1925 / 116 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 May 1925 18:00:01 GMT) scan diff

wecken. Sie sind vielfach nicht das Zeichen eines ehrlichen Pazifis— mus, sondern das Zeichen einer geradezu psychopathischen Auffassung der Dinge. Bei der Aussprache über den Etat des Reichswehr⸗ ministeriums wird sich Gelegenheit bieten, soweit erforderlich, auf Einzelheiten einzugehen. Ich will und muß hier nur mit der größzen Entschiedenheit betonen, daß nicht nur die Nachrichten der aus. ländischen Presse über geheime deutsche Kriegsvor⸗ bereitungen lächerliche Erfindungen sind, sondern daß auch die aus dem Auslande stammenden Vorwürfe durchweg auf groben Uebertreibungen beruhen und den Kern der Sache gänzlich entstellen.

Glauben Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich, wenn ich die rein sachlichen Schwierigkeiten der noch offenen Entwaffnungs⸗ fragen als nicht unüberwindlich einschätze, dabei die außerordentliche seelische Belastung verkenne, welche die Entwaffnungsbestimmungen, auch ganz abgesehen von der ganzen Art und Weise des Vorgehens der Alliierten, dem deutschen Volke auferlegen. Gegenüber den vielen Angriffen auf die mit der Entwaffnung betrauten Stellen möchte ich doch auf das eine himveisen, daß die schwerste Kraft des Menschen, bie Kraft der Selbstüberwindung, bei jedem anständigen Menschen dazu gehört, Material zu vernichten, das bestimmt ist, das Naturrecht jedes Volkes sicherzustellen: seine Heimat und seinen Boden zu ver teidigen.

Man hat uns auf eine weitere seelische Folter gespannt, indem man die Aufhebung der Besatzung der nördlichen Rhein- landzone mit der Durchführung der Entwaffnung in Verbindung gebracht hat. Wenn man glaubt, uns dadurch jeder Forderung gegenüber gefügig zu machen, so irrt man sich. Wir wissen, daß das besetzte Rheinland Unerhörtes ausgehalten hat, und daß es in seiner Treue zu Deutschland dadurch nicht wankend geworden ist. Es wird auch Verständnis dafür haben, daß wir alles tun, um Die Räumung sicherzustellen, aber nicht unseren eigenen Willen und unsere eigene Auffassung gegenüber dem, was uns zugemutet wird, a priori preisgeben. Gerade nach den Eindrücken, die ich anläßlich der Jahrtausendfeier in Köln gewonnen habe, glaube ich mich berech tigt, das auszusprechen und glaube mich weiter berechtigt, über die Gegensätze der Parteien hinaus dem deutschen Volke am Rhein auch von dieser Selle aus auzusprechen, daß wir mit herzlichster Anteil⸗ mahme der spontanen Bewegung folgen, der Welt zu zeigen, daß das Rheinland mehr als 1000 Jahre deutsch war und das, was ein Jahrtausend der deutschen Seele am Rhein eingeprägt hat, durch keinen Druck ausgelöscht werden kann, der gegenüber dem Fort⸗ gang der Weltgeschichte nichts Wesentliches bedeutet.

Die Zeit, in der wir leben, eignet sich allerdings wenig für rauschende Feste. Durch alle die Veranstaltungen im Rheinland wird neben dem Frohsinn der Ernst unserer politischen und unserer sozialen Lage hindurchklingen. Meinem lebhaften Bedauern und Befremden muß ich darüber Ausdruck geben, daß man die Ver⸗ anstaltung im Rheinland von ausländischer Seite benutzt hat, um die preußische Regierung und damit mittelbar die Reichsregierung zu verdächtigen, daß sie die e Feier veranstaltet hätte, um einen Zwist zwischen die Besatzungsbehörden und die dortige Bevölkerung zu bringen Man hat uns gegenüber amtlich zum Autdruck gebracht, daß das preußische Ministerium des Innern eine Verfügung erlassen hätte, die dahin ging, die Regierungspräsidenten aufzufordern. die Tausendiahrfeier zu politischen Demonstrationen zu benutzen. Ich möchte demgegenüber auch von dieser Stelle feststellen, daß das Dokument, auf das man sich dabei stützt, eine plumpe Fälschung ist, die wahrscheinlich von einem übereifrigen Spionagedienst zur Ver— fügung der zahlenden Auftraggeber gestellt worden ist. Das preußische Ministerium des Innern weiß nichts von diesem Erlaß, von der Journalnummer an bis zur Unterschrift ist er erfunden, um wahr— scheinlich die Grundlage zu bilden für die im Rheinland gegen die Jahrtausendfeier unternommenen Maßnahmen. Er zeigt aber, wessen wir uns gewärtig halten müssen in dem gegen das Deutschtum im Rheinland geführten Kampf. Wenn uns nicht in lovaler Weise der angebliche Wortlaut dieses gefälschten Briefes bekanntgegeben worden wäre, wären wir nicht in der Lage gewesen, uns gegen diese Politik des Lugs und Trugs überhaupt zu wehren. Da ich nicht weiß. wieviel andere gefälschte Briefe vielleicht zu ähnlichen Zwecken gebraucht worden sind, möchte ich an dieser Stelle vor der ganzen Oeffentlichkeit diese Methode feststellen und mich nach dieser Er⸗ fahrung prinzipiell dagegen verwahren, daß ähnlichen Behauptungen in Zukunft Glauben beigemessen werde.

Der von uns mit Bestimmtheit erwartete baldige Abschluß der Entwaffnungsfrage sollte aber nach meiner Ansicht nicht nur die so fortige Räumung der Kölner Zone zur Folge haben, sondern auch noch zu einem weiteren Ergebnis führen. Die einseitige Abrüstung Deutschlands ist nach dem klaren Wortlaut des Versailler Vertrags nicht ein Endzweck, sondern nur eine Vorleistung für die allgemeine Abrüstung. Die übrigen Mächte werden zu einem Anspruch auf Bei⸗ behaltung des gegenwärtigen Rüstungsstandes in Deutschland nur dann berechtigt sein, wenn sie das Problem der allgemeinen Abrüstung tatkräftig aufgreifen. In dieser Richtung haben sie bis- her so gut wie nichts getan Eine dauerhafte zwischenstaatliche Ord- nung ist aber so lange undenkbar, als einzelnen Staaten oder Staaten gruppen durch das Uebermaß ihrer Rüstungen die Möglichkeit ge⸗ geben ist, jede politische Aspiration ohne das Risiko eines wirksamen Widerstandes zu verwirklichen.

Angesichts des gegenwärtigen Standes der Rüstungsverhältnisse in Europa ist Deutschland als militärischer Faktor völlig ausgeschaltet. Wer dies bestreitet und von Gefahren eines deutschen Angriffs spricht, kann nicht mehr den guten Glauben für sich in Anspruch nehmen. Jedermann weiß auch, daß sich in Deutschland kein ernsthafter Mensch mit kriegerischen Absichten irgendwelcher Art trägt, und daß das deutsche Volk nur den einen Wunsch hat, in ungestörter friedlicher Arbeit seinen Staat und seine Wirtschaft wieder aufzubauen. Wir können deshalb auch das Bestehen eines Sicherheitsproblems in dem Sinne als ob undere Länder ein berechtigtes Bedürfnis nach Schutz gegen deutsche Angriffe hätten, unmöglich anerkennen. Ganz im Gegenteil kam Deutschland, das völlig entwaffnet stark gerüstetzen und durch militärische Bündnisse gesicherten Nachbarn gegenübersteht, mit Recht die Forderung auf den Schutz seiner Grenzen erheben. Es scheint mir überhaupt, daß die politischen Probleme, die zur Dis tussion der sogenannten Sicherheitsfrage geführt haben, mit diesem Worte nicht ganz zutreffend oder jedenfalls nur sehr uwollkommen gekennzeichnet werden. Wenn man erkennen will, um welche Probleme es sich hierbei in Wahrheit handelt, muß man sich

vergegenwärtigen, welche politischen Tatsachen dazu geführt haben, von der Notwendigkeit einer Lösung der Sicherheitsfrage zu sprechen.

Es ist bekannt, daß es der französischen Militärpartei im Früh jahr 1919 in Versailles nicht gelang ihre Forderung nach Verlegung der deutscken Westgrenze an den Rhein durchzusetzen. England und Amerika haben dieses ungeheuerliche Verlangen abgelehnt, haben aber damals die Zustimmung Frankreichs zu der in den Versailler Vertrag aufgenommenen Regelung der Rheinlandfrage nur darch erreicht, daß beide Länder als Ergänzung dieser Regelung für eine gewisse Uebergangszeit einen besonderen Garantievertrag in Aussicht stellten. Diese Garantieverträge sind nicht perfekt geworden. Das ist die Tat⸗ sache, die Frankreich von Anfang an zum Ausgangspunkt seiner For- derung nach besonderen Sicherheiten über den Versailler Vertrag hinaus genommen hat. Es erübrigt sich zu untersuchen, inwieweit in den verschiedenen Stadien der Sicherheitsfrage zwischen 1919 und 1925 für das Verhalten Frankreichs das Bedürfnis nach einem Ersatz der Garantieverträge mit England und Amerika oder aber jene Tendenzen der französischen Militärpartei und ähnliche politische Motive maß⸗ gebend gewesen sind. Denn im Ergebnis führen alle diese Be⸗

mußten wir schon aus den offensichtlich von französischen Wünschen inspirierten Beschlüssen des Völkerbundsrats vom September v. J. ersehen, die das im Versailler Vertrag dem Völkerbundsrat zu— gewiesene Recht zu militärischen Unternehmungen in Deutschland regeln sollten und das Rheinland mit bedenklichen Sonderbelastungen bedrohten. In der großen Parlamentsrede hat der frühere Minister⸗ präsident Herriot Ende Januar bei der Erörterung der Räumungs—⸗ frage nicht die Entwaffnungsfrage als solche, sondern die mit dem Fortfall der Garantieverträge begründete allgemeine Sicherheitsforderung Frankreichs als das ausschlaggebende Moment hingestellt. Seit dem Herbste v. J. stand somit die Sicherheitsfrage überall im Mittelpunkt der politischen Ueberlegungen, wenn das in den öffentlichen Auslassungen der Regierungen auch zunächst nicht zum Ausdruck kam. Die entscheidende Frage, die überhaupt das Kern⸗ problem unserer Beziehungen zu den Alliierten bildet, liegt darin, ob die Sicherheitsfrage unter den alliierten Westmächten allein oder unter Mitbeteiligung Deutschlands zu lösen ist. Der Stand- punkt der deutschen Reichsregierung in dieser Frage wird von dem Gesichtspunkt bestimmt, deß eine Lösung dieser Frage ohne Deutschland eine Losung gegen Deutschland wäre.

Eine solche Lösung kann dem europäischen Frieden nicht dienen und muß Deuschland auf das schwerste bedrohen. Die Bestimmungen des Versailler Vertrags über die Besetzung der demilitarisierten deutschen Gebiete sowie über das Investigationsrecht des Völker= bundsrats können dem Ausland stets den Anlaß zu Eingriffen geben, die eine Konsolidierung der deutschen Verhältnisse unmöglich machen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Außenpolitik, dem labilen Zustand unserer Westgrenze durch eine klare Regelung ein Ende zu machen. Daher konnte die Reichsregierung, wie der Herr Reichskanzler wiederholt in Erklärungen ausgeführt hat, sich positiver Mitarbeit an der Lösung der Sicherheitsfrage nicht versagen. Sie konnte dabei an frühere Entschließungen anknüpfen. Ich erinnere an den Vorschlag, den im Dezember 1922 der damalige Reichskanzler Cuno gemacht hat, und der dahin ging, daß die am Rhein interessierten Staaten sich gegenseitig zu treuen Händen der Regierung der Vereinigten Staaten verpflichten sollten, für ein Menschenalter ohne besondere Ermächtigung durch Volksabstimmung keinerlei Krieg gegeneinander zu führen. Bei der Erörterung dieses Vorschlags in der Oeffentlichkeit hat die damalige Reichsregierung zu erkennen gegeben, daß sie bereit sein würde, sowohl die zeitliche Begrenzung auf ein Menschenalter als auch den Gedanken der Volks- abstimmung fallen zu lassen. Altz dann die Regierung Cuno während des Ruhrkonflikts im Mai 1923 das bekannte Reparationsangebot machte, wurde dabei die Bereitwilligkeit zu allgemeinen frieden⸗ sichernden Vereinbarungen erneut zum Ausdruck gebracht und ins besondere auf den Abschluß allgemeiner Schiedsverträge hingewiesen. Endlich habe ich selbst als Reichskanzler im September 1923 in einer Rede in Stuttgart als neuen Gedanken den Abschluß eines Rheinpaktes zur Erörterung gestellt, durch den sich die am Rhein interessierten Staaten die Unversehrtheit des gegenwärtigen Gebiets standes gegenseitig zuzusichern hätten.

Die Anregungen, die wir neuerdings den alliierten Regierungen übermittelt haben, sind im Grunde nichts anderes als eine Zu sammenfassung der früheren deutschen Vorschläge.

Wir wollten mit der Kennzeichnung unserer Stellungnahme nicht ein Angebot machen, das ohne Aenderung anzunehmen oder abzulehnen gewesen wäre, sondern eine Grundlage für Verhandlungen über die von mir gekennzeichneten Fragen schaffen. Die Grundgedanken und die Grenzen, bis zu denen Deutschlad zu gehen bereit war, ergeben sich aus den Darlegungen unserer Botschafter, die in einem Memo—⸗ randum niedergelegt worden sind, und dessen wesentlichen Inhalt ich im Auswärtigen Ausschuß mitgeteilt habe. Sobald die Antpport der Alliierten oder einer der hauptinteressierten alliierten Mächte vorliegt, ist die Reichsregierung bereit, auch den Wortlaut dieses Memorandums zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Man hat es in der Oeffentlichkeit so hinzustellen versucht, als wäre die deutsche Stellungnahme ein Ausfluß deutscher Verzichtspolitik, die in Ver— kennung der französischen politischen Psychologie, die uns als Vor— bild hingestellt wird, moralische Werte aufgäbe, ohne eine Gegen— leistung heimzubringen. Wenn diese Auffassung richtig wäre, so würden die Franzosen ja die größten Toren sein, wenn sie nicht sofort zugriffen und sich die deutschen Vorschläge zu eigen machten. In Wirklichkeit sind wir bis heute auch in der Frage des Garantiepakts ohne Antwort seitens der französischen Regierung. Der Tatbestand, den ich vorhin gekennzeichnet habe, daß die Sicherheitsfrage ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Problems ist, daß wir wünschen, daß er mit Deutschland gelöst werde und uns zu positiver Mitarbeit zur Verfügung stellen, bleibt bestehen. Ob dieser Tat— bestand zu der friedlichen Verständigung führt, wird von der Haltung abhängen, die die Alliierten und insbesondere Frankreich uns gegen— über einnehmen. Auf eine Diskussion von Pressemeldungen über den voraussichtlichen Inhalt der an uns zu richtenden Antwort mich ein— zulassen, muß ich ablehnen. Nut auf zwei Punkte glaube ich noch hinweisen zu müssen.

Es hat uns einigermaßen in Erstaunen versetzt, daß bei Be⸗ kanntwerden unserer Anregungen ein Teil der ausländischen Presse sich in lebhaften und aufgeregten Protesten dagegen ergangen hat, daß unser Vorgehen eine aggressive Spitze gegen Polen enthalte. Die polnische Presse hat sich sogar zu der Behauptung verstiegen, daß

wir auf eine vierte Teilung Polens ausgingen und das Ziel verfolgten,

strebungen für Deutschland zu den gleichen gefährlichen Folgen. Das

unsere Nachbarn im Osten zu überfallen. Alles das lediglich deshalb, F.

weil wir die östlichen Grenzen nicht in den angeregten Garantiepakt einbezogen haben Unbegreiflicherweise hat sogar die in dem deut—⸗ schen Momorandum enthaltene Feststellung, daß Deutschland zum

Abschluß allgemeiner Schiedsverträge mit allen Staaten bereit sei, . dazu herhalten müssen, aggressive Absichten gegen Polen zu kon

struieren. Ich kann das, soweit es nicht auf einer völligen Unkenntnis des Wesens eines allgemeinen Schiedsvertrages beruht, wirklich nur auf bewußte Entstellung zurückführen.

wirksame Sicherung des Friedens. Selbst wenn man aber den Wert solcher Schiedsverträge anders einschätzt, ist es doch jedenfalls lächer⸗ lich, zu behaupten, daß sie das Zeichen eines Angriffswillens seien. Ich habe auch den Eindruck, als ob in letzter Zeit jene verfehlte Kritik einer vernünftigeren Beurteilung Platz gemacht hat. Aus unserer Auffassung über unsere Ostgrenzen haben wir allerdings weder in der Oeffentlichkeit, noch bei den diplomatischen Unterhaltungen

jemals ein Hehl gemacht. Es gibt niemand in Deutschland, der auf— .

richtig anerkennen könnte, daß die in flagrantem Widerspruch mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker gezogene Grenze im Osten eine für immer unabänderliche Tatsache sei. Es kann deshalb für Deutsch⸗ land auch keine Regelung der Sicherheitsfrage in Betracht kommen, die eine nochmalige Anerkennung dieser Grenze in sich schlösse gewaltsame Aenderung seiner Ostgrenze herbeizuführen, hat Deutsch⸗ land nicht die Macht und nicht den Willen. Ich darf in dieser Beziehung nur auf die Ausführungen hinweisen, die der Herr Reichspräsident unter Bezugnahme auf seine Eigenschaft als militärischer Sach- verständiger in dem bekannten Reuter⸗Interview gemacht hat.

Was schließlich die Stellungnahme der deutschen Reichsregierung zu der Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund anlangt, so hat die deutsche Reichsregierung noch unter dem Kabinett Marx in einer unter dem Vorsitz des verstorbenen Reichspräsidenten Ebert ab— gehaltenen Kabinettssitzung die Grundsätze, von denen sie sich bei einem eventuellen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund leiten lassen würde, ausführlich in einem Memorandum an die im Völkerbundsrat vertretenen Mächte niedergelegt. Ich darf bei Ihnen dieses Memorandum sowie unsere Note an den Völkerbund selbst vom Dezember vorigen Jahres als bekannt voraus setzen. Wir sind der Auffassung, daß das entwaffnete Deutschland nicht ebenso wie andere gerüstete Staaten irgendeine kriegerische Verwicklung auf sich nehmen kann. Die Darlegung der Note des Völkerbundsrats zeigt, daß man auch in Genf die Tragweite unserer Bedenken nicht verkannt hat. Der Hinweis in der Note des Völker bundsrats auf die Einflußmöglichkeiten, die Deutschland als Rats mitglied bei allen wichtigen Entscheidungen haben würde, ist zweifel⸗ los von Bedeutung. Die Reichsregierung wird es sich angelegen sein lassen, in dieser Richtung noch eine weitere Klärung der Frage herbeizuführen.

Die deutsche Reichsregierung versteift sich in dieser Beziehung gewiß nicht auf formale Subtilitäten. Es kommt ihr aber darauf an, die Notwendigkeiten politisch zur Geltung zu bringen, die sich aus unserer besonderen Lage ergeben. Wenn im übrigen in den

französischen Pressekommuniqués die Rede davon ist, daß der Eintritt .

Deutschlands in den Völkerbund überhaupt erst in Frage kommt, wenn die angeblichen Verfehlungen Deutschlands in der Ent— wafsnungsfrage beseitigt seien, so möchte ich demgegenüber betonen, daß wir im Endergebnis diesen französischen Pressekommuniqués nur zustimmen können. Wie wir über das Verfahren der Nichträumung der nördlichen Rheinlandzone und ihre Begründung mit den angeb- lichen Verfehlungen Deutschlands denken, habe ich vorhin ausgeführt. Jedenfalls liegt es auf der Hand, daß ein gedeihliches Zusammen— arbeiten im Völkerbund überhaupt nicht möglich ist, solange derartige akute Differenzen zwischen uns und den Alliierten ihre Lösung

nicht gefunden haben und die Räumung der nördlichen Zone durch—

geführt worden ist.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wie kompliziert die vor uns liegenden politischen Aufgaben im einzelnen sind, und wie stark sie ineinandergreifen. Das ist aber kein Grund, an der

Möglichkeit einer befriedigenden Gesamtregelung zu zweifeln. Das ö.

gemeinsame Interesse der Völker an einer solchen Gesamtlösung ist zu groß, daß sie trotz aller Schwierigkeiten schließlich gefunden werden muß. Es kommt lediglich darauf an, daß sich alle beteiligten

Regierungen dieses gemeinsame Interesse stetig vor Augen halten .

und sich entschließen, im Geist vertrauensvoller Ver⸗ ständigung zusammenzuarbeiten. Ich kann versichern, daß die

Reichsregierung es an diesen Voraussetzungen nicht mangeln lassen

wird. Den Bestrebungen der Reichsregierung wird aber der Erfolg versagt sein, wenn derselbe Geist, der sie beseelt, nicht auch bei den anderen Mächten vorhanden ist, die es in ihrer Hand haben,

Europa den Frieden zu geben oder es weiter in dem Zustand der

Verwirrung zu lassen, in dem es sich heute befindet und der zu dem Geist der Londoner Abmachungen im Gegensatz steht. Wer an die Spitze eines großen Volkes berufen ist“, so hat der Reichspräsident von Hindenburg bei dem Empfang des diplo— matischen Kors ausgeführt, „der kann keinen höheren Wunsch kennen als den, sein Volk in Frieden und Gleichberechtigung an den Aufgaben der Welt mitwirken zu sehen“. Völker gleichen Willens sind, so hat er hinzugefügt, hängt die glück liche Entwicklung aller Völker ab. Wir sind durch Jahre den Weg herber Enttäuschung gegangen. Gebe man uns Frieden u nd Gleichberechtägung, so wird die friedliche Ent wicklung der Völker in einem friedlichen Deutsch⸗ land ihre beste Stütze haben. (Lebhafter Beifall)

Präsident Löbe teilt mit, daß die Kommunistijche Fraktion Mißfrauentvoten gegen den Außenminister Dr. Stresemann und den Reichskanzler eingebracht habe. Er schlägt sodann vor, die Aut— sprache auf morgen zu vertagen.

Das Haus stimmt dem zu. Die Aussprache soll unter allen Umsländen am Mittwoch zu Ende geführt werden,

Ohne Aussprache in drüter Lesung wird noch der Gesetz⸗ entwurf über das Ruhegehalt der Witwe des Reichspräsidenten angenommen.

Dienstag, 12 Uhr, Weiterberatung. Schluß nach 6 Uhr.

Schiedsverträge, wie wir sie bereits mit einer Reihe von Staaten abgeschlossen haben, und wie sie gerade in letzter Zeit auch zwischen anderen Staaten zustandegekommen sind, bilden nach meiner Ansicht ein hervorragendes Mittel für eine

Eine

Davon, daß alle

Preußischer Staatsrat. Sitzung am 18 Mai 1925. (Bericht des Nachrichtenburos des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Staatsrat gedachte in seiner am Montagnachmittag abgehaltenen Plenarsitzung des Grubenunglücks auf Zeche Dorstfeld und ehrte das Andenken der Toten in der üblichen Weise. Hierauf beschäftigte sich der Staatsrat mit dem Ent— wurf eines Runderlasses des Ministers des Innern, wonach in den einzelnen Provinzen Landeskriminalstellen eingerichtet werden sollen für eine Reihe von Straftaten wie Hoch- und Landesverrat, Verbrechen gegen das Gesetz zum' Schutze der Republik, schwere Verbrechen wider das Leben, Hoch⸗ stapeleien uswm., Einbruch, Amtsvergehen. Beim Polizei⸗ präsidium in Berlin ist ein „Landeskriminalpoltzeiamt“ einzu⸗ richten. Der Staatsrat empfiehlt, die Liestimmungen über die ,, der Landeskriminalpolizeistellen und des Landes— riminalpolizeiamts dahin zu ergänzen, daß auch der unerlaubte Besitz von Waffenlagern und die damit in Zusammenhang stehenden Straftaten zur Zuständigkeit beider Behörden, und der Hochverrat sowie die Verbrechen gegen das Gesetz zum Schutze der Republikt auch . Zuständigkeit des Landeskriminalpolizeiamts gegören sollen, und empfiehlt ferner eine ausdrückliche Feststellung, daß die gesamten Kosten des Landespolizeiamts im Verhältnis f den Gemeinden dem Staate zur Last fallen, und schlägt chließlich vor, von der Begründung einer besonderen Landes— kriminalpolizeistelle in Potsdam abzusehen und den Regierungs⸗ bezirk Potsdam der Zuständigkeit der Berliner Landeskriminal— polizeistelle zu unterstellen. Im übrigen wurden Einwendungen nicht erhoben. Em sozialdemokratischer Antrag, der das Ve—

dauern ausspricht, daß das Reichskriminalgericht vom Juni 1922 noch nicht in Kraft getreten ist, fand feine Mehrheit. Gegen die Novelle zum Beamtendiensteinkommens— gesetz wurde Einspruch nicht erhoben.

Die nächste Sitzung 10½ Uhr, angesetzt.

wurde auf Dienstag, Vormittag

Freußischer Landtag. 41. Sitzung vom 13. Mai 1925.

ö Nachtrag.

Die Rede, die der Finanzminister Dr. Höpker—

bei der allgemeinen . über den , 6. hat lautet nach dem jetzt vorliegenden amtlie hen Stenogramm wie folgt: ö

Herr Abgeordneter Müller-Franken hat zuletzt gemeint, wir sollten beim Personalabbau in den Ministerien anfangen und zunächst einmal das Wohlfahrtsministerium abbauen. (Sehr richtig! bei der Wirtschaftlichen Vereinigung) Ich möchte hier vor dem Trugschluß warnen, als ob durch den Abbau des Wohlfahrts⸗ ministeriums viel gespart werden könnte. (Sehr richtig! im Zentrum und bei der Sozialdemokratischen Partei) Herr Abgeordneter Müller⸗ Franken hat selber gesagt, daß die Aufgaben, die jetzt das Wohlfahrts⸗ ministerium hat, früher in Abteilungen anderer Ministerien aus— geführt worden sind. Wenn also diese Aufgaben erfüllt werden müssen und notwendig sind, dann ist es kein großer Unterschied. ob man diese Aufgaben in den Abteilungen verschiedener Ministerien erledigen läßt, oder ob man aus einer Reihe von Ministerien einige Abteilungen herausnimmt und zu einem neuen Ministerium zusammenfaßt. (Zu stimmung und Widerspruch) Andererseits hat es doch vor allen Dingen der Krieg mit sich gebracht, daß den großen Aufgaben der Wohlfahrtspflege eine ganz andere Aufmerksamkeit geschenkt werden muß, als es früher geschehen konnte. (Zustimmung bei den Koalitions— parteien) Wenn man die Wohlfahrtsarbeiten aus verschiedenen Ministerien herausgeholt und in einem Ministerium zusammengefaßt und an die Spitze dieses neuen Ministeriums einen neuen Mann ge— stellt hat, dann trägt man damit nur dem Gedanken Rechnung, daß die Wohlfahrtspflege nach dem Kriege eine erhöhte Bedeutung ge⸗ wonnen hat. (Sehr richtigh

Dann benutze ich die Gelegenheit, um in Zusammenhang mit der Frage des Personalabbaus noch einige Zahlen nachzuholen, die ich Ihnen in meiner Rede neulich schon in Aussicht gestellt hatte, nämlich die Zahlen über den Abbau in der Schulver⸗ waltung.

Die Zahl der Lehrpersonen an den Volksschulen betrug am 1. Ok« tober 1923: 118 1, am 1. Juli 1924: 113 129, der Abbau betrug also 45 25. (Hört, hört! bei den Kommunisten) Wenn man in Ewwägung zieht, daß diese Zahlen hinter den Zahlen des allgemeinen Abbaus zurückbleiben, dann muß man berücksichtigen, daß der Abbau im besetzten Gebiet nicht durchgeführt worden ist, und daß ferner dem Schulabbau insofern gewisse Schranken gesetzt sind, als bei den Schulen mit 1 oder 2 oder 3 Klassen ein Abbau überhaupt nicht möglich ist. Zieht man das in Rechnung, dann ergeben sich folgende Sätze: Der Abbau an den Volksschulen des unbesetzten Gebietes betrug 7,7 *.; im Vergleich zu der Zahl der Stellen an mehrklassigen Schulen, wenn man also die ein, zwei⸗ und dreiklassigen Schulen außer Betracht läßt, 11,9 25. Aus diesen Zahlen sehen Sie, daß also auch der Abbau in der Schule zwar nicht das Ziel erreicht hat, das sich die Staatsregierung gesteckt hatte, aber immerhin doch ein nicht unerheblicher gewesen ist.

Eine Aufstellung über den Abbau an den mittleren und höheren Schulen ergibt folgendes: An den mittleren Schulen hatten wir am 1. Oktober 1423 6187 Lehrer, nach dem Abbau 5766, der Abbau beträgt also 7 65. An den höheren Schulen hatten wir vor dem Abbau 14967 Lehrer, der Abbau beträgt hier 1009 35. Von den Studienassessoren sind 763 . abgebaut.

Dann noch einige Zahlen über den Abbau in den Gemeinden. Ich bringe diese Zahlen hier, weil gerade gegen die Gemeindeverwaltung heute aus den Reihen der Wittschaft sehr schwere Vorwürfe erhoben werden und weil ich es gegenüber diesen Vorwürfen für meine Pflicht halte, einmal darauf hinzuweisen, daß auch in den Gemeinden und Gemeindeverbänden ein erheblicher Abbau stattgefunden hat. Die Zahl der Beamten in den Gemeinden und Gemeindeverbänden ist abgebaut um 10,18 3, die Zahl der Dauerangestellten um 24,56 35, die Zahl der Beamten und Dauerangestellten zusammen um 17 95. die Zahl der vorübergehend Angestellten um 5ö,b6ß 2 und die Zahl der Arbeiter um 10,11 33. (Zuruf rechts) Ich habe immer ver— glichen die Zahlen vor dem Abbau und nach dem Abbau. Sie haben Banz recht, es würde sehr lehrreich sein, wenn ich hier dieselben Ver⸗ gleichszahlen geben könnte, wie ich sie bei den Staatsbeamten sonst gegeben habe, nämlich die Zahlen der Beamten jetzt und 1913. Darüber fehlen mir, soweit die Schulverwaltung und die Gemeinde verwaltung in Frage kommt, leider noch die Zahlen; ich hoffe aber,

daß es bis zu den Ausschußberatungen möglich sein wird, auch diese Zahlen zusammenzustellen und Ihnen davon Kenntnis zu geben.

Dann noch eine kurze Bemerkung im Anscheuß an das, was ich in meiner Rede von dem Herrn Abgeordneten Dr. Preyer gesagt habe. Ich habe ja damals den Namen nicht genannt, habe mich nur dagegen verwahrt, daß er von einer liederlichen Finanzwirtschaft der Länder und der Gemeinden gesprochen habe. Inzwischen ist mir seine Rede zugänglich gemacht worden, und ich bin auf eine Stelle in dieser Rede aufmerksam gemacht worden, die mich allerdings zwingt, mit einigen Worten auf diese Dinge zurückzukommen. Da heißt es nämlich wörtlich:

Da kommt in erster Linie die Vermehrung der Beamten in Frage. Im Jahre 1912 hatte Preußen 83 000 Beamte, im Jahre 1925 dagegen 149 000, das ist ein Zuwachs von 66 000 oder 80 95. Ich habe bereits richtiggestellt, daß diese Zahlen nicht ganz stimmen. Nun heißt es aber weiter: Dabei ist es sehr bezeichnend, daß die größte Vermehrung der Beamten im Bereiche des „Fachministers“ Severing vor sich ge—⸗ gangen ist, den ich leider nicht mehr auf seinem Platze zu sehen das Vergnügen habe. Sein Ressort hat sich um 58 009 Beamte vermehrt. Meine Herren, ich glaube, wenn man auf dem Boden einer sachlichen Auseinandersetzung hätte bleiben wollen, so wäre es die Pflicht von Herrn Dr. Preyer gewesen, in diesem Zusammenhange nun auch zu sagen, daß wir eine neue Staatspolizei aufgebaut haben und daß die Vermehrung der Staatspolizei, die ganz auf das Ressort des Herrn Innenministers fällt, 63 (00 Köpfe ausmacht. (Sehr richtig) Daß diese Vermehrung der Staatspolizei notwendig war und daß sie auch in Blättern, die dem Herrn Abgeordneten Dr. Preyer nahestehen, freundlich begrüßt wird, dafür habe ich dann hier noch ein Zeitungs⸗ zeugnis. Mit Rücksicht auf die Maßnahmen, die gestern von der Polizei getroffen waren, heißt es im Berliner Lokalanzeiger: Das Polizeiaufgebot war enorm. Man sah die Schutzpolizei zu Pferde, Bereitschaften in Kraftwagen, auf Motorrädern, man sah Radfahrabteilungen und unendliche Massen zu Fuß, und man muß eins sagen: die Polizei hat ausgezeichnet ihren weiß Gott furchtbar schweren Dienst versehen. Die verschiedensten Beobachtungen haben gezeigt, daß die Mannschaften mit rück— sichtsloser Energie vorgingen, wo es nötig war, daß sie sich aber die redlichste Mühe gaben, Schroffheiten zu vermeiden. Das schmucke frische 2 der einzelnen und die frische Art der Offiziere fielen auf. enn wir die nötige Anzahl dieser Schupo⸗ leute hätten, könnten wir zufrieden sein. Die Staatsregierung hat eben versucht, die notwendige Anzahl dieser Schupoleute zu schaffen. Dann sollte man aber nicht gegen eine solche Maßnahme so polemisieren, wie es Herr Dr. Preyer im Reichstage durch falsche Einstellung der Zahlen getan hat. (Sehr richtig! links.)

Zu meiner Ueberraschung haben hier alle Abgeordneten einen großen Optimismus gegenüber dem Fehlbetrage gezeigt, der im preußischen Haushaltsplan ausgewiesen ist. Alle haben gemeint, dieser Fehlbetrag könne verhältnismäßig leicht gedeckt werden. Selbst der Herr Abgeordnete Dr. Wiemer, der als Berichterstatter beim Haushalt der allgemeinen Finanzverwaltung weiß, wie schwer es im allgemeinen ist, das Gleichgewicht im Haushaltsplan herzu⸗ stellen, hat gemeint, in diesem Jahre würde es außerordentlich leicht werden. (Zuruf des Abgeordneten Dr. Wiemer) Oder leichter sein als im vorigen Jahre. Schwer würde es vielleicht erst im nächsten Fahre werden. Ich mache darauf aufmerksam, daß der jetzige Finanzausgleich nur bis zum 1. Oktober 1925 läuft, daß also die Schwierigkeiten schon am 1. Oktober eintreten werden, daß ich in den Zahlenangaben, die ich gemacht habe, wie ich glaube, mit allem gerechnet habe, was wir vorläufig überhaupt vom Reiche erwarten können, daß dann aber doch der erhebliche Fehlbetrag von 200 Millionen Mark noch übrig bleibt.

Nun aber zu der Rechnung, die Herr Dr. Schmedding auf⸗ gemacht hat. Er meint, das Defizit könne sehr leicht gedeckt werden. Zunächst könne man 50 Millionen Mark einsparen, indem man die Entschädigung, die wir vom Reich bekommen haben, einfach für die laufenden Ausgaben verwendet. Ich brauche hierzu nicht viel zu fagen. Verschiedene Redner haben schon darauf hingewiesen, daß es allen Grundsätzen einer ordentlichen Finanzwirtschaf: wider sprechen würde, wenn wir diese Entschädigung, die wir für ver- lorenes Staatseigentum bekommen, nicht wieder als Staats⸗ eigentum verrechneten.

Auf die Reserven, die in den Forsteinnahmen, bei der Grund⸗ steuer und bei der Hauszinssteuer stecken, habe ich bereitz hin⸗ gewiesen. Herr Kollege Schmedding schätzt sie etwas höher ein, als ich sie glaube einschätzen zu dürfen. Aber ich glaube, ich bin auch hier so ziemlich bis an die Grenze des möglichen gegangen. Ich habe zugegeben, daß wir vielleicht eine Reserve von 50 Mil lionen haben werden. Wenn man das berücksichtigt, wird immer noch das Defizit von 200 Millionen Mark bleiben.

Herr Dr. Schmedding hat weiter darauf hingewiesen, daß wir ja an der Reichsbahn beteiligt seien und eine Dividende von ihr zu erwarten hätten. Diese Beteiligung ist sehr problematisch. Die Staatsverträge mit dem Reich und der Reichsbahn darüber sind noch nicht abgeschlossen. Aber selbst wenn sie abgeschlossen wären, würde ich ein leichtsinniger Finanzminister sein, wenn ich mit Dividenden rechnete. Sie haben gestern in der Zeitung gelesen, daß im Nachtragsetat zum Reichshaushaltsplan der Reichsbahn weitere 1290 Millionen Mark, ich glaube als Betriebsfonds, aus den verfügbaren Reichsmitteln zu Verfügung gestellt worden sind. Daraus geht doch hervor, daß die Reichsbahn nicht einmal von sich aus auskommt, sondern zurzeit noch die Unterstützung des Reiches braucht.

Dann aber hat Herr Dr. Schmedding weiter ausgeführt, es müsse doch möglich sein, die außerordentlichen Ausgaben in Höhe von 122 Millionen Mark auf Anleihe zu nehmen. Auch das scheint mir nicht richtig zu sein. Diese außerordentlichen Ausgaben das ist richtig gerechnet betragen 122,7 Millionen Mark. Aber ich brauche einem Kenner des Etats wie Herrn Dr. Schmedding nicht zu sagen, daß alle diese Ausgaben keine Ausgaben für werbende Zwecke sind. Ich habe hier eine Zusammenstellung der Ausgaben und bin gern bereit, sie Ihnen zur Verfügung zu stellen. Sie werden mir ohne weiteres zugeben, daß diese Ausgaben, die als einmalige ausgewiesen sind, nicht Ausgaben für werbende Zwecke sind. Da sind z. B. heim Ministerium des Innern 18 Mil⸗ lionen Mark eingesetzt. Das sind in der Hauptsache Bauten für die Unterbringung der Schupo. Solche Bauten kann man doch nicht auf Anleihe nehmen wollen, da es keine Bauten für werbende

Anlagen sind. Ich hebe einen anderen Posten heraus: Bildung

eines Betriebsfonds der Generalstaatskasse. Sie werden ohne weiteres zugeben, daß wir auch das nicht auf Anleihe nehmen können. Ich hebe weiter heraus: Förderung der inneren Koalition 11,2 Millionen Mark. Das ist anch ein Betrag, der nie Zinsen bringen wird, wenigstens nicht in absehbarer Zeit, und der aus diesem Grunde nicht auf Anleihe genommen werden darf Ich hebe endlich noch einen Posten aus dem Preußischen Wohlfahrts⸗ ministerium heraus, 25 Millionen für Erwerbslosenfürsorge Auch das ist ein Posten, der nicht auf Anleihe genommen werden kann.

Also diese 122 Millionen sind zwar einmalige Ausgaben, aber nicht für werbende Zwecke, und können daher nicht auf Anleihe ge⸗ nommen werden (Abgeordneter Schmedding: Das haben Sie ja doch im Vorbericht selbst angeregt! Dort ist angeregt worden, so⸗ viel ich weiß ob nicht einige der Ausgaben, soweit sie für werbende Zwecke Find, auf Anleihe genommen werden können, aber im allgemeinen kann davon nicht die Rede sein Und wenn Sie die ganzen Ziffern zusammengerechnet haben, werden Sie mit mir zu dem Ergebnis kommen, daß unter allen diesen Ausgaben solche für wer—⸗ bende Zwecke vielleicht nur im Extraordinarium des Handels— ministeriums und vielleicht noch ein kleiner Betrag im Extraordi⸗ des Haushaltes der landwirtschaftlichen Verwaltung stecken.

er gegenüber di oßen 3 on 122 Milli ; . ,. Zahl von 122 Millionen spielen diese

Die Ausgaben für werbende Zwecke werden außerdem kommen. Wir werden sie, wie in früheren Jahren, durch be son⸗ dere Anleihegesetze anferdern. Leider wird es aber wieder so gehen, wie im vorigen Jahre, daß wir die Anleihegesetze hier im Landtage bekommen, aber nicht die Anleihen, und dann genötigt sind, die Ausgaben, die wir auf Grund dieser Anleihegesetze zu machen haben, vorschußweise aus den Ueberschüssen zu leisten, die wir haben. Im vorigen Jahre haben wir sie gehabt, ob wir sie in diesem Jahre wieder haben werden, ist eine große Frage, die ich kaum mit ja beant⸗ worten möchte

Dann ein Weiteres! Es ist hier immer wieder betont worden, daß die Hauszinssteuemn unter keinen Umständen erhöht werden dürfe, daß sie im Gegenteil alsbald abgebaut werden müsse, und daß man daraus nur die Neubautätigkeit finanzieren dürfe. Ich darf in diesem Zusammenhange eins richtigstellen. Ich habe nicht davon ge⸗ sprochen, daß die Zwangswirtschaft noch 4 bis 5 Jahre aufrechterhalten werden müsse, sondern daß wir aus öffentlichen Mitteln die Neubau⸗ tätigkeit noch fürn eine ganze Reihe von Jahren fördern müssen, und dabei habe ich mit etwa 4 bis 5. Jahren gerechnet. Das ist etwas ganz anderes. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir sobald nicht in der Lage sein werden, das für die Neubautätigkeit nötige Kapital aus den Mitteln der freien Wirtschaft zu nehmen, weil dieses Kapital nicht da ist und erst allmählich durch weitere Ent⸗ wicklung der Spartätigkeit gewonnen werden kann. Wenn also gebaut werden soll. so muß vorerst aus öffentlichen Mitteln gebaut werden, und das wird noch eine Reihe von Jahren dauern.

Aber wir müssen uns auch darüber klar sein, daß wir die Haut zinssteuer im Rahmen der allgemeinen Finanzverwaltung als Ein nahmequelle nicht entbehren können. Man mag das bedauern oder nicht, jedenfalls gehört heute die Hauszinssteuer neben der Grund⸗ vermögenssteuer zu den Fundamenten der preußischen Finanzverwal⸗ tung überhaupt, und wenn Sie diese Einnahme wegnehmen wollen, weiß ich nicht, wie das Gleichgewicht hergestellt werden soll. (Zuruf rechts: Einseitige Besteuerung auch aus der Wirtschaft Aber davon reden wir nicht. Ich sage nur, daß der Preußische Staat auf diese Einnahme nicht verzichten kann, daß er sie braucht, um das Gleichgewicht herzustellen. (Erneute Zurufe rechts) Dann sagen Sie mir bitte eine andere Steuer. Es wäre dann Ihre Aufgabe, mir andere Quellen nachzuweisen.

Aber eins gebe ich in bezug auf die Hauszinssteuer zu. Das ist, daß sie dringend einer Veredlung bedarf, wie einer der Redner hier gesagt hat, und wir wollen gern an diese Aufgabe herangehen. Ich möchte nur davor warnen, zu glauben, daß es möglich sein wird, auf die Mittel, die heute aus der Hauszinssteuer für allgemeine Zwecke sowohl dem Staate wie den Gemeinden neben den Zuschüssen für die Neubautätigkeit zur Verfügung gestellt werden, ohne weiteres zu ver⸗= zichten. Meine Damen und Herren, dann weiß kein Abgeordneter und kein Finanzminister, wie das Gleichgewicht hergestellt werden soll.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Gegen satz zwischen Staat und Wirtschaft nicht zu überspannen. Ich weiß sehr wohl und ich habe das auch als eine der Hauptaufgaben bezeichnet daß wir in Zukunft mehr Rüdcsicht auf die Wirtschaft nehmen 'nüssen, als das in dem vergangenen Jahre oder in den vergangenen eineinhalb Jahren vielleicht geschehen ist: zu der Zeit, als es vor eilen Dingen darauf ankam, im Staaishaushalt das Gleichgewicht herzustellen und die Voraussetzungen für eine gesunde Währung zu schaffen. Wir werden also die Wirtschaft pfleglich be= handeln müssen. Aber man soll nicht glauben, daß ein starker Gegensatz zwischen Staat und Wirtschaft vorhanden sei. Wenn die Staats finanzen nicht gefund sind, wird auch die Wirtschaft nicht gesund sein. (G3Zurufe rechts: Umgekehrt) Meine Damen und Herren, das Um⸗ gekehrte ist auch richtig. (Heiterkeit) Es ist beides richtig. Ich warne Sie ja auch nur davor, einen Gegensatz zu konstruieren. Der Staat wird seine Einnahmen bekommen, wenn die Wirtschaft gesund ist; die Wirtschaft wird aber nur dann gesund sein, wenn das Gleichgewicht im Staat hergestellt ist und damit die Voraussetzungen für eine gute Währung vorhanden sind. Das eine geht nicht ohne das andere, und es ist falsch, zu sagen: „Wir wollen erst alle Lasten von der Wirtschaft nehmen; dann wird die Wirtschaft gesund sein“, sondern diese Dinge müssen Hand in Hand gehen. Wenn wir die Einnahmen des Staates zugunsten der Wirtschaft so herabsetzen, daß der Staat nicht mehr leben kann, daß das Gleichgewicht im Haushalt zerstört wird und damit die Voraussetzungen für eine gesunde Währung vernichtet werden, so wird gerade die Wirtschaft darunter schweren Schaden leiden. Ich wollte nur davor warnen, einen Gegensatz zu konstruieren. Der Gegensatz ist nicht da. Der Staat ist auf die Wirtschaft und die Wirtschaft auf den Staat angewiesen. Beide müssen gesund sein. (Zuruf links: Beide leben aber von den Arbeitern! Zuruf von anderer Seite: Zu den Arbeitern muß aber die Intelligenz kommen! Zuruf links: Die Intelligenz ist aber nicht auf Ihrer Seite) Gewiß. Beide leben von der Arbeit aller. Das ist selbstverständlich. ustimmung.)

Nun möchte ich hier in diesem Zusammenhange doch mit einigen Worten noch auf das eingehen, was der Herr Abgeordnete Müller Franken zuletzt mit Bezug auf die Mittelstandskredite hervorgehoben hat. Er hat gesagt: ihr habt der Landwirtschaft in ausreichendem Maße geholfen, das Reich hat auch der Schwerindustrie in ausreichendem Maße geholfen; nun helft endlich auch dem Mittel-

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