1925 / 256 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 31 Oct 1925 18:00:01 GMT) scan diff

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„‚Presbvterium hat mit Befremden Kenntnis genommen —“ . Ein Schreiben ist wie das andere. Es liegt klar auf der Hand, daß diese Schreiben vom Konsistorium in Westfalen oder vom Oberkirchenrat veranlaßt und formularmäßig den Gemeinden zugeschickt worden sind (Zurufe rechts) Wenn alle diese Schreiben genau denselben Wortlaut haben, durchgeschlagen sind, dann kann es wohl nicht anders sein; diese Vermutung liegt sehr nahe. (Große Unruhe und Zurufe rechts) Das ist keine Beschuldigung. Es ist das gute Recht des Oberkirchenrats und des Konsistoriums, die finanziellen Interessen der Kirche gegenüber dem Staate zu vertreten; auch in dieser Form zu vertreten. Dagegen wende ich mich nicht. Ich wende mich dagegen, daß man aus diesen Schreiben, die auch anderen Abgeordneten zu⸗ egangen sind den Schluß ziehen wollte, daß unter den Pfarrern große Beunruhigung wäre. Eine solche Beunruhigung kann nicht vorhanden sein, weil durch die Erklärung der Staatsregierung und dadurch, daß die Staatsregierung nicht nur für 1926, sondern auch für 1925 volle 61 Millionen Matk bereitgestellt hat, die Gewähr dafür gegeben ist, daß die Pfarrer ihr Gehalt bekommen.

Es ist richtig, daß wir für 1925 den Betrag in den Etat ein gestellt haben. Insofern könnte man sagen, die Deckung frage braucht nicht angeschnitten zu werden. Der Gesetzentwurf verlangt aber mehr. Paragraph 2 verlangt, daß wir über diese 61 Millionen Mark hinaus unbeschränkte Vorschüsse zur Verfügung stellen, und wenn das vom Landtag beschlossen wird, muß die Deckungsfrage aufgeworfen werden der Landtag muß auch Bestimmungen darüber treffen, wie diese Vor⸗ schüsse gedeckt werden sollen; für diese Vorschüsse ist keine Deckung vorhanden. (Zuruf rechts. Es ist keine Ausgabe im Sinne des Artikels 66) Was ist es denn? (Erneuter Zuruf rechts) Für mich sind es Ausgaben. Ich muß das Geld schaffen. Ich habe es nicht. Infolgedessen muß für Deckung gesorgt werden. Wenn also der Landtag der Staatsregierung solche Ausgaben auferlegt, hat er nach Artikel 66 die Pflicht, für die erforderliche Deckung zu sorgen.

Aber das Gesetz beschränkt sich nicht auf 1925, sondern will dem Staat die Verpflichtung für weitere Jahre auferlegen. Für diese Ausgaben liegt kein Haushaltsplan vor, der die Deckung enthält. Ich kann mich daher ohne allen Zweifel auf Artikel 66 berufen, weil durch gesetzliche Bestimmungen für weitere Jahre dem Staate Aus⸗ gaben auferlegt werden sollen, für die im Haushaltsplan eine Deckung nicht vorgesehen ist. (Zurufe rechtg: Nur ein Jahr! Sie sagen: „Weitere Jahre“ Meine Damen und Herren, es ist doch hier ein Prinzipienstreit. (Zurufe rechts: Na also) Es handelt sich gar— nicht darum, einen Notsland zu beseitigen, sondern darum, ein Prinzip durchzusetzen. Und welches Prinzip ist das? Sie wollen den Staat auf Jahre hinaus auf Leistungen festlegen. (Zuruf rechtgz: Ein Jahr! gunächst auf drei Jahre. In dem Gesetzentwurf ist eine Gienze überhaupt nicht vor— gesehen. Sie wollen den Staat auf Leistungen festlegen, die mehr als das Zweifache der Friedensleistungen betragen. Der Staat hat den Kirchen im Frieden 27 Millionen Mark für die Pfarrerbesoldung zur Verfügung gestellt und stellt jetzt 61 Millionen Mark zur Verfügung. Meine Herren, es ist doch einfach meine Pflicht und Schuldigkeit, bei allen Ausgaben zu sparen. Kein Finanzminister kann es verantworten, daß gerade auf diesem Gebiete nun die Aus— gaben auf mehr als das Zweifache sieigen und daß dies gesetzlich sestgelegt wird. (Lebhafte Zuruse rechts: Das Kirchenvermögen ist verloren gegangen) Das Staatsvermögen ist auch verloren gegangen. Sie geben mir die Eisenbahnen auch nicht wieder. (Andauernder großer Lärm rechts. Es kann bei der finanziellen Notlage des Staates unter keinen Umständen verantwortet werden, daß man die Aus⸗ gaben auf diesem Gebiete um mehr als das Zweifache in die Höhe schnellen läßt. Das kann ich als Finanzminister unter keinen Um⸗ ständen zugeben. Ich muß auf diesem Gebiete ebenso wie auf allen anderen Gebleten versuchen, den Friedensstand wieder zu erreichen unter Berücksichtigung der Geldentwertung. Ich weiß, daß wir nicht überall auf den Friedensstand kommen. Ich werde der Geldentwertung Rechnung tragen müssen auch hier. Es ist aber unmöglich, darüber hinaus der Kirche die höheren Beträge zur Verfügung zu stellen. Das ist mit der Finanzlage des Staates nicht vereinbar. (Zuruf rechts: Sie haben es doch selbst im Etat eingestellt! Wollen Sie denn den Unteischied nicht einsehen, daß wir für die Uebergangszeit etwas tun, bis die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Kirche sich geklärt haben? Dieser Uebergangszeit wird dadurch Rechnung ge⸗ tragen, daß der Staat die Beträge einstellt. Dazu brauchen Sie aber keine gejetzliche Regelung für drei Jahre, sondern es muß Ihnen genügen, daß die Beträge in den Haushalteplan eingestellt werden. Die gesetzliche Regelung kann nur den Sinn haben, daß der Staat festgelegl werden soll und dagegen muß ich mich verwahren.

Es ist mir gesagt worden, daß man auß eine gesetzliche Fest⸗ legung deshalb Wert lege, weil bei der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche, die Art. 138 R-V. vorsiebt, von der gesetzlich festgelegten Rente auszugehen sei. Wenn das der Grund ist, ist es für mich als Finanzminister ein Grund mehr, mich dagegen zu wehren Ich weiß nicht. ob die Auseinandersetzung gemäß Art. 138 alsbald vollzogen werden wird und in welcher Weise das gescheben wird, ob in der Weise, daß der Kirche das Kapital ausgezahlt werden würde. Das würde ich für ganz unmöglich halten. Aber möge die Aaseinandersetzung sich vollziehen, wie sie wolle, jedenfalls kann sie sich nicht nur auf der Grundlage der früheren Leistungen vollziehen unter Einrechnung eines Entwertungsfaktors, aber doch unmöglich auf der Grundlage der Leistungen, die setzt festgelegt werden sollen. Ich bitte doch, diesen schwerwiegenden Gründen Rechnung zu tragen.

Dann darf ich aber auch noch auf etwas anderes hinweisen. Das sind die Bestimmungen des 83 des Gesetzentwurfs. In diesem §s 3 geht man davon aus, die Leistungen der Kirche auf ein be— stimmtes Maß festzusetzen. Der Grundgedanke ist der, die Kirchen gemeinden sollen nur 30so der Reichseinkommensteuer zur Pfarrer— besoldung beitragen. Was darüber hinaus erforderlich ist und nicht durch Einkünfte des Pfründevermögens gedeckt werden kann, wird durch Zuschüsse des Staats gedeckt. Unter keinen Umständen sollen mehr als 1506 an Kirchensteuer erhoben werden. Es ist doch elne merkwürdige Geschichte. Niemand weiß, wie hoch das Pfründeein⸗ kommen ist, niemand weiß, wie die kirchliche Steuerfähigkeit sich ent— wickelt Das sind alles unsichere Faktoren. Die Pachten sind zum Teil niedriger, zum Teil höber als im Frieden. Wie die Aufwertung sich volliehen wird, steht noch nicht fest. Keine Kirchengemeinde weiß, was ihr das Aufwertungskapital an Zinsen bringen wird. Alle diese Faktoren sind ungewiß. Gleichwohl soll aber die Leistung

des Staates auf diei Jahre hinaus sestgelegt werden; gleichwohl soll hier für die Steuerfähigkeit der Gemeinden eine Grenze bei 3 o/o ge— zogen werden. Wie jalsch diese Grenze gezogen ist, dafür nur ein

Beispiel! Der Evangelische Oberkirchenrat hat sich in Verbandlungen mit der Staatsregierung bereit erklärt, den Kirchengememscen zur Pflicht zu machen. H éoso der Einkommensteuer für die Pfarrerbesoldung zur Verfügung ju stellen. Der Evangelische Oberkirchentat ist allo für die evangelijche Kirche der Meinung, daß mit einem Satze von 5 os beute bereits jehr wohl gerechnet werden kann. Nichtsdesto⸗ weniger steht hier im Gesetz nur ein Satz von 3 0 /o. Dann, meine Damen und Herren, was bedeutet der Satz von 3 vy der Reichs einkommensteuer? Wir haben zurzeit gar keine Ver⸗ anlagung bei der Reichseinkommensteuer, sondern wir haben nichts anderes als Vorauszahlungen. Auf diese Vorauszahlungen baut sich die Rechnung von 3 , auf. Die Veranlagung ist noch nicht durch geführt. Sie kann zu Ende gebracht sein im Frühjahr nächsten Jahres. Dann wissen wir, was 5 o/o, wa 400 und 3 0so der Ein⸗ kommensteuer sind; heute sind dies vollkommen dunkle Ziffern

Also, meine Damen und Herren, das Ergebnis ist das: alle Faktoren sind unsicher und nur der Staat soll auf 3 Jahre hinaus auf bestimmte Leistungen festgelegt werden, die weit über die Leistungen hinausgehen, die der Staat im Frieden an die Kürhe gemacht hat

Die Staatsregierung hat daher die dringende Bitte an den Landtag zu richten, daß dieser den Vorschristen des Art 66 der Ver⸗ fassung Rechnung tiägt. Ich habe aber die Hoffnung, daß der Landtag hier so entscheiden wird, wie er im Hauvptausschuß entschieden hat. Meine Damen und Herren, Sie haben nicht allein die Interessen der Kirche zu vertreten, sondern Sie sind hier, um die Interessen des Staates zu vertreten. (Sehr richtig!) Das ist Ihre erste und vornehmste Aufgabe. (Sehr wahr) Wenn ein Notstand der Kirchen vorliegen würde, wäre ich gewiß der letzte, der sich gegen diese Gesetzentwürfe wenden würde. Ich muß aber bestreiten, daß ein solcher Notstand vorliegt Die Bedürfnisse der Kirchen werden durch die Beträge, die eingesetzt sind, vollauf gedeckt. Ein Notstand liegt nicht vor. Zur Beunruhigung ist keinerlei Anlaß. Schwerwiegende finannechtliche und gesetzliche Bedenken sprechen aber dagegen, hier eine Regelung auf Jahre hinaus zu treffen, und das müßte doch die Abgeordneten bestimmen, äußerste Zurückhaltung zu üben und die Interessen des Staates gegenäber der Kirche wahrzunehmen. (Le bhaftes Bravo!)

89. Sitzung vom 30. Oktober 1925, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Jeitun as verleger )).)

Ohne Aussprache verabschiedet das Haus die Vorlage über die Bereitstellung von Mitteln für die Sch nelldampfer⸗ linie Swinemünde-=- Pillau. Die Verordnung über die Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Schutzpolizei⸗ beanten wird dem Beamtenausschuß überwiesen.

Die Uranträge von Campe (D. Vp.) über die Not der Haff⸗, Küsten⸗ und Binnenfischereéi. O st⸗ preußens, Grzesins ki (Soz.) über die Kreditnot der Fischereigenossenschaft und Kickhöffel (D. Nat.) über die Nothage der , werden nach den Vorschlägen des Hauptausschusses an— genommen.

Das Haus geht über zur zweiten Beratung des Haus halts des Staatsministeriums und Minister⸗ präsidenten. Mit der Beratung verbunden wird eine Anzahl von Anträgen und Anfragen, die sich in der Haupt⸗ sache auf die Verhältnisse des besetzten Gebietes und der Grenz⸗ gebiete beziehen.

Abg. Bartels beratungen.

In der allgemeinen Aussprache wirst

Abg. Röhle (Soz.) einen Rückblick auf die Regierungskrise in Preußen, in deren Verlauf der Ministerpräsident Braun in der gehässigsten 5 von den Deutschnationalen heruntergerissen worden sei. Dieselben Kreise machten auch im Reich in der Außen⸗ politik dle größten Schwierigkeiten. Die Lebensmittel würden ver⸗ leuert, die Arbeiter würden weiter verelendet. Die Löhne würden niedrig gehalten. (Zuruf: Wahlrede! Im Wahlkam f werde das deutsche Volk über diese Politik zu Gericht 5 Von re e! aus wollten die Deutschnationalen hie Republik erdrosseln. Sie seien die Todfeinde des kulturellen Aufstiegs früher gewesen und seien es noch heute. (Lachen bei den Deutschnationalen) Die Republik stehe aber heute fester denn je. Die gewissenlose Hetze der 6 nationalen gegen die „Judenrepublik“ werde auch in die Kreise der Jugend getkagen und vergifte das ganze Volk. ezeichnend sei die bekannte Hetzrede des völkischen Abgeordneten Henning, in der ge⸗ sagt sei, Stresemann sei kein Haar besser als Erzberger und Rathenau, und in der der Zwischenruf gefallen sei: „Lebt der denn noch?“ (Anhaltende Unterbrechungen bei den Völkischen) Die Feme sei hervorragend organisiert, Das ergebe sich aus den Mit⸗ teilungen eines ehemaligen Völkischen. (Lachen bei den Völkischen.) Redner fragte, zu den Völkischen gewandt, ob sie bestreiten wollten, daß ein Attentat vorbereitet worden sei gegen Luther und Strese⸗ mann, als sie nach Locarno abfahren sollten, daß die deutschen Delegierten in der Schweiz bei Nacht und Nebel ein Auto hätten nehmen müssen, um einem anderen Attentat zu entgehen? (Große Unruhe und Gelächter bei den Völkischen Die Deutsche Volks⸗ partei, die unter Führung des Herrn von Campe immer mehr an die Deutschnationalen heranrücke, habe ja schon die Quittung er⸗ halten für ihre Politik. Die Partei, die . treulos handele, die nur . weil sie befürchte, Anhänger zu verlieren, sei nicht eutschnational, sondern deutschfeindlich! Wenn die . Volks⸗ , soviel Mandate in Berlin verliere, dann könne die Politik bieser Partei doch wahrlich nicht gut gewesen sein. Eine Erneuerung Preußens könne nur auf demokratischer und republikanischer Grundlage erfolgen. Seine Fraktion danke dem Ministerpräsidenten für seine feste Haltung zum Schutze der Republik, 6 bei den Sozialdemokraten. Lärm und Hischen bei den Deutschnationalen und Völkischen.) .

Abg. von Plehwe (D. Nat) lehnt es ab, auf die Angriffe des VBorredners einzugehen und bringt eine Reihe von Wünschen für Ostpreußen bor. Der Vertrag von Versailles habe den Korridor zwischen , , und das übrige Preußen gelegt und so auch die wirtschaftlichen Verhältnisse Ostpreußens katastrophal beeinflußt. Diesem Vorposten Preußens müsse in seiner Not geholfen werden. Befonders traurig sei es mit den Schulverhältnissen bestellt. Der Rebner schildert die wirtschaftliche Not in Ostpreußen, die noch durch die große Steuerlast gestelgert werde. Die Landwirtschaft sei nicht in der Lage, kurzfristige Kredite . zurückzuzahlen Wenn nicht baldigst geholfen werde, so sei die Katastrophe in Ostpreußen unver⸗ meidlich. Die Staatsregierung müsse diese Not erkennen und den Sstpreußen helfen, die mit treuem Herzen Preußen seien und Preußen bleiben wollten. (ebh. Beifall rechts.)

Abg. Bartels (Komm) erklärt, es gäbe im Staatsministerium zu viel hohe Beamtenstellen. Jetzt sollten noch in Dresden und in den Hansestädten Gesandtenstellen eingerichtet werden. Dafür sei Geld dal Die Tätigkeit deg Ministerpräsidenten Braun habe nicht im Interesse der arbeitenden Masse gelegen, sie sei proletarierfeindlich. In Berlin ses eine rote Mehrheit erreicht! Se ne Fraktion verlange nun von den Sozialdemokraten auch eine rote Politik! Sie mieben

) Mit Ausnahme der durch Sperkdruck hervorgehobenen Reden

(Komm.) erichtet über die Ausschuß⸗

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

aber eine Wahldemagogie, die das Volk beträne. Das heiße Liebes. werben mil der Volkspartei, die eben et durch den Mund des Abg. Leidig ein Bekenntnis zum Mono etKzismus abgelegt habe, gehe weiler. Das Kabinert der sogenannten Vo kegemeinschaft mit Ver⸗ starkung der We marer Koalition durch rechtsgerichtete Beamte werde wieder angestrebt. Das wäre eine Verbindung von Kaulquappe, und Schaukelpferd. Die Politik des Staatsministeriums sei von ieher darauf bedacht gewesen, den Wünschen der Rechten entgegenzukommen. Das zeige auch die Haltung zur Wiedereinführung der Einfuhrscheine. Die Echt emncktafen seierten Locarno als einen Teilsieg der sozia⸗ ssstischen Bewegung. Das zeige, wie wenig Ahnung die Vorwãrts. redakteure hätten. Locarno bedeute in Wirklichkeit die Auslieferung der Rheinlande, Preisgabe deutschen Gebietes, Durchmarschrecht durch Deutschland, neues Bekenntnis zu Versailles, Unterdrückung, Elend and Noti Cs ses die reine Demagogie, wenn man dieses Locarno als Beginn einer frledlicken Entwihlung, hinstelle. Recht Hätten die eng. sischen Zeitungen, die Locarno als Sieg deg englischen Imperialismus felerten und in den Abmachungen ein Werkzeug im Kampfe gegen den Bolschewismus sähen. Von ken ssch⸗ 53 solle ja England be⸗ deutet worden sein, die Franzosen würden in das Kölner Gebiet ein marfchieren, wenn die Engländer zu früh gingen. Auch nach der Räumung wende die unsichtbare Besetzung bleiben mit ihren Unter⸗ fuchungskommissionen und verschleierten Militärposten! Im Falle des Krieges müsse Deutschland seine Gisenbahnlinien für Transporte und Herheischaffung von Munition zur Verfügung, stellen. Deutsch. land müsse sich gefallen lassen, daß Frankreich, Brücken besetze Die berüchtiglen französischen Propagandabürgs blieben weiter bestehen. Die Sonderrechte zur Durchschnüffelung Deutschlands seien ausdrück⸗ ssch gufrechterhalien. Sehe das aus nach Gleichberechtigung? Das russische Volk wahre seine nationale Würde; es wirde nie seine Zu— stimmung zu einer solchen Schändung des eigenen Landes geben. Und die Sozialdemokraten machten Tas alles mit. Immer wieder erwartz man fühl später Aenderungen. Dabei enthalte der Vertrag guSdrücklich die Bestimmung: Ne varsetur! Und was sei der Völkerbund? Nichts als eine Verbindung kapftalistischer Räuberstaaten. Besonders nächte er noch auf Fupen,-Malm'ody hänweisen, wo die Abstimmung durch Waffengewalt von den Belgiern behindert worden sei. Die Proletarier, die wagten, für Deutschland zu stimmen, würden durch Entziehung der Lebensmittelkarten und Verweigerung des unentbehr⸗ lichen Dreisprachenstempels von den Belgiern bestraft. Wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker gussehe, zeige auch die Aus beutung des Saargebiets. Je mehr sich in Deutschland die sozialen Gegenfätze zuspitzen, desto stärker werde die rote Front werden, die auch das preußische ,, hinwegfegen werde.

Abg. Fink (gentr). Wir gehen auf die Loearnofrage nicht ein. (Gelächter b. d Komm.) Wir meinen, es ist zu früh, dazu, zunächst hat das Reich das Wort. Es ist besser, der Reichsregierung Vertrauen ,, als hier Brandreden zu halten. Wir sind dafür, daß die große Anfrage der Deutschnationalen über die Verhältnisse im Saargebiet der , , zur . überwiesen wird. Im besetzten Gebiet sind die Zustände für Hand werk und Gewerbe zum Teil mehr als rrostlos; besonders gilt das von den Kurorten, die von dem zahlungsfähigen Publikum im Stiche gelassen werden. Eine große Zahl von Industrien steht im Weslen vor dem Ruin, wenn ihnen nicht schleunigst Staatshilfe wird. Vor allem muß Arbeit geschaffen werden. Der Staat ist dazu in der Lage. Gibt er ein gutes Beispiel, so wird dieses in den Gemeinden Nachahmung finden. Der Not des Mittelstandes ist man ja in dankenswerter . mit 20 Millionen zu Hilfe ge— kommen! Aber das ist nur ein Tropfen auf einen heißen Stein, und die besetzten Gebiete haben kaum etwas von dieser Hilfe gehabt. Dort müssen sich alle die Hände zu gemeinsamer Hilfe arbeit reichen.

Abg. Heymann (D. Vp): Den letzten Worten des Vorxednerß kann ich mich nur aufs wärmste anschließen. Das Stagts— ministerlum hat doch in erster Linie 3 einzutreten; unseren Ur—⸗ anträgen, betr. Abgeltung der Ruhrkampfschäden usw., muß doch endlich entsprochen werden, damit die geschädigten Kommunen , . in den Besitz dessen kommen, was ihnen dag Vaterland überhaupt noch geben kann. Kann das Reich noch nicht einspringen, so . Preußen es tun, denn es handelt sich um Ge⸗ biete, die dem Reich und Preußen stets die Treue gehalten haben. Bezüglich der Locarnorückwirkungen mu 6h der Ministerpräsident mit allem Nachdruck dafür einsetzen, daß die auf die besetzten Gew biete bezüiglichen Punkte vor dem formellen Abschluß des Ver: trages klargestellt werden oder die Klarstellung ernstlich in An— griff genommen wird. Die Räumung der Kölner Zone ist kein Bestandteil des Vertrages, denn es war ein uns zustehendes Recht. Diese Räumung ö. unbedingt vor der Unter— schrift sichergestellt sein, sonst können wir an die Friedensliebt ber Gegner nicht glauben. Auch über beschleunigte Räumung det anderen. Zone muß bon der Gegenseite bald etwas Positives verlauten wir müssen in Bälde eine Verminderung der Besatzungstruppen erreichen. Heute stehen noch 90 009 Mann fremde Truppen auf unseren Boden. (Hört! Hört! Die beschlagnahmten Wohnungen müssen herausgegeben, ein anderes System muß eingeführt werden Dit Srdonnanzen sind abzubauen, ebenso der übergroße Delegierten apparat. Mit den Verurteilungen durch die fremden Kriegs gerichte in contumaciam ist Schluß zu machen. Am Sitze der Rheinland⸗ kommission muß das Reich eine energische Vertretung haben. Der Deutschen im Saarrevier gedenken wir mit Wehmut, aber auch in der Senn, daß auch ihnen die Zukunft die Erlösung bringen wird. Westen und Osten des Vaterlandes leiden gemeinsam; auh wir bitten die Regierung, der Not des abgeschnürten Ostpreußen besonders zu gedenken. Nicht um des Westens willen soll die Ge, samtheit neue Lasten tragen, aber eine Erleichterung der besetzten Gebiete wird auch ein Vorteil für das Ganze sein. 6. b. d. D. Vp)

Abg. Greßler (Dem.): Eine Revision der Bestimmungt über die Vertretung der preußischen Provinzen im Reichsrat i notwendig, damit die Richtung der 6 Politik im Reichs rat in angemessener Weise zum Ausdruck kommt. Entschädigungen ür die aüßerordentlichen Einbußen der Bevölkerung der besetzte Gebiete sind bisher nur an die Großindustriellen gezahlt worden der kleine Mann, der Handwerker, der Kaufmann, . warten immer . Der Ministerpräsident sollte sich beim Reiche ver wenden, daß es endlich nach dem Rechten sieht Der Vertrag ve Locarno gewährt keine ungetrübte ö aber er ist doch ei erster Schritt zur Besserung. Die Politik der Wirth und Rathenah hat geradlinig nach Locarno geführt. Im einzelnen über den Ver trag zu sprechen, ist müßig. Die Rückwirkungen sind abzuwarte Die Franzosen hat gerade ein Stinnes in das Ruhrgebiet hinein gerufen. (Unruhe rechts.) Die Aktion von Locarno ist eingeleitet worht von einem Kabinett, in dem deutschnationale Minister saßen d jetzt von nichts wissen wollen. (Unruhe und Widerspruch rechts Dann darf ich daran erinnern, ö die Rede des Reichspräsidente bei feiner Vereidigung von deutschnationalen Blättern gefälsh worden ist. (Große Unruhe rechts.) Sie haben die Locarnopoliti mitgemacht, aber vor der Verantwortung drücken sie sich. 29 , haben wir diese Verantwortung immer mitgetragen, und w a. daß die Rückwirkungen für Deutschland günstig sein werder Die Herren Deutschnationalen müssen eine klare Entscheidin fällen? Schließlich kann uns in Veutschland nur eine Voll befragung weiterhelfen. (

Abg. Ladendorff (Wirtsch. Vereingg ,) polemisiert zunch gegen den sozialdemokratischen „Vorwärts“ und seine jetzt vo geblich mittelstandsfreundliche Haltung; in Wirklichkeit mache die Hetze gegen die Detailhändler mit, bleibe aber gegen Kartell Syndikate und Trusts passiv. Abgebaut werden mig an de Wucherzinssätzen der Banken. (Zuruf links: Au den Zöllen! Die haben sich ja noch nicht einmal ausgewirkt. (Aha! und 6 lächter links.) Nie war e n n det diam und sein Volk unfrei, als 39 wir einen Frelstaat haben (Großer Lärm lin und in der Mitte) Nur die mittelstandsfeindliche Politik seit Revolution habe den Mittelstand ins Verderben gestürzt j Kapitalherrschaft bei uns fällt zusammen mit der irrschaft Heilmann und Genossen. (Stürmisches Gelächter links.) 64

Abg. Wulle (dt⸗völk ): Ob an der Spitze des er Staates Herr Braun oder Herr Heilmann steht, ist g eich.

System bleibt dasselbe. Wahrheit geworden ist das Wort, daß die Demokratie im Despotismus endet. Wir leben hier unter dem Tespotismus einer verschwindend kleinen Mehrheit. Wir lehnen den Etat ab. Die parlamentarische Demokratie hat sogar Parteien in ihren Bann gezogen, die früher d, , , dachten. Man hat ausländische Vorbilder gesucht und darüber die Grund⸗ lagen des deutschen Charakters vergessen. Der völkische Staat, wie er uns vorschwebt, geht zurück auf die Steinschen . Der schaffende nicht der schiebende deutsche Staatsbürger soll zur Geltung kommen. Noch nie war der deutsche Arbeiter 9 ver⸗ stlavt wie . Die Frage der Staatsform spielt dabei eine untergeordnete Rolle. (Lachen links. Das Fundament des Staates 24 nicht erschüttert werden. Die Eckpfeiler des alten nnn, Staates sind heute sämtlich umgeworfen. Die Hohen⸗ zollern haben für die soziale Freiheit ihrer. Mitbürger mehr getan als alle' Sozialisten. Ironischer Beifall links.) Heute haben wir ein geen, n. ohne Staatsidee, wir haben eine Versorgungs⸗ anstalt für Parteifunktionäre. Im Loecarnovertrag werden ouch die Ostgrenzen garantiert. Das bedeutet für Preußen ein Schlimmeres als Jena und . es bedeutet einen Todes⸗ pakt. Aus dem altehrwürdigen schwarz-rot⸗goldenen Banner des rößeren Deutschland ist eine . gemacht worden. (Lärm inks und in der Mitte) Die Völtischen kämpfen um Preußen, um das Herz Deutschlands. (Vereinzelter Beifall rechts, Unruhe und Lachen links.)

Abg. Baecker⸗Berlin (D. Nat.): Ministerpräsidenten nochmals daran erinnern, daß die preu gierung im Reichsrat ein Hindernis gewesen ist für die rlegung des Zolltarifs und für die Ginführung des Einfuhrscheinsystems. Went Sie sich die jetzige ungeheure Kreditnot der Landwirtschaft an⸗ sehen, dann werden Sie wissen, was das zu bedeuten hat. Die ganze

bodenlose Verlogenheit des Geredes vom Zollwucher ist inzwischen durch die Tatsachen wieder einmal nachgewiesen worden. r. hat gesagt, daß der Zolltarif das Brot verteuern würde. Was ist nun aber die Folge dieses unzulänglichen Zolltarifs gewesen? Daß der Weizenprels unter dem Frieden sftand heruntergegangen ist, (Hört, hört! rechts] Dann ein Wort zu. den Verleumdungen des Ministers Schiele wegen seiner Personalpolitik. Durch die Beförderung, von der man, dabei gesprochen hat, ist nur ein Unrecht qutgemacht worden. Im übrigen möchte ich Sie (nach links) fragen, ob es wohl irgendein Nessort im Reiche und in Preußen gegehen hat, in welchem bei einem Kurswechsel innerhalb von neun Monaten ein so geringer ö stattgefunden hat, wie im, Reichsministerium des nnern. (Sehr wahr! rechts) Zur Regierungskrise in Preußen wissen wir, daß zwar im Augenblick kein Umschwung eintreten kann, aber wir sind und bleiben der Ueberzeugung, daß das Land Preußen nur gedeihen kann unter einer Regierung, deren Träger in den großen wirtschaftlichen und kulturellen re wesentlich auf demselben Boden stehen, und der Ansicht sind, daß auch der nens preußische, Stagt ein chriftlicher sein muß. (Sehr wahr! rechts) Wir stehen Gewehr bei Fuß und halten Wacht. Wir wissen ganz genau, daß die Entwicklung ber Dinge in, Preußen abhängig ist von der Entwicklung der Lage im Reich. Gegenüber den Behauptungen von demokragtischer Seite, daß die Regierung Cuno die Schuld an dem Einmarsch der Fran— dosen ins Ruhrrevier getragen habe verweise ich darauf, daß der Vorwärts“ damals festgestellt hat, daß dieser Einmarsch schon vor dem Regierungswechsel in Deutschland beschlossene Sache war, Der Nedner wendet sich nunmehr der Haltung der Deutschnationalen in der jetzigen Regierungskrisis zu. Ich stelle mit allem Nachdruck fest, führt er aus, daß der Schrltt vom Februar dem Kabinett erst nach—⸗

Ich möchte zunächst dem ische Re⸗

räglich zur Kenntnis gebracht worden ist, und daß dann die deutsch⸗ nationalen Minister sich bemüht haben. die Richtlinien festzustellen, die in der Note vom 29. Juli enthalten sind. Was wir verlangten, war nur eine Berücksichtigung nationaler Forderungen. Unsere Arbeit hat sich auf ganz gerader Linie bewegt. Wir verlangten, daß die Verhandlungen von Locarno geführt würden auf einer für Deutsch⸗ land möglichst starken und festen Basis. Nach Ansicht unserer Minister im Kabinett sind aber die vereinbarten Richtlinien durch die Abmachungen von Lodarno nicht erfüllt worden. Feststellen will ich, daß der letzte Kabinetltsbeschluß in Bezug auf Locarno jedenfalls nur formeller Art war. Widerspruch links und im Zentrum) Der Redner legt dann die Hauptbedenken seiner Partei gegen die Locarno⸗ Abmachungen dar und sagt: Die englische Garantie wird nur Wirk— samkeit annehmen, wenn es gegen Deutschland geht. Das Worn „Gegenseitigkeit“ ist, nur ein Schlagwort. Die Rheinlandfrage ist ganz Ungenügend gelöst. Sehr bedenklich sind auch die Abmachungen mit Polen. Und nun erst der Eintritt Deutschlands in den Völker⸗ bund! Nach der Auslegung des Art. 16 soll die etwaige Beteiligung eines Staates an einer Aktion des Völkerbundes loyal und wirk— sam sein. Nun stellen Sie sich einmal die Lage Deutschlands vor, wenn es zu einem Krieg der Westmächte gegen Rußland kommen sollte? Ich kann da dem Vertreter der Kommunisten nicht ganz unrecht geben. Der französische Generalstab und die Regierung werden einfach sagen, wenn fünf französische Armeekorps gegen Ruß⸗

land ziehen, dann ist ja Deutschlands Westgrenze sicher, und, es kann nicht einwenden, daß es sich zu schwach fühle, um an einer Aktion teilzunehmen. Es wird dann ein ungeheurer Druck auf Deutschland ausgeübt werden.

Die Worte „Loyal und wirksam“ bedeuten tatsächlich eine Schwäche Deutschlands und der deutschen Delegation. (Großer Lärm in der Mitte und links)] . Wir, wollen uns vor den. Dingen doch nicht dumm stellen Die Rückwirkungen“ auf die besetzten Gebiete, auf das Rheinland, sind völlig unsicher und ungenügend. Die Präambel zu dem Vertrag sichert uns Polen gegenüber auch nicht die notwendige

Freiheit unse ves Entschlusses Der Reichskanzler Wirth sagte seiner⸗

zeit: Ich und meine Regierung stehen und fallen mit Oberschlesien.

Nach kaum 48 Stunden ist Oberschlesien gefallen! Wir wollen die

keie. Entscheidung haben in den grrßen. ent schei denden Fragen im zesten wie im. Hsten. Das große russische Voll und das dentsche Volk sind schicksalsperbunden. Wir wegen uns das Recht der freien Entschließung nicht nehmen lassen. Wird es erreicht, daß durch Uebereinstimmung der Mächte auch in den Text von Locarno noch gewisse Aenderungen kommen, dann könnte man Lie Sache enn anders ansehen. Wir glauben aber nicht daran. Die Entente müßte den vollen Ernst der Lage Deutschlands einsehen, denn unsere Politik muß, gleichbiel, wohin der Weg führt, den deutschen Interessen dienen. So hat auch Preußen trotz aller Fährnisse seinen Staat zur Größe

eführt. Wir sind überzeugt, daß unsere Haltung (Zuruf links: Um⸗

all! zum Besten Deutschlands dienen wird. (Lebh. Beifall rechts.

Lärmende Zurufe links.)

Ministerpräsident Braun: Meine Damen und Herren! Lassen

Sie mich an die Spitze meiner Ausführungen einige Worte über Ostpreußen setzen. Der Herr Abgeordnete von Plehwe hat in kurzen Zügen die Not Ostpreußens geschildert, die ja ein Teil der großen wirtschaftlichen Not ist, in der unser ganzes deutsches Vater⸗ land in der letzten Zeit lebt. Diese Not kommt naturgemäß in jenen Gegenden besonders zum Ausdruck, die durch den Krieg be⸗ sonders gelitten haben und deren Wirtschaft durch Veränderung der Grenzen besonders gestört worden ist. Dazu gehört vornehmlich auch Ostpreußen.

Ein Wort erst zu der Grenzziehung ander Weichsel, die ja hier bereits einmal Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Es ist Ihnen allen bekannt, daß nach dem Versailler Vertrag die Weichsel streckenweise so die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen sein soll, daß den Polen die freie Benutzung der Weichsel gewähr⸗ leistet ist. Man ist in der Grenzziehung so weit gegangen, daß man auch das rechte Ufer, ort wo die Weichsel Grenze ist, den Polen ausgeliefert hat, damit sie Stromregulierungsarbeiten ungehindert ausführen können. (Zuruf rechts: Machen sie aber nicht! Das steht hier nicht zur Debatte. Ich trage nur die Gesichtspunkte vor, von denen sich die Männer leiten ließen, die seinerzeit die Grenz⸗ ziehung im Versailler Vertrage vorgesehen haben. Es ist auch früher hier bereits erörtert worden, daß an einer Stelle fünf deutsche

Dörfer noch zu Polen geschlagen wurden und zeitweise nicht einmal die Bestimmungen des Versailler Vertrages eingehalten wurden, wonach den Ostpreußen ein freier Zugang zur Weichsel gewähr⸗ leistet werden soll. Darüber ist mit der Entente verhandelt worden und wird auch jetzt noch verhandelt. Es ist vorläufig ein Pro⸗ visorium, aber noch keine endgültige Regelung gefunden. Die Reichsregierung hat ihr Augenmerk fortgesetzt auf diese Angelegen⸗ heit gerichtet und geht einig mit Preußen, daß alles getan werden muß, um diese ungerechte Grenzziehung dort so zu gestalten, daß wenigstens das, was der Versailler Vertrag der ostpreußischen Be⸗ völkerung in bezug auf die Benutzung der Weichsel einräumt, ihr auch zuteil werden kann.

Was sonst die Not der abgeschnürten Provinz O stpreußen anlangt, so bemerkte ich schon, daß das ein Teil der allgemeinen Wirtschaftsnot unseres Vaterlandes ist. Aber ich muß hier hervorheben, daß die preußische Regierung in den letzten Jahren fortgesetzt bestrebt gewesen ist, nach Maßgabe der vor⸗ handenen Mittel der bedrängten Provinz, und zwar allen ihren Berufskreisen, insbesondere auch den öffentlichen Einrichtungen, zur Seite zu treten. Ich kann von mir persönlich wohl behaupten, daß ich nicht nur ohne Vernachlässigung anderer Landesteile in Ausübung meiner Pflicht als Leiter der preußischen Staatsgeschäfte, sondern gewissermaßen auch aus einem warmen Heimatsgefühl heraus Ostpreußen weitgehendes Interesse entgegengebracht habe und noch bringe. Das wird auch in Zukunft geschehen.

Wie ich schon sagte, ist die ostpreußische Not ein Teil der Ge⸗ samtnot unseres Landes, die auch heute durch alle Ausführungen hier geklungen hat. Dieser Notstand, unter dem die verschiedensten Berufsgruppen zu leiden haben, drückt sich aus einmal in den hohen Preisen, die die Konsumenten bedrücken, und die in einem starken Mißverhältnis zu der Kaufkraft der Bevölkerung stehen, und andererseits in einer drückenden Kreditnot, unter der nicht nur die Landwirtschaft, sondern die gesamte Wirtschaft leidet. Ja, ich kann vielleicht ist es im Interesse der objektiven Beurteilung der Sachlage nicht abwegig darauf hinweisen, daß sich diese Kredit misere in der Landwirtschaft erst jetzt in vollem Maße so auswirkt, wie sie sich in anderen Wirtschafts⸗ zweigen unseres Landes schon längst ausgewirkt hat. (Zurufe.) Jawohl, meine Herren, so liegt es tatsächlich. Ich gebe durch⸗ aus zu, daß die Landwirtschaft jetzt unter der Kreditnot außer⸗ ordentlich schwer zu leiden hat. (Zuruf rechts: Vollkommen kaput ist! Ich erinnere Sie daran, daß ich von dieser Stelle und auch

im Ausschuß bei Beratung meines Etats auch in früheren Jahren auf Grund meiner volkswirtschaftlichen Einstellung zu diesen Dingen immer wieder erklärt habe, die Zölle,

wie sie jetzt mit aller Beschleunigung gegen einen großen Wider⸗ stand der Wissenschaft und der wirtschaftlich interessierten Bevölke⸗ rung darchgesetzt worden sind, würden der Landwirtschaft in den nächstliegenden kommenden Zeiten gar nichts nützen, sondern sie würde in die schwerste Situation in den nächsten Jahren hinein⸗ kommen trotz der Zölle. Wenn die Rechtsparteien dieselbe Energie, die sie auf die Durchsetzung der Zölle verwandt haben, darauf ver⸗ wendet hätten, der Landwirtschaft in kürzester Zeit die Kreditmittel zuzuführen, damit sie in der Lage wäre, ihre Ernte unter Ausnutzung der Konjunktur zu verwerten, dann würden sie der Landwirtschaft einen viel größeren Dienst geleistet haben. Meine Vovaussage ist eingetroffen. Was haben wir erlebt? Wir haben eine gute Ernte. (Widerspruch rechts) Die haben wir in der ganzen Welt. (Zuruf rechts) Ach Gott, meine Damen und Herren, es hat doch keinen Zweck, daß man immer wieder versucht, Tatsachen, die nun einmal vorliegen, aus der Welt zu veden. (Sehr richtig! links) Dadurch nützen Sie Ihrer Sache nicht. Es ist von landwirtschaftlicher Seite zugegeben, daß wir eine verhältnismäßig gute Ernte haben, wenn wir die Produktionserschwerungen und sonstigen Umstände in Betracht ziehen. Der Umstand ist es ja gerade, der auch die Preise drückt. Weil die Ernte verhältnismäßig gut ist und weil die Kauf— kraft im Verhältnis zu dieser guten Ernte so gering ist, weil die Be—⸗ völkerung nicht so abnahmefähig ist, wie die Landwirtschaft infolge ihrer Finanznot gezwungen ist, ihre Produkte an den Markt zu bringen, haben wir diesen Notstand. Da nützt ihr kein Zoll etwas. Momentan wird der Markt überschwemmt mit der Inlandware. Die Inlandware wird in einem Maße angeboten und der Landwirt muß sie wegen Geldmangel in diesem Maße anbieten —, daß der Markt sie nicht aufnehmen kann. Der Handel ist heute auch nicht in dem Maße imstande, die Erzeugnisse aufzunehmen, wie das früher der Fall war, als er das Geld zu drei bis vier Prozent haben konnte. Deswegen sind die Preise trotz der Zölle dermaßen gedrückt, daß, wie offen zugegeben werden muß, der landwirtschaftliche Produzent ins⸗ besondere beim Getreide, aber auch bei den Hackfrüchten nicht das für seine Waren erhält, was er nach seinen Selbstkosten haben müßte. (Zurufe rechts.)

Meine Damen und Herren, das hindert aber leider nicht, daß der Konsument in der Stadt erheblich höhere Preise zahlen muß, als sie durch die Produktion skosten bedingt sind. (Sehr wahr! links.) Da müssen allerdings alle Teile des Volks zusammenwirken, und Sie, Herr Ladendorff, und die Wirtschaftspartei auch, damit die ungesunde Spanne, die da platzgegriffen hat, in der Tat beseitigt wird (lebhafte Zustimmung links), denn es kann auch nicht im Interesse des ehrlichen Mittelstandes und im Händlerinteresse liegen, schließlich auf Kosten der Konsumenten seine Existenz zu fristen. (Sehr wahr! links) Ein so notleidendes Volk wie unser deutsches Volk muß be⸗ strebt sein, möglichst rationell zu wirtschaften (sehr richtig! links), d. h. auf dem Wege vom Produzenten zum Konsumenten die Ware nicht mehr zu verteuern, als es nach den berechtigten Unkosten unbe⸗ dingt erforderlich ist. Da liegt eine Quelle der wirtschaftlichen Unzuträglichkeiten, die die große Masse der Bevölkerung schwer empfindet.

Auf Einzelheiten will ich nicht eingehen. Ich habe bereits im Ausschuß erklärt; obwohl bei der preußischen Regierung wenigstens in einen Teile des Kabinetts schwere Bedenken gegen die Wiedereinführung der Einfuhrscheine bestanden, auf Grund deren

die Möglichkeit geschaffen werden sollte, Getreide nach dem Aus⸗ lande auszuführen, daß wir im Frühjahr vielleicht zu höherem

Preise wieder einführen müssen, haben wir gleichwohl der Reichs⸗ regierung keinerlei Schwierigkeiten in den Weg gelegt, um sie in ihrer Preissenkungsaktion nicht zu stören und um nicht das Odium auf uns zu nehmen, wenn diese Preissenkungsaktion nicht zu dem Erfolg führte, den die Reichsregierung glaubte erzielen zu können. (Zuruf rechts: Wie war es denn im Reichstag? Zuruf) Ich weiß nicht, von welcher Stoppung Sie reden Ich weiß nicht, was da gestoppt hat. (Zuvuf rechts: Der Reichsernährungsminister

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Ich weiß nicht, was der Reichsernährungsminister getan haben soll. Wenn ich mich darüber außern soll, dann müssen Sie mir das event. schriftlich genauer mitteilen. Nur dam kann ich seststellen, ob der Reichsernährungsminister sich irrt oder ob Sie sich irren. Ich habe Ihnen hier erklärt, welche Linie die preußische Regierung bei der Stellungnahme zu dieser Frage verfolgt hat.

Die Frage der Zölle habe ich ja schon behandelt. Ich will auch da mich nicht in Einzelheiten verlieren. Wir haben ja oft über diese Frage gesprochen. Ich glaube es ist

in meinem Etat auch nicht der richtige Ort, die Agrarpolitik einer eingehen den Erörterung zu unterziehen. Dazu wird beim Etat des Landwirtschaftsministeriums Gelegenheit sein. Ich kann daher hier auch nicht den Herrn Landwirtschaftsminister gegen die Angriffe des Herrn Abg. Baecher verteidigen. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Er hat genau das Gegenteil von dem gesagt, was er behauptet hat) Ich bin über die Einzelheiten nicht unterrichtet, kann daher auch im Augenblick nicht darüber urteilen. Wenn aber diese Dinge gerade bei meinem Etat vorgebracht werden, dann nehmen Sie es mir nicht übel muß mir doch der Gedanke an frühere Zeiten kommen, als ich noch als Land wir tschafts minister hier stand, und ich glaube fast, daß Sie, Herr Baecker, mit Ihrer Haltung zum Ausdruck bringen wollten: Kehre zurück! Es ist alles vergeben. (Heiterkeit. Abg. Baecker Berlin!: Haben Sie keine Soꝗrge)h Nein, nein!

Noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ladendorff über die Mittelstandspolitik. Er meinte, nur durch die mittelstandsfeindliche Haltung der Weimarer Regierungskoalition nach der Umwälzung sei der Mittel⸗ stand zugrunde gerichtet worden. (Abg. Ladendorff Das war den Hauptgrund des Verderbens! Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Also doch nicht ganz) Herr Ladendorf, Sie haben bei Ihrem Ausflug in das politische Gebiet erklärt, früher, vor der Um⸗ wälzung, hätte man bei den Behörden Überhaupt nicht nach der politischen Meinung des Beamten gefragt. Das ist richtig; denn sie mußten alle konsewativ sein. (Sehr richtig! im Zentrum und links. Widerspruch rechts) Ich sehe ganz davon ab; ich will Ihnen auch nicht weiter auf diesem Wege folgen; aber Sie sagten, die Beamten hätten sich nicht mit Politik beschäftigt, sie hätten überhaupt nicht danach gefragt. (Abg. Ladendorff: Nein, man hat nicht danach gefragt h Man scheint sich in Beamtenkreisen auch wenig damit beschäftigt zu haben (Abg. Ledendorff: Gott sei Dank! Heiterkeit), denn sonst, Herr Ladendorf, könnten Sie nicht zu der Feststellung kommen, daß die schwere Lage des Mittelstandes, daß der Niedergang des Mittel standes erst durch die Weimarer Koalition gekommen sei. Die Reden, die Sie über die Not des Mittelstandes im Verlaufe der Jahre hier gehalten haben, habe ich an dieser Stelle im Preußischen Abgeord— netenhause von einem alten verehrten Mitgliede des Abgeordneten hauses, dem konservativen Abgeordneten Hammer, in demselben Tone, mit derselben Schärfe und mit derselben schweren Klage, vor dem Kriege oft gehört. (Sehr richtig! links) Also kann doch der Nieder⸗ gang des Mittelstandes nicht allein, auch nicht vornehmlich auf dag Wirken der Weimarer Koalition zurückzuführen sein, sondern es muß doch eine wirtschaftliche Tendenz bei der Erschwerung der Existenz des Miltelstandes wirksam gewesen sein, die sich auch schon vor der Weimarer Koalition in unserer deutschen Wirtschaft bemerkbar gemacht hat.

Nun noch eins! Den entscheidenden Einfluß auf das Wärtschaftsleben Deutschlands haben nicht die Regierungen der Länder, sondern diesen Einfluß hat die Regierung des Reiches. (Sehr wahr! links) Die ganze Steuerpolitik, die unsere Wirtschaftélage beeinflußt, die Zoll- und Handelspolitik und alle diese Dinge, die für das Wirtschaftsleben entscheidend sind, werden im Reiche gemacht. Seit einem Jahre oder noch länger haben wir aben eine nach Ihrer Meinung doch immerhin mittelstandsfreundliche Rechtsregierung im Reiche, denn Sie unterstützen sie doch, und Sie haben einen Einfluß im Reiche. So müßte doch nun im Laufe des Jahres eine erhebliche Besserung eingetreten sein, so daß der Mittel- stand vor dem Abgrunde bewahrt ist. (Abg. Ladendorff: Was in fünf Jahren verdorben ist, kann nicht in einem Jahre wieder beseitigt werden?! Sehr wahr! bei der Wirtschaftlichen Vereinigung. Heiterkeit Ich verlange auch nicht, daß alles, was nach Ihren Auffassung in fünf Jahren verdorben ist, in einem Jahre beseitigt ist, aber es müßte doch eine kleine Wendung zum Besseren eingetreten sein. (Abg. Ladendorff: Solange in Preußen diese Regierung ist, nicht Heiterkeit) Ich fürchte, Herr Ladendorff, wenn wir in Preußen nicht mehr diese Regierung, sondern eine andere Regierung haben, werden Sie in den nächsten Jahren beim Haushalt des Ministerpräsidenten oder bei anderen Haushalten noch die selben Reden halten. (Große Heiterkeit) Herr Ladendorff, so oberflächlich kann man die mirtschaftlichen Dinge nicht beurteilen. Der Nieder⸗ gang des Mittelstandes ist doch schließlich auf ganz andere wirtschaft⸗ liche Tendenzen, die sich im letzten Jahrzehnt unseres Wirtschafts⸗ lebens ausgewirkt haben, zurückzuführen.

Dem Mittelstand ist es vor der Umwälzung und auch vor der Weimarer Koalition schlecht gegangen. Dem Mittelstand geht es in Bayern und in andern Ländern, wo keine Weimarer Koalition geherrscht hat, ebenso schlecht wie in Preußen. Mit der Weimarer Koalition können Sie die Notlage des Mittelstandes sonach nicht begründen.

Wir leben in einer allgemein schweren wirtschaftlichen Be⸗ drängnis, und diejenigen Teile unserer Bevölkerung und Berufs— schichten, die an sich auch unter normalen Verhältnissen schwer kämpfen, werden naturgemäß am schwersten getroffen. Deswegen leidet auch der Mittelstand jetzt schwere Not. Aber Sie dürfen nicht darüber vergessen, daß die große Masse der Lohn und Gehalt be⸗ ziehenden Leute zum Teil noch sehr viel schwererer Not bei sehr viel schwererer Arbeit leidet (lebhafte Zustimmung links), so daß wir für diese Teile unseres Volkes auch ein Wort übrig haben müssen.

Noch ein Wort zur Kritik des Herin Abg. Baecker über die Haltung der Staatsregierung gegenüber der Agrarrentenbank! Sie ist schon einmal Gegenstand der Erörterung gewesen Ich gebe durchaus zu, daß seinerzeit, als die Agrarrentenbank ins Leben gerufen werden sollte und der erste Ent⸗ wurf vorlag, die preußische Regierung sich gegen diesen Entwurf ge—⸗ wendet hat, insbesondere dagegen, daß dieser Entwurf nicht auf dem legalen gesetzlichen Wege durch Reicherat und Reichstag verabschiedet, sondern, wie es anfangs gewünscht wurde, auf Grund des Artikels 48, durch eine Verordnung des Reichspräsidenten, in Kraft gesetzt werden sollte. Gegen eine solche Ueberstürzung einer volkewirtschaftlich so tief eingreisenden Maßnahme glaubten wir, Wideispruch einlegen zu

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