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Abg. Wie mer (D. Vp) berichtet über die Verhandlungen
des Hauptausschusses und hob u. a. hervor, daß eine Reform der Hauszinssteuer allgemein für erforderlich erachtet würde.
In der allgemeinen Aussprache erhielt als erster das Wort der ;
Abg. Waenti 8. um zunächst den Unterschied in der Verteilung der leder n Lasten beim Obrigkeitsstaat und beim wahren Volksstaat hervorzuheben. Die letzte Steuerreform 3 keineswegs dem Grundsatz, daß die Steuerlast sich zu richten habe nach der Leistungsfähigkeit. Freilich leide die Wirt⸗ chaft Not. Jeder wirtschaftliche Aufstieg sei undenkbar auf Grund
er Auspowerung der . die die Kaufkraft bis auf ein Minimum schwäche. Dank gebühre dem Finanzminister Dr. Höpker⸗ Aschoff. daß er beim Finanzausgleich dem Reich gegenüber die Interessen Ser Länder so ausgezeichnet vertreten habe. Auch seine Ausführungen über die Entwicklung zum Einheitsstaat seien zu be⸗ grüßen. Eine kleinstaatliche Politik könne man heute nicht ver⸗ treten. Das System der Steuerüberweisungen müsse schleunigst abgebaut werden, um die steuerliche Verantwortung wieder zur Auswirkung kommen zu lassen. Bei der Beteiligung des Staates an den Siemenswerken habe der Finanzminister keine glückliche an eingenommen. Dasselbe gelte für die Behandlung der
ngelegenheit der Giesche⸗Gesellschaft. Der Redner wünscht zum Schluß an Stelle einer . Demokratie eine wirischaft iche Demokratie, die sich bei der Steuerverteilung nach der wirklichen Leistungsfähigkeit der Steuerträger richtet.
Abg. Hecken (D. Nat.): Auch der Abgeordnete Waentig ist dabei verblieben, daß die Steuern in der Hauptsache von der arbeitenden Klasse getragen würden, daß der Heitrag dr Wirtschaft und der Besißenden unverhältnismäßig gering sei. Diese Auffassung verträgt sich nicht mit den Tatsachen; die Wirtschaft trägt ganz erheblich an den Lasten mit, die die Verbraucherschaft übernehmen muß, und die Wirtschaft ist außerdem bedeutend vorbelastet, so mit Gemeindesteuern. Auf die Frage, ob denn heute die Wirtschaft be⸗
onders leistunesfähig ist, dürfte Herr Dr. Waentig die Antwort chuldig bleiben. Die Stillegungen, die Arbeiterentlassungen im luhrgebiet, der Rückgang des Kohlenverbauchs, das Anwachsen der aldenbestände, alle diese Erscheinungen sprechen eine beredte Sprache. Das Bild, das der Weltmarkt darbietet, weist mit diesen trüben Zuständen im Ruhrrevier weitgehende Aehnlichkeit auf. Selbst die Rar eilierung der Industrie, selbst das , wird den Aufstieg des Exports nicht in erwartetem Maße zur Folge haben. Das Heil ist überhaupt nicht zu suchen und zu finden in der ein— seitigen Beg ünstigung des Expports; die Industrie wird nur dann wieder hochkommen, wenn es gelingt, den Inlandsmarkt kaufkräftig zu machen und zu erhalten. Die bon dem Abeeordneten Waentig zwischen den Interessen der Landwirtschaft und denen von Barmat und Kutisker gejogenen Parallele muß aufs schärfste zurückgewiesen werden. (Zu⸗ stimmung rechts Die Notlage der Landwirtschaft hat sich in den len ten Wochen ganz bedenklich verschlechert; sie weiß nicht mehr, wohin mit ihren Vorrten, und die Kreditmöglichkeiten genügen nicht ent fernt. Hier muß Hilfe gebracht werden, baldigste Hilfe. Die Aus- landskredite können natürlich nur auf dem Wege des deutschen Waren- erxports abgetraͤoen werden; aber besteht denn dazu große Aussicht, wenn ausländische Staaten in immer stärkerem Maße dazu über gehen, die deutschen Fabrikate abzusperren? Die Finanzpolitik der Gemeinden hat Herr Waentig zu verteidigen versucht; aber tatsächlich ö die Gemeinden noch nicht soweit in der Erkenntnis vorgedrungen, 7 auch für sie Spgrsamkeit das erste und Haupterfordernis ist. Uebrigens ist ja die Verschwendune politik mancher Gemeinden kein Wunder, wenn man die o, Zusammensetzung ihrer Vertretungen unter die Lupe nimmt. (Aha! bei den Kommunisten und Sozial demokraten. Wir fordern eine ar; dhabung des Genehmigungs⸗ rechti der Aufsichtsbehörde. Eine Reform der Here ef, , ist not-; wendig. Eine Vereinfachung in der Erhebung von Reichs- Staats- und Gemeindesteuern würden wir grundsätzlich begrüßen. Die Ver längerung des Gesetzes wegen Erhebung einer Grundbermögenssteuer wird uns jetzt vorgeschlagen; in den Einzelheiten der Begründung ühlen wir eine Spitze gegen den Mittel- und Großbesitz heraus, eren Berechtigung uns durchaus zweifelhaft erscheint. Bei der Pacht zinssteuer ist eine Ausgestaltung notwendig.
Abg. Schmedding Gentr.) geht zunächst auf die größten Schwierigkeiten näher ein, unler denen unter den heutigen mißlichen Finanz und Kreditverhältnissen auch die Kreis⸗ und Provinzial⸗ verwaltungen bei der Erfüllung der ihnen obliegenden wichtigen Auf⸗— gaben zu leiden haben, und knüpft dabei im einzelnen insbesondere an die Provinz Westfalen an. Zumal der Anleiheweg sei so gut wie gänzlich versperrt. Der Durchführung ener tunlichst einheitlichen Steuerverwaltung im Reich, Staat und Gemeinden, wie sie der Finanzminfter vor kurzem befürwortet habe, stimme auch das Zentrum im Grundsatz bei; im einzelnen beständen natürlich Differenzen, deren Klärung von der weiteren Durcharbeitung der Idee zu erwarten sei.
Abd. Dr. von Richter (D. Vp.): Das Verhältnis der Länder zum Reich hinsichtlich der Finanzgebarung hat, das ist die feste Ueberzeugung meiner Partei, durch die Weimarer Verfassung nicht ene Erleichterung, sondern eine Erschwerung erfahren. Die Aus—= führungen, die der Finanzminister unlängst mit Bezug hierauf gegen— über dem Abgeordneten Dr. Rose gegeben hat, haben uns nicht be⸗ friedigt; durch das Vorgehen des Finanzministers ist die Stellung Preußeng gegenüber den Reich entsch eden geschwächt worden. Die Richtlinien der Politik hat der Ministewräsident, nicht der Finanz⸗ minister, zu bestimmen; aber auch die Mehrheit des Landtags hat der Minsster nicht hinter sich. Für die Beseitigung der Selbständigkeit der Länder werden z. B. Zentrum und Bayerische Volksßartei nie zu haben sein. Jeder andere Finanzminister eines deutschen Einzelstagats hätte diesen Gedanken lancieren können; der preußische Finanzminister durfte es nicht. Der Redner erläutert hierauf an der Hand ver— gleichenden Materigls über den Stand des Volksbermögens den großen Ernst der wirtschaftlichen Lage. Die Durchschnittssteuerbelastung des Einkommens belaufe sich gegen 1913 auf nicht weniger als das Vierfache; auf die Dauer sei es aber doch unmöglich Steuern aus dem Kapital anstatt aus dem Einkommen zu bezahlen. Als es lich um die Erhaltung der Währung gehandelt habe, hätte er als Finanzminister hohe Steuern nehmen müssen, aber er sei sih klar ge wesen, daß sie aus dem Kapital hätten genommen werden müssen; was damals für eine Uebergangszeit eine sehr unerwünschte Notwendigkeit gewesen wäre, führe auf die Dauer zu unhaltbaren, zu ruinösen Zust nden. Im Ausschuß habe sich der Finanzminister beschwert über das Zuviel der von den Ressort⸗ ministern zum nächsten Staatshaushalt angemeldeten Forde⸗ Lungen: es sei bedauerlich, daß hier der Ressortminister über den Staatẽminister gesiegt habe. Den Mut. unpopulär zu sein, den Herr Waentig von jedem Finanzminister verlangte, habe er Redner) stets be wiesen; aber diesen Mut müßten alle Verantwort- lichen haben und nicht zuletzt der preußische Landtag. (Zu— stimmung. Im Landtagshaushalt sei Sparsamkeit auch ganz be anders angezeigt; sie könne herbeigeführt werden durch kürzere Sessio nen und durch Verringerung der Abgeordnetenzahl. Es be— stehe doch der Ständige Ausschuß: das Mißtrauen, aus welchem man die Nohvendigkeit des permanenten Tagens des Landtags herleite, sei also unberechtigt. Jedenfalls ses es unabweislich, das politische und das finanzielle Interesse auf diesem Gebiete in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen. — Auslandsanleihen be⸗ deuteten unter allen Umständen eine Verschuldung an das Aus⸗ land; darum sei bier äußerste Zurückhaltung geboten. Die Ver— antwortung für die preüßischen Finanzen könne kein Staats— ministeriolbeschluß dem Finanzminister abnehmen; darum müsse seine Stellung gestärkt werden. Die Gesundung der preußischen Finanzen sei nicht bloß Aufgabe des Finanzministers, sondern vor
allem auch der Regierungsparteien! (Hört, hört! und lebhafter Beifall.)
Finanzminister Dr. R öpker⸗Aschoff: Meine Damen und Herren! Der Heir Abg. Dr von Nichter ist soeben noch einmal auf Aeußerungen zurückgekommen, die ich anläßlich eines Vortrags in der Handelshochschule gemacht habe. Ich möchte hier mit allem Nachdruck heivorheben. daß ich diele Aeußerungen duichaus
als Privatmaun, nicht etwa im Auftrage der Staatsregierung
getan babe. — Herr Kollege von Nichler, Sie schätteln dabel
den Kopf, aber ich glaube, der Unterschied sollte doch tlar sein
Es ist ganz selbstverständlich, daß ich, wenn ich von der Industrie⸗ und Handele kammer gebeten weide, einen theorenichen Vortiag über Steuerfragen zu halten, dann unmöglich als Minisser und im Auf— trage der Staatsregierung sprechen kann. Infolgedessen sind, glaube ich, die Bemerkungen darüber, daß diese Ausführungen hochvolitisch gewesen seien, und daß doch der Herr Ministerpräsident die Richl⸗ linien der Politik bestimme, abwegig Was ich dort gejagt babe, habe ich im Verlauf eines theoretischen Vortrags gesagt, als Staats— minister habe ich dort nicht gesprechen und habe auch dort feine Er— tlärung der preußischen Staatsregierung abgegeben. (Unruhe und Zurufe rechte. Ich will nicht boshast sein, aber ich könnte sonst daran erinnern, daß es Minister gibt, beispielsweise aus den Reihen der Deutschen Volkspartei, die sich auf Parteitagen oder bei andeien Gelegenheiten zur monaitchischen Verfassung bekannt haben, entwrechend dem Parteiprogramm der Deutschen Volkepartei. Unmöglich hätte doch ein solcher Minister in einem solchen Fall im Namen der Neiche regierung sprechen können; denn die Reichsregierung ist die Regierung der Deutscken Republik. (Zurufe und Unruhe
rechts) Ja, solche Dinge sind vorgekommen, Herr Abg. Dr. von
Richter. Herr Dr Stiesemann hat als Minister des Reichs von diesen Dingen nicht nur auf Parteitagen, londern auch in Versamm lungen gesprochen. Und Sie wären niemals auf den Geranken ge—⸗ kommen, zu agen: Du bist der Minister der Republik, Du darfst Dich infolgedessen nicht zur monatrchischen Verfassung bekennen Ebensewenig dürfen Sie mir sagen: ich sei preußischer Finanzminister und dürfe mich daher nicht zu einer Auffassung bekennen, die ein anderes staatérechtliches Verhältnis zwischen Reich und Preußen voraufsetze. Also ich bin, glaube ich, durchans berechtigt, meine Anschauung zur Verfassung und zu einer künftigen Ausgestaltung oder Abänderung der Verfassung darzulegen. (Sehr richtig! links) Wenn man sich auf den Standpunkt stellen wollte, daß ein preußischer Minister über diese Dinge gar nicht reden dürfte, sa, wenn man die Dinge auf die Spitze treiben will, dann hätte Bismarck nie darangehen dürfen, das Reich zu gründen. Denn indem er das Reich gründete, baute er in Preußen eine Instanz auf, welche einen großen Teil der Machtvollkommenheiten und der Souveränitätsrechte nunmehr dem vpreußischen Staat abnahm und auf das Reich übertrug. (Sehr richtig! links — Zurufe und Unruhe rechts) Was ich ausgeführt habe, liegt durchaus im Zuge dieser Entwicklung. Wie man damals die Staaten zu einem Bundes⸗ staat zusammengesaßt und dadurch die Machtvollkommen⸗ heiten der Staaten zugunsten des Reichs entscheidend be— schränkt hat, so wollen die Anhänger des unitarischen Gedankens heute die Machtvollkommenheiten der Länder noch weiter beschränken und die Machtvollkommenheiten des Reiches noch weiter auedehnen. Und ich glaube, das kann niemand einem preußischen Minister verwehren. (Sehr richtig! links. Unruhe und Zuruse rechts. — Ja, Herr Abg. Dr von Richter, es hat doch auch schon früher preußische Minister gegeben, die über eine andere Ge⸗ staltung der Veifassung nachgedacht haben und nachdenken mußten und eine andere Ausgestaltung des Verhältnisses der Länder zum Reich mit allen Kräften gefordert haben.
Nun hat Herr Abg. Dr. von Richter noch gemeint, ich käme durch solche Ausführungen in eine schwierige Lage, wenn ich wieder einmal mit dem Reich zu verhandeln hätte. Er hat die Frage aufgeworfen: ja, was will der pieußische Finanzminister seinem Kollegen im Reiche sagen, wenn dieser ihm sagt: nun, im Grunde genommen müssen Sie mit mir einer Meinung sein, denn wir schwächen gemeinsam Preußen, und das entspricht Ihrer politischen Einstellung. Ich glaube, die Antwort, die ich diesem Kollegen im Reich zu geben hätte, wäre nicht schwer. Ich würde ihm sagen: sehr verehrter Herr Kollege, ich verhandle mit Ihnen auf der Grundlage der gegenwärtigen Verfassung; nach der gegenwärtigen Verfassung sind die Länder noch da und haben große und wichtige Aufgaben zu erfüllen; Sie dürten sich dem nicht entziehen, daß Sie, solange die Länder diese großen und wichtigen Aufgaben haben, den Ländern auch die Mittel zur Verfügung stellen, um diese Aufgaben zu erfüllen. Von diesem Gesichtépunkt aus habe ich auch den ganzen Finanzausgleich im Reichstag verteidigt. (Sehr richtig! Ich habe mit keinem Wort davon gesprochen, daß es mir darauf ankommt, die Selbständigkeit und Souveränität der Länder zu stärken. Ich habe
dort ausdrücklich betont, daß ich ein Anhänger des Einheitestaates sei,
daß ich den Föderalismus verwerfe, daß die Fragen des Finanz⸗ ausgleichs aber mit dieler Frage nichts zu tun haben, daß man viel⸗ mehr, folange die Länder und Gemeinden da seien und wichtige Auf- gaben haben, ihnen auch die erforderlichen Mittel zur Ver⸗ fügung stellen müsse. (Sehr richtig) Also ich glaube, es lassen sich diese beiden Dinge wohl vereinen. Man kann dem Pieußischen Staat dienen; — letzten Endes dient man dem Reich — und kann gleichwohl die Auffassung vertreten, daß das verfassungsrechtliche Verhältnis des Reiches zu den Ländern, ö. . es heute haben, nicht das glücklichste ist und einer Aenderung edarf.
Nun zum Etat selber. Der preußische Finanzminister ist in feiner angenehmen Lage, wenn er die Finanzen des Preußischen Staates veiwalten soll, da er bis heute ohne Etat ist. Es ist bisher noch nicht gelungen, obwohl wir bereits im neunten Monat des Jahres sind, den Etat zum Abschluß zu bringen. Wir arbeiten allo eigentlich ohne die verfassungsrechtliche Grundlage. Auch die gesetzlichen Fundamente, auf denen die Einnahmen beruhen, waren bisher umstritten. Es ist bekannt, daß die Ein—⸗ nahmen des Preußischen Staates sich im wesentlichen auf Not verordnungen agründen. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres auf dem Gebiete der Grundvermögenssteuer, der Gewerbe— steuer. der Haut zinssteuer Notverordnungen erlassen müssen, Diese Notverordnungen waren bisher bestritten. Eine Partei dieses Hauses, die Deutschnationale Volkepartei, hatte sogar eine Klage gegen den Preußischen Staat eingereicht. Diese Klage der Deutschnationalen Volkspartei ist duich Beschluß des Staatsgerichtshofs vom 21. November d. I abgewiesen woiden. (Hört, hört!) Es sind inzwischen auch die meisten dieser Notverordnungen, aus⸗ genommen die Nowerordnung über die Novelle zur Gewerbesteuer und die Novelle zur Hauszinssteuer, von dem Landtag genehmigt worden, und da auch bei diesen beiden Nowerordnungen der sachliche Inhalt von keiner Seite bestritten wurde, sondern nur die Form der Not⸗ verordnung selbst und das Vorgehen des Staatsministeriums beim Erlaß dieser Notverordnungen kann wohl damit gerechnet werden.
daß auch diese Notverordnungen noch die Genehmigung dleses Hohen
FRauses finden werden. Also insofern kommen wir Fier allmählich wieder in die Reihe. Aber der mißliche Zustand, daß wir im neunten Monat des Jahres noch ohne Etat sind bleibt beslehen.
Ich habe heute nicht die Aufgabe, eine Etaterede zu halten. Diese Ausgabe wud der preußische Finanzminister Anfang Januar haben, denn die Arbeiten des Etats für das Jabr 1926 kommen in dieser Woche zum Abschluß. Ich hoffe, daß der Siaaterat noch vor Weihnachten den Etat verabschieden und daß die Finanz verwaltung in der Lage sein wird, dem Landtag bei seinem Zusammen⸗ tritt am 12 Januar den Etat für 1926 vorzulegen (Bravo!) Meine Aufgabe kann also heute im wesentlichen nur die sein, zu dem Haus halteplan insosern Stellung zu nehmen, als ich hier die Frage unter suche, wie die Entwicklung in den hinter uns liegenden Monaten dieses Jahres Jeweien ist Der Herr Abgeordnete Dr. Waentig hat vorhin gemeint: ich habe im Hauptausschuß eine ewas pessimistische Auffassung geäußert. Ich will den Versuch machen, hier nachzuweisen, daß meine Auffassung durchaus nicht pessimistisch ist, sondern daß die bisherigen Steuereingänge im großen und ganzen dem Voranschlage entsprechen, und daß durchaus kein Anlaß dazu vorliegt, die Dinge günstiger zu betrachten, als sie in Wahrheit sind.
Ich beginne mit den Reichssteuerüberweisungen. Meine Damen nnd Herren, wir haben das Gesamtaufkommen der Einkommen, und Köiperschaftssteuer bei der Beiechnung des be⸗ richtigten Haushaltsanschlages auf 2250 Millionen geschätzt, im ersten Halbjahr 1200 Millionen, im zweiten Halbjahr 10650 Millionen Das Ist im Reiche hat im ersten halben Jahre 1279 Millionen be⸗ tragen, also 79 Millionen mehr, als wir bei unserer Rechnung an— genemmen hatten. Von diesen 79 Millionen entfallen auf das preußische Staatsgebiet 42 66 und auf den Staat allein 22 Mil lionen, bei dieser Position also im ersten Halblahr eine Verbesserung
von 22 Millionen. . ö Wenn man weiter die Frage aufwirft: wie wird die Entwicklung
der Einkommen⸗ und Könrperschaftssteuer im zweiten Halbjahr des laufenden Rechnungsjahres sein? so wird man mit einiger Zu— verlässigkeit etwa folgende Rechnung aufmachen können. Wir können rechnen, daß die Lohnsteuer, die Oktober 121 Millionen gebracht hat, in den Monaten Oktober, November, Dezember je 120 Millionen bringen wird, macht 360 Millionen. Wir müssen dann aber vom Januar ab mit einer Senkung der Lohnsteuer rechnen, weil eine Vor—⸗ lage der Reichsregierung, die den steuerfreien Abzug beraufsetzt, bereits den Reichsrat passiert hat und dem Reichstag vorliegt. Dadurch oll die Lohnsteuer auf 100 Millionen im Monat gesenkt werden. Wir können also für Januar, Februar, März rechnen mit einem Auf⸗ kommen an Lohnsteuer von 300 Millionen.
Die veranlagte Einkemmensteuer hat im Oktober 138.9 Mil— lionen gebracht. Ich rechne damit, daß im Januar daeselbe eingehen wird. 2 3 139 Millionen macht 278 Millionen. Für November, Dezember, Februar, März lege ich bei der veranlagten Einkommen steuer das Aufkommen des Monats September zugrunde mit 21 Mil— lionen, 4 3 21 sind — 814 Millionen.
Bei dem Steuerabzug vom Kapitalertrag gehe ich aus von dem Aufkommen in den Monaten August, September, Oktober — daruner ist ein Quartalsmonat — und lege das Doppelte dieses Aufkommens zugrunde, das sind 24 Millonen. Ebenso verfahre ich bei der Köiper⸗ schaftssteuer. Ich nehme das doppelte Ergebnis der Monate August, September, Oftober und bekomme 2 R 47 — 93. Rechne ich die Beträge zusammen — die Rechnung ist nicht zu vor- sichtig, sondern geht von den Tatsachen, wie sie heute beurteilt werden müssen, aus, ist also., wenn die Entwicklung bleibt, annähernd richtig — so würde das Gesamtergebnis 1140 Millionen be—⸗ tragen. Da wir bei der Berechnung des zweiten Halblahres von einem Gesamtaufkommen von 10650 Millionen ausgegangen sind, würde sich hier eine Verbesserung von 90 Millionen ergeben. Für das preußische Staatsgebiet macht das ein Mehr von 40.5 Millionen und für die Staate kasse allein 20 Millionen. Also 6 Ergebnis wäre, daß wir bei den Ueberweisungen aus Einkommen- und Körperschaftssteuer im ersten Halbjahr ein Mehr von 22 Millionen, im zweiten, wenn die Entwicklung sich nicht verschlechtert, was aber leider zu befürchten ist⸗ ein Mehr von 20 Millionen haben werden.
Wie liegt es bei der Umsatzsteuer? Das Aufkommen hat hier im ersten halben Jahr 1925 den Voranschlag etwas überstiegen und wird wegen der Senkung der Sätze der Umsatzsteuer im zweiten Halbjahr hinter dem Aufkommeen zurüdbleiben. Für Preußen isi dies mit Rücksicht auf die Garantie, die wir bei der Umsatzsteuen haben, gleichgültig. Mehrerträge können nicht erwartet werden.
Bei der Rennwettsteuer entspricht das Aufkommen des eisten Halbiahrs dem Voranschlag. Da wir bel der Rennwettsteuer im zweiten Halbiahr mit einem geringeren Aufkommen zu rechnen haben, wird hier ein mäßiger Ausfall eintreten, der für die Staatefinanzen nicht von allzu hoher Bedeutung sein wird.
Bei der Kraftiahrzeugsteuer sind wir ausgegangen von einem Aufkommen von b0 Millionen, das Reich geht aus von 60 Millionen, das wirtliche Aufkommen im ersten halben Jahr ist 37 Millionen gewesen. Es werden also die Provinzen nicht nur mit dem Betrag von 28.8 Millionen., der dem Gesamtauffommen von 50 Millionen entspricht, rechnen können, sondern mit einem Aufkommen von wahr— scheinlich über 40 Millionen. Auch dieser Mehrertrag ist für die Staate kfasse bedeutungslos, da die Erträgnisse der Kraftfahrzeugsteuer restlos den Provinzialverbänden überwiesen werden.
Ich komme dann zur Grundvermögengsteuer. Das Soll an Grund⸗ vermögenssteuer beträgt nach dem Etatevoranschlag 200 Millionen Das erste halbe Jahr hat 99,87 Millionen gebracht, also eine Fehlbetrag von 130 000 4. Der Monat Oktober hat 17,? Millionen gebracht, d. i. ein Mehr von 1,03 Millionen. Die Berechnungen entsprechen also ziemlich genau dem Voranschlag. Mehrerträgnisse sind auch hier nicht zu erwarten.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstali, Berlin. Wilhel mstr. 32
AWVier Beilagen leinschließ lich Börsenbei lage.) und Erste bis Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
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Das Soll an Hauszinssteuer, soweit es für die Finanz bedürmnisse des Staates in Anspruch genommen werden kann, beträgt 2til Millionen. Das Ist beträgt für die erste Hälste des Jahres 19209. 138 34 Millionen, also ein Mehr von 284 Millioen. Das Oktoberergebnis beträgt 24,9 Millionen, also mehr gegenüber dem Voranschlag 32 Millionen. Meine Damen und Herren, wenn Sie davon ategehen, daß der Mehreitrag in einem halben Jahre 284 Millionen bei einem Jahressoll von 2tz1 Millionen gewesen ist. dann entspricht das Aufkemmen eben dem Soll und es würde leicht sinnjg sein, etwa einen Mehrertrag des zweiten halben Jahres be— rechnen zu wollen. .
Mit anderen Worten: die großen Steuereinnahmen, die dem preußischen Staat zur Verfüqung stehen enthalten keine Reserven. abgesehen von der Eimnkommen⸗ und Köiverschaftesteuer. Bei thr würde nach den heutigen Berechnungen eine gewisse Reseive vor— handen sein Im ersten halben Jahr hat der Mehiertrag 22 Mil⸗ lionen betragen. für das zweite halbe Jahr kann er vielleicht auf 2 Millionen berechnet werden. Im übiigen haben wir nach der bis—⸗ herigen Entwicklung unter keinen Umständen mit Mehrerträgen zu rechnen
Nun kann man die Rechnung auch noch von einer anderen Seite aufmachen, nämlich von der kassenmäßigen Seite, und kann fragen: was hat der preußische Staat bisher eingenommen und aus- gegeben, mit welchem Fehlbettrage hat er gewirtschaftet? Wir gaben darüber ja auch monatliche Nachrichten heraus. Aus diesen werden Sie ersehen haben, daß wir im ersten Halbjahr des Rechnungsjahrs 1925 mit einem Fehlbetrag von 40 Millionen ge⸗ arbei tet haben und daß der Monat Oktober mit einem Fehlbetrag von 272 Millionen abschließt. Man sieht sofort, daß vom Oktober
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ab der Fehlbetrag ftark wächst, weil ja die Ueberweisungen aus der Einkommen- und Könperschaftssteuer zurückgehen müssen. Während das ganze erste Halbjahr mir einen Fehlbetrag von 40 Millionen aufweist, hat der Monat Oktober allein einen solchen von 272 Mil lionen. Wenn ich nun den Fehlbetrag des Monats Oktober für die noch ausstehenden fünf. Monate des Rechnungsjahrs zugrunde lege, so käme ich für diese fünf Monate auf einen Fehlbetrag von 136 Mil—⸗ lionen. Rechnen wir das zusammen: 40,2 Millionen, 27,2 und 136, so kommen wir auf einen Gesamtfehlbetrag von 203,4 Millionen. Dieser Fehlbetrag bleibt zwar hinter dem rechnungsmäßigen zurück, ist aber immer noch erschreckend hoch. Wenn die bisherige Entwicklung anhält, wird der Fehlbetrag vielleicht noch etwas herabgehen, weil die Ausgaben des zweiten Halbjahrs im allgemeinen nicht so hoch sind wie die des ersten. Wenn sich aber die wirtschaftliche Entwicklung weiter so verschärft, wie wir es heute beinahe befürchten müssen, dann müssen wir im zweiten Halbjahr wahrscheinlich mit größeren Ausgaben und mit geringeren Einnahmen als im ersten Halbjahr bechnen — und durch diese Erwartung gestaltet sich das Bild so außerordentlich ernst. ö
Ich bin daher sehr dankbar dafür, daß hier verschiedene Redner darauf hingewiesen haben, daß die äußerste Sparsamkeit geübt werden muß. Von verschiedenen Rednern ist auch gesagt worden, das könne nicht die Aufgabe des preußischen Finanzministers allein sein, er müsse dazu die Unterstützung der anderen Ressort⸗ minister haben. Das ist ganz richtig. Der Finanzminister bedarf, wenn er sparsam fein will, der Unterstützung der anderen Ressortminister; er bedarf aber auch der Unterstützung des Landtags. Wenn im Landtag inmer wieder neue Forde⸗ rungen an die Finanzverwaltung gestellt werden, dann ist es nahezu unmöglich, sparfam zu sein. Sehr richtig) Die anderen Ressorts müssen zuerst darauf sehen, in ihrem Auf⸗ gabenkreis möglichst viel zu leisten, sie müssen daher an den Finanz⸗ minister mit der, Bitte um Geld herantreten. Die Aufgabe, zu sparen, wird daher immer mit vollem Nachdruck auf dem Finanz⸗ minister liegen, wenn er natürlich auch versuchen muß, die anderen Ressortminister davon zu überzeugen, daß sie den finanziellen Be⸗ dürfnissen des Staates Rechnung tragen müssen. Aber die Stellung wird dem Finanziminister sehr erschwert, wenn die anderen Ressort— minister sich stets darauf berufen können, daß die Forderungen mit denen sie an den Finanzminister herantreten, irgendwelchen Be⸗ schlüssen entsprechen, die der Landtag oder einer seiner Ausschüsse gfaßt hat. So gehen die Dinge regelmäßig: wenn ein anderes Ressort an den Finanzminister herantritt, kann es sich regelmäßig auf einen Beschluß des Landtags oder eines seiner Ausschüsse bexufen. Dadurch wird es dem Finanzminister so schwer, Sparsam⸗ keit zu üben. Also wenn ich eine Bitte aussprechen darf, dann ist es die, daß der Landtag und alle seine Parteien sich der Verpflich⸗ tung, die äußerste Sparsamkeit zu üben, mehr als bisher bewußt sein möchten. J
Auf eine Reihe von anderen Fragen, die noch an mich gestellt worden sind, will ich in einem anderen Zusammenhange eingehen; nur eine Frage möchte ich hier nur erörtern. Ich bin gefragt worden, wie die preußische Staatsregierung sich zu der Senkung der Lohnsteuer gestellt habe. Die preußische Staatsregierung hat der Vorlage der Reichsregierung zugestimmt. Ich habe in meiner Berechnung schon vorweggenommen, daß die Lohnsteuer in den drei Monaten vom 1. Januar ab nur noch je 100 Millionen bringen wird. Diese Rechnung entspricht der Vorlage der Reichs⸗ regierung.
Es liegen aber im Reichstag bereirs weitergehende Anträge vor, deren Annahme Rückwirkungen auf den preußischen Haushalt haben würde. Ich glaube aber, daß auch der Reichstag sich davon überzeugen muß, daß er den Forderungen der Länder und Ge— meinden Rechnung tragen muß und daß er daher über die Anträge der Reichsregierung und des Reichsrats nicht hinausgehen kann, ohne die Finanzen der Länder und Gemeinden zu gefährden.
Abg. Mülꝛler⸗Hessen (Komm.): Die preußische Finanzmisere wird nie heseitigt werden, wenn nicht der Besitz diejenigen Steuern r die Allgemeinheit leistet, die er zu tragen verpflichtet wäre. Deutschland . dem, internationalen Finanzkapital ausgellefert,
dafür haben Dawes und. Locarno gesorgt, und nur Narren oder
J Srste Beitage zun Deut s chen Reichsanzeiger und Preunzischen Staatsanzeiger Mr. 2832.
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Berlin,. Mittwoch, den 2. Dezember
bestochene Betrüger können in das Lob von Locarno einstjmmen. Immer geringer wird der Steuerbeitrag der Besitzenden; fast die anze Steuerlast ist den Besitzlosen aujgebürdet; ja, man holt aus 2 auch noch Hunderte von Millionen heraus, um sie den Be—= sitzenden in den Rachen zu wersen. Bei den Besitzlosen wird die Lohnsteuer von zehn Prozent durchgehalten; bei einem Vermögen von 50 000 AM beträgt der Steuersatz nur noch 9.5 Prozent! Und angesichts dieser kim melschrei enden Ungerechtigkeit wagt man dem Volle noch das Opfer der Abfindung der „notleidenden“ Hohen⸗ zollern zuzumuten.
Die Beratung wird abgebrochen.
Morgen, Mittwoch, 12 Uhr: Weiterberatung und Ab⸗ stimmungen. .
Schluß 5 Uhr.
Parlamentarische Nachrichten. Der Rechtsausschuß des Reichstags behandelte
2X gestern den Gesetzentwurf zur Entlastunz des Reichsgerichts. Der Vorsitzende Abg. Dr. Kahl (2. Bp. erstattete eingehend Bericht über den Inhalt der Vorlage und die dazu ergangenen Wünsche und Abänderungsanträge der Anwaltskammern beim Reichsgericht, des Deutschen Anwalts vereins und der Juxistischen Arbeitsgemeinschaft für Gesetzgebungsfragen. Von seiten der Reichsregierung wurde dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge die Notwendin keit einer Ent— lastung des ö damit begründet, daß d Zahl der in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten eingelegten Revisionen in der Nachkriegszeit gegenüber den früheren Jahren eine außerordentlich 6 Vermehrung erfahren habe. Von dem Zuwachs entfalle ein esonders großer Teil auf die Revisionen in Ehesachen, die im Jahre 1923 zahlenmäßig fast ein Viertel der Gesamtbelastung des Reichsgerichts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausmachten und der Arbeitsaufgabe von nahezu ein und einem halben Zivilsenat entsprächen. Der die Leistuagsfähigkeit des Reichsgerichts erheblich übersteigende Zufluß an neuen Sachen wirke sich in einer ständig zunehmenden, für alle Kreise der Rechtsuchenden auf die Dauer unerträglichen Hinauszögerung der Termine aus. Staatssekretär Joel Reichsjustizministerium) ging dann in ausführlichen mate⸗ riellen Darlegungen auf die durch den Vorsitzenden vorgetragenen Einwände und Abänderungsanträge der Anwaltskammer beim Reichsgericht, des Deutschen Anwaltsvereins und der Juristischen Arbeitsgemeinschaft ein. Unter den zahlreichen, zum großen Teil bereits anläßlich der früheren Entlastungsgesetze eingehend er⸗ wogenen 3 dürfte die einzige Erfolg versprechende und ohne eine tiefer greifende Umgestaltung des Rechtsmittels durch⸗ führbare Maßnahme der Verzicht auf die mündliche Verhandlung in denjenigen Sachen sein, in denen die Revision von vornherein offensichtlich unbegründet erscheint. Deshalb sehe nach dem Vor— bilde der im 5 3849 der Strafprozeßordnung getroffenen Regelung der 32 des Entwurfs vor, daß in den dort bezeichneten Ehesachen die Revision ohne vorherige mündliche Verhandlung durch Beschluß urückgewiesen werden kann, wenn der Senat des Reichsgerichts J einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet. Gegen die übrigen Vorschläge beständen teilweise erhebliche Bedenken, die der Staatssekretär eingehend auseinandersetzte. Abg. Dr. Pfleger (Bayr. Vp.) schlug vor, das Reichsgericht dadurch zu entlasten, daß man dem Reichsgericht die Aufgaben des Staagtsgerichts zum Schutze der Republik abnehme, indem man den Staatsgerichtshof
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entscheiden müsse, damit nicht planlos vorgegangen werde. Die porno. raphische Litecatur sei strafgeseßzlich bereits verboten. Sie eiwa auf iese Listen zu setzen, würde he ßen, unnütz für sie Propaganda machen; zwei Listen, eine für die Jugend und eine für die Ewmwachsenen gu. zustellen, gehe schwerlich an. Abg. Dr. Löwen stein Scez) hält die Abschreckun gs methode für nicht so wirksam, als den Versuch, der noch immer hochgestimmten Jugend begeisternde Aufgaben und Vor= bilder zuzuwelsen. Er exemplffizierte auf Goethes „Werthers Leiden“, ein Buch, das nach der Begriffsbestimmung von Schund und Schmutz weil es zu Selbstmorden führen könne, jetzt auch auf die Liste gesetz werden könnte. Nach Meinung seiner Freunde gehe es nur an, eine Reichsliste für Schund und Er ee, aufzustellen, aber nicht, auf die Liste einzelner Länder auch alle anderen zu verpflichten. Er begreife nicht, weshalb Länderstellen statt einer Reichszentrale zu schaffen seien. Am nötigsten sei eine soziale Besserstellung der Jugend lichen, die nicht mehr als sechs Stunden zu beschäftigen seien. Abg. Petzold (Wirtschaftl. Vereinig führte emen Teil der jetzigen Zu— stände auf das Zurückgehen des religiösen Sinnes zurück. Die Kinder⸗ stube müsse wieder mehr helfen, die Kinder zu erziehen. Abg. Dr. Elsa Matz (D. Vp.), die zur Berichterstatterin des Ausschusses be⸗ stimmt worden ist, betonte, daß neben der hochgestimmten Jugend eine große Schicht entarteter Jugend stehe und daß die hochgestimmte Jugend selbst einen solchen Schutz verlange, wie ihn das Gesetz bringen solle. Auch der Ausschuß deutscher Jugendverbände fordere ein solches Gesetz. In der gegenwärtigen Vorlage befriedige aller⸗ dings die Definikion nicht und es sei eine bessere Herausbildung von Grundsätzen für die Prüfstellen sowie eine Einbeziehung von Bild— werken, Ansichtspostkarten und Prospekten zu wünschen. Was die Frage, ob Landesstelle oder Reichsstelle anbelange, so hätten sich beim Lichlspielgesetz zwei Prüfstellen als durchaus genügend bewährt. Ahg. Kube (Völk) sprach sich für eine Zentralisierung der Zensur beim Reiche aus, da die Verschiedenheit der politischen Einstellung der Länderregierungen eine Ungleichmäß igkeit in der Durchführung be⸗ fürchten lasse. Außerdem müßten Jugendverbände aller Richtungen und auch die Lehrerverbände neben den Verlegern und Künstlegn in diefem Reichsausschuß vertreten sein. Abg. Dr. Reuß en wandte sich gegen die Einbezichung von Postkarten, Prospekten un Bildwerken in die Vorlage. Die darauf zielenden Anträge seien auch nur als Geste aufzusassen, weil Jugendliche für gewöhnlich gar kein Geld dazu hätten, Bildwerke zu kaufen und auch für Prospekte gar nicht in Frage kämen. Gegen die Einrichtung von Län derprüfstellen sprächen starke sachliche Bedenken. Mas dem Gesetze müsse die Be⸗ stimmung herausgenommen werden, daß guch die unentgeltliche Ab-⸗ gabe von Schriften an die Jugend unter Strafe gestellt werde. Diese Bestimmung würde zu einem Schnüffelsystem selbst innerhalb der amilien führen, wo kein Onkel mehr davor sicher wäre, daß er ins Hefängniz komme, weil sein Neffe auf irgendeine Art eine Schrift aus dem Besitz des Onkels in die Hand bekommen habe Von Regierungsseite wurde darauf hingewiesen, daß mit, dem Begriff unenkgeltliche Abgabe“ in der Vorlage namentlich verhindert werden soll. daß in Form von Zulagen in kleineren Schreibwaren geschäften Schund. und Schmutzschriften in die Hände der Jugend= lichen kämen. Die Länder wolllen, wie im Reichsrat zum Ausdruck kam, unbedingt bei den kulturellen Aufgaben mitwirken. In der Praxis aber würden doch kaum mehr als drei Landesstellen zu errichten sein. Auch der Regierungsvertreter ist der Auf— ei . daß Postkarten und Prospekte aus dem Gesetz heraus.; gelaffen' werden sollten, weil eine Belastung der Vorlage initz all diesen kleinen Papierstücken das Gesetz undurchführbar machen würde. Abg. Mathilde Wurm (Soz) lehnte in längeren Ausführungen den Entwurf in seiner gegenwärtigen Form ab, weil er absolut unüher—⸗ sehbar und unklar in seinen Auslegungen und Wirkungen wäre. Abg Dr. Schreiber (Gentr,) glaubt, daß man den Ländern einma
beseitigt. Abg. Dr. Landsberg (Soz.) betonte, daß feine
Parteifreunde kein Interesse an dem Fortbestehen dieses Stqats⸗
Republik garantierten, erhalten bleiben. Es entstehe die Frage, welcher Stelle diese Aufgaben von neuem übertragen werden sollen.
Ueberlastung des Reichsgerichts sei nur abzuhelfen durch eine Ver— mehrung der Senate. Er (Redner) stimme den Bedenken durchaus
achen allerdings die Einheitlichkeit der höchsten Rechksprechung, die maßgebend für die Rechtsprechung der unteren Instanzen sei, ungünstig beeinflussen könne. Es sei aber offenkundig. daß die Ueberlastung der Reichsgerichte durch die sogenannten Rebenauf— gaben entstanden sei, die erstinstanzlich zu behandeln seien. Es würde der Einheitlichkeit der höchsten Rechtsprechung nicht schaden,
würden. Abg. Ham we (Wirtschaftl. Vereinig) hielt die Ver— mehrung der Zahl der Senate trotz den vom Vorredner angeführten Gründen für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Reichs⸗
derart organisieren, daß die neuen Senate sich ausschließlich mit erstinstanzlichen Fragen beschäftigen könnten. Abg. Dr. Heintze (D. Vp.) schloß sirh den Ausführungen des Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vereinig) an. Eine Vermehrung der Senate des Reichsgerichts
sehr bedenklich. Es sei notwendig, daß die Reichsgerichtsräte weiter in der Lage blieben, miteinander zu verkehren, sich gegenseitig auszusprechen, ihre Erfahrungen und Gedanken aus— zutauschen. Je größer die Zahl der Reichsgerichtsräte sei, desto
größer die Gefahr des Auseinanderfallens in der sachlichen
Nevisionen insoweit ausgeschlossen sein sollen, als sie nur auf die Verletzung derjenigen BVerfahrensvorschriften gestützt werden, die die Ausübung des richterlichen Fragerekts und die Beweis⸗ würdigung betreffen. Dagegen äußerte Redner Bedenken gegen— über dem S 2 der Vorlage, der voꝛsie ht. daß in den dort bereichneten Ehesachen die Revision ohne vorherige mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden kann, wenn der Senat des Reichsgerichts
stand ebenfalls einer Vermehrung der Senate bedenklich gegenüber.
Weiterberatung auf Donnerstag. — Der Reichstagsausschuß für Bildungswesen setzte gestern die Beratung eines Gesetzentwurfs zur Bewabrung
Referententwurf eines Geseßes zum Schutz der Tugend voc schädlichen Schriften. Damach fallen unter das Gesetz: „Für Massenverbreitung bestimmite Schriften ohne künstlerischen oder wössenschaftlichen Wert, die nach Form und Inbalt verrobend oder entsittlickend wirken oder von denen eine schädliche Einwirkung auf die sittliche oeistige oder gesundbeitliche Entwicklung oder Ueberresrung der Phantasie der Tugendlicken zu besorgen ist.!“ Aba. Ufrike Scheidel (D Net) ksindigte laut Bericht des Nachrichbenbüros des Vereins deutscher Zeihunasverlener einen Antrag ihrer Fraktion an, daß wenen eirer politischen Tenden; als solcker micht eine Schrift auf die Schundliste gesekt werden dürfe Die Frage sei zu erwären, ob die Geltung des Gesezes über Drückschriften hinaus auf Postkarfen und Biwwerke sowie auf gewisse Alben usw. ausdehnen sei Gebeimraf Gürich seafe dar, daß fsir Anre nungen aus dem Publikum zur Ergänzung der
Schmutzliste natürlich eine Stelle vorhanden fein müsse, die darüber
gexrichtshofes zum Schutze der Republik hätten. Selbstverständlich müßten aber die materiellen Bestimmungen, die den Schutz der
Das sei aber nicht Gegenstand der gegenwärtigen Aussprache. Der
zu, daß eine allzu große Vermehrung der Senate in Revisions-
wenn für diese erstinstanzlichen Aufgaben neue Senate gebildet
gerichts gefährdend. Die Vermehrung der Senate lasse sich nicht erscheine ini Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung als P
schwieriger werde der notwendige persönliche Konnex sein., desto
Stellungnahme zu den Rechtsproblemen. Abg. Barth (D. Nat.) stimmte dem 8 1 der Vorlage zu, wonach auch weiterhin allgemein
sie für unbegründet erachtet. Abg. Hannemann (D. Nat)
— Hierauf vertragte der Ausschuß, ohne Beschlüsse zu fassen, die
der Jugend vor Schund und Schmutz unter dem Vorsitz des Abreordneten D. Mumm fert. Ueberreicht wurde der Versuch ener Begriffsbestimmung für Schund. und Schmußschriften“' zum
sagen müsse, daß sie zwar Kulturtraͤger seien, aber in der letzten Zeit
auf dem Gebiete der Auslandslitergtur gußergrdentlich . hätten. Er weist darauf hin, daß Schmubschriften namentlich von kleinen Papierhändlern verteilt würden, während die Buchhändler an sich gar nichts damit zu tun hätten. Da wirksam einzugreifen und Vorschläge zur Abhilfe zu machen, wäre Aufgabe der Länder. Abg; Dr. Anna Stegmann (Soz.) hebt hervor, daß Kitsch, der doch durch die Vorlage bekämpft werden solle, auch da vorliegen würde, wo man den Geist der Prüderie in das Gesetz hineinbringen wolle. Man fände Kitsch auch noch viel in den Schulbüchern, die daraufhin durch- zusehen wären. Nach weiterer Debatte vertagte sich der Ausschuß ohne Beschlußfossung auf Mittwoch, den 9. Dezember.
— Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ gelegenheiten trat gestern in die Beratung über die zur r w erbslosenfürforge vorliegenden Anträge ein. Nach einem Bericht der Regierung über die Besprechungen mit den Länder⸗ vertretern wurde beschlossen, die Beratung der folgenden vier Punkt vorzunehmen: 1. Erhohung der Unterstützungssäße; 2. Wieder—⸗ einführung der Kurzarbeiterunterstützung; 3. ᷣ über die Dauer der Unterstützung; 4. Einbeziehung Angestellten in die Fürsorge. Im Laufe der dann folgenden Debatte über die Erhöhung der Sätze beantragten die Kommunisten eine Erhöhung um 100 25, die Sozialdemokraten eine solche um 50 Y der jetzigen Sätze. Ein demokratischer Antrag verlangt 33 235, während in dem Anfrage des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei 30 , Erhöhung für die Hauptunterstützungsempfänger verlangt wurde. Mit Rücksicht darauf daß einige Fraktionen über das Ausmaß der Erhöhungen noch keinen Beschluß gefaßt hatten, wurde die Abstimmung auf heute vertagt.
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Der Aeltestentrtat des Preußischen Landtags legte gestern vor der Vollsitzung den Geschãftsplan für Dezember fest. Heute nachmittag will man die rückständigen Abstimmungen zu den Etats, u. 4. auch die Abstimmung zu der Barmat⸗Angelegenheit, votneh men. Zu erledigen ist noch der Rest des Haushalts der Allgemeinen Finanzverwaltung, außerdem eine Reihe von kleinen Vorlagen, so die Novelle zum Feld. und Forstpolizeigeseß und die Verwaltungs— rechtsanwaltsordnung. Außerdem werden eine Reihe von Anträgen über Erwerbslosigkeit usw. vom Plenum noch einmal dem Haupt- ausschuß überwiesen werden. Die dritte Beratung des Haushalts beginnt, wie bereits beschlossen war, am 9. Dezember und wird sich auf drei Tage erstrecken
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Vorlage, laut Bericht des NMacböichtendürr Zeitungsverleger, im wesentlichen Leschlagenen Fassing angenomme Bestimmung eingefügt. hack de beballen bleiben, die sie mit Ter in einem Anstellunz werb ltnis bieberigen Stellung er ldedt Anree ung der Recht boar kirr e de Behm mag t das Gesetz auch anf der in der TRrdendters übertretenden Lehrer- bildner ausdehnt Dez weine eden Entf cpungasan trãge an- genommen, woneck J dme, e dme n ne eren; ebung aller staat⸗ der Mn zträger u sorgen ist und wo- duch die Aufbauschulen in d. Von den 42 Akgdemikern veiteren Lebrkräften 230 unter
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