Bekanntmachung
. neunten Nachtrag zur Liste der Bergbau—
prengstoffe Geröffentlicht im Deutschen Reich s⸗
anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger Nr. 233 vom 5. Oktober 1925).
a) Streichung in der Liste der Bergbausprengstoffe:
1. Der Sprengstoff Wetter⸗Ammoncahücit B (IId. Nr. B 14 der Liste) wird gestrichen.
b) Aenderungen der Liste:
1. Der Sprengstoff Chloratit 3 (fd. Nr. A 30 der Liste) erhält folgende Zusammensetzung:
S3 — 91 0,0 Kalium und / oder Natriumchlorat, b — 120ͤ½ flüssige Kohlenmasserstoffe mit einem Flammpunkt
von nicht weniger als 306 0, O — 12 0ͤ Pflanzenmehl.
Der Sprengstoff Nitroglyzerinpulver 1“ (lfd. Nr. A 35 der Liste) erhält lolgende Zujammensetzung: 1 — 100 09 Nitroglyzerinpulver,
6 — 0 υί 50 ige Caleciumnitratlösung.
Zulassung von Sprengstoffen zum Gebrauch: 66. 38 Pyrolit 2. Verwendung nur im Erz⸗ und Kalibergbau zulüssig Der Sprengstoff, ist nicht handhabungesicher und dahör mit derselben Vorsicht wie Dynamit zu behandeln. F. 47 Wetter⸗Ammoncabücit E, Verwendungsbereich: Ge— amter Bergbau. Höchstlademenge für Schlagwettergruben und schlagwetterfreie Steinkohlengruben 800 g. Vorstehenbe Bekanntmachung erlangt für den Bezirk des unterzeichneten Oberbergamts mit dem Tage der Veröffent— lichung Gültigkeit. Halle (Saale), den 13. Oktober 1925. Preußisches Oberbergamt. Cleff.
Siebenter Nachtrag gur Bekanntmachung der im Oberbergamtsbezirk Bonn zugelassenen Sprengstoffe. , Streichung in der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1923 (Deutscher Reichtanzeiger Nr. 293 vom 24. Dejember 1923). Die Sprengstoffe Wetter Ammoncahücit B (1sde. Nr. B 14 der Liste der Berghausprengstoffe) und Wetter-Salit A (Ide Nr. B 17
der Liste der Bergbausprengstoffe) werden gestrichen.«
b) Eintragung neuer Sprengstoffe:
Höchstlade⸗ mengen für schlag⸗ wet ter⸗ fieie wetter⸗ — etter Stein⸗ gruben kohlen⸗ agruben
/ Pyrolit? Erz u. Kalibergbau Wetter⸗Detonit D Gesamter Bergbau
Wetter ⸗Dahmenit O desgl.
Wetter⸗Donarit O desgl.
Wetter⸗Salit B desgl. Bonn, den 12. Oktober 1925.
Oberbergamt. Fuchs.
f
Bezeichnung Verwendungsbereich Schlag⸗
S800 g 800 g 800 g 8800 g 500 g 800 g S800 g S800 g
1
Nichtamtliches.
Dentsches eich.
Der Reichsrat hielt gestern eine öffentliche Vollsitzung ab. Der Vorsitzende Staatssekretär Zweigert widmete laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungs— verleger vor Eintritt in die Tagesordnung dem verstorbenen Reichsminister a. D. Preuß solgenden Nachruf, den die Mitglieder stehend anhörten:
Bevor wir in die Tagetordnung eintreten, bitte ich Sie, mit mir des in der letzten Woche verstorbenen Reichsministers a. D Dr. Hugo Preuß zu gedenken, des Mannes, dessen Name mit der Neuordnung unseres staatlichen Lebens im Innern nach der Revolution und mit der Entstehung der jetzigen Reiche verfassung untrennbar verbunden ist. Er hat fünf Tage nach der Revolution die Einsicht, den schnellen Ent— schluß und den Mut gehabt, an die damalige provisorijche Regierung unter Berufung auf die offene Sprache, die er im alten Staat gefuhrt habe, die dringende Mahnung zu richten, daß sich die neue Regierung nicht auf der Macht einer Klasse aufbauen dürfe und daß sie die schwerste Verantwortung auf sich laden würde, wenn sie nicht sofort eine Nagtionglversammlung einberiefe. Er hat zugleich das Bürgertum zur Mitwirkung an der Neugestaltung aufgerufen. Die Folgen dieses mutigen und klugen Schrittes sind bekannt. Noch an demselben Tage zum Leiter des Ministeriums des Innern berufen, . er mit beispiel⸗ loser Schnelligkeit die Wahlvorbereitungen für die Nationalversamm— lung getroffen, und nachdem es ihm gelungen war, einen früheren Termin der Einberufung sestzusetzen, die Wahlen geleitet und dann der Nationalversammlüng den Entwurf der Verfassung vor— gelegt. Als Staatesekretär des Innern und Ppäterer Reichsminister des Innern hat Pieuß viele Sitzungen des Bundesrats und säter des Staatengusschusses und ihrer Auctschüsse geleitet. Er hat, wie er selbst gesagt hat, in der Frage des Verhält— nisses von Reich und Einzeistaaten dem Staatenausschuß das deben erheblich sauer gemacht Aber jeder wird seine aufrichtige Gesinnung, seine leidenschaftliche Vaterlandsliebe, seine wissenschaft= liche und politische Energie und nichts zuletzt seine waime Menschlich⸗ leit in dankbarer Erinnerung behalten Der Reichsrat hat das große Verdienst von Preuß um eine gesetzliche Neuregelung der Grundjagen unseres Staates immer gein und willig anertannt, ebenso wie Preuß selbst von der Ber utung des Eigenlebens der Länder durchdrungen war. Er hat das Wort geprägt, daß auch der neue Staat im Eigen— leben seiner Länder die starten Wurzeln seiner Kraft finden werde. Sie weiden mit mir einig sein in, dem Gefühl der Trauer um den Toten. Sein Andenken wird im Reichstat fortleben Sie haben sich erhoben. Ich stelle das sest und verbinde damit noch die Mitteilung. . 1 des Reichsratöz ein Kranz am Sarge niedergelegt
orden ist.
Auf der Tagesordnung des Reichsrats standen nur kleinere Angelegenheiten. Von Bedeutung war, daß der Reichsrat der Beschwerde gegen die durch die Monopolverwaltung beschlossene Erhöhung des Spritpreises für Schönheitsmittel und Par⸗ fümerien stattgab.
Der Königlich bulgarische Geschäftsträger, bevollmächtigter Minister Dr. Popo ff hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Legationssetretär Stoyaneoff die Geschäfte der Gesandtschaft.
Der estnische Gesandte Menning hat Berlin verlassen.
Preußischer Staatsrat.
ᷣ Sitzung vom 15 Oktober 1925. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger) In der gesirigen Vollsitzung des Siagterats siand als einziger Punkt auf der Tagesordnung der Gesetzentwurf zur Aenderung des preußischen Aus führungsgesetzes zum Finanzausgleichsgeseßtz. Die Vorlage zieht die Folgerungen aus der neuen Reichsgesetzgebung und verlängert den bisherigen preußischen Finanzausgleich bis zum J. April 19h27. Grundsätzlich bleibt es bei dem bisherigen Verteilung schlüssel. Ein Ausgleich soll bei der Umsatzsteuer gesucht werden, an der die Gemeinden mit 50 Prozent beteiligt werden sollen. Eine gewisse Mehreinnahme bringt der Entwurf den Gemeinden dadurch, daß die Verwaltungsgebühren für Auf— tragshandlungen allgemein in voller Höhe überwiesen werden sollen. Um einen stärkeren Lastenausgleich innerhaib der Ge— meinden durch Verbesserungen des Verteilungsschlüssels zu schaffen, bringt der Entwurf auf dem Gebiete der Einkommen⸗ und Körperschaftssteuer, rückwirkend ab 1. April 1925, eine Erhöhung der sogenannten relativen Garantie von 890 auf 109 Prozent des Vorkriegsaufkommens. Die Mittel dafür sollen durch die Mehrbeträge beschafft werden, welche aus einer künftigen Erhöhung der Hauszinssteuer hervorgehen. „„Wie der Rerichterstatter Or KatJser⸗-Doitmund (Zentr) aus— führte, hat sich der Hauptausschuß des Staatsrats fehr eingehend mit der Vorlage beschäftigt Er hat eine ganze Reihe von Aenderungen an der Vorlage vorgenommen Der Ueberweisungssatz der Umjatzsteuer soll von 50 auf 5h o erböht werden. Eine be— sondere Rolle in den Ausschußberatungen babe die relative Garantie gespielt Hier sei eine Herabietzung des Hundertjatzes von 190 auf 30 oo vorgeschlagen worden. Maßgebend für diesen Beichluß sei ge— wesen, daß die Mittel für die Erhöhung der relativen Garantie nicht vorhanden sein werden. Sie sollten aus einer Erhöhung der Haus— zinsteuer genommen werden, deren Schicksal noch ungewiß sei. Der Ansschuß schlage deshalb auch weiter vor, den ganzen Gesetzentwurf auf das Rechnungsjahr 1925 zu beschränken und alle Bestimmungen zu streichen, die die Regelung für 1926 betreffen. . In der Aussprache erklärte
Oberbürgermeister Dr. Boe ß, Berlin, Reich und Staat hätten bisher immer übersähen, daß den Gemeinden, wenn ihnen neue Auf⸗ gaben überwiesen würden, die Mittel dafür nicht aus der Luft zu— flögen. Wenn Reich und Staat die Gemeinden zwängen, dazu bei— zutragen, daß die Wirtschast ruiniert werde, dann könnten die Gemeinden nicht die Wohlsahrtspflege treiben, die die Not der Zeit unbedingt erheische. Der Fehlbetrag des Staates spiele gegenüber den ungeheuren Fehlbeträgen der Gemeinden gar keine Rolle. Die Lage der Gemeinden sei überall falsch beurteilt worden. Die Vor— lage der Regierung laufe zum Teil wieder darauf hinaus, bei der Veiteilung der Steuern die Gemeinden heranzuziehen, um das Staatsdefizit zu decken. Man habe wenig davon gehört, was der Staat nun endlich zum Abbau seiner Ausgaben zu tun gedenke. Der Staat habe nicht in dem Umfang abgebaut, wie die Gemeinden und Selbstverwaltungskörner Das vorliegende Kompromiß des Ausschusses sei ein bedauernswertes Nachgeben Die Dinge hätten sich bis zu dem Punkt entwickelt, wo man sagen müsse, daß den Gemeinden und Selbstverwaltungskörpern das Wasser am Halse stehe. Wenn es so weitergehe, so seien wir in kurzer Zeit am Ende Eine neue Anziehung der Steuerschraube und der Jujammenbruch weiterer Existenzen würde die Folge sein. Es jei keine Wohlfahrts— politik, die dazu führe, die Zahl der Wohlsahrtsbedürftigen dauernd zu vergrößern. Das Material der Regierung in Sachen der relativen Garantie sei überaus rftig Cewesen. Die Erhöhung dieser Garantie könne er nich mitmachen. Im übrigen sei sowohl bei der Unterver— teilung der Umsatzsteuer wie beim Schullastenausgleich eine Bevor zugung des Landes gegenüber den größeren Städten zu bemerken, die außerordentlich bedenklich sei. In den Städten werde ferner überaus bitter empfunden, daß ein großer Teil der Hauszinssteuer, die von ihnen aufgebracht sei, an anderen Stellen Verwendung finde Ministerialdirektor von Muhlert betonte, daß der Erlaß zu dem Gesetzentwurf zunächst durch die Reichsgesetzgebung gegeben worden sei. Die Erhöhung des Ueberweisungssatzes bei der Ümjatz⸗ steuer stelle eine Verschiebung zuungunsten des Staates dar. Die sinanzielle Lage der Gemeinden erfülle die Staatsregierung mit ernster Sorge. Ihre Vorlage sei aus der Sorge um die weitere Entwicklung geboren. Es müsse die gerechteste und billigste Verteilung der noch vorhandenen Mittel gefunden werden. Bezüglich der Einkommen⸗ steuer solle in stärkstem Maße individuell vorgegangen werden. So⸗ lange aber die Zuschläge nicht da seien, müßten Verteilungen vor genommen werden. Wie jollten nun manche Gemeinden mit 80 0½ Garantie ihren Veipflichtungen nachkommen? Die Folge könnten doch nur erhöhte Gewerbesteuern sein. Das müßte im Interesse der Wiitschaft vermieden werden Die Staatsregierung werde sich vor— aussichtlich mit dem Kompromiß einverstanden erklären können. Von einer Verschiebung zugunsten des Landes könne keine Rede sein Die Streichung der Regelung für 1926 begegne vom kommunalpolitischen Standpunkt erheblichen Bedenken. Es würden wieder Monate ver— de, die den Kommunen jede Möglichkeit genauer Kalkulierungen nehmen. Dr. Meer feld (Soz) wies darauf hin, daß der Entwurf die logische Folge einer grundsätzlich verkehrten Finanzpolitik sei. Tie sozialdemokratische Fraktion müsse das Kompromiß ablehnen, da in der Frage der Garantie die Deckungefrage ausschlaggebend sein müsse und die Fraktion sich auf eine Erhöhung der Hauszinssteuer nicht von vornherein jsestlegen könne. Dr. Jarres (A. G.) bedauerte, daß es trotz langwieriger Ver⸗ handlungen nicht gelungen sei, einen gemeinsamen Boden zu finden. Der Redner bemängelt, daß der Staat die erheblichen Ueberschüsse des Jahres 1924 nicht zur Deckung des Fehlbetrages von 1925 ver— wendet habe. Dann hätte er jetzw auch den Gemeinden mehr entgegen⸗ kommen können Dem Kompromiß stimme seine Fraktion zu. Das ö der Solidarität der Städte dürfe nicht nur ein Schlag⸗ wort sein. Dr. Steiniger (A. G.) warf in Erwiderung auf einen An⸗ griff des Oberbürgermeisters Dr Boeß diesem Mangel an Kennmnissen auf dem Verwaltungsgebiet und Mangel an Fairneß vor. Er habe seinerzeit mit Recht behauptet daß die Stadt Berlin im Jahie 1924 eine Aufwertung von 100 0ͤ bätte vornehmen können. Gilsing (Zentr) verwies auf die besondere Notlage der Arbeitergemeinden und Industriestädte, in deren Interesse man für das Kompromiß stimmen müsse. Die notwendigen Mistel würden zweifellos durch das Mehreinkommen aus der Einkommensteuer gedeckt werden können. Oberbürgermeister Or Boeß erwiderte Dr. Steiniger, es gäbe Leute, die so von Gist erfüllt seien, daß das irgendwie heraus müsse.
Ein Antrag auf Schluß der Debatte wurde angenommen und der Vorlage mit den Aenderungen des Ausschusses zu—⸗ gestimmt. Der Ausschußbeschluß über die Garantie von 90 vh wurde mit 31 gegen 24 Stimmen angenommen. Ferner fand folgende Entschließung Annahme:
Der Staatsrat bedauert daß mit dem Gesetzentwurf nicht aleichzeitig die unvermeidliche Neuregelung der Hauszinssteuer vor— gelegt worden ist Diese Unterlassung macht es dem Staatsrat in wesentlichen Punften unmöglich, der Regierungévorlage beizutreten, soweit sie den Finanzausgleich auch für das Rechnungesahr 1(92tz vor— sieht. So wünsichenswert eine Regelung des Finanzausgleichs sür die ganze Uebergangszeit bis zur endgültigen Regelung, d. h. bie zum 31. Mär 1827 wäre, so ist dies im bejonderen bezüglich der Garantie bei der Einkommen- und Köryerschaftssteuer und der Beteiligung der Gememden an dem örtlichen Auftommen der Hauszinssteuer so lange nicht möglich als nicht seststeht welche Hauszinssteuer 1926 erhoben
Während seiner Abwesenheit führt Legationssekretär Sammul die Geschäfte der Gesandischaft. g
und verteilt wird?“ Damit war dieser Gegenstand erledigt und der Staatsrat
mütig erklärt,
Preuß ischer Landtag.
77. Sitzung vom 14. Oktober 1925. Nachtrag Die Rede, die der Minister des Innern Severing im
Laufe der allgemeinen Beratung des Luut des Ministeriums des Innern gehalten hat, lautẽt nach dem jetzt vorliegenden Stenogramm, wie folgt: . Meine Damen und Herren! Als ich hier im vergangenen Jahre den Haushalt des Innern zu vertreten hatte, gab ich der Erwartung Ausdruck, daß es in verhältnismäßig kurzer Zeit gelingen würde, in allen Teilen Preußens eine geordnete Ver⸗ waltung wiederherzustellen. Dieser Wunsch ist recht bald in Er⸗ füllung gegangen. Einen Monat später, am 11. November des vergangenen Jahres, hatte ich die Freude, in Godesberg die letzten Anordnungen über die Wiederbesetzung der Stellen treffen zu können, die durch Verfügungen der französischen und belgischen Militärbehörden in Unordnung geraten waren. Seit den Novembertagen des vergangenen Jahres haben wir auch i m Rheinland wieder eine den Verhältnissen ent⸗ sprechende geordnete Verwaltung, und in den letzten Wochen ist es durch die Auswirkung der sogenannten Erfüllungs⸗ politik auch möglich geworden, die ausgewiesenen Formationen der Schutzpolizei wieder in ihre Standorte zurückkehren zu lassen.
Diese Wiederherstellung der staatlichen Ordnung in allen Ge—= bietsteilen Preußens hat nun auch die Bahn freigelegt für die Inangriffnahme von Aufgaben des Ministeriums des Innern, die in der Zeit der politischen Zerrissenheit und der Besatzung notgedrungen zurückgestellt werden mußten. Ich denke dabei an Eingemeindungspläne im Westen, die jetzt auf— gegriffen, bearbeitet sind und demnächst dem Hause vorgelegt werden.
Ich denke dabei aber auch an die gesetzgeberischen Aufgaben, die in dieser Aussprache wiederholt genannt worden sind: an die Au f⸗— gaben der Verwaltungsreform. Herrn Abg. Hirsch, der sich darüber beklagte, daß diese Fragen eine ungebührlich lange Verzögerung erfahren haben, möchte ich antworten, daß, solange zwei Provinzen von irgendeiner Regelung auf dem Gebiete der Verwaltungsreform ausgenommen werden mußten, jede gesetz⸗ geberische Maßnahme eine Halbheit gewesen wäre. (Sehr richtig! im Zentr.) Deswegen war es meines Erachtens in der Ordnung, daß man abwartete, bis wir ganz Preußen in die Verwaltungs— reform einbeziehen konnten. Jetzt sind die äußeren Fesseln gefallen, und jetzt können wir an die Arbeit gehen. Dabei bin ich mir ganz klar darüber, daß die inneren Schwierigkeiten noch nicht behoben sind, und wenn ich gestern aufgefordert worden bin, die fertigen Entwürfe recht bald vorzulegen, so möchte ich, gewitzigt durch die Erfahrungen gerade auf dem Gebiete der Verwaltungs⸗ reform, die nicht nur ich, sondern auch meine Amtsvorgänger gesammelt haben, folgendes erklären: Ich möchte die Formu⸗ lierung der einzelnen Paragraphen nicht früher vornehmen, die Vorlage nicht früher in Gesetzesform gießen, bevor nicht zwischen den Parteien des Hauses eine Vereinbarung über die Grundsätze vorangegangen ist. (Sehr gut) Wenn Sie, meine Damen und Herren, das zu diesem Gegenstande vorliegende Material auch nur sehen und meinetwegen mit der Elle messen würden, dann würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: die Kommunalab⸗ teilung meines Ministeriums ist durch steuerliche Aufgaben, durch Eingemeindungsfragen u. dgl. so sehr in Anspruch genommen, daß ich es nicht verantworten könnte, sie mit einer Arbeit zu belasten, die schließlich doch wieder Sisyphusarbeit, Arbeit für den Papierkorb sein würde. Sobald über die Grundsätze der Ver⸗ waltungsreform eine Einigung zwischen den Parteien erzielt sein wird, dann kann anhand auch der Beratungen, die in diesen Jahren im hohen Hause stattgefunden haben, die Formulierung sehr bald erfolgen, und ich glaube, in einigen Monaten können die fertigen Vorlagen, kann das ganze Gesetzgebungswerk dem Landtage unterbreitet werden. Wenn ich, um einen Ausdruck des Herrn Kollegen Leidig zu gebrauchen, rückblickend die bisherige Debatte verfolge, so möchte ich zunächst sagen: der Ton, in dem in diesem Jahre die Debatten geführt sind, sticht wohltuend ab von dem Ton der Auseinander⸗ setzungen zu meinem Etat in früheren Jahren. (Zuruf bei der Wirtschaftlichen Vereinigung: Das kommt daher, weil wir hier sind! — Heiterkeit. — Ich habe geglaubt, Herr Kollege, daß Ihre Partei gegründet ist, um die wirtschaftlichen Interessen des Mittel⸗ standes wahrzunehmen; aber daß Sie sich und Ihre Partei so als praeceptor Germaniae reklamieren, — na, Ihrer Auffassung, Ihrer Neigung und Ihrem Beruf entspricht das ja vielleicht. (Sehr richtig! und Heiterkeit, Sogar Herr Kollege Koerner hat bemerkt, daß der Kampf der Deutschvölkischen Freiheitspartei gegen mich nicht meiner Person gelte, und er hat sogar positiv gesagt, daß man meiner Person auch in seinen Reihen so etwas wie Achtung entgegenbringe. (Zuruf: Aufwertung! — Heiterkeit) Ich erkenne das mit Dank an. Aber, Herr Kollege Koerner, wenn ich als Redner der Deutschvölkischen Freiheitspartei an das glaubte, was Sie als Ihre Meinung oder als Feststellungen Ihrer poli⸗ tischen Freunde hier vorgetragen haben, dann hätte ich vor dem Minister des Innern keine Achtung. Sie haben unter anderem gesagt: Der Grund, daß die Preußische Regierung die vater ländischen Organisationen aufgelöst hat, ist letzten Endes darin zu suchen, daß im Jahre 1923 die französische Regie⸗ rung dem Deutschen Reiche beziehungsweise Preußen die Auflage dazu gemacht habe. Und der preußische Minister des Innern hat — so hat Herr Kollege Koerner wörtlich gesagt — nach den Be⸗ kundungen der Freunde der Deutschvölkischen Freiheitspartei im Rheinlande vertrauliche Besprechungen mit den französischen Militärbevollmächtigten gehabt. Wenn das richtig wäre, daß ich mit dem Vertreter einer fremden Macht, die uns solche Auflage gemacht hatte, vertrauliche Besprechung abgehalten hätte zu dem Zwecke, vaterländische Organisationen aufzulösen, dann, meine Herren, wäre ich mit Recht in Ihren Augen ein ganz verächtlicher Mann, und dann könnten Sie vor mir keine Achtung haben. (Sehr richtig! Das alles ist glatt erfunden. Ich habe ganz frei⸗ daß die ersten formellen Auflösungen der so⸗ genannten Ortswehren oder Einwohnerwehren im April 1920, als es eine eigentliche vaterländische Bewegung noch nicht gab, als es nur Einwohnerwehren, Ortswehren, Arbeiterwehren und wie sie alle hießen, gab, in der Tat auf ein Diktat des ehemaligen Feindbundes zurückzuführén seien. Mir ist der Auftrag selbst⸗
vertagte sich auf den 10. November.
verständlich nicht direkt vom ehemaligen Feindbund erteilt, ich fand
die Auflage vor, als ich am 11. April 1920 mein Amt antrat. Die Anregung dazu erging von der Reichs regierung. Als dann aber die vaterländischen Organisationen ins Leben traten, im Jahre 1920 durch die Bemühungen des Forstrats Escherich, im Jahre 1922 u. a. durch die Gründung des Brandenburgischen Heimatbundes, des Pommernbundes, eines Ostpreußischen Bundes, da habe ich allerdings diese Organisationen bekämpft, weil ich ihnen ein Ferment der Beunruhigung erblickte. Aber daß irgendwelche französischen oder belgischen oder sonstigen aus— ländischen Einflüsse meine Haltung bestimmt hätten, davon kann gar keine Rede sein. Ich weise also die Verdächtigungen der rheinischen nationalsozialistischen Parteifreunde des Herrn Abg. Koerner mit aller Entschiedenheit zurück. (Bravo
Ich würde auch, Herr Abg. Koerner, vor einem Minister keine Achtung haben, der die zeitweilige Abwesenheit seiner Kollegen aus Berlin dazu benutzen würde, schnell eine-Personalie zur Beschlußfassung zu bringen. Sie haben zwar diese Behauptung nicht von sich aus aufgestellt, sondern Auslassungen eines demokra⸗ tischen Blattes zitiert, aber doch so, als wenn Sie sich mit den Bemerkungen der Breslauer Zeitung identifizierten. Auch davon kann gar keine Rede sein. Ich habe wichtige Personalien, z B. die Besetzung des Regierungspräsidentenpostens in Wiesbaden und die Besetzung anderer wichtiger Stellen, bis zum Ablauf der Ferien zurückgestellt. Der Posten eines Regierungspräsidenten in Wies— baden ist, glaube ich, seit dem 1. Mai — ich weiß nicht ganz genau das Datum — oder Ende April vakant. Gerade weil ich solche wichtigen Posten nicht ohne die Zustimmung aller beteiligten Minister besetzen wollte, sind diese Fragen offengehalten worden. Die Vakanz in Magdeburg bestand aber 193 Jahre. Der ent⸗ sprechende Antrag hat 14 Tage bei allen Ministerien gelegen, jeder Minister war in der Lage, seinen Einspruch anzumelden. Es ist keiner angemeldet worden. In einer Sitzung des Staats⸗ ministeriums, die abgehalten wurde wie alle anderen Sitzungen, ist der Antrag des Innenministeriums auf Bestellung des Dr. Menzel zum Polizeipräsidenten in Magdeburg angenommen worden; keine nennenswerten Gruppen und Schichten in Magde⸗ burg haben gegen die Ernennung Widerspruch erhoben. (Hört, hörth
Der Herr Abg. Koerner hat dann auf eine Rede exempli⸗ fiziert, die ich am 12. Oktober vergangenen Jahres in Kiel gehalten habe. Natürlich hat er auch da wieder falsch zitiert. Kurz vor dieser Rede hatte ein verabschiedeter General v. Ledebur in Altona bei einer vaterländischen Feier gesprochen; er hat Ausführungen gemacht, die zurückgewiesen werden mußten, und ich glaubte, dazu nicht nur berechtigt, sondern sogar ver⸗ pflichtet zu sein. Kurze Zeit vorher waren in und um Hamburg bei vaterländischen Organisationen Pläne und Aufzeichnungen
gefunden worden, die nichts mehr und nichts weniger enthielten als Bemerkungen darüber, wie man im Falle von außen⸗ oder innenpolitischer Verwicklungen Hamburg und Altona zernieren und die Arbeiterschaft zum Hungern bringen könnte. (Hört, hört! links — Heiterkeit rechts) Aber nicht nur das, auch die For⸗ mationen waren schon aufgestellt, die gegen Hamburg und Altona marschieren sollten. (Hört, hört! links — Heiterkeit und Zuruf rechts: Haben Sie sie gesehen?)) — Jawohl, amtlich waren mir diese Dinge zur Kenntnis gekommen. Sie haben übrigens schon in mehreren parlamentarischen Körperschaften eine Rolle gespielt, und wenn ich sie im Jahre 1923 hier nicht vorgetragen habe, so lag das daran, daß die außenpolitische Situation damals eine Erxörterung nicht gestattete. (Sehr gut! links.)
Meine Damen und Herren, glauben Sie nicht etwa, daß ich diese Dinge allzu tragisch nehme, wenn bei rechts gerichteten Organisationen solche Aufmarschpläne gefunden werden, das habe ich schon einigemale gesagt, oder auch bei linksgerichteten Organi⸗ sationen, so ist das zumeist auf den Uebereifer ehemaliger Militärs zurückzuführen, die nicht aus ihrer militärischen Haut heraus können. Immerhin, wenn solche Pläne zur Kenntnis der Arbeiter⸗ schaft kommen, kann das besonders in politisch und wirtschaftlich erregten Zeiten einen sehr unangenemhen Zündstoff bilden, und mir lag daran, die unangenehmen Stimmungen zu bannen. Ich habe für den Frieden, besonders für den Bürgerfrieden in Kiel gesprochen, habe allerdings gesagt: wenn es etwa die Kreise, die mit ihren Plänen so freigebig herumwerfen, wagen sollten, die Verfassung und die Mitglieder der verfassungstreuen Parteien anzutasten, dann würden allerdings die Mitglieder des Reichs⸗ banners und der verfassungstreuen Parteien zeigen, daß sie keine Feiglinge und keine Weichlinge seien. (Sehr gut! links.) Und dabei bleibt es, das werde ich immer wieder sagen, und ich bin auch gesonnen, daraus die Konsequenzen zu ziehen. (Sehr gut! links.)
Herrn Abgeordneten Koerner möchte ich noch folgendes sagen: er soll sich nicht allzu sehr auf seine nationalsozialistischen Freunde — ich weiß nicht, ob ich die Parteibezeichnung richtig treffe; ich kenne mich da nicht aus — Geiterkeit links) verlassen. Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter Koerner, nicht allzu fest auf die Mit⸗ teilungen Ihrer rheinischen Freunde zu bauen. Ich möchte Ihnen folgendes zur Kenntnis bringen, etwas aus einer amtlichen Aufzeichnung:
Im August dieses Jahres sind vor dem französischen Kriegs⸗ gericht in Düsseldorf Verhandlungen gegen Mitglieder des Wikingbundes geführt worden. Neben einigen guten Elementen waren es meist stellungslose, arbeitsscheue oder abenteuerlustige junge Menschen, von denen einer einmal bereits wegen Dieb⸗ stahls und zweimal wegen Raubes vorbestraft war. Die An⸗ geklagten sollen vor dem Eintritt in den Wikingbund durch
Vereidigung zu strengstem Stillschweigen verpflichtet worden
sein. In der Voruntersuchung haben sie jedoch vor dem fran⸗
zösischen Untersuchungsrichter nicht nur über alle Einzelheiten ihrer militärischen Ausbildung (Paraden, Uebungen, Namen der Offiziere, Namen der zur Uebung eingezogenen Reserve⸗ offiziere usw.) ausgesagt, sondern auch in der schamlosesten Weise ihre Kameraden belastet, um selbst günstiger wegzukommen und bei den Franzosen einen guten Eindruck zu machen. (Hört, hört!) .
Der französische Anklagevertreter begann daher in der
Hauptverhandlung seine Ausführungen damit, daß er das Ent⸗
gegenkommen der Angeklagten in ihren Aussagen in der Vor⸗
untersuchung mit Dank anerkannte. .
(Hört, hört!) . Leichtsinn im Umgehen mit Mitgliederlisten
gegenüber zweifelhaften Elementen, separatistischen Freunden und Frauenspersonen haben die Angeklazten den Franzosen die Handhabe zu ihrer Verhaftung gegeben. Lichtbilder in Reichs⸗ wehruniform,
— es waren also nicht nur Ku⸗Kluxy⸗Klan⸗Uniformen —
mit sämtlichen Namen spielten dabei ebenfalls eine Rolle.
Die Leichtfertigkeit der Witing⸗Leute ging so weit, daß ein
Beamter der französischen Surets unerkannt an einer nächtlichen
Uebung des Wikingbundes teilnehmen konnte, wobei er das
Signal „Zum Angriff“ durch Abschießen eines Revolvers gab.
(Hört, hört!)
Und nun noch eine Bemerkung des Kollegen Koerner, daß die
Ausweisungsprazis des Innenministers er—
kennen lasse, daß er nicht imstande sei, nationale Interessen zu
vertreten. Ich bin zwar nicht der Meinung, daß sich die Qualitt
eines Innenministers darin erweist, daß er viele Ausweisungen
vornimmt; das ist nur ein Teil seiner Tätigkeit. Aber die Aus—⸗
weisungen in der letzten Zeit zeigen doch, daß meine Mitarbeiter
und ich im Innenministerium uns sehr wohl bewußt sind, daß
wir die Duldung Fremder abhängig zu machen haben von der
Lage des Arbeitsmarktes, des Wohnungsmarktes und des Lebens⸗
mittelmarktes. (Sehr gut) In dem Quartal vom 1. April 1924
bis zum 30. Juni 1924 sind 863 Personen ausgewiesen worden, im
folgenden Quartal 527, im nächsten 5a, in den weiteren 582 und
endlich im letzten Quartal 709. Sie wollen aus diesen Daten
erkennen, daß wir uns unserer Pflicht Ausländern gegenüber sehr
wohl bewußt sind. (Zuruf: Und wieviel Ausländer sind herein⸗
gekommen? — Darauf komme ich noch, Herr Abg. Wulle. Ich
habe mich ja auch mit dem Herrn Kollegen Milberg zu be⸗
schäftigen, und da er gestern schon das Kapitel angeschnitten hat,
gebührt ihm die Priorität der Antwort. Heiterkeit.)
Meine Herren, Sie dürfen aber nicht glauben, daß wir im
Innenministerium in der Frage der Ausweisungen so ganz
souverän seien, daß wir so nach Gutdünken ausweisen können.
Gelegentlich setzten Sie sich, wenn ich mich recht erinnere, Herr
Abg. Wulle, ja auch für das Verbleiben von Ausländern ein.
(Hört, hört! — Abg. Wulle: Von Ausländern, die für Deutsch⸗
land gekämpft haben! — Große Heiterkeit. — Zurufe.)
Meine Herren, gestatten Sie mir noch ein paar Bemerkungen
zu den Ausführungen des Kollegen Müller⸗ Franken. Der
Abg. Müller⸗Franken hat es beklagt, daß der heutige Staat
es nicht verstanden habe, dem Mittelstand
Heimatgefühl zu verschaffen. Wenn ich gelegentlich
in Arbeiterversammlungen gehe, dann wird in diesen Versamm⸗
lungen der Vorwurf erhoben, daß der heutige Staat es nicht
verstanden habe, den Arbeitern Heimatgefühl zu verschaffen und
wenn ich die deutschnationale Presse lese, insbesondere diejenigen
Organe, die der Landwirtschaft nahestehen, dann wird gesagt, daß
der Staat es nicht verstanden habe, der Landwirtschaft deimat⸗
gefühl in diesem Staate zu verschaffen. (Zuruf) — Richtig, das
wollte ich gerade hören, die Feststellung, daß heute sich jeder
Erwerbsstand ungemütlich fühlt. Aber ich glaube, es ist doch,
gelinde gesagt, eine Sophistik, wenn man sagt, daß das auf die
Staatsform zurückzuführen sei. Hätten wir nicht so etwas gehabt
wie einen militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Zu⸗
sammenbruch im November 1918, hätten wir eine Wirtschaft ohne
jede Fährlichkeit fortführen können, wie sie mit dem 31. Juli 1914 abschloß, so, glaube ich, es wäre heute gemütlicher für die Arbeiterschaft, für den Mittelstand, für die Landwirtschaft, für Handel und Industrie. (Sehr richtigh) Aber glauben Sie daß das spurlos an allen Erwerbsständen vorübergehen kann, die BVer⸗ nichtung aller Güter, die in den Jahren 1914 bis 1918 zerstört worden sind? Zurdfe) — Meine Herren, ich habe jetzt sobiel auf sovielerlei zu antworten, daß ich dieses Leipziger Allerlei nicht noch um ein Gericht vermehren möchte. (Zurufe.)
Herr Abg. Müller⸗Franken hat dann gefragt, ob es nicht chharak⸗ teristisch für die Republik sei, daß in ihr ein Stinnes hitte so groß werden können. Nein, das ist gar nicht charakteristisch. Ich glaube, ein Stinnes — der Stinnes nämlich, der Mann mit Initiative, der Mann mit Wagemut, der Mann mit großem Blick 3 hätte auch in einer zusammengebrochenen Wirtschaft in einem Kaiserreich etwas werden können: (Zuruf links: Noch eher) eine große Potenz auf dem Wirtschaftsmarkt. (Zuruf links: Noch leichter) 4 Ja, ich vermute auch: noch leichter. (Zuruf) Sie wollen doch bei allen diesen Be⸗ trachkungen nicht verkennen, daß nicht nur militärisch der Krieg ver⸗ loren ging, sondern daß Deutschland auch wirtschaftlich zusammen· gebrochen ist (sehr wahr! bei der Sozialdemokratischen Partei), und wir haben uns erst langsam von all den schweren Wunden zu erholen, die uns der Krieg geschlagen hat.
Ich bin wirklich nicht der kleinliche Polizeiminister, der jeden Morgen überlegt: ‚Wie ärgerst du nun die Angehörigen des Mittel standes“ (Heiterkeit. — Abg. Müller⸗Franken: Sie nicht, Herr Mi⸗ nister! — Erneute Heiterkeit. — Ja, ein Schelm verspricht mehr, als er halten kann, und den Vorwurf möchte ich mir nicht machen lassen, daß ich mehr versprochen hätte, als ich zu halten imstande bin. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei Aber ich will Ihnen fol⸗ gendes soegen. Ich glaube, bei einer objektiven Betrachtung aller der⸗ jenigen Maßnahmen, die aus der Kriegswirtschaft noch bestehen. werden Sie finden, daß einige dieser Maßnahmen fortbestehen müssen, gerade wenn man den Schutz des Mittelstandes, des gewerblichen Mittelstandes, in diesen schweren Zeiten der wirtschaftlichen Depression will. Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. Ein Mit⸗ glied Ihrer Partei — den Namen nenne ich natürlich aus Delikatesse nicht — ist kürzlich bei mir gewesen und hat gefragt, ob es angezeigt
sei, gerade bei meinem Etat die Frage — sagen wir einmal: — der Preiskonbentionen zu behandeln. Darauf habe ich ihm gesagt „Natürlich; denn die Preiskonventionen müssen doch von der Polizei bekämpft werden!“ und jenes Mitglied Ihrer Partei hat dann darauf aufmerksam gemacht, daß Angehörige des gewerblichen Mittelstands, daß kleine Kaufleute Markenartikel, wie z. B. Persil, gern billiger ver⸗ kaufen möchten (sehr richtig), ober durch die Konvention der großen Ringe daran gehindert würden. (Zuruf: 10600 4 Geldstrafe müssen sie bezahlen, wenn sie unter dem festgesetzten Preis verkaufen) — Perr Kollege Müller, wenn Sie der Meinung sind, daß diese Untersuchungen und Feststellungen von einer obiektiven Bebörde getroffen werden sollen, dann müssen Sie auch für die Beibehaltung der Preis. prüfungsstellen eintreten; denn nur die Preisprüfungsstellen sind im Stande festzustellen, ob der kleine Kaufmann oder ob der Ring, die Preiskon vention, schuld ist an der Teuerung. (Sehr wahr! bei der
(Heiterkeit) Ich bin nicht der Meinung, daß man große wirtschaftliche Bewegungen, die jetzt einmal wieder nach unten gehen, durch polizeiliche Vorschriften reglementieren kann. (Sehr gut) Die Polizei aber, die von allen als Nothelfer angerufen wird, muß in der Lage sein, wenn Klagen bei ihr eingehen, festzuftellen, wen die Schuld an den Miß ständen trifft, und das kann in diesem Falle auf dem wirtschaftlichen Gebiet nur durch die Preisprüfungsstellen geschehen. (Lebhafte Zu= stimmung.) ;
Und nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich mich mit den Herren Rednern beschäftige, die gestern geredet haben, — zunächst mit dem Herrn Abgeordneten Milberg. Seine Bemerkungen dem Herrn Abgeordneten Hirsch gegenüber — „Das war kein Helden⸗ stück, Oktavio!“ — haben auch mich zu einem Ausflug ins Literarische angeregt. (Zurufe) Herr Milberg ist zwar kein Questenberg deiter· keit; aber ich glaube, ich darf ihm sagen, obgleich ich auch nicht für mich in Anspruch nehme, ein Wallenstein zu sein (Zurufe: Aber ein halber! — Aber es kann noch werden! Heiterkeit):
Ersparen Sie er uns, aus dem Zeitungsblatt zu melden,
was wir schaudernd selbst erlebt!
(Zurufe rechts: Also geben Sie es zu?) — Aber natürlich! — und dann können Sie sagen, Herr Abgeordneter Milberg⸗Questenberg: „Anklagen ist nein Amt und meine Sendung.
Es ist mein Hecz, das gern beim Lob verweilt.“
Von diesem Lob habe ich allerdings wenig verspürt.
Zuruf.)
Sie hatten ja eben den Beruf, anzuklagen, mildernde Umstände nicht gelten zu lassen, und diesen Beruf haben Sie getreulich erfüllt. (Zuruf: Eine kleine Bewährungsfrist. — Heiterkeit. Glocke des Präsidenten) Aber wie so manchem Staatsanwalt, erging es auch Ihnen: es ist Ihnen manches Unrichtige unterlaufen.
Ehe ich diese unrichtigen Angaben berichtige, möchte ich zu den Ausführungen Herrn Abg. Milberg zu meiner Stellung als Kommunalaufsichtsminister folgendes sagen. Die mir freundlichst zu⸗ gedachte Rolle, alles das zu drosseln, was in diesen trüben Zeiten die Gemeinden unternehmen möchten zur Ausgestaltung ihrer Auf⸗ gaben, zur Erfüllung ihrer Aufgaben, lehne ich ab. Bravo] links — Zuruf rechts: Hat auch kein Mensch gewollt! Ich will Minister der Selbstverwaltung sein und mich auf die Aufsicht beschrän ken.. Wir, meine Mitarbeiter und ich, haben mit Zastimmung aller Parteien, glaube ich, erklärt, daß wir die Selbstverwaltung ausbauen, aber nicht drosseln wollen; denn nur wenn wir allen Volksgliedern größtes Ver⸗ krauen entgegenbringen, kommen wir vorwärts; das gilt besonders im demokratischen Staat. Deshalb, meine Herren, kann ic den Aus. führungen des Herrn Milberg unter gar keinen Umständen folgen, Was Herr Abg. Milberg zur Begründung seines Ansinnens gesagt hat, stimmt aber auch gar nicht. Gewiß, als wir im vergangenen Jahre, nach der Inflation, wieder so etwas wie einen festen Boden fühlten, da sind auch die Gemeinden davangegangen, das, was sie in den letzlen Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs hatten zurück⸗ stellen miüssen, nachzuholen. Gewiß, sie haben hier und dort ein Stadion gebaut, sie haben Sportplätze angelegt, sie haben auch ein Theater errichtet (Zuruf links: Notwendigh, aber meine Herren, das sind alles Dinge, die ich unter gar keinen Umständen missen mchte. Sehr gut! links) Wenn jetzt die Abgeordneten aus Schlesien zurück⸗ kehren Und uns in den nächsten Tagen einen langen Wunschzettel unter⸗ breiten werden, dann wicd wahrscheinlich auf diesem Wunschzettel auch die Forderung Schlesiens vorhanden sein, an der Grenze Theater zu errtchten. (Sehr richtig! im Zentrum) Und, so parador das viel⸗ leicht klingen mag: ich glaube, daß selbst diese Forderung auch in einer Zeit wirtschaftlichen Niedergangs, in der wir doch zunãchst ee, leben wollen, daß diese Forberung für die Grenzgebiete uur Ver⸗ teidigung deutscher Kultur, deutscher Sprache und deutscher Kunst be⸗
bei guter Laune zu erhalten.
rechtigt ist. Eebhafte Zuftimmung im Jentrum und links.) Ich bin aber eigentlich erstaunt gewesen über die Forderung des Herrn Abgeordnelen Milberg, eine straffere Aufsicht über die
86 ; ö ke Gemeindefinanzen zu üben, die Gemeinden mehr in ihre Schranken Deutschnationalen Volks ⸗
zurückzuweisen; denn die Herren von der ᷣ . partei konnen es sonst anders. Als ich mich einmal daran erinnerte,
daß die Gemeinden doch auch nur Zellen des Staates und, wenn
mann so will, Zellen auch des Reiches seien, und als ich aus dieser
Erkenntnis die Konsequenz zog, daß am Venrfassungs tage des Reichs
insbesondere auch die Genieinden in den FJaiben des Reichs zu
flaggen hätten (Unruhe rechts), und als das Staalsmjaisterium ent
sprechende Bestimmungen herausgab, da, meine Herzen, waren Sie
es ja (Unruhe rechts) die gegen den Innenminister zu Felde dozen,
weil Sie der Meinung waren, daß das eine unerhörte Beschrankung
der Selbstvemwaltung sei. (Abgeordneter Wiedemann Spandau:
Anmaßung! Zurufe) — Jawohl, nach Ihrer Meinung en vas gang
anderes. — Meine Herren, diese Flaggenfrage hat ja in . dey Oeffentlichkeit eine breite Erörterung gefunden, und nach einem Erkenntnis des Bezirksausschusses in Potsdam ist die Auffassung verbreitet, als ob der Bezirksausschuß der Auffassung des Magist rats von Potsdam beigetreten sei, daß das Shaatsministerium nicht das Recht habe, das Flaggen in den Farben des Reichs anzuordnen. Es liegt jetzt aber ein Urteil des Bezirksausschusses von Potsdam vom 18 August dieses Jahres vor, aus dem ich Ihnen einige Stellen zitieren möchte. (Abgeordneter Wiedemann 1Spandaul: Hoffentlich die richligenh — Unterstellen Sie etwa, daß ich falsch zitiere?! (Unruhe und Zurufe links: Unerhört! Frechheith
Es heißt in diefem Urteil des Bezirksausschusses:
Nach dem früheren preußischen Verfassungsrecht war es nicht zweifelhaft, daß die Befugnisse des absoluten Königs von Preußen nur insoweit eingeschränkt worden sind, als die preußische BVer⸗ fassung und die auf Grund der Verfassung erlassenen Gesetze ihre Anordnungen treffen. Es ist also auch die einen Teil der Staats⸗ hoheit bildende Kommunalaufsicht nur insoweit beschränkt. als dies durch Gesetze, z. B. Disziplinargesetz, geschehen ist. Die Staatshoheit der Könige von Preußen ist jetzt auf das Staats⸗ ministerium übergegangen. Der Streit spitzt sich also auf die Frage zu, ob der König von Preußen kraft seiner durch ein⸗ schlägige Gesetze nicht beschränkten Staatshoheit befugt gewesen wäre, anzuordnen, daß Gemeindebehörden an vaterländischen Ge⸗ denktagen in den Reichsfarben flaggen sollen. Diese Frage muß bejaht werden. ö
ört, hört! im Zentrum und links. . k der 1 des Deutschen Reiches bildete der Bundesstaat Preußen ein untrennbares Glied des Reiches. Dies beruhte weniger darauf, daß der deutsche Kaiser und der König von Preußen in einer über eine Personalunion weit hinaus-
Sozialdemokratischen Partei) Sie dürfen also überzeugt sein: was
Durch ihren
und anderen Geheimpapieren sowie durch Vertrauens seligkeit
an mir liegt, das geschieht, um auch den gewerblichen Mittelstand
gehenden Weise miteinander verbunden waren, als auf der