Gegensätze wachrufen oder vertiefen. Der Redner zitiert Cassel, nach dem nicht nur Frankreich durch den Krieg devastiert sei, sondern die Devastierung Deutsch⸗ lands viel größer sei. Bedauerlich sei, daß dem deutschen Volke erst so spät die Erkenntnis von der Größe seiner Verluste auf⸗ gegangen sei. Auch seine Partei habe den dringenden Wunsch
nach unbedingter Aufrechterhaltung unserer Währung, bedenklich sei aber das Defizit unserer Handelsbilanz. Die passive Bilanz ei und bleibe ein untrügliches Zeichen unserer fortschreitenden
V Der, Redner zersucht dies zahlenmäßig nachzuweisen. Insonderheit wirke die Einfuhr hochwertiger Textilerzeugnisse belastend auf unsere Handelsbilanz. Bei der Ausfuhr hätten
Verarmung.
andererseits gerade wieder die Fertigwaren einen Rückgang zu verzeichnen. Die Auslandskredite seien leider zum Teil zur Ein⸗
fuhr von Konsum- und Luxusartikeln verwendet worden. Es sei höchste Zeit, dem Problem der 1 der Handels- bilanz auch von der Einfuhrseite her auf den Leib zu rücken.
Deshalb halte seine Partei die Einführung von Schutz- und Aus⸗ gleichszöllen für erforderlich. Denn die sonst notwendige Steige⸗ rung unserer Ausfuhr auf 15 Milliarden erscheine ausgeschlossen. Ein Zolltarif, der zugleich eine wirtschaftspolitische Waffe bei den Handẽlsvertrüigs ver handlungen bilde, müsse schleunigst geschaffen werden. Rings um uns sei eine fast unübersteigliche Zoll mauer. Selbst England sei kein völliges Freihandelsland mehr. Dabei habe der internarionale Metallarbeiterkongreß unter , Mit⸗ wirkung die Niederlegung der Zollschranken für Deutschland ge⸗ fordert. (Hört! hört!! Der bisherige Gang der Handelsvertrags⸗ verhandlungen insonderheit mit Frankreich erfülle seine Partei mit großer Sorge. Mit dem Londoner Reparationspakt könnten wir wirtschaftlich nicht weiterkommen. Unsere wirtschaftspolitische Position sei tatsächlich viel stärker als die handelspolitischen Wünsche unsexer Gegner. Er hoffe, daß die neuen Steuergesetze in einer für die Wirtschaft erträglichen Fassung aus dem Ausschuß heraus⸗ kommen. Der innere Zoll der Umsatzsteuer müsse aus dem Innern des Landes an die Grenze verlegt werden. (Sehr richtigh Die Ruhrkohle könne in Hamburg infolge unserer Frachtenpolitik nicht mehr konkurrieren. Daher sei eine Ermäßigung des Fracht⸗ tarifs dringend erforderlich. Die deutsche Industrie sollte auf dem Innenmarkt weiter Fuß zu fassen suchen. Zwischen Industrie und Landwirischaft bestehe eine Schicksalsgemeinschaft. Die Auf⸗ nahmefähigkeir des inneren Marktes müsse gestärkt werden. Die Bemühungen des Reichswirtschaftsministeriums, den Spartrieb zu wecken und zu stärken, begrüße seine Partei. Die Erzeugungskosten müßten nach Möglichkeit heruntergedrückt werden. In der Lohn⸗ politik gewährleiste nicht Egalisierung, sondern Differenzierung den Fortschritt. Nur äußerste Anspannung aller Kräfte, solidari= sches Zusammenwirken aller Volkskräfte und praktische Sozialpolitik könne unser Volk wieder hochbringen.
Die Beratung wird hierauf abgebrochen. Das Haus ver— tagt sich auf Sonnabend 1 Uhr, zur Weiterberatung des Wirt- schaftsetats.
Schluß 6 Uhr.
Freußischer Staatsrat.
Sitzung am 30. April 1925.
(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Der Staatsrat nahm heute Kenntnis von den beiden Votverordnungen zum Finanzausgleich und zur Dritten Steuernotverordnung, die von der Staatz regierung bereits erlassen worden sind.
Der Berichterstatter Dr Kaiser-Dortmund gab dem Be⸗ dauern Ausdruck. daß der Staatsrat nicht vor Erlaß der Verord— nungen gehört worden ist. Im Ausschuß seien Bedenken insbesondere dagegen erhoben, daß das Mehraufkommen aus der Hauszins teuer, das restlos dem Wohnungsbau zugeführt werden soll, ausschließlich dem Staat zur Verfügung gestellt werden soll. Nach der Verordnung heißt es. daß der zur Förderung der Neubautätigkeit bestimrate Teil der Hauszinssteuer zu drei Vieriehntel dem Staate, zu vier Vier⸗ zehntel nach Maßgabe des örtlichen Auskommens den Stadt⸗ und Landkreisen zufällt. Der Ausschuß schlägt vor, zwei Vierjehntel an Stelle diei Vierzehntel und fünf Vierzehntel an Stelle von vier Vierzehntel zu setzen
Der Antrag des Ausschusses fand Annahme. Ferner wurde eine Entschließung angenommen, in der der Staatsrat die Erwartung ausspricht, daß die Gemeinden und Gemeinde⸗ verbände des besetzten Gebietes aus dem Staatsanteil der Hauszinssteuer für Neubautätigkeit tunlichst die Summen er⸗ halten, die aus den betreffenden Gemeinden und Gemeinde⸗ verbänden für diesen Anteil abgeführt werden. Damit war die Tagesordnung eischöpft.
Die nächste Sitzung wird vom Präsidenten noch fesigesetzt
der Arbeiter ausgefochten würden. Die Macht des Ministeriums
*
werden.
über der kapitalistischen Herrschaft der Bergherren müsse gestärkt werden. Der Kohlenwirtschaftsrat müsse instand gesetzt werden, die Ausnützung unserer wertvollen Bodenschätze sorgfältig zu überwachen. Die oberschlesische Kohle könne viel besser ausgenutzt werden, z B. ür die Oelgewinnung. Das Wirtschaftsministerium müsse auf die Heichsbahnverwaltung, drücken, damit diese die inländische Kohle, die sie für den Eisenbahnbetrieb sehr wohl gebrauchen könne, mehr verwende. Das Reichsinteresse und das soizale Interesse für die Ar— beiter erfordere es unbedingt, daß wir uns gegen die Ueberflutung mit Die Kaliindustrie würde anter der
Hand gelassen.
Preußischer Landtag.
35. Sitzung vom 30. April v2, wormittags 11 Uhr. Bericki des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).
Präsident Bartels eröfinet die Sitzung nach 11 Uhr.
Nach Ueberweisung der zur Linderung der Kreditnot von Landwirtschast, Handel und Gewerbe gestellten Urantrage an den Hauptausschuß setzt das Haus die augemeine politische . uber die Regierungsertlärung
rt.
Ministerpräsident Braun: Die bisherige Besprechung meiner Erklarung hat mir eigentlich wenig Anlaß gegeben, schon jetzt das Wort zu ergreifen. Gleichwohl halte ich es fur zweckmäßig, ein gen mißverständlichen Auffassungen meiner Ausfuhrungen schon jetzt entgegenzutreten.
Vorweg möchte ich eine Sache ausräumen. Herr Lüdicke hat gestern gegen mich den Vorwurf erhoben, ich hätte Herrn von Zitzewitz usw. mit Barmat auf eine Stufe gestellt. Er kann zu dieser Ausführung nur kommen, wenn er meine Rede nicht genau gelesen hat. Ich habe auf fortgesetzte Zwischenrufe von der rechten Seite des Hauses: „Barmat, Barmat!“, die zu meiner Erklärung gar nicht gehörten, nur gesagt: Barmat ist, soviel mir bekannt ist, debenso wie Herr von Zitzewitz, Herr von Etzdorf usw. Objekt der Rechtspflege, und wir werden das Urteil der gerichtlichen Behörden abwarten müssen, bevor wir uns über diese Herren äußern können. Ich halte es für Unfug, schon jetzt politische Geschäfte mit diesen sicherlich nicht sehr erfreulichen Erscheinungen in dem öffentlichen Leben zu machen (Sehr richtig! im Zentrum und links). Ich erkläre nunmehr, nachdem ich mich informiert habe, daß Herr von Zitzewitz nicht mit den Herren von Carlowitz, seinem Schwiegersohn, von Etzdorf und wie die Herren heißen mögen, auf eine Stufe zu stellen ist, sondern das Strafverfahren schwebt gegen die Herren von Carlowitz, von Etzdorf, von Karstedt usw., Geheimrat Nehring, und zwar gegen die ersten wegen Betruges an Herrn von Zitzewitz. (Sehr richtig) Ich bin gern bereit, zuzugeben daß das ein Ver— sehen von mir war, das dadurch erklärlich ist, daß ich auf einen Zwischenruf antwortete, und daß ich diese Dinge vornehmlich aus der Presse kenne und der Name des Hern von Zitzewitz immer gleich- zeitig mit denen der anderen Herren genannt worden ist. Der Vor— wurf in meiner Bemerkung richtet sich daher nicht gegen Herrn von Zitzewitz, sondern gegen die anderen Herren, die ich hier genannt habe. Den halte ich aber aufrecht, nämlich, daß sie ebenso wie Barmat und die anderen zurzeit Objekt der Rechtspflege find und daß es zweckmäßig ist und zur Gesundung unserer politischen Verhältnisse beitragen würde, wenn man das Urteil abwarten wollte, bevor man politische Geschäfte mit solchen traurigen Vorkommnissen macht. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und links.)
Meine Damen und Herren, Sie bringen Barmat mit der Sozialdemokratie in Verbindung. Wir wollen nicht untersuchen, inwieweit die Herren von Etzdorf usw. mit den anderen Parteien in Verbindung stehen. (Lebhafte Zurufe rechts: Gar nicht) Es ist überhaupt ein Unfug, solche Dinge politisch in dieser Weise zu fruktizifieren.
Meine Herren, da ist dann weiter von Herrn Abgeordneten Lüdicke in seiner gestrigen Rede erklärt worden, der Ministerpräsident bekenne sich zur Schuldlüge. Diese Behauptung ist ebenso falsch, ist ebenso eine Lüge (Oho⸗Ruße bei der Deutschnationalen Volkspartei), wie die Behauptung im Versailler Vertrag, daß Deutschland und seine Verbündeten die Alleinschuldigen am Kriege sind. Nach meinen Ausführungen, die ich hier stets und auch in der letzten Zeit zur Schuldlüge gemacht habe, wird niemand die Behauptung mit Recht aufstellen, daß ich mich zur Schuldlüge des Versailler Vertrags be— kenne. Sie leisten unserem Lande keinen guten Dienst (sehr richtig: links — Lärm bei der Dentschnatio nalen Volksparteih, wenn Sie der⸗ artige unwahre Behauptungen hier ausstellen.
Meine Herren, es ist dann, wie ich schon sagte, in der bisherigen Aussprache über meine Rede und das Regierungsprogramm sehr wenig gesprochen worden. (Zurufe rechts) Ich erklärte, ich stelle mich auf den Standpunkt des Programms, das Herr Marx am 18. Februar vor dem Landtage dargelegt hat. Es wäre für Sie keine große Mühe gewesen, dieses Programm noch einmal durchzulesen. Sie können mir nicht zumuten, wenn ich auf dem Boden des Programms stehe, es Ihnen vorzulesen oder mit anderen Worten nochmal wiederzu⸗ geben, zumal ich auf dem Standpunkt stehe, daß wir Programme hier genug verlesen haben (lebhafte Zustimmung links) und es jetzt mehr auf Taten ankommt. Es lag für Herrn von Campe gar keine Ver— anlassung vor, diese Tatsache so ironisch zu behandeln, wie er es getan hat; denn es war doch reichlich naiv von ihm anzunehmen, daß ich ein ganz neues welterschütterndes Programm vorlegen würde. Das hat er wohl auch selbst nicht geglaubt, er hat sich lediglich durch seine ironische Behandlung der Sache einen rhetorischen Erfolg sichern wollen. Ich habe in meiner Rede erklärt, daß die politischen Richt⸗ Hinten der großen Koalition für mich und mein Kabinett auch jetzt noch richtunggebend sind. Und gerade Herr von Campe hat doch 33 Jahre hindurch in der loyalsten Weise mit mir nach diesen Richtlinien seine Politik getrieben. Also diese Richtlinien des Programms der Regierung müßten Herrn von Campe bekannt sein, so daß er zu solchen ironischen Bemerkungen nicht den allergeringsten Anlaß hatte. Es ist nur die Aenderung eingetreten, daß ich und mit mir das Kabinett diese Richtlinien jetzt noch für richtig halte und Herr von Campe sie für richtig hielt für die damalige Zeit und sie von ihm jetzt abgelehnt werden. Daraus, daß ich und die Parteien, die bum Teil hinter mir stehen, nicht so agil bin, die Meinung so schnell zu ändern, können Sie mir doch nicht einen Vorwurf machen, sondern der Vorwurf fällt auf Sie zurück.
Herr von Campe hat gemeint, er hätte diese Politik für die Ver— gangenheit gebilligt und er hätte sich für die Zeit nach der Wahl freie Das habe ich nicht bestritten. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß es die Politik ist, die von den Herren der Deutschen Volkspartei selbst 31 Jahre mitgemacht und gebilligt worden ist und daß die Deutsche Volkspartei diese Politik nach der Wahl ver— worfen hat. Ob ich, wie Herr von Campe meint, das in verletzenden Worten gesagt habe, lasse ich dahingestellt. Es kann eben nicht jeder so konziliant sein, wie Herr von Campe. (Heiterkeit) In der Form sind wir alle verschieden, und ich bin fest überzeugt, wenn ein und die— selbe Sache selbst in der volksparteilichen Fraktion das eine Mal von Herrn von Campe, das andere Mal von Herrn Stendel vor—⸗ getragen wird, wird sich vielleicht auch im Ton eine gewisse Ab- weichung ergeben. Sehr gut! links.) Wenn nun gar Herr von Richter
) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
es vorträgt, wird sich vielleicht eine noch größere Abweichung ergeben Ueber den Ton also wollen wir uns nicht unterhalten. Der Ton klingt oft sehr schroff, insbesondere wenn man gezwungen ift, meistens unter einer Begleitmusik von links und rechts zu reden, die es gar nicht möglich macht, wirklich nüanciert und ruhig einen Satz aus— zusprechen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und im Zentrum) Wenn nach dieser Richtung hin hier eine Besserung eintreten würde, würde ich außerordentlich dankbar sein. (Sehr guth Meine Damen und Herren, wir haben im alten preußischen Ab⸗ geordnetenhause, wo Sie, meine Herren auf dieser Seite (nach rechts) des Hauses, eine überwiegende Macht hatten, wo wir nur eine kleine Opposition waren. auch schwere Kämpfe geführt. Wir haben mit aller Schärfe gegen die Regierung gekämpft; aber derartige Szenen, wie hier, daß in det Unruhe die Minister überhaupt nicht zu Worte kommen können, hat es dort nicht gegeben. (Zuruf rechts: Das waren auch andere Leute! — Unruhe.) — Der Unterschied war, daß sie Ihrer Partei angehörten. Das ist parlamentarisch kein Grund, sich hier in dieser Weise zu verhalten. Hier kann jeder, jeder Abgeordnete und
auch jeder Regierungsvertreter, das Recht für sich in Anspruch nehmen,
daß er ruhig angehört wird. (Sehr richtig! bei den Sozialdemo⸗ kraten. — Zurufe rechts.) Jeder Abgeordnete und jeder
Regierungsvertreter hat das Recht, zu antworten und kann verlangen, in Ruhe angehört zu werden. Meine Damen und Herren, Sie drücken das Ansehen des Parlaments selbst herab, wenn Sie in dieser Weise die Verhandlungen stören. (Zurufe rechts) — Meine Damen und Herren, das, was ich jetzt sage, richtet sich gegen alle Seiten dieses Hauses. Der Skandal ist nicht nur auf der einen Seite, sondern auf allen Seiten. Daß ich naturgemäß, während ich hier in Ihrer außer⸗ ordentlich angenehmen Nachbarschaft rede (Heiterkeit), Ihre Liebens— würdigkeiten am allermeisten höre, meine Herren auf der Rechten, das ist durchaus begreiflich, um so mehr, als ich nach links etwas schwerhörig bin. (Große Heiterkeit. — Sehr gut! bei den Sozial. demokraten Herr Abg. Dr. von Campe meinte, er und seine Freunde hätten eben die Jahre hindurch die Politik der Großen Koalition mit uns getrieben, weil sie sich der Hoffnung hingegeben hätten, daß dadurch die große Volksgemeinschaft, die ihnen als er⸗ strebenswertes Ziel vorschwebte, heranreifen werde. Das ist ein ganz erstrebenswertes Ziel, das Herr Dr. von Campe und die Volkspartei sich da gestellt haben, und ich bedaure nur, daß sie in ihrem Streben jetzt auf einmal Schluß gemacht haben, daß sie nicht in der Großen Koalition geblieben sind bis zu dem Zeitpunkte, wo sie dieses Ziel erreicht haben. Sie haben zu früh aufgehört. Es lag ja keine Ver⸗ anlassung vor, aus der Großen Koalition herauszugehen und nun ein Ziel anzustreben, das mit der großen Volksgemeinschaft, die sie an⸗ geblich wünschen, nichts gemein hat, ein Ziel, das schließlich darauf hinausläuft, nicht eine große Volksgemeinschaft herbeizuführen, sondern einen Teil des Volkes gegen den anderen in Kampfstellung zu bringen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
Herr Dr. von Campe sagt, es sei keine große Volksgemeinschaft, wenn man ihm und seinen Freunden zumute, einen Strich nach rechts zu machen. Ganz recht. Aber es ist auch keine große Volksgemeinschaft, wenn Herr von Campe dem Zentrum zumutet, einen Strich nach links: zu machen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten) Denn darauf läuft in der Praxis letzten Endes die Taktik, die die Herren von der Deutschen Volkspartei in den letzten Monaten ge⸗ trieben haben, hinaus. Herr Dr. von Campe erklärt, er und seine Freunde würden alle Kräfte für den Wiederaufbau unseres Landes heranziehen, die von rechts nicht zurückstoßen. Ist diese Aeußerung etwa dahin zu verstehen, daß Kräfte von links zurückgestoßen werden sollen? (Zurufe rechts: Volksgemeinschaft) Meine Damen und Herren, diese Volksgemeinschaft, die letzten Endes die Sozial⸗ demokraten dadurch einbeziehen will, daß sie zwei Herven, die aus der Partei ausgeschlossen oder ausgeschieden sind, als sozialdemokratische Vertreter anerkennen wollte. (Zuruf: Noch nicht ausgeschieden! — Zurufe von anderer Seite) Es sind Herr Müller und Herr Winnig genannt worden. Guruf rechts: Bauer) — Ich weiß nicht, ob Herr Dr. von Campe Herrn Bauer als Minister genannt hat. Ich glaube es nicht. Das ist ein Geheimnis, das Ihnen nur bekannt ist. Die beiden Herren sind genannt worden. Die Nennung dieser Namen beweist aber, daß es Ihnen nicht ernst damit ist, den An— schluß nach links zu erhalten, sondern daß sie einen Strich nach links machen und den Anschluß nach rechts suchen wollen, und da das Zentrum das nicht mitmachen will, erklären die Herren von der Volkspartei, das Zentrum sei schuld daran, daß die von ihnen an— gestrebte Volksgemeinschaft rechts von der Sozialdemokratie bisher nicht zustande gekommen ist. So können wir uns den Ball nicht gegen seitig zuwerfen, so können wir die Dinge nicht behandeln, wenn wir zu einem gedeihlichen Ergebnis kommen wollen. (Fortgesetzte große Unruhe) Jetzt versucht man erneut, dem Zentrum klarzumachen, daß es in seinem Interesse liegt, sich zu dieser Auffassung der Volkspartei zu bekehren. (Zurufe und Lachen rechts) Meine Herren, wenn man den Ton, der in letzten Wochen in der rechtsgerichteten Presse, in der Presse des Rechtsblocks gegen das Zentrum und gegen Rom angeschlagen wurde (Unruhe und Zurufe rechts), mit dem jetzigen Tone vergleicht, so kann man mit Recht sagen, daß man jetzt versucht, das Zentrum zu streicheln, um es für seine Zwecke gefügig zu machen. Wenn man gehört hat, wie es wochenlang durch die protestantischen Wahlkreise schallte. Wählt einen deutschen Mann und keinen Katholiken! — (sehr richtig! links — Unruhe rechts), dann verstehe ich nicht, wo Sie jetzt den Mut hernehmen, einer Partei, die noch Selbstachtung hat, die Zumutung zu stellen, sich zu Ihnen zu bekehren, nachdem Sie durch diese Wahlagitation einem großen Teil der preußischen Bevölkerung gewissermaßen das Deutsch= tum abgesprochen haben. Es handelt sich um ein Drittel der preußischen Bevölkerung, in der Hauptsache der Bevölkerung des Rheinlandes, die in den letzten Jahren dort im Westen einen schweren Kampf um das Deutschtum geführt. (Sehr richtig! links — Große Unruhe und Zurufe rechts: Jetzt wird er demagogisch!) Jetzt klingt es wieder anders in dem rechts⸗ gerichteten Blätterwald. Jetzt möchte man das Zentrum als Sturmblock gegen die Sozialdemokratie benutzen. (Sehr richtig! links. — Zuruf rechts) Ich sehe die Sache anders als Sie, Herr von der Osten; ich glaube aber, daß ich richtiger sehe. Die Herren vom Zentrum sind auch nicht so politische Kinder, daß sie nicht richtig sehen könnten, wohin die Reise gehen soll. (Fortgesetzte Un⸗ ruhe rechts) Der Herr Abgeordnete Lüdicke hat ganz richtig er⸗ klärt, das Wesen des parlamentarischen Systems bestehe darin, daß die Minister aus der Mehrheit entnommen würden. Er meinte weiter, wenn die Weimarer Koalition hier keine Mehrheit bilden könne, so könne sie eben nicht regieren. Ganz richtig; deswegen kämpfen wir jg hier um die Mehrheit, meine Damen und Herren.
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Wir sind bestrebt, diese Mehrheit zu erlangen. Gurm rechts: Wir auch! — Ruje linls: Kann man sich denken! — Heiterkeit) Die Sache ist nur die, daß, wenn die Parteien des deutschnational⸗ kommunistischen Blocks (Lachen rechts) eine Regierung nicht bilden können, sie eben auch nicht andauernd die Regierung zu Fall bringen sollten. Herr von Campe befand sich in einem Irrtum in der Auslegung meiner Ausführungen. Er hat offenbar meine Rede nicht richtig gelesen, denn da heißt es ausdrücklich, daß in einem parlamentarisch regierten Staate diejenige Mehrheit, die ein Kabinett stürze, auch die Verantwortung dafür habe, daß ein Kabinett zuftande kommen könne, das sich auf diese Mehrheit stützen könne. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und links.) Diese Verantwortung tragen Sie, meine Herren. Ich habe dann weiter erklärt, daß diese Mehrheit, die bisher die Kabinette gestürzt habe, noch nicht einmal den Versuch gemacht habe, eine auf diese Mehrheit gestützte Regierung zu bilden. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und links.) Das hat Herr von Campe bestritten, und ich warte ab, ob mir weiter Mitteilungen darüber gemacht werden können, daß tatsächlich Besprechungen zwischen den Herren von ganz links und rechts stattgefunden haben, damit eine gemeinsame Re⸗ gierung, mit Einschluß der Kommunisten gebildet werden kann. Denn nur mit Einschluß der Kommunisten bilden Sie die Mehr⸗ heit, die bisher zum Sturze der Regierung in AYction getreten ist. (Unvuhe und Zurufe rechts. Sie haben eben die Mehrheit nur mit den Kommunisten zusammen.
Es hat weiter Herr von Campe erklärt, daß es ein starkes Stück sei, das gleiche Kabinett, das einmal gestürzt sei, hier vor⸗ zustellen. Herr Ladendorff meinte, es sei ein Vorgang, der in parlamentarischen Ländern einzig dastehe. (Sehr richtig! rechts.) Sehr richtig, Herr von Plehwe! Es steht aber auch in parla⸗ mentarischen Ländern einzig da, daß sich fortgesetzt eine Mehrheit zusammenfindet, die Regierung zu stürzen, die aber nicht in der Lage ist, mit dieser Mehrheit eine Regierung zu bilden. Weil wir diesen einzigartigen Zustand hier haben, daß Sie nur eine Mehr⸗ heit zum Sturz und keine zum Aufbau haben, deshalb müssen wenigstens diejenigen Kräfte, die noch die Absicht zum Aufbau haben und bis zu einem gewissen Grade auch stark genug dazu sind, sich zusammenfinden und versuchen, eine arbeitsfähige Re⸗ gievung zu bilden. (Sehr richtig! links.)
Herr von Campe hat weiter eine Erklärung von mir vom Januar oder Februar dieses Jahres angezogen, wo ich erklärt habe, wenn ich keine Mehrheit finden werde, glaube ich nicht in der Lage zu sein, mit der Regierung gedeihlich arbeiten zu können. Das ist durchaus richtig. Ich habe deswegen damals auch meinen Rück⸗ tritt in der Hoffnung erklärt, daß es gelingen würde, durch die Mehrheit, die die Regierung gestürzt hat, eine neue Regierung zu bilden. Ich wollte vor allen Dingen — das ist für mich das per⸗ sönliche Moment — an meiner Person das Zustandekommen einer arbeitsfähigen Regierung nicht scheitern lassen. Deswegen bin ich zurückgetreten, obwohl nach den verfassungsrechtlichen Bestim⸗ mungen ich dazu nicht gezwungen war. (Sehr richtig! links.) Meine Person sollte nicht das Hindernis sein. Ich war damals der Auffassung, daß, wenn ein prominenter Führer des Zentrums die Ministerpräsidentschaft übernahm, es ihm vielleicht gelingen würde, eine Regierung zustande zu bringen. Sie haben diese Re⸗ gierung aber ganz genau so behandelt wie die meinige, fast noch schlechter. (Sehr richtig!)
Nachdem dieses Faktum vor uns liegt, bin ich allerdings der Auffassung, daß es jetzt möglich sein muß, auf dem von mir ein— geschlagenen Weg eine arbeitssähige Regierung zustande zu bringen. (Rufe rechts: Muß?) — Jawohl, im Interesse des Volkes und unseres Landes muß es gelingen. (Sehr richtig! links. — Rufe rechts) Ich habe die Hoffnung, daß eine Mehrheit dieses Hauses sich dieser Staatsnotwendigkeit nicht verschließen wird. (Zurufe.) Sie haben hier, wie gesagt, auch die Bemühungen meines Herrn Amtsvorgängers sabotiert. Nachdem ich nun erneut von dem Parla— ment mit absoluter Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt worden bin, halte ich es für meine Pflicht, unter allen Umständen zu versuchen, eine arbeitsfähige Regierung zustande zu bringen. (Bravol“
links) Ich werde mit diesem Versuch stehen oder fallen an diesem Platz. Das Spiel, das Sie bisher gespielt haben: Sturz, Wieder
wahl, Sturz, Wiederwahl, das Preußen und das preußische Parla—⸗ ment in den letzten Monaten geradezu zum Gelächter der Welt gemacht hat, mache ich nicht mit. Sehr gut! links. — Zurufe rechts.) Gelingt es nicht — Sie werden Ihren Wunsch nicht erfüllt sehen —, ein arbeitsfähiges Parlament, das gemeinsam mit der Regierung arbeitet, zusammenzuhalten, dann bleibt nichts anderes übrig, als an das Volk zu appellieren. (Sehr richtig! links. — Zustimmung rechts) Ich habe, wie gesagt — das habe ich in meiner ersften Rede schon zum Ausdruck gebracht — die Hoffnung, daß die Einsicht in den entscheidenden Kreisen noch Platz greifen wird, daß es so nicht weiter⸗ geht, vielleicht auch die Einsicht, daß es besser ist, unserem Volk die Mühen und Arbeiten und Beunruhigung einer Neuwahl zu ersparen. (Lebhafte Zurufe rechts: 25. April) — Der 26. April! Ich verstehe, daß Sie gern an den 26. April denken. Wenn Sie aber das politische Stärkeverhältnis in unserem Lande sich klar machen wollen, dann bitte ich Sie, sich den 29. März vorzuhalten. Da ist das politische Stärke⸗ verhältnis zum Ausdruck gekommen. Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie die Stimmen, die auf den Feldmarschall von Hindenburg als Reichspräsidenten gefallen sind, für Ihre Parteizwecke in Anspruch nehmen können?! (Sehr richtig! links) Feldmarschall von Hinden⸗ burg ist doch ein überparteilicher Kandidat gewesen. (Zurufe.) Nationale Gedanken vertreten wir alle. Gachen rechts) Ich nehme für mich in Anspruch, sie mit demselben Ernst und demselben Nach- druck zu vertreten wie Sie. (Sehr richtig! links)
Herr Dr. von Campe hat ganz richtig gesagt: In unserem Volke herrscht eine tiefe Sehnsucht nach Ruhe. Deswegen hoffe ich auch, daß der Landtag seine Abstimmung so einrichten wird, daß dem Volke die Unruhe einer Neuwahl erspart wird. (Sehr gut! links, Wenn aber das Volk zur Ruhe kommen soll, dann bitte ich die Parteien, die bisher den Kampf gegen die bestehende Staats- form, gegen die Farben der Republik in den Vordergrund schieben und es zu keiner Ruhe im Volk kommen lassen, diesen Kampf endlich einmal aufzugeben (sehr gut! links) und alle Kräfte des Volkes auf die Lösung der schweren Aufgaben zu konzentrieren, die unserem Volke in den nächsten Jahren noch bevorstehen. (Sehr wahr! links.)
Wir haben in Preußen 353 Jahre der politischen Ruhe hinter uns, es ist von allen anerkannt worden Zurufe rechts) — ja, meine Herren, daß Ihnen auf der Rechten die Ruhe nicht ganz behagte, verstehe ich — aber es ist jedenfalls von allen objektiven Beurteilern anerkannt worden, daß im Gegensatz zu den Verhältnissen im Reich
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