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schulgesetzes, da sie ja nicht in erster Linie zur Komretenz dieses Hauses gehört, hier nicht vertiefen. Aber nachdem eigentlich alle Redner dieses Thema angeschnitten haben, möchte ich doch einige Worte dazu bemerken. Wie die historische Entwicklung der Reichs—⸗ verfassung und die Geschichte des Schulkompromisses nun einmal gewesen ist, glaube ich, daß es nicht möglich sein wird durch Inter⸗ pretation der Reichsverfassung die notwendige Grundlage für ein HMeeichschulgesetz zu schaffen. Die Versuche, die wir auf diesem Gebiet erlebt haben, ermutigen nicht, da die Auslegung sehr ver— schieden ist. Man soll nicht Son einem Verfassungsparagraphen aus— gehen, der ein Kompromiß war, wie allgemein bekannt ist, sondern wir sollten von dem lebendigen Bedürfnis des preußischen und des deutschen Volkes ausgehen, und dieses liegt nach meiner Meinung vor allem darin, daß wir uns nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen, sondern endlich einmal dieses leidige konfessionelle Problem aus der Schule entfernen. Wir brauchen in Preußen Ruhe für unsere schulische Entwicklung, und die kann uns nur zuteil werden, wenn ein ein⸗ deutiges und klares Reichsschulgesetz geschaffen wird und endlich auf diesem Gebiete Frieden ist Ich glaube, daß dieser Friede nicht so schwer zu erreichen ist, wie es einstweilen noch scheint, solange immer noch eine Gruppe die andere zu übertrumpfen sich bemüht. Wir kommen nur zum Ziele wenn wir offen zugeben, daß keine Partei und keine Richtung die andere zwingen kann, auf ihren Weltanschauungsboden zu treten, wenn wir eine Formel finden, um bie konfessionslose, die konfessionelle und die interkonfessionelle Schule je nach dem Willen der Erziehungsberechtigten als gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, wenn wir uns bemühen, die Minderheiten zu sichern, wenn wir die Gemeinden einfach durch Majorität darüber entscheiden lassen, welches Schulprinzip sie haben wollen, und dabei die bestehenden Verhältnisse als auf Antrag geschaffen voraussetzen. Das können wir ruhig, wenn die Minderheiten gesichert sind, auch ohne Schwierigkeit tun. Wir müssen uns nun mal miteinander vertragen, und ich glaube, daß ein solcher Weg wird gefunden werden können, und ich glaube, daß es dann Juristen genug geben wird, die seine Vereinbarkeit mit der Reichsverfassung überzeugend darlegen werden. ( Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren, der dritte außerordentliche Gefahren⸗ punkt in Beziehung auf unsere Bildungseinheit 1st das Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach einer einheitlichen deutschen Bildung und nach der tatsächlichen Differenziertheit unserer Lebensbedürfnisse. Hier liegt meiner Meinung nach die große Bedeutung der Boelitzschen Schulreform; denn dieses Spannungsverhältnis ist gelöst und überwunden worden durch diese Reform. Es ist als Grundsatz aufgestellt worden, daß das deutsche Bildungsgut im einzelnen differenziert, aber in der Hauptsache durch alle Schulen als Einheit durchgeht und daß der Differenziertheit der Lebensbedürfnisse durch die charakteristischen Fächer der großen vier Schultypen Rechnung getragen wird, so daß ich wirklich glaube, daß wir in diesem Punkte eine große Gefahr überwunden haben und damit in gewisser Hinsicht auch vorbildlich für die Lösung dez gleichen Problems der anderen Kulturvölker gewesen sind.
Endlich das vierte große Gefahrenzentrum, das sich der Ein— heitlichkeit der Bildung gegenüberstellt, sehe ich in der sozialen Differenziertheit unserer Bildungsschichten. Ich halte es für eine ganz unendliche Gefahr, daß, wie wir früher sozial zwei sich nicht verstehende Völker in Deutschland nebeneinander hatten, dieser Zustand auch auf kulturpolitrschem Gebiete in die neue Zelt hätte hinübergetragen werden können. Es mußte ein Weg gefunden werden, um die eiheitliche Bildung, wie sie bei uns durch die höheren Schulen verkörpert ist, auf die Volksschulen zu über— tragen. Dieser Weg ist gefunden durch die neue Lehrerbildung, in ber Weise, daß jeder künftige Volksschullehrer einmal die höhere Schule befucht hat, dieses Bildungsgut in sich aufgenommen hat und es nun auf einer zweijährigen pädagogischen Akademie lernt um— zugestalten in Volksbildung. Dadurch ist eine einheitliche Bildung für das ganze Volk für die Zukunf arantiert. .
Wir sehen also, meine i n,. Herren, daß hier zweifellos eine einheitliche Linie der Kulturpolitik liegt, daß es sich hier nicht um ein Chaos von kleinen Reförmchen handelt, sondern daß diese Dinge tatsächlich, wie ich glaube, aus dem Zwange der Dinge heraus doch von uns, von meinen Vorgängern und mir, einheitlich gesehen worden sind.
Bei dieser Sachlage kann ich es eigentlich nicht recht verstehen, daß der Herr Abgeordnete Schwarzhaupt gestern eine Kritik meiner Kulturpolitik hier ausgeführt hat, nicht nur der
Personaolpolitik, sondern auch der sachlichen Kulturpolitik, und dar⸗ gelegt hat, daß die Volkspartei mir nur zustimmen könnte, wenn ich meine Kulturpolitik ändere. Ich gebe zu, daß mir das vollkommen unverständlich ist, da in den großen Sachfragen eine Aenderung der Politik des Ministeriums seit dem Rücktritt des Ministers Boelitz nicht erfolgt ist. Es kann doch nicht so sein, daß der Abgeordnete Schwarzhaupt hier etwa an die simultanen pädagogischen Akademien denkt, die allerdings vom Ministerium Boelitz, so lange Herr Boelitz Minister war, auch nicht gefoidert wurden, und ich, habe seinerzeit als sein Staatssekretär im Hauptausschuß mich ausführlich gegen simultane Akademien ausgesprochen. Daß Herr Boelitz nun als Abgeordneter im Rahmen seiner Partei eine andere Stellung ein nimmt, als er sie bisher als Minister eingenommen hat, daraus kann man doch schließlich dem Ministerium, das die Politik des Derrn Boelitz fortsetzt, in diesem Punkte keinen Vorwurf machen. (Sehr gut! und Heiterkeit.) .
Meine Damen und Herren, da ich gerade dieses Thema — der simultanen Akademien hier angeschnitten habe, so möchte ich doch noch einige Bemerkungen über meine Rede im dauptausschuß hinaus hier zu Ihnen machen. Die Sache mit den simultanen Akademien liegt nämlich so, daß ich nicht nur aus einer innerlichen Ueberzeugung dafür eingetreten bin, wenigstens für den Versuchfall, den wir jetzt vor uns haben, die simultane Ausbildung auf einer Akademie noch zurückzustellen (Zurufe), sondern es haben mich auch sehr reale praktische Gründe dazu bestimmt Guruf: Grundsätzliche Erwägungenh, — nicht etwa nur Gründe finanzieller Natur, sondern ich kann Ihnen ganz klar und deutlich sagen: Diese simultane Aka— demie wird eine Akademie sein für Evangelische, für Dissidenten und für Juden lsehr richtig); einen Katholiken bekommen Sie nicht auf diese Akademie, und damit fällt meiner Ansicht nach der eigentliche simultane Charakter, der christlich⸗simultane Charakter, den wir er⸗
reben, in sich zusammen. ö Ich kann das beweisen, und zwar durch eine Aeußerung des
Der Gpiskopat hat nämlich in einem langen Schreiben, in dem er sich mit diesen Dingen ause nandersetzt, sich dahin erklärt, daß als geeignet zuͥr Wirksamkeit an katholischen Schulen in Zukunft nur solche Lehrer betrachtet werden können, die an katholischen Akademien eine voll genügende Ausbildung erlangt haben. Anderen kann ins⸗ besondere die missio eanonica für den Religionsunterricht nicht er⸗ teilt werden. Deshalb verlangt der Episkopat, daß obigen Anforde⸗ rungen Rechnung getragen und der so ausgestattete konfessionelle Charakter der Anstalten in Zukunft sichergestellt werde. (;uruf links: Das ist ja schon ein kleines Konkordat, das da bestehth — Von einem Konkordat ist nicht die Rede. Was ich hier vorgetragen habe, sind die Wünsche des Epistopats, und, meine Damen und Herren, wir wollen uns doch in diesen Dingen kein K für ein U vormachen. Ich möchte den katholischen Lehrer sehen, der es wagte, an einer konfessionellen Schule den Religionsunterricht zu übernehmen, wenn die Geistlichkeit ihm die missio canonica dazu nicht gäbe. (Sehr richtigs im Zentrum) Das gibt es nicht, und wir wollen doch unsere Augen vor den Realitäten, so unbequem sie uns sein mögen, nicht verschließen. Also ob mir das bequem ist oder nicht, darauf kommt es nicht an. Ich bin hier für absolute Offenheit. Sie werden in meinen weiteren Ausführungen noch einige Bemerkungen nach der Richtung vernehmen. (Zuruf links: Deshalb soll die Akademie auf. gegeben werden?! — Lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden! Meine Damen und Herren! Ich bin selbst in Frankfurt a. M, dem eigentlichen Hochsitze des simultanen Lebens, aufgewachsen, und ich stehe diesen simultanen Bestrebungen innerlich durchaus sympathisch gegenüber. Aber schließlich kommt es doch nicht auf mein persön⸗ liches Empfinden an, sondern auf die Realitäten des Lebens. Dabei verkenne ich nicht — und ich möchte das ganz klar und deutlich aussprechen — die große und hohe Ides die in der Simultanität einer pädagogischen Akademie liegt. Ich verstehe vollkommen, daß man auch gerade auf der linken Seite es ablehnt, daß man unsere Lehrerbildung zergliedert in alle möglichen einzelnen, ebangelische, katholische, simultane und weltliche Bildungsgänge. Man will ja gar keine weltliche Akademie; man will nur eine Akademie, auf der wirklich die Pädagogik getrieben wird in dem Sinne, wie Wissen— schaft an der Universität. Das ist im einzelnen der Sinn der Forde⸗ rung der Simultanität der pädagogischen Akademie, und daß hier ein großer Gedanke, daß hier ein absoluter Weltanschauungsein satz ge= geben ist, das möchte ich am allerwenigsten bezweifeln. Dafür habe ich das allergrößte Verständnis.
Aber auf der anderen Seite stehen nun einfach die Bedürfnisse der Praxis. Wir haben die simultane höhere Schule. Also in Zu⸗ kunft wird, von Ausnahmefällen abgesehen, da die höhere Schule grundsätzlich simultan ist, der künftige Volksschullehrer während seiner ganzen Schulzeit eine simultane Schule besucht haben. Dann soll, da wir ja doch noch gesetzlich auch für die Zukunft die kon— fessionelle Volksschule behalten werden, der Abiturient im Sinne seines Bekenntnisses nach der Reichsverfassung auch als Volksschul⸗ lehrer an einer konfessionellen Schule tätig sein. Meine Damen und Herren! Irgendwo muß er ja dann doch nun in seinem Bildungs⸗ gange die nötige Vorbildung erlangen. (Sehr richtig! rechts) Das ist doch ein Minimum, das man uns zugestehen muß, wenn man sagt: nach der simultanen höheren Schule, die seine Allgemeinbildung umfaßt, wird der Abiturient zwei Jahre hindurch die Möglichkeit haben, sich mit den geistigen Belangen seines Bekenntnisses aus⸗ einanderzusetzen. Das kann natürlich nur geschehen, da alles im Geiste der pädagogischen Gemeinschaftsidee gefaßt sein soll, wenn er alle Fächer in diesem Geiste an sich vorüberziehen läßt. Ich halte das für eine sachlich und pädagogisch durchaus berechtigte Forderung.
Ich habe vorhin schon in bezug auf das Reichsschulgesetz gesagt daß wir Wege finden müssen, uns irgendwie zu verstän digen. Es ist ausgeschlossen, daß die eine Partei die andere vergewaltigt. Deshalb bin ich auch bereit, wenn das Haus beschließen sollte, daß neben den vom Staatsministerium in Aussicht genommenen drei Akademien, von denen eine katholisch und zwei evangelisch sein sollen, noch eine vierte P—robeakadem ie gegründet werden soll, mit dem Herrn Finanzminister zusammen die Exrichtung einer vierten Akademie dem Staatsministerium gegenüber zu befürworten. Aber eine Simultanität für sämtliche Akademien muß ich auf das Bestimmteste ablehnen. (Zuruf im Zentrum: Die Hauptregsierungéparteien) — Ich sage: wenn das Haus einen Antrag annehmen wird, daß eine vierte Akademie auf simultaner Grundlage und wahrscheinlich in Frankfurt am Main, wohin sie mir am besten zu passen scheint, errichtet werden soll, so bin ich bereit, diesen Wunsch des Landtags dem Staatsministerium gegenüber zu vertreich. Wir werden dann in diesen Jahren nicht drei, sondern vier Akademien haben, und dann wird sich auch in kurzer Zeit zeigen, ob das, was ich hier entwickelt habe, richtig oder falsch war, und wir werden dann nach zwei Jahren aus der Wirklichkeit lernen. Hofentlich ergibt sich dann ein endgültiger Typ und eine endgültige Regelung. (Zuruf: Wenn das Haus aber nur simultane Akademien beschließt?) — Wenn das Haus beschließen sollte, daß nur simultane Akademien eingerichtet werden sollen, so wird das Ministerium das nicht mitmachen. (Bravol rechts. — Heiterkeit im Zentrum)
Meine Damen und Herren. Sie sagen zwei Regierungsparteien. Ich habe aber vorhin schon gesagt, daß der Kultusminister in diesen Dingen nicht auf die Befehle einer Partei vorgehen darf, sondern daß er wirklich versuchen muß, als Treuhänder die verschiedenen Mei⸗ nungen einigermaßen so zu Lestalten, daß alle schließlich dazu Ja sagen können.
Meine Damen und Herren, ich habe es sehr bedauert, daß der Herr Abgeordnete König über das, was auf dem Gebiete der Lehrer—= bildung geschaffen worden ist, so wenig freundlich geurteilt hat. Herr Abgeordneter König, wenn Sie bedenken, daß man im Jeohre 1914 an so gewaltige Tatsachen und an so kühne Ideen, wie sie jetzt ver= wirklicht worden sind, kaum hätte denken können — das war doch damals eine vollkommene Utopie — und daß heutigen Tages diese Dinge erreicht sind, so sollten Sie anderer Meinung sein. Es handelt sich hier allerdings um ein Maximum, denn die Wünsche, die darüber hinaus auf die Universitätsbildung der Volksschullehrer hinzielen, halte ich für eine Gefahr, ja, für den Tod der Volksschule. (Sehr richtig! rechts) Deshalb habe ich mich auch über die Kritik ge⸗ wundert, die der Herr Abgeordnete Oelze auf dem Gebiete der Lehrer⸗ bildung, auf dem er doch Sachverständiger ist, geübt hat. Vor allen Dingen hat er uns vorgeworfen, daß wir die alten Sem inaue geschlossen hätten, ehe die neuen Lehrerbildungsstätten errichtet worden wären. Das ist agitatorisch ausgezeichnet formuliert und wicd
natürlich draußen im Lande überall verblüffen. Tatsächlich haben wir die Seminare nicht eiwa geschlossen, weil wir etwas Neues machen wollten, sondern aus einem gang ande cen Grunde. Wir haben sie
Die Zahl der jungen Lehrer, die nicht unker⸗ Wenn wir auf dem alten Wege Jahr für Jahr immer weitergegangen wären, dann würde die Zahl der Tausende noch sehr viel größer werden, und dann würde unsere Junglehrerschaft noch in Jahrzehnten nicht zur
bewerbern da war. gebracht werden können, beträgt jetzt schon 30⸗ bis 36 000.
Ruhe kommen. Bei dieser Sachlage ist es selbstverständlich, daß die Präparandenanstalten und die Seminare geschlossen werden mußten, und da sie einmal geschlossen waren, war gleichzeitig die Forderung nach einer Reform der Lehrerbildung aufgetaucht. Da haben wic nicht von heute auf morgen etwas Neues gemacht, sondern haben jahre⸗ lang sorgfältig mit allen Instanzen und Parteien beraten, was ge⸗ macht werden kann. Was wir erreicht haben, stellt immerhin einen Fortschritt dar.
Da gerade die Junglehrer erwähnt waren, ist es mir ein lebhaftes Bedürfnis, von dieser Stelle aus nochmals meine tiefste Sympathie mit dem Schicksal dieser Männer, die plötzlich in das Leben gestellt sind und nicht unterkommen können, auszusprechen. Sie wissen, daß eine Rotstandsaktion vom Reichstag in die Wege geleitet ist. Leider sind die drei Millionen, die hier in Aussicht stehen, noch nicht endgültig bewilligt und stehen noch nicht zur Ver—⸗ fügung. Um dem entgegenzukommen, ist der Finanzminister bereit, da es den Wünschen des ganzen Hauses entspricht, von Preußen aus zunächst einmal eine Million auszuschütten, um für das ärgste zu helfen, die nachher aus den drei Millionen des Reiches wieder be⸗ glichen werden können.
Die Not der Junglehrer führt mich zur Not eines anderen Berufsstandes, der vielleicht mehr Not leidet als alle anderen zu⸗ sammengenommen. Ich denke an die Künstler, vor allen Dingen an die bildenden Künstler. In einer Zeit, wo kein Mensch Geld hat, etwas zu kaufen, war es notwendig, daß der Staat sein Bestes tat. Wir haben getan, was wir tun konnten, z. B mit Rück sicht auf die Notlage einzelner Künstler auf den verschiedenen Kunst— ausstellungen des letzten Etatjah res zu kaufen. Aber mein Appell geht dahin, und ich hoffe, daß dieser Wunsch in die weitere Oeffentlichkeit dringt, daß alle Leute, die noch Geld und Sinn für Kunst haben, in dieser Zeit gut tun, den Mäzen zu spielen. Staatshilfe allein kann es nicht machen. Der Staat tut, was er kann. Wenn das große Publikum nicht hilfi, wind dieser große und wichtige Stand rettungslos zugrunde gehen. (Sehr richtigth ;
Auf dem Gebiet des Hochschulwesens sind bisher nur wenige Fragen hier im Hause zur Debatte gestellt worden. Das einzige war in der Rede des deutschnationalen Abgeordneten Oelze der Fall Lessing. Ich habe so ausführlich darüber im Ausschuß gesprochen, daß ich mich hier ganz kurz fassen kann. Ich möchte nur sagen, daß der Fall Lessing eigentlich zwei Fälle darstellt, einmal den Fall Lessing im engeren Sinn und den Fall Studentenschaft.
Was den Fall Lessing anbetrifft, so ist mir von der einen Seite vorgeworfen worden, daß ich ihn zu wenig, von der andern Seite, daß ich ihn zu viel verteidigt habe Ich kann hier nicht die Stellung eines Staatsanwalts oder eines Verteidigers einnehmen, sondern bin zu einer Art richterlicher Haltung gezwungen. Ich glaube, daß ich sie so ausgefüllt habe, wie sie auch ein deutschnationaler Richter nicht anders hätte ausfüllen können. (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkepartei) Wenn mir vorgeworfen wird, ich hätte ihn als Literaten bezeichnet, und darin läge etwas Depreqierliches, so kann davon keine Rede sein. Ich weiß das Literatentum als einen be— sonderen Zweig unseres schöngeistigen Lebens in der Publizistik, der Presse, in allen seinen Schattierungen nach der ästhetischen wie moralischen Seite durchaus zu würdigen. Aber etwas anderes ist es, ob dieses ästetisierende Literatentum auf die Universitäten und tech- nischen Hochschulen gehört. Jedes an seinem Platz! Man wird nicht eine schwere wissenschaftliche Abhandlung ohne weiteres im Simpli⸗ zissimus oder sonstwo abdrucken. Jedes an seiner Stelle!
Was den Fall Lessing anbetrifft, so muß ich sagen, daß seine ganze Haltung mir zweifellos nicht sympathisch gewesen ist, daß aber mein persönlicher Geschmack dabei vollkommen ausschied, sondern daß ich nur zu fragen hatte: Was schreibt das Recht vor, wie muß ich diesen Mann schützen? Ich habe ihn im Rahmen seiner ver— fassungsmäßigen Eigenschaften geschützt, aber ich bin darüber nicht hinausgegangen. Ich habe auf der andern Seite auch gesagt: wenn er das Recht freier Meinungsäußerung hat, habe ich es auch, und ich habe ihm meine Meinung über sein Verhalten mit aller Deutlich keit zum Ausdruck gebracht.
Was auf der andern Seite aber das Verhalten der Studenten schaft betrifft, so kann ich eigentlich nicht recht 2 daß gerade von den Deutschnationalen, die doch gerade zie Träger Ves Autoritäts- gedankens sind, dieser grundsätzlichen Zerstörung der Autorität der wir hier gegenüberstehen, noch Vorschub geleistet wird. (Stürmische Zurufe und große Unruhe bei der Deutschnationalen Volkspartei.) Meine Herren, es hat sich hier darum gehandelt, daß aus welchem Idealismus auch immer — ich erkenne ihn ja an und begreife ihn — der Studentenschaft Herr Lessing und seine Schriften unsympathisch sind, die Autorität des Staates verlangt, daß wir uns nicht von der Gasse und auch nicht von der Studentenschaft — (erneute große Unruhe bei der Deutschnationalen Volkspartei) unsere Politik vor schreiben lassen. Wenn von Herrn Abgeordneten Oelze gesagt worden ist: Warum hat der Minister nicht aleich von Anfang an eingegriffen, als das erste Wetterleuchten am Horizont erschien? — so frage ich Sie gerade, meine Herren von der Rechten und gerade die Universi⸗ tätslehrer unter Ihnen: welches Zetermordio hätte ich zu hören be— kommen, wenn die Regierung sich in jeden internen Quark einmischt, der sich zwischen Studentenschaft und Universität oder Technischen Hochschulen entwickelt?! Sie bedanken sich dafür, daß die Regierung
in jedem Moment hineinregiert. Das ist die Universitätsaute no: nie, und die wollen wir hochhalten, und erst, wenn sie versagt, tritt die Regierung ein. Es ist außerordentlich bedauerlich, wenn ein solcher Fall eintritt. Auf das Verhältnis zwischen Studenten und Lehrer schaft hat der Minister keinen Einfluß. Sie gehören zur Hochschule, und was den Lehrkörper und den Unterricht betrifft, jo steht der Student mit der Professorenschaft zusammen, und seine höchste Autorität ist der Rektor. Der Minister ist eine Staatsinstanz, die hier nicht eingreift, und erst, wenn der Rektor als der Vertreter der Studentensckaft sich an den Mnister wendet, greift er ein Das hatte der Rektor getan, und von dem Moment an hat der Minister eingegriffen. (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkswartei: Aber wie) Er hat in einer Weise eingegriffen, daß er einerseits die Selbständigkeit der Hochschule nicht angetastet hat und anf der andern Seite die staatsbürgerlichen Ansprüche, die Herr Lessing stellen konnte, geschützt hat. (Erneute Zurufe bei der Deutschnationalen Volks⸗ partei) Ich kann die Gegenseite nicht überteugen. Der Fall ist auch eine so ausgezeichnete Sache, um nach außen hin die Regierung
Epistopats. Ich würde diese Aeußerung hier nicht zur Kenntnis geben, wenn sie nicht in einer katholischen Zeitung erschienen wäre.
geschlossen, weil eine Ueberfülle von Schulamts⸗
zu diskreditieren, daß die Parteipolitik — — — (aroßer Lärm und
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FPeispringen und soll seine Zuschüsse noch erhöhen, während doch tat—
stürmische Zurnfe bei der Dentschnationalen Volksparteh. Was an demagogischer Oerab etzung der Regierung und namentlich des Kultus ministers von der Rechtspresse geleistet wird — — llebhafte Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei: Lessing) — Lessing ist keine Partei. Natürlich bat er auch seine Rechte zu verteidigen, er war sehr stark angegriffen. (Erneute lebhafte urufe und große Unruhe bei der Deutschnationalen Volksartei) — Sie drängen mich hier in eine Rolle, die ich ablehnen muß. Sie drängen mich durch Ihre übertriebene Kritik in einen Kampf, in dem meiner Meinung nach der Schwewunkt von einer Unbotmäßigkeit und Auftässigkeit der Studenten verschoben wird auf die Entaleisungen eines Hochschul⸗ professors, in eine Rolle, daß ich mich schließlich zu einem Verteidiger Lessinas aufwerfen muß. Ich beabsichtige nicht. die literarische Pro— duktion des Professors Lessing zu verteidigen, sondern ich beabsichtige
nur, seine staatsbürgerlichen Rechte zu verteidigen. (Lebhaftes Bꝛado links) Die Rechte der nationalen Jugend — — — — sstürmische Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei) —
Nun möchte ich aber doch mal ein offenes Wort mit der Rechten sprechen. Wer die Rechte unserer deutschen Jugend für seine partei⸗ politischen Zwecke in einer so unerhörten Weise ausnutzt — — (großer, langanhaltender Lärm und stürmische Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei). Meine Herren, ich bemühe mich — ich darf das wirklich ehrlich bekennen — objektiv zu sein. Ich habe die Entwicklung unserer Jugend, soweit sie hier in Frage kommt — ich spreche hier von der studentischen Jugend — mit wirklicher Liebe und Anteil- nahme durch all die Jahre verfolgt, und ich habe gesehen, wie außer⸗ ordentlich willig diese Jugend ist, auch auf dem Boden der neuen Verhältnisse am Wiederenfbau des Staates mitzuarbeiten. Ich habe aber auch auf der anderen Seite Hdesehen, wie von der Presse der Rechten, und nicht nur von der Presse, sondern auch von bestimmten Organisationen durch Hergabe von Geldmitteln usw. ein (Elnfluß geübt worden ist, um unsere deutsche Studentenschaft für ganz be⸗ stimmte parteipolitische Zwecke zu benutzen. (Hört, hört! links — Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei Meine Herren, das, muß ich sagen, ist für mich, der ich mich in diesem Sinne wirklich über die einzelnen Parteien stelle, etwas, wovon ich wirklich sagen darf, daß es ein Mißbrauch ist. (Sehr wahr! links — Zurufe bei der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei) Meine Herren, wenn Sie auch jetzt lachen, ich weiß, daß in Ihren eigenen Reihen eine ganze Anzahl von führenden Männern sitzt, die bedauern, daß sie diesen Weg von der ersten Zeit nach der Revolution an eingeschlagen haben. Meine Herren Deutschnationalen, Sie sind ja gar nicht so schlimm, wie Sie sich immer selber machen. (Heiterkeit.
Meine Damen und Herren, der Kultusetat umfaßt nicht nur die Schulen, sondern auch das wichtige Gebiet der Kirchen. Ich darf hier vielleicht zunächst an das anknüpfen, womit der Herr Abgeordnete Dr. Lauscher geschlossen hat, daß er den Wunsch geäußert hat, die Konkordatsverhandlungen möchten bald beginnen. Sie wissen, daß wir in diesem Punkte ja auch durch die Konwpetenzen zwischen Reich und Ländern behindert sind, und mancherlei Schwierig- keiten dem Beginn dieser Verhandlungen auf beiden Seiten bisher entgegenstanden Wir werden — das ist meine Ueberzeugung — zu einer Regelung dieser Belange auf Seiten des Reiches erft kommen können, wenn die nötigen reichsgesetzlichen Grundlagen, vor allem das Reichsschulgesetz, geschaffen sein werden. Was die ja sehr viel engeren preußischen Belange betrifft, so ist die preußische Regierung jederzeit bereit gewesen, in Verhandlungen über die Neuordnung der Ver— hältnisse einzutreten
Was beide Kirchen anbetrifft, so muß ich sagen, daß auch hier von der neuen Regierung nach der Revolution ganz Erhebliches ge— leistet worden ist. Wenn Sie bedenken, daß, wie das ja hier schon oft hervorgehoben worden ist, die Zahl der Millionen, mit der der Staat die Pfarrerbesoldung bestreitet, von 27 auf 61 gestiegen ist, so sieht das wahrlich nicht nach Feindschaft aus, und, meine Damen und Herren, bei der Regierung — das kann ich auch für die früheren Ministerien sagen, auch für das Ministerium Haenisch — hat eine Kirchenfeindschaft in diesem Sinne nie bestanden. Ich möchte auf der anderen Seite auch darauf hinweisen — und ich freue mich, das hier aussprechen zu können — welche Liebe und welche Arbeit von den Mitgliedern der geistlichen Abteilung des Kultusministeriums in allen diesen Jahren aufgewandt worden ist, um die großen Ver fassungswerke mit zustande zu bringen, die ja durch die Reichs- verfassung geforbert waren. Wenn jetzt im wesentlichen eine so er⸗ freuliche Regelung Platz gegriffen hat, so ist das nicht eiwa nur den kirchlichen Instanzen zu danken — meine Damen und Herren, ohne die Opferwilligkeit, ohne die innere Anteilnahme und vor allem ohne bas religiöse, das kirchliche Interesse der Mitglieder des Kultus— ministeriums wären diese Erfolge nicht zu erzielen gewesen. (Sehr richtig! im Zentrum.)
Um so unbegreiflicher ist mir allerdings demgegenüber die Haltung der Kirchen ssehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei), die immer meinen, daß das alles im wesentlichen ihnen verdankt wird, und die, wenn sie auch nur einmal die geringsten Schwierigkeiten mit den Referenten des Ministeriums haben, es dann sofort'für richtig halten, den großen politischen Apparat anzu kurbeln und gleich das Parlament für das eine oder andere ihrer Belange in Bewegung zu setzen. Ich möchte einmal offen sagen, daß das auf die Dauer nicht geht. denn ein derartiges Vorgehen führt dazu, daß bei den eigentlich verantwortlichen Instanzen des Ministeriums im Laufe der Zeit eine begreifliche Verärgerung entsteht, der der Abwicklung gerade der Belange der Kirche auf die Dauer vielleicht abträglich werden könnte. Alle diejenigen, die eine warmes Interesse daran haben, daß auch in der neuen Zeit die Beziehungen zwischen Staat und Kirche gut bleiben, mögen es sich gesagt sein lassen und auf die kirchlichen Instanzen einwirken, daß sie in loyaler Zusammenarbeit mit dem dazu
bereiten Ministerium diese Dinge regeln.
Meine Damen und Herren, die Kirchen haben ja auch erst seit kurzer Zeit diese Autonomie, wenigstens die evangelischen Kirchen. Daraus ergibt sich, daß sie gelegentlich noch nicht sicher sind, wie weit ihre Kompetenzen nun eigentlich gehen. Viel neues Leben ist in den Kirchen lebendig geworden, und es will sich auf allen möglichen Gebieten betätigen. So kommt es denn vor, daß die Kirchen auch alle möglichen Aufgaben übernehmen, die mit der eigentlichen Pfarr— besoldung und den unmittelbar kirchlichen Zwecken nichts zu tun haben, so daß damit der Etat über Gebühr belastet wird und nun nachher diese eigentlichen Belange, die eigentliche Pfarrbesoldung, zu kurz kommen, die Kirchen notleidend werden. Dann soll nun der Staat
sächlich die Kirche neue Aufgaben übernommen oder Aufgaben, die ihr zufallen, zu hoch dotiert hat, zum Beispiel ihre Beamten unter Umständen ganz über alle Parallelen mit bürgerlichen Behörden zu
in dem kirchlichen Finanzsäckel. Dann soll der Staat helfen. Das geht natürlich nicht; da der Staat ja diesen Körperschaften des öffent— lichen Rechts gegenüber dafür verantwortlich ist, daß er im Rahmen der Gesetze nür nach der Notlage usw. beispringt, so wird es eben notwendig sein, hier gelegentlich kontrollierend einzugreifen. Wir müssen uns natürlich dann die Haushaltspläne vorlegen lassen. Eine Reihe von Fällen schwebt zurzeit beim Oberverwaltungsgericht, in denen Meinungeverschiedenheiten zwischen den Kirchen und der Regierung beglichen werden sollen. Ich glaube aber, daß alle diese doch immerhin unerfreulichen Entscheidungen höchster Gerichtshöfe durch vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kirche und Ministe⸗ rium vermieden werden können.
Dazu gehört aber, daß auch von seiten der Rechten und der kirchlichen Organe dem Ministerium etwas loyaler begegnet wird, als es bisher der Fall ist. Ich muß da, so unangenehm es mir ist, von meiner eigenen Person sprechen. Die Hetze, die gegen mich persönlich in kirchlichen Organen wegen meiner angeblich soziali⸗ sierenden oder angeblich katholisierenden Tendenzen betrieben worden ist, ist doch nun wirklich einfach nicht mehr zu begreifen. (Sehr richtig! bei den Demokraten) Ich möchte da ein Beispiel hervorheben. Im borigen Jahr bin ich, der ich, wie Sie wissen, früher Gelehrter war, in Anerkennung meiner früheren wissenschaft⸗ lichen Arbeiten von der Petersburger Akademie, einer der vor— nehmsten Fissenschaftlichen Institutionen, der eine Reihe deutsch⸗ nationaler Professoren angehört, zum Mitglied erwählt worden. Das hat sofort die Rechtspresse und dann die ganze kleine Kirchenpresse bis in die probinzialen Organe, durch Korrespondenzen verteilt, unter der Ueberschrift gebracht: Der preußische Kultusminister Mitglied der Sowjetakademie'. Was daraus ohne weiteren Kommentar für Konsequenzen auf die Haltung dieses Kultusministers, der nota bene Doktor der Theologie ist, den kirchlichen Zwecken gegenüber gezogen werden, versteht sich von selbst. Ich kann ein solches Verhalten 6 für vornehm noch für christlich halten. Cebhafte Zustimmung inks.)
Damit habe ich aber den Punkt berührt, der mich nun zu dem zweiten Teil meiner Rede führt, nämlich die Frage der Pnerson al politik. Denn diese Aeußerungen kommen natürlich aus einem Geiste heraus, der in dem Kultusminister die Verkörperung des Zentrums und der Sozialdemokratie Arm in Arm erblickt. Ich möchte einmal ganz offen über diesen Punkt sprechen, weil mir immer und immer wieder versteckt und offen dieser Vorwurf gemacht wird, ich wäre weiter nichts als der Sklave des Zentrums und der Sozial—⸗ demokratie; um mich auf meinem Posten zu halten, müßte ich denen alles zu Liebe tun. Ich glaube, wenn Sie die Sozialdemokraten und das Zentrum einmal fragen, so werden Sie merken, daß sie sich mehr über meine Opposition als über meine Willfährigkeit zu beklagen haben. (Sehr richtig) Aber wie sieht es denn nun in Wirklichkeit mit dieser Beckerschen Personalpolitik aus, die in der Presse ja schon direkt in Vergleich gestellt wird, gerade von den Deutschnationalen, mit der Politik des Herrn Severing? Wenn Herr Oelze damit ge⸗ schlossen hat, daß ich nach Herrn Severing der zweitschlimmste Minister jn diesem Kabinett wäre, nun, w habe ich das als ein
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der berechtigten Wilnnsche der Linken. Dem Gerechtigkeit muß sein. Ich habe im Ausschuß gesagt, daß zu den Bedingungen der früheren Zeit, wonach ein Beamter in erster Linie ein tüchtiger Mensch, in weiter Linie fachlich vorgebildet sein mußte, in neuerer Zeit eine dritte Bedingung, die des öffentlichen Vertrauens, hinzugekommen sein muß. Ueber diese Frage haben wir uns im Ausschuß unter⸗ halten und Schwarzhaupt hat gefragt, ob das etwa hieße: politisches Vertrauen. Ja, selbstverständlich heißt es politisches Ver⸗ trauen. Wir wollen hier nicht Theater spielen. Nun stellt sich Herr Schwarzhaupt hin und markiert den Mann, der immer nur nach sachlichen Belangen fragt, und dabei wissen wir alle, daß er eine Fülle parteipolitischer Wünsche vorgetragen und durchgesetzt hat. Für diese Haltung habe ich keinen Sinn mehr. Man muß das Kind beim Namen nennen.
Aehnlich wie die Gesamtzusammensetzung des Ministeriums eine ganz fabelhafte Benachteiligung der Sozialdemokratie ist und eine ungünstige Stellung der katholischen Volksteile darstellt, ist es in sämtlichen anderen Abteilungen des Kultusministeriums. So sind unter den 8? Regierungs- und Schulräten sechs ganze Sozialdemo—= kraten. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) In 14 Regierungs⸗ bezirken ift unter den Schulräten kein einziger Sozialdemokrat. Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) Von den 531 Schulräten, die wir haben, ind einschließlich der städtischen, notabene, wo wir nur be— stätigen und keinen direkten Einfluß auf die Person haben, nur 50 bis 60 Sozialdemokraten.
Die Verteilung auf die Konfessionen ist so, daß katholisch sind 168 und evangelisch 3560 und Dissidenten 3. Unter dem gegenwärtigen Minister ist die Besetzung der Schulratsstellen folgendermaßen ge⸗ wesen — ich füge gleich hinzu, wir haben Lehrerbildner hier mit⸗ verwandt, weil diese Frage angeschnitten ist — Besetzt sind im ganzen B Stellen, von den neuen Schulräten waren nach ihrer bisherigen Amtsstellung 16 Lehrerbildner, 6 Rektoren und 1 Lyzeallehrer. Nach ihrer Parteistellung gehören dem Zentrum an 6, den Demokraten 4, den Sozialdemokraten 5, der Deutschen Volkspartei 3, die anderen unbekannt, wahrscheinlich der Rechten angehörig. (Lachen rechts.) Ich habe mich genötigt gesehen, die tatsächlich bestehenden ungerechten Verteilungsverhältnisse nach Möglichkeit einigermaßen zu beheben. Wenn es ganz allein nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit ginge, müßten auf geraume Zeit nur Sozialisten ernannt werden. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. — Lebhafte Zurufe und Unruhe rechts) — Meine Damen und Herren, Sie werden mich wohl nicht für so töricht halten — ich darf das wenigstens hoffen —, daß ich das, was ich hier als absolute Gerechtigkeit hinstelle, für politisch möglich halte. Ich denke gar nicht daran, so vorzugehen, sondern ich werde mich genau auf den Standpunkt stellen, daß ich unter Berücksichtigung der Zusammensetzung der einzelnen Bezirke die einzelnen Parteien berücksichtige. Aber ich werde mich nicht zaghaft dahinter verbergen und behaupten, es handle sich nur um rein technische, ganz unpolitische Besetzungen. Das wäre meinerseits eine Heuchelei. (Große Unruhe und lebhafte Zurufe rechts) In diesem Zusammenhange darf ich vielleicht noch
Kompliment empfunden. (Brabol im Zentrum und links.) Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen und offen Farbe bekennen: es gibt nur wenig Menschen, die mir wirklich imponieren. Herr Severing gehört zu ihnen! (Bravo)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier in diesem Zusammenhang einmal eine allgemein politische Bemerkung machen, eine Beobachtung, die ich sozusagen als Juschauer in all diesen Kabinetten der letzten Jahre gemacht habe. Die Deutschnationalen haben bekanntlich das Führerprinzip. Nun, wie sieht es denn in der Politischen Wirklichkeit aus? Ich muß ehrlich sagen, daß ich beobachtet habe, daß, je weiter nach links die Minister stehen, sie um so mehr Führer waren, und um so unabhängiger ihrer Partei und ihrer Parteiorganisation gegenübergestanden haben (hört, hört! im Zentrum und links), und je weiter sie nach rechts standen, um so mehr haben sie sich dem von der Rechten bekämpften — formaldemo⸗ kratischen Prinzip genähert. (Hört, hört! und Heiterkeit im Zentrum und links. — Zurufe rechts) In außenpolitischen Lebenssragen unseres deutschen Volkes hätte sich Herr Minister Severing nicht von seinen Parteifunktionären niederstimmen lassen. (Brabo und sehr richtig! im Zentrum und links.)
Nun, meine Damen und Herren, aber kommen wir zu Zahlen! Treten wir aus der allgemeinen Politik hinüber in das einfache, nüchterne Gebiet der Zahlen. Wie sieht es denn nun mit diesem sozialisierten und katholisierten Ministerium in Wirklichkeit aus? Die Parteistellung des Ministers ist Ihnen bekannt. Es gibt sieben leitende Beamte, einen Staatssekretär, fünf Ministerialdirektoren und einen Dirigenten. Davon gehören der Deutschnationalen Partei an oder stehen ihr nahe zwei (hört, hört! links) der Deutschen Volks— partei zwei, den Demokraten zwei, dem Zentrum einer, der Sozial⸗ demokratie keiner. (Lebhafte Zurufe bei der Sozialdemokratischen Partei: Hört, hört! — Zurufe rechts) — Die Rechte hat mich ge zwungen, diese Dinge alle hier einmal vorzubringen. (Sehr nichtig! im Zentrum und links) Ich hätte es von mir aus nicht getan. Aber es werden Ihnen die Augen übergehen über die Zahlen, die ich
Ihnen jetzt bringe. Gurufe rechts) Meine Damen und Herren! 28 Ministerialräte sind im Ministerium. Ich muß zugeben, daß ich nicht jeden einzelnen nach
seiner Partei befragen kann. (zurufe rechts: Ahah Aber der Sozial- demokratie parteipolitisch gehören zwei von diesen 28 an (hört, hört! links), einer steht ihr nahe, also drei. Dem Zentrum gehören an oder sind jedenfalls katholisch — ich weiß nicht, ob sie alle dem Zentrum angehören — sieben. Das ist die berühmte Vorherrschaft des Zentrums im Kultusministerium, während deutschnational und Volkspartei mindestens neun bis zehn deklarierte Mitglieder sind. Die übrigen kann ich nicht näher definieren. Von den neun ist einer deklarierter Demokrat. (Surufe rechts) Es gibt auch Leute, die keiner Partei angehören, wie ich. Wo wollen Sie die unterordnen! (Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)
Von 39 Hilfsarbeitern — sie sind bekanntlich das große Reservoir, wo man die politischen Konzessionen machen kann und Leute heran ziehen kann. Ich höre schon von Ihnen diesen Vorwurf. Guruf rechts: Amtlich festgestellt) Das ist amtlich festgestellt. (Große Heiteckeit rechts) Von 39 Hilfsarbeitern sind ganze acht Katholiken und drei Sozialdemokraten. (Hört, hört! im Zentrum und bei den Sozialdemokraten) Und unter den 114 mittleren Beamten des
Kultusministeriums sind sieben Katholiken. (Hört, hört! im Zentrum) Sie werden noch bedauern, daß Sie mich genötigt haben, das zu sagen. Ich bin aber gewillt, hier Abhilfe zu schaffen, aber nicht in
hoch eingestuft hat. So entsteht mit einem Male eine gewisse Not
sagen: ich denke gar nicht daran, wenn ich irgendwo einen tüchtigen Menschen treffe, ihn wegen seiner Parteizugehörigkeit zu benach⸗ eiligen. Zurufe und Unvuhe rechts) Ich habe jetzt vor — um mur ein Beispiel zu geben — in der nächsten Zeit einen der deutschQ nationalen Partei sehr nahestehenden Herrn ins Ministerium ein- zuberufen, und beabsichtige, ihn gegen den Widerspruch der Linken zum Ministerialrat zu machen, weil er mein Vertrauen hat, und weil es mir ganz gleichgültig ist, daß er deutschnational ist. (Zurufe und Unruhe rechts und links) Meine Herren (nach rechts), ich muß Sie nur bitten, mir meine Worte nicht im Munde umzudrehen. (Erneute erregte Zurufe rechts) — Ich bin nicht verlegen; da können Sie ganz beruhtgt sein.
Ich habe gesagt, daß ich es bei der Stellenbesetzung in allen Fällen, bei allen Behörden für meine Pflicht halte, unter der elbst⸗ verständlichen Voraussetzung, daß die Qualität und die Vorbildung des einzelnen geprüft wird, der pPolitischen Zusammensetzung des Volkes oder Bezirkes Rechnung getragen wicd. (Stürmische Zurufe rechts: Das haben Sie nicht gesagt) — Meine Herren, es gibt doch gewisse Selbstverständlichkeiten, die man nicht immer wiederholen muß; es gibt ein gewisses ABG der Vewwaltungspracis. Daß ich keine ungeeigneten Leute aus reiner Parteipolitik in eine Stelle setze, ist doch bei einem anständigen Menschen selbstverständlich. (Zu⸗ stimmung, Unruhe und Zurufe. — Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, ich glaube, durch meine ganze Haltung in allen diesen Jahren wirklich den Anspruch erworben zu haben, daß man mich nicht ohne weiteres in ein Parteischema einzwängt und daß man nicht glaubt, daß ich nun ausgesprochen der Mandatar der Linken wäre. (Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei: Das haben wir aber gedacht) — Wenn Sie es gedacht haben, deshalb braucht es nicht so zu sein. — Ich habe immer gesagt, daß ich auf demokratischem Boden stehe, und dazu werde ich mich auch jederzeit bekennen, daß ich aber absolut jede parteipolitische Bindung ablehne. Das werden mir, glaube ich, auch die Herren der Deutschen Volks—Q— partei, die mich näher kennen, bestätigen können. Gewisse Bedin= gungen sind für mich selbstverständlich: daß man einen Mann nur befördert, wenn er etwas taugt und die entsprechende Vorbildung für die Stelle hat. Daß man aber der parteipolitischen Einstellung und Zusammensetzung eines Bezirks Rechnung tragen muß, das halte ich auch für ein politisches ABG (ssehr richtig! links), und daß auf diesem Gebiete außerordentlich viel der Remedur bedarf, weil früher weht so vorgegangen ist, ist auch eine Selbstverständlichkeit (eb- hafte Zustimmung in der Mitte und links. — Unruhe und Zurufe vechts) — Meine Herren (nach rechts), was nutzt denn alles Reden von Volksgemeinschaft, wenn Sie einen Teil der Volksgemeinschaft von allen Stellen ausschließen wollen! (Große Unruhe und lebhafte Zurufe.)
Ich könnte nun die Fülle der Fälle von Imparität, die in unserer Verwaltung vorhervschen, noch wesentlich vermehren. Wenn Sie z. B. nur bei den Universitäten sehen wollen, wie da der katholische Volksteil vertreten ist und gar erst die Sozialdemokratie, wenn Sie einmal auf das höhere Schulwesen blicken wollen! Ich werde bei der Besprechung des höheren Schulwesens auf diesen Punkt zurückkommen und Ihnen dann auch ganz genaue Zahlen geben, die durchaus dem widersprechen, was Sie in deutschnationalen und volksparteilichen Zeitungen gelegentlich lesen können. Aber ich möchte diese Dinge jetzt nicht breiter erörtern, sondern nur noch einige der Einzelfälle hervorheben, die die Vorredner vorgebracht haben.
Ich wundere mich manchmal, welche Fälle hier — ich sage es offen und ehrlich — aus rein agitatorischem Interesse vorgebracht
dem Sinne, wie die Deutschnationalen es wollen, sondern im Sinne
werden, die längst erledigt sind, über die man sich längst aus