1925 / 232 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Oct 1925 18:00:01 GMT) scan diff

verarmten Volkswirtschaft naturgemäß nicht reichlich sein können, nicht in erster Linie immer denjenigen zugute kommen, die darauf im be⸗ sonderen Maße angewiesen sind, sondern daß man durch eine allzugroße Schematisierung und Bürokratisierung der Wirtschaft Lasten auf⸗ erlegt, die vielleicht, wenn man hier nicht das richtige Maß einhält, dazu führen können, daß der Kreis derer, die der Fürsorge bedürftig sind, sich nur immer mehr vergrößert. Das wäre ein Unglück für unser schwer arbeitendes Volk

Eine andere Frage, die im Ausschuß und auch bei den früheren

Verhandlungen eine große Rolle gespielt hat, ist die Frage des Promotionsrechts der Handelshochschulen. Ich glaube, daß wir in der Stellungnahme des Staatsministeriums einen Weg gefunden haben, der die Frage des Promotionsrechtes, insbesondere auch der Berliner Handelshochschule, so regelt, daß alle Beteiligten damit einverstanden sein können. Ueber diese Frage hat sich, wie Sie beobachtet haben werden, in der Tagespresse eine gewisse Diskussion er⸗ boben, die zum Teil darauf abgestimmt war, daß für die Berliner Handelshochschule irgend ein ganz neuer akademischer Grad geschaffen werden sollte, der dem Wesen des kaufmännischen Berufes ganz fremd sei. Diese Auffassung ist völlig verfehlt. Wenn die Berliner Handelshochschule, die sich in sehr erfreulicher Weise entwickelt hat, jetzt auch unter gewissen Bedingungen das Promotionsrecht bekommen soll, dann soll sie damit nicht mehr, sondern nur genau dasselbe er⸗ reichen, was die jetzigen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten Köln und Frankfurt an Rechten erhalten haben, die ja nichts wesentlich anderes als Handelshochschulen sind. Ich glaube, daß der Landtag ebenso wie die Verwaltung allen Grund hat, dankbar anzuerkennen, daß in der gegenwärtigen Zeit der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Nöte die Berliner Handelskammer so erhebliche Mittel für einen kulturellen Zweck, wie ihn die Handelshochschule darstellt, aufbringt, wie sie das all die Jahre trotz aller Schwierigkeiten getan hat.

Die Regierung legt naturgemäß den allergrößten Wert darauf, daß bie Zusammenarbeit mit den amtlichen Berufsvertretungen im Handel, im Gewerbe und im Handwerk möglichst innig ist. Wir haben uns dazu entschlossen, die Berichte, die wir bon den Handelskammern be— kommen, allmonatlich in zusammengefaßter Form herauszugeben. Ich glaube, daß wir damit einen Weg beschritten haben, der Anerkennung findet; jedenfalls möchte ich das aus der vielfachen Verwendung schließen, die dieses Material in der Oeffentlichkeit gefunden hat.

Die Frage der Zusammenlegung und der Verminderung der Zahl ker Handelskammern hat den Ausschuß ebenfalls beschäftigt. Ich habe schon dort zum Ausdruck gebracht und möchte das hier noch einmal hervorheben, daß ich auf dem Standpunkt stehe, daß wir in der Frage einer Zusammenfassung von Kammern einen scharfen, äbereilten Druck nicht ausüben sollten, sondern daß wir zunächst einmal abwarten können, wie sich die Dinge aus sich selbst heraus den Notwendigkeiten entsprechend gestalten und wie sich die Gruppierungen, die inzwischen eingetreten sind, bewähren. Wir halten es gerade in der jetzigen, noch immer wirtschaftlich unendlich unnormalen Zeit für verfehlt, auf diesem Gebiet etwa zu Czperimenten überzugehen.

Was die Neuorganisation des Handwerks an langt, so wissen Sie ja, daß seit geraumer Zeit im Reiche über den Entwurf einer Handwerkekammerordnung vorbereitet wird, wobei wir auch Gelegenheit haben, unseren Einfluß auszuüben. Er ist von uns immer wieder in der Richtung eingesetzt worden, daß die Handwerks⸗ ordnung möglichst bald in der Farm eines Gesetzentwurfs vorgelegt werden möchte, damit diese Frage endlich entschieden werden kann. Was den Inhalt der Handwerksordnung angeht, so wird darauf Be⸗ dacht zu nehmen sein, daß die Organisationsform, die sich im Hand⸗ werk allmählich durchgesetzt und durchgebildet hat, zum Ausgangs⸗ punkt genommen wird und daß man her Selbstverwaltung des Hand— werks im Rahmen dieser Organisation eine möglichst freie Ent⸗ wicklung gönnt. (Bravol links) Das Handwerk ist ein so unendlich bedeutungsvoller und wichtiger Teil unseres Volkstums überhaupt, daß man in der Organisation des Handwerks dieser Bedeutung voll entgegenkommen muß, andererseits aber selbstverständlich nicht aus den Augen verlieren darf, daß das Handwerk trotz oder vielleicht gerade wegen dieser seiner großen Bedeutung innerhalb der Volksgemein— schaft immerhin nicht isoliert und unabhängig von den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der ganzen Gesellschaft organisiert und ver— waltet werden darf.

Der Herr Berichterstatter hat mit einem Wort unser Verhältnis jur Reichsbahngesellschaft und zum Reichsverkehrs— ministerium gestreift. Der Landtag hat sich ja schon bei anderer Gelegenheit mit diesen Beziehungen ausführlich beschäftigt. Wir dürfen bei dieser Frage nicht übersehen, daß durch die Schaffung der Dawes⸗Gesetze, inebesondere auch des Cisenbahngesetzes, und durch die gustimmung der Länder, also auch Preußens, zu diesen Gesetzen sich die Länder eines großen Teiles ihres früheren Einflusses begeben baben. Es wäre falsch, wenn wir glauben wollten, daß wir ähnlich wie früher unsere Wünsche durchsetzen könnten. Ich nehme an, daß auch die Herren, die die großen Anfragen und Anträge auf diesem Gebiet vorgelegt haben, sich vor Augen halten, daß leider unser Ein⸗ fluß von vornherein durch diese Gesetze und durch die Verabredungen, die aus Anlaß der Neugestaltung der Eisenbahnverhältnisse getroffen worden sind, begrenzt ist. Sie wissen, daß wir einen Einfluß durch Ernennung eines sogenannten preußischen Direktors, eines Mitgliedes der Generaldirektion, eingeräumt erhalten haben; Sie wissen ferner, daß wir einen Einfluß auf die Ernennung eines preußischen Mit— gliedes im Verwaltungsrat eingeräumt erhalten haben. Gerade aber, weil unser Einfluß gegenwärtig durch die Entwicklung so begrenzt ist, müssen wir erwarten, daß alle Beteiligten, sowohl die Reichsbahn— verwaltung wie das Reich, diese Reste von Einfluß den Ländern, ins. besondere auch Preußen, ungeschmälert zukommen lassen. (Sehr richtig) Ich glaube, daß auf allen Seiten der gute Wille besteht, in dieser Art zusammenzuarbeiten. Es wäre jedenfalls ganz unerträglich, wenn das Reich die Abreden, die getroffen worden sind, nun noch ganz besonders eng auslegen wollte, um den Einfluß, den Preußen noch bat, nun noch darüber hinaus zu schmälern. Das würde um so unerträg— licher sein, als auch das Reich nicht übersehen kann bei diesen Dingen, daß es für die Länder sehr schmerzlich ist, zu sehen, daß sie ihr wert⸗ vollstes Objekt, ihre Eisenbahnen, nahezu kostenlos dem Reich zur Verfügung gestellt haben (sehr richtig! links), so daß das Reich jetzt einen wesentlichen Teil der Reparationslasten daraus ziehen kann. Ich hoffe, das Reich und die anderen beteiligten Stellen werden sich die psvchologische Einstellung, die sich aus dieser Tatsache im preußischen Volke entwickelt hat, vor Augen halten, wenn wir zu weiteren Verhandlungen und Besprechungen über diese oder jene organi satorische Frage gelangen. ;

Ein Wort über die Elektrizitätspolitik und die

halten, wenn etwa der Staat seine Aufgabe darln sehen wollte, in den Gebieten, in denen er jetzt eine Art Monopolstellung in der Elektrizitätsversorgung erhalten hat, diese Stellung auszunutzen, indem er der Wirtschaft durch hohe Strompreise hohe Unkosten auf⸗ erlegt. Sehr richtigh Dann würde die ganze staatliche Elektrizitãts⸗ politik keinen Sinn haben, wenn der Staat etwa an die Stelle eines Privatmonopols, das zu befürchten war, nun seinerseits monopo— listische Bestrebungen treten lassen wollte. Die Linie der staatlichen Elektrizitätspolitik muß vielmehr dahin gehen, der Wirtschaft im In— teresse ihrer Entwicklung und Befruchtung den Strom so billig wie möglich zu liefern. (Sehr guth Dabei dürfen aber die Verbraucher nicht übersehen, daß auch die staatliche Elektrizitätsverwaltung eine Wirtschaftsein richtung ist und keine Wohltätigkeitsanstalt. (Sehr richtig) Es sind Bedenken erhoben worden, ob die Preispolitik der staatlichen Elektrizitätswerke immer richtig gewesen sei. Die Zahlen, die Ihnen da genannt worden sind sie haben auch in

Erverbslosen in der Inflation szeit, im Jahre 1921 und 1923, damals,

einer Anfrage oder in einem Antrag ihren Niederschlag gefunden treffen nicht zu. Es ist nicht richtig, daß die staatliche Verwaltung besonders teuer arbeitet; davon kann keine Rede sein. Es darf bei den Zahlen auch nicht vergessen werden, daß wir uns im Aufbau befinden, daß die Elektrizitätsgesellschaften nicht eingearbeitet und entwickelt, sondern im Aufbau sind, und daß es, wenn wir weiter vorankommen, auch möglich sein wird, wirtschaftlicher zu arbeiten als heute. Ich glaube, daß in dieser Beziehung insbesondere uns auch eine Erleichterung kommt durch die Angliederungen, die wir, wie Sie wissen, in den letzten Monaten vorgenommen haben. Es wird ins—⸗ besondere möglich sein, die einzelnen Stromquellen mehr auszugleichen und sich ergänzen zu lasfen, um dadurch zu einer größeren Wirt⸗ schaftlichkeit zu gelangen.

. Wenn ich mir über die allgemeine Wirtschaftslage einige Bemerkungen gestatten darf, so möchte ich gleich vorausschicken, daß auch für die nächste Zukunft die wirtschaftlichen Entwicklungen so wenig durchsichtig sind, daß ich es, soweit wägbare Tatsachen überhaupt vorhanden sind, für ebenso bedenklich halten würde, wenn man sich einem aschgrauen, düsteren Pessimismus hingeben wollte, als wenn man sich einem Optimismus hingeben wollte, der in allen möglichen Illusionen sich ergeht. Ich will versuchen, einige wirt⸗ schaftliche Tatsachen Ihnen vorzutragen, um Ihnen selbst Gelegen⸗ heit zu geben, daraus vie erforderlichen Schlüsse zu ziehen.

Der wirtschaftliche Pessimismus, der sich vielerorts in Deutsch⸗ land in den letzten Monaten gezeigt hat, ging von der Kohlen wirtschaft aus. Ich will auf diese Entwicklung nicht näher ein⸗ gehen. Es ist allgemein bekannt, daß die Haldenbestände im Früůb⸗ jahr dieses Jahres immer mehr zugenommen haben, nicht so sehr wegen eines wesentlichen absoluten Rückgangs des Kohlenverbrauchs, sondern wegen einer zunehmenden Förderung. Die Haldenbestände sind schließlich so angewachsen, daß Werte von etwa 150 Millionen auf den Halden im Westen Deutschlands lagen. (Hört, hört!) Was das bedeuten mußte für einen so wichtigen Ausschnitt unserer Wirt— schaft, wie es die Kohlenwirtschaft ist, kann jeder ermessen, der sich vor Augen hält, wie sehr die flüssigen Betriebsmittel ohnehin auch in der Montanindustrie in der Inflationszeit dahingeschmolzen sind. Das mußte die Lage der Kohlenwirtschaft auf das verhängnisvollste beeinflussen, wenn Werte von 150 Millionen Mark nutzlos zunächst der Wirtschaft entzogen waren, eingefroren. verlorengegangen waren.

Sie wissen, daß die Kohlenwirtschaft versucht hat, diese Ent- wicklung umzubiegen und auf eine Besserung der wirtschaftlichen Ver— bältnisse hinzuarbeiten, indem eine Reihe von Stillegungen erfolgt sind. Diese Stillegungen sind vom sozialen Standpunkt darüber brauche ich kein Wort zu verlieren außerordentlich schmerz⸗ lich, aber es ist zu hoffen, daß damit der Tiefstand nicht nur erreicht ist, sondern daß wir vielleicht jetzt schon ein ganz klein wenig der Besserung entgegengehen. Die allerneuesten Zahlen, die ich über die Lage im Kohlenbergbau bekommen habe sie sind vom September sind so, daß in Oberschlesien die Förderung nicht nur ganz er— heblich gesteigert werden konnte, sondern auch die Halden nahezu restlos geräumt sind. Erfreulicherweise hat sich auch in Nieder schlesien, einem Gebiete, daß ja in besonderem Maße immer die Sorge der Verwaltung und auch dieses hohen Hauses war, der Um— stand, daß die monatlich 500 000 et polnischer Kohle jetzt nicht mehr hereinkommen, ausgewirkt. In Niederschlesien ist man zu einer Er— höhung der Förderung übergegangen, die nicht nur abgesetzt ist, sondern man hat auch von den Halden nicht unwesentlich abgefahren.

An der Ruhr ist die durch die Stillegungen verminderte Pro—⸗ duktion jetzt abgesetzt worden und darüber hinaus, wenn auch leider vorläufig nur in beschränktem Umfange auch eine Verladung von der Halde möglich gewesen. (Zuruf) Gewiß, nicht überall, aber doch jedenfalls, wie von kompetenter Stelle mitgeteilt worden ist, in Höhe von etwa 500 000 t. Das ist nicht allzu viel, aber jedenfalls ein kleiner Anfang zum Besseren.

Während nun die Arbeiter und Angestellten, die durch die Still⸗ legungen an der Ruhr arbeitslos geworden waren, bis etwa zum Juli in anderen Berufszweigen Aufnahme fanden, ist im Juli und August eine Verschlechterung eingetreten, und es ist bedauerlicher— weise damit zu rechnen, daß ein Teil der entlassenen Arbeiter und Angestellten nicht gleich in anderen Berufen Unterkommen finden wird. Ich brauche wohl nicht besonders hervorzuheben, daß es die Sorge aller beteiligten Verwaltungen sein muß, hier helfend ein— zugreifen, wenn sich Schwierigkeiten zeigen und noch mehr auswirken, als dies bisher schon der Fall ist.

Ueber die Lage des Arbeitsmarktes in Deutsch— land darf ich folgendes sagen. Wir haben am 1. September d. J. an unterstützten Erwerbslosen in Deutschland insgesamt 262 727 ge- habt. (Zuruf bei den Kommunisten.) Zum Vergleich darf ich darauf hin⸗ weisen, daß diese Zahl noch nicht einmal halb so hoch ist wie im Jahre 1924 zur gleichen Zeit, und daß auch die Zahl der unterstützten

als unsere Industrie, wie Ihnen ja allen bekannt ist, in weitem Um—= fange beschäftigt war, am 1. September immer noch etwas größer war als gegenwärtig. (Zuruf bei den Kommunisten: Jetzt bekommt ja die Hälfte überhaupt keine Arbeitslosenunterstützung) Das ist selbst. verständlich. Ich habe ja ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich bei den von mir angegebenen Zahlen nur um die unterstützten Arbeits. losen handelt. Wie groß die Zahl der nicht unterstützten sein mag, das zu sagen, ist außerordentlich schwer. Jedenfalls muß man noch mit einer erheblichen Zahl rechnen, die dazu kommt. Immerhin war das Verhältnis so, daß wir am 1. September v. J. 588 000 Arbeits. lose hatten und in diesem Jahre zur gleichen Zeit 232 000 gehabt haben, so daß man gleichwohl zu dem von mir angeführten Ergebnis

Glektrizitätsverwaltung. Ich würde es für ganz falsch

Sobottka einwarf. Die Zahlen sind nicht besonders ungünstig. Aller. . damit zu rechnen, daß die Zahlen sich verschzechtern. Aus den gegenwärtigen Zahlen ergibt sich jedenfalls ein ziemli

hoher Beschäftigungsgrad der . e , Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man die Gesamtmenge des Energieverbrauchs in Deutschland betrachtet. Es ist immerhin inter⸗ essant, daß der Energieverbrauch in Deutschland im ersten Halbjahr 1925, ungefähr dem vor dem Kriege entspricht. Auch dies spricht da⸗ für, daß der Beschäftigungsgrad unserer Wirtschaft nicht unerheblich ist. Ich möchte aber davor warnen, aus diesen Tatsachen nun etwa auf eine Prosperität der Wirtschaft in Deutschland schließen zu wollen. Es ist keineswegs gesagt, daß die immerhin in großem Umfang vor— handenen Aufträge lehnend sind und daß ein angemessener Ertrag der Wirtschaft vorhande ist. Es ist ferner zu bedenken, daß dieser ver⸗ haltnismãßig hohe Beschäftigungsgrad unserer deutschen Wirtschaft sicherlich wesentlich veranlaßt und beeinflußt worden ist durch die Kredite, die die deutsche Wirtschaft vo m Auslande bekommen bat und die vielfach in Form von Rohstoffen und Halbfabrikaten ge— geben worden sind oder sich jedenfalls in Rohstoffe und Halbfabrikate umgesetzt haben. Dafür, daß das in erheblichem Ausmaße geschehen ist spricht überzeugend unsere Handelsbilanz. Unsere Handels— bilanz sieht leider außerordentlich unerfreulich aus. Im Jahre 1924 betrug die Passivität unserer deutschen Handelsbilanz ohne Gold und Silber 26 Milliarden Mark, in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres, also bis einschließlich August d. J, betrug die Pas⸗ siwität unserer Handelsbilanz wiederum ohne Gold und Silber 3, 10 Milliarden Mark (hört, hörth, eine unendlich hohe Zahl! (Abg. Dr. Leidig: Dabei sind aber die Auslandskredite zu berücksichtigen ) Ich habe ja bereits davon gesprochen, daß sie sich in Wareneinfuhr umgesetzt haben.

Diese Zahlen wären noch außerordentlich viel bedenklicher, als sie sind, wenn nicht eine gewisse Hoffnung auf Besserung auf diesem Gebiete vorhanden wäre. Zunächst glaube ich zu dieser Doffnung berechtigt zu sein, weil sich in den hohen Zahlen für die Einfuhr in den vergangenen Monaten sicherlich die Vorversorgung ausgewirkt hat, die an drei verschiedene Termine in diesem Jahre geknüpft war: erstens an den 10. Januar, an dem die allgemeine einseitige Meistbegünstigung aufhörte, die wir auf Grund des Friedensvertrags der Feindseite einzuräumen hatten, zweitens an den 1. September, an dem die landwirt— schaftlichen Zölle eingeführt worden sind und sich auf diesem Gebiete eine gewisse Vorversorgung geltend gemacht hat, und endlich an den 1. Oktober, an dem die erhöhten Zölle allgemein eingeführt worden sind und naturgemäß, wie immer bei solchen Ge⸗ legenheiten, eine gewisse Vorversorgung stattgefunden haben mag. Dazu kommt, daß wir im vergangenen Wirtschaftsjahre oder richtiger: Ernährungsjahre eine ganz besonders hohe Einfuhr von Nahrungsmitteln gehabt haben, weil die Ernte im vorigen Jahre sehr unbefriedigend war. Es ist zu hoffen, daß wir bei der diesjährigen Ernte, die jedenfalls besser ist als die vorjährige, im Verlaufe des jetzt beginnenden Erntewirtschaftsjahres nicht mehr einen so starken Import von Lebensmitteln brauchen werden wie bisher. Es ist ferner damit zu rechnen, daß dutch die Einführung der (Zuruf rechts: Südfrüchte) ja, ich bin sehr damit einberstanden, daß die Einfuhr von Südfrüchten geringer wird. Ich wollte eben davon sprechen, daß die Einfuhr auch durch die Handelsverträge, die wir zu schließen haben, und durch die Tatsache beeinflußt wird, daß jetzt Zölle eingeführt worden sind und sich hesonders auswirken, solange die Handelsverträge noch nicht abgeschlossen sind. Das sicherste Mittel, um unsere Handelsbilanz zu verbessern darüber werden wir uns wohl alle einig sein, meine Damen und Herren wäre eine Herabsetzung des Preisniveaus in Deutschland. (Lebhafte Zustimmung) Das würde die Möglichkeit geben, die Ein— fuhr zu drosseln und gleichzeitig die Ausfuhr anzuregen. Die Meinungen darüber, wie man eine Senkung des Preisniepeaus in Deutschland herbeiführen könnte, gehen freilich sehr weit auseinander. Es gibt gewisse Kreise sie sind glücklicherweise nicht allzu zahl⸗ reich die einfach sagen, daß das Lohnniveau herabgesetzt werden muß. Ich glaube, in diesem Hause wird jeder mit mir darüber ein— stimmen, daß eine Herabsetzung des Lohnniveaus nur dann möglich wäre, wenn gleichzeitig und in demselben Ausmaße eine allgemeine Preissenkung in Deutschland Platz griffe (lebhafte Zustimmung links), damit der Reallohn, der sicherlich in Deutschland nicht übertrieben hoch ist, einigermaßen aufrechterhalten werden kann. Was die Senkung der Preisniveaus anlangt, so bin ich der Meinung, daß man sie am ehesten erreichen wird, wenn man den auf⸗ geblähten Probuktions⸗ und Verteilungsapparat, den wir in Deutsch⸗ land haben, wieder etwas komprimiert. Ich habe das Gefühl, daß in Deutschland viel zu viel auf allgemeine Regie, und Generalunkosten entfällt. Der Apparat ist zu groß. Wir haben zu viele Menschen, die Generaldirektoren spielen wollen. (Sehr richtigh Meine Damen und Verren, über das Ausmaß dieses Produktionsapparates und seiner Aufblähung ift von den verschiedensten Seiten Zahlen material vor— gebracht worden. Ich selbst habe im Ausschuß schon darauf hin⸗ gewiesen, daß die Zahl der eingetragenen Firmen in der Stadt Berlin sich nach den Angaben der Registerbehörden gegenüber der Vor— kriegszeit verdoppelt, die Zahl der Aktiengesellschaften vervierfacht und die Zahl der Banken sich gleichfalls verdoppelt hat. Ich möchte aus— drücklich bemerken, daß diese Zahlen mit allergrößter Vorsicht zu betrachten sind; denn es kann gar kein Zweifel darin bestehen, daß diese Statistik nicht absolut klar sst, weil z. B. unter den Gesellschaften, die jetz: im Handelsregister en⸗ getragen sind, eine gange Reihe von Betrieben sich befinden, die gleich⸗ zeitig noch im Einzelkaufmannsregister stehen, eben dort, wo der Einzelkaufmann eingetragen war, der sich dann in der Inflationszeit zu einer G. m. b. H. ausgewachsen hat. Die frühere Firma ist dann sicherlich häufig noch im Register verzeichnet, während die G. m. b. H. den Betrieb fortsetzt, den der Einzelkaufmann früher hatte. Es ist schwer zu schätzen, in welchem Umfange das der Fall ist. Aber Sach—⸗ kundige sind der Meinung, daß die Zahlen über die wirkliche Betriebs vermehrung bei diesen und ähnlichen Korrekturen sehr zusammen⸗ schrumpfen werden. Sie dürfen eben nicht vergessen, daß innerhalb der Geschäftswelt eine starke Verschiebung eingetreten ist Es werden sehr viele Fälle vorgekommen sein, in denen irgendein Minder kaufmann bei der Art, wie man Größenkategorien in der Inflations—⸗ zeit zu schätzen sich gewöhnt hatte, sich allmählich für einen Groß kaufmann hielt, jedenfalls für einen Kaufmann, der eine Firma ein—⸗ tragen lassen konnte, sJ daß anzunehmen ist, daß aus der Zahl der Minderkaufleute die Zahl der eingetragenen Kaufleute sich vermehrt bat, ohne daß die Betriebe in entsprechendem Ausmaße

kommen muß, auch wenn man berücksichtigt, was der Herr Abgeordnete

zugenommen haben. Es ist interessant, ein paar Zahlen über

beitragen könnten.

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die Zunahme der Handelsbetriebe zu geben, die ich aller⸗ dings nur aus wenigen Städten zur Verfügung habe. Ich habe hier die Zahlen aus der Stadt Elberfeld, die ergeben, daß die Zahl der Firmen, offenbar der eingetragenen Firmen, von 1914 bis 1924 in der Industrie um 29 vo zu genommen hat, im Großhandel um 117 vH chört, hört, im Einzelhandel um 13 vH. (Hört, hört) Aber gerade hierfür, vermute ich, gilt das, was ich vorhin sagte es mögen in der Inflationszeit viele Einzelhändler in den Großhandel übergegangen sein, so daß sich dadurch diese Um⸗ schichtung ergibt. In der Stadt Barmen hat sich die Zahl bei der Industrie um 40 vH vermehrt, im Großhandel um 80 vH und im Einzelhandel um 16 v5. Ueberraschend wird für Sie jedenfalls sein, daß die Zunahme des Kleinhandels in den beiden Städten gar nicht so erheblich ist. Ich betone dabei nochmals, daß Sie diese Zahlen selbstverständlich nicht als endgültiges Material ansehen dürfen. Ferner möchte ich noch eine Zahl über die Zunahme der Fleische⸗ reibetriebe geben, die ich gestern noch habe feststellen können. Sie wissen, daß angesichts der außerordentlichen Steigerung der Fleischpreise im Kleinhandel darauf hingewiesen wird, daß die Fleischereibetriebe so unendlich zugenommen hätten, und sich daraus in etwas die Steigerung der Fleischpreise erklärte. Nach den Mittei⸗ lungen der Berliner Handwerkskammer haben in Berlin die Laden fleischer gegenüber der Vorkriegszeit nicht zugenommen. Zugenommen haben, aber auch nur in bescheidenem Umfange, die Marktfleischer, und zwar dadurch, daß alte ehemalige Fleischer, die sich zur Ruhe ge⸗ setzt und in der Inflation szeit ihr Vermögen verloren hatten, nach—⸗ dem sie wieder arbeiten müssen, keinen neuen Laden aufmachen können, sondern auf den Markt gehen und dort Fleischhandel treiben müssen. Aber auch wenn diese Zahlen absolut nicht stark zugenommen haben, dürfen Sie nicht vergessen, daß der Fleischkonsum der Bevölkerung gegenüber der Vorkriegszeit erhebtich abgenommen hat, nämlich von 58 auf gegenwärtig etwa 42 Kilo pro Kopf, so daß die Zahl der Be⸗ triebe auf diesem Gebiet immerhin sehr hoch ist.

Ich glaube, daß man damit rechnen kann, daß dieser aufgebläht Apparat der Wirtschaft sich auf ganz natürlichem Wege allmählich vermindert. Die in ihrer Leitung oder ihrer wirtschaftlichen Fun⸗ dierung unzulänglichen Betriebe werden im Konkurrenzkampf erliegen. Dafür sprechen jedenfalls die Konkurszahlen, die vorliegen. Wir haben eine erhebliche Zunahme der Konkursziffern in dem ersten Halbjahr 1925 gegenüber derselben Zeit im vorigen Jahr. Gegenwärtig kann man damit rechnen, daß die Zahl der Konkurse monatlich ebenso hoch ist wie vor dem Krieg, wobei Sie bedenken müssen, daß die absolut gleiche Zahl der Vorkriegszeit in Wirklichkeit eine Erhöhung, eine Zunahme in dem Ausscheidungsprozeß der Firmen bedeuten würde, weil sicherlich in der gegenwärtigen Zeit die Zunahme der Betriebe nicht gleich groß ist wie die Zunahme in der Vorkriegszeit, und weil sicherlich gegenwärtig viel mehr Betriebe ohne Konkursverfahren im Wege eines Vergleichs unter den Gläubigern oder aus Mangel an Masse geschlossen werden, als dies vor dem Kriege der Fall gewesen ist. Ich glaube also, daß hier ein Aus⸗ scheidungsprozeß im Gange ist, der, so schmerzlich er für den betroffenen Einzelnen ist, hoffentlich bald wieder dahin führt, daß sich der alte Grundsatz: Großer Umsatz, kleiner Nutzen, in der deutschen Wirtschaft wieder durchsetzen kann. (Sehr guth

Es ist nun die Frage aufzuwerfen, wie etwa staatlicher⸗ seits bei der Senkung des Preisniveaus in der deutschen Wirtschaft mitgewirkt werden kann. Sie wissen, daß die Reichsregierung auf diesem Gebiete vorangegangen ist, daß sie ins⸗ besondere durch einen Druck auf die Kartelle versucht, die Preise zu senken. (Lebhafte Zurufe.) Wenn der Reichsregierung ein Erfolg auf diesem Gebiete beschieden ist, so wird er von allen Seiten sicherlich freudig begrüßt werden. Wir müssen abwarten, wie weit dieser Versuch und die Bemühungen der Reichsregierung auf diesem Gebiet gelingen. Ich bin überzeugt, daß wir am ehesten staatlicherseits zu einer vernünftigen Gestaltung unseres Preisniveaus Wenn wir uns mehr als bisher entschlössen, die unerwünscht hohe Steuerlast der deutschen Wirtschaft abzubauen. (Sehr richtig) Ich habe in meinem Ministerium kürzlich Nach⸗ forschungen üher die Erhöhung der Steuern einzelner normaler Wittschaftsbetriebe in den verschiedensten Gegenden und aus den ver⸗ schiedensten Berufszweigen anstellen lassen. Da hat sich gezeigt, daß die Erhöhung der Gesamtsteuern, die die deutsche Wirtschaft belasten, mindestens das fünffache im Durchschnitt gegenüber der Vorkriegszeit ausmacht. (Hört, hört) Daß sich das im Preisniveau auswirken muß, daran kann unmöglich gezweifelt werden. (Sehr richtig!)

Nun hat die deutsche Reichsregierung einen bisher freilich sehr bescheidenen Anfang bei der Senkung der Steuern unter⸗ nommen. Ich glaube, daß man ein klein wenig weiter wobl hätte gehen können, als es im Reich geschehen ist. Dafür spricht die Zahl, die über das Ist⸗Aufkommen der Steuern im Reich innerhalb der ersten vier Monate des Etatsiahres vorliegt. Innerhalb der ersten vier Monate hat das Reich über den Voranschlag hinaus einen Ueberschuß von 882 Millionen Mark. (Hört, hört! Ich glaube, daraus ergibt sich daß die Kritik, die sich aus der Wirtschaft heraus bei der Verabschiedung der Reichssteuern geltend gemacht hat, nicht unberechtigt war. ;

Ich hätte ferner lebhaft gewünscht, daß die Frage des Ab baues der Umsatzsteuer in energischerer Weise in die Hand genommen worden wäre. Es liegen Anträge dem hohen Hause gerade zur Regelung dieser Frage vor, und ich möchte zum Ausdruck bringen, was ich bereits im Ausschuß angedeutet habe, daß ich der Meinung bin, daß im Interesse nicht nur der Wirtschaft, sondern des gesamten deutschen Volkes, also insbesondere auch der Verbraucher, ber Konsumenten, ein entschlossener Abbau der Umsatzsteuer viel wichtiger ist, als die kleinen Aenderungen an der Einkommensteuer. Ich bin überzeugt, daß auch den Verbrauchern auf diesem Gebiete viel mehr geholfen werden kann, als wenn man das sogenannte Existenzminimum bei der Einkommensteuer ein wenig mehr oder weniger hoch gestaltet. Von den Ländersteuern kommt auf diesem Gebiete besonders die Gewerbesteuer in Betracht. Einzelne stommunen haben versucht, die Gewerbesteuer in einer Weise zu er—⸗ höhen, wie es schlechterdings schon für eine normale Wirtschaft un erträglich ist (sehr richtig ), gar nicht zu reden von einer kranken und verarmten Wirtschaft. Wenn Lohnsummensteuern von 17 vy des Lohnbetrags beschlossen werden, so ist das für keine Wirtschaft er⸗ träglich, am allerwenigsten für die deutsche. Deshalb möchte ich zum Ausdruck bringen, daß die Reform, die setzt bei der Gewerbesteuer angebahnt und in Arbeit genommen wird, auch darauf gerichtet werben muß, die Gewerbesteuer in irgendeine Relation

Steuer zu bringen. Es wird ferner notwendig sein, die einzelnen Arten der Gewerbesteuer, Lohnsummensteuer, Kapitalsteuer, Gewerbe einkommensteuer in ein seststehendes Verhältnis zueinander zu bringen, damit die Wirtschaft nicht dauernd durch Veränderungen der Veran—⸗ lagungsgrundlage beunruhigt wird. Ich möchte besonders deutlich zum Ausdruck bringen, daß derartige Steuerausschreitungen, wie sie vorgekommen sind, in manchen Gebieten zwangsläufig dazu führen müssen, daß die Notlage der Arbeitnehmer in den Gebieten zunimmt. (Sehr wahr!) Sie können unmöglich daran vorbeikommen, daß im Endeffekt niemand anders die Last zu tragen hat als der Arbeit⸗ nehmer, der nicht mehr beschäftigt werden kann, weil die Wirtschaft, durch derartige Steuern erdrückt, zur Stillegung kommt. (Zuruf.) Sie wissen, daß die Regierung bemüht ist, diese Zuschläge nach Möglichkeit zu senken, und ich will gleich ausführen, in welcher Be— ziehung ich annehme, daß in Zukunft eine Besserung auch auf diesem Gebiete eintreten könnte. Es ist dringend notwendig, daß auch im Lande Preußen der innere Finanzausgleich ander weitig geregelt wird als bisher. Wir haben doch die Entwicklung unbestreitbar vor uns, daß gewisse Wirtschaftsgebiete, die vor dem Kriege blühend und mächtig waren, Ueberschußgebiete auch in Bezug auf die Steuern und Finanzen, heute in be⸗ sonderem Maße notleidend sind. Deswegen müßte der innere Aus⸗ gleich zwischen Land und Gemeinden, zwischen den Gegenden inner⸗ halb des Landes ein anderer werden. als er bisher gewesen ist.— Es ist zu hoffen, daß in dieser Beziehung demnächst Besserungen er⸗ reicht werden Die Regierung ist dabei, einen besseren Ausgleich in der Richtung, wie ich sie eben angedeutet habe, zu finden. Speziell möchte ich auch vom Standpunkt der Wirtschaft und meiner Ver⸗ waltung darauf hinweisen, wie unendlich dringend notwendig dem Lande Preußen eine wirklich entschlossene Verwaltungsreform ist. Es hat gar keinen Zweck, immer davon zu sprechen, man solle sparen, wenn man nicht die Voraussetzungen für die Sparsamkeit schafft. (Sehr richtig Ich möchte deshalb auch von dieser Stelle aus einen Appell an Sie alle richten, meine Damen und Herren: unterstützen Sie die Regierung, wenn sie eine Verwaltungsreform vorlegt, so daß sie sich wirklich entschlossen auf dem Gebiete der größeren Sparsamkeit und Vereinfachung durchsetzen kann. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten. Zuruf rechts.) Diejenigen Mitglieder, die schon länger bier im Hause sind wissen, daß die Fraktion, der ich angeböre, gerade auf diesem Gebiete von jeher besonders gedrängt hat. Was ich früher hier als Mitglied meiner Fraktion vertreten habe, das werde ich selbstverständlich auch als Mitglied des Kabinetts weiter vertreten. Ich möchte hierbei nur auf folgendes binweisen: So sehr man in den Wtrtschaftskreisen immer wieder diese Gedanken ausgesprochen hört, wenn es sich darum handelt, sie nachher auch mlt Entschiedenheit durchzusetzen, dann kommen von allen Seiten die großen Widerstände, dann kommt jede Gemeinde und behauptet: es sei völlig unmöglich, daß die Kreis⸗ grenze geändert wird. Es sei völlig unmöglich, die Liliputkreise, die wir zum Teil haben, nun zu größeren, der heutigen Zeit ent⸗ sprechenden leistungsfähigen Verwaltungsgebieten zusammenzufassen. Es ist ferner sehr erschwert, Eingemeindungsfragen, die im Interesse einer erhöhten Sparsamkeit z. B. im Ruhrgebiet eine besonders große Rolle spielen, großzügig zu erledigen, weil eben die Inter⸗ essententen kommen und das zu hindern versuchen. Ich wäre sehr dankbar, wenn die deutsche Wirtschaft wie vor 100 Jahren vor Er— reichung des Zollvereins sich auf diesem Gebiete wirklich zur Führerin einer vernünftigen Entwicklung aufschwingen würde und ihrerseits dafür sorgte, daß die politischen Widerstände und diese kleinen Wider⸗ stände der Interessenten überwunden werden können.

Einige Worte zur Frachtenpolitik! Die Klagen darüber, daß die Frachten der Eisenbahnen zu boch sind, sind allgemein. Wir haben selbstverständlich nicht erst in jängster Zeit, sondern von zeher versucht, Einfluß darauf auszuüben, daß vie Frachten so niedrig wie möglich gehalten werden. Wir sind dabei immer wieder auf die Schwierigkeit gestoßen, daß die Lage der Reichsbahn doch außerordent⸗“ lich ungünstig dadurch beeinflußt wird, daß die Zahl der aktiv tätigen Beamten zur Zahl der im Ruhestand befindlichen Beamten der Reichsbahn keine gesunde Relation darstellt. Wenn wir in der Eisen⸗ bahnverwaltung bei 339 000 aktiven Beamten nicht weniger als 230 000 Beamte im Ruhestand haben (hört, hört) kann man sich dann wundern, wenn die Finanzen der Reichebahn nicht besonders glänzend sind? Die Ursachen dafür stammen ia aus der inflatorischen Entwicklung, die Deutschland durchgemacht hat. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Man hätte eben nicht abbauen sollen) Dann würden die Gehälter noch mehr betragen. (Erneute Zurufe. Abg. Heidenreich: Man hat eben alle ins Beamtenverhältnis hineingesteckt) Herr Abgeordneter Heidenreich, Sie werden mir doch wohl darin zustimmen, daß die Regierung nach dem Kriege die Pflicht hatte, denen, die von der Front nach der Heimat zurückkehrten., Arbeit zu vermitteln. Das mußte sein. Deshalb ist in allen Be⸗ trieben, auch in der Privatwirtschaft, mehr an Arbeitskraft einge⸗ stellt worden, als unbedingt notwendig war, weil man gerade die⸗ jenigen, die drautzen an der Front gewesen waren, am aller⸗ wenigsten als Arbeitslose im deutschen Vaterlande haben wollte. Das sind die Gründe, weshalb diese Zahl so aufgebläht worden ist. Es ist doch heute noch so, daß auch in der Privat- wirtschaft immer noch eine erhebliche personelle Uebersetzung in vielen Betrieben vorhanden ist, die aus der Inflations⸗ zeit herrührt und die man aus sozialen Erwägungen heute noch nicht vollständig hat aus der Welt schaffen können. Ich will gegen die Eisenbahn gar keinen Vorwurf erheben, wenn ich diese Zahlen nenne, sondern nur zum Ausdruck bringen, daß es vom Stand punkt der Wirtschaft besser gewesen wäre, wenn man diese für einen wirtschaftlichen Betrieb und das soll doch die deutsche Reichsbahn jetzt sein unerträgliche Last mehr, als es geschehen ist, auf die Kosten der Allgemeinheit und den Reichssäckel übernommen hätte, als daß man diese Lasten der neu gegründeten Gesellschaft aufge⸗ bürdet hat. Wenn nämlich die Reiche bahn auf 100 4 Besoldung im Jahre 1913 nur 17 4 Ruhegehalt zu zahlen batte. Während sie gegenwärtig auf loo 4K 37 4A Ruhegehalt zu zahlen hat., so muß das natürlich die wirtschaftliche Lage der Eisenbahn stark beeinflussen Ich spreche das nur aus um Ihnen zu sagen, daß Sie nicht ver⸗ wundert sein können, wenn es bei dieser Sachlage nicht gelingt, die Tarife so zu senken, wie es an sich im Interesse der Wirtschaft not

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halb ganz anders aus, weil wir eine ganz andere Staffelung der Tarife haben als vor dem Kriege. Deswegen, glaube ich, müssen wir bei unseren Versuchen, die Tarispolitik der Reichsbahn in unserm Sinne günstig zu gestalten und zu beeinflussen, vor allem Gewicht darauf legen, daß man, wenn eine allgemeine Tarifsenkung zurzeit nicht möglich ist, dann wenigstens wieder mehr mit Sondertarifen arbeitet als jetzt und daß man auch die Staffelung einer Revision unterzieht und Besserung im Einzelfall schafft, wo jetzt allzu große Härten vorhanden sind.

Als eine der Ursachen dafür, daß unsere Preise in Deutschland eine unerfreuliche Höhe erfahren haben, wird endlich genannt werden müssen, daß die Schuldzinsen in Deutschland, wie Sie wissen, sehr hoch sind wodurch die Wirtschaft gegenüber der vergleichbaren Wirtschaft des Auslands stark vorbelastet ist. Nun wird aus vielen

Wirtschaftskreisen der Ruf laut, daß die Schuldzinsen möglichst schnell abgebaut werden müssen. Ja, wenn das so leicht wäre,

dann wäre es klar, daß die Verwaltungen, besonders die Reichs⸗ regierung, einen sehr starken Druck in dieser Richtung geltend machen

müßten. Aber leider liegen die Dinge hier nicht so einfach. Sie

dürsen bei der Beurteilung dieser Frage nicht vergessen, daß

die deutschen Großbanten. die deutschen Banken überhaupt, viel mehr als früher die Aufgabe haben, Geld zu Kreditzwecken aus dem Auslande zu vermitteln. Das uns für den Kredit zur Verfügung stehende Geld im Inlande ist, wie Sie wissen, knapp

geworden, wir müssen viel mehr Geld vom Auslande hereinnehmen.

Diese Hereinnahme gelingt nur in bescheidenem Umfange den Be⸗ trieben selbst. Die Hereinnahme von Geld erfolgt in größerem Um⸗

fange durch die Banken, und die Banken haben deshalb dem Aus⸗

lande, dem Geldgeber gegenüber bestimmte Verpflichtungen über⸗

nehmen müssen, die sie nicht von heute auf morgen ändern können.

Wo es möglich ist, hat Staat und Reich versucht eine gewisse Besserung zu schaffen. Sie wissen, daß wir bei den öffentlichen Geldern zu einer, wenn auch bescheidenen, Senkung der Zinsen ge—

kommen sind. Sie wissen daß wir versucht haben, dort Kredite zu

eröffnen, wo sie aus besonderen Ursachen besonders notwendig waren.

Wir haben nicht nur der Landwirtschaft im Rahmen des Möglichen

Kredit zur Verfügung gestellt, wir haben dem Mittelstande Kredite

eröffnet, Kredite, die freilich den einzelnen draußen nicht befriedigen

konnten, weil die Hoffnungen, die sich daran anknüpften, viel zu

groß waren. Wie soll der Staat in der Lage sein, in einem solchen

Maße Kredit zur Verfügung zu stellen, daß wirklich jedem einzelnen

draußen geholfen werden kann.

Es ist nun sehr beachtenswert, daß auf dem Gebiete der staat⸗

lichen Kreditaktion die Stimmungen in den mittelständischen Kreisen

offenbar keineswegs einheitlich sind. Sie haben vielleicht erfahren,

daß der Genossenschaftstag in Freudenstadt sich jüngst dagegen aus⸗

gesprochen hat, daß auf diesem Wege weiter dem Mittelstande ge⸗

bolsen wird, weil es ein verfehlter Weg sei. Wir werden die Dinge

weiter prüfen und beobachten, ob das, was wir bisher getan haben,

günstig wirkt, und werden danach unsere Entscheidungen treffen.

Auf dem Gebiete der Herabsetzung der Zinssätze, der Verbilligung

des Kredits, die an sich durchaus notwendig und wünschenswert ist,

sind die Banken ja jetzt einen Schritt entgegengekommen, indem sie

die Kreditprovision um 200; herabgesetzt haben.

Bei der Frage der Besserung der Kreditverhältnisse wird man immer daran denken müssen, daß eine entscheidende Besserung nur möglich ist, wenn der Spartrieb in unserem Volke sich weiter günstig entwickelt. Was bisher an Sparkapital zur Verfügung steht, ist noch unendlich gering, wenn ich auch aussprechen möchte, daß erfreu⸗ liche Anzeichen dafür vorhanden sind, daß der Spartrieb in unserem deutschen Volke noch lebendig ist und sich weiter entwickelt. Es wird Sie vielleicht überraschen, wenn ich Ihnen mitteile, daß die Neu⸗ einlagen bei den Sparkaͤssen in Deutschland pro Kopf der Bexölke⸗ rung zurzeit höher sind als vor dem Kriege. Das ist eine Zahl. die ermutigt und die hoffen läßt, daß wir auch auf diesem Gebiete weiter voranschreiten. (Zuruf rechts: Einschließlich Giro?) Nein, ohne Giro. Ich darf Sie auf die Ausführungen verweisen, die die Reichskreditgesellschaft in dieser Hinsicht gemacht hat bei ihrem Ueber⸗ blick über die Wirtschaft des ersten halben Jahres 1925. Da finden Sie näheres darüber.

Ich möchte zusammenfassen, meine Damen und Herren. Ich sebe gewisse Anzeichen dafür, daß sich eine allmähliche Gesundung durchsetzen wird. Ich bin der Hoffnung, daß diese Anzeichen für eine Gesundung sich deutlicher abheben werden, wenn bel ben Verhand⸗ lungen, die jetzt in Locarno beginnen, Ergebnisse erzielt werden, die zu elner wirklichen Befriedung Europas und zu einer Befreiung Deutschlands endlich führen. (Sehr richtig) Ich glaube deshalb, meine Damen und Herren, daß sich trotz aller Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben, in unserem Vaterlande die allmähliche Entwickelung zu Besserem weiter durchsetzen wird. (Leb⸗

hafter Beifall.)

74. Sitzung vom 2. Oktober 1925, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“). )

Nach einem Antrag des . wird im Anschluß an Anträge des Zentrums und der Deutschnationalen be- schlossen, zur Behebung der Notlage Oberschlesiens das Staatsministerium um eine Reihe von Abhilfsmaßnahneen u ersuchen. Für die durch das Schadenseuer in Kreuzburg . Einwohner soll der gewährte Staatskredit in einen

langfristigen umgewandelt und die Gewährung einer außer⸗ ordentlichen einmaligen Beihilfe in Betracht gezogen werden.

Darauf setzt das Haus die allgemeine Aussprache über den 3 des Ministerlums für Handels⸗

gewerbe fort.

Abg. Dr. Pin kerneil (D. Vp) hebt hervor, daß der Ruf nach Hilfe für die Wirtschaft, der ö den Staat und das Reich gerichtet wird, die Stimmen in der Sirtschaft nicht über⸗ tönen dürfe, die nach Selbstbesinnung und Einkehr rufen. Die Wirtschaft muß wieder lernen, zu lalkulieren und muß den Mut ur Rationglisierung finden. Das reiche Deutschland hat den 36 gehen das arm gewordene mißachtet vielfg den

roschen. ationalisierung heißt . der Produktlon an den Verbrauch, Verzicht auf Eigenbrödelei, Normung und Aus⸗ chaltung überflüssiger Zwischenglieder. Wir schützen mit aller cht den selbständigen Kaufmann, Industriellen und Handwerker, aber das heißt nicht, daß jede Selbständigkeit geschützt werden muß. Gerade als liberale Partei sind wir für die eitigung über-

wendig und erwünscht wäre. ö

Nach den angestellten Berechnungen kann man wohl davon aus⸗ gehen, daß die Erböhung der Eisenbahntarife ungefähr der Geldent⸗ wertung entspricht. Für den einzelnen Wirtschastsbetrieb, für den

lu irgendeiner anderen von der gesamten Bevölkerung getragenen

einzelnen Wirtschaftsbezirk wirken sich vielfach die Dinge freilich des

chaftet, nicht der Kaufmann . wird von uns

flüssiger Zwischenglieder. Der * der vernünftig wirt⸗ ö Ohne grundlegende form der Banken und

ges

Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

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