Nichtamtliches. TDeutsches Reich. nern rf t über die Geldbewegung bei der Reichshauptkasse für April 1925.
] Reichsmark
J. Einzahlungen. April 1925
a) Allgemeine Finanzverwaltung (Steuern, Zölle,
Abgaben) obne die verpsändeten Zoll⸗ und Steuereinnahmen für April 1925
b) Sonstige Einzahlungen. Summe der Einzahlungen
H Auszahlungen a) Allgemeine Reichsverwaltung einschließlich der Kriegslastenausgaben b) Steuerüberweisungen an Länder und Gemeinden
6bl 918 190 16437 228
668 355 418
415721 984 234 004 682
Summe der Auszahlungen 649726 666 Mithin Ueberschuß .. 18 628 752
III. Stand der schwebenden Schuld vom 30. April 1925.
. ; Reichsmark
1. Zahlungsverpflichtungen aus Schatzanweisungen und Schatzwechseln ; .
2. Sicherheitsleistungen mit Schatzanweisungen und SchatzwechseGen
3. Aus der Begebung von Reichsmarkwechseln.
Summe
Erläuterungen: 1. Das Gesamtaufkommen an Steuern April 1975 ö . hiervon sind im Laufe des April 1925 noch nicht an die Reichs hauptkasse abgeliefert: die verpfändeten Zölle usw. mit.
18 631 200, —
10 199 096,10 30 000 000, —
155 830 296, 10
und Zöllen betrug im td. 652,9 Mill. R. M.,
w 13 ö 515,9 Mill. R.⸗M.
bleiben..
Dazu kommen die vom Kommissar für ver⸗
pfändete Einnahmen im April 1925
zurücküberwiesenen Beträge aus dem Monat März 1925 mit.
18. 136 . . Mithin betragen die Einzahlungen. rd. 651,9) Mill. R.⸗M. 9 r
2. In den Berichte monat fallen 24 Zahltage, so daß sich bei den Einzahlungen ein Tagegdurchschnitt von 1d. 27,8 Mill., bei den Aus— zahlungen von rd. 27 Mill. Reichsmark ergibt.
Dentscher Reichstag.
60. Sitzung vom 15. Mai 1925, Nachmittags 2 Uhr.
(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“). )
Am Regierungstische: Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft Graf von Kanitas.
Bizepräsident Dr. Bell eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Minuten. .
Der Gesetzentwurf über die Erhebung von Gebühren für die Aufsichtstätigkeit des Reichsaufsfichtsamts für
Livatver sicherung wird angenommen.
Die zweite Lesung des Reichshaushaltsphlans wird dann fortgesetzt beim Haushaltsplan des Reichs⸗ ministe riums für Ernährung und Landwirt⸗ in. Verbunden mit der Erörterung wird ein Antrag
ürst von Bismarck (D. Nat.), die Reichsregierung zu er⸗ suchen, den Fischdampferreedereien zur Erneuerung unb Er⸗ 1 ihrer Flotte einen Kredit in Höhe von 3 Millionen teichsmark zu mäßigem Zinssatz zu gewähren und die Ver⸗ teilung im Benehmen mit dem Wirtschaftlichen Verband der deutschen Fochseefischerei in Wesermünde vorzunehmen. Ebenfalls mit zur Beratung gestellt wird ein Antrag Korell (Dem.), dem sich auch andere Parteien angeschlossen haben, alsbald einen Ausschuß von Sachverständigen einzu⸗ etzen mit dem Zwecke der lar lnng eines Gutachtens über
ie wirtschaftliche Lage Deutschlands im Zusammenhange mit der Getreidezollpolitik und den Handelsverträgen.
Abg. Putz (Komm) begründet eine Interpellation seiner artei zu Gunsten der Kleinbauernwirtschaften. Trotz der Not der leinbauern gehen die Finanzämter in schroffster Form, so er⸗
klärt der Redner, mit Pfändungen und Zwangsmaßnahmen gegen sie vor. Die Notstandskredite eien in der Hauptsache größeren Landwirten zugute gekommen. J
Gutsbesitzer ihre Hypotheken bei Kleinbauern gekündigt Bauerngüter an sich zu bringen. Klagezuschriften, gebirge, vor, um deren Notlage zu beleuchten, regierung sträflichster wen ff
ö um die Redner trägt eine Reihe von namentlich der Kleinbauern aus dem Rhön⸗ und die Reichs⸗ e igung ihrer elementarsten Ver—
lichtungen gegenüber diesen furchtbaren Notständen zu be⸗
uldigen, die das Elend in den deutschen Bauerndörfern im
olgagebiet noch , , gen, Die Abgaben und Steuern seien war hes n nf worden, aber nach Ablauf der Stundung würden . mit schroffster Härte durch Pfändung usw. eingetrieben. Dabei ei diese arme Landbevölkerung einem Steuerdruck unterworfen,
wie er den größeren Grun e gef, und den Großbauern nicht
entfernt zugemutet werde. Tatsächlich würden sechs Siebentel der preußischen Grundsteuer vom kleinen und mittleren Grundbesitz etragen. Die Ungerechtigkeit der Steuerbelastung trete besonders raß bei der Hauszinssteuer hervor. Von den für die Landwirtschaft ausgeworfenen Krediten fielen für die Notleidenden nur jämmer— lichs Beträge ab und meist erst nach monatelangem Warten. Ebenso kämen sie bei der Zuteilung von Düngemitteln, Kunst= dünger usw. zu kurz, da sie ja bei ihrer Verelendung auch über die . erforderlichen Mittel nicht verfügten. Um Abhilfe für diese öotftände zu schaffen, schlage der Großgrundbesitz hohe Schutzzölle auf die Ackerbauprodukte vor. Damit sei den Kleinbauern aber nicht gedient. Wie es in Wirklichkeit um die Hilfsbereitschaft der Regierenden bestellt sei, lasse das Verhalten der bayerischen Re⸗ gierung erkennen, die den „Bund schaffender Landwirte“ verboten und bäuerische Führer in Schutzhaft genommen habe. Aehnlich sei in den preußischen Provinzen Schlesien und Ostpreußen vor⸗ gegangen worden. Was gedenke die Reichsregierung gegen diese offenbare Verletzung der Koalitions- und Versammlungsfreiheit u tun? Redner empfiehlt . einen umfangreichen Antrag . Partei, der . dem Muster der Gesetzgebung der Wolga⸗ epublik die Minimalforderungen für die dentschen Landarbeiter 1 der Arbeitszeit, der Arbeitsbedingungen, der Unter—⸗ ringung, der Besteuerung usw. 6 und u. a. die . der „Technischen Nothilfe“ und ähnlicher Flurschutzorgani ationen sowie die Aufhebung des zehnprozentigen Steuerabzuges verlangt. Ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums beant— worlet die Interpellatlonen wegen der Veranlagung des kleinen Grundbesitzes und der Steuereinziehung. Der im Gemenge liegende Groß⸗ und Kleinbesitz müsse in manchen Fällen ö be⸗ wertet werden. Bei der Steuereinziehung seien die Voraus—⸗— ahlungsraten vom 15. August und 15. Februar gestundet worden. erde kein Einkommen infolge Ausfalls der Ernte erzielt, so fielen die Vorauszahlungen selbftverständlich fort. Im übrigen gelten ) Mit Ausnahme der durch Speredruck hervorgehobenen Reden
ver Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
In Pommern und Schlesien hätten
die Stundungen bis zum September, also bis zu einem Zeitpunkt, wo 2 den Landwirten wieder Geld zur Verfügung stehe Kreditzinsen und Erbschaftssteuer sowie Umsatzsteuer seien gleichfalls gestundet worden Bei einem Ernteausfall von mehr als 50 „ seien die Reichssteuern ganz erlassen worden Ueberall wo der Betrieb aus Mangel an ern jn gefährdet sei, werde die weitest⸗ ehende Nachsicht geübt. (Ruf bei den Kommunisten: Die letzte Kuh ist gepfändet worden! Einzelne solche Fälle sind durch das Vorgehen der Finanzämter vorgekommen, sind aber sofort wieder abgestellt worden. Solche Fälle seien aber äußerst selten gewesen. Abg. Korell (Dem): Im Westen sind Industrie und Land- wirtschaft eng miteinander verbunden. Die Schäden in der Land— wirtschaft darf man nicht so verallgemeinern. Die Be⸗ handlung der Landarbeiter im Westen und Süden ist eine ganz andere als in Ostpreußen, wenn es auch bei uns einzelne Ausnahmen geben mag Der Wunsch, die Landwirtschaft zu fördern, is nicht das Monopol bestimmter politischer Parteien, auch nicht ein Monopol des Reichslandbundes. Herr Hepp hat neben dem Reichstag ein Herrenhaus gewünscht, der Wunsch der Bauern ist aber gerade die Befreiung von den „Herren? (Sehr xichtig! links.) Der Landbund darf nicht alle anderen wirtschaftspolitischen Organi⸗ sationen als landwirtschaftsfeindlich ansehen. Die Not der Land⸗ wirtschaft besteht, zum Teil ist die vorige Ernte buchstäblich verfault. Gemüse⸗ und Obstbau leiden besonders not Auf den Regiebahnen konnte nicht verfrachtet werden. Eine besondere Not der Landwirt⸗ schaft ist die Steuernot. Dadurch ist der Gewinn in der Inflations⸗ zeit vollkommen wieder wettgemacht worden. Ueber manches allzu bürokratische Vorgehen der Finanzämter bei der Steuereinziehung stehen einem die Haare zu Berge. Man soll dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Der Getreideabsatz, besonders in Weizen, ist durch die kolossale Mehleinfuhr in manchen Gegenden vollkommen lahmgelegt worden. So leiden auch die heimischen Mühlen not. Für die große Zahl der Binnenmühlen, die nicht an Flüssen und Häfen liegen, müßten besondere Eisenbahntarife be⸗ willigt werden, damit sie in der Lage wären, auch ausländisches Ge⸗ treide, das sie mahlen müssen, ebenso zu beziehen wie die großen Mühlen. Die gewährten Kredite der Landwirtschaft sind vielfach nicht dahin gelangt, wo sie am nötigsten gewesen wären. Die neue Agrarkreditbank darf nicht, zu einem Instrument einer zinseitigen stagts- und wirtschaftspolitischen Richtung werden. Die Preisschere zwischen Erzeuger⸗ und Handelspreisen besteht nicht allein in Deutsch⸗ land, sondern z. B. auch in , wo man sie vergebens zu be⸗ seitigen versucht hat. Die Frage der landwirtschaftlichen Zölle, heißt es, sei eine Zweckmäßigkeitsfrage, es scheint aber, als sei sie schon ein politisches Dogma geworden. Zölle sind nur zulässig, wo sie wirklich nötig 21. Wird nachgewiesen, daß die Zölle ein Mittel gegen die Not der Landwirtschaft sind, so könnte ich dafür sein. Zu entscheiden ist erstens: wird durch die Getreideschutzzölle die Lage der Landwirtschaft nachdrücklich und dauernd verbessert, und zweitens: wird die Lage in dem Maße verbessert, daß die Zölle für Industrie, Export und Konsumenten erträglich sind? Diese Fragen sind zu prüfen. Wir haben zwar schon so viele Untersuchungsausschüsse ein⸗ gesetzt, daß man kopfscheu werden könnte, aber für diese Fragen sollten wir doch noch, einen Untersuchungsausschuß einsetzen. An Spezialbetrieben ist besonders der Tabakbau zu schützen; der größte Teil der deutschen Tabakbauern sind kleine und kleinste Betriebe. Wir meinen, daß der Tabakzoll erhöht werden muß. Die Lebens- mitteleinfuhr ist von 1913 bis 1924 gestiegen, die Ausfuhr dagegen esunken. Dazu gehören vor allen Dingen Obst und Gemüse, die ͤhefonders meine rheinische Heimat interessieren. Der fast sport⸗ mäßige Einkauf von ausländischem Obst zu teureren Preisen als unser heimisches, ebenso gutes Obst ist zugleich eine Erziehungsfrage. Wenn das so weitergeht, weiß das Kind in der nächsten Generation gar nicht mehr, daß es in Deutschland einen Obstbau gibt. Durch die Ablehnung des deutsch⸗-spanischen Handelsvertrags soll nicht allein der deutsche Weinbau geschützt werden, sondern die Ablehnung dieses schlechtesten deutschen Vertrags ist erfolgt, weil der deutschen In— dustrie dadurch nicht die Meistbegünstigung gewährt ist, die Spanien Belgien zugestanden hat. Ich stehe zwar nicht selbst in der Land— wirtschaft, aber ich glaube, ein besserer Förderer der Landwirtschaft uu sein als die Herren, welche für sich allein die Vertretung der Ha e feat in Anspruch nehmen. (Beifall bei den Demokraten.) Abg. Meyer⸗Hannover (Wirtschaftl. Vereinig. : Die deutsche Landwirtschaft muß erhalten werden. Es ist sehr bedauerlich, daß
ausländischer Bodenprodukte zuwendet. Auf diesem Wege wird die Gesundung der deutschen Wirtschaft nicht erreicht, wohl aber die Selbständigkeit Deutschlands gefährdet und Deutschland vollends zur Kolonie gemacht werden. Wir leiden an einer verhängnisvollen Ueberproduktion an Gesetzen und an einem Uebermaß an Büro⸗ kratismus. Zu beseitigen wäre der gänzlich überflüssig gewordene Reichskohlenkommissar. Dem landwirtschaftlichen Schulwesen sst ganz andere Aufmerksamkeit zuzuwen den. Dazu kaun auch der Mi— nister mitwirken. Die Wiedereinführung der, Sommerzeit wird hoffentlich nicht stattfinden; die Landwirtschaft hätte davon nur Ver= druß. Die Postbestellung auf dem Lande äst heute äußerst mangel⸗ haft, die Landwirte haben in dieser Beziehung berechtigten Grund g Klage. Rigorose Steuereintreibung ist keineswegs selten; die zorredner haben da nicht übertrieben. Den rigorosen Maßnahmen der Finanzämter muß endlich Einhalt getan werden. Bezüglich der Tandwirtschaft sehe ich dem nächsten Herbst mit schwerster Sorge ent⸗ gegen. Die bisher getriebene Steuerpolitik muß endlich ein Ende nehmen; fie hat den deutschen Wirtschaftskörper, nicht bloß die Land⸗ wirtschaft, blutleer gemacht. Bei der Handel sbertragspolitik müssen wir mit äußerster Vorsicht vorgehen, um die deutsche Vroduktion zu schützen. Bei dem deutsch⸗spanischen Handelsvertrag, für den ich nicht stimmen kann, haben wir nicht gerade vorteilhaft abgeschnitten. Der Redner betont die Notwendigkeit besonderen Schutzes der deut⸗ schen Bienenzucht. Der Auslandskonkurrenz gegenüber bedarf die deutsche Wirtschaft wirksamen Schutzes. Die 6. der Pferdezucht ist keine Sonderfrage, sondern sie hängt eng zusammen mit, der ge⸗ samten Lesstungsfähigkeit der Landwirtschaft. Aus volkswirtschaft⸗ lichen Gründen werden wir — trotz Maschinen⸗ und Motorenzeit⸗ alters — in Deutschland die Pferdezucht immer hochhalten müssen. Auch auf dem Gebiete der Viehzucht muß die Ueberschwemmung mit Auskandsvieh eingedämmt werden; der Seuchenschutz muß strenger durchgeführt werden. Die Zahl der durch agusländische Maul und Klauenseuche verseuchten Gehöfte ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Von 609 argentinischen Rindern wurden z.B. 120 wegen Seuchen⸗ verdachts beanstandet. Da muß man sagen: Landwirtschaftsminister, werde hart! Nachdem die Emrnährungsfrage in Deutschland gelöst ist, muß vor allem die Veterinärfrage gelöst werden. Die deutsche Land⸗ wirtschaft muß bleiben das Erdgeschoß des deutschen Hauses, aus ihr muß erblühen das Glück des deutschen Volkes.
Abg. Gerau er (Bayer. Vp) betont gleichfalls die Notwendig⸗ keit und ÜUnentbehrlichkeit der Landwirtschaft. Die Kredite von 30 Millionen Mark, die von der bayerischen Regierung für Saat getreide an die bayerische Landwirtschaft gegeben worden sind, seien eine durchaus bayerische Angelegenheit. Gerade der kleine . 6. sie sehr nötig gehabt. Der Schweinezoll sei auch für die leinsten Bauern von großer Bedeutung. Dag deutsche Volk werde seine Freiheit am besten dadurch erlangen, daß es seine Nahrungs⸗ mittel selber erzeugt. Die Landwirtschaftliche Kreditbank müsse lang friftige Kredite geben. Der deutsche Bauernstand schaffe jährlich etwa l4 bis 15 Milliarden aus der Erde, er habe daher auch Anrecht auf die Ünterstützung durch die deutsche Arbeiterschaft. Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf von Kanitz: Meine Damen und Herren! Der Etat des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist einer der kleinsten, obgleich der Aufgabenkreis dieses Reichsressorts ständig im Wachsen ist. Nach dem im Kriege und in der Nachkriegszeit mein Ressort hauptsächlich mit der Erfassung und Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel beschäftigt wurde, wird sich jetzt die Hauptaufgabe mehr als bisher auf die Schaffung der Nahrungsmittel, also in erster Linie auf Förderung der heimischen Produktion richten
müssen.
die deulsche Bevölkerung sich in solchem Umfange der Bevorzugung
Bauer
Wir brauchen eine recht erhebliche Steigerung der deutschen land wirtschaftlichen Produktion aus verschiedenen Gründen; einmal, um dem deutschen Volk die Nahrungsmittel zu liefern, und zwar in größt⸗ möglicher Menge; denn nur Massenerzeugung verbilligt das End⸗ produkt. Bei der Landwirtschaft soll auch nicht grundsätzlich die Tendenz zur Erzielung größtmöglicher Preise vorherrschen, sondern ebenso wie in allen Berufsständen müssen wir auch bei der Landwirtschaft, so⸗ bald die Zeiten und die Rentabilität wieder normal sind, zu dem alten Grundsatz zurückkommen: „Großer Umsatz, kleiner Nutzen! — Es ist gang klar, daß nur intensivfte und fleißigste Arbeit die Rentabilität gewährleisten darf. Sie muß aber gewährleistet werden, weil sonst der Arbeitswille auf die Dauer erlahmen muß.
Meine Damen und Herren, wir brauchen aber nicht nur aus er— nährungepolitischen Gründen eine gut produzierende Landwirtschaft, sondern auch im Interesse der Aktivierung unserer zur Zeit hoffnungslos passiven Handelsbilanz. Die Passivsumme der Handelsbilanz des vorigen Jahres von 2,7 Milliarden entspricht zufällig genau dem Wert der eingeführten Agrarprodukte. (Hört, hört) Wir sehen schon hieran, welch wesentlichen Anteil eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion an der Aktivierung unserer Zahlungs⸗ und Handelsbilanz nehmen könnte. . Es wird auch immer wieder nötig sein, und heute nötiger sein denn je, die breiten Massen des Volks darauf hinzuweisen, welch ungeheure Werte tat— sächlich in der Landwirtschaft produziert werden. Nach statistischen Schätzungen wurden im Jahre 193 in der deutschen Industrie ungefähr 20,2 Milliarden Goldmark produziert, während in der Land wirtschaft für rund 184 Milliarden Werte geschaffen wurden, also beinahe ebensobiel. Wir sehen also daß es nötig sein wird, vielmehr als bisher die Landwirtschaft in richtiger Wertung ihrer großen ge— samtwirtschaftlichen Bedeutung nicht etwa als notwendiges Uebel zu betrachten, sondern als ein nationales Gut von allerhöchstem pro— duktiven Wert, das tatsächlich gehegt und geschützt werden muß. Der Wert dieses nationalen Gutes wächst dadurch, daß die Basis der Landwirtschaft, der heimische Grund und Boden, unveränderlich der⸗ selbe bleibt und unverschiebbar ist. (Sehr gut! rechts) Es kommt nur darauf an, was wir mit ihm machen, und ob wir wirklich ge— willt sind, ihn bis zum Letzten auszunutzen.
Ich möchte am Anfang meiner Ausführungen kurz die derzeitige Ernährungslage skizzieren. Bei meinen Ausführungen werde ich mich kurz fassen, da ich im Hauptausschuß über die einzelnen Ge— biete sehr detailliert gesprochen habe.
Nach der Stabilisierung der Währung bereitet ja Gott sei Dan? die Ernährung des deutschen Volks mengenmäßig keine Schwierig= keiten mehr. Es ist auch nicht zu erwarten, daß bei fortlaufend stabiler Währung erhebliche Erschütterungen in absehbarer Zeit wieder eintreten könnten. Eins muß allerdings festgestellt werden: daß der Konsum an Nahrungsmitteln noch lange nicht derselbe ist wie im Frieden. Die frühere Kaufkwaft der Bevölkerung ist noch nicht wieder hergestellt. Weite Teile, vor allen Dingen der ärmeren Schichten, sind noch nicht in der Lage, dieselben Aufwendungen für Nahrungsmittel zu machen wie vor dem Kriege. Der Brotverbrauch steht auch noch nicht ganz auf der Friedenshöhe und wird — das ist wohl ein Ueberbleibsel aus den schweren Kriegsjahren — durch ver⸗ mehrten Kartoffelgenuß ersetzt. Speisungen von Kindern und Minderbemittelten müssen fortgesetzt werden. Es ist zu erwarten, daß wir in diesem Jahre eine gute Brotgemeindeernte haben werden, vor⸗ ausgesetzt, daß die Witterung in den Vegetation monaten eine gute ist.
Es ist nun an der Zeit, die letzten Gebilde der Zwangs wirtschaft zu beseitigen, nachdem eine Gefahr für die Brotversorgung tat⸗ sächlich nicht mehr zu befuͤrchten ist. Ich meine damit die Reichs⸗ getreidestelle. Ich habe über die bevorstehende Auflösung der Reichs⸗ getreidestelle im Hauptausschuß des längeren schon gesprochen. Ich plane, den Beginn der Auflösung auf den 1. Juli zu legen, bitte aber, die Mittel, die für den Reichskommissar bei der Reichsgetreide⸗ stelle in meinem Etat eingesetzt sind, zu bewilligen, weil er mit seinem Beamtenstab nötig ist, um die verwickelten Rechtsgeschäfte der Reichsgetreidestelle abzuwickeln. (Hört! Hört! bei der Bayerischen Volkspartei) Wieso: hört, hörtl? (Zuruf) Sie sind recht ver wickelt. So riesenhafte Geschäfte sind meistens nicht ganz einfach. — Für mich ist es heute eine Ehrenpflicht, dem langjährigen Präsi⸗ denten der Reichsgetreidestelle und den sämtlichen Beamten und Angestellten zu danken für ihre aufopfernde und eifrige Arbeit im Interesse des Volkewohls. Wir wissen ganz genau, daß die viel⸗ umstrittene Reichsgetreidestelle in den wirklich schweren Zeiten, vor allen Dingen auch bei meinem Amtsantritt vor fast zwei Jahren, Unmenschliches geleistet hat und ein ganz erhebliches Verdienst daran hat, daß wic mit der Ernährung nicht vollkommen zusammenbrachen. (Zuruf) Sicherlich sind auch Fehler gemacht worden — alle Menschen machen Fehler — aber ich glaube, daß bei der Reichs⸗ getreidestelle die Vorteile überwiegen.
Der Reichstag wird sich demnächst mit der Verwendung der Ueberschüsse der Reichsgetreidestelle befassen müssen. Ihre Höhe steht noch nicht fest; sie hängt von der Verwertung der noch vorhandenen Bestände der Reichsgetreidestelle ab. Auf meinen Antrag hin hat sich die Reichsregierung entschlossen, dem Reichstag demnächst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der diese Ueberschüsse zur Produktions förderung der Landwirtschaft auf dem Kreditwege verwendet sehen will. Die Reichsregierung ist der Ansicht, daß das Jahr 1925 vielleicht das letzte ist, in dem wir wirklich wirksam etwas finanziell für die Intensivierung der Landwirtschaft von Reichs wegen tun können, da die Annuitäten, die vom Jahre 1926 an und später in immer wachsendem Umfange an unsere früheren Gegner zu zahlen sind, den Reichsetat in den nächsten Jahren sehr belasten werden. (Hört, hört! rechts) Ich werde über den Gesetzentwurf des längeren, sobald er demnächst dem Reichstag zugeht, sprechen.
Ich habe geplant, den überwiegenden Teil dieser Ueberschüsse ju verwenden zur Meliorierung von schlechtem Land, zur Entwässe⸗ rung und Kultivierung von bereits in Bebauung begriffenem Land, das aber nicht ertragsfähig ist, und auch überhaupt zur Kultivierung von Neuland. Ich denke da zunächst an die Bodenkultur⸗Aktien⸗ gesellschaft, die unter der Leitung meines Amtes steht, und — sie ist erst im Mai vorigen Jahres ins Leben getreten — im vorigen Jahre bereits über 400 000 Morgen melioriert hat mit einem Auf⸗ wand von 27 Millionen Mark und 3 Millionen Erwerbslosen⸗ arbeitstagewerken. Ich glaube, daß es gut sein wird, auf diesem Wege fortzuschreiten. Es war wohl der Abgeordnete Lind, der vorgestern mit Recht sagte, wir hätten noch genug Kolonialland in Deutschland selbst, an dessen Kultivierung wir gehen könnten, bevor wir bereits kultiviertes Land zerstückelten. Dann sollen erhebliche Mittel bereitgestellt werden, zur Weiterführung der Technisierung
der Landwirtschaft und zur Förderung der Landwirtschaftswissenschaft. Auf diesem Gebiete sieht es ja noch insofern sehr mangelhaft aus, als die Resultate der exakten Forschung bisher noch nicht genügend Eintritt in die rein bäuerlichen Kreise gefunden haben. Die Grund⸗ gedanken dieses Produktionsprogramms haben im Ausschuß beinahe allseitige Zustimmung gefunden.
Von landwirtschaftlicher Seite bin ich wiederholt ersucht worden. die Brotgetreidezufuhr nun endlich freizugeben. Ich habe mich bis—⸗ ber noch nicht dazu entschließen können, glaube aber, daß es dem⸗ nächst möglich sein wird, das Veredlungsprodukt, nämlich das Mehl, auf Unbedenklichkeitsbescheinigungen freizugeben. Ich bin auf diesem Gebiete sehr vorsichtig, auch vorsichtig auf die Gefahr hin, daß ich von meinen eigenen Berufsgenossen nicht immer verstanden werde. Sie können sich aber darauf verlassen, daß selbstverständlich die Aus—⸗ fuhrsperre von Brotgetreide so bald als irgend möglich aufgehoben wird. Wenn sich die diesjährige Ernte leidlich übersehen läßt — und ich hoffe, sie wird gut —, so wird es natürlich und richtig sein, daß wir auch Brotgetreide ausführen. Im übrigen ist bekanntlich in der Welt keine große Nachfrage nach deutschem Brotgetreide, weil es lange nicht so gehalwoll ist wie das ausländische Brotgetreide.
Der Fleischverbrauch, der vor dem Kriege 52 kg pro Kopf der Bevölkerung betrug, ist im Vorjahre wieder auf 41 kg pro Kopf angewachsen, nachdem im Kriege und in den ersten Nachkriegs—⸗ jahren der Fleischverbrauch absolut unzureichend war. Das enorme Emporschnellen des Fleischverbrauchs in den letzten 15 Vorkriegs jahren ging Hand in Hand mit dem geradezu rasenden Tempo des Fortschreitens der Industrialisierung Deutschlands. Es ist heute eine umstrittene Frage, ob diese forzierte Industrialisierung Deutschlands wirklich ein Glück für Deutschland gewesen ist. (Sehr richtigl rechts) Wir aber und vor allen Dingen ich in einer amtlichen Stellung haben die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die zahlreichen Industriearbeiter, die wir haben und die nicht hungern sollen, allmählich wieder auf ihren früheren Fleischwerbrauch kommen, auch wenn man sich wissenschaftlich nicht darüber einig ist, ob wieder ein Fleischverbrauch von 5h kg pro Kopf wirklich nötig ist, womit ja Deutschland im Frieden an erster Stelle in der Welt stand. Ich glaube, daß die deutsche Viehzucht, wenn sie wieder rentabel wird — zurzeit ist sie unrentabel; denn die Erzeugerpreise liegen bekanntlich zum großen Teil unter den Vor- kriegspreisen, und zwar trotz enorm gewachsener Produktionskosten — imstande sein wird, den ganzen Fleischkonsum, auch einen gesteigerten Fleischkonsum Deutschlands, absolut zu decken. Die deutsche Vieh⸗ zucht wird nach meiner Ueberzeugung schneller rentabel werden, wenn die von dem Herrn Vorredner erwähnte Grünlandbewegung immer weitere Fortschritte macht.
Ueber den Milchverbrauch ist schon gesprochen worden. Ich bin anderer Ansicht als der Herr Abgeordnete Gerauer. Ich weiß aus den Marktberichten, daß tatsächlich das Angebot an Frischmilch absolut ausreicht; es ist sogar in den großen Bedarfszentren zum Teil viel zu groß. Das Angebot ist viel größer als die Nachfrage. In Berlin werden manchmal an einem Tage bis zu 200 000 Liter Frischmilch nicht abgesetzt und verbuttert. Das liegt zum Teil an der mangelnden Kaufkraft der Bevölkerung, zum Teil auch daran, daß sich die Be⸗ völkärung in der Kriegszeit den Milchgenuß einfach abgewöhnt hat — — (Widerspruch und Zurufe bei den Sozialdemokraten: Wenn die Bevölkerung nur Geld hätte, dann würde sie schen Milch kaufen) — Ich darf vielleicht den Satz zu Ende sprechen. Sie hätten sich dann den Zwischenruf sparen können. — Ich sage: Es liegt zum Teil auch daran, daß die Bevölkerung sich in der Kriegszeit den Milchgenuß abgewöhnt hat und sich auf einen erhöhten Verbrauch von Kondensmilch umgestellt hat. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Der Import von Kondensmilch hat sich bekanntlich gegeniiber der Friedenszeit versiebenfacht. Es wird nötig sein, von seiten der Neichs· regierung aus eine recht erhebliche Propaganda für einen stärkeren Verbrauch von Frischmilch zu machen. (Zuruf von den Sozialdemo⸗ kraten: Das könnte in Verbindung mit den einzelnen Schriften, die herausgegeben werden, geschehen) — Ja, selbstverständlich. Jeden⸗ falls wird es nicht praktisch sein, den deutschen Milchviehbestand, der schon fast die Vorkriegshöhe erreicht hat, dadurch wieder herabmindern zu lassen, daß die Milch und die Butter nicht abzusetzen sind.
Der Kartoffelbau befindet sich zurzeit in großer Not, weil vie Kartoffeln beim besten Willen nicht abzusetzen sind. In meiner Heimat Ostpreußen werden jetzt beste Speisekartoffeln für 1,70 4 angeboten und sind nicht los zu werden. Es sind nicht genug Trocknereien vorhanden, um Trockenschnitzel herzustellen. Der Kar⸗ toffelbau leidet auch darunter, daß der Absatz an Epiritus fast un · möglich geworden ist und somit die Schlempewirtschaft, die doch ein sehr wichtiges Fundament der Viehwirtschaft ist, auch in Gefahr kommt. Der deutsche Kartoffelbau repräsentiert einen ganz enormen volkswirtschaftlichen Wert. Ich will bloß ein Beispiel anführen, das ich auch schon im Hauptausschuß vorgebracht habe. Wir können auf einem Morgen absolut schlechten Bodens bei guter Ernte 109 Zentner Kartoffeln erzeugen, aber nur 6 bis ? Zentner Getreide. Die 100 Zentner Kartoffeln stellen aber einen Nährwert und einen finanziellen Wert von 20, Zentnern Getreide dar. Schon durch die ses Beispiel wird der Wert des deutschen Kartoffelbaues bewiesen, und wir haben daher alle Veranlassung, diesem Zweige unser vermehrtes
nteresse zuzuwenden.
z 3 ein, Obst und Gemüse ist schon im Hauptausschuß sehr ausführlich verhandelt worden. Ueber den spanischen Handels⸗ vertrag, der übrigens ungerechlerweise mir in die Schuhe geschoben wird, will ich nachher kurz sprechen. Ich freue mich, daß in meinem Etat für die Unterstützung des Weinbaus 2 Millionen neu ein gestellt sind, ebenso daß für den Obst⸗ und Gemüsebau 250 000 M neu ein⸗ gestellt worden sind. Auch für den Tabakbau ist ja die Summe von 100 000 ½ zur Produktionsförderung neu eingesetzt, so daß insgesamt 125 000 a für den Tabakbau im neuen Etat zur Verfügung stehen.
Für die Hochsee ⸗ und Küstenfischerei hat der Daupt⸗· ausschuß auch eine erhebliche Zuwendung beschlossen, nämlich ein Meichsdarlehn von 2 Millionen Mark zu herabgesetzten Zinsen für die kleinen See. und Küstenfischer, die sich in sehr bedrohlicher Lage be · finden. Außerdem ist im Hauptausschuß eine Entschließung ange · nommen einen Kredit von 3 Millionen Mark für die Erneuerung und Ergänzung der Hochsee⸗ und Heringefischereiflotte zu geben. Elbg Hörnle: Was macht die Regierung gegen die daffpest ) 5 8. Wissen schaftler haben immer noch nicht einwandfrei festgestellt, welches die Ursache der Krankheit ist. Vielleicht wissen Sie schon mehr; dann wäre ich Ihnen für eine Orientierung sehr dankbar. (Sehr gut! rechte)
Die deutsche Forstwirtschaft sieht auf ein sehr ee. Jahr zurück, da der Forleulenfraß in den beiden Vorjahren Riesen⸗ bestände vernichtet hat. Deutschland hat das größte Interesse daran,
Wal 3 . „6 Reren Mzenni seinen Wald zu erhalten, weil der Wald schon in früheren Dezennien
viel zu sehr gelichtet wurde Wir sind, was vor 50 Jahren kein Mensch geglaubt hätte, Holzeinfuhrland geworden.
Ueber die Düngemittel ist auch schon gesprochen worden. Wir wollen uns darüber freuen, daß die Anwendung künstlicher Düngemittel sehr zum Nutzen der Erzeugung so erheblich zugenommen hat. Aber die Freude ist keine ganz reine, weil die Düngemittel nicht etwa bar bezahlt werden können, sondern zum großen Teil nur auf Kredit genommen werden müssen. (Sehr richtig! rechts) Der deutsche Landwirt versucht in einer Art von verzweifeltem Leichtsinn, weil er nicht mehr aus noch ein weiß, durch Kredit seinen Betrieb noch auf⸗ rechtzuerhalten, und nimmt im allgemeinen nach meiner Meinung viel zu sehr Kredit in Anspruch. (Sehr richtig! rechts) Die Kreditschlinge wird ihm immer fester um den Hals gezogen, und wenn es mal zum Zahlen kommen soll, weiß ich nicht, wie es auslaufen wird.
Einige Worte zur Siedlungsfrage! Ich habe mich im Hauptausschuß gegen den Vorwurf der Siedlungsfeindlichkeit gewehrt Ich bin seit jeher für eine gesunde Siedlung und für eine gesunde Mischung von Groß. und Kleinbesitz schon aus staatspolitischen Gründen gewesen. (Zustimmung.) Ich glaube aber — und da bitte ich mich nicht wieder mißzuverstehen — daß man auch die Zeit richtig wählen muß, wenn wir — sagen wir ein mal: an die Enteignung von Kulturland gehen wollen. (Erneute Zustimmung) Ich halte es für einen wirtschaftlichen Unsinn, im gegenwärtigen Moment wirklich gut bewirtschaftetes Kulturland zu enteignen, weil wir auf dem freien Markte überreichlich Landangebot haben, und zwar fertige Wirt⸗ schaften mit den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Wenn wir aber enteignen und parzellieren wollen in diesen Moment, wo das Bauen so teuer ist, so wird das Grundstück für den Siedler durch die nötigen Neubauten derart belastet, daß er in Anbetracht der an sich schlechten Rentabilität der Landwirtschaft tatsächlich am Leben verzweifeln muß. (Sehr wahr! rechts) Wenn sich aber die Zeiten ändern und die Bau⸗ tätigkeit sich wieder belebt, werden wir selbstverständlich auch mehr an die Siedlungstätigkeit herangehen. Sie untersteht übrigens nicht mir, sondern bekanntlich dem Reichsarbeitsministerium.
Im übrigen ist es nicht so, wie der Abgeordnete Dr. Crone vom Zentrum ausgeführt hat, daß für die Siedlung gar nichts getan ist, sondern in den letzten Jahren sind rund 300 neue Siedlungsstellen per anno angelegt worden, was nicht gerade sehr viel ist; abet man kann doch nicht sagen, daß überhaupt nichts geschehen sei.
Nun zur Landarbeiterfrage! Der Verkreter der soʒial demokratischen Fraktion, der Herr Abgeordnete Jäcker, hat vorgestern eine lange Rede gehalten, und als ich wagte, einige Minuten diesen Saal zu verlassen, hat er daraus den Schluß ziehen zu müssen ge⸗ glaubt, mich ‚Minister gegen Landarbeiter“ zu nennen. Dieser Schluß ist ebenso kühn wie unzutreffend, Herr Jäcker. (Sehr gut! rechts) Ich weiß ganz genau, welch enorm wichtiger Faktor die Landarbeiter für die deutsche Landwirtschaft sind und daß die Landwirtschaft natürlich überhaupt aufhört, ein produktiver Stand zu sein wenn wir nicht einen gesunden, arbeitsfreudigen und existenzfähigen Arbeiterstand haben. Ich glaube auch, daß die Landflucht, die aus gewissen Bezirken Deutschlands nach den Industriezentren einsetzt, sich beheben lassen wird wenn die allgemeinen Rentabilitätsverhältnisse der Landwirt schaft sich bessern und damit auch die Verdienstverhältnisse der Ar⸗ beiter. (Juruf von den Sozialdemokraten: Wie war es in der Infla—⸗ tionszeit — Was meinen Sie damit? (Erneuter Zuruf: Als die Arbeiter höhere Löhne fordertenh — In der Inflationszeit haben eigentlich, soweit mir bekannt ist, die Landarbeiter nicht so Not ge litten, weil sie wenigstens gerade in den Bezirken, die Sie vertreten — denn Sie haben ja neulich nicht für die So zialdemokratische Partei gesprochen, sondern für den Landarbeiterverband der Provinz Ost- preußen (sehr gut! rechts und in der Mitte), den Sie jahrelang ge· führt haben — hauptsächlich auf Deputat gestellt waren und gerade in der Inflationszeit besser lebten als die Kollegen in der Industrie.
Jetzt haben sich die Dinge gewendet, was ich bedaure, und Sie können sich darauf verlassen, daß ich diese Frage, obgleich sie wiederum nicht zu meinem Ressort gehört, sondem zum Reichsarbeitsministerium, auch mit gespannter Aufmerksamkeit weiter verfolgen werde. ⸗
Nun noch einige Worte zur Kreditnot der deutschen Land— wirtschaft! Die Kreditnot der Landwirtschaft ist in keiner Weise, wie so oft behauptet wird, im Abflauen. Ich habe das in dem letzten Monat manchmal im „Vorwärts“ gelesen und habe nicht verstanden, woher der Vorwärts“ diese Weisheit genommen hat. Im Gegenteil: die Kreditnot der Landwirtschaft wächst täglich ssehr richtig! rechts und in der Mitte), wächst zusehends, natürlich gerade jetzt besonders, weil augenblicklich die stillen Monate sind, in denen der Landwirt kaum Ein⸗ nahmen hat. Ich weiß wirklich nicht, wo die Sache enden soll, wenn nicht in absehbarer Zeit eine Erleichterung erfolgt. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte) ͤ .
Der Herr Abgeordnete Lind hat mit Recht darauf hingewiesen, daß im Herbst erhebliche Teile der heute ausgegebenen Personalkredite kaum werden zurückgezahlt werden können. Die Dinge liegen so, daß der Bauer um jeden Prolongierungstermin verzweifelt kämpfen muß und daß er die Zinsen für die Personalkredite nur durch Neu⸗ verschuldung aufbringen kann, aber nicht aus Betriebseinnahmen lsehr richtigl rechts und in der Mitte). Bis zur neuen Ernte sieht es sehr traurig aus. Wir müssen auch immer bedenken, daß, obgleich die Schuldenlast der Landwirtschaft zurzeit geringer ist als im Frieden, die Zinsenlast wegen der Verdreifachung und Vervierfachung der Zins⸗ sätze größer ist als im Frieden trotz geringerer Kapitallast. Selbst⸗ verständlich sind in jedem armen Land die Zinssätze hoch. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn die Reichsbank und die ganze Bankwelt sich wieder einmal einen Stoß gäbe und bei der Bemessung der Zins. sätze weiter herunterginge; denn die landwirtschaftlichen Kreditinstitute können das nicht allein tun, da sonst die Gefahr besteht, daß die von ihnen ausgegebenen billigeren Kredite wenigstens in Einzelfällen zu den allgemein üblichen hohen Zinssätzen weitergegeben werden und nicht immer dem Landwirt zugute kämen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)
Nun sind vorgestern hier über die im Herbst zurückzuzahlenden Kredite Behauptungen aufgestellt worden, die nicht ganz zutreffend sind. Es ist natürlich sehr schwer abzuschätzen, was die Landwirte im Herbst nach der neuen Ernte zurückzahlen müssen. Einmal muß ganz be⸗ stimmt — da es gesetzlich festgelegt ist — der dritte Teil der 870 Mil- lionen Mark abgezahlt werden, die die Rentenbank von der Reichsbank überkommen hat. Das sind 290 Millionen Mark. Die Rentenbank wird jetzt, nachdem sie auch sonst noch landwirtschaftliche Wechsel über⸗ nommen hat, insgesamt ungefähr 1 Milliarde Personalwechsel in der Landwirtschaft laufen haben. Wenn man annimmt, daß außerhalb dieser Personalwechsel der Rentenbank auch noch vielleicht 00 Mil— lionen andere Wechsel herumlaufen, so wird man damit vechnen müssen, daß im Herbst mindestens 500 Millionen Mark Kredite zurückgezahlt
werden müssen. Ich muß erklären, daß ich keine Möglichkeit sehe, eine halbe Milliarde Mark bald nach der neuen Ernte aus der Landwirt schaft herauszuziehen. Das ist eine enorme Summe, und wenn wir daran denken, daß die Landwirtschaft schließlich von ihren Ernte—⸗ einnahmen auch das nächste Jahr leben soll, so weiß ich wirklich nicht, wie sie das leisten soll. Ich werde übrigens wie bisher — auch auf die Gefahr hin, daß man mich für arrogant hält, sage ich, daß ich auf diesem Gebiet nicht ganz untätig gewesen bin (sehr richtig) — auch weiterhin versuchen, alles zu tun, um die Kreditinstitute zu einer möglichst milden Behandlung der Prolongierungstermine auch nach der neuen Ernte zu veranlassen. (Bravo rechts.)
Von verschiedenen Seiten sind hier Vorwürfe gegen die ungerechte Verteilung der Kredite erhoben worden. Es ist gesagt worden — und dahin zielt auch ein Antrag der Kommunisten —, daß hauptsächlich der Großgrundbesitz die Kredite bekommen habe. Im Ausschuß ist schon recht ausführlich geklärt worden, welche Summen überhaupt durch die staatliche Hand und durch die Reichshand vermittelt worden sind Auf die Unterverteilung dieser Summen kann die Reichsregierung nie und nimmer Einfluß nehmen, weil sie auf Wunsch der Landwirtschaft nur an die bestehenden landwirtschaftlichen Kreditinstitute gegeben werden. Wenn ich hier nochmals auch im Plenum sagen darf, daß die Kredite, die durch meine Hand vermittelt worden sind, zu 64 X an die preußische Zentralgenossenschaftskasse gegangen sind, die hauptsächlich mittleren und Kleinbesitz versorgt, und zu 16 2 an Landesbanken und Giro zentrale, die ihrerseits viederum die Kreisbanken versorgen, bei denen auch unendlich viele Bauern angeschlossen sind, so ist geschehen, was geschehen konnte. Die Länder haben sich in erster Linie mit den Notstandkrediten zu befassen gehabt, und der Antrag 41 der Kommunisten — sein erster Teil ist schon vom Vertreter des Reichsfinanzministeriums be⸗ antwortet worden — müßte sich eigentlich mehr an die Länder regierungen wenden. Der Antrag der Kommunisten enthält einige Fälle, die ich aufzuklären bitte: Gutsbesitzer in Pommern und Schlesien sollen ihre Hypotheken bei Kleinbauern gekündigt haben, um unter Ausnützung deren Notlage die Bauerngüter an sich zu bringen. Darüber ist weder der Reichsregierung noch dem preußischen Landwirt- schaftsministerium etwas bekannt. (Zuruf von den Kommunisten: Das hat sogar die deutschvölkische Presse gebracht) — Welche denn? Vielleicht sind Sie so freundlich, mir das Exemplar zu geben, damit ich nachforschen kann. Aber an sich muß diese Information unrichtig sein, da bekanntlich ein Moratorium für Hypotheken auszahlung bis 1932 besteht und bestehende Hypotheken jetzt überhaupt nicht zurück verlangt werden können. Ich kann mir also nicht denken daß diese Sache auf Wahrheit beruht Indessen bitte ich um Aufklärung. Sollte es wirklich der Wahrheit entsprechen, so wird natürlich eingeschritten werden.
Noch einige Worte über die Handelspolitik. Ich habe nicht die Absicht, mich heute auf die weitverzweigten Probleme der Handelspolitik ausführlich einzulassen, weil in der nächsten Woche die Zollvorlage bestimmt dem Reichsrat zugeht und dann zunächst auch im Reichstag Gelegenheit sein wird, hierzu Stellung zu nehmen. Nur soviel will ich heute sagen, daß mir die allseits als notwendig anerkannten Industriezölle — und gerade auch die Linke erkennt sie doch an — wenn man auch natürlich über die Höhe rechten kann, ohne das Korrelat an Agrarzöllen eine handelspolitische und volkswirtschaftliche Unmöglichkeit erscheinen. (Sehr wahr! rechts) Es muß auf die Dauer unweigerlich zu den allerschwersten Schädigungen und Stockungen in der Gesamtwirtschaft führen, wenn
man die Produktionsmittel eines so gewaltigen Berufestandes wie
die Landwirtschaft es ist, unter Zollschutz stellt, also verteuert, die Produkte der Landwirtschaft selbst aber ohne Zollschutz der Kon kurreng des mit billigeren Produktionsmitteln arbeitenden Auslandes freigibt. Nach meiner Meinung würde diese Rechnung jedenfalls ein Loch haben. (Sehr richtigl in der Mätie und rechts.) 2.
Selbstverständlich kann man über die Zölle rechten. Ich bin kein Freund von Hochschutzzöllen. Mir wäre etz, weiß Gott, lieber, es wären überhaupt keine Zölle nötig; denn es gehört sicher nicht zu den angenehmsten Aufgaben eines Ministers, eine Zollvorlage zu vertreten. und an der kommenden werde ich ja auch erheblich beteiligt sein.
Ich habe — das muß ich hler sagen — die Angriffe des Herrn Abgeordneten Dr. Crone vom Zentrum vom vorgestrigen Tage be⸗ dauert. Er hat mir einmal bei der Berührung der Aufhebung der Einfuhrsperre für Pferde, auf die ich noch bei Beantwortung der Intewellation besonders zurückkammen werde, vorgeworfen, ich hätte nur den Friedenszollsatz für Pferde eingeführt. Herr Dr. Crone ist leider nicht hier; darum will ich mich möglichst kurz zu diesem Punkte fassen. Er muß aher wissen, daß ich aus eigener Macht- vollkommenheit und ohne ein Gesetz nicht in der Lage bin, höhere Zölle als die Friedenszölle einzusetzen. Er kennt ja auch die Liste derjenigen Zollpositionea. die ich allein oder mit Genehmigung des Reicksrats hätte einführen können. Diese Liste entbält ja nicht die hauptsächlichen landwirtschaftlichen Positionen Er weiß auch, daß es nicht der Wunsch der Landwirtschaft ist, daß einzelne Zollpositionen für sich berausgegriffen weiden, sondern daß die gamen Fragen möglichst in toto geregelt werden.
Er ist dann auf den spanischen Handel vertrag eingegangen und hat, wie auch andere Abgeordnete, gesagt, daß dieser Handel svertrag so ziemlich das dümmste sei, was im Laufe der letzten Jahre von einer Reichsregierung erledigt wäre. Meine Damen und Herren, mich trifft dieser Vorwurf nicht (Heiterkeith; denn ich bin bekanntlich im damaligen Kabinett gehn den spanischen Handelsvertrag gewesen. habe mich aber den politischen Emwägungen des gesamten Kabinetts fügen müssen, die auch verständlich waren. Wir müssen auch immer bedenken, daß die allgemeine Lage im vorigen Sommer für den Abschluß von Handel sverträgen eine viel prekärere war als heute, und daß es vielleicht — ich sage vielleicht“ — heute möglich wäre, einige bessere Sätze mit Spanien zu erreichen. Jedenfalls wird die Reichs ⸗ regierung bemüht sein, alles zu kun, um bei den neuen Verhand- lungen mit den Ländern, die gerade für den Weinbau und Obstbau in Frage kommen einen für die deutsche Produktion erträglichen Zollsatz herauszuarbeiten.
Der Herr Abgeordnete Crone hat zweimal an mich die Frage gestellt, ob die Regierung eigentlich in Zollfragen führen wolle oder geführt werden wolle. Sie sei völlig untätig. Ich persönlich bin nicht empfindlich. Vor allen Dingen trifft mich dieser Vorwurf am allerwenigsten. Herr Dr. Crone weiß, daß ich mir im vorigen Jahre die erdenklichste Mühe gegeben habe, eine Zollvorlage ein⸗ zubringen. Der Reichstag verspürte aber keine Lust, diese Frage
wirklich sachlich zu behandeln. Dann müßte Hert Dr. Crone auch
selbst wissen, daß, als kürzlich — es ist gar nicht lange ber — die Reichsregierung sich an die hinter ihr stehenden Parteien wandte