1925 / 244 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 17 Oct 1925 18:00:01 GMT) scan diff

genaue Gegenteil von dem werde ich tun. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei. Abg. Dr. von Waldthausen: Hoffentlich mit besserem Glück als manchmal bisher! Ich kann im allgemeinen wohl sagen, daß ich in der Aemterbesetzung Glück gehabt habe. (Lebhafte Zurufe rechts: Wir nicht! Runge! Richter! Hörsing) Runge, Richter, (erneute Zurufe rechts.) Hörsing? Ich möchte Ihnen jetzt doch einmal folgendes sagen, was ich gestern schon angedeutet habe, ich habe bis jetzt die Ver⸗ antwortung nicht abgelehnt, wenn mir Handlungen zugeschoben wurden, die eigentlich ein anderer Minister zu vertreten gehabt hätte: alle die Herren, die Sie eben genannt haben, find ja gar nicht von mir berufen worden. (Zuruf rechts: Aber Sie haben sie in ihren Aemtern belassen! Lachen und Zurufe bei der. Sozialdemokratischen Partei) So, Sie meinen, es wäre meine Verpflichtung gewesen, Herrn Lübbring oder Herrn Hörsing aus ihren Aemtern zu jagen? (Abg. Dr. von Waldthausen: Wenn sie unfähig sind! Einer der besten, fähigsten Polizeipräsidenten kann ich wohl sagen ist der von Ihnen so angegriffene Herr Lübbring (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. Lachen und Zurufe rechts) Ich habe insofern ja einigermaßen mit den Vorschlägen, die ich gemacht habe, Glück gehabt, als in einer ganzen Reihe von Fällen, ja, in vielen Fällen, besonders im letzten Jahre, alle die Herren, die ich vorgeschlagen habe, von den Kreistagen akzeptiert worden sind, manchmal sogar ein⸗ stimmig von den Sozialdemokraten oder sogar Kommunisten bis zu den Deutschnationalen. (Hört, hört! links.) Die Herren haben in ihrem Kommissorium so glänzend gearbeitet, das Vertrauen der Kreisbewohner und Kreistagsvertreter sich in so hohem Um⸗ fange erworben, daß die Präsentation einstimmig geschah. (Abg. Dr. Prelle: Siehe Kreis Winsen!! Was ist da geschehen? (Abg. Dr. Prelle: Da hat der Kreistag beschlossen, einen besonderen Mann zu wählen, sogar einen Demokraten, der Herr Minister nimmt aber einen von der Rechten! Heiterkeit) Sehen Sie, da sind Sie nun auch wieder schief gewickelt. (Heiter⸗ keit; Das ist gar nicht unter meiner Amtsführung geschehen, dafür zeichnet Herr Dominius verantwortlich. (Abg. Dr. Prelle: Es war unter Ihrer Amtsführung!) Nein, Herr Bleckvenn ist von mir nicht zurückgewiesen worden. Im Gegenteil, ich habe Herrn Bleckvenn, der damals von einer Minorität oder geringen Majorität des Kreises vorgeschlagen wurde, im gewissen Sinne rehabilitiert. Er ist zunächst Regierungsrat in Minden gewesen und dann Landrat in Genthin geworden. Dinge einmal! Sie werden mir dann schon recht geben. (Heiter⸗ keit. Zuruf rechts) Also, Herr Abgeordneter, ich erkläre Ihnen noch einmal: Sie irren! (Zurufe rechts.)

Herr von Eynern hat weiter darauf verwiesen, daß die Polizei in Bochum aus Anlaß der Befreiungsfeier bei Privaten Nachforschungen gehalten hebe, ob die schwar⸗weiß⸗rote Fahne gezeigt werden sollte, und sie habe dann das Flaggen von schwarz-⸗-weiß-⸗rot untersagt. So ungefähr habe ich Herrn von Eynern verstanden. (Zuruf rechts. Wenn er das gesagt hätte, Herr Abg. Stendel, stimmte das. Wie lagen die Dinge? Die Stadt Bochum war eine der ersten, die geräumt wurde. Auch Reichsstellen, deren Spitzen Ihnen politisch sehr nahe stehen, Herr Stendel, waren mit uns der Meinung, daß es nicht geboten sei, nun gleich Freudenpurzelbäume zu schlagen, geräuschvolle Feste zu veranstalten und große Reden zu halten, weil wir uns sagten, daß etwaige Ausschreitungen bei diesen Fest⸗ lichkeiten eine Verzögerung der Räumung der Einbruchsstätte im Gefolge haben könnte Deshalb haben wir gebeten, daß man von all diesen Kundgebungen Abstand nehmen möchte. Halten Sie das in der Ordnung oder nicht? (Zurufe rechts.) Also jedenfalls haben wir uns, hat sich die Polizeiverwaltung, haben sich die Be⸗ hörden Preußens mit den entsprechenden Stellen des Reiches in Uebereinstimmung befunden. (Widerspruch und Zurufe rechts.)

Herr Abgeordneter Dr. Heß hat an mich die Frage gerichtet, ob seit den im Staatsrat von meinen Vertretern gemachten Mit teilungen über die Zusammensetzung der Preußischen Verwaltung Aenderungen eingetreten wären. Es sind allerdings Aenderungen insofern eingetreten, als seit dem 1. Ja⸗ nuar d. J. bis hente 26 Landräte neu ernannt worden sind. Davon sind 24 vorgebildete Verwaltungsbeamte und zwei Außenseiter. (guruf rechts) Ja, es waren auch Sozialdemokraten drunter. (Zuruf rechts) Die beiden Außenseiter sind ein Redakteur, der (nach rechts) in Ihrer Presse als „früherer Matrose“ bezeichnete H. Brisch, und ein früherer aktiver Major, der den Landratsposten in Helgoland bekleidet. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Von diesem ehemaligen Obermatrosen sagt der heutige Regierungs⸗ präsident in Marienwerder, der den Rechtsparteien nahe steht, solgendes:

Ew. Hochwohlgeboren wissen, daß ich ihn nämlich H. Brisch als einen der befähigtsten Köpfe unter den oberschlesischen politi⸗ schen Persönlichkeiten und außerordentlich sympathischen Char⸗ alter besonders schätze und sehr ungern auf seine künftige Mit= wirkung in der Staatsverwaltung verzichten möchte. (8Gört, hört! Mitglieder der gemischten Kommission schrieben über Brisch am 10. Mai 1923: Brisch ist ein Mann von sehr großer Befähigung und hat mich durch die Fähigkeit, sich in Materien einzuarbeiten, die ihm nach seiner Vorbildung gänzlich fern lagen, stets in Erstaunen gesetzt. Er hat alles daran gesetzt, der deutschen Sache zum Erfolge zu verhelfen. Der Staat ist dem treuen Manne zur Dankbarkeit verpflichtet. (Hört, hörth Ein großer Bolksteil hat diese Dankbarkeit nicht geübt, denn es wird den Herren auch von der Deutschnationalen Volkspartei noch in Erinnerung sein, wie gerade dieser Mann durch den Kot geschleift wurde, als bekannt wurde, daß er zum Re⸗ gierungsrat ernannt wurde und als weiter bekannt wurde, daß er zum Landrat in einem sächsischen Kreis ausersehen sei.

Aehnliche Urteile liegen über den Major Etzel vor. Er hat sich bei der oberschlesischen Abstimmung große Verdienste erworben, und das Auswärtige Amt hat ihn uns selbst empfohlen. Sie selbst lennen ihn, Herr Beuermann. Ich brauche zur Empfehlung dieses Mannes nichts Besonderes zu sagen.

Polizeipräsidenten sind inzwischen drei neu ernannt worden: Herr Abgeordneter Grzesinski, den Sie kennen, der. Regierungsditektoꝛr Dexle, der zum Polizeipräsidenten in Halle ernannt ist, und der Re-

Also prüfen Sie die

gierungsrat Menzel, der Polizeipräsident in Magdeburg. Das sind die Veränderungen, die inzwischen eingetreten sind

Herr Abgeordneter Dr. Heß hat dann weiter an mich die Frage gerichtet, ob es richtig sei, daß während der Verwaltung des Kreises Stuhm durch Herrn von Auwers der in der kleinen Anfrage genannte Herr von Donimierski bereits zum stellvertretenden Amts vorsteher vorgeschlagen sei. Darauf kann ich folgende Antwort geben: Zuruf rechts) Wenn uns drei Wochen lang die kleinen Anfragen nicht nur, sondern auch Zeitungsnotizen sozusagen um die Ohren geschlagen wer⸗ den, wenn dem Landrat Fischenich, der heute den Kreis verwaltet, vor- geworfen wird, daß auf seine Initiative die Ernennung zurückzuführen sei, was, glauben Sie, was wir im Min sterium dann machen? Wir haben dann die Verpflichtung, an Hand der Akten festzustellen, was eigentlich richtig ist. Stellen Sie mir andere Fragen, so werden Sie erfahren, daß ich und meine Mitarbeiter in der Lage sind, sie ebenfalls zu beantworten. (Zuruf rechts) Herr Stendel auf diese Frage antworte ich Ihnen gerne Der Außenminister und der preuß sche Innenminister müßten wirklich sehr viel freie Zeit haben,

wenn sie Bestimmungen über die Einzelheiten solcher Anordnungen

treffen sollen. Ich stelle fest, daß zum stellvertretenden Amtsvorsteher Herr von Donimierski schon empfohlen wurde unter der Amtsführung des Herrn von Auwers. Ferner stelle ich sest, daß Herr Fischenich in den national gefährdeten Kreis berufen wurde, weil er sich im Westen als national hervorragend zuverlässig bewährt hatte. Wenn wir einmal frei über diese Dinge reden können, dann könnte ich Ihnen über die Tätigkeit des Herrn Fischenich solches Material unterbreiten, daß die Herren sich werden schämen müssen, die in diesem Jahre Herrn Fischenich als national mirder zuverlässig angegriffen haben. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten. Nun bin ich sehr betrübt, daß einige Herren vom Zentrum auf mich böse geworden sind. (Zuruf rechts) Sie haben mir Ihre Freundschaft aufgekündigt.

Was habe ich gestern gesagt? Ich habe gesagt, daß, wenn man von hemmungsloser Zuwanderung spyechen wollte und nach den Gründen suchte, man diese zunächst nicht im Ministerium suchen müßte, sondern in ganz anderen Kreisen. Ich habe darauf hin gewiesen, daß ich mit meinen Kollegen Hirtsiefer und Schreiber im preußischen Staatsministerium, mit dem Reichsarbeitsminister Brauns, der dem Zentrum angehört, und mit anderen Reichsstellen mich bemühe, das Reichskontingent ausländischer Arbeiter herab- zusetzen im Interesse des deutschen Arbeitsmarktes. Und da habe ich erklärt, als die Herren mir zuriefen, daß aus volkswirtschaftlichen Gründen die polnischen Wanderarbeiter benötigt wurden: „Siedeln Sie die deutschen Arbeiter menschenwürdig an und zahlen Sie menschenwürdige Löhne, dann werden Sie auf die polnischen Arbeiter verzichten können!“ Davon kann ich nichts zurücknehmen; denn die ziffernmäßigen Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, über die Löhne im Osten, wo polnische Wanderarbeiter beschäftigt sind, reden eine deutliche Sprache. Ich habe keineswegs verlangt, daß die Löhne in der Landwirtschaft allgemein aufgebessert werden müßten so sehr habe ich mich im Augenblick in die landwirtschaftlichen Dinge nicht vertieft. Sogar die Herren von der deutsch-völkischen Freiheitspartei, Herr Wulle, steht in dieser Frage auf meiner Seite. (Heiterkeit) Aber Herr Abgeordneter Milberg hat nicht von Ostiuden gesprochen, sondern von Ausländern. (Sehr richtig! links) Im übrigen habe sch die Ostjuden doch gar nicht hemmungslos hereingelassen, sondern habe die unangenehme Aufgabe gehabt, sie hemmungslos hinaus zubringen. (Erneute Zurufe rechts) Aber jetzt kommt es mir darauf

an hervorzuheben, daß auch Sie und Ihre eigenen Blätter in dieser

Frage auf meiner Seite stehen. Das „Deutsche Tageblatt! vom

77. September hat unter der Spitzmarke: „Nationale Würdelosigkeit“

folgendes veröffentlicht: Eine „fürstliche“ Gutsverwaltung. Vor einigen Tagen meldeten wir, daß Gutsbesitzer durch Anzeigen in landwirtschaftlichen Blättern polnische Arbeiter suchen. Diesen Fällen von, angesichts des Optantenelends, geradezu unglaublicher nationaler Würde⸗ losigkeit reiht sich folgende im „Rostocker Anzeiger“ erschienene Anzeige würdig an:

In Nienhagen bei Hoppenvade i. M. werden sofort acht polni sche Schnitter mit ordnungsmäßigen Papieren gesucht. Fürstliche Gutsverwaltung.

Dazu sagt das „Deutsche Tageblatt“ des Herrn Kollegen Wulle: Eine „feine“ fürstliche Gutsverwaltung muß das sein und eine feine Presse, die dergleichen Anzeigen aufnimmt.

Zurufe rechts.) ö

Dann darf ich noch einmal unterstreichen, was Perr Kollege

Riedel eben schon angeführt hat, nämlich: daß der 25. Ausschuß, der

Ausschuß für die Ostfragen, an der Spitze seiner Entschließungen ge⸗

fordert hat: das Staatsministerium zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß die polnischen Wanderarbeiter Anfang Dezember 1925 restlos das preußische Staatsgebiet verlassen und in den nächsten Jahren bei Zulassung von Saisonarbeitern in Landwirtschaft und Industrie die Bedürfnisfrage sorgfältig geprüft wird.

Zuruf des Abgeordneten Weissermel) Herr Kollege, wollen Sie

das gefälligt beantragen! Die Erlassesüber die O stjuden stehen Ihnen sämtlich zur Verfügung. Wir können auch eine Druck⸗ legung veranlassen, so daß sie allen Mitgliedern des hohen Hauses zugänglich gemacht werden, und da werden Sie finden, daß die Auf⸗ nahmebestimmungen von Jahr zu Jahr nicht gerade milder ge⸗ worden sind.

Nun noch ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Maretzky. Er hat an einer Stelle seiner Ausführungen gesagt: „Herr Severing habe sich damit entschuldigen wollen“, und dann: „Herr Severing verschanze sich heute hinter die Selbst⸗ verwaltung“. Ich möchte ihm sagen: ich habe mich nicht zu ent⸗ schuldigen, und ich verschanze mich nicht. Ich habe immer den Mut aufgebracht, daß, was ich zu sagen habe, zu sagen, ohne daß ich irgend einer Kulisse bedarf. Was er nun sachlich weiter ausgeführt hat war so ungeheuerlich, daß ich auf jede Widerlegung verzichten kann. Ich will ihm trotzdem mit ein paar Bemerkungen antworten. Erstens, sagte er, haben sich die Verhältnisse gar nicht konsolidiert, und zweitens, wenn sie sich kon solidiert haben, dann hat der Innen⸗ minister kein Verdienst daran! Ich bin nun so unbescheiden, erstens der Meinung des Herrn Abgeordneten Heß zu sein, und zu glauben, daß seit 1919 doch so etwas wie Fortschritte auf nirtschaftlichem und politischem Gebiet festzustellen sind. Dann bin ich weiter der Meinung. daß auch ich ein klein wenig an der Festigung des staat⸗· lichen Lebens beteiligt bin. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei) Ich schreibe mir ein kleines Verdienst dabei zu, und jwar zunächst durch die Tätigkeit, die ich im Jahre 1419 in Rheinland und Westfalen entfaltet habe. Damals lagen die Verhältnisse nicht

einfach, damals befanden sich alle Schichten im Westen noch im Besitz von Maschinengewehren, Handgranaten, Karabinern und Pistolen, und jede Streikbewegung jener Zeit war von Exzessen der allerschlimmsten Art begleitet. Es war wohl kein Zufall, daß ich nicht allein von der Reichsregierung und der preußischen Staatsregierung zum Staatskommissar in Rhein land und, Westfalen berufen worden bin, sondern daß das Verdienst, mich entdeckt zu haben, auch der Generalleutnant Freiherr von Watter für sich in Anspruch nahm. (Hört, hört! bei der Sozial⸗ demokratischen Partei) Ich muß also da schon als Reichskommissar zur Befriedung dieses Gebiets wohl etwas geleistet haben. Das im einzelnen aufzuzählen, versage ich mir.

Wenn aber Herr Abg. Maretzky die Gründe wissen will, die eine schnellete Befriedung erschwert und verjögert haben, dann darf ich als einen dieser Gründe den Kapp-Putsch im Jahre 1920 nennen. Ich darf auch daran erinnern, daß der eigentliche Währungsverfall bor der Besetzung des Ruhrgebiets begann mit der Ermordung Rathenaus. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei) Das waren aber Fakten, die nicht der Reichsregierung von damals, nicht der Preußischen Staatsregierung zuzuschieben sind, sondern der Kapp⸗Putsch ist von ganz anderen Leuten gemacht worden, die Erschießung von Rathenau fällt auf das Konto von ganz anderen Leuten. Ich könnte Ihnen aus meiner Praxis als Reichs und Staatskommissar sehr viel dapon er⸗ zählen, wie die wirtschaftliche Gesundung besonders des industriellen Westens im Gange war, wie wir zu den Ueberschichten im Bergbau auch bald Ueberschichten im Transportgewerbe bekamen. Ich bin ge— rade am 12. März, am Tage vor dem Kapp-Putsch, in Berlin ge— wesen, um mit dem damaligen Eisenbahnminister Oeser über Prämien für Cisenbahnarbeiter zu verhandeln, die solchen Eisenbahnarbeitern zur Verfügung gestellt werden sollten, die. wie die Bergarbeiter Ueber⸗ schichten leisteten. Alles schien auf dem besten Wege zur Gesundung. Da kam Ihr Kapp-Putsch ich darf das wohl sagen, an die Adresse einiger Ihrer Herren gerichtet ist das jedenfalls keine Belastung —, und sofort war es nicht nur im Westen sondern im ganzen Reiche damit vorbei. Was für Opfer an Blut der Kapp⸗Putsch gekostet hat in diesem Zusammenhange auszuführen, unterlasse ich. Aber darauf darf ich aufmerksam machen, daß wir wirtschaftlich durch diesen Kapp⸗ Puisch Rückschläge erlitten haben, die bis jetzt noch nicht wieder gut⸗ gemacht sind. (Sehr wahr! links)

Was dann im Jahre 1923 getan worden ist, darf später vielleicht auch ein mal ausftthrlich erörtert werden. Heute beschränke ich mich darauf, festzustellen, daß die Herren um Maretzky in jenen Jahren als es sich um das Schicksal Deutschlands handelte, ganz stille waren. Hätten sie es in den Jahren 1913 und 1919 besser machen können, dann hätten sie doch nur ihre Karte bei der Reichsregierung abzugeben brauchen. Damals hat Herr Maretzky gezögert, sich in die Reihen der⸗ jenigen zu stellen, die eine große Verantwortung auf sich nahmen. Jetzt vom sicheren Port aus zu raten, das, meine Herren ist nur zu gemächlich. (Sehr richtig! links.) .

Nun noch eine Bemerkung! Der Herr Abg. Maretzky hat darauf verwiesen, daß die Reichsregierung zur Sanierung der Verhältnisse im Reiche ein Program m aufgestellt habe, und hat mich dann gefragt: Wo haben Sie, Herr Innenminister, Ihr Programm? Ich bin gern erbötig, bis morgen eins anzufertigen. (Heiterkeit links Aber ich habe die Auffassung, daß ich mit diesem Programm die wirtschaftlichen und politischen Schäden, die der Abgeordnete Maretzky beklagt hat, nicht heilen werde, daß sich dieses Programm vielleicht ganz gut in der Schublade des Ministeriums ausnimmt, vielleicht auch in der Schublade der Abgeordneten, die ja dadurch erfahren was der Minister eigentlich will. Sonst aber wird es nicht viel Erfolge auf⸗ weisen könne. Nein, meine Herren, nicht die Ankündigung von Maß— nahmen, sondern Männer tun uns in dieser Zeit not ssehr richtig! links Sehr richtig! bei der Deutschnationalen Volkspartei) Herr Abgeordneter, darin sind wir uns ganz einig besonders Männer die den Mut zur Wahrheit haben. (Richtig! bei der Deutschnationalen Volkspartei.)

Was nun das Programm der Reichsregierung anlangt, so würde dieses auch nur in der Schublade bleiben, wenn sich die Reichsregierung bei dessen Ausführung nicht auf die preußischen Verwaltungsorgane stützen könnte, und es ist wohl kein Zufall, daß die intimsten Be sprechungen über das Programm des Herrn Reichskanzlers nicht nur mit Reichsstellen, nicht nur mit dem Reichswirtschaftsministerium und dem Reichsfinanzministerium abgehalten worden sind sondern daß auch Besprechungen, die direkt ein Einschreiten zur Folge hatten, mit dem Innenministerium und mit dem Vorsitzenden der preuß schen Preis⸗ prüfungsstellen stattgefunden haben. Daraus wollen Sie erkennen, daß ein schönes Programm vielleicht dem einen oder anderen. wie Herrn von Maretzky, vortäuschen kann, als ob damit alles getan sei Ich lege aber Wert darauf, nicht in einem Programm etwas zu versprechen, was ich nicht durchführen kann. Ich beschränke mich darauf von Tag zu Tag Len Weg zu verbreitern, der uns aus der heutigen Not int Freie fübrt Wenn wir dann erst einmal wieder freie Bahn haben, wenn wir keine Schlacken mehr aus dem Weg zu räumen brauchen, wenn wir wirtschaftlich und politisch so konsolidiert sind, daß Pro= gramme in die Tat umgesetzt werden können. dann melne Herren, werden Sie mich auch am Schreibtisch sehen um die einzelnen Punkte dieses Programms zu entwerfen, und, was wichtiger ist, dann werden Sie mich auch am Werke sehen, ein solches Programm zur Ausführung zu bringen. (Lebhafter Beifall links.)

79. Sitzung vom 16. Oktober 1925, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“). )

Ein Zentrumsantrag über die Lage in der mittel ö Texilindustrie wird ohne Aus sprache em . überwiesen. Verabschiedet wird ein Gesetz⸗

entwurf zur Aenderu n der Hohenzollern schen Gemeindeordnung. Es handelt sich um eine n Aenderung, und zwar soll in den einzelnen Paragraphen das Wort „Mark“ durch „Reichsmark“ ersetzt werden. .

Ein Gesetzentwurf zur Verlängerung der Gültigkeits- dauer des Kriegsgesetzes zur Vereinfachung der Ber⸗ waltung geht an den Verfassungsausschuß, ein Wesetz⸗ entwurf über die Unterbringung der Leiter und Lehrer von staatlichen Lehrer= und Lehre⸗ rinnenbildungsanstalten an den Unterrichts. ausschuß. Zur nochmaligen Beratung an den Rechtsausschuß

urückverwiesen wird der Gesetzentwurf zur Aenderung es Feld⸗ und Forstpolizeigesetzes.

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruch , , Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Die allgemeine Besprechung zum Haushalt des Ministeriums des Innern wird darauf fortgesetzt.

Abg. Gieseler Gölk) erklärt, von den Sozialdemokraten bis zu den Deutschnationalen habe man um den Kernpunkt der Sache herumgeredet. Man geniere sich auszusprechen, daß heute alles vom internationalen Großkapital abhänge. Der Redner weist auf die Schwierigkeiten hin, die * aus den Sachlieferungen für die Wirtschaft ergeben. 9 Aufbringung des Geldes habe man die Hauszinssteuer eingeführt. Das sei nichts anderes als der organisierte Raub unserer Mieten. . das letzte Bollwerk, unsere Landwirischaft, habe jetzt einen amerikanischen Kredit zu 11 v́H aufnehmen müssen, dessen Rückzahlung doch unmöglich sei. Dabei slehe der Getreidepreis außerordentlich niedrig; der Getreidejude beherrsche den Markt. Als der Redner von dem Freiheitskampf ̃ spricht, erhebt sich schallendes Gelächter. Er kriti⸗ ier nur zum Schaden Deutschlands ausschlagen. Der Redner bringt Beschwerden über brutale Behandlung von Deutschen in Polen, z. B. anläßlich einer Ausstellung in Graudenz, sowie im Kreise Stuhm vor. In diesem Kreise terrorisiere eine kleine Minderheit von Polen die Deutschen. Dabei werde den Polen noch von der Regierung und auch von Parteien wie dem Zentrum Vorschub ge⸗ leistet. Den Minister Severing müsse man als Persönlichkeit an⸗ erkennen; das sei heute schon etmas. Aber seine Tätigkeit müsse aufs schärfste verurteilt werden. Die Behandlung des Falles des Landrats Hubert stelle einen Verfassungsbruch schlimmster Art dar. Darum dürfe der Minister sich nicht wundern, wenn die Völkischen ihm das schärfste Mißtrauen entgegenbringen. Wenn der Minister Hirtsiefer in schwer betrunkenen Zustande mit zwei Freuden⸗ mädchen in der Mariahilfstraße in Wien , worden sei, so sei das ein unerhörter Vorgang. (Lärm links und in der Mitte. Die weiteren Ausführungen des Redners, die sich gegen den Minister Severing richten, gehen fast Lärm der Linken und der Mitte unter.) Der Redner kritisiert a das Vorgehen gegen die Angehörigen des Selbstschutzes und er vaterländischen Verbände. Die vaterländischen Verbände hätten auch heute noch eine große Aufgabe. Dort seien die besten Kräfte unserés Volkes, die noch Ideale besäßen und aus Ideglismus handelten. Zum Schluß wendet sich der Redner gegen Ausfüh- rungen des Zentrumsabgeordneten Dr. Heß über Intoleranz gegenüber den Katholiken. Gerade das Zentrum beweise allent— halben Intoleranz. Abg. Schlange⸗ Schöningen (D. Nat.) führt namens seiner Parteifreunde aus: Wenn uns in Locarno

licht Rechnung trage, so werde im deutschen Volke ein Sturm der Entrüstung sich erheben, dem die Deutschnationalen Rechnung fragen würden. Solange solche Reden gegen die Deutschnationalen gehalten würden, wie hier anläßlich des Haushalts des Innen⸗ ministeriums, solange seien die Deutschnationglen auf dem rechten Wege. Der Minister habe hier wahrhafte Mordsgeschichten üben die Pläne des „Stahlhelms“ erzählt. Was sollen solche Geschichten? Wenn sie auf Angaben eines Mannes wie Hörsing zurückgingen, so müffe man mit dem schärfsten Mißtrauen darangehen. Der Mohr habe wohl seine Schuldigkeit getan und könne nun gehen? (Leb⸗ hafte Zustimmung rechts.). Die vaterländischen Verbände seien nicht ein Ferment der Zersetzung, sondern ein Element der Kon— 6, Nicht Herr Severing habe uns aus dem Schlamassel zer Inflation gerettet, sondern Helfferich. (Lärm links.) Der Grundzug der vaterländischen Verbände sei die Treue zum Vater⸗ lande. Das Reichsbanner dagegen sei eine Parteiorganisagtion. Wenn Tyrannenmacht unerträglich werde, dann müsse ein so großes Volk, das frei sein wolle, seine unveräußerlichen Rechte von den Sternen herunterholen. (Lebhafter Beifall rechts, Lärm links.) Die Bemerkung, er (der Minister) wolle alles tun, um den Mittel⸗ sland bei guter Laune zu erhalten, sei wohl nur ein lapsus linguge gewesen, denn in dem sozialdemokratischen Programm sei von Mittelstandsfreundlichkeit nichts zu bemerken. Es sollte wohl hier nnr mit der Wurst nach der Speckseite geworfen werden. Können Sie mir, fragt der Redner, einen Reichskanzler des alten Reiches nennen, der sich hergegeben hätte, Ge⸗ chäfte mit Barmat zu machen? Nach Abschluß des zarmat⸗Prozesses werden übrigens im Landtag Ver⸗

schiedene herumlaufen, die aussehen wie Füchse, die gerade mit

Mühe dem Eisen entronnen sind. Der Minister habe nicht ein⸗ gegriffen gegen die Einwanderung der Ostjuden. Auch heute noch sinde ein Zustrom raffgieriger Elemente aus dem Osten statt. Die Vorwürfe gegen die Landwirtschaft wegen zu geringer Löhne usw. seien vollkommen unbegründet. Entweder kenne der Minister die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht, dann sei er unfähig, oder aber er kenne sie, dann bezeute sein Verhalten die en Volks⸗ vergiftung. (Lebhafter Beifall rechts, Unruhe und großer Lärm links Im alten Staat habe es kaum Beamte gegeben, die sich ungerecht behandelt fühlten. Den Kreisbewohnern sei ein Be— amter nicht angenehm, der ihnen zwar mit der Rechten die Hand chüttele, mit der Linken aber in die Staatskasse greife. Die Aus⸗ ührungen des Abgeordneten Leinert über die Niederlegung des Kranzes des Kaisers hätten die Toatsachen durchaus verdreht, auf der Kranzschleife habe nur gestanden: „Der frühere Kriegsherr ehrt seine gefalle ten Augustaner.“ Es sei mehr als taktlos, gegen einen o wehrlosen Mann wie den früheren Kaiser fortwährend zn etzen. Lärm links) Der Redner wendet sich dann gegen die lusführungen des Abgeordneten Heß und weist auf die Trennung gläubiger Katholiken vom Zentrum hin. Unerhört sei es, daß ein Herr Wildermann im gleichen Atemzuge von der Irr—⸗ lehre der Sozialdemokratie und der evangelischen Kirche spreche. (Zuruf rechts: Unerhört! Unruhe im Zentzum) Die Deutsch⸗ nationalen hätten jedenfalls keine Lust, den Prügelknaben für die rednerischen Eskapaden des Abgegrdneten Heß abzugeben. Tas Treuverhältnis eines früheren Vorgesetzten zu einem Beamten sollte man sich in der Republik durchaus zum Vorbild nehmen. In diesem Sinne sei das Telegramm des früheren Kgisers an den Landrat v. Posadowsky, in dessen Kreis das kaiserliche Gut Cadinen gelegen habe, aufzufassen. Der Redner wirft dem Minister vor, er wünsche, daß an Stelle der weltberühmten pier fi n Moral eine hrüchige Meöral trete. Das werde sich das preußische Volk auf die Dauer nicht gefallen lassen. An dieser Entwicklung sei das Zentrum mitschuldig. Im übrigen gratuliere er dem Minister daß er nun endlich güch die Unterstüßung der Kommunisten r en hahe sgroßer Larm links) und daß er für würdig befunden sej, die Zwecke ker Hfoskguer zu fördern. Im Ruhrgebiet, in dem die deutschen Volksgenossen mit am . gelitten, habe der Minister nichts andereß Ils ein Meer bon schwarz weiß roten Fahnen gesehen; erste Minister, der an Severings Stelle trete, werde hoffen flich als erster Wiederaufbauminister Preußens zu bezeichnen fein. (Lebhafter Beifall rechts, Zischen und Pfeifen links)

Der Minister für Volkswohlfahrt Hirtsi efer nimmt zu einer Erklärung das Wort, die nach Eingang des Steno⸗ gramms mitgeteilt werden wird.

Minister des Innern Severing: Ich habe vorgestern dem Herrn Abgeordneten Milberg versprochen, die Feststellungen im Fall' Karbe zu treffen, auf die er anscheinend so großes Gewicht legte. Ich habe darauf folgendes mitzuteilen: Der Regierungsrat Karbe hatte zum ersten Mal am 30. Mai 1921 Einsicht in seine Personal⸗ akten genommen und zum zweiten Mal am 14. August 1921. Als er am 2. Dezember 1921 die Einsichtnahme zum dritten Male nachsuchte, wurde sie ihm durch den Regierungspraäsidenten Springorum ver⸗ weigert mit der Begründung, daß seit der letzten Einsichtnahme kein Stück jn die Akten gelangt sei, das ihm nicht bekannt geworden wäre. Mitbestimmend bei dieser Verweigerung war der Umstand, daß in- zwischen von medizinischen Sachverständigen die völlige geistige Zu⸗ rechnungsfähigkeit Karbes verneint worden war. Auf die Beschwerde des Herrn Karbe an das Ministerium des Innern ist der Regierungt⸗

.

arf die Sichérheitsverhandlungen in Locarno; sie könaten

restlos in andauerndem

J 1 eine Lösung vor⸗ geschlagen werden sollte, die den nationalen Selbstverständlichkeiten

präsident in Cassel so angewiesen worden, wie es Herr Kollege Mil- berg gestern mügeteilt hat. Das Schre ben ist gezechne, w.e eden⸗ falls zutreffend mitgeteilt wurde, von meinem verstorbenen Staats- sekretär Dr. Freund. Heute muß noch der Standpunkt vertreten wer- den- daß Schriftstücke erst dann zu den Akten zu nehmen sind, wenn die Ange. egenheiten, auf die sie sich beziehen, in ihrem ganzen Um— fange erledigt sind. Vornehmlich muß das aber gelten von Schrift- stücken bei Beginn eines Disziplinarverfahrens, wo unter Umständen durch die Einsichtnahme in die Schriftstücke der Zweck der Unter suchung vereitelt werden kann. Ich glaube, daß damit der Fall Karbe erledigt ist.

Ich möchte mich nun mit einigen Bemerkungen zu den Aus— führungen des Herrn Gieseler wenden. (Zuruf links: lohnt das) Die Erregung des Herrn Kollegen Hirtsiefer verstehe ich sehr wohl. Ich würde vielleicht ich weiß es nicht vielleicht auch mit diesem Temperament, mit dieser Erregung die unrichtigen Behaup— jungen des Herrn Abgeordneten Gieseler zurückgewiesen haben. Aber als ich diesen hörte, seine staatsrechtliche Auffassung, als er mir emp- fahl, den Randstaaten im Osten den Krieg zu erklären, nur um seinen Forderungen der kleinen Anfrage Genüge zu tun (Heiterkeit links), als er hier dem Hause allen Ernstes mitteilte, daß ich, um die Versöhnung mit den Herren von der kommunistischen Partei herbeizuführen, 2309 ihrer Parteigänger in die Schutzpolizei aufgenommen hätte, da kam ich doch zu der Auffassung, daß man ihn nicht verurteilen solle, sondern daß man für ihn bitten müsse: Herr, vergib ihm, denn er weiß nicht, was er tut. (Lebhafte Zustimmung und Heiterkeit bei der Sozialdemo⸗ kratischen Partei.)

Ich muß einen Schritt weiter gehen. Ich muß dem Herrn Ab⸗— geordneten Gieseler und seinen Freunden, die mit ihm eine Anfrage am 24. September unterzeichnet haben, eine Antwort, die Aus⸗ kunft verlangt über die angebliche Auslieferung von übergelaufenen Marokkanern, mitteilen, daß ich diese kleine Anfrage nicht beantworten werde. (Bravo bei der Sozial demo⸗ ktatischen Partei) Sie wissen, daß ich nicht nur Parlamentarier bin, sondern die Rechte des Parlaments auch achte. Aber ich bin es auch meiner Selbstachlung und vor allen Dingen der Achtung des Staats— ministeriums schuldig, daß ich auf kleine Anfragen nicht eingehe, die folgende Formulierung treffen: „Warum macht sich der Preußische Minister des Innern zum Diener Frankreichs?“ (PFfuirufe links.) Ich bin überzeugt, daß, wenn hier im hohen Hause eine Anfrage dieses Inhalts mündlich an mich gerichtet würde, der Herr Präsident Ver⸗ anlassung nehmen würde, eine solche Unterstellung auf das ent⸗ schiedenste zurückzuweisen. (Sehr richtig) Ich möchte an den ver ehrten Herrn Präsidenten die dringende Bitte richten, die kleinen An⸗ fragen auch daraufhin zu kontrollieren, ob in ihnen nicht Ausdrücke vorkommen, die, wenn sie hier getroffen würden, dem Herrn Prãsi⸗ denten zu einem Einschreiten, zu einer Rüge Veranlassung geben. (Sehr richtig) Damit kann ich Herrn Gieseler wohl verlassen. (Heiterkeit links.)

Herr Schlange hat meine Bemerkungen noch einmal kritisch geprüft, die ich an die Adresse des Herrn Abgeordneten Müller⸗ Franken gerichtet habe, indem ich erklärte, daß, wenn heute für den Mittelstand Anlaß zu Klagen sei, das nicht auf die Staats form zurückzuführen wäre. Das akzeptiert in seinen Ausführungen bon heute früh der Herr Abgeodnete Schlange. Er meint: Jawohl, nicht die Staats form, aber die Staats re gierung Schön, unter— suchen wir einmal, ob das richtig ist. Wenn das richtig wäre, meine Herren, dann dürften die Herren vom Mittelstand, die Freunde der Herren Müller⸗Franken, Dr. Klamt und wie sie alle heißen, in Thüringen beispielsweise und in Mecklenburg nicht den geringsten Anlaß zu Klagen haben. Wenn aber in diesen Ländern dieselben wirtschaftlichen, ich darf wohl annehmen, auch dieselben politischen Schwierigkeiten bestehen, dann wird der tiefste Grund der Klagen der Mittelständler nicht bei den Staatsministerien liegen können, oder man müßte annehmen, daß die rechtsgerichteten Re—⸗ gierungen in Thüringen und Mecklenburg ihre Pflicht zur Abstellung dieser Klagen nicht getan haben. (Sehr gut! bei den Sozialdemo⸗ kraten.)

Sie haben, Herr Schlange, weiter darauf aufmerksam gemacht, daß ich als Sozialdemokrat gar nicht die Interessen des Mittel standes wahrnehmen könne, weil im sozialdemokratischen Partei programm vom Schutz des Mittelstandes nichts verlautet. Sie hätten davon nicht sprechen sollen. Denn auf der heutigen Tages⸗ ordnung finden Sie eine von uns zu beantwortende Anfrage der Herren Drewitz, Ladendorff und Genossen über die Mittelstands· feindlichkeit der Deutschnationalen Volkspartei (hört, hört! bei den Sezialdemokraten) mit folgendem Wortlaut:

Das „Kolberger Tageblatt“ und verschiedene andere deutsch⸗ nationale Tageszeitungen brachten vor und nach den Wahlen einen Aufruf des Reichslandbundes und der Deutschnationalen Volks— partei, der indirekt oder direkt Gewerbetreibende in Verruf erklärt, die nicht der Deutschnationalen Volkspartei angehören. Durch diese Verrufserklärung wird es dem Mittelstand un⸗ möglich gemacht, für seine politische Ueberzeugung tätig zu sein.

Wir fragen daher:

Was gedenkt das Staatsministerium zu tun, um auch dem

Mittelstand seine staatsbürgerlichen Rechte zu sichern? Und da Herr Schlange liebenswürdigerweise mich an die Beant⸗ wortung dieser Anfrage erinnert, will ich gleich die Antwort geben;

Außer einem dem Zeitungsdienst des Reichslandbundes ent⸗ nommenen Aufruf an die Landwirte im Krei se Kolberg im Kolberger Tageblatt vom 16. Dezember 19224 Nr. 295 haben sich weitere Aufrufe des Landbundes oder der Deutschnationalen Volksparten nicht ermitteln lassen. 3

In dem im Kolberger Tageblatt abgedruckten Aufruf wird den Landwirten des Kreises Kolberg nahegelegt, ihre Mittelstands⸗ freundlichkeit seinerzeit vor Weihnachten besonders zu betätigen. riskante Bestellungen nicht gesehener Waren nach Listen groß. städtischer Versandhäuser abzulehnen und ihre Einkäufe nicht in den Warenhäusern benachbarter Städte zu machen, wo jüdische Inhaber den Bauern zu betölpeln suchten. Den Landwirten wird empfohlen, ihre Weihnachtsbesorgungen in den Geschäften des selb⸗ ständigen Mittelstandes zu erledigen. Landwirtschaft und Mittel- stand sollten mit Wort und Tat zusammenhalten und wirtschaftlich und politisch zusammenstehen. .

Diese Verquickung von politischen und wirtschaftlichen Gesichts⸗ punkten ist eine außerordentlich bedauerliche Erscheinung des polhtischen Lebens und dürfte auch nach dem Zeitpunkt der Ver⸗ öffentlichung noch als Ausfluß des Wahlkampfes anzusehen sein. Da indessen in dem Aufruf die Mitglieder des Landbundes nicht verpflichtet oder zwangsweise, etwa durch Vertragsstnafen, an⸗

gehalten werden, nur mit Parter freunden Handel zu treiben, Regt eine Verrufserklärung im gesetzlichen Sinne nicht vor, und es be⸗ steht somit auch weder für den Reichswirtschaftsminister noch für die Polizei- oder Strafverfolgungsbehörden eine Möglichkeit, auf Grund der 4 und 18 der Verordnung gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung vom 2. November 1925 (R. G-BI. 1 S 1067/1090) gegen die Veranstalter des Aufrufs vorzugehen.

In einem dem Aufruf des Kolberger Tageblatts angefügten

Zusatz eines privaten Unterzeichners richtet dieser an seine Berufs- genossen und Freunde die Bitte, bei ihren Weihnachtsein käufen dem Aufruf des Landbunds entsprechend zu verfahren und in Kolberg diejenigen Geschäfte zu berücksichti gen, deren Inhaber keiner gegne rischen Sonderpartei angehören, sondern bei den Wahlen dem Landbund die Treue gehalten haben und sich zur Deutschnationalen Volkspartei bekennen. Gegen diese Meinungsäußerung eines Privatmannes vorzugehen, sind gleichfalls keine gesetzlichen oder polizeilichen Handhaben gegeben.

Sie sehen also, Herr Schlange, daß von einer besonderen Mittel-

standsfreundlichkein der Deutschnationalen Volkspartei mindestens die

Herren von der Wirtschaftspartei nichts entdeckt haben. (Sehr

richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei und bei der Wirt⸗

schaftspartei.)

Auf die Korruptionserscheinungen im alten Kaiserreich einzugehen, habe ich nicht vor. Ich bin in diesen Dingen nicht sachverständig genug. Aber wenn Sie gesagt haben, daß ein früherer Minister im alten Kaiserreich mit Herren wie Barmat keine Geschäfte gemacht haben würde, dann brauche ich nur darauf hinzuweisen, daß die Geschäfte, die sich an den Namen der sogenannten Senden⸗Bank und an andere Namen knüpfen, damals zeigten, daß hohe und höchstgestellte Persönlichkeiten sich mit Schmindlern in Geschäfte Cingelassen haben. (Sehr richtig! bei der So zialdemokratischen Partei.)

Herr Abg. Schlange hat mich dann gefragt, wie ich die Er⸗ klärung des Herrn Abg. Heß bewerte, der gestern erklärte, daß eine Sorge der Republikaner, daß die Republik geschwächt oder gar gestürzt werden könne, um deswillen nicht begründet sei, weil das Zentrum die ser Republik treue Wacht halte. Ich will mich gern dazu auslassen; ich bin gern bereit, dem Herrn Kollegen Schlange zu bestätigen, daß ich diese Erklärung des Herrn Abg. Heß für sehr wertvoll halte (Bravo! bei der So ʒj aldemokratischen Partei und im Zentrum), und ich bin Herrn Abg. ange⸗ Schönängen sehr dankbar, daß er mir Veranlassung gibt, die Erklärung des Herrn Abg Heß. die fũr das Zentrum abgegeben worden ist, noch einmal ausdrücklich zu unter streichen. Ich bin überzeugt, daß insbesondere die Arbeiter, die der Zentrumspartei angehören, die Angehörigen der christlichen Gewerk⸗ schaften, mit Nutzen und Frommen auch die Ausführungen lesen werden, die Herr Abg. Heß über das Reichsbanner gemacht hat lsehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei), und ich bin der Ueber⸗ zeugung und ich darf hinzufügen: der Hoffnung, daß diese Ausfüh⸗ rungen die christlichen Gewerkschafter beranlassen werden, in der nächsten Zeit in großen Massen dem Reichsbanner beizutreten. (Sehr richtigl und Bravo! bei der Sozialdemokratischen Partei und im Zen⸗ trum. Zurufe rechts.)

In der Besprechung meiner Personalpolitik ist der Herr Abg⸗ geordnete Schlange dann noch einmal auf den Fall des Grafen Posadowski in Elbing zurückgekommen. Herr Abgeordneter Schlange, mit diesem Fall ist auch für Sie kein Staat zu machen. Ich habe in den Jahren 1922 und 1923 wiederholt versucht, den Landrat Posadowski, weil ich damals schon seine Unzulänglichkeit erkannt hatte, von seinem Posten zu entfernen; damals haben Sie Widerspruch angemeldet, und weil sich damals auch die Volksparteilichen mit dem Minister im Staatsministerium für den Grafen Posadowski eingesetzt haben, so ist mein Antrag nicht durchgegangen, ihn schon im Jahre 1922 abzuberufen. Jetzt haben auch Sie erkannt, daß er in der Ta nicht der geeignete Mann für den Kreis gewesen ist, und es ist so, wie ich hier bereits geschildert habe, daß Angehörige Ihrer eigenen Partei an mich mit dem Ersuchen herangetreten sind, den Grafen Posa⸗ dowski an einen anderen Posten im Staatsdienst zu stellen. (Zurufe rechts) Auf der anderen Seite sieht es so aus, daß ich nicht erst von politischen Parteien aufgefordert zu werden brauche, ungeeignete Beamte abzuberufen. (Bravo bei der Sozialdemokratischen Partei. Zurufe rechts: Hörsingh

Nun soll die Staatsregierung das heißt wohl: ich Unter stützung bei denjenigen gesucht haben, die den Sturz des heutigen Staates und der Gesellschaftzordnung in ihr Programm geschrieben haben, mit anderen Worten, meine Herren von der komunistischen Partei, ich soll mich bei Ihnen angebiedert haben. (Heiterkeil) Ich glaube, ich habe es nicht nötig, mich gegen diese törichte Unterstellung zu verwahren. Denn ich bleibe, obgleich ich ja in diesen Tagen in der Form wenigstens leidlich glimpflich von den Herren von der kommu⸗ nistischen Partei behandelt worden bin, Ihr erbittertster Gegner, und wenn es darauf ankommt, einmal die Grade der Gegnerschaft abzu⸗ wägen, dann werden Sie, meine Herren von der kom munistischen Partei, sicher nicht zurückstehen in Erklärungen ähnlich der, die eben der Herr Abgeordnete Schlange abgegeben hat. (Zurufe bei den Kommunisten Das ehrt mich und ich bin erfreut, daß Sie mir das hier offen zugeben.

Herr Abgeordneter Schlange hat mich dann gefragt, was ich in den Tagen des Hindenburg⸗Besuches im Rheinland gesehen hätte. Sie wollen doch Auskunft von mir haben, Herr Abgeordneter Schlange, was ich gesehen habe, wie ich die Dinge mit meinen Augen gesehen habe. Da muß ich Ihnen nun folgendes sagen. In der Stadt, in der sich auf meinen besonderen Wunsch das Reichsbanner und die Gewerk⸗ schaften beteiligt haben, habe ich ein schwarz ⸗rot⸗goldenes Fahnenmeer gesehen. (Sehr richtig! links. Zurufe bei der Deutschnationalen Volkthartei: Also auf Befehl In dieser Stadt waren die schwarz · weiß roten Fahnen in der Minderheit. Das war Bochum. In Essen und Düsseldorf allerdings überwogen im Straßenschmuck die schwarz⸗ weiß roten Fahnen. Aber daß das ein Meer“ gewesen wäre, davon kann auch nicht die Rede sein; das waren höchstens Tropfen. (Lachen bei der Deutschnationalen Volkspartei. Ich bin jedenfalls mit der Eroberung, die die schwarz · rol⸗ goldene Fahne im Laufe der letzten zwei Jahre gemacht hat, zufrieden. Noch zwei Jahre, dann wird Herr Schlange⸗Schöningen eine Rede, die ihn zu solchen Hoffnungen berechtigt, denen er eben hier Ausdruck gegeben hat, nicht mehr halten.

Nun möchte ich sagen, warum ich mich eigentlich zum Worte gemeldet habe. Mehrere Herren aus dem Hause ich habe das aber auch schon in der Presse gelesen haben von meiner Rede gesagt wie das schon von früheren Reden gesagt worden ist daß