Nichtamtliches.
Dentsches Reich.
Ter Reichs at. hielt gestern auf Wunsch des eichs= ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft eine öffent⸗ liche Vollsitzung ab, um den Gesetzentwurf zur Sicherung der Getreidebewegung im Wirtscha ts jahr 1925726 zu erledigen.
Ausschüsse des Reichs rats haben fich in zwei Sitzungen mit der Vorlage beschäftigt, die zum Inhalt hat, daß die in Liquidation befindliche Reichsgetreidestelle ihre Tatigkeit um ein weiteres Jahr verlängern soll. Die Reichsregierung soll ermächtigt werden, im Wirischafts jahr 192526 24 die Reichsgetreidestelle Getreide⸗ antäufe vornehmen zu lassen, ie den Umfang von 2900 909 Tonnen nicht übersteigen. Der Grund für die Vorlage ift, daß die Land⸗ wirtschaft für Brotgerreide, namentlich für Roggen, heute vielfach teinen Abnehmer findet und die Preise auf einen unverhältnis⸗ mäßig niedrigen Stand gesunken sind. Wegen der Kreditnot und des Kapitalmangels findet auch veim Getreidehandel und bei den Mühlen keine nennenswerte Vorratsbildung von Brotgetreide statt. Wenn auch augenblicklich sich eine etwas steigende Tendenz be⸗ merkbar macht, ist doch nach Anficht der Regierung die Tatsache der AIbsatstockung und der unzureichenden Preise, namentlich für Roggen, im Zusammenhang mit der allgemein ungünstigen Lage der Landwirtschaft so besorgniserregend, daß die k sich entschlossen hat, die Vorlage einzubringen, die ihr die Mög⸗ lichkeit bietet, in das freie Spiel der Kräfte teils anregend, teils ausgleichend und beruhigend einzugreifen. Die Reichsgetreidestelle, die seit . Juli dieses Jahres in Liquidation ist, soll ein Jahr lang nach den bisher geltenden Bestimmungen weiterarbeiten. Da mehrere Gesellschafter die Auszahlung ihrer Geschäftsanteile bean⸗ tragt haben, soll das Finanzministerlunm ermächtigt werden, die se Geschäftsanteile zu erwerben, wozu die Reichsgetreidestelle die Mittel aus ihren Ueberschüssen zur Verfügung zu stellen hat. Da⸗ mit die künftige Lignidation der Getreidestelle beschleunigt durch⸗ geführt werden kann, soll das Gesetz von 1921 über die Abwicklung der Kriegsgesellschaften auch auf die Getreidestelle anwendbar sein. Tie Ausschüsse des Reichsrats haben namentlich auch die Ein⸗ wendungen aus den Kreilen des Handels und der Mühlenindustrie geprüst und gewürdigt. Der freie Handel soll grundsätzlich nach wie por seiner Tätigkeit walten und auch zu den Gechã te der Reichs⸗ getreidestelle hinzugezogen werden. Diese wird überhaupt nicht dauernd int Geschäft bleiben, sondern nur eingreifen, wenn die Marktlage es erfordert. Die mögliche Einwirkung auf die inner⸗ politischen und wirtschaftspolitischen Verhältnisse wurde gleichfalls erörtert. Die Mehrheit der Länder war der Ueberzeugung, daß auch die Verbraucherkreise an der Durchführung der geplanten Maßnahmen nicht uninteressiert sind, die ja wesentlich dazu dienen soll, große Preisschwantungen zu verhindern und die Ernährungs⸗ wirtschaft nicht in größere Abhängigkeit vom Auslande gelangen zu lassen. Die Ausschüsse haben der Vorlage mit sieben gehen fünf Stimmen zugestimmt.
. In der Vollsitzung wurde in namentlicher Abstimmung die Vorlage mit Fl gegen 28 Stimmen angenommen bei Stimmenthaltung von Niederschlesien, Hamburg und Olden⸗ burg. Dagegen stimmten das Preußische Staatsministerium, die Vertreter von Berlin, der Provinzen Sachsen, Schleswig⸗ Holstein, Westfalen und der Rheinprovinz, die Staaten Bayern, Baden, Hessen, Braunschweig, Anhalt, Bremen, Lippe, Lübeck. Auf Antrag der preußischen Regierung wurde in das Pro⸗ tokoll ein Ersuchen der? mne fe Staatsregierung an die Reichsregierung dahin aufgenommen, daß die Reichsregierung der Reichsgetreidestelle folgende Anweisungen geben solle: J. sich nicht der Form des handelsrechtlichen Lieserungs⸗ geschäftes zu bedienen, 2. die Geschäfte nach 2 . Gesichts⸗ punkten abzuschließen, daß eine Steigerung der Roggenpreise möglichst vermieden wird, 3. keine Auslandskäufe vorzunehmen. Der Reichsrat erklärte sich einverstanden mit der Dring⸗ lichkeit der vom Reichstag in dritter Etatsberatung zum Etat des Reichstags angenommenen Position, wonach ein Betrag von 1420 060 Mark für den A 6 eines Grund⸗ st ü cks zu m Erweiterungsbau des Reichstags n den Etat für 1925 eingestellt werden soll.
Wie der Berichterstatter hervorhob, find die re f zu der Ueberzengung gekommen, daß es sich hier um eine wirtschaftliche Ausgabe handelt. Man erwerbe einmal ein Vermögensobjett zu einem angemessenen Preise und es werde auch eine mäßige Ver⸗ zinsung erzielt durch die Miete, die die Japanische Botschaft zahle, die noch einen zweisährigen Mietsvertrag in dem anzukaufenden Haufe hat.
Baden und Bayern hielten s tokoll offen.
ich in dieser Frage das Pro⸗
Deutscher Reichstag.
181. Sitzung vom 9. Dezember 1925, Nachmittags 2 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitung verleger )
Am Regierungstische: Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf Kanitz. .
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Mi⸗ nuten. ⸗ j
Der Gesetzentwurf zur Senkung der Lohnsteuner wird dem Steuerausschuß überwiesen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt Abgeordneter Rödel (Komm) sofortige Besprechung der Frage der Er⸗ höhung der Erwerbslosenunterstützung und führt aus: .
In Rheinland, Westfalen und Hessen Nassau sei in den letzten Wochen die Zahl der Grwerbslofen um 40 vp gestiegen. Trotzdem fomme der Sozialpolitische Ausschuß zu keinem Entschluß, da die Regierungsvertreter immer wieder darauf hinwiesen, daß eine Regierung, die noch finanzielle bedeutsame Beschlüsse fassen könne, gegenwärtig nicht vorhanden sei. . . ö egen g. Mu fhäu fe (Soß) weist darauf Hin, Faß die Entscheidung über diefe Fragen am Donnerstag im Ausschuß fallen werde. Heute sei eine Debatte daher unmöglich. Der Redner wirft den Kommu⸗ nisten vor, daß sie den (Ecrwerbslosen nicht helfen, sondern ihnen nur eine Komödie vorführen wollten. (Großer Lärm bei den Kommu⸗ nisten ) . ö ; Abg. Esser Gentr) weist. den kommunistischer Vorwurf zurück, als ob die anderen Parteien die Erledigung der Erwerbslosenfrage sabo⸗ riert hätten. Alle Parteien seien darin ng fernen daß es sich um eine dringliche Angelegenheit handle, die bald zur Lösung gebracht werden müsse. Zunachst müsse der Ausschuß entscheiden, dann werde has Haus auch für fofgrtige Eglezigung der Sache sorgen. (Beifall
Da gegen die sofortige Behandlung der Frage Widerspru erhoben wird, ist die Angelegenheit vorlaufig erledigt.
Darauf wird die dritte Lesung, des R , haltsplanes beim „Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ fortgesetzt.
Abg. Sch midt⸗K spenick (Sorg) erklärt, die Se zial⸗ demokratie sei durchaus nicht landwirtschaftsfeindlich. Es sei ein Un⸗ sinn, wenn behauptet werde, die Sozialdemokratie wolle, deß Deutsch⸗ land den Ackerbau aufgebe. Der Redner fordert Mittel für die Aus⸗ Pildung von landwirtschaftlichen Arbeitnehmern und deren Einführung in das Wesen der Sandarkeitsforschung. Er tritt weiter für ein
Mit Ausnahme der durch Sperrdruck berdorgebobenen Reden per Herten Minister, die im Werffaute wiedergegeben sind.
*
Reichs milche seß6 ein und fagt, die Ankräge ber Rechtsparleien 38 darf
gunslen der Landwirtschaft egten sich alle auf dem Boden der Ge⸗ meinwirtschaft, die sie sonst immer ablehnten. Der Redner kritisiert die Meibobe der Beporzieung ausland sches Arte n I deutschen Landwirtschaft, und zwar nicht nur in der Zuckerrũbenwirtschaft. der Zuckerrübenbau nicht zu Hause sei, da würden am meisten aus⸗ ländische Arbeiter verwendet. Dig Zölle hätten der Landwirtschaft nicht den erwarteten Nutzen gebracht, andererseits sei eine allgeme ne Verteuerung der Lebensmittelpreise durch die Zölle eingetreten. In einem Aufruf der bayerischen Tandesbauernschaft werde auch alles pom Staate erwartet und verlangt, anstatt sich mit der so stürmisch verlangten freien Wirtschaft abzufinden. Vielleicht werde man n i Ückernahme der schlecht rent erenden Wirtschaften durch den Staat verlangen und sie dann, wenn ssie hoch gebracht seien, wieder zurüdk⸗ fordern. Der Redner kritisiert einen Artikel des früheren Reicht innenministers Schiele, in dem er die Reichsgetreidestelle bekämpft habe, wahrend Feule seine Partei das Eingresfen des Staates ver. lange. Solange auf dem Lande, . B. in Mecklenburg, noch die Arbeiter auf den Gutshöfen sängen: Wir sind des Roßbach schwarze Haufen“, solange sollten die Landwirte nicht mit solchen Unterstützungs⸗ anträgen kommen. Allerdings sei das heute — sehr zum i der Voͤlkischen — schon etwas anders geworden, als in der Inflationszeit, in der jeng Nichtstuer auf den Gutehöfen unterhalten worken seien. Bezeichnend sei, daß guch der frühere Reichstagsabgeordnete Dr., Seim im Jahre 1933 den Antrag gestellt habe, die e , e ffein solle die Mühlen verstaatlichen. Dem Plan, das Bestehen der Reichs⸗ getreidestelle um ein Jahr zu verlängern, stehe die Sozialdemokratie ablehnend gegenüber; denn mgn beabsichtige dadurch nur eine Erhöhune der Getreidepreise. Einem Antrare, der auf eine Stabilisierung an⸗ gemessener Getreidepreise für längere Jeit abziele, könnten die Sozial⸗ bemokraten dagegen zustimmen. Der Redner verwahrt sich gegen den Vo nmpurf, die Sozialkemokraten seien Gegner der Landwirtschaft. Der teilweise auch der mittlere Bauer, sei gezwungen, sein nach der Ernte billig zu verkaufen und es später teuer ende Getreidepreise lägen nur im Interesse Kanitz Sohn nicht den gesunden Vater aus dem Jahre 189 eine Begrenzung der Preise
fallen wie die Getreidepreise. auf die Spekulationsgewinne der der Höhe der Preisschwankungen richteten. Sozialdemokraten seien bereit, mitzuarbeiten, lehnten aber mit aller Entschiedenheit dieses Probisorium ab. Bei einem stabilen Getreꝛ de⸗ preü könne man nur emstlich an eine e des Brotpreises kenken. Es werde auch jetzt wieder so kommen, daß ox aldemokratische Anträge nach Jahren als richtig erkannt und durchgeführt würden. Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf pon Kanitz: Meine Damen und Herren! Die große Anzahl von Anträgen, die zu der dritten Beratung meines Etats gestellt find, gibt mir willkommenen Anlaß, um auch meinerseits zu der gegen⸗ wärtigen unbestreitbaren Agrarkrisis Ausführungen zu machen. Es steht fest, daß zwei Jahre hinter uns liegen, in denen die Landwirtschaft ohne eigenes Betriebs kapital gearbeitet hat. Es steht weiter fest, daß das fehlende Betriebskapial durch Aufnahme von Krediten ersetzt werden mußte. Diese Kredite sind unnatürlich stark angewachsen infolge von überhöhten Steuern, infolge der be⸗ lannten Vermehrung der sozialen Lasten, durch Mißwachs und Preisdruck, und deshalb könner wir — und ich glaube, keine Partei dieses Hauses wird anderer Ansicht sein — nicht bestreite daß die Landwirtschaft sich zurzeit in einer sehr schweren Krise befindet. Ich muß aber auch von dieser Stelle wie immer betonen, daß die Agrarkrise keine Einzelerscheinung im deutschen Wirtschaftsleben ist. Wir werden überhaupt der allgemeinen Wirtschaftsnöte meines Erachtens nur dann Herr werden, wenn wir dieses niteinander verfilzte und verzahnte Problem einheitlich zu lösen versuchen Ich halte es für unmöglich, einem Berufsstand vor den anderen aus dieser Wirtschaftsklemme herauszuhelfen. Ich glaube nicht, daß das
31e einige
gelingen wird.
Meine Damen und Herren, warum haben wir nun in Deutsch⸗ land die große Agrarkrise? Wir erleben heute keine Produktions⸗ krise, sondern wir haben die Absatzkrise. Diese Absatzkrise ist auch wieder keine innerdeutsche, sondern eine europäische Erscheinung. Die Nöte der deutschen Landwirtschaft und überhaupt der deutschen Wirtschaft werden sich meines Erachtens erst dann nachhaltig bessern, wenn es gelingt, die europaische allgemeine Absatzkrise, die wiederum eine Folge des gewaligen Krieges ist, zu mindern Bis zu diesem Punkte werden die Reichsregierung, die Regierungen der Länder und auch die Volksvertretungen dauernd und immer wieder vor schier unlösbare Aufgaben gestellt werden. Bis zu dem Zeit⸗ punkt werden wir uns noch oft den Kopf zerbrechen müssen, wie wir dieser oder jener ganz besonders akuten Notlage Herr werden. Der Wohlstand einer Wirtschaft, der einmal zusammengebrochen ist, läßt sich eben nicht durch künstliche Mittel wieder in Ordnung bringen, und der Wohlstand einer Wirtschaft und der Wiederaufbau einer Wirischaft läßt sich auch nicht allein durch gesetzliche Maß⸗ nahmen wieder herbeiführen. Ein besonders wichtiger Faltor für den Wiederaufbau der Wirtschaft wird immer die Energie und die Elastizität des einzelnen sein, und diese wachzuhalten und sie zu schützen, soweit es im Rahmen der verfügbaren Mittel und der ge⸗ setzlichen Möglichkeiten liegt, das sst allerdings die ernsteste Aufgabe der Reichsregierung.
Es wird nötig sein, daß ich Ihnen einige ganz kurze Daten über die heute vorliegende Verschuldung der Landwirtschaf: gebe, damit auch diejenigen Damen und Herren, die zu der Landwirtschaft in keinem engen Kontakft stehen, sich über die tatsächliche Lage klar werden.
Nach dem Stande vom 1. Juli dieses Jahres hatten wir in der Landwirtschaft ungefähr für eine Milliarde neue wertbeständige Hypotheken aufgenommen. Dazu kommen jetzt zirka 3 Milliarden Aufwertungshypotheken. Außerdem werden die auf kurzfristige Wechsel gegebenen Kredite nach den letzten statistischen Erhebungen bei den gesamten Kreditinstituter auf mindestens 2 Milliarden ge⸗ schätzt. Wenn man bedenkt, daß der Zinsfuß für die Verpflich ungen der Landwirtschaft auch heute noch das drei⸗ bis vierfache der Friedensverzinsung beträgt, so kommen wir tatsächlich zu einer er⸗ heblich höheren Zinsbelastung der Landwirtschaft als im Frieden. Die Unnatur dieses Zustandes wird wie gesagt verstärkt durch allerhand andere Faktoren, die mitsprechen, z. B. durch die immer noch überhöhten Steuern, und eine Erleichterung auf diesem Ge—⸗ biet wird sich ja erst nach der Auswirkung der neuen Steuergesetz⸗ gebung fühlbar machen.
Meine Damen und Herren, nun war es die dringendste Sorge der Regierung, die gegen Ende dieses Jahres sich ganz besonders anhäufenden Wechselverpflichtungen der Landwirtschaft zu mildern und die Fälligkeitstermine auseinanderzuziehen. Es sind nach ein⸗ gehenden Verhandlungen mit den Kreditinstituten auch tatzächtich Erleichterungen geschaffen worden, das kann nicht be⸗ stritten werden. Diese Erleichterungen sind aber natür⸗
noch nicht ausreichend, (lehr richtig! rechts), und
7? 5 stehen. Wir
vielleicht die Tendenz der gegenwärtig noch amtierenden Reichsregierung, was diese Dinge betrifft, in folgende Formel fassen: Es muß angestrebt werden, einen grtoßen Teil der landwirtschaftlichen Verpflich⸗ tungen, die bis zum Frühjahr nicht in Real kredit über führt werden können, bis nach der nächsten Ernte zuprolongieren. — Sämtliche Kreditinstitute und, ich glaube, auch sämtliche sonstigen verantworilichen Stellen im Reiche sind sich darüber klar, daß die Erträge einer Ernte nie und nimmer reichen können, um die Wechselverpflichtungen, die innerhalb zweier Jahre kontrahiert wurden, abzudecken. Diese Erkenntnis ist noch nicht so sehr lange Allgemeingut der deutschen Oeffentlichkeit. Aber jetzt hat sie sich wohl, ich möchte sagen, überall durchgesetzt.
Ich habe heute eine lange Unterredung mit dem Herrn Reichs⸗ bankpräsidenten, der ja gerade aus Amerika zurückgekehrt ist, über all diese Dinge gehabt und kann mit Befriedigung feststellen, daß die Reichsbank, wie übrigens bisher auch — das sage ich hier mit voller Ueberzeugung — in Zukunft alles tun wird, was möglich ist, um den starken Schuldendruck, der auf der Landwirtschaft ruht, erleichtern zu helfen.
Die Reichebank ist natürlich in einer sehr schwierigen Situation, da sie doch ganz strikte an das Reichsbankgesetz gebunden ist. Darüber kommen wir nicht hinweg. Trotzdem hat die Reichsbank ja schon bisher der Landwirtschaft gegenüber, jedenfalls was Prolongierungen betrifft, getan, was sie tun konnte, und sie wird das — das ist meine feste Ueberzeugung — auch weiter tun. Infolge der eingehenden Verhandlungen, die ich mit der Reichsbank in den letzten Monaten geführt habe, hat sie sich ja schon, wenn das auch nicht generell plakatiert wird, jedenfalls grundsätzlich damit einverstanden erklärt, daß ein großer Teil der Reichsbankwechsel bis ins neue Jahr hinein prolongiert wird.
Meine Damen und Herren! daran, daß es der Landwirtschaft schlecht geht, und an der Reichsbank wird es und soll es nicht liegen, wenn einzelne Landwirte über die Höhe gehen. Die Reichsbank hat jedenfalls — und das hat mir auch heute der Präsident wieder versichert — nicht das geringste Interesse daran, daß auch nur ein landwirtschaftlicher Betrieb zur
Die Reichsbank hat kein Interese
Zwangs versteigerung kommt.
Die Preußenkasse hat die Rückzahlung ihrer Wechselverpflich tungen auch erheblich erleichtert, wenn natürlich die Erleichterungen auch in Anbetracht der heutigen sehr schwierigen Lage noch nicht ganz ausreichen. Sie müssen aber immer bedenken, daß die Preußenkasse und auch die Seehandlung, die ja beide jetzt die Kreditierung der Landwirtschaft vornehmlich übernommen haben, einen ganz großen Teil öffentlicher Gelder bei sich arbeiten haben. Und diese offent⸗ lichen Gelder nehmen doch nicht zu, sondern sie nehmen ab. Wir können kaum damit rechnen, daß in noch sehr viel verstärkterem Tempo öffentliche Gelder diesen Kassen zugeführt werden, weil solche offentlichen Gelder in der Höhe einfach nicht mehr eingehen. Ich spreche darüber noch zum Schluß meiner Ausführungen.
Es ist ja nun ganz klar, daß die akute Zahlungsschwierigkeit, in der sich die Landwirtschaft befindet, dadurch gesteigert ist, daß die Preise für das Getreide weit unter Weltmarktpreis liegen, während die Produktionskosten zum mindesten auf Weltmarktpreis, wenn nicht über Weltmarktpreis liegen. Es ist bekannt, daß die Zahlungs⸗ schwierigkeit der Landwirtschaft auch auf die Industrien und die Gewerbe abfärbt, die mit der Landwirtschaft in innigem Kontakt sehen deshalb auch die Absatzstockungen bei der Kunst⸗ dungindustrie, deren Behebung mit zur dringendsten Aufgabe der Regierung gehört. In der Landwirtschaft wächst infolge der Krise die Abneigung gegen die Anwendung von künstlichem Dünger im nächsten Jahre und überhaupt begreiflicherweise die Abneigung gegen die Uebernahme neuer Wechselverbindlichkeiten. Ich möchte es als sehr tragisch bezeichnen, daß wir in dem Moment, wo wir nach eimer wirklich guten Ernte zum erstenmal seit Jahrzehnten rein zahlen · mäßig das nötige Brotgetreide auf eigener Scholle geerntet haben. nunmehr wiederum vor der großen Gefahr der Extensivierung stehen, weil die Mittel für die intensive Betriebsführung einfach fehlen.
Meine Damen und Herren, im vorigen Wirtschaftsjahr haben wir 25 Millionen Tonnen Brotgetreide eingeführt. In diesem Ernte⸗ jahr haben wir nach den letzten Zählungen und Schätzungen ziemlich genau 25 Millionen Tonnen Brotgetreide mehr geerntet als im vorigen Jahre. Also rein zahlenmäßig und theoretisch wäre damit das Problem der Schaffung des Brotgetreides aus eigener Scholle gelöst. Allerdings werden wir ja immer ein großes Quantum Aus⸗ landsweizen importieren, weil der Auslandsweizen backfähiger und besser ist. Aber als Aequivalent können wir dann eben anderes Brot ⸗ getreide epportieren, so daß, wie ich noch einmal sagen möchte, zum erstenmal die große Frage, die ja so lange umstritten war, gelöst erschien.
Die Regierung hat es sich nun zur Aufgabe gestellt, die An⸗ wendung von künstlichem Dünger für die nächste Ernte sicherzustellen insofern, als jetzt ernste Verhandlungen mit der Kunstdungindustrie, der Reichsbank und den übrigen Stellen, die Geld zu vergeben haben, gepflogen werden. Ich denke mit das so, daß dort, wo die Anwendung pon künstlichem Dünger absolut wirtschaftlich erscheint, auch mit Wechseln, die allerdings erst nach der neuen Ernte zahlbar sein dürfen, der künstliche Dünger beschafft werden kann. .
Das Bargeld zuy sofortigen Bezahlung kann der dandwirtschaft in der Höhe jetzt nicht zur Verfügung gestellt werden, weil dieses Geld einfach nicht da ist. Aber ich glaube, jeder Landwirt hat in seinem Betriebe doch ein Fleckchen, von dem er sich sagt: dieses Stück muß ich ganz bestimmt künstlich düngen, denn auf diesem Stück wind sich die Anwendung von künstlichem Dünger trotz der schlechten Preise für das Getreide immer noch lohnen. Deshalb muß ich es aufs tiefste bedauern und will das hier offen aussprechen, daß, wie mir berichtet worden ist, einige Kreislandbünde Resolutionen in Versammlungen propagiert haben, die sich gegen jeden Gebrauch von künstlichem Dünger im nächsten Jahr wenden. (Hört, hört! links.) Ich glaube, daß damit der Landwirtschaft am allerwenigsten gedient ist. Zu⸗ stimmung links) Ich behaupte, daß derjenige Landwirt, der trotz der großen Klemme, in der er beute unbestritten ist, auf den Schlägen seiner Wirtschaft, die absolut sicher sind, künstlichen Dünger an' wendet, im nächsten Herbst der Schlaue sein wird. Zum mindesten halte ich es im Interesse der Volkswirtschaft für falsch, wenn man solche Beschlüsse öffentlich propagiert und Landwirte, die an sich viel leicht bereit gewesen wären, künstlichen Dünger auch auf Kredit ju nehmen, davon abhält. (Sehr richtig! links.) .
Ganz besonders schwere Sorgen machte uns in diesem Herbst und macht uns auch noch der Umschlag der Ernte. Sie wissen ja, daß die Emnte sehr schnell auf den Markt kam, weil eben der Zinẽdruck und die
sbrigen Lasten auf der Landwirtschaft allzu fühlbar sind. Nun hat . Reichsbank den Getreidehandel und die übungen sich mit dem Ge eidehandel befassenden Organisationen nach Auffassung dieser Organi⸗ pas, und der Reich sbankpräsident hat mir auch heute wiederum gesagt, daß nach feiner Anssicht für diese Zwecke unbedingt Mittel zur Ver⸗ fügung ständen. Vielleicht ist die Veranlassung des Mißstandes auch darin zu suchen, daß der Getreidehandel, der ja im Laufe des letzten Jahres nach dem großen Preissturz im Frühjahr zum Teil ganz grohe BVerluste gehabt hat, an große Geschãfte begreiflichewweise ungern heran
cht. Jedenfalls ist die Reichsbank wiederum bereit, was den Ernte⸗ uunschlag betrifft, nach Maßgabe der zur Verfüzung stebenden Mittel zu helfen.
Die Reichsregierung hat nun den Plan, wie Sie wissen — der Abgeordnete Schmidt Cöpenick hat ja schon darüber ge⸗ sprochen — die Finanzierung einer Getreideaufnahmeorganisation in die Wege zu leiten. Ich habe nicht die Absicht, heute das Für und Wider dieses Problems — und das Problem hat natürlich zwei Seiten — hier ausführlich zu erörtern, weil ja das betreffende Gesetz in allernächster Zeit dem Reichstag zugeht und bereits heute jm Reichsrat beraten wird. Ich möchte nur kurz sagen, wie ich mir das denke. Bei der Gelegenheit darf ich übrigens sagen, daß die Reichsgetreidestelle, die viel umstrittene, von mir nie bekämpft worden ist, weil ich voll anerkenne, was die Reichsgetreidestelle in Zeiten der Not für das deutsche Volk geleistet hat, vor allem vor zwei Jahren in der Zeit, als ich dieses Amt antrat, wo überhaupt nur die Bestände der Reichsgetreidestelle es ermöglicht haben, die direkte Hungersnot zu verhindern. Ich denke mir nun die Lösung nicht etwa so, daß diese Ankaufsorganisation nur geschaffen wird, um die Preise in die Höhe zu treiben. Ich erinnere daran, daß diese selbe Reichsgetreidestelle auf Veranlassung des Reichsernäh⸗ rungsministers im vorigen Winter eine sehr fühlbare Aktion zum Preisdruck erfolgreich durchgeführt hat. Ich eripunere auch daran, daß der Vorwärts“ selbst der Reichsgetreidestelle hierfür ein Lob gespendet hat. (Zuruf rechts: Allerhand!) — Ja, das ist allerhand.
Ich wollte jedenfalls sagen, daß die Reichsgetreidestelle in leüier Weise, auch wenn sie wieder neu in gewissem Umfang auf⸗ gezogen werden sollte, dazu benutzt werden soll, um lediglich eine Getreidepreissteigerung zu bewirken. Es sehlt aber heute auch überhaupt an einem Käufer am Markt. Die Getreidebörse in Berlin ist abfolut kaputt. Es gibt in Berlin nur noch zwei oder drei Firmen, die mehr als eine Million Betriebskapital haben. Daß eine Getreidebörse in solcher Zeit wirklich einen Käufer braucht, der dieses à la haisse⸗Spekulieren, was zur Uebung geworden ist, eiwas unterbindet, das ist eine Forderung, die von größtem volks⸗ wirtschaftlichen Jnteresse ist. Denn wenn es so weiter geht, daß das deutsche Brotgetreide zu Preisen, die weit unter Weltmarkt⸗ preis stehen, jetzt verschleudert wird, dann werden wir im Früh⸗ jahr vor der Tatsache stehen, daß wir ganz große Mengen impor⸗ tieren müssen zu sehr viel teureren Preisen. Ich behaupte ferner, daß eine gewisse Steigerung der Brotgetreidepreise in keiner Weise eine Steigerung des Brotpreises zu bedeuten braucht. Sehr richtig!) Ich erkläre auch hente wiederum, daß der heutige Brotpreis dem niedrigen Getreidepreise nicht entspricht, daß er noch überspannt ist. (Sehr richtig!)
Nun herrscht auf dem Lande eine berechtigte Unruhe über das, was eigentlich werden soll. Zum Teil besteht eine gewisse Panik⸗ stinmung und Verzweiflungspsfychose. Diese Verzweiflungspsychose ist unberechtigt. Sie wird zum Teil genährt durch die große Ner— vosität von Genossenschaftsbauken und nachgeschalteten Kredit⸗ instituten, die eben auch in Angst sind, ob sie ihre Außenstände wieder hereinbekommen. Es ist die Erfahrung gemacht worden — und das möchte ich hier auch in aller Oeffentlichkeit anführen — um ein Beispiel zu nennen — daß, als die Rentendank jetzt die erste Rate des Rentenbankabwicklungskredits zurückverlangte, und, nehmen wir an, ein Sechstel Abzahlung verlangte, nachgeordnete Genossen⸗ schaftsbanken, Kreisbanken usw. ein Drittel vom Schuldner, also genau das Doppelte, verlangt haben. Sie sehen also, daß die Er⸗ leichterungen, die hier in Berlin durchgesetzt werden, sich nicht restlos fühlbar auswirken auf dem platten Lande, und ich kann nur die landwirtschaftlichen Berufsvertretungen dringend und immer wieder bitten, dafür zu forgen, daß das hier in Berlin Be— schlossene sich auch unten durchaus auswirkt. Die Reichsregierung hat dazu nicht die Handhabe, und ich glaube, die wirtschafts⸗ politischen Organisationen würden sich ein großes Verdienst er⸗ werben, wenn sie auch ihrerseits für Aufklärung unter ihren An— hängern nach der Richtung sorgten, was wirklich momentan an Rückzahlungen gerechterweise verlangt werden kann.
Es ist natürlich begreiflich, daß ein nachgeordnetes Kredit⸗ institut in einer Kleinstadt oder in einem Dorf bestrebt sein muß, mõglichst viel an liquiden Mitteln hereinzubekommen, da ja die Lage dieser Banken auch eine äußerst gespannte ist. Aber schließlich sind ja die Landwirte nicht für die Banken da, sondern die Banken für die Landwirte. Ich halte es für absolut notwendig, daß sich die hier in Berlin erwirkten Erleichterungen auch wirklich bis zum letzten Kreditnehmer durchsetzen. ö.
Meine Damen und Herren, nun nech ein Wort zu der Inter— pellation der Deutschnationalen Den ersten Punkt, der die augenblick⸗ iche Kreditnot betrifft, habe ich ja wenigstens allgemein besprochen. Ich werde wohl bei der Einzelberatung im Laufe der nächsten Sitzungen noch kurz das Wort dazu nehmen müssen.
. Im zweiten Punkt dieser Interpellation wird die Regierung gefragt, was sie zu tun gedenkt, um die Schaffung von mündelsicheren ersten Stellen im Grunkbuch, die durch das Hypothekenau swertungs⸗ gesetz bei der Mehrzahl der landwirtschaftlichen Grundstücke erheblich beschränkt ist, zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, ich bitte, es mir nicht übelzunehmen, daß ich über diese Frage einigermaßen erstaunt bin. Es war doch vorauszusehen, daß die Aufwertung der Hypotheren über die Dritte Steuernotverordnung hinaus eine ganz erhebliche Beschränkung des landwirtschaftlichen Real kreditgeschäfts mit sich bringen würde. Die gegenwärtige Reichsregierung hat in diesem Sommer gerade die Partei der Interpellanten nachdrücklichst vor den Gefahren gewarnt, die dadurch herbeigeführt würden, daß man die ersten Stellen in den Grundbüchern so verbarrikadiert, daß neue Betriebskredite, die auch wieder erststellig eingetragen werden müssen, einfach nicht beschafft werden können. Deshalb ist die heutige Situation nur das, was alle Einsichtigen damals vorausgesehen haben. Die heutige Reichsregierung steht auf dem Standpunkt, daß sie in keiner Weise dazu beitragen kann, wieder an dem Hypotheken ⸗ aufwertungẽgesetz zu rütteln, nachdem es mit den größten politischen Schwierigkeiten zustande gekommen ist. Wir können nun doch nicht
tricker Turch neue Manẽver cbermals Treu und Glouben in das Grundbuch erschüttern. Nachdem das Aufwertungsgesetz nun einmal besteht und die Möglichkeit, Aufwertun gehypothe ken an die zweite Stelle zu plaeieren, nicht mehr vorliegt, bleibt dem Grundeigentümer nur der Ausweg, von dem Recht der dreimonatlichen Kündigung der Aufwerturgshypothek Gebrauch zu machen, falls ibm der neue Kredit, den er bekommt, die Möglichkeit gibt, die Aufwertungshypothek ab⸗ zudecken und gleicheeitig noch etwas für Betriebskredite zu behalten. Eine andere Lösung sehe ich im Augenblick nicht. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir ein wirklich brauchbarer Vorschlag gemacht würde; aber ich bitte, es mir nicht übelzunehmen, wenn ich nochmals betone, daß die Reichsregierung im vorigen Sommer — ich möchte sagen — mit Engelszungen geredet hat, um wenigstens eine gewisse Spanne an erster Stelle in den Grundbüchern freizulassen, daß aber gerade die Partei der Interpellanten das nicht gewünscht hat. 3 ation, die die Nutzbarmachung
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muß. Trotzdem hat sie das, was irgendwie flüssig ist, auf die Vor⸗ stellung meines Amtes hin der Verkehrskreditbank gegeben, und durch diese Verkehrskreditbank sind diese Gelder wiederum der Wirtschaft und zum großen Teil der Landwirtschaft zugeflossen. Wenn Sie vissen, daß die Preußenkasse ungefähr 900 Millionen kurzfristige Wechsel laufen hat, und daß ein großer Teil dieser Summe aus öffentlichen Geldern besteht, verstehe ich wiederum nicht, wie der Reichslandbund mir den Vorwurf macht, daß ich auf dem Gebiete der Kredit⸗ beschaffung nicht genügend Aktivität entfalte. Einerseits wird mir der Vorwurf gemacht, ich beschaffte nicht genügend Kredite, anderer⸗ seits sagen mir sehr prominente Landwirte: „Sie krifft ein viel schwererer Vorwurf, das ist der, daß Sie viel zu tatkräftig an der Erschließung der Kreditquellen mitgearbeitet haben, und daß Sie selbst an der Verschuldung der Landwirtschaft heute mitschuldig sind“. (Hört, hört) Wie man's macht, ist's natürlich falsch. Das wird mich aber nicht beirren, auf dieser Mittelstraße, die ich habe wählen müssen, weiter zu schreiten. Sollte nun die Reichsbahn Auesgleichs⸗ fonds anlegen, wird die Frage erneut geprüft werden, ob diese Aus⸗ gleichsfonds nicht auch zum Ankauf von Pfancbriefen irgendwie heran— gezogen werden können.
Meine Damen und Herren! Die Inteipellation befaßt sich auch mit den Mitteln der Landesversicherun gsanstalten und Krankenkassen. Es wird gefragt, ob nicht von diesen Instituten langfristige Kredite zu bekommen wären. Das ist nur in ganz beschränktem Umfang möglich, da ja die Landes versicherungsanstalten und Krankenkassen ihren Aus— gabenbedarf durch Umlagen decken und tatsächlich Prämienreservefonds wie bei anderen Anstalten für diese Zwecke bisher nicht zur Verfügung gestanden haben.
Nun zur Reichsversicherungsan st alt, die ja heute ganz besonders um Kredite angegangen wird. Die Reichsversicherungs⸗ anstalt ist da, wie Sie wissen, in ihrer Kreditgebarung völlig autonom. Außerdem stehen da in Idealkonkurrenz neben der Landwirtschaft auch noch Industrie und Wohnungsbau. Die Landwirischaft kann also an den Kapitalien der Reichsversicherungsanstalt nicht allein partizipieren. Trotzdem ist die Reichsversicherungsanstalt jetzt auch dazu über⸗ gegangen, einen Teil ihrer Ueberschüsse — Ueberschüsse sind es eigentlich nicht, es sind angesammelte Prämien —, wie es im Frieden der Fall war, in langfristigen Krediten anzulegen. Sie hat in den letzten zwei Jahren im ganzen 47 Millionen in landwirtschaftlichen Realkrediten angelegt. Das ist natürlich nicht viel. Aber wenn wir bedenken, daß die Anstalt aus dem Nichts bei Beginn der Stabilisierung der Währung wieder angekurbelt werden mußte, ist es immerhin ein kleiner Anfang, dem hoffentlich eine baldige Erweiterung folgen wird.
Das Reichsfinanzministerium ist nun auch aufgefordert worden, öffentliche Gelder in vermehrtem Umfang der Landwirtschaft und überhaupt der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Ich möchte hier mit vollem Nachdruck betonen, daß das Reichsfinanzministerium bereits alles, was bisher an öffentlichen Geldern für diese Zwecke verfügbar war, der Wittschaft kurzfristig zugeleitet hat. Daß Kassenbestände der Reichsfinanzberwaltung in Pfandbriefen angelegt werden können, ist unmöglich. Die öffentlichen Gelder, die in der Wirtschaft arbeiten — das muß ich hier mit vollem Ernste sagen, denn es hat keinen Sinn, daß wir uns etwas vormachen — sind nicht im Zunehmen. Denn nachdem sich durch die neue Steuergesetzgebung gewisse Steuererleichterungen fühlbar gemacht haben, werden natürlich auch die Steuereingänge etwas geringer sein. Oeffentliche Gelder sind aber schließlich nichts weiter als Einnahmen aus Steuereingängen. Je ge ringer also die Steuereingänge, desto mehr werden auch die öffent— lichen Gelder, die in der Wirtschaft arbeiten, zurückgefordert werden müssen. Selbstverständlich ist die Reichsregierung der Ansicht, daß alles geschehen muß, um die verfügbaren öffentlichen Gelder wie bisher der Wirtschaft möglichst restlos zur Verfügung zu stellen. Das ist auch bisher geschehen. Ich will die Summen nicht nennen; denn sie wechseln täglich.
Die Interpellanten haben ferner im Punkt 4 ihrer Inter⸗ pellation angefragt, ob nicht die Reparationskasse, die sogenannte Dawes«⸗Kasse, zur Kreditgebung für die Wirtschaft in Anspruch genommen werden könnte. Das Reichsfinanzministerium hat darauf folgende Antwort gegeben, die ich vielleicht verlesen darf:
Die Verwendung der zur Verfügung des Generalagenten für Reparationszahlungen gemäß den Vorschriften des Sachverständigen⸗ plans eingezahlten Beträge erfolgt nach den Bestimmungen der Anlage Vl des Sachverständigenplans. Inwieweit eine Zuführung
dieser Mittel an die deutsche Wirischast künftig erfolgen kann, ber⸗
mag die Regierung zurzeit weder zu beurteilen noch zu bestimmen. Das ist bekanntlich lediglich Sache des Reparationsagenten. Selbst⸗ verständlich wird die Regierung bemüht sein, auch darauf hinzuwirken, daß diese Gelder, sobald sie sich wirklich namhaft ansammeln, in der deuischen Wirtschaft wirken können. Wir haben aber darauf bekannt⸗ lich keinen entscheidenden Einfluß.
Meine Damen und Herren! Kredite allein werden der deutschen Wirtschaft nicht belfen. Daß die Kreditlage furchtbar angespannt ist, und daß einzelne Landwirte in einer ganz schwierigen Situation sind, bestreitet kein Mensch. Das traurige ist, daß gerade die besten und intensivsten Wirtschaften am notleidendsten sind, weil die Betriebs⸗ inhaber die größten Aufwendungen für künstlichen Dünger und Inten⸗ sivierung gemacht haben in der Hoffnung, daß die Erträgnisse der Ernte noch einmal dieses Risiko rechtfertigen würden. In diesem Glauben sind sie nach der Ernte getäuscht worden. Deshalb ist die Liquiderhaltung und das Ueberwasserhalten gerade der intensiven Betriebe eine ganz dringende nationale Aufgabe, von deren Ernst die Regierung absolut überzeugt ist, und ich glaube, daß auch dieses hohe Haus in allen Fraktionen derselben Meinung darüber ist, daß die intensiven Betriebe, die für die Volksernährung einen so unendlich großen Wert haben, unbedingt erhalten werden müssen, mag es sich um große oder um kleine Betriebe handeln.
Aber, meine Damen und Herren, das muß ich auch in aller Offenheit sagen: Eine nachhaltige Besserung über Nacht ist nicht zu erwarten. Ich würde wirklich mein Amt schlecht ausfüllen, wenn ich hier Versprechungen machte und optimistische Darstellungen gäbe über Dinge, die einfach nicht zutreffen. (Sehr richtig) Wir werden noch sehr oft vor kritischen Situationen stehen, die erst im allerletzten Moment gelöst werden. Wir werden noch sehr oft vor Katastrophen der deutschen Wirtschaft stehen, die nur noch im letzten Moment ich irgendeine Manipulation abgewendet werden können. Wir rden noch lange Jahre diese großen Nöte in der deutschen Wirt—
f nd glaubt, daß das anders sein könnte, ist ein hoffnungsloser Utopist. Es hat auch, glaube ich, gar keinen einem fünfjährigen Krieg, nach der erfolgten In⸗ allen ihren Nöten, nach dem Dahinschwinden des eine jeweilige Reichsregierung, die Reichs
oder die Kreditinstitute für alle Nöte verantwortlich machen. Damit kommt man wirklich nicht weiter. ie können sich fest darauf verlassen, daß die Reichsregierung bis⸗ her alles getan hat, was zur Erleichterung der Lage möglich war, daß sie alle verfügbaren Mittel bereitgestellt hat, um zu helfen, und daß sie weiter alles tun wird, um die größte Not zu lindern. Daß bei einem so schweren Entscheidungskampf der Wirtschaft einige ganz besonders schwache Existenzen nicht zu halten sind und kopf⸗ übergeben werden, ist leider eine unvermeidliche Erscheinung. (Sehr richtig! in der Mitte. — Unruhe bei den Deutschnationalen.) Das läßt sich gar nicht verhindern. Wir sehen das ja nicht nur in der Landwirtschaft; wir sehen es im Augenblick in noch vermehrtem Umfange in der Industrie. Wir sehen, daß nicht nur neue indu⸗ strielle Unternehmen kopfübergehen, sondern auch sehr solide alte und gute Unternehmungen. Die Kehrseite der Medaille ist ja für die Landwirtschaft immer noch die, daß sich, Gott sei Dank, heute infolge des Kapitalmangels überhaupt kaum Käufer finden, die einen landwirtschaftlichen Betrieb, der vielleicht zur Zwangsver⸗ steigerung kommen müßte, kaufen, und daß wir infolgedessen nicht zu befürchten brauchen, daß die Zahl der Zwangsversteigerungen sehr groß wird. Sie ist bisher, Gott sei Dank, relatib sehr gering. Ich bin nun gar nicht Optimist, ich bin aber auch nicht resigniert, wie mir das ausgerechnet der Reichslandbund vorgeworfen hat. Nach⸗ dem ich in einer Rede im Oktober in der Vertreterversammlung des Reichslandbundes die Dinge so dargestellt hatte, wie sie wirk⸗ lich sind, und die weitestgehende Hilfe der Regierung, soweit die Regie rung überhaupt helfen könne, in Aussicht gestellt hatte, wurde mir gesagt, ich resignierte eben. Es ist das jedoch keine Resignation, wenn man die Dinge beim richtigen Namen nennt. Ich glaube, man tut der Landwirtschaft einen viel größeren Gefallen, wenn man ihr sagt, wie die Dinge stehen. Sehr richtig! Ich behaupte nach wie vor, daß die Anzahl der Existenzen, die diesen Entschei⸗ dungskampf nicht überstehen, sehr viel geringer sein wird, wenn die allgemeine Einstellung auf die wirklichen Tatsachen möglichst bald Platz greift and nicht jeder immer die Schuld auf den andern schiebt und verlangt: die Regierung muß alles machen. Sie wissen ja doch ganz genau, welche Mittel die Regierung hat und daß diese Mittel beschränkt sind.
Ich möchte überhaupt noch eine Bitte an die Landwirtschaft richten. Ich sage mit voller Ueberzeugnug: ich kenne keine ver antwortliche Stelle in Deutschland, die sich über die landwirtschaft⸗ liche Krise nicht vollständig im klaren wäre. (Widerspruch und Zu⸗ rufe bei den Deutschnationalen: der preußische Finanzminister) Ich kenne auch keine Kreditanstalt in Deutschland, die nicht be— strebt wäre, alle verfügbaren Mittel der Landwirtschaft zuzuführen, weil das ja auch das eigenste Interesse des betreffenden Instituts ist. Ich kenne auch kein Kreditinstitut, welches das geringste Interesse an Zwangsversteigerungen hätte. (Sehr richtig! links.) Die Situation mußte einmal so gespannt werden. Das haben doch alle diejenigen, die sich überhaupt in den letzten Jahren Gedanken über die Entwicklung gemacht haben, vorausgesehen. Es hat viel⸗ leicht nur vielerorts der Mut gefehlt, beizeiten die Wirtschaft auf diese unvermeidlichen Zustände aufmerksam zu machen. Ich be— haupte, daß die wirtschaftspolitischen Organisationen sich ein großes vaterländisches Verdienst erwerben — manche tun es ja auch schon —, wenn sie schonungslos die Dinge beim richtigen Namen nennen. Denn ich glaube ganz bestimmt, daß der einzelne Landwirt, wenn er weiß, daß eben nur in einem be grenzten Umfange geholfen werden kann, seinen Entscheidungs— kampf mit sehr viel größerer Kraft und Intensität führen wird, als wenn er immer noch auf unbegrenzte Hilfe von oben hoft. Ich be⸗ haupte, daß die Einstellung, die heute noch ein großer Teil der Wirt- schaft gegenüber diesen Dingen einnimmt, falsch ist. Nach einem fünf— jährigen Krieg, den wir noch dazu verloren haben, können wir ja gar nicht anders dastehen wie heute. Wir müssen jetzt den Krieg bezahlen! Wie wollen wir um diese Tatsache herumkommen? Wenn wir uns darauf einstellen, daß die Dinge nicht anders sein können. als sie heute sind, dann werden wir ganz bestimmt und sehr viel eher aus der Misere herauskommen, als wenn wir über die ganzen Ver⸗ hältnisse jammern, wo wir doch wissen, daß die innerdeutschen Mittel nicht ausreichen, um eine Bessernng über Nacht zu brüngen. Es dient nicht dem 1landwirtschaftlichen Interesse, alles schwarz in Schwarz zu malen, vor allen Dingen im
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zaft erleben, und derjenige, der
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