1926 / 34 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Feb 1926 18:00:01 GMT) scan diff

Veziehungen Deutschlandz zu Italien eine Rede gehalten, die er seibst als eine polir, che und diplomausche Stellungnahme be⸗ zeichnet, von der er hoffe, daß sie an der richtigen Stelle richtig verstanden werde. Wir nehmen nicht gan, daß die durch die Zeitungen mirgeteilten Redewendungen, insbesondere das Verlangen, „die Deutschen sollten mit aufgehobenen Händen und ohne Hinter gedanken kommen“, ferner die Drohung, Ftalien werde, wenn nötig, seine Fahne über den Brenner tragen“, tatsächlich aus dem Munde des verantwortlichen Leiters der italienischen Politik ge⸗ fallen sind. Derartige Beleidigungen und Drohungen, aus⸗ esprochen in dem Augenblick, in dem Europa durch gegenseitige schwere Opfer eine Atmosphäre des Vertrauens herzustellen be⸗ müht ist, würden eine gewollte und bewußte . von dem Hr e des 1 bedeuten, dessen Europa bedarf. Sie würden eine Rückkehr zur Politik der Gewalt enthalten, welche ihr be— sonderes Gepräge dadurch erhielte, daß sie von einem in Waffen starrenden Staate einem entwaffneten Volke angedroht wird. Sie würden in einem Augenblick den Frieden Europas bedrohen, in dem Deutschland durch den Eintritt in den Völkerbund sich der großen Organisation anschließt, die sich die friedliche Gestaltung des Schicksals Europas als Ziel gesetzt hat. Wenn der italienische Ministerpräsident behauptet, daß nach Abschluß des Handels⸗ vertrages und nach den Beratungen von Locarno „wie auf ge⸗ gebene Parole der Feldzug gegen Italien in Deutschland aus⸗ gebrochen sei“, so beflndel er sich in völligem Irrtum. Weder die deutsche Regierung noch irgendwelche verantwortlichen Stellen haben eine Parole nach dieser Richtung ausgegeben. In der Presse wie in Versammlungen hat sich vielmehr ganz spontan der Wider⸗ spruch gegen die in den letzten Monaten dauernd gesteigerte syste— matische Unterdrückung der deutschen Minderheit in Südtirol ge⸗ regt. Ein Einschreiten der Regierung gegen derartige Aeußerungen kommt in einem Rechtsstaat erst dann in Frage, wenn eine rechts⸗ widrige Handlung vorliegt. Wenn der italienische Ministerpräsident das Wort „Vergewaltigung“, das in den letzten Tagen seitens des leitenden Staatsmannes eines deutschen Bundesstaates gefallen ist, als unerhört bezeichnet und sich darauf beruft, daß in anderen Staaten ganz andere Maßnahmen gegen die deutsche Minderheit ergriffen worden sind, so muß ihm gesagt werden: Noch niemals in der Welt ist Unrecht dadurch zu Recht geworden, daß auch andere sich dieses Unrechts befleißigen! Je häufiger vielmehr solches Unrecht geschieht, destomehr Veranlassung haben wir, da— gegen laut und vor aller Welt Einspruch zu erheben. Das deutsche Volk ist darüber unterrichtet, daß Oesterreich im Frieden von Saint Germain gezwungen wurde, Südtirol an Italien vor⸗ behaltlos abzutreten. Niemand in Deutschland denkt daran, in Südtirol, mit dem wir keine Grenze gemeinsam haben, politische Ziele zu verfolgen, insbesondere territoriale Veränderungen anzu⸗ streben. Niemand denkt daran, eine irredentistische Bewegung in der Art anzufachen, wie sie jahrzehntelang in Ftalien gegen das verbündete Oesterreich geduldet und gefördert wurde. In der Be— ürteilung der Vorgänge in Südtirol weiß sich das dentsche Volk einig mit den Gerechtdenkenden aller Nationen. Das Recht, offen und frei seine Meinung zu sagen, Unrecht als Unrecht zu be⸗ zeichnen, das Recht der Sympathie für den deutschen Stamm in Südtirol, der seine Pflichten gegen den italienischen. Staat voll er⸗ füllt und trotzdem heute Gefahr läuft, seine heiligsten und ur— sprünglichsten Rechte, seine Sprache, seine alten Sitten und die Heimat zu verlieren, in der er seit mehr als ein und einem halben Jahrtaufend sitzt, dieses Recht wird sich das deutsche Volk niemals und von niemandem nehmen lassen. Wir haben zu unserer Genug— tunng aus den Ausführungen des Herrn Ministers des Aus⸗ wärtigen entnommen, daß die Reichsregierung im wesentlichen unseren Standpunkt teilt. Diesen Standpunkt völliger Klarheit gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten zum Ausdruck zu bringen, ist nicht nur Recht, sondern auch Pflicht des deutschen Volkes und seiner Vertretung. (Lebhafter Beifall.) .

Abg. Stampfer (Soz) stimmt dem Minister des Aus— wären darin zu, daß er altz den Ausgangspunkt, des Konflikts die Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Held bezeichnete. Die Rede Helds enthakte nichts (ntscheldendes, wogegen sachlich ECinspruch er oben werden müsfse. Es sei aber ein bedenklicher Zustand, daß in den einzelnen Landtagen von den Ministerpräsiden ten solche Reden gehalten werden können. (Sehr wahr! links.). Wohl könne man sich vorstellen, wenn die einzelnen Ministerpräsidenten Fragen be rührten, die auf das benachbarte Land Bezug nehmen, Aber bedauerns⸗ wert sej die Lage des Reichäministers des Auswärtigen, der hier im Reichstage dann die auswärtige Politik zu vertreten habe. Es zäre konseguent gewesen, wenn nun guch der bayerische Ministerpräsident Muffolini Ceantworlet hätte. Daß diese Konsequenz nicht gezogen worden fei, fei dankenswert. Der Redner spricht seine Freude dar⸗ über aus, deß sich das Haus heute einig sei. . Ich hahe, fährt Redner fort, die Erklärungen des Ministers des Auswärtigen mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen, weil ich daraus ersehe, man gewillt sst, auch die Konsequenzen nach innen zu n., Ich will keiner Parlei und keinem Mitglied des Hauses die, Absicht unter⸗ een nur protestieren zu wollen gegen die Unterdrückung, die ein Teil des deutschen Volkes erfährt, und nicht gleich hit g gegen die Unterdrückung eines Teiles eines fremden Volkes. as ist ja . das Wesen eines überspannten Nationalismus. Unsere deut chen Volksgenossen in Südtirol tragen unerträgliche Bedrückung. Aber wir können diese Bedrückung nur verstehen als einen Tell des Systems des 3 Wie soll denn Südtirol atmen können in, einen Atmoͤßphäͤre, in der ganz Italien erstickt. (Sehr wahr Wie soll denn . den wenigen Deutschen seines Landes Freiheit an gedeihen lassen können, wenn er . den 42 Millionen Italienern herweigert? Wie soll. Drdnung herrschen können, wenn, in ganz Italien der politische Mord grassiert? (Sehr wahn)h) Herr Mussolini Filt sich für einen Cäsar, er ist nur ein Caligula. (He rterkeit.) Cen Ministerpräsidenten, dessen Regierungsmethode selbst die Barbarei ist, 3. es schlech t an, andere als Barbaren zu bezeichnen (sehr wahr h, und . oled, stehl. es einem solchen Minister= präsidenten an, zu sprechen über zprimitzn gekleidete Individuen) wo er doch selbst zu solchen primitiv gekleideten Individuen“ gehört hat. Als ein solches haben wir ihn gekannt, und er hat uns damals besser gefallen als in seiner jetzigen aufgeblähten Pose Leuten gegen⸗ über, die keinen so guten Schneider haben. Ai die bevorstehende Mussolinische Aerg Cin as glaube ich nicht. Es ist ja. das tragi— komische Mißgeschick des 69 ismus aller Länder, daß er immer nach eirem Führer schreit und keinen findet. Ja, wenn er einen Führer braucht! dann muß er warten, bis ein Soziglist verrückt geworden 8 Große . Ich glaube aber, Deutschland hat seine Mussol nische Aera, seine Schreckensärg schon hinter, sich. Wenn wir ,, Italiens sind, wenn wir in Resem Augenblick unsere brüder⸗ ichen Grüße senden den Arbeitern Italiens, deren Rechte zertreten sind, dem geistigen Italien. dessen Freiheit geknehbelt ist, so glauben wir, daß es seine Freiheit wiedergewinnen wird, Wie könnten wir denn Italien hassen, das der internationalen Freiheitsbewegung so viele edle nnd erlauchte Vorkämpfer gereben hat, wie z. B einen Matteotti! Tas Jiallen Matteottis läeßen wir, so wenig wir für das Italien Massolinis übrig haben. (Beifall.) Heilig ist uns die Stätte, an der Matteotti begraben liegt, von ruchlosen Werkzeugen Mussolinis ermordet. Der Redner weist dann auf Cäsare Battisti. hin, der in Bozen erschossen worden ist. Dr. Cäsare Battisti war ein Sozialist, der' dem öfterreichischen Reichsrat angehörte, Als der Krieg aus⸗ brach, gehörte er zu jenen, die sich der seelischen Zerrissenheit der damaligen Situation dadurch entzogen, daß Fsie vorbehaltlos sich zur Solidarität mit dem eigenen kämpfenden Volke bekannten. Er ging in den Kampf auf seiten Italiens. Tollkühn wie er war, swourde er gefangen und nach korrektem Recht und Gerechtigkeit niedergeknallt, wie tausend andere, die dag Recht der Volks⸗ zugehörigkeit für höher hielten als die zufällige Staatsangehörig⸗ z Diesem Cesare Battisti will nun Mussolini ein Denkmal in Dozen setzen. Was soll diese; Denkmal dem italienischen Bolte sagen? Soll Battisti den Italienern ein Vorbild sein des kämpfenden Irredentismus, soll er ihm sagen, daß Volkszugehörig⸗ keit böher steht als die zufällige, Staatsgrenze? Battisti hat ich im Parlament wiederholt für die Schaffung der Autonomie des Trentino ausgesprochen und gesagt, nicht in dem Bürgertum, ondern in dem dentschen Proletariat seien die aufrechten Ver⸗ echter der Autonomie des Trentino. Die österreichische Regierung

der unterworfenen , dienen o

solle nicht vergessen, daß zwischen der Behandlung der Italiener in der Monarchie und der äußeren Politik ein enger Zujammen⸗ hang bestehe. In einer weiteren Rede in der österræichischen zammer sagte Battisti: „Wie er sich auch nennen möge, sei es der Thronfolger oder ein anderer, der Inspirator dieser Bedrückungs⸗ olitik gegen das Trentino, des Hasses gegen die italienische Nation, er Verschwendung und der ständigen Gefahr für alle Völker He ieee gn sei es wer es will, er ist tatfächlich ein Unzurechnungs⸗ fähiger, ein Mensch, reif für das Narrenhaus. g mit der Kriegspartei, weg mit dem blutsaugenden Militarismus und weg mit den Narren, die ihn führen“. Ich erkläre namens meiner Partei, wenn für das Denkmal Cesare Battisti gesammelt wird, o wollen wir uns daran beteiligen unter der Bedingung, daß . Worte in goldenen Buchstaben auf dem Sockel dieses Dentmals geschrieben werden. (Beifall bel den Sozialdemokraten.) Mussolini droht uns mit Krieg. Der Ueberfall Unbewaffneter göhört zu den itallenischen Methoden, aber diese Methode, die im Innern gegen Italiener angewendet wird, läßt sich nicht auf die internationale Politik übertragen. Ich stimme dem Minister Dr. Stresemann in bezug auf, den Eintritt in den Völkerbund durchaus zu, weil wir für das Recht der deutschen Minderheiten kämpfen müssen. Die Anmeldung zum Völkerbund ist die beste Antwort auf die Rede Mussolinis. Wir Sozialdemokraten haben reiche Erfahrung darin, wie man auch ohne Waffe gegen Unterdrückung kämpft, gestützt allein guf die Waffe des Rechts. Auf diese Waffe gestützt und in brüderlicher Solidarität mit unseren italienischen Genossen und allen freien Geistern Italiens, wollen wir getrost den Tag er— warten, an dem die Wolke des Jaschis mus borüberzieht und die Sonne der Freiheit scheint für Ftalien, für Südtfrol, für alle. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Dr. Spa hn (D. Nat.): Ich habe kamens meiner Freunde zu nchst folgende Erklärung abzugeben: Seit. Ejnbringung unserer Intemellation vom 11. Dezember v. J. hat sich die Sachlage durch die Aeußerungen des italienischen Herrn ö wesent⸗ lich verschoben. Diese Aeußerungen (. nunmehr in den Vorder⸗ grund getreten, und auf sie hat sich die heutige Erklärung des deutschen . WMöinisters des Auswärtigen bezogen während wir mil unserer 8 ,,. darüber hingus die Fragen der deutschen Minderheiten und ihres Schutzes in Verbindung mit den Fragen des Völkerbundes . Erörterung stellen wollten. Bei der so geschgffenen Sachlage ind wir damit einverstanden, daß unsere Interpellation als sol für die heutige Erörterung mehr in den Hintergrund kritt, behalten uns für die Beratung des Auswärtigen Etats in der nächsten Woche eingehendere Darlegungen zu den in unserer Interpellation behandelten Gehenständen por. Als wir unsere Interpellation einbrachten. la es in unserer Absicht, der Reichsregierung Gelegenheit zu geben, si rückhaltlos darüer auszusprechen wie sie nach dem Eintritt in den Völkerbund die Interessen unseres Volkstums wahrzunehmen gedenkt. Wir wollten Südtitol nur als Beispiel für dieses Problem anführen. Herr Mussolini hat darauf ,, daß es an anderen Stellen noch größere deutsche Minderheiten giht, z. B. in der Tschechoslowakei, Wir denken nicht so demokrgtisch, daß wir unsere Minderheiten nach der Kopfzahl einschäßen welche davon gut oder nicht gut sind. Auch der kleinfte Teil der Minderheiten liegt uns am Herzen, und wir erwarten vom Reichstag und von der Reichsregierung, daß sie si der Interessen aller Minderheiten annehmen. (Sehr richtig! rechts, Wenn wir Südtirol herausgegriffen haben, ö. geschah es deshalb, weil gerade jetzt die Aufmerksamkeit unserer Volksgenossen auf Süd⸗ sirol gelenkt ist. Wichtig wird für uns im. Völkerbunde die Zu— innmen setzung des Minderheitengusschusses im Völkerbunde sein. Während der Verhandlungen in Locarno und der Unterzeichnung in London hat sich auch die Kurie dahin gusgesprochen, daß die Ren der Minderheitenfrage die größte Sorge der auswärtigen Politit sein müsse. Es kommen hierbei ja auch die Interessen der katholischen Kirche in Frage, gemeinfam mit den Interessen der deutschen Re⸗ gierung. Wir fragen aber die Reichsregierung, warum . nicht früher schon Gelegenheit genommen hat, das südtiroler Problem zur Aussprache zu bringen. Die südtiroler Angelegenheiten spielen doch schon seit Monaten und unsere Interpellghion ist vor zwei Monaten eingebracht. Die Reichsregierung wärs venpflichket ge— wesen, von sich aus zu fordern, daß diese Frage zur Erörterung gestellt wird. Die Frage ö. nicht genügend von unsetem Außenministerium behandelt worden. Selbst die internatiangle Demokrgtie, die, doch sonst gar nicht so empfindlich ist . den Schutz der deutschen Minder⸗ heiten, hätte nicht erst in die Lage kommen dürfen, die südtiroler Frage für ihren Kampf gegen Mussolini auszunutzen. Die Er— klärungen, die der Minister des Auswärtigen heute abgegeben hat, hätten schon bei früherer Gelegenheit, bei Uebernahme der Regierung, durch den Minister des Auswärtigen abgegeben werden müssen. Wir haben bisher keinen Anlaß gehgbt, der ütalienischen Regierung mit PHäißtrauen zu begegnen; wir sinb auch heute noch der Meinung, daß wir nach wie vor unsere Außenpolttik auf dringlichere Ziele und größere Gefahren zu richten haben als solche, die gerade bon stalienischer Seite drohen. Immerhin, ist durch den letzten Zwischen— fall eine überaus peinliche Situation geschaffen worden. Wir wünschen, daß das Auswärtige Amt diese Binge so behandeln möge, daß das, was in den letzten Tagen vorgefallen ist, ung nicht dauernd mit Italien entzweit, aber wir schließen uns den anderen Parteien des Hauseß in der Verurteilung der südtiroler Vorgänge vollkommen an. Wir sind überzeugt, daß gegenüber einer anderssprachigen Minder⸗ heit Unduldsamkeit und Gewalttaten nicht das letzte Wort haben dürfen. Im alten Rom wurde auf die unterworfenen Völker Rück⸗ sicht genommen. Man achtete die Sprache, Sitte und den Glauben Kirche und Schule uns dazu, die. Güter unsezes kstums zu wahren. Wir kämpfen darum,. daß die deutsche Pöinderheit ihre Rechte bebält. Wir stnd der AÄnsichk, daß man es dem baperischen Ministerpräsidenten gegen= über der Unterdrückungspolitik . nichl verargeg kann, er so gesprochen hat. Herr Held hat eine Stammegpflicht erfüllt, während das Recht des Auswärtigen Amts doch ein formalgs Hecht ist. Wir müsfen sagen, daß Herr Held als baygrischer Münister— präsident nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein, Rechã gehabt hat, fich der untzrdrückten Sübttroler anzunehmen, Wir veistehen um so weniger, daß Musfolin die Uebergriffe c e. , mit er ien. Nansen deckt, als er früher sich dahin geäußert hat, daß Italien jetzt zufrieden sei, über Grentzen zu verfügen, die mit geringen Truppen verteidigt werden könnten; Italien, beabsichtige keine Cwalt = samen Entngtionalisierungsakte, dat. läse nicht im italien ischen Tempe— amenk. Ich glaube, wir Haben in selner seßten Nehs ein anderes Temperament kennengelernt. Vlesleicht wird. guch Mussolini, die Erfahrung machen, daß das italienische Volk besser getan hätte. auf der Grundlage zu bleiben, quf die es seinerzeit mit Hilfe unseres großen Staatsmannes, des ar Bitzmatch gelte worden ist. Bicfer große Staalsinann hat stets die Rolle Italiens in der europäischen Polltik erkannt und den Intzressen Italiens, auch in der Mitlelmeerfräge, Rechnung getragen. Ich schließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß diefer Jwischenfell, so ernst er an sich ist, keine dauernde Verftimmung mit Italien bewirken möge. Wenn wir au keine Waffenmacht mehr in der Hand, haben, so haben wir doch na das letzte Gut, unsere nationale Würde, um für verfolgte Volks genossen einzutreten. Wir sind der Ueberzeugung, daß unsere Vo ks⸗ genossen in Südtirol ihr deutsches Volkstum schützen und bewahren werden, was auch kommen werde. (Bäifall rechts)

Abg. Stöcker (Comm) bezeichnet es als symptomatisch, daß einer der Führer des Völkerbundes eine solche Rede halten konnke

an demselben Tage, als der Beschluß des deutschen Kabinetts zum.

Eintritt in den Völkerbund gefaßt wurde. Wir protestieren gegen die Unterdrückung der Südtiroler; drei Monate nach Locarno zeigt ich, daß der Geist von Locarno Schwindel und Betrug ist. Die Reze Mussolinis zeigt, daß in einem entscheidenden Augenblick alle Verträge wie Fetzen Papier behandelt werden. Mussolini tut aber nichts anderes, als was Paul Boncour in Elsaß⸗Lothringen, was Masaryk in der Tschechoflowakei zur Unterdrückung Deut cher tun. Chamberlain und Briand sind um kein Hagr besser als Mussolini, nur sind sie nicht so plump, sondern geschickter. Mussolini vertritt

die Inleressen der italieniscken Bourgeoiste. Das Weitertragen der Trikolore über den Brenner, von dem Mussolini sprach, stellt ein

bedeutendes Wort dar.

Mae Donald hat a erh daß ein Geheimvertrag zwischen England und Italien

efteht. Die deutschen

Fememörder find nur Waisenkuaben gegen den Mörder Mussolini, den die Arbeiterschaft der ganzen Welt verachtet. Der deutschen Bourgeoisie steht nach ihrer früher getriebenen Politik gar nicht das Recht zu, jetzt gegen Mussolinis Vorgehen zu protestieren. In der Innen- und Außenpolitik gibt es für uns keine Gemeinschaft mit der deutschen Bourgeoisie. Die Frage Südtirols, wie die Frage aller anderen nationglen Minderheiten wird erst gelöst werden, wenn die Arbeiterklasse die Macht in der Hand hat. Sie wird die Frage gengu so spielend lösen wie Sowjetrußland, in dem 40 ver- schiedene Volksstämme friedlich zusammenleben. Auf das Eiapopeia des Völkerbundes darf die Arbeiterschaft sich nicht verlassen. Abg. Hampe, (Wirtschaftl, Vereinig) gibt eine Erklärung ab, in der es heißt: Die Fraktion Wirtschaftliche Vereinigung hat von den Erklärungen des Ministers des Auswärtigen mit Befriedigung Kenntnis genommen. Sie verzichtet angesichts dieser Erklärung ihrerseits auf eine eingehende Besprechung der eingebrachten Inter= pellationen. Sie weiß sich eins mit den anderen Fraktionen des Hauses in der scharfen Verurteilung, die die höhnenden Worte des ttalienischen Ministerpräsidenten gefunden haben. Nur in einem friedlichen Berkehr mit den anderen Völkern Europas sehen wir die einzige Gewähr für einen gedeihlichen Wiederaufbau und eine gedeihliche Entwicklung. Um so schärfer müssen wir das Verhalten Mussolinis verurteilen. Wenn Mussolini die angeblich höhere Kultur der Italiener hervorheben zu müssen geglaubt hatte, * muß gesagt werden, daß ein höheres Maß von Taktgefühl jedenfalls eine größere Wirkung gehabt hätte. Für unsere erf e nn. bezüglich des Eintritts in den Völkerbund bedeutet die Rede des italienischen Ministerpräsidenten eine außerordentliche Belastung, eine ernufte Warnungen letzter Stunde, den entscheidenden Schritt zu tun. Bevor nicht dem schwer gekränkten mn . Volke völlige Genugtunng und Sicherheit gegen Wiederholung einer solchen Kränkung ünd Bedrohung geschaffen ist, kann für uns die Frage des Eintritts in den Völkerbund nicht mit ja beantwortet werden. Abg. Graf Reventlow Gölk,) betont, daß die Deutschen Südtirols von Anfang an die ungeteilte k der Völkischen besessen haben. Die Sozialdemokraten sollten für die Interessen des Deutschtums in Polen und in der Tschechoslowakei auch nur einen Bruchteil ihrer Energie einsetzen, die sie den Deutschen in Tirol zuwenden. Auch dem Minister des Auswärtigen gegenüber müsse man einen dahlngehenden Vorwurf erheben. In dem einen

Punkte habe Mussolini allerdings recht: Die Behandlung, die man den Deutschen in der Tschechoflowakei und in Polen angedeihen lasse, sei noch viel niederträchtiger als die Behandlung der Deutschen

in Südtirol. Aber auch an die deutschen Volksgenossen in Esaß— Lothringen müsse man denken. Für sie habe der Minister des Aus⸗ wärtigen nicht ein Wort gefunden. In Deutschland hätten wir nationale Minderheiten nur in sehr geringem Umfange. Wenn der Minister des Auswärtigen von Minderheiten anderer Rasse gesprochen habe, so meine er offenbar damit die Juden. Die müßtein aber zunächst, zumal seitdem ihnen der ungehinderte Zugang zu . offen stehe, der Vorrechte entkleidet werden, die sie in Deutschland genössen. Der Redner vermißt einige Worte herzl ichen Danes an den bayerischen Ministerpräsidenten Held, der dem Minsster des Auswärtigen eine glänzende Gelegenheit gegeben habe, nationale Töne auf einem Gebiete anzuschlagen, wo es im Rugenblick noch ohne Risiko sei. Zur Völkerbundsfrage zitiert der Redner den „Temps“, der Mussolini zustimme und hinzusetze, daß nur durch energische Worte Deutschland zur Vernunft zu bringen sei. Das sei dasselbe Frankreich, das unaußhörlich wiederholt habe, baß der Locarno-Vertrag nur den Vertrag von Versailles be⸗ festigen werde. Der „Geist von Locgrno“ sei überhaupt nur eine Ausgeburt der Phantasie der deutschen Staatsmänner. Dieser Geist sei überhaupt kein Geist. Klar und nüchtern sei nur die Politik der anderen Mächte; die deutsche Politik sei nur eine inter⸗ nationasiftische Illusionspolitik. Auch der Völkerbundsvertrag sei nur eine welter Befestigung des Vertrags von Versailles. Außer⸗ halb des Völkerbundes würde Deutschland unter entsprechender Ausnuntzung politischer Kombinationen die Besserstellung der deut⸗ schen Minderheiten viel leichter und wirksamer erreichen können. Die Völkischen hätten immer die Ansicht vertreten, daß Deutschland und Italien für gute Beziehungen zueinander geradezu geschaffen een; Bezeichnend sei, daß die weltfreimaurerische Judenpresse WMöuffolini zustimme. Die Frage der, Minderheiten könne erst dann wirklich gelöst werden, wenn die Lösung erfolge im Sinne einer bölkischen, auf völkischer Grundlage berühenden Selbstbestinmung der Völker.

Damtt ist die Aussprache geschlossen.

Präsident des Reichtstags Löbe: Ich darf das Ergebnis der Aussprache zusanmmnenfgssen und diesem auf Ihren Wunsch mit Aus⸗ nahme der Kommunistichen Partei Ausdruck geben. Der Deut sche Neichẽtcg wöist die fachlich unberechtigten und in zer Form beleidi⸗ genden Angriffe und Ausfälle des ikalienischen Ministeqpräsiden ten mit Nachdruck zurück. Beifall, In der ganzen Welt gilt, die recht · liche Anf ng, daß das Schicksal stammperwandter Minderheiten bon der Mutterngtion mit innerlicher Anteilnahme verfolgt und ihr ingen um die Erhaltung des Volkstum von ihr unterstützt wird.

(Beifall. Obwohl das deutsche Volk nichts anderes wünscht, als in

friörlicher Zusammenagrbeit init den übrigen Völkern seinem eigenen Aufbau zu dienen, wird es sich nicht dabon abhalten lassen, für die deutschen Minderheiten unter fremder Stagtshgheit eine gerechte Be⸗ handlung zu beanspruchen. (Beifall Dieses Recht werden wir uns am wen gften durch beleidigenbe Ausfälle und sinnlose Drohungen, bon wo fie auch herkommen mögen, beschränken lassen. (Lebh. Beifall.)

Es folgt die zweite ö des Gesetzentwurfs,

betr., das vorläufige Wirtschaftsabkommen zwischen Deutschland und Spanien. Der handelspolitische Ausschuß beantragt die Annahme der Vorlage.

Abg. OS MagJ f (D. Nat) will die Interessen der deutschen Land⸗

wirtschaft im albtemeinen und des deutschen Weinbaues im besonde ren TDPanten gegenüber nachdrücklichst gewahrt wissen als es in dem letzten Handelsabkommen geschehen sei. Dahej, sei die Position unserer er, eine sehr günftige gewesen. Wäre die deutsche Regierung Kur noch ein paar Wochen fest geblieben, so hätte Spanien nachgeben müssen. Fin Verbot der Schnittweine habe der deutsche Wem bau nicht berlangt. Vuch bas vorliegende Provisgrium biete nicht die Möglichkeit, den deutschen Weinbau in dem Maße zu schützen, daß er sicher wor Jusammenbruch bewahrt werden könne. Für die Land- virlschaft seien durch Erleichterungen der Südfruchteinführ neue (ye— ahren ehtstanden. Wir müßten einen Ausgleich, für unseren Jüd- beutschen Weinbau gegenüber dem quslandischen. Weinbau durch Schhitz zölle fer Die ne Landwirtschaft, meinte der Reichskanzler, müsse sich umstellen auf den intensiven Betrieb. Die Bauern hätten nicht studiert, wüßten aber doch soviel, daß us magerem Boden ni mehr zu eräzelen sei. In diesem Handel crmrobiserium sehe seine Partei eine Gefährbung der eigenen landwirtschaftlichen Preduktien. Deshalb werde der überwiegende Teil seiner Freunde dieses Handels⸗ probisorium ablehnen.

Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

Veran hvortlicher Schriftleiter: J. V. Weber in Berlin. Verantwortlich für den Anzeigente nn , , Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftestelle (Mengering in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin Wilhelmstr 32.

Vier Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage) . und Erste bis Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗BVeilage.

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zum Deut schen Reichsauzenige

Nr. 34.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

dieses Sandelsproblsoriums für unseren Weinbau nachgewiesen; des. wegen waren meine Freunde seinerzeit zum größten Teil gegen die Ratifikation des Handelsbertrags mit Spanien. Die damaligen Zoll⸗ fie genügten nicht, um unserem Weinbau den Wettbewerb mit dem Ausland zu ermöglichen; die jetzigen Sätze im Dandelsprovisorum ind berbessert worden. Es sind große Mengen minderwertiger ,, Weine, die nicht ein mal den Anforderumgen unseres Wein: gesetzes entspcechen, nach Deutschland hereingebracht worden, um mit deutschen Weinen verschnitten zu werden, und dann unter dem Namen deutlcher Weine zu gehen. Wir stehen auch diesem Handels= Hglovisorium sehr skeptisch gegenüber und können dafür nur unter der Bedingung der Ausschußentschließung stimmen, daß Spanien nicht mehr gewährt werden darf als Italien zugestanden ist., Unsere Winzer find arm und bekommen keine Erwerbslosenuntenstützung, sie müffen deshalb durch Schutzzölle einen Ausgleich für ihre Produktions · kosten gegenüber dem Ausland erhalten Eine große Demonstigtions⸗ versammtung an beiden Ufern der Mosel hat die Not der Winzer um Ausdruck gebracht; an solcher Kundgebung von 20 000 Mann . man nicht vorübergehen. Ich wünschte nur, man hätte hier in Berlin diese 365 0600 Leute sehen können. Wir müssen zu einem end⸗ ültigen Handelsvertrag mit Spanien kommen, und zwar auf den rundlagen der Zollsätze, die wir mit Italien abgeschlossen haben. Meine Freunde konnen nicht geschlossen für dieses Handelsprovisorium stimmen, ein Teil wird dagegen stimmen. .

Abg. Hoernle (Komm.): Der Handelsvertrag mit Spanien und diefes Handelsprovisorium sind ein Zeichen der au ßen⸗ olitischen Ohnmacht der Bourgeoisie, die ihre Politik auf Kosten ber Arbeiter treibt. Im Dezeniber soll Spanien neue BVorschläge für einen Handelsverkrag gemacht haben, die die Deutsche Tages⸗ zeitung für annehmbar hielt, aber wir kennen diese Vorschläge nicht; der Reichstag muß verlangen, daß wir fortlaufend eine Kon⸗ trolle von Handelsvertragsverhandlungen ausüben können Die Deutschnationalen meinen es mit dem Schutz der armen Winzer gar nicht so erast; seinerzeit hat nur ein Teil der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei gegen den spanischen Handelsvmrtrag gestimmt, der andere Teil hat die Annahme ermöglicht. Groß⸗ agrarier und Großindustrielle haben ein Bündnis auf dem Gebiete der Zollpolitik für ihre eigenen Interessen geschlossen. Die kleinen Wein-, Obst⸗ und Gemüßsebauern werden bald merken, daß die Deutschnationalen und der Reichslandbund gar nicht ernstlich und wirklich ihre Interessen vertreten, sondern ihre Not nur ein Agitationsobjekt für jene ist, die im Bund mit der Großindustrie nur ihre eigenen zollpolitischen Interessen verfolgen. Unsere Vor⸗ Flag für Erleichterung der kleinen Winzer und Obstbauern durch exbilligung des Stickstoffs sind von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten niedergestimmt worden. Auf anderen Wegen kann den kleinen Bauern besser geholfen werden als durch Schutz⸗ ölle. Was nützt es ihnen, wenn sie höhere Preise für ihre Ware bekommen, wenn keine Käufer da sind, die sie ihnen abnehmen können. Die Schutzzollpolitik ist kein Instrument, um zu inter⸗ nationalen Beziehungen zu kommen, sondern ein Instrument des Zollkrieges. Die Schutzzollpolitik treibt die kleinen Bauern und Ärbeiter nur noch weiter ins Elend hinein. Die Bourgeoisie hat keine außenpolitische Macht. Eine Arbeiter⸗ und Bauernregierung würde einen ganz anderen Einfluß auf das Ausland ausüben können.

Abg. Dr. Schneide r⸗Dresden (D. Vp.) : Wir stimmen mit roßer Mehrheit für dieses Handelsprovisorium. Für unsere Exportindustrie hängt es von den Aufträgen des Auslandes ab, ob sie weiter arbeiten kann. Im Interesse unserer Arbeiterschaft liegt die Förderung der deutschen Exportindustrie. Der Redner wesst auf die Interessen der deutschen Schiffahrt hin für die in Spanien befindlichen Auslandsdeutschen, auf die von den Ver⸗ tretern des Winzerstandes Rücksicht genommen werden muß. Die deutsche Handelspolitik sei nicht nur eine Frage der Weinzölle, 6, die große Frage der deutschen Ausfuhr. Den Wünschen er Weinbauern solle nach Möglichkeit entgegengekommen werden, auf dem Wege des Zollkrieges könne das aber nicht geschehen. Das Vertragsprovisorium mit Spanien ist kein Idealzustand.

Abg. Meyer⸗Berlin (Dem) kritisiert die so schnell erfolgte Kündigung des deutsch⸗spanischen Handelsvertrags. De

Abg. Kerp Gentr.): Wir haben schon wiederholt den Schaden

Der Handels⸗ politische Ausschuß und der Reichstag hätten der Kündigung zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht zugestimmt. Der Redner zitiert einen im „Tag“ erschienenen Artikel: „Nieder die Industrie! Es lebe der Winzer!“, der auf die Gefahren eines vertragslosen Zu⸗ tandes in Spanien hinweist. Auf die Interessen des Weinbaues, o betont der Redner, müsse zwar etwas mehr Rücksicht genommen werden, aber ein Zollkrieg müsse vermieden werden. Die Atmo⸗ sphäre für den Abschluß des Handelsvertrags müsse nach Möglich⸗ keit günstig gestaltet werden. .

Abg. Rauch (Bayr. Vp) erklärtz nur mit Rücksicht darauf, baß ein vertragsloser Zustand mit Spanien vermieden werden müsse, werde seine Fraktlon dem Provisorium zustimmen; wünscht aber, daß die Reichsregierung sich vorher mit dem Reichstage ins Einvernehmen setze Der deutsche Weinbau habe nur ein Absatz⸗ sebiet: Deutschland, während es von der Industrie bekanntlich . Unser Feld ist die Welt. Daher müsse die Existenzmöglichkeit des deutschen Weinbaues gesichert werden.

Abg. von Graefe Gölk.) hebt aus wirtschaftlichen wie politischen Gründen die Notwendigkeit eines Handelsahkommens mit Spanien hervor. Die Regierung macht es aber den Völkischen ormell und sachlich unmöglich, dem Handelsabkommen zuzu⸗ timmen.

Das vorläufige Wirtschaftsabkommen mit Spanien wird dann in zweiter und dritter Lesung an⸗ genommen.

Beim Zusatzvertrag zum niederländisch⸗deut⸗ schen Handels vertrag äußert Abgeordneter Ohler (D. Nat.. Bedenken, die Abgeordneter Weidenhsfer völk.) teilt. Darauf wird die Vorlage in zweiter und dritter esung angenommen.

Das Haus vertagt sich auf Mittwoch 1 Uhr: Erste Lesung bes Reichshaushaltsplans für 1926 (Etats rede des Finanz— ministers), Anträge zu den Hochwasserschäden, kleine Vorlagen.

Schluß 71½ Uhr.

Prenßijcher Landtag.

129. Sitzung vom 9. Februar 1926, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“) Dhne Aussprache wird zunächst ein auf Antrag L üdemgnn (Soz.) nachträglich 14 die Tagesordnung g*etzter sozialdemokratischer Antrag über Maßnahmen zur Verhinderung der Erwerbslosigkeit dem Hauptausschuß überywiesen. Danach soll bereits jetzt ein

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehebenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

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Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 10. Februar

namhafter Teil der im Haushaltsplan für 1926 vorgesehenen Mittel für öffentliche Bauten zur Verfügung gestellt werden und außerdem für die Finanzierung des Wohnungsbaues vorschußweise den Kommunalverbänden ein Betrag von 50 Millionen Mark überwiesen werden.

Gleichfalls ohne Aussprache findet Annahme der Antrag des Ost-Ausschusses, daß alle in Ober⸗ schlesien durch Aufruhr und Poleneinfall verursachten Personen⸗ und Sachschäden auch bei verspäteter Anmeldung in höchst möglichem Maße als Reichsschuld anerkannt werden und daß die . der Personen⸗ und , . und der Wiederaufbauzuschüsse, gleichviel, ob die Geschädigten Flüchtlinge oder Aufruhr⸗ geschädigte sind, aufs äußerste beschleunigt wird. Es sollen hierbei die aus dem Hultschiner Ländchen Vertriebenen den anderen Flüchtlingen rechtlich und materiell völlig gleichgestellt werden; insbesondere soll bei der Begleichung der Ostschäden nicht anders verfahren werden als bei der der Westschäden.

Ferner wird angenommen der Antrag des Handelsausschusses, der einen sozialdemokratischen Antrag dahin abändert, daß das Staatsministerium ersucht wird, im Benehmen mit der Reichsregierung alle An⸗ strengungen zu machen, um spekulativen Still⸗ legungen, wenn nötig, auf gesetzlichem Wege vorzu⸗ beugen. Desgleichen findet Annahme der Ausschußantrag zu einem kommunistischen Antrag, das Staatsministerium zu ersuchen, bei den Verhandlungen in Sachen der Zahlung einer Ausgleichszulage an die Angestellten in den Staatsbetrieben des Recklinghausener Bezirks dahin zu wirken, daß die Zulage im Rahmen einer Summe von 150 000 Reichsmark bei Ver⸗ einbarung mit den Angestellten bald zur Auszahlung kommen; die unteren Angestellten sind in die Zahlung mit einzubeziehen.

Gleichfalls ohne Aussprache findet Annahme der Urantrag des Zentrums, das Staatsministerium

u ersuchen, darauf hinzuwirken, daß die zweite Rate er Saatgutkredite bis nach der Ernte dieses Jahres gestundet wird, um der Landwirtschaft die Möglichkeit zu geben, in dieser Zeit mit Hilfe der Zwischenkredite der Gold⸗ diskontbank den teuren preußischen Saatgutkredit abzutragen.

Das Haus geht über zur zweiten Beratung des Gesetz⸗ entwurfes über die Umgemeindung im rheinisch⸗ westfälischen Industriegebiet.

Abg. Schmid -⸗Düsseldorf (D. Vp) erstattet den allgemeinen Bericht über die Verhandlungen des Ausschusses. Er hebt zunächst hervor, daß der Umgemeindungs⸗Gesetzentwurf sich auf gewissen Grundprinzipien gufbaue, die neuartig seien. In den Verhandlungen des Gemeindeausschuffes sei beanstandet, daß die Vorlage nicht weit genug ginge und nicht die Gesamtheit der erforderlichen Grenz- verhältnisse regele. Aber die Mehrheit des Gemeindegusschusses habe in Uebereinstimmung mit der Staatsregierung den Standpunkt ein— genommen, daß ein schrittweises Vorgehen nötig sei, weil es eben

schlechthin unmöglich wäre, die Gesamtheit der Umgemeindungs⸗ probleme mit einem Schlage zu lösen. Die Anschauung des Ge—⸗

meindeausschusses habe eine weitere allgemeine Frage, ob es angängig sei, ähnlich wie in Groß Berlin, die Kernstücke des Industriegebietes zu einer Einheitsgemeinde zusammenzufassen, ahschlägig beschieden. Die große Mehrheit des Ausschusses habe sich in der allgemeinen Beurteilung auf den Boden der Regierungsvorlage gestellt. Weiter wären Staatsregierung und die Mehrheit des Ausschusses der An⸗ sicht, daß es in der heutigen Zeit unmöglich sei, einer Kommune größere Gebiete zuzugestehen als es bei vernünftiger Beurteilung der finanziellen Möglichkeiten tragbar erscheine. Der letzte allgemeine Gesichtspunkt sei der, daß die Entscheidung in der Frage der Um⸗ gemeindungsprobleme lediglich nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen sei. In dieser Hinsicht eingegangeng, kaum zu bewältigende Ginzelanträge seien, soweit möglich, berücksichtigt worden. Die leitenden Gesichtspunkte hätten die Zustimmung der übergroßen Mehrheit des Ausschusses gefunden. Ebenso seien auch die einzelnen Vorschläge des Regierungsentwurfes, abgesehen von einigen feinen Grenzfragen, die insbesondere Hattingen und Bochum berührten, akzeptiert worden. Was hier noch offen bleibe und als Restkreis bestehe, solle im Zusammenhang mit anderen Restkreisen in einer neuen Vorlage behandelt werden. Hierzu werde dem Landtag eine Entschließung zur Annahme empfohlen, in der das Staatsministerium ersucht würde, umgehend in eine Prüfung der Restkreise einzutreten und eine diesbezügliche Vorlage einzubringen. Die Meinung des gesamten Ausschusses sei es gewesen, daß diese große Kommunal⸗ seform nicht auf Kosten der Beamten und Angestellten gehen sollte. Dann nimmt der Berichterstatter Bezug auf die Stellung des Zentrums bezüglich der kirchlichen Belange. Ohschon in dem Gesetz die kirchlichen Grenzen unverändert bleiben sollten, werde praktisch eine große Nachwirkung der Umgemeindungen auch guf die Kirchen⸗ gemeinden sich zeigen. Die kirchlichen Behörden hätten aber unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten von der Geltendmachung ihrer Belange abgesehen. Der Redner ersucht schließlich den Landtag, er möge nach fast sechsjährigem Kampfe aller gegen alle dem Industrie— bezirk seine Ruhe wiedergeben, damit er sich auf der Grundlage ge—⸗ sunder kommungler Verhältnisse imstande sehe, seine wirtschaftlichen Aufgahen zu. erfüllen

Inzwischen ist von den Kommunisten ein Aenderungs⸗ antrag eingegangen, nach dem die Landgemeinde Bergen des Landkreises Bochum mit der Stadtgemeinde vereinigt werden soll.

Abg. von Waldthausen (D. Nat) legt die Gründe dar, die den Ausschuß bewogen haben, die Mittelstadt Wattenscheid zu bilden und das Walmherk und die Zeche Engelsburg der Stadt Bochum zuzusprechen. Die Einverleibung von Weitmar in Bochum sei selbst von der Gemeindevertretung von Weitmar gewünscht worden Der Rest des Freises Gelsenkirchen (Gemeinde Röhling⸗ hausen, Amt Wanne und Amt Eickel) solle zu einer neuen kreisfreien

Stadtgemeinde Wanne⸗Fickel zusammengeschlossen werden. Der Ne⸗ gierungsentwurf wurde in dieser Beziehung angenommen. Der Be—

richterstatter hob noch hexvor, daß die neue Mittelstadt Wattenscheid rund 50 0090, die neue Mittelstadt Wanne⸗CEickel rund 90 000 Ein— wohner haben werde.

Nachdem noch die Abgg. Klupsch (Soz) und Wiese (Zentr. über die Abschnitte Recklinghausen und Gerthe Bericht er⸗ stattet hatten, nahm der

Minister des Innern Severing: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein kurzes Wort. Der Herr Generalberichterstatter war so freundlich, meinen Mitarbeitern und mir einige anerlennende Worte dafür zu widmen, daß wir diese schwierige Materie für die Verhandlungen des Ausschusses gründlich durchgearbeitet haben. Ich glaube, daß den Ausschüssen des Preußischen Landtags schon früher ähnlich sorgfältig begründete Vorlagen gemacht worden sind, daß aber diese Vorlagen nicht immer das erfreuliche Ergebnis gehabt haben, daß sich die Parteien, wie heute, anschickten, sie sozusagen en blos anzunehmen. (Sehr richtig Wenn es dahin gekommen ist, dann ist das nicht zuletzt das Verdienst des Herrn Vorsitzenden, der Be⸗

r und Preußischen Staatsanzeiger

richterstatter und sämtlicher Mitglieder des Gemeindeausschusses, die sich nicht von den vielen Einsprachen haben beirren lassen., die von einzelnen Orten des Eingemeindungebezirks gekemmen sind Ich hatte, als die Vorlage noch sozusagen als Embryo im Ministerium des Innern lag, aber von der Tatsache der Absicht des Ministertums— Eingemeindungen in größerem Umfange vorzunehmen, draußen schon gewisse Mitteilungen tuisierten, den ersten Anprall von Deputationen aller Art auszuhalten. Und wie das im Laufe der Jahre angewachsen ist, das brauche ich den Mitgliedern des Hauses, insbesondere den Mitgliedein des Ausschusses für Gemeindeangelegenheiten, nicht in die Erinnerung zurückzurufen. (Zustimmung und Ruse: Siehe Tribüne Diese Walltahrten nach Berlin (Heiterteit) ließen mich manchmal an dem Zussandekommen des Gesetzes zweiseln und wenn nun heute das Werk und damit ein Slück Arbeit zum Abschluß ge—⸗ langt, ein Stück Arbeit, das sich immerhin auch vor der strengsten Kritik sehen lassen kann, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, danken wir das in der Tat der Einsicht und Standhaftigkeit des Ausschusses für die Gemeindeangelegenheiten. Ich möchte deshalb nicht versäumen, insbesondere dem Herrn Vorsitzenden, den Berichterstattern, aber auch allen Mitgliedein des Aust schusses meinen herzlichsten Dank dafür auszusprechen. (Bravo An Kritik wird es ja auch in Zukunft nicht sehlen. Ich bin überzeugt daß, wenn heute der Schlußvunkt unter das Gesetz gesetzt wird, auch dann immer der eine oder andere noch etwas auszusetzen hat. Insbesondere wird die eine Redensart noch nicht zum Ver— stummen gebracht werden, daß das Gesetz nicht weit genug gehe, eine Redensart, die ja nach den Mitteilungen des Herrn Beiischterstatters im Ausschuß, aber auch in der Oeffentlichkeit in den letzten Wochen noch eine größere Rolle gespielt hat. Es gibt eben oder gab doch bisher wenigstens Männer, die da glaubten, man könne in der Tat schon heute eine Großstadt schaffen, die im Westen von Dortmund begrenzt wurde, im Osten von Essen, im Norden von der Emscher, im Süden von der Ruhr Das wäre ein Berlin im Ruhrbezirk geworden. Selbst wenn man die weiteste Dezentralisation in dieser Großstadt hätte vornehmen wollen, dann wären aber doch die Be— denken nicht zu unterdrücken gewesen, daß ein solcher Koloß im Industriebezirk nicht elastisch genug gegenüber den mannigfaltigen Aufgaben des Industriebezirks gewesen oder geblieben wäre. (Sehr richtig! links) Ich glaube, daß wir die Verpflichtung haben, alle Reorganisationen auf kommunalpolitischem Gebiete auch von diesem Gesichtspunkt aus zu beurteilen und insbesondere zu prüfen, wie die Organisationsform den Bedürfnissen der Wirtschaft geiecht wird Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang auf einige Kritiken zu verweisen, die in den letzten Tagen an der Bürokratie insbefondere der Staatsregierung laut geworden sind. Herr Kollege Greßler Sie wissen ja, was ich meine. (Abg. Haas (Köln): Aber die andern auch! Heiterkeit) Die Oberbürgermeister verschiedener Städte haben in den letzten Wochen über diese Bürokratie der Berliner Zentralstellen sehr lebhafte Klage geführt. Psychologisch verstehe ich das durchaus. Die Herren, die im Jahre 1925 bei den Debatten über den Finanzausgleich, bei den Debatten im Reichstage und auch hier Ambos gewesen sind, möchten jetzt auch einmal Hammer sein. Ich habe den Herren Oberbürgermeistern ich glaube, der ganze Landtag kann mir das bezeugen —, überhaupt den Vertretern der Selbstverwaltungskörperschaften, in allen diesen Debatten die Stange gehalten. Ich habe als Kommunalaussichtsminister immer die Ver⸗ pflichtung gefühlt, der Legende entgegenzutreten, als ob gemeinhin von einigen Ausnahmen abgesehen im Jahre 1924 eine größere Verschwendung seitens der Städte getrieben sei. Ich bin derartigen Uebertreibungen, sage ich, stets entgegengetreten. Aber diese Haltung, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt mir, glaube ich, heute auch das Recht, den Uebertreibungen der andern Seite entgegenzutreten. (Sehr richtig Es geht nicht an, daß, wenn heute irgendein Anleiheantrag aus dem Rheinlande oder aus Berlin oder irgendeiner andern Stadt an das Ministerium des Innern gelangt, ein Anleiheantrag, der in Preußen erst ver⸗ schiedene Ministerien durchlaufen muß, bevor er an die Beratungs—⸗ stelle des Reichsfinanzministerlums gelangt, ich sage, er geht nicht an, diesen Anträgen sofort hie Zustimmung der Zentralstelle zu geben. (Sehr richtig Selbst wenn der zuständige Innenminister das möchte, selbst wenn sein Wunsch dahin geht, den Städten so schnell wie möglich zu helfen, alle diese Dinge müssen doch genauest geprüft werden, wenn wir nicht wieder in einen Zustand kommen wollen, den wir zum zweiten Male nicht überleben können, wenn wir nicht in neue Schäden einer Inflation geraten wollen. (Sehr richtig) Wenn man diese pflichtmäßige Prüfung derartiger Anträge „Bürokratie! nennt, dann werden sich, glaube ich, die in Betracht kommenden Ministerien, das Finanzministerium und das Preußische Innenministerium, gern als Bürokiaten bejeichnen lassen. Ich glaube aber, man darf den Herren Oberbürgermeistern, die sich bei ihrer Kritik in der Uebertreibung gefallen, in der Variation eines bekannten Bibelwortes dagegen: ‚Was siehst Du den Splitter in Deines Vaters Auge und den Balken im eigenen wirst Du nicht gewahr“ (Heiterkeit. Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Zuruf) Ich habe nicht Bruder gesagt, sondern Vater. Das ist doch der Staat im Verhältnis zu den Städten. (Heiterkeit. Wir konnten aber auch der anderen Lösung nicht zustimmen heute schon eine Reihe von Großstädten als das Ziel der Eingemeindung zu be⸗ zeichnen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Die wirt—⸗ schaftlichen Veränderungen., und Zusammenbrüche in den letzten Jahren haben besonders das rheinisch-westfälische Industriegebiet betroffen, und wir wissen heute noch nicht, ob diese Veränderungen Dauerzustand gewinnen werden oder ob es sich um vorübergehende Er— scheinungen handelt. Ich möchte annehmen, daß, soweit die Kohlen⸗ produktion in Betracht kommt, wir es besonders im Süden des Ruhr⸗ bezirks mit Dauerzuständen zu tun bekommen, daß also die Industrie eine Umstellung in der nächsten Zeit in größerem Umfange vornehmen muß. Solange dieser Entwicklungsprozeß aber nicht abgeschlossen ist, konnten wir es nicht verantworten, heute schon Organifations— formen für die Gemeinden festzusetzen, die wahrscheinlich durch diesen Entwicklungsprozeß in kürzester Zeit berichtigt werden